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Reproduktion der symbolischen, lebensstil-spezifischen Muster durch die werbliche Inszenierung von Kosmetikprodukten

©2017 Masterarbeit 80 Seiten

Zusammenfassung

Werbebilder vermitteln etwas. Und Werbebilder vermitteln bestimmte Botschaften. Sie geben Einblick in die kulturellen Wertmaßstäbe und lebensstil-spezifische Leitideale.
In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass (Kosmetik-) Unternehmen Werbebilder gebrauchen, um „sich selbst“ bzw. die Marke als symbolische „Verpackung“ eines Lebensstils darzustellen. Diesbezüglich orientieren sie sich an den gesellschaftlich anerkannten Werten und Weltsichten, die sie durch Werbebilder reproduzieren.
Anhand der exemplarischen Analyse des fixierten öffentlichen Bildes (Werbebild) wird untersucht, welche kulturellen, lebensstil-spezifischen Muster durch Werbebilder der (Kosmetik-) Unternehmen reproduziert werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4.3.3. Ikonologische (ikonologische - ikonische Interpretation) ... 63
4.4. Zusammenfassung der Ergebnisse ... 64
5. Kritische Reflexion und Schlussfolgerung ... 68
Literatur ... 70
Tabelle 1 : Auszug der Lebensstiltypologie nach Hölscher (1998: 227ff.),eigene Darstellung ... 10
Tabelle 2: Lebensstile und Werbebilder: theoretische Konzeption, eigene Darstellung ... 30
Tabelle 3: Das Dreistufige Bildinterpretationsmodell nach Panofsky (2006:57), eigene Darstellung ... 35
Tabelle 4: Tabellarische Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Bildanalyse... 67
Abb. 1: Werbebild von ,,Nivea" ... 39
Abb. 2 : Linien und Perspektiven im Werbefoto von ,,Nivea" ... 42
Abb. 3: Werbebild von ,,Weleda" ... 48
Abb. 4: Linien und Perspektiven im Werbefoto von ,,Weleda" ... 50
Abb. 5: Werbebild von ,,Clarins" ... 56
Abb. 6: Linien und Perspektiven im Werbefoto von ,,Clarins" ... 58
Abb. 7: Zeileneinteilung im Textteil des Werbefotos von ,,Weleda" ... 75
Abb. 8: Zeileneinteilung im Textteil des Werbefotos von ,,Nivea" ... 76
Abb. 9: Zeileneinteilung im Textteil des Werbefotos von ,,Clarins" ... 77
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1.Einleitung
Es lässt sich nicht leugnen, dass Bilder durch den technologischen Fortschritt zunehmende
Bedeutung in der sozialen Welt einnehmen. Als visuelles Kommunikationsmittel und
Darstellungsmittel spiegeln Bilder die symbolische Dimension sozialer Praxis wider, die
als eine wichtige Orientierungshilfe zur Konstruktion sozialer Lebenswelten dient: wenn
nicht sogar die Maßstäbe des sozialen Handelns setzt.
Werbebilder vermitteln etwas. Und Werbebilder vermitteln bestimmte Botschaften. Sie
geben Einblick in die kulturellen Wertmaßstäbe und lebensstil - spezifische Leitideale.
Bohnsack (2011: 56) geht davon aus, dass Werbung als Beeinflussungsmittel sich
unterschiedlicher, gesellschaftlicher (kultureller) Merkmale für fotografische Szenen
bedient, mit dem Ziel bestimmte Lebensstile zu suggerieren, um damit mit bestimmten
Milieus zu kommunizieren. Demnach besteht die ,,soziale Rolle" der öffentlichen Bilder
1
darin, die distingierenden Merkmale zum Zweck der sozialen Abgrenzung einer sozialen
Gruppe hervorzuheben und das symbolische Kapital wie Prestige, Status, Reputation und
Anerkennung zu betonen und zu steigern.
Das bedeutet, dass durch das (Werbe-) Bild die gesellschaftlichen Werte und Weltsichten
vermittelt werden, die ihre Geltung zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt haben.
In der Arbeit wird davon ausgegangen, dass (Kosmetik-) Unternehmen die Werbebilder
nicht nur für funktionale Produktinformationen nutzen. Vielmehr nutzen diese Werbebilder
um ,,sich selbst" (Bourdieu 1981:51; Goffman 1971:10) bzw. die Marke als symbolische
,,Verpackung" eines Lebensstils darzustellen. Diesbezüglich orientieren sie sich an den
gesellschaftlich anerkannten Werten und Weltsichten, die sie durch Werbebilder
reproduzieren und damit lebensstil - spezifische Muster manifestieren. Dadurch bauen sie
,,solidarische" Beziehung zu den Konsumenten auf und grenzen sich von Konkurrenten ab.
Ferner wird auch angenommen, dass das Unternehmen als soziale Gruppe selbst Werte und
Leitideale produziert und diese mittels der Werbebilder vermittelt.
Demnach wirken Bilder in der sozialen Welt einerseits biografisch - theoretisch als
identitätsstiftende Konstruktionen. Zum anderen offenbaren sich in den Bildern
symbolhafte Handlungskonstruktionen sowie der dokumentarische Bedeutungssinn
(Bohnsack 2011; Bourdieu 1981; Bourdieu 1983; Breckner 2010; Panofsky 2006).
1
Bilder werden in private, die ,,Erinnerungen an z.B. besondere Leistungen festhalten" und öffentliche, die
gesellschaftliche, politische oder kommerzielle Zwecke" verfolgen, unterschieden (Goffman 1981:41f.).
3

Vom Hintergrund des selektiven Autorisierungsprozesses von Bildern seitens der
Bildproduzenten wird in der sozialwissenschaftlichen Bildanalyse insbesondere die
dokumentarische Aussagekraft der Bilder betont. Denn nur das ,,gute" Bild, im Sinne der
intendierten Aussage, findet den Eingang in die Öffentlichkeit (Przyborsky/ Sluneko 2013:
197).
