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Vertriebsprozessoptimierung und der Faktor Mensch

©2007 Magisterarbeit 258 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Eine im März 2005 herausgegebene Studie mit dem Titel „Erfolgsfaktoren im B2B Selling“ von Infoteam Sales Process Consulting AG in Zusammenarbeit mit F.A.Z. – Institut für Management-, Markt- und Medieninformation GmbH zeigt hinsichtlich der Selektionsnotwendigkeiten bei Anfragen in 120 Vertriebsorganisationen, die zur Struktur und zu den Erfolgsfaktoren ihres Verkaufsprozesses befragt wurden folgendes Ergebnis: Von den 120 befragten Unternehmen geben 88% an, über einen No-Go Entscheidungsprozess im Anfragenmanagement zu verfügen. Bei der Frage nach der konsequenten Anwendung dieses Selektionsinstruments zeigt sich jedoch sehr deutlich, dass dieser, in neun von zehn Firmen vorhandene No-Go Entscheidungsprozess, nur in 28% der Fällen auch konsequent befolgt wird. Daraus resultiert, dass letztendlich zu viele oder die falschen Kundenanfragen bearbeitet werden.
Im Anlagengeschäft kommt, speziell im Unterschied zum herkömmlichen Produktgeschäft dazu, dass die eigentliche Vermarktung schon vor dem Fertigungsprozess stattfindet. Meist tritt der Anbieter dabei stark in Vorleistung, da es nicht ausreicht einen Produktkatalog mit einem Standardschreiben zu verschicken. Die klassische Preis-Absatz-Funktion kommt im typischen Anlagengeschäft auch nicht zur Anwendung. Dort gibt es eine rein binäre Entscheidung: „gewonnen“ oder „verloren“. Diese resultiert darin, dass das Unternehmen entweder 100% des Projektwertes als Auftragseingang verbuchen kann oder eben 0%. Diese Tatsache verstärkt die Notwendigkeit eines selektiven Bearbeitens der sich bietenden potentiellen Aufträge.
Um jeden potentiellen Kundenauftrag mit einem angemessenen Aufwand zu verfolgen und sich beim Wettstreit mit den Mitbewerbern weder über Gebühr zu verausgaben, noch sich einen profitablen oder strategischen Auftrag leichtfertig entgehen zu lassen, bedarf es daher eines klaren Vertriebsprozesses mit genau definierten Selektionskriterien.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Arbeit gliedert sich mit dem theoretischen und dem empirischen Teil in zwei Hauptbereiche.
Die Arbeit umfasst sieben Kapitel. Nach der Einleitung folgt im zweiten Kapitel eine Begriffsdefinition und Eingrenzung des technischen Vertriebs von Anlagen. Diese Eingrenzung wird auf Basis des von Backhaus definierten Geschäftstypenansatzes unter Berücksichtigung der Vermarktungsbesonderheiten der Fallstudie vorgenommen. Diese Abgrenzung bildet den zentralen Schwerpunkt für die weiteren Teile […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Patrick Papst
Vertriebsprozessoptimierung durch kriteriengesteuertes Lead- und Opportunity
Management im Anlagengeschäft
ISBN: 978-3-8366-0426-0
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. FH Wien, Wien, Österreich, Magisterarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

W
IDMUNG UND
D
ANKSAGUNG
Ich widme diese Arbeit meiner Frau Sonja und danke ihr für ihr Verständnis und ihre
persönliche Unterstützung. Sie hat mir während des zeitaufwändigen, berufs-
begleitenden Studiums den notwendigen Rückhalt gegeben und war immer für mich
da.
Mein besonderer Dank im Rahmen dieser Arbeit gilt Herrn Dr. Michael Paul, dem
Betreuer meiner Diplomarbeit. Dr. Paul setzte als mein Mentor ein wunderbares
Beispiel von unermüdlicher Geduld, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Ich bin ihm
zu großem Dank verpflichtet.

Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf die
grammatikalisch weibliche Form bzw. die Kombination von männlicher und weiblicher
Form verzichtet. Der Verfasser legt aber auf die Feststellung Wert, dass in der
gesamten Arbeit mit der männlichen Form, Männer und Frauen gleichberechtigt
gemeint sind.

