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Musik - ein Medium der Wirtschaftskommunikation?

©2003 Diplomarbeit 111 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Musik wirkt auf Menschen. Jeder kann das aus seiner persönlichen Erfahrung bestätigen. Musik fasziniert Menschen, gefällt oder missfällt ihnen, lässt sie träumen, tanzen, andächtig lauschen, verzweifeln oder in Massen in Konzerte strömen. Aus diesem Grund hat sich bereits eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen mit Musik beschäftigt. Musik spielt auch in verschiedenen Instrumenten der Wirtschaftskommunikation eine Rolle. So gibt es musikalisch untermalte Werbespots in Funk und Fernsehen, Musik in Supermärkten und Kaufhäusern, es gibt musikalisch gestaltete Events und das Sponsoring von Künstlern und Konzerten. Doch es gibt bislang noch keine Ansätze für den übergreifenden und integrierten Einsatz musikalischer Elemente in der Unternehmenskommunikation. Der Begriff der Corporate Acoustics existiert zwar, wird jedoch nur in Bezug auf einzelne der oben erwähnten Einsatzfelder von Musik in der Wirtschaftskommunikation verwendet.
Dabei besteht für Unternehmen in unserer Zeit mehr denn je die Aufgabe, ihre Produkte mit präferenzbildenden Attributen auszustatten, die es den Konsumenten ermöglichen, eine Beschränkung der wahrgenommenen Vielzahl von Marken und Produkten vorzunehmen. In der Kommunikation dieser Attribute konkurrieren sie mit einer großen Zahl anderer Produkt- und Markeninformationen und stoßen auf wenig involvierte Konsumenten. Die Unternehmen müssen sich in ihrer Kommunikationsgestaltung auf diese Bedingungen einstellen.
Der integrierte Einsatz von Musik in der Wirtschaftskommunikation könnte zur besseren Differenzierung von Produkten und Unternehmen im Markt beitragen. Darum soll es die Aufgabe dieser Arbeit sein, Überlegungen anzustellen, wie sich Wirtschaftskommunikation der Musik bedienen kann. Dabei geht es nicht darum, heraus zu finden, ob zu einem bestimmten Produkt eher die Tonart Es-Dur oder Fis-Moll passt. Vielmehr ist es das Ziel zu untersuchen, ob Musik in der Lage ist, als Medium den Erfolg von Wirtschaftskommunikation wahrscheinlicher zu machen.
Zur Beantwortung dieser Frage und zur Untersuchung, inwiefern ein einheitliches musikalisches Klangbild innerhalb der Markenkommunikation vorstellbar ist, müssen im Vorfeld andere Fragen beantwortet werden: Kann Musik Informationen oder Emotionen vermitteln, und wenn ja, unter welchen Umständen kann sie das? Kann Musik in der Wirtschafts- und insbesondere in der Unternehmenskommunikation als Medium dienen? Wie kann Musik zur eindeutigen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7144
Müller, Christian: Musik - ein Medium der Wirtschaftskommunikation?
Hamburg: Diplomica GmbH, 2003
Zugl.: Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachhochschule für Wirtschaft
und Technik, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2003
Printed in Germany

II
Gliederung
1. Einleitung
1
1.1
Einführende Überlegungen
1
1.2
Entwicklung der Fragestellung
1
1.3
Aufbau der Untersuchung
2
2. Der kommunikative Gehalt der Musik
3
2.1
Die Semiotik der Musik
4
2.1.1 Zur Frage nach Zeichen in der Musik
5
2.1.2 Der Inhalt des Tons als musikalisches Zeichen
7
2.2
Betrachtung des Vergleichs von Sprache und Musik
8
2.2.1 Zur Frage nach Begriffen in der Musik
10
2.2.2 Die Bildlichkeit von Musik
11
2.2.3 Zum Informationsgehalt von Musik
12
2.3
Emotionsgehalt in der Musik
14
2.4
Zum Verhältnis von Musik und Zeit
17
2.5
Musik in der Gesellschaft
20
2.6
Musikpräferenzen
23
2.7
Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse
25
3. Musik als Kommunikationsmedium
26
3.1
Einordnung verschiedener Medienbegriffe
26
3.2
Technische Medien
30
3.2.1 Der Begriff der technischen Medien
30
3.2.2 Musik als technisches Kommunikationsmedium
31
3.2.3 Exkurs: Musik und Massenmedien
32
3.3
Medien nach McLuhan
34
3.3.1 McLuhans Medienbegriff
34
3.3.2 Musik als Kommunikationsmedium nach McLuhan
36
3.4
Medien nach Parsons und Habermas
38
3.4.1 Symbolisch generalisierte Medien nach Parsons
38
3.4.2 Soziale Interaktionsmedien nach Habermas
40
3.4.3 Musik als Medium im Sinne Parsons' und Habermas'
42
3.5
Medien nach Luhmann
43
3.5.1 Kommunikation nach Luhmann
43
3.5.2 Luhmanns Medienbegriff
45
3.5.3 Musik als Medium nach Luhmann
47
3.6
Zusammenfassung der Erkenntnisse
49
Seite

III
4. Musik als Medium in der Wirtschaftskommunikation
50
4.1
Anwendung der bisherigen Erkenntnisse auf die Wirtschaftskommunikation
51
4.1.1 Besonderheiten in der Wirtschaftskommunikation
52
4.1.2 Instrumente der Wirtschaftskommunikation
53
4.2
Bereiche der Wirtschaftskommunikation mit häufigem Musikeinsatz
56
4.2.1 Musik in der Werbung
56
4.2.2 Funktionen von Musik am Beispiel der Werbung
59
4.2.3 Exkurs: Filmmusik
63
4.2.4 Hintergrundmusik im Sinne der Verkaufsförderung
67
4.3
Weitere Einsatzmöglichkeiten von Musik in der Wirtschaftskommunikation
70
4.3.1 Messen und Events
70
4.3.2 Sponsoring
71
4.3.3 Public Relations
72
4.3.4 Multimedia-Kommunikation
72
4.3.5 Direktkommunikation
73
4.3.6 Mitarbeiterkommunikation
74
4.4
Zusammenfassung der Erkenntnisse
74
5. Musik als Medium der Markenkommunikation
76
5.1
Grundlagen der Markenkommunikation
76
5.1.1 Voraussetzungen heutiger Wirtschaftskommunikation
76
5.1.2 Begriff und Aufgaben der Marke
78
5.1.3 Markenkommunikation und Markenführung
79
5.2
Einsatzbereiche von Musik in der Markenkommunikation
80
5.2.1 Markenimage, Markenwissen, Markenschemata und Musik
81
5.2.2 Musik als Teil der Markenpersönlichkeit
84
5.2.3 Markenbilder
86
5.2.4 Musikalische Erlebniswelten für Marken
88
5.3
Weitere Überlegungen
91
5.3.1 Vergleich von Bildern und Musik in der Markenkommunikation
91
5.3.2 Markensoundtracks
94
5.4
Zusammenfassung der Erkenntnisse
95
6. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung
97
6.1 Beantwortung der Fragestellung
97
6.2
Weiterführende Überlegungen
99
Bibliographie
100
Seite