Meine Inspiration für die vorliegende Untersuchung bezog ich aus der Wahrnehmung der
zunehmenden Präsenz von (symbolischen) Abbildungen im alltäglichen Leben in Form
von Plakaten, Illustrationen, Werbung, Film und Selbsdarstellungen auf Online- Foren. Ich
konstatierte, dass besonders veröffentlichte Bilder eine bedeutsame ,,soziale Rolle" fernab
des privaten Fotoalbums oder privaten Fotosammlung eingenommen haben. Von daher
erkannte ich, dass es auch für die Sozialwissenschaften zunehmend wichtig ist, sich mit
dem sozialen Bedeutungssinn von Bildern, theoretisch wie methodisch zu beschäftigen.
Damit ist die vorliegende Arbeit als ein Beitrag in dem noch marginalisierten
sozialwissenschaftlichen Diskurs über Bilder in der sozialen Praxis zu verstehen.
Ferner lag dieser Arbeit die Intention zugrunde, mit der Bildanalyse auf die Kraft ,,des
symbolischen Kapitals" (Bourdieu 1979; 1983), das sich in visuell-expressiven Symbolen
offenbart, aufmerksam zu machen, d.h. auf die Relevanz der ,,visuellen Sprache" in der
sozialen Praxis.
Die vorliegende Arbeit knüpft an die Gedanken über der symbolischen Dimension sozialer
Praxis von Bourdieu an und verbindet diese mit der ,,sozialen Rolle" von öffentlichen
Bildern.
Anhand der exemplarischen Analyse des fixierten öffentlichen Bildes (Werbebild) wird
untersucht, welche kulturellen, lebensstil - spezifischen Muster durch Werbebilder der
(Kosmetik-) Unternehmen reproduziert werden.
Zu Beginn werden hierfür die relevanten theoretischen Grundlagen skizziert (Abschnitt 2).
Die methodische Ausrichtung der Untersuchung wird im Abschnitt 3 vorgestellt.
Anschließend werden Ergebnisse dargestellt und bewertet (Abschnitt 4) und auf ihre
soziologische Bedeutung diskutiert (Abschnitt 5).
2. Theoretischer Teil: Soziale Praktiken
Um zu erkennen, welche Rolle öffentliche Bilder in der sozialen Praxis einnehmen und
welche Lebensstile bzw. lebensstil- spezifische Werte und Muster zwecks symbolischer
4

Inklusion und Exklusion durch Werbebilder reproduziert werden, ist es wichtig zu
verstehen, wie Lebensstile theoretisch konzipiert und gedacht sind.
Die,
der
vorliegenden
empirischen
Untersuchung
zugrunde
liegenden,
lebensstiltheoretischen Grundlagen von Bourdieu werden im folgenden Kapitel vorgestellt.
2.1. Soziale Praxis
Die soziale Welt besteht bei Bourdieu aus unterschiedlichen sozialen Räumen (Feldern):
Raum der sozialen Positionen und Raum der Lebenssstile, die als das Ergebnis der sozialen
Praxis betrachtet werden. Differenziertere Abstufungen innerhalb sozialer Räume richten
sich am vorhandenen Volumen unterschiedlicher Kapitalarten: dem ökonomischen,
sozialen, kulturellen und symbolischen Kapital (Bourdieu 1982: 212f.).
Im Raum der sozialen Position spiegeln sich die materiellen Existenzbedingungen, und
zwar in der Form unterschiedlicher ökonomischer und kultureller Ressourcen, ab.
Der Raum der Lebensstile wird über Gewohnheiten, Gegenstände, (Konsum) Güter
Vorlieben, Konsum- und Freizeitverhalten, äußerlichem Erscheinungsbild sowie der
politischen Orientierung oder geistigen Gesinnung, die als symbolische Kapitalien
aufgefasst werden, definiert (Fröhlich/Rehbein 2009: 220).
Die grundlegende Differenzierungspraxis der Lebensstile ergibt sich aus der Verbindung
von symbolschen Elementen, Regeln, Bewertungen und Bedeutungen an denen das soziale
Handeln orientiert ist.
Bourdieu beschreibt soziale Räume als ,,Kampffelder" (Bourdieu 1985: 74), in welchen
unterschiedliche soziale Gruppen, anhand distingierender Zeichen, um die legitimierte
(Macht-) Position ringen.
Für die vorliegende Untersuchung sind der Lebensstilraum sowie die symbolische
Konstruktion und Repräsentation von Lebensstilen, die in den folgenden Ausführungen
detaillierter beschrieben werden, von besonderem Interesse.
2.2. Raum der Lebensstile
Der Lebensstilraum ist in der theoretischen Konzeption der sozialen Praxis von Bourdieu
ein symbolischer Raum, welcher den unterschiedlichen sozialen Gruppen dazu dient, ihre
lebensstil - spezifische Werteorientierungen zu repräsentieren.
Hier zeigen sich die spezifischen Weltsichten und Leitideale unterscheidlicher sozialer
Gruppen, die um ihre Legitimation konkurrieren (Bourdieu 1985: 16). Dieser symbolisch
5

kodierter Raum ist ein System von an einander orientierender und gleichzeitig von
einander abgrenzender Lebenstile. Das bedeutet, dass der Lebensstilraum durch
unterschiedliche Lebensstile, die objektiv und subjektiv in ihren wechselseitigen
Beziehungen bewertet werden, definiert ist (ebd.: 1982: 175).
Vom Hintergrund der Legitimationsansprüche, die aus dem gegenseitigen Vergleich von
lebensstil - spezifischen Verhaltens- und Wertemustern hervorgehen, kann der
symbolische soziale Raum als Raum der Unterschiede und Raum der Beziehungen
betrachtet werden. Der darin, in der Erscheinungsform des symbolischen Kapitals,
anerkannte Lebensstil gilt als Metapher für soziale Machtkonstellationen: als das
symbolische Signal für sowohl individuelle wie auch kollektive Verhaltens-, Bewertungs-
und Handlungsschemata (Bourdieu 1995: 22).
Die lebensstil - spezifischen Muster, die anhand der symbolischen Verhaltensweisen
(Gestik, Mimik, Kleidungsstil, Körperhaltung) und dessen visuellen Codes (Form, Farbe)
konstruiert werden, dienen der Orientierung in der sozialen Welt bzw. der Positionierung
im sozialen Raum. Aus diesen Ausführungen ergibt sich der Hinweis, dass lebensstil -
spezifische Werte und Leitideale in visuell ­ expressiven, stilisierten Zeichen ihren
Ausdruck finden, die das das Volumen des symbolischen Kapitals steuern.
