Die Kognitionspsychologie als Werkzeug zur Beeinflussung von Konsumentenentscheidungen in der Werbung
Grundlagen, Wirkung, Methoden und ethische Beurteilung
©2016
Bachelorarbeit
128 Seiten
Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wird analysiert, wie die Kognitionspsychologie dazu beiträgt, Konsumentenentscheidungen zugunsten von Produkten zu beeinflussen.
Dazu werden zunächst allgemeine Grundlagen zur Werbung und zur Werbepsychologie erläutert, der Kaufprozess skizziert und dargelegt, warum das Ursprungsmodell des homo oeconomicus nicht mehr in seinem vollen Umfang Gültigkeit besitzt. Weiterhin betrachtet diese Arbeit die Wirkungsmodelle der Werbung. Damit zusammenhängend wird erläutert, wie das Lernen, das Gedächtnis, Einstellungen und das Involvement, Ansätze für Beeinflussungsversuche darstellen, die sich die Wirtschaftswerbung zunutze macht. Anschließend erklärt die Arbeit die Methoden, die diese Beeinflussung möglich machen. Insbesondere die Nutzung von Emotionen, Heuristiken, des Primings und Kontexteffektes, der Mere-Exposure-Effekt, sowie Reaktanz-Theorien, werden dazu näher beleuchtet. Im letzten Kapitel erfolgt eine Beurteilung der Werbemaßnahmen unter ethischen Gesichtspunkten. Daraus geht hervor, dass Werbung nach dem teleologischen Ansatz ein neutrales Instrument darstellt, solange die Grenze zur Manipulation nicht überschritten wird. Etwas kritischer verhalten sich einige Methoden der Wirtschaftswerbung unter Betrachtung anderer ethischer Ansätze. Eine Regelentwicklung soll dazu beitragen, einen verantwortungsbewussten Umgang mit Elementen der Wirtschaftswerbung zu finden. Dabei konnten im Rahmen dieser Arbeit folgende acht Regeln abgeleitet werden:
1. Werbung muss ehrlich und wahrheitsgemäß sein.
2. Werbemaßnahmen sind als solche klar zu kennzeichnen.
3. Das Wesen des Rezipienten darf nicht manipuliert werden.
4. Werbung darf niemals die Würde von Menschen oder Tieren verletzen.
5. Werbung muss allen gesetzlichen und selbstauferlegten Normen entsprechen.
6. Werbung muss die Regeln des fairen Wettbewerbs einhalten.
7. Werbung muss so gestaltet sein, dass sie weder anstößiges noch ungesundes Verhalten fördert oder verharmlost.
8. Werbung darf Unwissen und mangelnde Erfahrung von Konsumenten nicht ausnutzen.
Den Abschluss dieser Arbeit stellt die Betrachtung einer besonders schutzbedürftigen Konsumentengruppe dar: Kinder und Jugendliche. Dabei soll analysiert werden, welchen Medienkonsum Kinder und Jugendliche aktuell haben und welche Auswirkungen damit verbunden sind.
Dazu werden zunächst allgemeine Grundlagen zur Werbung und zur Werbepsychologie erläutert, der Kaufprozess skizziert und dargelegt, warum das Ursprungsmodell des homo oeconomicus nicht mehr in seinem vollen Umfang Gültigkeit besitzt. Weiterhin betrachtet diese Arbeit die Wirkungsmodelle der Werbung. Damit zusammenhängend wird erläutert, wie das Lernen, das Gedächtnis, Einstellungen und das Involvement, Ansätze für Beeinflussungsversuche darstellen, die sich die Wirtschaftswerbung zunutze macht. Anschließend erklärt die Arbeit die Methoden, die diese Beeinflussung möglich machen. Insbesondere die Nutzung von Emotionen, Heuristiken, des Primings und Kontexteffektes, der Mere-Exposure-Effekt, sowie Reaktanz-Theorien, werden dazu näher beleuchtet. Im letzten Kapitel erfolgt eine Beurteilung der Werbemaßnahmen unter ethischen Gesichtspunkten. Daraus geht hervor, dass Werbung nach dem teleologischen Ansatz ein neutrales Instrument darstellt, solange die Grenze zur Manipulation nicht überschritten wird. Etwas kritischer verhalten sich einige Methoden der Wirtschaftswerbung unter Betrachtung anderer ethischer Ansätze. Eine Regelentwicklung soll dazu beitragen, einen verantwortungsbewussten Umgang mit Elementen der Wirtschaftswerbung zu finden. Dabei konnten im Rahmen dieser Arbeit folgende acht Regeln abgeleitet werden:
1. Werbung muss ehrlich und wahrheitsgemäß sein.
2. Werbemaßnahmen sind als solche klar zu kennzeichnen.
3. Das Wesen des Rezipienten darf nicht manipuliert werden.
4. Werbung darf niemals die Würde von Menschen oder Tieren verletzen.
5. Werbung muss allen gesetzlichen und selbstauferlegten Normen entsprechen.
6. Werbung muss die Regeln des fairen Wettbewerbs einhalten.
7. Werbung muss so gestaltet sein, dass sie weder anstößiges noch ungesundes Verhalten fördert oder verharmlost.
8. Werbung darf Unwissen und mangelnde Erfahrung von Konsumenten nicht ausnutzen.
Den Abschluss dieser Arbeit stellt die Betrachtung einer besonders schutzbedürftigen Konsumentengruppe dar: Kinder und Jugendliche. Dabei soll analysiert werden, welchen Medienkonsum Kinder und Jugendliche aktuell haben und welche Auswirkungen damit verbunden sind.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis
ABSTRACT ... I
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... V
TABELLENVERZEICHNIS ... VI
1 EINLEITUNG ... 1
1.1 Gegenstand der Arbeit ... 1
1.2 Ziele der Arbeit ... 2
1.3 Abgrenzung der Arbeit ... 2
1.4 Methodik und Überblick über die Arbeit ... 3
2 GRUNDLAGEN DER WERBUNG UND KOGNITIONSPSYCHOLOGIE ... 4
2.1 Begrifflichkeiten der Werbung und Kognitionspsychologie ... 4
2.1.1
Werbung ... 4
2.1.2
Werbeträger und Werbemittel ... 5
2.1.3
Marktpsychologie ... 5
2.1.4
Kognition ... 6
2.2 Gründe für den Einsatz psychologischer Methoden in der Werbung ... 6
2.3 Markenkommunikation ... 8
2.4 Werbeformen ... 9
2.5 Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung ... 11
2.5.1
Wünsche ohne Kaufhandlung ... 11
2.5.2
Arten von Kaufentscheidungen ... 12
2.5.3
Der Einfluss der Motivation auf das Konsumentenverhalten ... 14
2.5.4
Affekte und Kognition ... 15
2.6 Die Angst vor der Beeinflussung ... 16
2.6.1
Beeinflussungsarten ... 17
2.6.2
Die Auswirkung unterschwelliger Reize auf Absichten, Wünsche und
Bedürfnisse ... 18
2.7 Das Ende des homo oeconomicus? ... 19
2.7.1
Grenzen des homo oeconomicus: begrenzte Rationalität ... 20
2.7.2
Grenzen des homo oeconomicus: begrenzter Eigennutz ... 21
2.7.3
Urteilsverzerrungen ... 22
2.7.4
Ein zusammenfassendes Fazit ... 26
3 WIE WERBUNG WIRKT ... 27
3.1 Wirkungsmodelle der Werbung ... 27
3.1.1
Mechanische Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens ... 27
3.1.2
Hierarchische Modelle der Werbewirkung ... 28
3.1.3
Zwei-Prozess-Modelle ... 30
3.1.4
Zwischenfazit ... 31
3.2 Das Lernen ... 31
Inhaltsverzeichnis
III
3.2.1
Das klassische Konditionieren ... 32
3.2.2
Operantes Konditionieren ... 34
3.3 Das Gedächtnis ... 35
3.3.1
Das Speichermodell des Gedächtnisses ... 36
3.3.2
Serielle Effekte bei der Kodierung: Primacy- und Recency-Effekt ... 38
3.3.3
Zur Beeinflussbarkeit des Gedächtnisses ... 39
3.4 Einstellung und Einstellungsänderung ... 41
3.4.1
Verhaltensänderung ohne Einstellungsänderung ... 42
3.4.2
Die Verfügbarkeit einer Einstellung ... 43
3.4.3
Das Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit ... 43
3.5 Das Involvement ... 45
3.5.1
Arten des Involvement ... 45
3.5.2
Auswirkungen des Involvements für die Werbepraxis ... 47
3.6 Eine zusammenfassende Wirkungsmatrix ... 48
4 KOGNITIONSPSYCHOLOGISCHE METHODEN DER BEEINFLUSSUNG IN
DER WERBUNG ... 50
4.1 Das Interesse an der unterschwelligen Wahrnehmung in der Werbung ... 50
4.2 Emotion und ihre Rolle bei Kaufentscheidungen ... 50
4.2.1
Die Limbic Map
®
als Emotions- und Motivationssystem ... 51
4.2.2
Das Schachter-Singer-Paradigma ... 54
4.3 Entscheidungsheuristiken ... 54
4.3.1
Die Verfügbarkeitsheuristik ... 55
4.3.2
Die Rekognitionsheuristik ... 56
4.3.3
Die Repräsenationsheuristik ... 56
4.4 Implizites Erinnern und der Mere-Exposure-Effekt ... 58
4.4.1
Effekte des impliziten Erinnerns ... 58
4.4.2
Der Effekt der bloßen Darbietung, der Mere-Exposure-Effekt... 59
4.4.3
Anwendung in der Werbung ... 60
4.5 Priming und Kontexteffekte in der Werbung ... 61
4.5.1
Priming ... 61
4.5.2
Kontexteffekte ... 61
4.5.3
Priming und Kontexteffekte in der Werbung ... 63
4.6 Die Konsistenztheorie ... 65
4.6.1
Theorie der affektiv-kognitiven Konsistenz nach Rosenberg ... 65