1
1. Einleitung
1.1 Einführende Überlegungen
Musik wirkt auf Menschen. Jeder kann das aus seiner persönlichen Erfahrung bestätigen. Mu-
sik fasziniert Menschen, gefällt oder missfällt ihnen, lässt sie träumen, tanzen, andächtig lau-
schen, verzweifeln oder in Massen in Konzerte strömen. Aus diesem Grund hat sich bereits
eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen mit Musik beschäftigt.
Musik spielt auch in verschiedenen Instrumenten der Wirtschaftskommunikation eine Rolle.
So gibt es musikalisch untermalte Werbespots in Funk und Fernsehen, Musik in Supermärk-
ten und Kaufhäusern, es gibt musikalisch gestaltete Events und das Sponsoring von Künstlern
und Konzerten. Doch es gibt bislang noch keine Ansätze für den übergreifenden und integrier-
ten Einsatz musikalischer Elemente in der Unternehmenskommunikation. Der Begriff der Cor-
porate Acoustics existiert zwar, wird jedoch nur in Bezug auf einzelne der oben erwähnten
Einsatzfelder von Musik in der Wirtschaftskommunikation verwendet.
Dabei besteht für Unternehmen in unserer Zeit mehr denn je die Aufgabe, ihre Produkte mit
präferenzbildenden Attributen auszustatten, die es den Konsumenten ermöglichen, eine Be-
schränkung der wahrgenommenen Vielzahl von Marken und Produkten vorzunehmen. In der
Kommunikation dieser Attribute konkurrieren sie mit einer großen Zahl anderer Produkt- und
Markeninformationen und stoßen auf wenig involvierte Konsumenten. Die Unternehmen müs-
sen sich in ihrer Kommunikationsgestaltung auf diese Bedingungen einstellen.
1.2 Entwicklung der Fragestellung
Der integrierte Einsatz von Musik in der Wirtschaftskommunikation könnte zur besseren Diffe-
renzierung von Produkten und Unternehmen im Markt beitragen. Darum soll es die Aufgabe
dieser Arbeit sein, Überlegungen anzustellen, wie sich Wirtschaftskommunikation der Musik
bedienen kann. Dabei geht es nicht darum, heraus zu finden, ob zu einem bestimmten Pro-
dukt eher die Tonart Es-Dur oder Fis-Moll passt. Vielmehr ist es das Ziel zu untersuchen, ob
Musik in der Lage ist, als Medium den Erfolg von Wirtschaftskommunikation wahrscheinlicher
zu machen.

2
Zur Beantwortung dieser Frage und zur Untersuchung, inwiefern ein einheitliches musika-
lisches Klangbild innerhalb der Markenkommunikation vorstellbar ist, müssen im Vorfeld an-
dere Fragen beantwortet werden: Kann Musik Informationen oder Emotionen vermitteln, und
wenn ja, unter welchen Umständen kann sie das? Kann Musik in der Wirtschafts- und insbe-
sondere in der Unternehmenskommunikation als Medium dienen? Wie kann Musik zur ein-
deutigen Differenzierung von Unternehmen oder Produkten beitragen?
Für diese Untersuchungen bedarf es eines fächerübergreifenden Ansatzes. Die vorliegende
Betrachtung hat dabei ihre Schwerpunkte in der Musikwissenschaft sowie in den Wirtschafts-
und Kommunikationswissenschaften. Darüber hinaus bedient sie sich einiger Erkenntnisse
aus der Soziologie sowie der Medienwissenschaft. Der Begriff der Musik wird in der Betrach-
tung weitestgehend von der Sprache abgegrenzt. Das heißt, es wird nicht detailliert auf das
Lied als musikalische Erscheinungsform in Verbindung mit der Sprache eingegangen, sondern
Musik als allgemeines Phänomen betrachtet.
1.3 Aufbau der U ntersuchung
Zunächst soll die Frage beantwortet werden, ob Musik in der Kommunikation Medium sein
kann. Dazu werden im folgenden Abschnitt Eigenschaften der Musik erarbeitet. Hier werden
insbesondere die Diskussionen über die Semantik der Musik sowie der Vergleich von Musik
und Sprache betrachtet. Darauf aufbauend werden verschiedene Medienbegriffe bestimmt
und analysiert. Anschließend wird Musik in diese verschiedenen Begriffsauffassungen von
Medien eingeordnet. Dabei wird im dritten Abschnitt vor allem auf die technisch geprägte
Auffassung von Medien, McLuhans Begriffstheorie sowie die soziologischen Medienbegriffe
von Parsons, Habermas und Luhmann eingegangen.
Hiernach geht es um die Verknüpfung der Erkenntnisse der ersten Abschnitte mit den Anfor-
derungen der Wirtschafts- und Markenkommunikation. Dazu werden im vierten Abschnitt die
Anwendungsbereiche der Musik in den Instrumenten der Unternehmenskommunikation er-
forscht und weitere Einsatzmöglichkeiten erarbeitet. Der letzte Teil der Arbeit beschäftigt sich
schließlich mit der integrierten Anwendung von Musik in der Markenkommunikation. Dazu
soll Musik als Element der Markenpersönlichkeit, als Informationsträger innerhalb von Mar-
kenschemata sowie als Element für Erlebniswelten erforscht werden. Letztlich wird im Rah-
men der Beantwortung der Fragestellung ein Ausblick über weitere Forschungsmöglichkeiten
gegeben.

3
2. Der kommunikative Gehalt der Musik
Die Musikwissenschaft hat sich bereits umfassend mit der Fragestellung nach dem kommuni-
kativen Gehalt von Musik beschäftigt. Innerhalb der vorliegenden Arbeit soll jedoch kein voll-
ständiger Überblick über die Entwicklung sowie den aktuellen Stand der Forschungen diesbe-
züglich dargestellt werden. Stattdessen werden einzelne Aspekte der zum Teil sehr
kontroversen Diskussion herausgezogen und genauer betrachtet. Die Auswahl erfolgt dabei
vor allem nach der Prämisse, dass die Aspekte für eine weitere Betrachtung im Rahmen der
Wirtschaftskommunikation von Interesse sind. Dazu zählen insbesondere ein Einblick in die
Semiotik der Musik, der häufig vollzogene Vergleich von Musik und Sprache sowie die Ver-
mittlung von Information und Emotion durch Musik. Zunächst wird jedoch die Frage beant-
wortet, was im Weiteren unter dem Begriff Musik verstanden werden soll.
Die begriffliche Festlegung von Musik wird oftmals gezielt allgemein gehalten. ,,Unter ,Musik'
sei hier alles verstanden, was von einer bestimmten ethnischen oder sozialen Gruppe nach
der herrschenden ,folk evaluation' bzw. nach herrschendem Wortgebrauch dazu gezählt wird,
unabhängig von strukturellen oder normativen Kriterien sowie von den Formen der Überliefe-
rung und Aufbewahrung [...]."
1
Anders könnte man auch sagen, Musik ist eine Zusammenset-
zung von Schallereignissen ­ also Töne, Klänge und Geräusche ­, die sich irgendwie vom Rest
der sonst akustisch wahrnehmbaren Umwelt abgrenzen lassen und in ihrer Abgegrenztheit
aus irgendeinem Grund als wertbehaftet gelten.
2
Auf die Art der Abgrenzung hat die gesell-
schaftliche Prägung einen entscheidenden Einfluss. Dabei geht Decker-Voigt davon aus, dass
prinzipiell jedes Schallereignis, auch jedes Geräusch, als musikfähig anzusehen ist und fügt
zugleich zusammenfassend hinzu: ,,Musik ist etwas, das in der subjektiven Welt psychisch
angeeigneter Klänge entstehen kann. Was als Musik angesehen wird ist sozialisationsabhän-
gig ­ also kulturabhängig."
3
In diesem allgemeinen Sinn soll der Begriff Musik auch im Weite-
ren verwendet werden.
Die Musikwissenschaft lässt sich grob in die Bereiche Musikästhetik, Musikpsychologie, Mu-
siksoziologie und Musikpädagogik aufteilen. Dabei hat sich der Begriff der Musikästhetik ,,[...]
als Oberbegriff für die formale, historische und wirkungsbezogene Analyse musikalischer
1
Faltin/Reinicke 1973, S. 15
2
vgl. Rotter 1985, S. 9
3
Decker-Voigt/Knill/Weymann 1996, S. 242