In diesem Sinne dient der soziale Raum als ,,Bühne" (Goffman 1973) für die Darstellung
viefältiger Lebensstile; als Ort, an welchem unterschiedliche soziale Gruppen, anhand ihrer
charakteristischen Werte und Weltsichten, konkurrierende oder solidarische Beziehungen
aufbauen.
Die symbolisch stilisierten, lebensstil - spezifischen Einstellungen tragen als
,,Erkennungszeichen" zur gegenseitigen Identifikation bei. In ihrer verdichteten Form
finden sich diese sowohl in den visuell ­ expressiven Praktiken, wie auch in der
alltäglichen Sprachpraxis. So wird mit Begriffen wie ,,Spießer", ,,Streber", ,,Ökos", ,,graue
Maus", die an visuelle Erscheinungsbilder anknüpfen, sowohl die kollektive wie auch
individuelle lebensstil - spezifische Orientierung (z.B. traditionelle, alternative) erfasst.
Anhand dieser alltagssprachlichen, begrifflichen Erfassung und visuellen Kodierung von
bestimmten Lebensstilen, lassen sich die sozialen Grenzen zwischen unterschiedlichen
sozialen Gruppen und ihre Positionierungen innerhalb des sozialen Raums erkennen.
6

2.3. Lebensstile
Der Begriff ,,Lebensstil"
Müller und Weihrich (1991: 122) definieren Lebenstile
2
als expressive
Lebensführungsmuster. Diese Definition teilt auch Vetter (1991: 11), mit einer
Erweiterung um die institutionalisierte und individualisierte Dimmension der
Lebensführung.
In dieser Arbeit wird die Lebensführung im Sinne von Max Weber verstanden: als
bestimmter Lebensstil, welcher an bestimmten, gesellschaftlichen Werten und Normen
ausgerichtet ist.
Lebensstile bei Bourdieu
Bourdieu verbindet Lebensstile mit gesellschaftlich anerkannten, visuell ­ expressiven
Symbolen, die dem Ziel der sozialen Distinktion zwischen unterschiedlichen Klassen
3
dienen. Von diesem Hintergrund besteht der Sinn des Lebensstiles darin, mittels der
symbolisch ,,verpackten" kulturellen Werte und Normen (symbolische Kapitalien), einen
möglichst großen Distinktionsgewinn zu erzielen.
Innerhalb der herrschenden Elite wird der Lebensstil differenziert in den ,,asketischen
Aristokratismus" und dem ,,Sinn nach Luxus" (Bourdieu 1982: 447). In der ,,asketischen
Aristokratie" finden sich die ökonomisch schwachen und kulturell reichen Mitglieder der
herrschenden Gruppe: Hochschullehrer und Kunstproduzenten. Desweiteren kann man
nach Bourdieu (1982: 442) den ,,asketischen Aristokratismus" an der Lektüre von
politischen Werken, Zeitschriften über Literatur und Kunst, Theaterbesuche, Konsum
klassischer Musik erkennen. So wird z. B. eine umfangreiche Sammlung von Büchern mit
2
Der Begriff Lebensstil wurde zunächst von Thorstein Veblen (Veblen 1989, Erstveröffentlichung 1899) als
Lebensstil der Mußeklasse verwendet. Er unterschied zwischen demonstrativer Muße in Form von
Zeitverschwendung und demonstrativem Konsum von teureren Gütern. Bei Max Weber erscheint der
Lebensstil in der Form der Lebensführung (Weber 2010) Seine Popularität erreichte der Begriff jedoch durch
die Arbeiten von Pierre Bourdieu.
In der aktuellen Lebensstilforschung werden drei Begriffe differenziert: Lebensstil, Lebensführung und
Lebensweise.
Lebensweise bezieht sich auf die Dimensionen des individuellen Verhaltens, die durch gesellschaftliche
Lebensbedingungen festgelegt sind. Die Lebensführung wird als ,,individuelle Lebensleistung, die auf die
aktive Auseinandersetzung mit den gesellschaftichen Bedingungen gerichtet ist und zugleich das eigene
Bemühen offenbart dem eigenen Tun einen Sinn zu verleihen", definiert (Müller/Weihrich 1991: 122).
3
Bourdieu denkt seinen Ansatz klasssentheoretisch. So geht Bourdieu in seinem Werk ,,Eine illegitime
Kunst: sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie" der Frage nach: wie durch die Fotografie "die
klassengebundenen Werte [...] übermittelt werden können" (Bourdieu 1981: 54).
Da die typische klassenspezifische Zuordnung auf soziale Aktuere in den Postwachstumsgesellschaften nicht
problemlos übertragbar ist, wird die ,,Klasse" in dieser Arbeit als ,,soziale Gruppe" bezeichnet.
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dem intellektuellen Lebensstil assoziiert und mit der sozialen Position eines akademischen
Gelehrten verknüpft (Bourdieu 1982: 212f.).
Dass es beispielsweise einen ,,unpassenden" oder ,,passenden" Lebensstil eines
Intellektuellen geben kann, offenbart sich in alltäglichen Beurteilungen wie ,,so ein
gebildeter Mann und kleidet sich so unordentlich" (Richter 1994: 167). Solche Aussagen
geben einen Hinweis auf die symbolische Verknüpfung des Erscheinungsbildes und der
sozialen Stellung. Darüber hinaus implizieren sie auch die Annahme, dass es eine
gesellschaftliche Konditionierung über den ,,richtigen" und ,,falschen" Lebensstil gibt.
Die Vertreter des ,,Sinns für Luxus" sind vor allem freiberuflich Tätige, deren kulturelle
Kompetenz schwach ausgeprägt ist. Ihr Lebensstil offenbart sich im ,,Lesen von Speisen"
(kulinarische Magazine) ,,Boutiquebesuchen, Konsum von Unterhaltungssendungen und
Luxuswagen" (ebd.: 1982: 442).