4.6.2
Die Theorie der kognitiven Dissonanz nach Festinger ... 67
4.7 Die Reaktanztheorie Aufwertung durch Unzugänglichkeit ... 68
4.7.1
Reaktanz und Beeinflussung ... 69
4.7.2
Einschränkung als Werbe- und Verkaufsmittel ... 69
4.8 Eine zusammenfassende Methodenmatrix ... 71
Inhaltsverzeichnis
IV
5 DER VERANTWORTUNGSBEWUSSTE UMGANG MIT ELEMENTEN DER
WIRTSCHAFTSWERBUNG ... 74
5.1 Eine Erläuterung der Ethik ... 74
5.1.1
Ethik und Wettbewerb ... 74
5.1.2
Formen der Ethik ... 74
5.2 Eine ethische Betrachtung der Beeinflussung ... 75
5.2.1
Die Uneinigkeit über die Beeinflussung in der Ethik ... 75
5.2.2
Manipulation als unethische Form der Beeinflussung ... 76
5.2.3
Ethische Fragen im Umgang mit unterschwelliger Beeinflussung ... 78
5.2.4
Freiheit, Mündigkeit, Gesetzkonformität und der kategorische Imperativ
als weitere Anforderungen an die Beeinflussung ... 79
5.2.5
Ein zusammenfassendes Fazit ... 80
5.3 Prinzipien für einen verantwortungsbewussten Umgang ... 81
5.3.1
Gründe für die Einführung ethischer Prinzipien ... 81
5.3.2
Das Schlüsselelement Verantwortung ... 82
5.3.3
Die Entwicklung ethischer Regeln für Werbetreibende ... 82
5.4 Kindheit und Jugend im Umgang mit Werbung ... 84
5.4.1
Mediensozialisation ... 85
5.4.2
Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen ... 86
5.4.3
Werbung als Vermittler von Menschen- und Weltbildern ... 94
5.4.4
Konsum und Identität ... 95
5.4.5
Eine zusammenfassende Betrachtung ... 96
6 ZUSAMMENFASSUNG, KRITISCHE WÜRDIGUNG UND AUSBLICK ... 96
LITERATURVERZEICHNIS ... VIII
Abbildungsverzeichnis
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-2: Das Grundmodell der Kommunikation ... 8
Abbildung 3-1: Behavioristisches Modell der S-R-Theorie... 27
Abbildung 3-2: Neobehavioristisches Modell der S-O-R-Theorie ... 28
Abbildung 3-3: Das Drei-Speicher-Modell der Informationsverarbeitung ... 36
Abbildung 3-4: Vergessenskurve des Primacy- und Recency-Effektes ... 39
Abbildung 3-5: Das Elaborations-Likelihood-Modell ... 44
Abbildung 3-6: Zusammenfassende Wirkungsmatrix von Werbebotschaften ... 49
Abbildung 4-1: Die Limbic Map
®
... 53
Abbildung 4-2: Zusammenfassende Methodenmatrix ... 73
Abbildung 5-1: Gerätebesitz der Kinder 2014 ... 87
Abbildung 5-2: Mediennutzung 2014: mache ich eher alleine ... 89
Abbildung 5-3: Medienbindung 2014 - Am wenigsten verzichten kann ich auf... - ... 90
Abbildung 5-4: Nutzungsdauer verschiedener Medien durch Kinder ... 91
Abbildung 5-5: Gerätebesitz Jugendlicher 2015 ... 92
Tabellenverzeichnis
VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1: Typen von Kaufentscheidungen ... 13
Tabelle 3-1: Drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle ... 30
Einleitung
1
Gegenstand der Arbeit
1 Einleitung
1.1
Gegenstand der Arbeit
Werbung ist allgegenwärtig. Sie begegnet uns jeden Tag, ob wir das wollen oder
nicht. Gut gemachte Werbung wirkt oft faszinierend auf den Rezipienten. Sie prägt
unsere Vorstellung von Ästhetik und Perfektion und unterhält uns. Die verschiedenen
Werbeformen übermitteln uns dabei Informationen, die unsere Kaufentscheidungen
maßgeblich beeinflussen (vgl. Ehm, 1995, S. 130f.). Auf der anderen Seite hat die
Werbung aber auch zahlreiche Kritiker. Oft erwarten sie, dass die Werbeinformatio-
nen falsch sind und die Werbung nur versucht sie zu überzeugen, Dinge zu kaufen,
die sie eigentlich nicht brauchen (vgl. Haller, 1974, S. 13f.). Werbung wirkt, ob wir
das wollen oder nicht. Denn der Zweck der Werbung ist im Kern die Beeinflussung
von Konsumentenentscheidungen zugunsten des Konsums (vgl. Felser, 2015, S.
6f.).
Damit dies weiterhin gelingt, werden ständig neue Werbeideen entwickelt und neue
Lebensbereiche von der Werbung erobert. Laufend werden wir so an alte Produkte
erinnert und auf neue aufmerksam gemacht. Die Frage, wie sich Werbung auf das
Leben und Verhalten von Rezipienten auswirkt, wird von der Werbepsychologie un-
tersucht. Dabei greift die Werbepsychologie regelmäßig auf Erkenntnisse der Kogni-
tionspsychologie, der Verhaltens- sowie der Wahrnehmungspsychologie zurück.
Ob ein Kunde etwas kauft oder nicht, ist schon lange nicht mehr nur von sorgfältiger,
rationaler und logischer Überlegung abhängig (vgl. Kirichuk, 2008, S. 8). Die meisten
erwachsenen Menschen haben Erfahrung im Umgang mit Werbung. Die Ziele der
Werbung sind ihnen häufig bewusst. Werbung versucht ein Produkt attraktiver er-
scheinen zu lassen, den Umsatz zu erhöhen und vorzuprägen (vgl. Lachmann, 2003,
S. 70). Trotz dieses Wissens, entfaltet Werbung immer noch eine enorme Wirkung.
Die Techniken, mit denen die Werbung auf unser Verhalten wirkt, sind komplex.
Auch, weil die Werbung verschiedene Bereiche menschlicher Informationsverarbei-
tung anspricht (vgl. Felser, 2015, S. 11).
In dieser Arbeit werden diese kognitionspsychologischen Methoden, die die Werbe-
industrie verwendet, um unser Konsumentenverhalten zu steuern, näher erläutert.
Da Werbung einen Einfluss auf den Menschen hat, sollte in diesem Zusammenhang
auch die Frage nach Verantwortung aufgeworfen werden. Deswegen erfolgt neben
der Darstellung der Methoden und Wirkungsmodelle der Wirtschaftswerbung, eine
Betrachtung der damit in Verbindung stehenden Ethik. Mithilfe der Ethik ist es mög-
Einleitung
2
Ziele der Arbeit
lich, einen nachhaltigeren und verantwortungsbewussteren Umgang mit diesem Me-
dium zu finden (vgl. Graap, 2015, S. 2f.).
1.2 Ziele der Arbeit
Einer der Hauptkritikpunkte der Werbung ist die Verstärkung des Konsumzwangs,
der durch sie vorangetrieben wird (vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.
12). Ein Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, in welchen Formen uns Werbung be-
gegnet. Außerdem soll dargestellt werden, in welche Phasen der Kaufprozess einge-
teilt werden kann, um hier schon frühzeitig Ansätze zur Beeinflussung der Kaufent-
scheidung von außen herauszustellen. In diesem Zusammenhang soll auch geklärt
werden, ob die idealtypische Vorstellung eines homo oeconomicus noch aufrecht zu
halten ist. Warum Werbung trotz der Aufklärung über ihre Ziele dennoch so eine
große Wirkung erzielt, stellte die Kernfrage dieser Arbeit dar. Ist es möglich, mithilfe
der Kognitionspsychologie, Konsumenten wie Marionetten zu steuern?
Um diese Frage zu beantworten, versucht diese Arbeit die Methoden der Werbe-
industrie und ihre Wirkung herauszufinden.
Dabei sollen im Verlauf der Arbeit diese Werbemethoden und ihre Auswirkungen un-
ter ethischen Gesichtspunkten kritisch betrachtet werden, um daraus Handlungsemp-
fehlungen im Sinne des Konsumentenschutzes herauszuarbeiten. Außerdem soll
abschließend noch etwas ausführlicher erläutert werden, welche Auswirkungen der
Medienkonsum auf Kinder und Jugendliche hat.
1.3 Abgrenzung der Arbeit
Nach Behrens ist Werbung ,,[...] eine absichtliche und zwangfreie Form der Beein-
flussung, welche die Menschen zur Erfüllung der Werbeziele veranlassen soll." (Beh-
rens, 1975, S. 4). Es wird also eine bewusste, absichtliche Anwendung von Techni-
ken und Methoden zur Beeinflussung von Kunden unterstellt, die auf die Zielerrei-
chung von Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen, gerichtet ist.
Psychologische Grundlagen sollen nur insoweit dargestellt werden, wie dies für das
Verständnis notwendig ist. In dieser Arbeit sollen hauptsächlich kognitive Formen der
Beeinflussung Beachtung finden. In diesem Bereich wird jedoch nicht näher auf die
neurobiologischen Grundlagen hinter den Beeinflussungsmethoden der Kognitions-
psychologie eingegangen. Eine Werbeerfolgskontrolle aus wirtschaftlichen
Gesichtspunkten, die Nachkaufphase, einzelne Elemente der Werbegestaltung oder
Budgetierung werden ebenfalls nicht näher erläutert. Auf eine historische Betrach-
tung der Psychologie im Bereich der Wirtschaftswerbung soll aufgrund des Mangels
an praktischer Relevanz verzichtet werden. Betrachtungsobjekt der psychologischen
Wirkmechanismen ist grundsätzlich ausschließlich der zu beeinflussende Rezipient.