4
Werke eingebürgert, sofern diese deren konkreten Wertcharakter reflektiert und sie nicht auf
psychoakustisch erfaßbare Ton- und Klangcharakteristiken reduziert."
4
Der Bereich der Musiksoziologie befasst sich, mit den Worten von Adorno, mit Erkenntnissen
,,[...] über das Verhältnis zwischen den Musik Hörenden, als vergesellschafteten Einzelwesen,
und der Musik selbst."
5
Zu den beiden Gebieten der Musikästhetik und der Musiksoziologie
gehören auch die ausführlichen historischen Arbeiten, die einen umfangreichen Teil der Mu-
sikwissenschaft ausmachen. Auf die geschichtliche Musikforschung soll aber im Rahmen der
vorliegenden Betrachtungen nicht eingegangen werden.
Zur Musikpsychologie heißt es, sie ,,[...] ist die Wissenschaft der Wahrnehmung von Musik,
der Herstellung und Reproduktion von Musik und der Wirkungen der Musik."
6
Dazu gehört
auch das immer bedeutendere Wissenschaftsfeld der Musiktherapie. Musikpädagogik lässt
sich als Vermittlung musikalischer Kompetenz, beispielsweise innerhalb der Noten- oder In-
strumentenlehre, bezeichnen.
Die vorliegende Arbeit bedient sich vor allem der Erkenntnisse der Musiksoziologie und der
Musikpsychologie.
2.1 Die Semiotik der Musik
Die Vorstellung von Bedeutung oder Informationsgehalt in der Musik ist häufig eng verknüpft
mit der Annahme von musikalischen Zeichen und Zeichenprozessen. Zu dieser Fragestellung
gab es in der Musikwissenschaft immer wieder semiotische Diskussionen, besonders zu den
Themen der Bedeutung in der Musik sowie der Sprache der Musik. Seit den siebziger Jahren
gibt es sogar eine semiotische Theorie in der Musikwissenschaft ­ die Musiksemiotik. Jedoch
erfährt diese von Vornherein eine Einschränkung: ,,Das Bestehen einer musikalischen Semio-
tik oder auch nur ihr Programm besagt also nicht zugleich, daß die Musik zu den Zeichensy-
stemen gerechnet werden soll, sondern nur, daß Musikwerke, auch in geschichtlicher Sicht,
auf ihre Zeichenhaftigkeit hin befragt und mutmaßliche musikalische Zeichen unter Gesichts-
punkten von [...] ausgearbeiteten wissenschaftlichen Zeichenlehren untersucht werden."
7
Dabei ist die Diskussion, ob die musikalische Semiotik die Frage nach der Bedeutung in der
Musik beantworten kann, nach wie vor strittig.
4
Decker-Voigt/Knill/Weymann 1996, S. 32
5
Adorno 1962, 1973, S. 14
6
Decker-Voigt/Knill/Weymann 1996, S. 241
7
Kneif 1973, S. 11

5
Für die Beantwortung der Fragestellung, inwiefern Musik ein Medium der Wirtschaftskommu-
nikation sein kann, sollen hier dennoch Erkenntnisse der Forschungen in der Musikwissen-
schaft zum Verhältnis von musikalischen Zeichen vorgestellt werden. Bei der Betrachtung der
Semiotik wird dazu ihre gängige Dreiteilung in Syntaktik, Semantik und Pragmatik angewen-
det. Dabei untersucht die Syntaktik, unabhängig von Bedeutung oder Wirkung, die inneren
Strukturen sowie die Regeln der Kombination von Zeichen. Die Semantik befasst sich
vornämlich mit der Bedeutung von Zeichen, während die Pragmatik die Beziehung zwischen
Zeichen und Zeichenbenutzern genauer betrachtet. Pragmatische Aspekte von Zeichen bein-
halten demnach die Entstehung, Verwendung und vor allem die Wirkung von Zeichen.
8
2.1.1
Zur Frage nach Zeichen in der Musik
Unter dem Begriff der Zeichen sollen allgemein die wahrnehmbaren, aber sonst beliebigen
Objekte verstanden werden, die andere Gegenstände repräsentieren.
9
Die Frage nach sol-
chen Zeichen in der Musik wird innerhalb der wissenschaftlichen Forschung kontrovers disku-
tiert. Die folgende Übersicht über verschiedene Ansätze soll diese Diskussion nicht weiterfüh-
ren, sondern vielmehr zeigen, wie vielfältig die semiotischen Ansätze in Bezug auf Musik sind.
Musik setzt sich zwar aus Tönen bzw. Klängen zusammen, doch inwiefern Töne im Sinne der
Semiotik zugleich auch als Zeichen der Musik angesehen werden können, darüber besteht in
der musikwissenschaftlichen Diskussion keine Einigkeit. Beispielsweise geht Schneider davon
aus, dass Musik im Wesentlichen zeichenlos ist, da sie gar nicht über Zeichen im Sinne der
Semiotik verfügt. Die einzelnen Elemente von Musik verweisen nicht zwangsläufig auf andere
Objekte. Eine Bedeutung der meisten musikalischen Elemente im Sinne der Semantik ist
nicht vorhanden. Darum führen seiner Meinung nach semiotische Überlegungen auch zu kei-
nem Beweis zur Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit von Musik.
10
Die Fragestellung inwiefern der Ton als das zentrale Zeichen der Musik anzusehen ist, wird
auch beeinflusst von den kleineren und größeren Einheiten bezüglich des Tons. So lässt sich
nach Husmann ein Ton in vier weitere Elemente zerlegen: Tonhöhe, Tondauer, Lautstärke und
Klangfarbe.
11
Größere Einheiten hingegen können Tonfolgen, Akkorde o.ä. sein, die den Kon-
text des Tons bestimmen und denen man möglicherweise auch eine semiotische Funktion
8
vgl. Kramer 1998, S. 29 ff.
9
vgl. Kneif 1973, S. 9
10
vgl. Schneider 1980, S. 133
11
vgl. Husmann 1980, S. 13

6
unterstellen könnte. Der Ton ist demzufolge weniger ein Zeichen so wie ein Buchstabe, son-
dern am ehesten mit dem Wort vergleichbar, welches ebenfalls in kleinere Einheiten, die
Buchstaben, zerlegbar ist, aber trotzdem in seiner Bedeutung erst im Kontext eines Satzes
erscheint. De la Motte-Haber geht hingegen davon aus, dass sich in der Musik keine mit dem
Wort in der Sprache vergleichbare Einheit findet.
12
Insbesondere lassen sich keine Zuordnun-
gen zum Subjekt, einem Verb, einem Pronomen oder einem Adjektiv in der Musik finden.
13
Auf den Vergleich zwischen Musik und Sprache, der in der Untersuchung der Semiotik der
Musik immer wieder herangezogen wird, soll später detaillierter eingegangen werden.
Nach einem anderen Ansatz können auch die Beziehungen der Töne untereinander als musi-
kalische Grundbausteine betrachtet werden. Insbesondere in einem Motiv oder einer Tonreihe
lassen sich die Bezüge der Töne zueinander aus Sicht der Semiotik betrachten. Diese Tonbe-
züge sind für den Charakter von Musik in verschiedener Hinsicht bedeutsam, z.B. als rhythmi-
sche Bezüge, als harmonische Bezüge oder als motivisch-thematische Bezüge. Auch werden
vereinzelt Tondifferenzen im tonalen System als Medium der Musik aufgefasst.
14
Fuchs plä-
diert sogar dafür, Töne differenztheoretisch zu begreifen. Dabei ergibt sich die Bedeutung des
Tons aus dem mehr oder weniger großen Abstand im Intervall zum vorherigen Ton.
15
Für diese
Überlegungen spricht auch, dass Töne und Klänge innerhalb eines Musikstücks nicht einzeln
gehört, sondern zu Mustern zusammengefasst und so zu Klangereignissen gruppiert wer-
den.
16
Zudem werden auch immer wieder andere Elemente der Musik unter semiotischen Gesichts-
punkten betrachtet. So schreibt beispielsweise Schering zu Symbolen in der Musik: ,,Jedes
Element der Musik, sei es, welches es wolle, ob Rhythmus, Zeitmaß, Dynamik, Klangfarbe,
Tonart, Melodie, Harmonie kann zum Träger eines Symbolischen erhoben werden, denn jedes
reicht als ein Sinnliches hinab in die Tiefen unseres physischen und seelischen Lebens und ist
infolgedessen einer höheren Deutung zugänglich. Jedes hat seinen besonderen Bezirk von
Symbolmöglichkeiten, der freilich nicht streng abgegrenzt ist, sondern mit Bezirken der ande-
ren Elemente in so naher Verbindung steht, daß die Symbole verschiedener Kreise in mehr
oder weniger starker simultaner Häufung, gleichsam in Überlagerung, auftreten können. Ge-
12
vgl. De la Motte-Haber 1985, S. 13
13
vgl. Jourdain 1998, S. 337
14
vgl. Fuchs 2002, S. 81
15
vgl. Fuchs 1987, S. 219
16
vgl. Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 170