Vom Hintergrund der Modernisierung werden bei Bourdieu (1982: 573) die Vertreter des
Kleinbürgertums zu den Trägern modernisierter, konsumorientierter Lebensstile, die sich
in der ,,Pflicht zum Genuss" bzw. Konsum und dem Kultivieren ,,einer Ästhetik des
Gepflegten und Gewissenhaftem" offenbart (Fröhlich/Rehbein 2009: 166).
Demnach offenbaren sich Lebensstile in unterschiedlichen symbolischen Ausdrucksarten:
in symbolisch kodierten Verhaltensweisen sowie geistigen und materiellen Gütern.
Die Erkenntnis über den lebensstil - spezifischen Ausdruck durch das Konsumieren
,,richtiger" Güter, mit deren Hilfe das symbolische Kapital akkumuliert wird, geht auf
Thorstein Veblen (1989) zurück. In der Anlehnung an Veblen ist besonders der
quantitative Konsum von ,,besseren Gütern ehrenvoll, da dessen mangelnder Verbrauch
mit der Würdelosigkeit" verbunden wird (Veblen 1989: 84). Somit ist der extensive
Konsum von prestigvollen Gütern ,,unentbehrlich für das eigene Wohlbefinden und den
Erfolg im Leben" (ebd.: 1989: 116). Diese Konsumnorm umfasst die ,,sichtbaren" Güter
wie Luxusgüter z.B. Schmuck oder Kleidung und auch ,,unsichtbare" Güter wie
Unterwäsche und Nahrungsmittel (ebd.:1989: 119). Vom Hintergrund der körperlichen
Stilisierung in der modernen Gesellschaft können hier auch kosmetische Artikel eingereiht
werden, durch deren Verbrauch symbolisch der Selbstwert oder die ,,Machtkraft"
(ebd.:1989: 119) akkumuliert wird.
Featherstone (1991: 91) sieht in der "neuen Elite", den ,,neuen Intellektuellen" das
Publikum und die Transformatoren neuer Life-Style Lebensstile. Diese werden über die
8

symbolische Konstruktion und Bewertung von Kosmetik und Fitness als der populäre
Lifestyle produziert (Featherstone 1991: 90).
Im Hinblick auf die identitätsstiftende Konstruktion von Images
4
konstatiert Michailow
(1994: 107), dass bei modernen, konsumorientierten Lebensstilen ,,die symbolisch und
ästhetisch aufgeladenenen Markenartikel zur identitätsvertärkenden Selbstdarstellung"
eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Lebensstile auch als ,,Codes für die Identitätssuche
und Identitätsideale" (Michailow 1994: 107) aufgefasst werden können.
Die Breite des Lebensstile ist bei Bordieu auf drei Lebensführungen eingeschränkt: der
Lebensstil der Reichen, des Interlektuellen und des Arbeiters. Auch wenn diese
klassenspezifische Lebensstiltypen noch ihre Gültigkeit haben, ist es unübersehbar, dass
sich in der postmodernen Gesellschaft die lebensstil - spezifischen Muster weit
ausdifferenziert haben. So gibt es in der Gegenwart viele anerkannte Lebensstile. Die
gesunden, alternativen, avantgardistischen, ökologischen, ländlichen und städischen
Lebensstile sind nur ein Auszug aus der breiten Angebotspalette von lebensstil -
spezifischen Werteorientierungen (ebd.: 1994: 107).
In der Lebensstiltypologie von Hölscher (1998: 227ff.) gibt es sowohl die klassischen
lebensstil - spezifischen Strukturierungen, wie auch neu hervorgebrachte Lebenssstilmuster
und Werteorientierungen. Diese sind verdichtet in Lebensstilen von: konservativen Eliten,
gehobenen Progressiven, alternativen Postmaterialisten, gehoben Individualisten,
integrierten, prestigeorientierten Mitmacher und konservativen, traditionellen
Pragmatiker (sehe dazu nachfolgende Tab. 1, S.10).
4
Der Begriff ,,Image" wurde von Erwin Goffman (1971) geprägt.
9

Typologie der Lebensstile:
Tabelle 1
: Auszug der Lebensstiltypologie nach Hölscher (1998: 227ff.),eigene Darstellung
Lebensstiltypen
Werte - Orientierungen
Distingierende
Merkmale
Symbolische (Selbst
Darstellung
gehobene
konservative Elite
(aristokratische Elite
bei Bourdieu(1982))
-Familie
-Etablierte Berufe
(Berufspositionen) die i.R.
vererbt werden
-Status-Prestigorientierung
-Tradition
-Ordnung
Materielle Sicherheit
-Diskretion, kein Pompgehabe
-Erhalt hierarchischer
Ordnung
-,,Understatement"
gehobene
Progressiven
(Alter ca. 35)
-Bildung
-konservativ- liberalen Werte
-sozialer Aufstieg
-
-Bildungszertifikate
-akademisches Wissen
-intellektueller
Sprachausdruck
-,, gesundheitsbewusst
-,,Aufsteiger"
alternative
Postmaterialisten
(junge Familien,
Singles)
-ökologische Gesinnung
-politische Einmischung
-soziale Beziehungen als
ökonomisches Kapital
-naturnahe, ,,natürliche"
Lebensführung
-Ablehnung der
Konventionen
-gesellschaftskritische
Diskussion
-,,alternativer
Individualismus"
-,,Natürlichkeit"
-,,Weltverbesserer""
gehoben
Individualisten
(überwiegend Singles)
-Selbstverwirklichung
-Verbindung von traditionellen
Werten und Freiheitsbestreben
-Karriereorientierung
-Kulturkonsum
-unaufdringliche
Markenkleidung
-Markenschmuck
-,,konservativ-
extravaganter
Individualismus"
prestigeorientierte
Mitmacher
-Familienharmonie
-häusliche Geborgenheit
-Bestreben nach Eigentum
-Nachahmung statusorientierter
Wertemuster
-Kritik gegenüber Trends,
Life-Style und Innovation
-,,angepasste (r)
Angestellte(r)"
konservativ-
traditionell
Pragmatische
(Arbeitertypus bei
Bourdieu (1982))
-soziale Ordnung
-Pflichterfüllung
-Disziplin
-Sparsamkeit
-Rollenbewusstsein
-am praktischen Nutzen
orientiert
-rollenbewusste (nationale)
Weltsicht
-,,praktischer
Handwerk"
-,,Pragmatismus"
10

Hier kann zusammengefasst werden, dass Lebensstile durch spezifische, symbolhafte
Ausdrucksmittel, symbolische Markenzeichen und Verhaltensarten zu einem einheitlichen
Stil erfasst werden. In Stilmitteln ,,verkörpern" sich die sozialen Werte und Einstellungen.