Einleitung
3
Methodik und Überblick über die Arbeit
Die Ethik soll lediglich so detailliert erläutert werden, dass sie für die Beurteilung von
Beeinflussungsmethoden der Kognitionspsychologie in der Werbung dienlich ist. Um
den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird darüber hinaus auf eine nähere Aus-
führung gesetzlicher Werbebeschränkungen verzichtet.
1.4 Methodik und Überblick über die Arbeit
In dieser Arbeit wird ausschließlich theoretisch gearbeitet. Dabei werden Literatur-
und Statistikrecherchen genutzt, um die Aussagen zu verifizieren. Die Arbeit gliedert
sich insgesamt in fünf Teile.
Im ersten Teil der Arbeit soll ein grundlegender Überblick über die Wirtschaftswer-
bung gegeben werden. Es soll dargestellt werden, in welcher Form uns Werbung
begegnet und wie der Kaufprozess abläuft. Darüber hinaus soll hier schon angeris-
sen werden, dass Werbung wirkt, den Käufer also in seiner Kaufentscheidung beein-
flusst. In diesem Zusammenhang wird dann auch kritisch hinterfragt, inwiefern der
Mensch noch als homo oeconomicus gelten kann.
Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit Werbewirkungsmodellen. Dabei soll auf
mechanische-, hierarchische- und auf Zwei-Prozess-Modelle eingegangen werden.
Es soll außerdem dargelegt werden, wie das Lernen, das Gedächtnis, Einstellungen
und das Involvement, Ansätze für Beeinflussungsversuche darstellen. Am Ende die-
ses Kapitels werden die Erkenntnisse in einer Wirkungsmatrix zusammenfassend
dargestellt.
Im dritten Teil werden die kognitiven Methoden vorgestellt, durch die eine Beeinflus-
sung möglich wird. Dazu zählen Emotionen, Heuristiken, das Priming, Kontexteffekte,
der Mere-Exposure-Effekt sowie Reaktanz-Theorien. Diese Methoden werden eben-
falls am Ende des Kapitels in einer Methodenmatrix zusammengefasst.
Der vierte Teil der Arbeit wird die Methoden der Wirtschaftswerbung unter ethischen
Gesichtspunkten betrachten und es werden Handlungsempfehlungen für den ver-
antwortungsbewussten Umgang erstellt. Den Abschluss dieses Kapitels stellt der
Medienkonsum von Kindern- und Jugendlichen, mit den damit verbundenen Auswir-
kungen, dar.
Der sechste Teil der Arbeit bildet mit einer Zusammenfassung der Arbeitsergebnisse,
sowie deren kritischer Würdigung und einem kurzen Ausblick, den Schluss dieser
Arbeit.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
4
Begrifflichkeiten der Werbung und Kognitionspsychologie
2 Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
2.1 Begrifflichkeiten der Werbung und Kognitionspsychologie
Um häufig verwendete Begriffe in dieser Arbeit besser einordnen zu können und um
einen grundlegenden Überblick über das Themenfeld der Werbepsychologie zu er-
halten, sollen gleich zu Beginn einige wichtige Begrifflichkeiten in diesem Zusam-
menhang erläutert werden.
2.1.1 Werbung
Mit ,,werben" (althochdeutsch ,,hwerban"), war ursprünglich ,,sich um jemanden be-
mühen" oder ,,jemanden für sich gewinnen" gemeint. Damals wurde der Begriff Wer-
bung vorwiegend in Verbindung mit ,,Soldaten werben" oder ,,Brautwerben" verwen-
det. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Bezeichnung ,,Reklame" dann von
,,Werbung" abgelöst und bezeichnet seit dem vorwiegend Kundenwerbung (vgl.
Wagner, 2002, S. 14ff.). Eine gute Werbedefinition liefert Behrens, der unter Wer-
bung eine: ,,[...] absichtliche und zwangfreie Form der Beeinflussung versteht, welche
die Menschen zur Erfüllung der Werbeziele veranlassen soll." (Spanier, 2000, S. 20).
Diese Definition wirft die Frage nach den Zielen der Werbung auf.
Ziele der Werbung
Ein zentrales Ziel der Werbung ist es, ein Produkt attraktiver erscheinen zu lassen.
Zwei weitere Hauptziele sind nach Lachmann das Verkaufen und die Vorprägung
(vgl. Lachmann, 2003, S. 70). Eine ähnliche Vorstellung haben Baacke et al., nach
denen Werbung Aufmerksamkeit wecken, eine Botschaft kommunizieren und
dadurch eine Einstellungs- und Verhaltensänderung bewirken soll (vgl. Baacke et al.,
1993, S. 110).
Funktionen der Werbung
Um diese Werbeziele zu erreichen, können fünf Hauptfunktionen der Wirtschaftswer-
bung unterschieden werden (vgl. Kroeber-Riel, 1992, S. 612):
1. Sie soll informieren.
2. Sie soll motivieren.
3. Sie soll sozialisieren.
4. Sie soll verstärken.
5. Sie soll unterhalten.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
5
Begrifflichkeiten der Werbung und Kognitionspsychologie
Je nach Situation auf dem Markt und der Zielsetzung eines Unternehmens, kann
man zwischen vier Formen der Werbung unterscheiden (vgl. Rippel, 1990, S. 54ff.):
Einführungswerbung, Durchsetzungswerbung, Verdrängungswerbung und Expansi-
onswerbung.
In dieser Arbeit ist mit Werbung immer die kommerzielle Form, die sich auf Produkte
oder Dienstleistungen bezieht, also die Wirtschaftswerbung, gemeint.
Das Produkt
Als Produkt soll im weiteren Verlauf: ,,[...] alles, was einer Person angeboten werden
kann, um ein Bedürfnis oder einen Wunsch zu befriedigen", verstanden werden
(Kotler und Bliemel, 1995, S. 9). Das Produkt ist somit als Oberbegriff für Güter- und
Dienstleistungen zu verstehen, dass als Element des Austauschs mit dem Kunden
eine Rolle spielt (vgl. Kotler und Bliemel, 1995, S. 70).
2.1.2 Werbeträger und Werbemittel
Ein Werbeträger ist ein Hilfsmittel, das die Werbebotschaft transportiert. Beispiele für
Werbeträger sind unter anderem Zeitungen, Zeitschriften, sonstige Druckerzeugnis-
se, Filme, Litfaßsäule, Schaufenster, Rundfunk- und Fernsehsendungen.
Werbemittel sind konkrete Werbebotschaften. Sie treten unter anderem in Form von
Fernsehspots, Anzeigen, Rundfunkdurchsagen, Kinowerbung, Plakate und Schau-
fensterdekoration auf (vgl. Moser, 2002, S. 54f.).
2.1.3 Marktpsychologie
Die Marktpsychologie ist ein Teilbereich der Wirtschaftspsychologie. ,,Gegenstand
der Marktpsychologie [ist] das Erleben und das Verhalten der Menschen im Markt,
d.h. in ihrer Rolle als Anbieter und Nachfrager" (Rosenstiel und Ewald, 1979, S. 11).
Menschliches Erleben und Verhalten ist also nicht generell Gegenstand der Markt-
psychologie, sondern nur die Ausschnitte, bei denen Anbieter, Nachfrager oder
Funktionäre auftreten (vgl. Rosenstiel und Neumann, 2002, S. 51).
Werbepsychologie
,,Werbepsychologie ist die Wissenschaft von den Reaktionen in Erleben und Verhal-
ten von Menschen auf Werbung." (Wirtschaftspsychologische Gesellschaft, 2016).
Als Teilgebiet der Marktforschung beschäftigt sich die Werbepsychologie im Schwer-
punkt mit kognitiven Reaktionen auf die Werbung.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
6
Gründe für den Einsatz psychologischer Methoden in der Werbung
2.1.4 Kognition
Nach Raab und Unger sind: ,,Kognitionen alle gedanklichen Elemente, die ein
Mensch über sich selbst und seine Umwelt empfinden kann: Meinungen, Erkenntnis-
se, Hoffnungen, Erwartungen, Gedächtnisinhalte." (Raab und Unger, 2001, S. V).
Kognitive Prozesse beziehen sich auf die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung
von Informationen. (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 225). Die Kognitions-
psychologie, als Instrument der Wirtschaftspsychologie, zeigt, wie neuronale Pro-
zesse, denen Kaufentscheidungen zugrunde liegen, ablaufen (vgl. Kirichuk, 2008, S.
93f.). ,,Die angewandte Kognitionspsychologie bezieht auch Erkenntnisse emotiona-
ler und motivationaler Prozesse in ihrer Wechselwirkung zu kognitiven Prozessen mit
ein, um den Menschen als ganzheitliches Wesen zu beschreiben und Einstellungs-
bildung als Grundlage von Verhalten zu erklären" (Klusendick, 2007, S. 106).
2.2 Gründe für den Einsatz psychologischer Methoden in der Werbung
Durch die aktuell vorherrschenden Rahmenbedingungen der Märkte, wie die Globali-
sierung und der sich rasant entwickelnde technologische Fortschritt, wird der Wett-
bewerb immer intensiver. Um Wettbewerbsfähig zu bleiben, kann es sich ein Unter-
nehmen langfristig nicht leisten, potenzielle Chancen zu ignorieren. Dazu zählt auch
der Einsatz von psychologischen Erkenntnissen in der Werbung.
Gestiegene Wettbewerbsintensität
Einer der Gründe, warum uns im Alltag immer mehr Werbung begegnet und warum
der Kampf um Konsumenten immer erbittertet geführt wird, ist der Wettbewerb.