7
rade in dieser Möglichkeit, Symbole verschiedenster Geltung gleichzeitig in Erscheinung tre-
ten zu lassen, beruht, wie mir scheint, eine Eigenart der Musik."
17
2.1.2
Der Inhalt des Tons als musikalisches Zeichen
Die Bedeutung eines Tons als musikalisches Zeichen, also gewissermaßen sein semantischer
Inhalt, kann sich auf innermusikalische und außermusikalische Ereignisse beziehen. So ist es
möglich, dass innermusikalisch ein Klang oder Ton auf verschiedene andere Elemente der
Musik Bezug nimmt: zum einen auf andere Töne und Klänge, insbesondere innerhalb eines
Motivs oder einer Tonreihe; zum zweiten auf bestimmte Stellen, wie z.B. Motive, Harmonien
oder Rhythmen, innerhalb der Komposition; und er kann sich drittens, zumeist als Teil einer
musikalischen Struktur, aber auch auf Elemente anderer Kompositionen beziehen. So war es
schon immer durchaus üblich, dass Komponisten Themen anderer Komponisten zitieren bzw.
variieren. Auch und gerade in der modernen Musik ist das in nahezu allen Musikgattungen
üblich und wird als ,,sampeln" bezeichnet.
Töne können sich auch auf außermusikalische Objekte beziehen. So können sie z.B. nichtmu-
sikalische Klänge bzw. Schallereignisse nachahmen, wie eine Tierstimme, ein Türklopfen oder
ein Gewitter. Der Inhalt eines musikalischen Elements kann zudem auf die Emotion oder As-
soziation Bezug nehmen, die es beim Hörer hervorruft. Das könnte beispielsweise die Vor-
stellung eines fröhlichen oder traurigen, hellen oder dunklen Ereignisses sein. Im Spezialfall
der Synästhesie erweitern sich diese Assoziationen vor allem auf visuelle und olfaktorische
Wahrnehmungen, wie z.B. die Vorstellung von Farben oder Gerüchen beim Hören bestimmter
Töne bzw. Klänge. Darüber hinaus kann man noch mindestens drei weitere Arten der Bedeu-
tung musikalischer Elemente bzw. Strukturen feststellen. Zum einen kann der Inhalt der mu-
sikalischen Struktur die beim Hörer hervorgerufene Erinnerung sein. Zum anderen wird der
Musik immer wieder eine Art von Bedeutung bzw. Inhalt unterstellt, die sich sprachlich nicht
ausdrücken lasse. Drittens kann Musik beim Hörer Assoziationen hervorrufen, die auf gesell-
schaftsgeprägten Erfahrungsinventaren basieren. So etwa erweckt der Klang eines Dudelsak-
kes die Assoziation zu Schottland.
Während der Bezug musikalischer Zeichen auf innermusikalische Ereignisse für die Untersu-
chung der Bedeutung von Musik für die Wirtschaftskommunikation nicht von zentralem Inter-
esse, sondern besser in der musikwissenschaftlichen Erforschung von Klangbeziehungen auf-
17
Schering 1990, S. 39

8
gehoben ist, spielen die außermusikalischen Bezüge für die Anwendung von Musik in der
Wirtschaftskommunikation eine zentrale Rolle. Sie bestimmen den Informationsgehalt von
Musik.
2.2 Betrachtung des Vergleichs von Sprache und Musik
Eine der angeregtesten Diskussionen innerhalb der Musikwissenschaften befasst sich mit
dem Vergleich zwischen Musik und Sprache.
18
Auch die Metaphern von ,,der Musiksprache"
19
und der ,,musikalischen Sprache"
20
finden sich in der Literatur. Einige Ansätze sehen große
Ähnlichkeiten zwischen Musik und Sprache und erkennen Musik deshalb als eine Sprache
bzw. als Tonsprache an
21
, andere lehnen dies aufgrund fundamentaler Unterschiede ab
22
. Da
der Vergleich viele Aussagen über den kommunikativen Charakter von Musik beinhaltet, sol-
len im Folgenden einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Musik und Sprache
bzw. die Sprachfähigkeit von Musik genauer betrachtet werden. Dabei können jedoch nur
Ausschnitte der umfangreich geführten Debatte dargestellt werden.
Tatsächlich haben Sprache und Musik auf den ersten Blick eine Reihe von Gemeinsamkeiten.
Während Sprache aus einzelnen Buchstaben Begriffe kombiniert, die ihrerseits wiederum zu
Aussagen und Sätzen zusammengesetzt werden, verfügt Musik über Töne bzw. Klänge als
kleinste Einheit, die in Tonreihen bzw. Akkorden zusammengefügt werden und in Kombination
miteinander Partituren, Sätze oder ganze Musikstücke ergeben. Zudem können in beiden
Elemente wie Betonungen, Pausen und Einteilungen in Abschnitte verwendet werden.
Auf der syntaktischen Ebene besitzen also sowohl Sprache als auch Musik ein bestimmtes
Repertoire von Zeichen sowie des Weiteren Regeln und Vorschriften zur Bildung von Komple-
xen aus diesen Zeichen. Während für die Sprache die Grammatik die Kombinationsregeln für
die Zeichen festlegt, so ist es in der Musik die Kompositionslehre. Zudem wird als weitere
Gemeinsamkeit häufig sowohl Musik als auch Sprache in ähnlicher Weise eine Bedeutung
unterstellt. ,,Die Metapher, Musik sei eine Sprache, rechtfertigt das Erlebnis, Musik werde
verstanden, und zwar in einem der Sprache analogen Sinn. Das heißt, sie wird so verstanden,
als habe sie eine in oder hinter den Tönen liegende Bedeutung, die entschlüsselt werden
18
vgl. Grossmann 1991, S. 56
19
Jourdain 1998, S. 17
20
Adorno 1962, 1973, S. 39
21
vgl. Kneif 1973, S. 9; vgl. Adorno 1962, 1973, S. 60
22
vgl. Schneider 1980, S. 28; vgl. Faltin/Reinicke 1973, S. 40

9
muss, als sei, wie bei der Rede, etwas gemeint."
23
De la Motte-Haber lässt dabei gezielt offen,
ob der Vergleich zwischen Musik und Sprache auf der Bedeutungsebene angemessen ist. Auf
die Frage nach Bedeutung in der Musik soll hier im nächsten Abschnitt weiterführend einge-
gangen werden.
Ähnlich der Unterscheidung in gesprochene und geschriebene Sprache kann man auch in der
Musik zwei Bereiche abgrenzen: zum einen Musik als akustisches Zeichensystem, zum ande-
ren Systeme der musikalischen Notation, also graphische Zeichen zur Repräsentation akusti-
scher Zeichen oder kurz gesagt: Notenschrift. In Bezug auf die Fähigkeit zum Lesen des Ge-
schriebenen verfügt Sprache über den Vorteil der weiten Verbreitung der Lesefähigkeit,
während geschriebene Musik nur von Wenigen gelesen oder gar gedacht werden kann. Spra-
che kann so, ohne akustisch real zu werden, Gedanken, Vorstellungen und Gefühle bei nahe-
zu allen Menschen unseres Kulturkreises auslösen, während Musik bis auf wenige Ausnah-
men auf die Aufführung angewiesen ist, um Bedeutung zu vermitteln. Für den Einsatz und die
Bedeutung von Musik innerhalb der Wirtschaftskommunikation ist aufgrund der geringen Ver-
breitung der Fähigkeit zum verstehenden Lesen von Notenschrift vor allem das akustische
Zeichensystem der Musik relevant. Aus diesem Grund wird der Fokus der weiteren Betrach-
tungen auf hörbarer Musik liegen und der Bereich der musikalischen Notation weitgehend
außen vor gelassen.
Gehörte Musik und gehörte Sprache sind gleichermaßen akustische bzw. physische Realität.
Auf dieser Ebene sind Musik und Sprache auch ohne weiteres vergleichbar und beide weisen
Gemeinsamkeiten auf. Beide werden mit Hilfe des Gehörs wahrgenommen und ins Gehirn
weitergeleitet. Die Verarbeitung erfolgt jedoch unterschiedlich und hat andere Voraussetzun-
gen.
24
So setzt das Verstehen von Sprache das vorhergehende Erlernen dieser Sprache vor-
aus. Das Verstehen von Musik funktioniert davon verschieden. ,,Die kategoriale Struktur, die
dem Erkennen von Musik zugrunde liegt, ist von anderer Art als die der Sprache."
25
Musik als
solche lässt sich nicht vollständig erlernen, bestenfalls ihre Strukturen.
Für das Erkennen von Musik muss dabei das Maß an musiksprachlicher Kompetenz zwischen
Musikern bzw. Musikkennern und Musiklaien unterschieden werden. Einem Großteil der Men-
schen ist es nicht möglich und erscheint es häufig auch nicht als erstrebenswert, beispiels-
weise eine Quinte, ein Intervall von fünf Tönen, innerhalb eines Musikstückes zu erkennen.
23
De la Motte-Haber 1985, S. 17
24
vgl. Jourdain 1998, S. 335
25
De la Motte-Haber 1985, S. 18