I
I
NHALTSVERZEICHNIS
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
... V
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
... VI
1.
E
INLEITUNG
...1
1.1.
Problemstellung ... 1
1.2.
Zielsetzung und Forschungsfragen ... 3
1.3.
Methodik... 4
1.4.
Aufbau der Arbeit ... 5
2.
B
ESONDERHEITEN IM
V
ERTRIEB VON TECHNISCHEN
A
NLAGEN
...7
2.1. Der
Vertriebsbegriff... 7
2.2. Besonderheiten des technischen Vertriebes ... 8
2.3. Unterscheidungsmerkmale
von
Konsumgüter- und Investitionsgütervertrieb... 9
2.4. Geschäftstypenansatz
im
Investitionsgütervertrieb ... 11
2.4.1.
Das Produktgeschäft ... 12
2.4.2.
Das Systemgeschäft... 13
2.4.3.
Das Zuliefergeschäft... 14
2.4.4.
Das Anlagengeschäft... 15
2.5. Abgrenzung der Arbeit durch spezifische vertriebliche
Vermarktungsbesonderheiten ... 16
3.
D
IE
P
ROZESSORIENTIERUNG IM
V
ERTRIEB VON
A
NLAGEN
...18
3.1.
Der Vertrieb als Prozess im Anlagengeschäft... 18
3.2.
Die besondere Bedeutung des Buying Centers im Vertriebsprozess von Anlagen ... 21
3.3.
Kritische Würdigung von Verkaufsprozessmodellen vor dem Hintergrund der
Selektionsnotwendigkeit ... 26
3.3.1.
Das Verkaufsprozess-Modell von Ackerschott ... 27
3.3.2.
Der Selling Cycle von Hofbauer... 30
3.3.3.
Das Sales Funnel ­ Modell... 33
3.3.3.1.
Der allgemeine Sales Funnel ­ Ansatz ...33
3.3.3.2.
Der Sales Funnel im Anlagenvertrieb...35

II
4.
I
NSTRUMENTE ZUR
V
ERTRIEBSPROZESSOPTIMIERUNG
... 39
4.1.
Die Motivation zur Prozessoptimierung im technischen Vertrieb... 39
4.2.
Das Vertriebsinstrument Lead- und Opportunity Management... 41
4.2.1.
Der Schlüssel zu mehr Effizienz im Vertriebsprozess ... 41
4.2.2.
Gründe, Ziele und Voraussetzungen für Lead- und Opportunity Management... 42
4.2.3.
Die Einordnung in den typischen Akquisitionsprozess ... 44
4.2.4.
Lead Management ... 46
4.2.5.
Schritte und Prozesse des Lead Managements ... 47
4.2.6.
Opportunity Management... 49
4.2.7.
Phasen einer Opportunity ... 50
4.2.8.
Informationen einer Opportunity ... 52
4.3.
Lead- und Opportunity Management zur Steuerung eines
optimierten Vertriebsprozesses... 54
5.
D
IE
Q
UALIFIZIERUNG VON
K
UNDEN UND
A
NFRAGEN
... 56
5.1.
Die Notwendigkeit zur Kunden- und Anfragenqualifizierung ... 56
5.2.
Die Systematik der Qualifizierungsmethoden ... 57
5.3.
Die Kundenqualifizierung ... 58
5.3.1.
Statische Kundenqualifizierungsmethoden... 59
5.3.1.1.
ABC-Analyse ...59
5.3.1.2.
Punktebewertungsverfahren...61
5.3.1.3.
Der Klassifizierungswürfel von Ackerschott ...64
5.3.2.
Dynamische Kundenqualifizierungsmethoden... 67
5.3.2.1.
Kundenlebenszyklus-Analyse...67
5.3.2.2.
Kunden-Kapitalwerte ...68
5.3.2.3.
Kundenstatus...69
5.3.3.
Strategische Kundenprioritäten... 71
5.3.4.
Gründe für regelmäßige Kundenbeurteilungen im Anlagengeschäft... 71
5.4.
Die Anfragenbewertung ... 73
5.4.1.
Die Problematik der Anfragenbewertung im Anlagengeschäft ... 73
5.4.2.
Normative Modelle zur Anfragenbewertung... 75
5.4.2.1.
Checklistenverfahren...76
5.4.2.2.
Profilvergleich ...78
5.4.2.3.
Scoring-Modelle...80
5.4.2.4.
Quantitatives Konzept nach Heger ...82
5.4.2.5.
Quantitatives Konzept nach Backhaus ...84
5.4.3.
Vergleich der vorgestellten Verfahren zur Anfragenselektion... 86