Es gibt fast nur noch Käufermärkte, die sich durch einen Angebotsüberschuss aus-
zeichnen. Neben Produkten, die die Kundenanforderungen erfüllen müssen, ist es
notwendig für ein Unternehmen dafür zu sorgen, dass Kunden auch von diesem
Produkt erfahren (vgl. Kirichuk, 2008, S. 7).
Eng damit verbunden ist die zunehmende Globalisierung, die ebenfalls eine Ursache
für die steigende Wettbewerbsintensität darstellt. Durch sie steigt der Konkurrenz-
druck an und führt zu einer Erhöhung der Produkt- und Markenvielfalt. Zahlreiche
Märkte sind gesättigt, Produkte sind häufig komplementär und schnell verfügbar.
Durch das Internet und den Trend des online-shoppings, werden Angebote leichter
vergleichbar. Das schränkt die Preispolitik der Unternehmen stark ein. Heute müssen
Produkte Emotionen hervorrufen und als etwas Besonderes inszeniert werden. Er-
folgreich ist, wer dem Kernprodukt einen möglichst hohen Zusatznutzen hinzufügen
kann. Nur so kann das Produkt als dauerhaft positiv, in den Köpfen der Konsumen-
ten verankert werden und sich von der Konkurrenz abheben (vgl. Weinberg, 1995, S.
99). Um eine solche Produktaufwertung zu ermöglichen, können Metho-
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
7
Gründe für den Einsatz psychologischer Methoden in der Werbung
den der Kognitionspsychologie angewandt werden, die in Kapitel 4 näher erläutert
werden.
Informationsüberlastung des Konsumenten
Noch vor ungefähr hundert Jahren war es möglich, Tage oder sogar Wochen zu ver-
leben, ohne dabei einer einzigen Anzeige zu begegnen. Heute ist ein durchschnittli-
cher Erwachsener täglich ca. 3000 Werbeangeboten ausgesetzt, von denen er ledig-
lich 80 bemerkt (vgl. Spitzer, 2007, S. 93ff.). Einer der Gründe für die Zunahme die-
ses Werbevolumens sind die Werbeinvestitionen. Kurz nach der Einführung des Pri-
vatfernsehens, 1985, betrugen die Gesamtinvestitionen für Werbung in Deutschland
ca. 18 Milliarden DM (vgl. Seebohn, 1999, S. 266). Im Jahr 2015 beliefen sich diese
Zahlen bereits auf ca. 29 Milliarden Euro (Nielsen Company GmbH, 2016).
,,Unter Informationsüberlastung oder Informationsüberschuss versteht man den Anteil
der nicht beachteten Informationen an den insgesamt angebotenen Informationen."
(Kroeber-Riel und Esch, 2000, S. 10).
Jährlich steigt das Informationsangebot durch neue Medien und eine zunehmende
Digitalisierung, die durch den Ausbau von Dateninfrastrukturen in immer kürzerer
Zeit, immer mehr Menschen erreicht. Dass der Konsum nicht in gleichem Maße
steigt, wie die Informationszunahme, lässt sich unter anderem durch die begrenzte
Informationsaufnahme der Empfänger erklären. Die Informationsüberlastung von
Printmedien liegt bei über 95 Prozent und wird von digitalen Medien sogar noch
übertroffen (vgl. Kroeber-Riel und Esch, 2000, S. 12f.).
Der gestiegene Werbeumfang sorgt dafür, dass Konsumenten einer riesigen Informa-
tionsflut ausgesetzt sind, die in ihrem vollen Umfang nicht mehr wahrgenommen, ge-
schweige denn bewusst verarbeitet werden kann. Da ein Informationsrückgang nicht
in Aussicht ist, werden Werbetreibende zukünftig gezwungen sein, alle Möglichkeiten
ausnutzen, die Ihnen helfen, bewusst- oder unbewusst, die Aufmerksamkeit der
Werbeempfänger zu erreichen, um eine möglichst starke Werbewirkung auszulösen.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
8
Markenkommunikation
2.3 Markenkommunikation
Versucht ein Unternehmen Informationen mit seiner Umwelt auszutauschen, erfolgt
dies über Kommunikation. Der Kommunikationsprozess zwischen Werbetreibenden
und Rezipienten, kann wie folgt dargestellt werden:
Abbildung 2-1: Das Grundmodell der Kommunikation (vgl. Leiberich, 1981, S. 175)
Gut zusammengefasst wird die Abbildung 2-2 von der Lasswell-Formel: ,,Who Says
What In Which Channel To Whom With What Effect" (Lasswell, 1960, S. 117).
Ein Werbetreibender (Who) sendet eine kodierte Werbebotschaft (What) mithilfe ei-
nes Werbeträgers (Which Channel) einem potenziellen Kunden (Whom), der die Bot-
schaft dekodiert und wo die Botschaft eine bestimmte Werbewirkung (With What
Effect) auslöst (Hermanns, 1979, S. 33f.).
Bei der Dekodierung können Fehler auftreten, die die ursprüngliche Bedeutung der
intendierten Botschaft verzerren können (vgl. Kirichuk, 2008, S.55f.).
Um eine ethische Beurteilung zu ermöglichen, ist es notwendig, die Kommunikations-
formel durch die beiden Fragewörter: wie (How) und warum (Why), zu erweitern.
Die verwendeten Methoden bei der Werbegestaltung und die Absichten der Werbe-
treibenden hinter einer Werbebotschaft, sind wichtige Faktoren bei ihrer ethischen
Beurteilung.
intendierte
Botschaft
Kanal
Werbetreibende
r
Sender
Regelung
Sender
Empfänger
Reaktions-
nachfrage
Reaktions-
antwort
Rezi
p
ien
t
Empfänger
der Werbe-
botschaft
Empfänger
der
Reaktions-
nachfrage/
Sender der
Reaktions-
antwort
Kanal
Codierung
Decodierung
Codierung
Decodierung
Codierung
Decodierung
Störgrößen
Störgrößen
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
9
Werbeformen
2.4 Werbeformen
Um möglichst viele Kunden an unterschiedlichen Orten zu erreichen, haben Werbe-
treibende unterschiedliche Formen der Werbung entwickelt. Der ,,Point of Purchase"
(POP) bzw. der ,,Point of Sale" (POS) wird als Ort der Kaufhandlung nicht außen vor
gelassen. Der markierte Boden eines Supermarktes, Einkaufswägen mit Werbe-
botschaften oder die Zeitschriftenauswahl im Wartezimmer eines Arztes. Überall und
in verschiedensten Formen begegnet Werbung Menschen (vgl. Kotler und Bliemel,
1995, S. 980f.). Im Folgenden sollen einige Werbeformen näher erläutert werden.
Verkaufsförderung
Eine Möglichkeit neben der Werbung einen Anreiz zum Kaufen zu setzten, ist die
Verkaufsförderung. Zu diesen zeitlich befristeten Aktivitäten zählen: Produktproben,
Gutscheine, Rückvergütungsrabatte, Sonderpreispackungen (Aktionspackungen),
Geschenke, Gewinnspiele, Treueprämien, Produktnutzungsangebot, Garantieleis-
tungen und Produktvorführungen, Kaufnachlässe, Gratiswaren und Händlerwettbe-
werbe (vgl. Kotler und Bliemel, 1995, S. 1004ff.).
Blockwerbung
Blockwerbung ist die Fernsehwerbung neben dem regulären Fernsehprogramm.
Dabei werden Spots ausgestrahlt, die das laufende Programm unterbrechen. Wenn
es einen Bezug zwischen dem normalen Fernsehprogramm und Inhalten der Block-
werbung gibt, spricht man von ,,Narrow Casting". Eine andere Form der Blockwer-
bung ist die ,,Moderatorenwerbung". In dieser Werbesendung vermittelt ein Modera-
tor, ähnlich wie ein Nachrichtensprecher, verschiedene Werbeinformationen. Das
Format wird dabei sachlich, nüchtern und kompetent gehalten, um den Eindruck ei-
ner objektiven Informationsvermittlung zu erzeugen (vgl. Felser, 2015, S. 14).
Die letzte Art der Blockwerbung die hier genannt werden soll, sind ,,Tandemspots". In
einem ersten Schritt wird die vollständige Werbebotschaft in einem Basisspot ge-
schaltet. Nach einer Reihe anderer Spots wird dann in einem zweiten Schritt der
Reminder, eine kürzere Version der vorgeschalteten Basis, ausgestrahlt. Durch Wie-
derholung wird hier eine bessere Erinnerungsleistung erreicht (vgl. Fahr, 1996, S.
70f.).
Sponsoring
Eine Veranstaltung, die durch ein Unternehmen finanziert wurde und von allgemei-
nem Interesse ist, ist eine gesponserte Veranstaltung wenn das Unternehmen bei der
Veranstaltung seinen Namen zur Verbesserung des Unternehmensimages erwähnt.
Das können beispielsweise Sportveranstaltungen, wie eine Fußball WM oder die
Olympischen Spiele sein (vgl. Felser, 2015, S. 14f.).
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
10
Werbeformen
,,Der Sponsor handelt dabei im Interesse seines Unternehmens, die Förderung der
jeweiligen Aktivität ist nur ein Nebeneffekt." (Felser, 2015, S. 15).
Das Motto von Sponsoring ist in dem Zitat: ,,Tu Gutes und rede darüber" gut zusam-
mengefasst (Bottler, 1995, S. 53). Es geht den Unternehmen darum eine Vertrau-
ensbasis und Glaubwürdigkeit aufzubauen. Die Öffentlichkeit soll das Unternehmen
positiv wahrnehmen. Da beim Sponsoring Zielgruppen in einer nicht kommerziellen
Situation angesprochen werden, können auch Zielgruppen erreicht werden, die an-
sonsten ein geringes Interesse aufzeigen (Hermanns et al., 2007, S. 393ff.).