10
Der Einsatz von Musik in der Wirtschaftskommunikation sollte zumeist vom Empfängerkreis
der Musiklaien ausgehen.
2.2.1
Zur Frage nach Begriffen in der Musik
Adorno sagt: ,,[Musik] ist eine Sprache, aber eine ohne Begriffe."
26
Unter dem Aspekt, dass,
wie im vorhergehenden Abschnitt festgestellt wurde, in der Musik durchaus unterscheidbare
Zusammensetzungen aus den Kleinstelementen Ton bzw. Klang existieren, die einem musika-
lischen Begriff ähnlich sein könnten, ist Adornos Aussage genauer zu untersuchen. Das Er-
gebnis dieser Kombinationen können Akkorde, Tonreihen oder komplexere Gefüge sein. Die
Frage nach der Existenz von Begriffen in der Musik zielt nun darauf ab, was diese Strukturen
bezeichnen.
Es wird zumeist davon ausgegangen, dass es in der Musik keine Begriffe gibt, die etwas be-
zeichnen: ,,Von dem musikalischen Sinn nun heißt es allgemein, daß er begriffslos sei. Und so
auch sei das Verstehen von Musik ein begriffloses Verstehen. Denn Töne, Klänge, Geräusche
seien eben keine Wörter [...]; sie können nichts Bestimmtes benennen, bezeichnen, begreifen.
Und wie immer sie organisiert sind, können sie doch nicht sagen: ,Ich habe en Loch im
Strumpf'."
27
Zu der Überlegung, dass Musik nicht über Wörter verfügt, ergänzt Jourdain, dass
es insbesondere keine Analogien zur Unterscheidung von Hauptwörtern, Verben und Adjekti-
ven in der Musik gibt.
28
Zudem kann festgestellt werden, dass Musik einer Funktion der Verknüpfung von Subjekt und
Prädikat im Sinne der Sprache nicht fähig ist. ,,Ihr Mangel ­ der nur im Vergleich mit der
Sprache als ein Gebrechen erscheint ­ beruht darauf, daß musikalische Zeichen Ideen, Sach-
verhalte, Ereignisse oder Personen bloß benennen, ohne die Möglichkeit, sie untereinander
auch zu verbinden."
29
Da Musik demnach nicht in der Lage ist, die bezeichneten Elemente zu
Informationen zu verbinden, stellt De la Motte-Haber fest: ,,[Musik] ist kein Medium, das nor-
malerweise der Verständigung über zwischenmenschliche Vorgänge dient, und sie bietet kei-
ne Hülle für Fixierung von Wissen."
30
26
Adorno 1962, 1973, S. 60
27
Faltin/Reinicke 1973, S. 48
28
vgl. Jourdain 1998, S. 337
29
Kneif 1973, S. 9
30
De la Motte-Haber 1985, S. 11

11
2.2.2
Die Bildlichkeit von Musik
Faltin/Reinicke stellen fest, dass Musik das, was in der Sprache Begriffe ausdrücken, durch-
aus bezeichnen kann: ,,Musik kann das Wort ,Kampf' oder ,süß' oder ,Verlangen' oder ,Erwar-
tung' nicht sagen [...], aber sie kann die durch jene Wörter und durch Wörter überhaupt je zu
benennenden Begriffsfelder so konkret, mit so viel intensiver Genauigkeit und feinster Nuan-
cierung bezeichnen, wie kein Wort es vermag und nur die dichterische Sprache es ebenfalls
zu erreichen sucht, hinter deren Worten der Sinngehalt in nicht anderer begriffloser Begriff-
lichkeit ,schimmert' und gemeint ist wie in Musik."
31
Da diese ,,schimmernde Begrifflichkeit"
nicht ohne weiteres sprachlich zu fassen ist, ist auch die Auffassung, dass Musik zwar eine
Sprache sei, die sich aber nicht übersetzen lasse, durchaus verbreitet.
32
Bei der Darstellung von ,,begriffloser Begrifflichkeit" ist Musik der Sprache, in diesem Fall der
Lyrik, sogar im Vorteil. Denn Lyrik ist stets an die Verwendung der Sprache gebunden und
somit auch an ihre Inhalte und Regelungen. Auf diese Weise ist es schwieriger, Zeichenkon-
stellationen zu finden, die den Inhalt eines Gedichtes ,,[...] ganz bewußt durch ihr Einwirken
auf das sprachlich zu entwickelnde Unterfangen zu steuern weiß: lautlich, klanglich, als Träger
von Sinneinheiten, die nicht in der Grammatik und im Wörterbuch stehen."
33
Im Gegensatz
zur Musik bedient sich Lyrik mit der Sprache dabei eines sehr bewusstseinsnahen Mediums,
das über ein allgemeingültiges Deutungsmuster für die sprachlichen Inhalte verfügt. Musik
verfügt über ein solches Muster nicht. Ihre Zeichenkonstellationen bedienen sich demzufolge
ausschließlich der über die Regelungen hinausgehenden Träger von Sinn. Anders gesagt:
,,Sprache beschreibt die Welt um uns herum mit großer Genauigkeit. Sie hat Bezeichnungen
für Zehntausende Phänomene, die wir ganz leicht mit unseren Ohren und Augen wahrnehmen
können. Sprache ist jedoch sehr unzureichend, wenn es um unsere Gefühle geht ­ nicht nur
um Stimmungen und Emotionen, sondern auch um die Körperempfindungen, die wir haben,
wenn wir uns in unserer Welt bewegen."
34
Musik ist in der Lage, genau diese besser zu ver-
mitteln. Darum wird Musik auch als ,,Sprache der Gefühle"
35
bezeichnet.
Schering benennt den Bedeutungsinhalt von Musik aufgrund ihrer Bildhaftigkeit. ,,Wie wir aber
beim gewöhnlichen Sprechen nicht jedes Mal die Sinnbedeutung des einzelnen Worts repro-
31
Faltin/Reinicke 1973, S. 55
32
vgl. Schneider 1980, S. 28; vgl. Faltin/Reinicke 1973, S. 40
33
Fuchs/Schmatz 1997, S. 64
34
Jourdain 1998, S. 359
35
Neubauer/Wenzel 2001, S. 87

12
duzieren, so steht auch in der Musik der Einzelton oder Einzelklang gewöhnlich inmitten eines
breiteren Zusammenhangs, und es hängt ganz von der künstlerischen Absicht und der Intuiti-
on des Komponisten ab, eine Klangwendung so eigentümlich und im weitesten Sinne bildkräf-
tig zu gestalten, daß sie unwillkürlich zur Erforschung ihrer Sinnbedeutung auffordert."
36
Zwar
hat ein einzelner Klang oder Ton in der Regel keine Sinnbedeutung, doch der Komponist hat
die Möglichkeit, die Töne und Klänge innerhalb eines Musikstückes so zu verknüpfen, das
eine Abbildung von etwas Außermusikalischem entsteht. Das entstehende Bild aus der Kom-
bination musikalischer Elemente ersetzt sozusagen den sprachlichen Begriff und vermittelt so
Bedeutung.
Man könnte also sagen, dass sich an Musik zwar keine eindeutigen Bezeichnungen von Ele-
menten ihrer Umwelt knüpfen, sie aber dennoch die Interpretation von Bedeutungen zulässt.
Die Bedeutung ergibt sich aus der Bildhaftigkeit von Musik bzw. ihrer schimmernden Begriff-
lichkeit
37
, die eine Vergleichbarkeit mit dem Nichtmusikalischen und somit die Auslegung von
Sinn ermöglicht. Adorno fast seine Überlegungen in ähnlicher Weise so zusammen: ,,Musik ist
ungegenständlich, mit keinen Momenten der äußeren Welt eindeutig zu identifizieren, dabei
indessen höchst artikuliert und bestimmt in sich selbst, und dadurch doch wieder, sei's noch
so vermittelt, der äußeren Welt, der gesellschaftlichen Realität kommensurabel."
38
Dabei ist
sie jedoch weniger mit der außermusikalischen Welt selbst vergleichbar, als vielmehr damit,
wie der Mensch sie wahrnimmt. ,,Musik ahmt das Erleben eher nach, als es zu symbolisieren,
wie Sprache es tut. Sie spiegelt die zeitliche Abfolge innerer Gefühle sorgfältig wider, steigt
wie das Gefühl in Tonhöhe oder Lautstärke an oder ebbt entsprechend ab. Sie führt gegen-
sätzliche Kräfte in den Kampf und versöhnt sie."
39
2.2.3
Zum Informationsgehalt von Musik
Den Vergleich von Sprache und Musik zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Musik
zwar nicht in der Lage ist, Objekte der nichtmusikalischen Welt exakt zu benennen. Zudem
verweisen ihre Zeichen bzw. ihre zeichenähnlichen Elemente nicht eindeutig auf diese Objek-
te. Dennoch ist es als möglich anzusehen, mit Hilfe von Musik Informationen zu vermitteln.
Diese Informationen ergeben sich beispielsweise aus der Bildhaftigkeit der Verknüpfung von
Tönen und Klängen, die etwas Außermusikalisches beschreibt, ohne es explizit benennen zu
36
Schering 1990, S. 41
37
vgl. Faltin/Reinicke 1973, S. 55
38
Adorno 1962, 1973, S. 60
39
Jourdain 1998, S. 360