Die symbolische Stilisierung ,,setzt die Orientierungspunkte für die Identifizierungs- und
Distinktionsschemata" (ebd.: 1994: 110); sie setzt Signale für die soziale Positionierung,
Zugehörigkeit und Abgrenzung im sozialen Raum.
In den symbolischen Ausdrucksformen des jeweiligen Lebensstils einer spezifischen
sozialen Gruppe, wird das gesellschaftliche Leben der Menschen zur Darstellung gebracht.
Vom Hintergrund ihrer symbolischen Expression bezeichnet Hülst (1999: 277) Lebensstile
als die ,,Verbildlichung von Struktur" und symbolische Repräsentation der Macht.
2.4. Symbolische Praxis
Wie in vorherigen Absätzen dargestellt, werden Lebensstile anhand der symbolisierten
Ausdrucksformen identifiziert und differenziert. Demnach basiert das Konzept der
Lebensstile im Sinne von Bourdieu auf zwei Grundelementen: der Distinktion und dem
symbolischen Kapital, die im Folgenden detaillierter erläutert werden.
2.4.1. Distinktion
Im engen Zusammenhang mit dem Konzept Lebensstil hat Bourdieu die distinktionale
Wirkung der Lebensstile erkannt.
Die Distinktion ist ein sozialer Differenzierungsmechanismus, das aus drei Merkmalen
besteht: soziale (Selbst-) Verortung, Semiotisierung, Konstruktion und Rekonstruktion der
Ästhetik (Diaz- Bohne 2002: 37). Die soziale Verortung bezieht sich auf die soziale
Stellung im sozialen Raum. Die Semiotisierung bezieht sich auf die symbolische Ordnung
distingierender Objekte. So zielt die symbolische Distinktionspraxis auf die
Akkumulierung symbolisch - distingierender Objekte, Werte und Praktiken
(Verhaltensweisen) (ebd.: 2002: 39).
Die vom Habitus
5
geprägten Praktiken sozialer Gruppen werden nach habituellen
Beurteilungsschemata bewertet und anschließend den unterschiedlichen Positionen im
sozialen Raum zugeordnet. So werden bestimmte Verhaltensarten, Gegenstände und
5
Der Begriff ,,Habitus" umfasst das Handeln, das Denken und das Wahrnehmen von sozialen Situationen,
die als ritualisierte Verhaltensweisen die alltägliche Praxis strukturieren (Bourdieu 1976:189f., zitiert nach
Fröhlich/ Rehbein 2009: 111).
11

Wertorientierungen mit bestimmten Gruppen in Verbindung gebracht. Die teueren
Luxusgüter und exklusive Sportarten werden z.B. mit sozial Privilegierten, der
ökonomischen Elite assoziiert. Die kultivierten Formen der Askese, der Besitz
avantgardistischer Kunstobjekte werden der kulturellen Elite zugewiesen (Bourdieu 1982,
zitiert nach Diaz- Bohne 2002: 39). Von diesem Hintergrund besteht der Sinn des
Lebensstiles darin, mittels der symbolisch ,,verpackten" kulturellen Werte und Normen
(symbolische Kapitalien), einen möglichst großen Distinktionsgewinn zu erzielen.
In diesem Zusammenhang konstruiert Bourdieu zwei Distinktionsrichtungen: vertikale und
horizontale. Die vertikale grenzt primär herrschende, bürgerliche und beherrschte Klasse
voneinander ab. Dies bezieht sich auf die hierrarschisch strukturierte Bewertungsmuster.
Das bedeutet, dass die sozialen Aktuere durch die vertikale Decodierung erfahren, in
welcher sozialen Rangordnung lebensstil - spezifische Werte und Ausdrucksmuster
anerkannt sind. Umso höher die Bewertung ausfällt, umso erstrebenswerter wird ein
Lebensstil. Beispielsweise hat in vielen Kulturen die Bildung einen hohen
gesellschaftlichen Stellenwert. Das Bildungsniveau zeigt sich im sprachlichen Ausdruck
6
.
So werden abstrakte Begriffe mit intelektuellen Lebensstilen assoziert und gleichzeitig
wirken diese als distingierende Elemente zu anderen Lebensstilen. Um auf die Beispiele
von Bourdieu, Veblen und Michailow, die in vorherigen Absätzen erwähnt wurden,
zurückzukehren, ist beispielsweise in der postmodernen, westlichen Gesellschaft ein
hedonistischer Lebensstil, welcher sich im extensiven Konsum von symbolischen Gütern
offenbart, sozial erwünscht.
Die horizontale Distinktion grenzt die ökonomisch reiche soziale Gruppe als herrschende
Klasse, von der beherrschten kulturellen Kapitalgruppe, ab. Hier wird zwecks des
distinktionalen Vorteils (Gewinns) das symbolische Kapital strategisch eingesetzt, um in
einem ,,Klassenkampf" (Bourdieu 1985: 74) auf der symbolischen Ebene, den eigenen
Lebensstil als legitim, d.h. gesellschaftlich anerkannt, durchzusetzen.
Zu diesem Zweck schließen sich die Lebensstilgruppen aus ,,Gleichgesinnten" zusammen,
die sich von anders ,,Gesinnten" abgrenzen. Diese Form solidarischer Beziehungen, die
Münch (1991: 157) als ,,gemeinschaftliche Vereinigung durch gemeinschaftliche
Abschließung" bezeichnet, werden durch gemeinsame und habitualisierte kulturelle
Symbole, Vorstellungen und Werte hervorgebracht.