Product Placement
Wenn in Film- und Fernsehproduktionen tatsächlich existierende Produkte verwendet
werden und so konsistent dargestellt sind, dass ihr zeigen über das normale Maß
hinausgeht, spricht man von Product Placement (vgl. Felser, 2015, S. 15f.).
Teleshopping
Teleshopping ist eine Form der Fernsehwerbung. Innerhalb einer bestimmten Zeit
können die Kunden mithilfe eines Anrufs auf das vorgestellte Angebot reagieren.
Man bezeichnet diese Werbeform auch als ,,Direct Response Television" (vgl. Jäger,
1995, S. 114).
Merchandising
Beim Merchandise werden populäre Themen oder Personen vermarktet. Besonders
verbreitet ist Merchandise bei großen ereignisreichen Veranstaltungen, wie Konzer-
ten, Sportveranstaltungen, Kinofilmen oder Serien. Oft werden Produkte wie: ,,[...]
Spielzeug, T-Shirts, Mützen, Tassen, Puppen, Stickers, Ansteckbuttons, CDs mit der
passenden Musik, Bildbändchen, Fähnchen, Schlüsselanhänger und so weiter", die
thematisch mit der jeweiligen Veranstaltung zusammenhängen, angeboten (Felser,
2015, S. 16). Dabei wird die Popularität einer Sache ausgenutzt. Bei dem Film ,,Kö-
nig der Löwen" lag der Profit des Merchandise bei fast einer Milliarde Dollar. Er über-
traf damit das Ergebnis an den Kinokassen um das Dreifache (Winkler, 1995, S. 28).
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
11
Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
2.5 Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
Kaufen ist ein zielgerichtetes Handeln, dem unausgesprochen zugrunde liegt, dass
der Kauf das Leben schöner macht. Die Kaufhandlung bezieht sich also auf die Vor-
stellung von einem guten Leben (vgl. O'Shaughnessy, 1987, S. 9f.).
Möchte ein Kunde ein Produkt kaufen, durchläuft er dabei verschiedene Phasen, die
im Modell des Kaufentscheidungsprozesses dargestellt werden. Dabei wird die
Kaufentscheidung in sieben Phasen eingeteilt (vgl. Hartleben, 2001, S. 99ff.):
1. Erkenntnisphase Ein Mangel oder Problembewusstsein wird geweckt.
2. Suchphase Die Bedürfnisbefriedigungs- oder Problemlösungsansätze wer-
den gezielt gesucht.
3. Vorauswahlphase Erster Eignungstest der gefundenen Lösungen. Das Er-
gebnis ist die präferierte Lösungsmöglichkeit.
4. Vertiefungsphase Detaillierte Prüfung der präferierten Lösungsmöglichkeit.
5. Kaufentscheidungsphase Die finale Kaufentscheidung wird getroffen.
6. Dissonanzphase Auftretende Zweifel an der Kaufentscheidung.
7. Erfahrungsphase Konsum bzw. Anwendung des Produktes, zur Befriedigung
des Bedürfnisses bzw. zur Lösung des Problems.
Grundsätzlich kann ein Konsument mithilfe der Kognitionspsychologie in allen sieben
Kaufphasen beeinflusst werden. In den meisten Fällen zielt die Werbung aber vor-
wiegend auf die ersten vier Phasen ab. Wie Konsumenten im Kaufentscheidungs-
prozess beeinflusst werden, wird in den Kapiteln drei und vier näher erläutert.
2.5.1 Wünsche ohne Kaufhandlung
Nicht immer sind sich Kunden ihrer Wünsche bewusst. In diesem Fall kann man die
verborgenen Wünsche wecken, indem man vernachlässigte Ziele aufzeigt. Ist die
Zielerfüllung realistisch, entsteht ein Wunsch (vgl. O'Shaughnessy, 1987, S. 12).
Latente Wünsche
O'Shaughnessy führt als Beispiel eine Krankheit aus früheren Tagen an: Skorbut, die
vor allem bei Seeleuten verbreitet war. Eine Zitrone enthält Vitamin C, das Skorbut
heilt. Da die Seeleute nicht wussten, dass es eine Verbindung zwischen Vitamin C,
Zitronen und Skorbut gibt, war ihr Wunsch nach Zitronen latent vorhanden. Ziel der
Werbekommunikation ist es unter anderem, latente Wünsche zu wecken, indem man
Verbindungen zwischen Produkten und Zielen der Konsumenten aufzeigt.
Oft geschieht dies sogar unbeabsichtigt. Der Erfinder der Teebeutel packte anfangs
kleine Mengen Tee in einen Beutel, damit Kunden die Ware bequem transportieren
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
12
Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
und testen können. Diese fertig abgepackten Teebeutel ließen dann eine Nachfrage
entstehen (vgl. O'Shaughnessy, 1987, S. 29).
Passive Wünsche
Da bei latenten Wünschen keine Verbindung zwischen den Zielen des Konsumenten
und dem Produkt besteht, führen sie zu keiner Kaufhandlung. Bei passiven Wün-
schen kennt der Kunde diese Verbindung und führt dennoch keine Kaufhandlung
durch. Für den Kunden überwiegen in einem solchen Fall die Kosten eines Produk-
tes, den möglichen Nutzen (vgl. O'Shaughnessy, 1987, S. 29ff.).
2.5.2 Arten von Kaufentscheidungen
Kroeber-Riel und Weinberg (2003) unterscheiden in extensive, limitierte, habituali-
sierte und impulsive Kaufentscheidungen. Die verschiedenen Kaufentscheidungen
sind dabei nach dem Ausmaß ihrer kognitiven Steuerung eingeteilt (vgl. Kroeber-Riel
und Weinberg, 2003, S. 368f.):
Extensive Kaufentscheidungen
Extensive Kaufentscheidungen zeichnen sich durch eine fehlende konkrete Kaufvor-
stellung zu Beginn aus, die von einer ausführlichen Informationssuche und einem
hohen Involvement abgelöst werden. Der Entscheidungsprozess wird ausschließlich
gedanklich gesteuert und ist durch einen hohen Informationsbedarf geprägt, um Risi-
ken und Unsicherheiten zu reduzieren. Dadurch ist die Entscheidungsdauer auch
verhältnismäßig lang. Auch, weil der Konsument selten bis nie vor einer solchen Kau-
fentscheidung stand und nicht auf Erfahrungen zurückgreifen kann. Die Informati-
onsaufnahme und -verarbeitung, sind hier besonders wichtig (vgl. Kroeber-Riel und
Weinberg, 2003, S. 383). Beispielhaft kann hier der Kauf eines Hauses oder Autos
genannt werden.
Limitierte Kaufentscheidungen
Bei limitierten Kaufentscheidungen greift der Konsument auf Erfahrungen und be-
währte Entscheidungskriterien zurück. Sie stellt eine Übergangsform zwischen ex-
tensiver- und habitualisierter Kaufentscheidung dar. Die Entscheidungssituation ist in
der Regel nicht neu und wenig schwierig (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S.
384).
Habitualisierte Kaufentscheidungen
Zu diesen Kaufentscheidungen zählen die typischen Gewohnheitskäufe, bei denen
dieselbe Marke oder das gleiche Produkt wiederholt gekauft wird. Daher laufen diese
Käufe häufig emotions- und gedankenlos ab. Je höher die Produktkenntnis ist, umso
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
13
Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
weniger aktiv findet die Informationssuche und -verarbeitung statt (vgl. Kroeber-Riel
und Weinberg, 2003, S. 384).
Impulsive Kaufentscheidungen
Impulsive Kaufentscheidungen sind plötzliche und spontane Handlungen, die erst vor
Ort initiiert werden. Sie werden vorwiegend durch eine starke emotionale Aufladung
und wenig überlegt gesteuert (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 384). Kro-
eber-Riel und Weinberg unterscheiden in reine Impulskäufe, bei denen das Verhalten
unmittelbar und reizgesteuert ist und erinnerungsgesteuerte Impulskäufe, bei denen
ein Konsument einen Mangel zwischenzeitlich vergessen hat und während des Ein-
kaufs bzw. beim Erblicken des Produktes wieder daran erinnert wird (vgl. Kroeber-
Riel und Weinberg, 2003, S. 409f.).
Kuß und Tomczak erweitern impulsive Käufe noch durch den geplanten Impulskauf.
Dieser tritt auf, wenn ein Konsument die Entscheidung trifft, ohne Ziel, einfach
,,shoppen" zu gehen (vgl. Kuß und Tomczak, 2007, S. 107ff.).
Welche Art von Kaufentscheidungen eintritt, ist abhängig von unterschiedlichen Fak-
toren. Einige dieser Faktoren sind beispielsweise die Produktart, die Situation, der
zeitliche Entscheidungsdruck, soziale Einflüsse, die Art der Kaufstätte, die Produk-
tumgebung oder persönliche Determinanten wie das Produktwissen und die individu-
ellen Kaufbeurteilungskriterien. In Tabelle 2-1 werden die Kaufentscheidungen zu-
sammenfassend dargestellt und nach ihren Ausprägungen unterschieden. Die Art
der Kauf-entscheidung stellt einen Anhaltspunkt dar, wie emotional bzw. kognitiv
empfänglich ein Kunde für eine Werbebotschaft sein wird.
Extensiv
Limitiert
Habitualisiert
Impulsiv
Involvement
hoch
-
-
-
Informationssuche
extern & intern
intern
wenig
keine
Vorerfahrung
keine
mäßig
viel
-
kognitive Steuerung
hoch
mäßig
niedrig
niedrig
Emotionalität
hoch
niedrig
niedrig
hoch
Dauer der
Entscheidungs-
findung
sehr lang
lang
kurz
kurz
Tabelle 2-1: Typen von Kaufentscheidungen (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 368f.)