13
können. Der sprachliche Begriff bzw. die genaue Bezeichnung wird folglich ersetzt gegen eine
Darstellung des zu Benennenden. Auf diese Weise gelingt es mit Musik sogar Dinge zu be-
schreiben, die sich mit Worten weniger gut beschreiben lassen, insbesondere im Bereich der
Emotionen, auf den im folgenden Abschnitt noch detailliert eingegangen wird.
Die beschreibende Wirkung der Musik basiert auf ihrer Struktur und Form. Dabei verfügen
ihre einzelnen Elemente, also z.B. Melodie, Rhythmus, Klangfarbe, Harmonie, Tempo und Dy-
namik jeweils über Deutungsmöglichkeiten, die den Gesamtcharakter und die Aussage der
Musik mitbestimmen (siehe Tab. 1). So ergibt sich ein gesamtes Deutungsgefüge, welches
von vielen Faktoren entscheidend mitbestimmt wird. Der Informationsgehalt von Musik ergibt
sich demzufolge aus dem jeweiligen Gehalt an Information ihrer einzelnen Elemente. Steiner-
Hall schlussfolgert daraus: ,,Musik kann also auch ohne die Unterstützung von Wort und Bild
bedeutungsscharf Informationen übermitteln."
40
Musikalisches Element
Entgegengesetzte Deutungen
Tonalität
hell
dunkel
Melodie
heiter
schwerfällig
Rhythmus
leidenschaftlich
dröge
Klangfarbe
traurig
fröhlich
Harmonie
freudig
ernst
Tempo
langsam
schnell
Dynamik
schwungvoll
gleichgültig
Tab. 1: Beispiele für Bedeutungsinhalte einzelner musikalischer Elemente
Häufig wird davon ausgegangen, dass nur Musikkenner den Informationsgehalt von Musik
entschlüsseln können. ,,Musik als nonverbales Informations- und Kommunikationsmittel ent-
zieht sich herkömmlicher Meinung zufolge leicht dem Verständnis derer, die nicht über musi-
kalische Bildung oder Ausbildung verfügen. Untersuchungen zur Rezeptionsforschung konn-
ten jedoch immer wieder belegen, daß es jenseits von rationaler Analyse und verbalen
Äußerungen über Musik als Ausdruck des Musikverstehens eine Verstehensebene gibt [...]."
41
Diese Verstehensebene ist an den Beispielen der Beschreibung von Objekten mit Musik, dem
Auslösen von erlernten Assoziationen sowie der Vermittlung von Emotionen am wahrschein-
lichsten. Es bleibt demnach festzuhalten, dass Musik aller Sparten und Genres Informationen
40
Steiner-Hall 1990, S. 28
41
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 174

14
enthält, die jedem der sie hört, etwas sagen.
42
Die Interpretation der außermusikalischen In-
halte in der Musik ist jedoch stark abhängig von den zeittypischen Normen und Konventionen,
von innerhalb einer Gesellschaft oder Kultur ausgeprägten Verhaltensstereotypen und musi-
kalischen Klischees.
Eine Zusammenfassung für die Frage nach der Bedeutung der Musik und damit auch zur Ge-
genüberstellung bzw. dem Vergleich von Sprache und Musik findet sich bei Jiránek. Er hält
drei zentrale Punkte fest:
1. Musik ist kommunizierbar, ihre Bedeutungen und Inhalte sind mitteilbar.
2. Im Unterschied zur Sprache bedeutet die Musik kein formales Instrument der ge-
sellschaftlichen Kommunikation, sondern ein spezifisches Instrument der künstleri-
schen Weltaneignung, das in einer untrennbaren Wechselbeziehung mit der prak-
tisch-technischen (produktionsmäßigen) und theoretisch-wissenschaftlichen
(kognitiven) Aneignung fungiert.
3. Die Musik als Kunstgattung stellt daher ein spezifisches semantisches System dar,
das sich wesentlich von der Sprache unterscheidet und infolgedessen unter dem
Aspekt semiotischer Gesetzmäßigkeiten der Sprache nicht hinreichend erfasst
werden kann.
43
In einem Satz zusammengefasst bleibt also stehen: Musik ist zwar nicht gleich Sprache, aber
sie ist in der Lage, Bedeutungen zu vermitteln und in dieser Funktion kommunikativ. Ein Ein-
satz in Zusammenhängen der Wirtschaftskommunikation muss die spezifischen Eigenschaften
von Musik, die am Vergleich mit Sprache deutlich sichtbar werden, mit berücksichtigen.
2.3 Emotionsgehalt in der Musik
Viele Ansätze in der Musikwissenschaft gehen davon aus, dass sich die durch Musik vermit-
telbaren Informationen zumeist auf emotionale Zusammenhänge beziehen. ,,[Das Informative
in der Musik] umfasst im wesentlichen emotionale Qualitäten, also den Ausdrucks- und Kund-
gabeaspekt von Musik. Je nach Beschaffenheit und Anordnung der musikalischen Zeitstruktur
kann der Ausdruck von allgemeinen Assoziationen bis hin zur konkreten Übermittlung spezi-
42
vgl. Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 175
43
Jiránek 1985, S. 77 f.

15
eller emotionaler Qualitäten wie Freude, Trauer, Wut, Angst usw. gehen."
44
Aus diesem Grund
soll an dieser Stelle ein kurzer Einblick in das Verhältnis von Musik und Emotionen erfolgen.
Der Begriff der Emotion ist in seiner Komplexität schwer zu fassen. Die Wissenschaft, vor al-
lem die Emotionspsychologie hat sich umfangreich mit dem Phänomen Emotion befasst. Eine
umfassende Darstellung des Forschungsstandes ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich
und im Grunde auch nicht notwendig. In wirtschaftlichen Zusammenhängen und gerade in der
Wirtschaftskommunikation, in der Emotionen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, hat sich
ein etwas vereinfachter Begriff etabliert, der von Kroeber-Riel so zusammengefasst wird:
,,Emotionen sind innere Erregungen, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr
oder weniger bewusst erlebt werden."
45
In dieser Form soll der Begriff Emotion auch im Rah-
men dieser Arbeit weiterhin verwendet werden.
Zum Einfluss von Musik auf emotionale Zustände und physiologische Aktivierung wurden be-
reits eine Reihe von empirischen Studien durchgeführt. ,,Die [empirischen] Befunde bestäti-
gen die Alltagserfahrung, daß Musik emotionale Prozesse stark beeinflussen kann."
46
Dabei
lassen sich einzelne Gefühlsfacetten zwar nicht zielgenau mit Musik benennen, aber bestimm-
te Emotionskategorien sind durchaus darstellbar. Grossmann schreibt dazu: ,,Das Symbol in
der Musik entspricht der ,logischen Form` eines Gefühlstyps, nicht eines speziellen, konkreten
Gefühls, und macht dieses so in dieser abstrakten verallgemeinerten Form der Erkenntnis
zugänglich."
47
Das Gefühlsempfinden zu einer gehörten Musik ist bei einem Großteil der Hö-
rer mindestens ähnlich. ,,An der emotionalen Bedeutung von Musik haftet somit etwas Nicht-
Beliebiges und Nicht-Willkürliches. Sie verweist auf fundamentale, universelle, vor der Musik
liegende Strukturen."
48
Musikwahrnehmungen und Emotionen sind durch bestimmte inhaltsäquivalente Parameter
gekennzeichnet:
1. Parameter der Intensität: u.a. Tempo und Lautstärke auf der Musikseite; Wahrneh-
mung physiologischer Aktivierung und Emotionsintensität auf der Emotionsseite.
2. Wahrnehmung der Valenz: Ebenso wie die meisten Emotionen wird auch Musik in
der Regel als mehr oder weniger angenehm oder unangenehm erlebt.
44
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 175
45
Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 106
46
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 184
47
Grossmann 1991, S. 76
48
De la Motte-Haber 1985, S. 73