6
Das entspricht der Sichtweise von Ernst Cassirer. In seinem Werk ,,Theorie der symbolischen Formen"
sieht Cassirer in der Sprache den symbolischen Ausdruck einer sozialen Beziehung (Cassirer 2010: 147).
12

Die stilisierte und habitualisierte Verwendungen des symbolischen Kapitals trägt somit zur
,,sozialen Abschließung bei" (Münch 1991: 157).
Demnach konstruieren sich durch die Vergleichspraxis, im Sinne von ,,Selbst und Fremd"
Zuordnungen, die sozialen Identitäten und die distinktiven Verhaltensweisen. Die Selbst-
Fremdverortung im sozialen Raum bildet die Basis für, sowohl kollektive wie auch
subjektive, Strukturierung der sozialen Welt (Hölscher 1998: 301).
Es soll hier betont werden, dass die Reproduktion distingierender lebensstil - spezifischer
Muster und Werte kein statisches Konstrukt ist. Da symbolische Codierungen dem
kulturellen und historischen Wandel unterliegen, ändern sich auch die Lebensstile und
damit verbundene soziale Normierungen. Ebenso erzeugt die massenhafte Verbreitung von
stilisierten Mustern für ihre Transformation. Wenn von einer Elite propagierter Lebenstil
die massenhafte Nachahmung findet, dann wird der ,,Zwang zur Erneuerung der
Ausdrucksmittel" (Bourdieu 1970: 65) wirksam. Denn für ein funktionierendes
Distinktionssystem
,,muss sich ein Stil mit der Notwendigkeit wandeln, sobald dieser vollständig verbreitet ist, weil er
ein Unterscheidungszeichen ist, das nicht allgemein werden dürfte, ohne seinen Wert zu verlieren"
(Bourdieu 1983: 63).
Somit werden neue symbolische Elemente, die einen neuen Lebenstil generieren, erfunden
und die distinktionale Wirkung erneut hergestellt.
Daher ist die soziale Abschließung ein Wandlungsmotor, welcher die soziale Ordnung neu
konstruiert. Dabei bewirkt der Wandel nicht nur Verluste bestehender Werte sondern
generiert ebenso neue (z.B. ökologisch - biologische Gesinnung).
2.4.2. Symbolisches Kapital
Um ihre soziale Kraft zu entfalten, müssen lebensstil - spezifische Werteorientierungen
nach Außen vermittelt werden, d.h. Lebensstile müssen im sozialen Raum sichtbar
werden.
Wie es bereits angedeutet wurde, zeigen sich Lebensstile in ,,distinktiven Stilmerkmalen"
(Richter 1994: 173f.), wie z.B. Luxusgüter, Theater- Boutiquebesuche, Lesen bestimmter
Literatur. Allerdings wirken diese in der sozialen Strukturordnung nur dann distingierend,
wenn sie symbolisch aufgeladen und somit der Ausdruck des symbolischen Kapitals sind
(z.B. auschließlich Luxusgüter oder Markenartikel konsumieren oder in der Boutique
einkaufen).
13

Bourdieu hat bereits, in seinen ersten empirischen Studien über der kabylischen
Gesellschaft, im symbolischen Kapital, als ,,wahrgenommene und als legitim anerkannte
Form des ökonomischen und sozialen Kapitals" (Bourdieu 1985: 11), eine ausprägend
wirksame (distinkionale) soziale Kraft erkannt. So schreibt Bourdieu: ,,Nichts wäre irriger
als die Annahme, dass der symbolische Aspekt der Handlung nichts außer sich selbst
bedeutet"
7
(Bourdieu 1983: 62).
Im Anschluss an diese Erkenntnisse sind Positionierungen von ,,Gleichgesinnten" und
,,Anders - Gesinnten" im sozialen Raum nicht ausschließlich durch das ökonomische
Kapital bedingt, wie allgemein angenommen wird. Vielmehr ergeben sich diese aus dem
Umstand, dass ,,die Individuen, die diese Klasse bilden, ohne es zu merken in symbolische
Beziehungen zu einenader treten, die die Differenzen von Stellung und Lage ausdrücken
und diese Unterschiede somit in signifikante Unterscheidungsmerkmale zu verwandeln
trachten" (Bourdieu 1970: 57).
Das bedeutet, dass symbolische Praktiken und die symbolischen Elemente die soziale
Ordnung strukturieren und reproduzieren (Hülst 1999: 280).
Es gibt unterschiedliche Formen des symbolischen Kapitals, die Staubmann (1995: 133)
als ,,expresiver Symbolismus" bezeichnet, die distingierend wirken und die ,,Reproduktion
bestehender Beziehungen" (Bourdieu 1979: 335) überwachen.
Eine Form des symbolischen Kapitals äußert sich in den immateriellen Werten, wie
beispielsweise das Ansehen, die Ehre, die Reputation, der Status, der Prestige und die
Anerkennung (Fröhlich 1994: 37).
Im Hinblick auf die Symbolkraft vom Prestige in der sozialen Praxis verweist Staubmann
(1995: 129) auf Veblen und seine Deutung von Prestige als grundlegendes
Handlungsmotiv in sozialen Beziehungen. Für Veblen bestehen die Motive des
wirtschaftlichen Handelns nicht aus materiellen Interessen, sondern im Streben nach
Prestige, dessen Grundlage der (neidvolle) Vergleich darstellt. Das wesentliche des
7
Besonders in den späteren Werken sah Bourdieu in symbolischen Praktiken das ,,Vehikel der sozialen
Praxis, da ohne Anerkennung, d.h. dem Symbolischen, andere Kapitalien (ökonomisches, soziales,
kulturelles) wertlos sind (Fröhlich/Rehbein 2009: 138). So kann das ökonomische Kapital seine Macht erst
durch die symbolische Stilisierung entfalten. Ein Mercedes bespielesweise wird ohne der symbolischen
Stilisierung der Marke einfaches Fahrzeug: ein technisch konstruiertes Fortbewegungsmittel. Erst die
symbolische Verknüpfung mit Prestige, Macht und Status, macht diesen zum begehrenswerten Gut, welches
direkt und indirekt das Volumen des ökonomischen Kapitals des Unternehmens und das symbolische Kapital
eines sozialen Aktueres steigert.