Anmerkung: Ein ,,-" bedeutet, dass für diesen Typen keine eindeutige spezifische Ausprägung zugeordnet werden
kann.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
14
Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
2.5.3 Der Einfluss der Motivation auf das Konsumentenverhalten
Wer erfolgreich ein Produkt verkaufen möchte, sollte sich mit den Bedürfnissen der
Kunden auseinandersetzen. Ziel sollte sein, die Handlungsgründe der jeweiligen
Zielgruppe herauszufinden. Diese können äußerlich, sowie innerlich sein. In der Wirt-
schaftswerbung konzentriert man sich schwerpunktmäßig auf die inneren Aspekte,
so wie: angeborene Triebe (Hunger), erlernte Bedürfnisse (Geltungsbedürfnis) oder
individuelle Wünsche (Weltreise). Motive helfen dabei, bestehende Bedürfnisse zu
aktivieren. Sie sind auf einen Spannungszustand angewiesen und treten zurück, so-
bald sie befriedigt sind (vgl. Felser, 2007a, S. 41).
Bei der Motivation kann man zwischen inhalts- und prozesstheoretischen Konzepten
unterscheiden. Im Folgenden wird der Einfluss der inhaltstheoretischen Sicht, also
der Frage nach dem, was Menschen antreibt, erläutern.
Die inhaltstheoretische Sicht
Grundlegende Motivationskonzepte sind hier Instinkte, Reflexe oder Triebe (vgl. Ge-
en, 1995, S. 6ff.). Der Einfluss von Instinkten und Reflexen hinter dem menschlichen
Verhalten, setzt unveränderte Reaktionsmuster beim Menschen voraus. Diese Reak-
tionsmuster finden sich in der Praxis nur in Ausnahmefällen.
Bei Triebtheorien wird davon ausgegangen, dass der Mensch nicht bewusst handelt.
Sein Verhalten wird von unbewussten Absichten und Zielen bestimmt. Kotler und
Bliemel zitieren folgende Beispiele (vgl. Kotler und Bliemel, 1995, S. 296):
- Konsumenten habe etwas gegen Dörrpflaumen, da sie aufgrund ihres Er-
scheinungsbildes an das Alter erinnern
- Frauen verwenden aus Schuldgefühl lieber pflanzliche als tierische Fette
Neben den Instinkten, Reflexen und Trieben werden in heutigen Inhaltstheorien auch
die Begriffe: Wünsche, Bedürfnisse und Ziele verwendet.
Die Idee der inhaltlichen Theorien ist, dass die grundlegenden Motive des Menschen
stabil sind. Werbung kann diese nicht schaffen. Werbung hat allenfalls die Möglich-
keit Motive zu wecken. Dies geschieht in Form von Anreizen. Schwache Motive
brauchen starke Anreize, bei starken Motiven reichen schon schwache Anreize. Eine
trockene Brotscheibe kann nur dann ein Verhalten auslösen, wenn das Motiv ent-
sprechend stark ist. Für ein Stück Schokolade hingegen genügt schon ein schwa-
ches Hungergefühl, damit es zur Zuwendung und zum Verhalten kommt (vgl. Felser,
2007a, S. 42). Die Tatsache, dass Werbung Motive nicht schaffen, sondern höchs-
tens wecken kann, ist eine erste Erkenntnis, die darauf hindeutet, dass Menschen
nicht wie Marionetten gesteuert werden können. Sie können höchstens auf mögliche
Alternativen aufmerksam gemacht werden.
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
15
Der Kaufprozess Prinzipien der Kaufentscheidung
Viele Überlegungen gehen davon aus, dass vor der Kaufhandlung ein Mangelzu-
stand wahrgenommen wurde (vgl. Kotler und Bliemel, 1995, S. 8). Nach der Theorie
von O'Shaughnessy geht ein Käufer lediglich davon aus, dass es besser ist zu kau-
fen, als nicht zu kaufen. Ein Mangel ist nicht notwendig. Diese Theorie kann an ei-
nem einfachen Beispiel plausibilisiert werden. Wenn einer Testperson ein 50 Euro
Schein und ein 100 Euro Schein angeboten wird, wird er lieber den 100 Euro Schein
nehmen, auch wenn ihm gerade genau 50 Euro fehlen würden. Das Bessere hat
Vorrang vor dem Guten. Die Annahme, dass am Anfang einer Kaufentscheidung ein
Mangel oder Wunsch zur Bedürfnisbefriedigung vorliegen muss, ist also nicht voll-
ständig richtig (vgl. Felser, 2015, S. 102).
Werbung kann allerdings die Prioritäten der Kundenziele verschieben oder neue
Wege aufzeigen, um ein Ziel zu erreichen. Aktivierte Ziele lassen dann in einer Per-
son einen Wunsch entstehen, der als konkrete Ausformulierung eines Zieles ver-
standen werden kann. Beispielsweise dem Wunsch nach Schutz vor UV-Strahlen,
mit dem Ziel die Gesundheit zu erhalten. Das Beispiel verdeutlicht darüber hinaus,
dass ein Wunsch nicht bewusst vorhanden sein muss. Wer nicht weiß, wie schädlich
UV-Strahlen sind, kann trotzdem einen latenten Wunsch nach Sonnenschutz besit-
zen (vgl. O'Shaughnessy, 1987, S. 16).
Werbung leistet einen Beitrag bei der Erweckung von Wünschen. Dies geschieht,
indem die Werbung Konsumenten davon überzeugt, mithilfe eines Produktes ein be-
stimmtes Ziel zu erreichen oder indem die Werbung dafür sorgt, dass die Zielhierar-
chie eines Individuums, zugunsten des werbetreibenden Unternehmens verschoben
wird (vgl. Felser, 2007a, S. 47).
2.5.4 Affekte und Kognition
Affektive Prozesse entsprechen weitestgehend den alltagssprachlichen ,,Gefühlen".
Sie lassen sich in Emotionen und Stimmungen einteilen. Stimmungen sind ungerich-
tete, andauernde und weniger intensive Abstufungen des Erlebens.
Emotionen dagegen haben einen direkten Bezug zu einem auslösenden Ereignis.
Sie lassen sich am Ausdrucksverhalten beobachten und gehen mit physiologischen
Prozessen einher (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 100f.).
Neue Erkenntnisse zeigen, dass kognitive und affektive Prozesse vielfältig interagie-
ren. So sind kognitive Prozesse wie Entscheidungsfindungen eng mit Emotionen ver-
knüpft. Im Gegenzug sind auch kognitive Beurteilungsprozesse wesentlich an der
Entstehung von Emotionen beteiligt (vgl. Phelps, 2006, S. 27ff.).
Ein interessanter Aspekt bei einer Kaufentscheidung ist der Unterschied zwischen
affektiven- und kognitiven Reaktionen. Wenn man sich spontan zwischen einer
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
16
Die Angst vor der Beeinflussung
Schokoladentorte und einem Obstsalat entscheiden soll, entscheidet man sich affek-
tiv eher für die Schokoladentorte. Würde man über den Kauf etwas nachdenken, hät-
te der Obstsalat unter anderem aufgrund der zahlreichen Vitamine bessere Chancen,
gewählt zu werden (vgl. Shiv und Fedorikhin, 1999, S. 278ff.).
Unterstellt man unterschiedliche Bewertungssysteme auf unterschiedlichen Ebenen,
wird dieses Verhalten plausibler. Auf der Ebene kurzfristiger Folgen bewertet ein
simpleres Bewertungssystem Annährung und Vermeidung. Dazu zählen Genuss
oder Bedrohung. Dieses System ist in der Lage, auch unter starken Einschränkungen
effizient zu funktionieren. Auf der Ebene langfristiger Entscheidungen bewertet ein
komplexeres System Annährung und Vermeidung. Dieses System greift, sobald ge-
nügend kognitive Ressourcen vorhanden sind, und bezieht auch langfristige Ziele
und übergeordnete Interessen mit ein (vgl. Felser, 2015, S. 164ff.). Oft ist die Vorlie-
be für eine Option schneller als ihre Gründe. Die Entscheidung ist gefallen, bevor
Vor- und Nachteile abgewogen werden konnten. Wenn man sich bereits affektiv für
eine Option entschieden hat, werden häufig die Pro- und Kontra Argumente, welche
kognitiv erarbeitet werden, entsprechend angepasst. Die frühe affektive Reaktion auf
die Option kann später durch rationale Überlegungen häufig nicht mehr überwunden
werden (vgl. Zajonc, 1980, S. 155).
Damit sich die affektiven Komponenten einer Entscheidung durchsetzen, ist es nicht
zwingend notwendig, dass Kognitionen eingedämmt oder geblockt sind. Der Fokus
auf affektive- oder kognitive Gründe, kann ein Urteil maßgeblich beeinflussen. For-
dert man Probanden auf, sich den Geschmack einer Schokoladentorte vorzustellen,
fokussiert man affektive Elemente. Wenn man die Probanden hingegen auffordert,
gesundheitliche Aspekte zu Schokoladenkuchen und Obstsalat aufzuschreiben, wer-
den kognitive Elemente fokussiert (vgl. Scarabis et al., 2006, S. 1015f.). Daraus las-
sen sich, je nachdem, welches Produkt vermarket werden soll, unterschiedliche Stra-
tegien ableiten. Produkte die als eher ungesund eingestuft werden können, sollten
verstärkt emotionale Elemente in der Werbegestaltung verwenden, um affektive Re-
aktionen und Verarbeitungsprozesse zu unterstützen.