III
6.
V
ERTRIEBSPROZESSOPTIMIERUNG IN DER
P
RAXIS
­ S
TATUS
Q
UO UND
E
NTWICKLUNGSLINIEN AM
B
EISPIEL VON
16 U
NTERNEHMEN IM
A
NLAGENVERTRIEB
...88
6.1.
Methodik und Aufbau der empirischen Untersuchung ... 88
6.1.1.
Die angewandte Methodik ... 88
6.1.2.
Das Forschungsdesign ... 89
6.1.2.1.
Das Experteninterview als qualitative Erhebungsmethode...89
6.1.2.2.
Überblick über die ausgewählten Unternehmen und Experten...90
6.1.2.3.
Durchführung der Interviews ...93
6.1.2.4.
Aufbau des Gesprächsleitfadens...95
6.1.2.5.
Auswertung der Daten...95
6.2.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung... 97
6.2.1.
Der Vertriebsprozess und unterstützende Instrumente im Anlagengeschäft ... 97
6.2.1.1.
Der Vertriebsprozess und seine Phasen ...97
6.2.1.2.
Die Sicherstellung des Prozessweges ... 101
6.2.1.3.
Vorhandenes Optimierungspotential im Vertriebsprozess... 104
6.2.1.4.
Eingesetzte Instrumente zur Vertriebsprozesssteuerung ... 106
6.2.1.5.
Anwendbarkeit von Lead- und Opportunity Management im Anlagengeschäft ... 109
6.2.2.
Die Kundenqualifizierung als Teil des Vertriebsprozesses im Anlagengeschäft... 113
6.2.2.1.
Status Quo der Kundenqualifizierung... 113
6.2.2.2.
Einschätzung der aktuellen Situation in Bezug auf eine erfolgreiche Kundenqualifizierung... 115
6.2.2.3.
Eingesetzte Methoden zur Kundenqualifizierung ... 117
6.2.2.4.
Anwendbarkeit von anderen Kundenqualifizierungsmethoden... 121
6.2.2.5.
Der Effizienzsteigerungsbeitrag im Vertrieb durch konsequente Kundenqualifizierung... 125
6.2.3.
Die Anfragenselektion als Teil des Vertriebsprozesses im Anlagengeschäft... 127
6.2.3.1.
Status Quo der Anfragenselektion... 127
6.2.3.2.
Einschätzung der aktuellen Situation in Bezug auf eine erfolgreiche Anfragenselektion... 129
6.2.3.3.
Eingesetzte Methoden zur Anfragenselektion ... 131
6.2.3.4.
Anwendbarkeit von anderen Anfragenselektionsmethoden ... 134
6.2.3.5.
Kritische Bewertungskriterien für Go/No-Go Entscheidungen bei Anfragen... 139
6.2.3.6.
No-Go Entscheidungen und die Konsequenz bei der Umsetzung... 141
6.2.3.7.
Gründe für mögliche Inkonsequenzen... 144
6.2.3.8.
Der Effizienzsteigerungsbeitrag im Vertrieb durch effiziente Anfragenselektion ... 147
6.2.4.
Das Zusammenwirken zwischen Vertriebsprozess und Selektionsmethoden ... 149
6.2.4.1.
Status Quo des Zusammenwirkens zwischen Vertriebsprozess und Kundenqualifizierungs-
bzw. Anfragenselektionsmethoden... 149
6.2.4.2.
Maßnahmen um Prozess und Methoden stärker zu verbinden ... 152
7.
C
ONCLUSIO
...155
7.1.
Kernaussagen aus Theorie und empirischer Untersuchung... 155
7.2.
Schlussfolgerungen für die konkreten Forschungsfragen... 157
7.3.
Ausblick... 162