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Vergleichens besteht darin, ,,den relativen moralischen und ästhetischen Wert von sozialen
Aktueren zu messen" (Veblen 1981: 41, hier zitiert nach Staubmann 1995: 129).
Auf die moderne Gesellschaft angewandt, bedeutet das, dass Produktion und Konsum
durch Prestigemotive gesteuert sind. Somit sollen ,,demonstrative" (Staubmann 1995: 130),
im Sinne von symbolischer Aufladung, Konsumgüter das Bedürfnis nach Prestige
befriedigen.
Desweiteren zählen auch materialisierte Güter, wie Schmuck, Kleidung, Fahrzeuge,
Möbel, Bücher, Nahrungsmittel, Markenartikel, zu den Ausdrucksformen des
symbolischen Kapitals.
Eine weitere signifikante Unterform des symbolischen Kapitals ist das Körperkapital, das
besonders hohen Stellenwert in der modernen Gesellschaft hat. Das Körperkapital äußert
sich in der Stilisierung gemäß der geltenden gesellschaftlichen Normierungen, von
Gesundheit, Körperästhetik sowie dem Alter und der Stärke des Körpers (Fröhlich 1994:
37; Faetherstone 1991; Wagner 2012).
In folgenden Absätzen werden diese Formen des symbolischen Kapitals, die als
symbolische Ausdrucksformen lebensstil - spezifischer Muster und Werte gelten, näher
erläutert. Zuvor wird zum besseren Verständnis etwas ausführlicher auf die Begriffe
Symbol und Symbolisierung in der Alltagspraxis eingegangen.
2.4.3.Symbole
Wie bereits dargestellt wurde, offenbaren sich Lebensstile in symbolischen Beziehungen
und symbolischen Ausdrucksformen, die als symbolisches Kapital erfasst werden und die
zur Herstellung der Herrschafts- und Gemeinschaftsverhältnisse dienen (Fröhlich/ Rehbein
2009:2 28).
Als erste fundierte wissenschaftliche Grundlage für die Symbolisierung des Alltags wird
das Werk ,,Philosophie der symbolischen Formen" von Ernst Cassirer (2010,
Erstveröffentlichung 1923) betrachtet. Bei Cassirer nimmt das Symbolische eine zentrale
Stellung im Leben der Menschen, weil ,,Menschen Wesen sind, die ihre Gedanken,
Empfindungen und Erkenntnisse durch Symbole ausdrücken und die Kultur als
symbolische Konstruktion, als Sammlung symbolisch bedeutsamer Gegenstände
aufzufassen ist" (Cassirer 2010, zitiert nach Hülst 1999: 51). Das entspricht auch der
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späteren Sichtweise von Bourdieu, in der er annimmt, dass erst durch die Symbolik die
soziale Stellung und der jeweilige Lebensstil zum Ausdruck kommen (Bourdieu 1983: 62).
Bourdieu erkannte, dass Gesellschaften und Gemeinschaften nicht nur aus Personen und
ihren Beziehungen zueinander, sondern auch durch ihre subjektive Relationen zu den
,,Dingen" konstruiert sind. Denn ,,Räume und Dinge vermitteln Ordnungspinzipien" und
kulturelle Werte die sich objektiviert in ihrem symbolhaften Ausdruck und symbolhaften
Gebrauch zeigen (Bourdieu 1987: 136ff.).
Die ,,sozialen Symbole" (Hülst 1999: 39) sind bei Bourdieu distingierende Zeichen, die
soziale Unterschiede im Raum der Lebensstile anhand unterschiedlicher, expressiver
Symbolformen sichtbar machen. So sind Symbole einerseits Zeichen und andererseits
expressive Formen, die soziale Relationen ausdrücken. Allerdings haben Symbole einen
sozialen Einfluss nur für Menschen, die diese zu entschlüsseln vermögen.
Schütz und Luckmann definieren Symbole als ,,objektivierte Träger von Informationen"
(1984: 178). Ferner sind Symbole in der alltäglichen Lebenswelt ,,Brücken von einem
Wirklichkeitsbereich zum anderen" (2003: 653). Die symbolischen ,,Verkörperungen" sind
Einnerungen an Erfahrungen, die in den Alltag gebracht werden (ebd.: 2003: 655). Das
bedeutet, dass Menschen sich im Alltag anhand erlebter Erfahrungen, die sich in einem
bestimmten Bedeutungsträger (einem Symbol) ausdrücken, verständigen.
Dabei kann als symbolischer Repräsentant alles Mögliche genutzt werden:
Verhaltensarten, Gegenstände (z.B. Rollex Uhren, Birkenstock Schuhe, Eiche-Rustikal
Möbel), Farben, Körperbewegungen (z.B. Verbeugung als Grussart, Umarmung als
symbolhafter Ausdruck der Anerkennung, Gestik, Mimik), historische Ereignisse,
gesellschaftliche Veranstaltungen aber auch naturale Erscheinungen wie Berge, Flüsse,
Sonne, Mond, Blumen, Tiere (Schütz/Luckmann 2003:656f.). Im frühen Mittelalter
wurden explizit tierische Symbole zur Präsentation kollektiver Identität und zur
Repräsentation der nationalen und materiellen Macht eingeführt. Es kommen heute noch
Löwen, Bären, Drachen in den Wappen oder als Machthüter an den Eingängen öffentlicher
und privater Gebäude vor (Hülst 1999:40).
Demnach zeigen expressive symbolische Formen den Status und die soziale Stellung eines
Akteurs, einer Gruppe im sozialen Raum oder einer Nation im globalen Raum.