2.6 Die Angst vor der Beeinflussung
Einer der Hauptkritikpunkte der Werbung ist die Verstärkung des Konsumzwangs,
der durch sie vorangetrieben wird. Als Ursache wird dabei häufig die beeinflussende
Wirkung von Werbung genannt. Wie in Kapitel 2.5.3 erläutert wurde, ist dieser Vor-
wurf auch nicht vollständig unbegründet.
Bemerkenswert ist hierbei, dass in entsprechenden Umfragen 70 Prozent der Befrag-
ten angeben, dass Konsumenten durch Werbeeinflüsse unnötige Käufe tätigen. Zeit-
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
17
Die Angst vor der Beeinflussung
gleich geben aber 85 Prozent der Befragten an, selbst nicht der Beeinflussung durch
Werbung zu unterliegen (vgl. Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel, 1982, S.12). Die-
sen Effekt, sich selbst für weniger beeinflussbar zu halten, als andere Menschen,
nennt man den ,,Dritte-Person-Effekt" (vgl. Moser und Hertel, 1998, S. 147f.).
,,Einfluss bedeutet, dass ein veränderter Zustand hervorgerufen wird" (Bierhoff, 2000,
S. 338). Beeinflussung ist durch die soziale und die physische Umwelt möglich. Zur
sozialen Umwelt gehören Menschen, ihre Interaktionen und Umgangsformen, wie
Werte und Normen. Die physische Umwelt teilt sich in die natürliche Umwelt wie
Landschaft oder Klima und die menschengemachte Umwelt wie Gebäude oder Lä-
den (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 419f.).
Werbung beschneidet dann eine menschliche Freiheit, wenn sie die Grenzen der
Beeinflussung überschreitet und manipuliert. Auf Manipulation wird im Kapitel 5.2.2
näher eingegangen.
2.6.1 Beeinflussungsarten
Konsumenten können auf zahlreiche Weisen beeinflusst werden. Dazu soll im fol-
gende die Einteilung in drei Beeinflussungsarten vorgenommen werden:
1. Beeinflussung mit- und ohne Intention des Anbieters
Der bewusst gesteuerte und gezielte Einsatz der Beeinflussung durch kommunikative
Botschaften wird als Persuasion bezeichnet (vgl. Hartung, 2000, S. 64). Im Rahmen
der kognitiven Reaktionsanalyse nimmt man an, dass der Konsument während des
Prozesses der Informationsverarbeitung neue Gedanken bildet, die nicht in der
Kommunikation enthalten waren. Dabei greift er auf vorhandenes Wissen zurück und
versucht die neuen Informationen damit zu verknüpfen. Diese individuell intervenie-
renden Variablen eines Menschen sind innere psychische Prozesse, auf die der
Sender (siehe Kapitel 2.3) der neuen Informationen keinen Einfluss und keine Kon-
trolle hat. Diese selbst erzeugten Informationen wirken sich meist stärker auf die Ein-
stellungsänderung aus, als die direkt kommunizierten Informationen (vgl. Kroeber-
Riel und Weinberg, 2003, S. 204ff.).
2. Beeinflussung mit- und ohne Wahrnehmung durch den Konsumenten
Wichtig ist auch die Unterscheidung in bewusst wahrgenommene Beeinflussung, z.B.
durch ein Verkaufsgespräch, und in unbewusste Beeinflussung, z.B. durch nonverba-
le Kommunikation, Duft oder Musik. Die unbewusste Beeinflussung oder auch subli-
minale Beeinflussung, der in dieser Arbeit eine besondere Rolle zukommt, kann wei-
ter abgestuft werden. Im engeren Sinne versteht man unter unterbewusster Beein-
flussung eine Reizdarbietung unterhalb der Reizschwelle. Etwas weiter gefasst kann
eine unterschwellige Wahrnehmung auch eine Reizdarbietung sein, die oberhalb der
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
18
Die Angst vor der Beeinflussung
Reizschwelle liegt, bei der eine Identifikation des Reizes allerdings prinzipiell ausge-
schlossen ist. Der dargebotene Reiz kann wahrgenommen werden, wird aber nicht
beachtet. Im Wortgebrauch kann darüber hinaus unter unterschwelliger Beeinflus-
sung auch ein Prinzip verstanden werden, dass nicht durchschaut wird (vgl. Felser,
2015, S. 125f.).
3. Erwünschte- und unerwünscht empfundene Beeinflussung
Ein entscheidendes Kriterium ist aus Kundensicht das Empfinden während der Be-
einflussung. Fühlt sich ein Kunde sachkundig und gut beraten, wird er die Beeinflus-
sung als positiv empfinden. Ebenso positiv wird die Beeinflussung empfunden, wenn
sie durch eine angenehm gestaltete Ladenatmosphäre hervorgerufen wird. Wird ein
Kunde jedoch aufdringlich, unsensibel oder inkompetent beraten, empfindet er die
Beeinflussung als negativ und die Wahrscheinlichkeit, dass der Bumerang-Effekt auf-
tritt, steigt (siehe Kapitel 4.7.1). Häufig verhält sich der Konsument dann entgegen-
gesetzt zur Beeinflussungsrichtung (vgl. Rosch und Frey, 1997, S. 301f.).
2.6.2 Die Auswirkung unterschwelliger Reize auf Absichten, Wünsche und Bedürf-
nisse
Erste Versuche die Wirksamkeit von unterschwelligen Reizen nachzuweisen, beleg-
ten eher ihre Wirkungslosigkeit. So wiesen Greenwald et al. (1991) nach, dass
Selbsthilfe-Kassetten, die unterschwellige Reize enthielten, keinen Effekt auf die
Steigerung des Selbstwertgefühls haben, der über einen Placebo-Effekt hinausgeht.
Auch die Meta-Analyse von Trappey (1996) zeigte bei der Analyse von 23 veröffent-
lichten Studien, dass die Effektstärke für die Beeinflussung von Produktentscheidun-
gen eher gering ist. Egermann et al. (2006) stellten fest, dass unterschwellige Bot-
schaften in der Musik keinen Einfluss auf die Wahl eines Mineralwassers haben.
Moore (1982) unterteilt subliminale Effekte in ,,starke" und ,,schwache". Mit starken
Effekten meint Moore, dass die unterschwellige Botschaft zur Ausführung eines di-
rekten Befehles führt. Dies ist nach jüngsten Erkenntnissen mit unterschwelligen Rei-
zen nicht möglich (vgl. Felser, 2015, S. 126f.). Es kann also an dieser Stelle bereits
festgestellt werden, dass Konsumenten nicht wie Marionetten fremdgesteuert werden
können. Es ist allerdings möglich, bestimmte Verhaltensweisen wahrscheinlicher zu
machen, als andere.
Bei schwachen subliminalen Effekten ist eine unspezifische Aktivierung im Sinne ei-
nes Primings gemeint, auf das in Kapitel 4.5.1 näher eingegangen wird.
Karremans et al. (2006) zeigten in einem Experiment, dass durch das Präsentieren
von unterschwelligen Markennamen aus der Getränkeindustrie die Wahl des Produk-
tes, sowie dessen Konsummenge beeinflusst werden konnte. Allerdings nur bei durs-
tigen Probanden. Mit der Aktivierung von positiven Affekten steigt der Anreizwert für
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
19
Das Ende des homo oeconomicus?
ein Getränk. Ein Verhalten setzt allerdings nur dann ein, wenn der Proband das pas-
sende Motiv (Durst) hat.
Damit unterschwellige Reize erfolgreich in der Werbung eingesetzt werden können,
ist es deswegen notwendig die Ziele, Bedürfnisse und Motive der Kundengruppe ge-
nau zu kennen (vgl. Felser, 2007a, S. 234).
Dass Konsumenten durch subliminale Beeinflussung nicht wie Marionetten gesteuert
werden können, liegt mitunter daran, dass ihr Einfluss nur unter ganz bestimmten
Rahmenbedingungen wirkt:
1. Ein Motiv bzw. Bedürfnis muss bereits vorliegen (vgl. Strahan et al., 2003,
S. 556ff.).
2. Produkte die mithilfe von unbemerkter Beeinflussung beworben werden, wer-
den nur dann häufiger gewählt, wenn die Produkte auch grundsätzlich positiv
bewertet werden. Die zugrundeliegende Einstellung einer Person bestimmt die
Reaktion auf eine Werbebotschaft maßgeblich (vgl. Cesario et al., 2006,
S. 893ff.).
3. Eine reaktante Einstellung gegenüber der Werbung verhindert deren intendier-
te Wirkung und kann sogar Ablehnung hervorrufen. Der Rezipient muss also
empfänglich für die Werbebotschaft sein (vgl. Chartrand et al., 2007, S.
719ff.).
4. Das Bemerken des Beeinflussungsversuches schwächt seine Wirkung und
kann Reaktanz hervorrufen (vgl. Ferraro et al., 2009, S. 163ff.).
5. Ein hohes Involvement (siehe Kapitel 3.5) und eine bewusste Verhaltenskon-
trolle schwächen den Effekt von subliminalen Stimuli zur Beeinflussung (vgl.
Kruglanski et al., 1996, S. 479ff.).
Eine direkte Verbindung von Wahrnehmung und Verhalten, so wie das beim behavio-
ristischen Modell der S-R-Theorie (siehe Kapitel 3.1.1) der Fall ist, existiert deswe-
gen in den seltensten Fällen. Auch, weil in der Realität subliminale Reize schnell von
anderen Reizen überlagert werden.
Ob unterschwellige Reize einen stärkeren Einfluss auf das Verhalten von Konsumen-
ten haben, als überschwellige Reize, ist unklar. Kroeber-Riel und Weinberg vertreten
die aktuell anerkannte Meinung, dass überschwellig dargebotene Reize, deren Be-
einflussungswirkung nicht durchschaut werden, am wirksamsten sind (vgl. Kroeber-
Riel und Weinberg, 2003, S. 275f.). Genau diese Methoden sollen in Kapitel 4 näher
vorgestellt werden.