16
3. Parameter spezifischer kognitiver Inhalte: Musik können im Prozess der Musik-
wahrnehmung mehr oder weniger umschriebene ästhetische Merkmale zugeordnet
werden (wie z.B. ,,hell", ,,bedrohlich", ,,fröhlich" etc.), die z.T. in direkter Weise den
kognitiven Anteilen von Emotionen zuordbar sind.
49
Eine zusätzliche Form emotionaler Wirkung von Musik kann aus dem Spannungsverhältnis
des vom Hörer erwarteten Fortlaufs eines Musikstückes und des tatsächlich Erklingenden
entstehen.
50
,,Neben dieser strukturbezogenen kann Musik auch andere, außerhalb ihrer ei-
genen Klangrealität liegende Inhalte vermitteln, die ihr entweder durch Konvention oder sym-
bolisch zugeordnet sind."
51
Dazu zählen auch Assoziationen, die zur entsprechenden Musik
gebildet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Auslösens von Emotionen beim Zuhörer
basiert auf der Wiedererkennung bzw. Erinnerung von Musik und den mit ihr in Verbindung
stehenden Situationen. ,,Ich kann auch durch Töne und Formen zu bewußtseinsähnlichen Lei-
stungen angeregt werden. Töne und Formen, die in den Betrachter eindringen und angeblich
spontan und unmittelbar erlebt werden, entstammen einem Bewußtsein, das durch einmal
gesehene und gehörte Töne und Formen geprägt wurde. In dieses strömen sie abgewandelt
zurück, werden aber als die einmal geprägten eingeordnet ­ und diese Einordnung bewirkt
den Genuß der Wiedererkennbarkeit."
52
Vielfach werden mit der Musik verknüpfte Erinnerun-
gen durch das erneute Hören wieder belebt.
Meist wird davon ausgegangen, dass bestimmte musikalische Strukturen gewisse Emotionen
hervorrufen. Beispiele für solche Zusammenhänge zwischen musikalischer Struktur und ver-
bundenem Gefühl lassen sich vielzählig finden. Ein Beispiel ist, ,,[...] daß der Ausdruck einer
klagenden, in engen, kleinmütigen Intervallschritten fallenden Melodik unmittelbar der Nie-
dergeschlagenheit korrespondiert [...]."
53
Immer wieder war es für Komponisten das Ziel,
menschliche Emotionen möglichst genau wiederzugeben. Der Wunsch nach der gezielten mu-
sikalischen Darstellung von Gefühlen zeigt sich auch in dem wiederholten Versuch, die
menschliche Gefühlswelt in bestimmte Grundgefühle zu zergliedern, aus deren Kombination
sich dann kompliziertere emotionale Abläufe ergeben.
54
Eine umfassende Beschreibung der
musikalischen Umsetzung der Gefühlswelt des Menschen ist jedoch bislang keinem Kompo-
nisten gelungen.
49
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 182
50
vgl. Grossmann 1991, S. 58
51
ebd., S. 58
52
Fuchs/Schmatz 1997, S. 76
53
De la Motte-Haber 1985, S. 74
54
vgl. ebd., S. 73

17
Musik und Emotion beeinflussen sich jedoch auch gegenseitig. ,,Tatsächlich aber sind die
umgekehrten Wirkrichtungen nicht weniger wichtig. [...] So können z.B. emotionale Zustände
(a) die Wahrnehmung von Musik beeinflussen; (b) die emotionalen Effekte von Musik bestim-
men, wobei z.B. die vorherrschende Stimmungslage durch Musikwahrnehmung verstärkt oder
abgeschwächt werden kann; und (c) über Motivationsbildung und resultierendes Verhalten
auch die Hörumwelt beeinflussen."
55
Das heißt, zum einen ist die Wahrnehmung der emotio-
nalen Inhalte von Musik von den Stimmungen der Hörer abhängig und zum anderen wird Mu-
sik in bestimmten Gefühlslagen anders wahrgenommen als in anderen. Man kann also nicht
zwangsläufig von einer konstanten emotionalen Wirkung von Musik ausgehen.
Die Tatsache, dass Musik Emotionen auslösen kann, wird auch in verschiedenen Zusammen-
hängen gezielt eingesetzt. ,,Die faktische Nutzung solcher Musikeffekte umfasst u.a. die Ka-
nalisierung in bestimmten kollektiven, ritualisierten Situationen; die Beeinflussung von Käu-
ferverhalten; die Angst- und Schmerzreduktion bei allgemein- und zahnmedizinischen
Eingriffen; und die Modifikation psychischer Störungen."
56
In der Wirtschaftskommunikation
spielen die Zusammenhänge zwischen Musik und Emotion bislang besonders auf dem Gebiet
der Werbung eine große Rolle. Auf den Einsatz von Musik in der Werbung wird im Abschnitt
4.2.1 ,,Musik in der Werbung" noch detaillierter eingegangen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass Musik und Emotionen in einem engen Verhältnis zu-
einander stehen. Musik kann Emotionen auslösen oder beschreiben. Ein gezieltes Hervorru-
fen bestimmter Gefühlselemente ist kaum möglich, dass Vermitteln von Gefühlskategorien
dagegen schon. Die emotionale Wirkung der Musik ergibt sich zum Teil aus ihren Elementen,
wie etwa ihrer Klangfarbe oder Instrumentation, sowie durch Erinnerungen und Assoziationen,
die sie beim Hörer hervorruft. Die Musikwahrnehmung und Interpretation wird jedoch selbst
durch die emotionalen Stimmungen der Hörer mitbestimmt und ist nicht immer gleich.
2.4 Zum Verhältnis von Musik und Zeit
Musik und Zeit haben ein sehr enges Verhältnis. Genau genommen bedingt Zeit sogar Musik,
denn: ,,Musik ist eine Struktur in der Zeit. Musik fängt überhaupt nur dann an zu existieren,
wenn Vergangenes und Gegenwärtiges in Beziehung gesetzt werden [...]."
57
Eine Melodie exi-
55
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 181
56
ebd., S. 186
57
Spitzer 2002, S. 115