So sind viele dieser Bedeutungsträger nicht explizit funktionale Gegenstände, sondern
bedeutungsvolle Bestandteile sowohl einer subjektiven wie kollektiven sozialen Stellung,
sozialen Beziehung, und lebensstil - spezifischen Weltsicht. In der Anlehnung an
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Gedanken von Michael Beetz (2014: 14f.) ist bespielsweise eine Rolex- Uhr nicht nur eine
Darstellung des symbolischen Kapitals, in Form des Prestiges der Eigentümer, sondern
auch der Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte und Wertedifferenzen. Das impliziert die
Kontextualisierungstendenzen symbolischer Elemente. Das bedeutet, dass sich ihre
symbolische Kraft nur im Kontext mit anderen Elementen sozialen Handelns entfaltet. So
ist Farbe ,,Rot" als formale Erscheinung ohne sozialen Bedeutungsssinn. Erst in der
Verbindung mit einem Trägerobjekt und ihrer Beziehung zur Umgebung wird diese zum
symbolischen Bedeutungsträger, wie z.B. rote Lippen, rote Fahne, roter Ferrari (Beetz
2014: 12). Dann offenbaren sich in der Farbe ,,Rot" die kulturellen Deutungen von
Rollenverhältnissen, Weltsichten, und sozialer Macht.
Die Symbolisierung der sozialen Praxis wirkt über der Bedeutungsebene auch auf der
Bewertungsebene.
Erst
über
der
Bewertungspraxis
erreichen
symbolische
Bedeutungsträger ihren distinktionalen Einfluss. Ebenso wie die Distinktion erfolgt die
Bewertung von Symbolen auf der Basis der horizontalen und vertikalen Decodierung. Auf
der vertikalen Ebene werden symbolische Ausdrucksformen nach dem Schema ,,Besser
und Schlechter" bewertet. Auf der horizontalen Ebene werden diese nach dem Schema
,,Gleich und Anders" decodiert (Hölscher 1998: 52).
Hier ist anzumerken, dass symbolische Ausdrucksformen, ihre Bedeutungen und
Bewertungen, im kulturellen und historischen Kontext eingebettet sind. Demnach sind ihre
Entwicklung und Dauer ein dynamischer Prozess. Während die schwarze Kleidung im
Mittelalter mit Trauer und Dramatik in Verbindung stand, wird diese in der Gegenwart als
Ausdruck des stillvollen Geschmacks und der Extravaganz bewertet (Ffoulkes 2010:
17ff.). Ebenso können symbolische Kapitalien in unterschiedlichen Gesellschaften sehr
unterschiedliche Bedeutungskraft entfalten. So ,,versprechen" schlanke weibliche Körper
in westlichen Gesellschaften den beruflichen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung,
während füllige weibliche Körper in anderen Kulturen mit der ehrenvollen Fruchtbarkeit in
Verbindung stehen. Naturale Erscheinungen wie Blumen, Bäume, Wasser, Sonne und
Mond können vitale Lebenskraft, Romantik, Stabilität, Wachstum, aber auch Freiheit oder
(nationale) Macht symbolisch ausdrücken.
Das bedeutet, dass Symbole als Repräsentanten verschiedener, sozialer Welten, aufgrund
ihrer subjektiven und kollektiven Bedeutung und Bewertung, die soziostrukuturelle
Ordnung hervorbringen. Durch deren Vergleich erkennt man die Gleichgesinnten und
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Andersgesinnte. Somit schaffen Bewertungen von symbolhaften Ausdrucksformen ,,die
Basis für die soziale Distinktion" (Hölscher 1998: 51).
Zusammengefasst zu symbolischen Systemen generieren sie einheitliche Lebensstile,
soziale Identitäten, Distinktionen und Zugehörigkeiten (ebd.: 1998: 49ff.). Für Bourdieu
(1983: 63) ,,sieht so aus, dass symbolische Systeme [...] als Unterscheidungsmerkmale
dazu geschaffen sind, eine gesellschaftliche Funktion von Trennung und Verbindung zu
erfüllen".
2.4.4. Image
Lebensstil - spezifische Symbole und Zeichen strukturieren soziale Praxis. Darüber hinaus
werden diese auch für den Aufbau sozialer Images genutzt, indem sie strategisch für eine
eindrucksvolle (Selbst-) Inszenierung eingesetzt werden.
Im Hinblick auf das symbolische Kapital und die lebenssstil- spezifische Differenzierung
durch Werbung ist ,,Image" ein bedeutsamer Begriff (Hölscher 1998: 57).
Im sozialen Raum haben Personen, sowie Gruppen ein Image. Auf dem Markt können
Produkte bzw. eine Marke, wie z.B. Nivea, Loreal, Mercedes, Adidas, Ikea, ein Image
haben und damit auf einen bestimmten sozialen Status verweisen.
Unternehmen nutzen das (Marken) Image sowohl zur Abgrenzung zu anderen
Unternehmen (Mitbewerbern), wie auch für die bindende Beziehung zu den Konsumenten.
Menschen wissen um die (Aus-) Wirkung des positiven Images, des Erscheinungsbildes
oder des ,,ersten Eindrucks", welcher sich in verbalen wie auch visuellen und non -
verbalen Elementen (z.B. Gestik, Mimik, Kleidung) des sozialen Handelns ausdrückt. Wie
in vorausgegangenen Absätzen dargestellt, kann die äußere Erscheinung zum hoch
bewerteten Körperkapital werden.
Im Bewusstsein, dass ihr Erscheinungsbild für soziale Beziehungen sowohl positive wie
negative Konsequenzen bringen kann, konstruieren Menschen strategisch ihre öffentliche
(Selbst-) Darstellung, bzw. ihr ,,Image" (Goffman 1971: 10). Dazu schreibt Goffman
(2009: 43), ,,das eine gepflegte Erscheinung von Vorteil ist", [...] denn ,,sie ist eine Art des
generellen Angebots Beziehungen zu schliessen".
Image ist der ,,positive soziale Wert" (Goffman 2009:41), das Bourdieu (1985) als den
guten Ruf, die Reputation (symbolisches Kapital) bezeichnet. Bei der ,,Imagepflege"
(Goffman 1971: 18) bedienen sich Menschen expressiver, symbolischer und visueller
Muster, um die Kontinuität und die Konsistenz der positiven Selbstdarstellung zu wahren.
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961161133
ISBN (Paperback)
9783961166138
Dateigröße
2.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2017 (April)
Note
2,3
Schlagworte
Marketing Werbung Kosmetik Lebensstil Werbebild
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Titel: Reproduktion der symbolischen, lebensstil-spezifischen Muster durch die werbliche Inszenierung von Kosmetikprodukten
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