2.7 Das Ende des homo oeconomicus?
Trotzdem sich die Ökonomie und die Psychologie im Kern mit der Erklärung von
menschlichen Verhalten beschäftigen, teilen die beiden wissenschaftlichen Diszipli-
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
20
Das Ende des homo oeconomicus?
nen nicht unbedingt die gleiche Vorstellung vom Menschen. Das grundlegende Ver-
haltensmodell der Ökonomie befasst sich mit dem menschlichen Verhalten auf Märk-
ten. Dabei werden nur wenige psychologische Faktoren berücksichtigt. Der homo
oeconomicus, als rationales und emotionsloses Individuum, das zwischen Kosten-
und Nutzen Alternativen immer die für ihn vorteilhafteste Variante wählt, stellt nach
ökonomischer Auffassung den Prototypen eines Menschen dar (vgl. Scheier und
Held, 2012, S. 59).
Entscheidungen trifft er (vgl. Frey und Benz, 2007, S. 2f.):
1. rational kognitive Einschränkungen werden ausgeblendet,
2. mit unbeschränkter Willenskraft Emotionen und Kontrollverluste werden
ausgeblendet,
3. und eigennützig soziale Präferenzen werden nicht berücksichtigt.
In den letzten drei Jahrzehnten wurden diese neoklassischen Annahmen kritisiert
und das ökonomische Verhaltensmodell wurde um psychologische Aspekte erweitert.
Grenzen ökonomischen Handelns ergeben sich alleine schon aufgrund von be-
schränkter Rationalität, beschränktem Eigennutzen und einem subjektivem Wohlbe-
finden. Auf die beiden erstgenannten Einschränkungen des homo oeconomicus, soll
an dieser Stelle näher eingegangen werden.
2.7.1 Grenzen des homo oeconomicus: begrenzte Rationalität
Dass die dem homo oeconomicus zu Grunde liegende Erwartungsnutzentheorie
nicht immer in der Lage ist, menschliches Verhalten richtig vorherzusagen, kann un-
ter anderem mit kognitiver und emotionaler Beschränkung erklärt werden.
Dazu zählen die Einflüsse von Verhaltensanomalien, von denen an dieser Stelle drei
Beispielhaft genannt werden sollen. Menschen neigen dazu, versunkene Kosten
(,,sunk costs") in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen. Diese vergangenen Auf-
wendungen sollten keine Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen darstellen, da
für solche Entscheidungen nur die zukünftig erwarteten Kosten und Nutzen relevant
sind. Ein anderes Beispiel sind Opportunitätskosten. Diese werden weniger beachtet,
als direkte Geldkosten in gleicher Höhe. Eine dritte Anomalie ist der Besitzeffekt
(,,endownment effect"). Gegenstände die man besitzt werden höher bewertet, als die
gleichen Objekte, die man nicht besitzt.
Um eine Vorstellung davon zu haben, wie viele weitere Anomalien die Rationalität
von Menschen untergraben, sollen hier noch einige weitere kurz aufgezählt werden:
Verfügbarkeitseffekt, Verankerung, Sicherheitsstreben, Verzerrung kleiner Wahr-
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
21
Das Ende des homo oeconomicus?
scheinlichkeiten, Referenzpunkteffekt oder Darstellungseffekt. Es ist also ersichtlich,
dass die Erwartungsnutzentheorie menschliches Verhalten aufgrund von fehlender
Rationalität nur unzureichend beschreiben kann (vgl. Frey und Benz, 2007, S. 10f.).
Auf einige weitere Urteilsverzerrungen, die rationales Handeln untergraben, wird an
späterer Stelle in diesem Kapitel noch näher eingegangen.
Dadurch, dass Menschen spontanen Versuchungen erliegen, die mitunter konträr zu
ihren eigentlichen langfristigen Absichten stehen, ergibt sich neben Anomalien eine
weitere Einschränkung rationalen Handelns: das Selbstkontrollproblem. Ursache die-
ses Problems ist die beschränkte Willenskraft von Menschen. Einer kurzfristigen Prä-
ferenz, wie dem Konsum einer Zigarette, wird eher nachgegeben, als dem Verfolgen
des langfristigen Eigeninteresses, der Erhaltung der Gesundheit (vgl. Frey und Benz,
2007, S. 13).
Eine weitere Einschränkung rationalen Handelns findet sich im Einfluss menschlicher
Emotionen. Oft stehen starke emotionale Entscheidungen sogar direkt im Wider-
spruch zu rational eigennützigen Entscheidungen. Aufgrund der Komplexität von
emotional-kognitiven Vorgängen, ist es schwierig den Einfluss von Emotionen in rea-
len ökonomischen Situationen zu untersuchen. Dies liegt auch daran, dass Emotio-
nen ein rationales Verhalten nicht automatisch ausschließen (vgl. Frey und Benz,
2007, S. 13f.).
2.7.2 Grenzen des homo oeconomicus: begrenzter Eigennutz
Das Modell des homo oeconomicus geht davon aus, dass Menschen eigennützig
handeln. In vielen Situationen trifft diese Prognose auch zu. Hier sollen drei Anwen-
dungsbereiche dargestellt werden, die sich durch eine beschränkte Eigennützigkeit
auszeichnen.
Ein wichtiger Einfluss bei der Wahl von Entscheidungen sind soziale Präferenzen,
wie Fairness und Reziprozität. Fairness bedeutet, dass Menschen eine gleichmäßige
Verteilung von materiellen Produkten unter Tauschpartnern anstreben. Mit Reziprozi-
tät ist gemeint, dass Menschen das zurückgeben, was sie vorher erhalten haben. Ein
freundliches und faires Verhalten wird belohnt und unfreundliches, unfaires Verhalten
wird bestraft. Um eine Strafe zu verhängen nehmen Menschen sogar zusätzliche
Aufwendungen in Kauf. Bei mehreren Beteiligten kann eine konsequente Nutzenma-
ximierung, der jeweiligen Individuen, häufig ohnehin nicht erreicht werden, da sich
einige Ziele konträr verhalten. Bei solchen Kooperationen müssen deswegen Kom-
promisse gemacht werden (vgl. Rothermund, 2003, S. 29f.). In solchen Fällen muss
das Modell der Nutzenmaximierung erweitert werden, beispielsweise durch den Kata-
Grundlagen der Werbung und Kognitionspsychologie
22
Das Ende des homo oeconomicus?
log zur Charakterisierung optimaler und fairer Strategiekombinationen (vgl. Nash,
1950, 155f.). Besonders stark wirken sich Effekte sozialer Präferenz, die mit dem
Verhaltensmodell des homo oeconomicus nicht vereinbar sind, in unvollständigen
Märkten aus, die vertraglich wenig reguliert sind (vgl. Frey und Benz, 2007, S. 14f.).
Einen weiteren Anwendungsbereich stellt der Einfluss von intrinsischen Motiven und
der persönlichen Identität dar. Nach dem ökonomischen Ansatz reagieren Menschen
systematisch auf relative Preisänderungen. Der Preisanreiz, der von außen kommt,
bestimmt unter anderem das Verhalten. Bei dieser Betrachtung werden alternative
Triebkräfte des Menschen, wie intrinsische Motivation oder das Selbstbild vernach-
lässigt. Bei intrinsischen Motiven werden Aktivitäten ihrer selbst willen gemacht. Da-
bei haben sie einen starken Einfluss auf die Arbeitsmoral, die freiwillige Einhaltung
von Regeln und das Kaufverhalten von Menschen. Haben Individuen eine stark aus-
geprägte Identität, aus der sie einen großen Nutzen ziehen, werden mitunter Ent-
scheidungen getroffen, die dem engen Eigennutzkalkül widersprechen (vgl. Frey und
Benz, 2007, S. 15f.).
Abschließend sei noch die Rolle uneigennützigen Verhaltens in sozialen Dilemma-
Situationen, zur Überwindung von Marktversagen genannt, die der ökonomische An-
satz des homo oeconomicus ebenfalls ausblendet (vgl. Frey und Benz, 2007, S.
17f.).
2.7.3 Urteilsverzerrungen
Wie oben bereits beschrieben wurde, unterliegt der Mensch bei der Wahl seiner Ent-
scheidungen zahlreichen inneren Einflüssen, die ein rationales Handeln in vielen Si-
tuationen unmöglich machen. Einige dieser Urteilsverzerrungen, die auch in der
Werbung Anwendung finden, sollen hier vorgestellt werden:
Geringe Wahrscheinlichkeiten
Die Tendenz geringe Wahrscheinlichkeiten zu überschätzen ist eine davon. Men-
schen gewichten kleine Wahrscheinlichkeiten überproportional stark. Beispielsweise
die Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs oder die Wahrscheinlichkeit durch einen Ter-
rorangriff ums Leben zu kommen (vgl. Jungermann et al., 2005, S. 225).
Vergleichsasymetrien
Eine andere Urteilsverzerrung stellen sogenannte Vergleichsasymetrien dar. Hier
werden eigentlich kommutative Alternativen unterschiedlich bewertet, je nachdem,
wie sie präsentiert werden. Wird Objekt A mit Objekt B verglichen, sollte das Ergeb-
nis dasselbe sein, wie wenn Objekt B mit Objekt A verglichen wird. Dies ist aber nicht
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783961160587
- ISBN (Paperback)
- 9783961165582
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Technische Hochschule Ingolstadt
- Erscheinungsdatum
- 2016 (November)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- BWL Marketing Werbung Ethik Psychologie Kognition CSR Werbepsychologie Konsumentenpsychologie Marktpsychologie
- Produktsicherheit
- Diplom.de