18
stiert nur dann, wenn mehrere Töne über eine bestimmte Zeit gehört und betrachtet werden.
Und auch die Eigenschaften des Tons selbst, als das kleinste Element von Musik, stehen in
unmittelbarem Zusammenhang bzw. existieren nur durch die Zeit. Genannt seien an dieser
Stelle nur die Tondauer, die Tonhöhe, welche von der Anzahl von Schwingungen einer Schall-
welle in einem bestimmten Zeitraum abhängt,
58
und die Klangfarbe des Tons, die ihrerseits
durch die Tonhöhen der Tonteile bedingt ist.
59
Musik ist folglich ,,Zeitkunst" und unterschei-
det sich in dieser Eigenschaft von Malerei, Plastik u.a. die eher dem Raum verpflichtet sind.
60
Wie Malerei mit dem Räumlichen spielt, spielt Musik mit dem Zeitlichen. Schneider fasst das
Verhältnis so zusammen: ,,Musik und Musizieren sind ein Ereignis in der Zeit, das nicht nur in
und mit der Zeit geschieht, sondern selbst ein zeitliches ist."
61
Zudem gilt der Hörsinn als der
zeitlich genaueste Sinn. ,,Mit ihm können Zeitstrukturen erfasst werden, die anderen Sinnen
verborgen bleiben."
62
Aus dem Verhältnis von Musik und Zeit ergeben sich auch eine Reihe von Gestaltungselemen-
ten für den musikalischen Inhalt, wie z.B. der Rhythmus, die Dynamik oder das Tempo. ,,Da
jeder musikalische Ton eine Dauer besitzt, besteht die Möglichkeit, auch durch Variation der
Tondauer künstlerische Entsprechungen und Wirkungen zu erzielen. Die sich dabei ergeben-
den Verhältnisse faßt man als Rhythmik oder Metrik zusammen."
63
Diese Betrachtungen be-
rücksichtigen jedoch nur einen Aspekt der Zeit in der Musik, die zeitliche Abfolge. Doch Zeit
beinhaltet im Wesentlichen zwei Ebenen: Die Abfolge und die Gleichzeitigkeit. Ebenso wie die
Abfolge hat auch die Gleichzeitigkeit für die Musik eine besondere Bedeutung. ,,Mehrstimmi-
ge Musik ist auf dem Prinzip der Gleichzeitigkeit mehrerer akustischer Ereignisse aufge-
baut."
64
Somit lassen sich auch Harmonik und Melodie klar zu den Strukturen der Musik zäh-
len, die unmittelbar mit der zeitlichen Wahrnehmung zusammenhängen.
Für die Wahrnehmung der Zeit spielen ihre Abschnitte eine wichtige Rolle, denn Zeitabschnit-
te dienen der Strukturierung der gefühlten und der realen Zeit. ,,Time units seem to be factors
in our perception of time as well as in our processing of time."
65
Musik teilt durch ihren
Rhythmus Zeit in bestimmte Abschnitte ein. Man könnte daraus schlussfolgernd annehmen,
dass Musik die Zeitwahrnehmung beeinflusst. Dies konnte bereits in verschiedenen Experi-
58
vgl. Husmann 1980, S. 14
59
vgl. ebd., S. 57 f.
60
vgl. Schneider 1980, S. 120; vgl. Fuchs 1987, S. 228
61
Schneider 1980, S. 123
62
Spitzer 2002, S. 18
63
Husmann 1980, S. 151
64
Schneider 1980, S. 123
65
Epstein 1995, S. 144

19
menten festgestellt werden.
66
Zudem wurde nachgewiesen: ,,Bei Musikstücken mit zuneh-
mender Rhythmusbeschleunigung passen sich Atem- und Pulsfrequenz dem Musiktempo in
gewissem Ausmaß an."
67
Verschiedene Experimente vor allem in den 60-iger und 80-iger Jah-
ren haben den Verdacht bestätigt, dass sich die Geschwindigkeit von Musik auch auf die Ge-
schwindigkeit des Handelns auswirkt. In Supermärkten und Restaurants wurde ermittelt, dass
Menschen mit Hilfe der Begleitung durch schnelle Musik in Supermärkten schneller einkauf-
ten, in Restaurants und Bars schneller tranken und aßen.
68
Luhmann spricht bezüglich des Verhältnisses von Musik und Zeit die Irreversibilität ihrer je-
weiligen Elemente an. ,,Zeitstellen sind auch in der Kunst, namentlich in der Musik, durch ihr
eigenes Vergehen bestimmt, so daß sich aus dem Kunstwerk ergeben muß, was an Vorigem
noch von Bedeutung ist und was folgen kann ­ ein jeweils im Moment festgehaltenes und
verschwindendes Woher und Wohin."
69
In dem Augenblick in dem ein musikalisches Element
gehört wird, ist es schon nicht mehr existent. Fuchs unterstellt der Musik ein Dasein von
Moment zu Moment. Eine Anpassung an die Irreversibilität der Musik erfolgt ,,[...] durch eine
Verzeitlichung der Elemente, die eben nicht in Richtung Duration, Beständigkeit, Stabilität
geht, sondern in Richtung auf Vergehen, Vergänglichkeit und Momenthaftigkeit."
70
Die be-
nannte Momenthaftigkeit findet sich auch in einer bestimmten Art des Hörverhaltens wieder,
die Luhmann folgendermaßen beschreibt: ,,Sie besteht in der Konzentration auf den im Au-
genblick aktuellen Klang und in der Zerstörung jeder Möglichkeit des Erinnerns und Erwar-
tens, wie sie durch Melodien gewährleistet wird. Nur die Gegenwart soll zählen, und jede
neue Gegenwart soll als Überraschung kommen."
71
In diesem Zusammenhang spricht man
auch vom ,,Fallenlassen" des Hörers in der Musik.
Für Epstein steht die Zeit in einem engen Verhältnis zur Bewegung: ,,To speak of time is vir-
tually to speak of motion, for motion is time's intrinsic correlate."
72
Hierbei wird der Begriff
der Zeit nahezu gleichgesetzt mit dem der Bewegung. Auch in der Musik findet sich das enge
Verhältnis von Zeit und Bewegung wieder. Harrer fasst es so zusammen: ,,Musik wird zur Be-
wegung. Umgekehrt bedarf es der Bewegung, damit Musik überhaupt zustande kommt."
73
66
vgl. Harrer 1982, S. 34 f.
67
Ebd., S. 43
68
vgl. Spitzer 2002, S. 404 f.
69
Luhmann 1995, S. 183
70
Fuchs 1987, S. 216
71
Luhmann 1995, S. 477
72
Epstein 1995, S. 8
73
Harrer 1982, S. 35

20
Tatsächlich zeigen die Reaktionen der Musikhörer auf rhythmische Klangfolgen Elemente der
Bewegung. Sie lassen sich unter drei Aspekten betrachten:
· der Rhythmus kann erfahren werden: z.B. in der Wahrnehmung von Takteinheiten,
Akzenten, Tempo, unterschiedlichen Bewegungscharakteren (schwingend, tanzend
usw.) und emotionalen Qualitäten (lebhaft, starr, ruhig usw.);
· der Rhythmus kann zu offenem Verhalten führen: z.B. Klopfen mit dem Fuß, Klat-
schen mit den Händen, Hin- und Herbewegen des Kopfes oder Körpers, Tanzen;
· der Rhythmus kann zu einer psychophysiologischen Reaktion führen: Veränderung
von Atemfrequenz, Herzschlag oder muskulärer Aktivität.
74
Musik kann also selbst Bewegung vermitteln sowie zudem beim Hörer physische und psychi-
sche Bewegung auslösen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Musik ein sehr enges Verhältnis zur Zeit
und zur Bewegung besitzt. Musik existiert nur in der Zeit und wird durch sie in eine Vergäng-
lichkeit und Momenthaftigkeit, die für Musik charakteristisch ist, gebunden. Musikalische
Elemente wie der Rhythmus oder das Tempo teilen die Zeit in Abschnitte ein. Musikwahrneh-
mung kann das Zeitempfinden der Zuhörer beeinflussen. Zudem konnte festgestellt werden,
dass Musik erst durch Bewegung, die eine Umsetzung der Zeit darstellt, entsteht. Ebenso
führt Musikhören zu einer Umsetzung in physische oder psychische Bewegung.
2.5 Musik in der Gesellschaft
Das Musik eine soziale Funktion hat, ist zugleich offensichtlich und schwer zu fassen. Offen-
sichtlich deshalb, da sie in der Regel von Menschen für Menschen gemacht ist. Oder anders:
,,Jede Musik entsteht im Rahmen menschlicher Gesellschaft. Also ist jede Musik in irgendei-
nem ­ bis auf weiteres ebenso vagen wie selbstverständlichen ­ Sinn ,sozial'."
75
Zudem be-
steht die ,,[...] Möglichkeit, in der nichtbegrifflichen Struktur von Musik sowohl soziale Hand-
lungsmechanismen als auch unter- und vorbewußte Prozesse auszudrücken und zu
beeinflussen [...]."
76
Aus dieser Tatsache leitet Grossmann ebenfalls eine wichtige soziale
Funktion von Musik ab.
74
Bruhn/Oerter/Rösing 1985, S. 169
75
Faltin/Reinicke 1973, S. 17
76
Grossmann 1991, S. 113 f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832471446
ISBN (Paperback)
9783838671444
DOI
10.3239/9783832471446
Dateigröße
897 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – Wirtschaftswissenschaften II
Erscheinungsdatum
2003 (August)
Note
1,3
Schlagworte
marke medien psychologie emotion werbung
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Titel: Musik - ein Medium der Wirtschaftskommunikation?
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