IV
A
NHANG
... 167
L
ITERATUR
-
UND
Q
UELLENVERZEICHNIS
... 241

V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AEK Angebotskosten-Erfolgskennziffer
B2B Business-to-Business
B2C Business-to-Consumer
bzw. beziehungsweise
ca. circa
CRM
Customer Relationship Management
d.h. das
heißt
f. folgende
Seite
FF 1
Forschungsfrage 1
FF 2
Forschungsfrage 2
FF 3
Forschungsfrage 3
ggf. gegebenenfalls
IT Informationstechnologie
Nr. Nummer
o.S. ohne
Seite
S. Seite
u.a. unter
anderem
usw.
und so weiter
v.a. vor
allem
vgl. vergleiche
z.B. zum
Beispiel

VI
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Stoffkreislauf ... 9
Abbildung 2: Geschäftstypenansatz im Investitionsgütermarkt... 12
Abbildung 3: Wertkette nach Porter ... 19
Abbildung 4: Einflussfaktoren des organisationalen Beschaffungsverhaltens ... 22
Abbildung 5: Mitglieder des Buying Centers ... 24
Abbildung 6: Der Verkaufsprozess nach Ackerschott ... 27
Abbildung 7: Der Selling Cycle nach Hofbauer ... 30
Abbildung 8: Der Sales Funnel im Anlagenvertrieb ... 35
Abbildung 9: Existenz bedeutender Produktivitätssteigerungspotentiale... 40
Abbildung 10: Ansatz des Lead-/Opportunity Management Prozesses ... 45
Abbildung 11: Die vier Komponenten des Lead Management Prozesses ... 47
Abbildung 12: Die wesentlichen Phasen des Opportunity Management Prozesses . 50
Abbildung 13: Informationen einer Opportunity... 53
Abbildung 14: Kundenbewertung mit Hilfe des Punktebewertungsverfahrens... 63
Abbildung 15: Der Kunden-Klassifizierungswürfel nach Ackerschott... 66
Abbildung 16: Unterschiedliche Anfragenbewertungsverfahren ... 75
Abbildung 17: Checkliste zur Anfragenbewertung im Großanlagenbau... 77
Abbildung 18: Beispiel für einen Profilvergleich zur Anfragenselektion ... 79
Abbildung 19: Berechnung und Aussage der Gesamtwertziffer im Scoring-Modell .. 81
Abbildung 20: Beispiel des Anspruchsniveaus zur Anfragenbewertung ... 83
Abbildung 21: Positionierung nach Auftragswahrscheinlichkeit und Auftragserlös ... 84
Abbildung 22: Ablauf des Angebots-Erfolgskennziffer Modells von Backhaus ... 86
Abbildung 23: Ausgewählte Unternehmen zur empirischen Untersuchung ... 91
Abbildung 24: Ausgewählte Experten ... 93
Abbildung 25: Einhaltung des Prozessweges ... 101
Abbildung 26: Vorhandenes Optimierungspotential... 104
Abbildung 27: Bekanntheit von Lead- und Opportunity Management... 109
Abbildung 28: Anwendbarkeit im Anlagengeschäft... 110
Abbildung 29: Einschätzung der Situation ­ Kundenqualifizierung ... 115
Abbildung 30: Einschätzung der Situation - Anfragenselektion... 129
Abbildung 31: Zusammenwirken zwischen Prozess und Methoden ... 150

1
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Ein englischer Dichter hat 1855 in einem seiner Werke den griffigen Satz
"Less is more" (Browning 1885, o. S.) geprägt. Damit wurde er so oft zitiert wie
missverstanden. Es ging ihm nicht um Bescheidenheit, gemeint ist vielmehr, dass
eine Reduzierung auf das Wesentliche, auf den Kern einer Sache oft bessere
Ergebnisse bringt, als das Streben nach Quantität. Dieser Spruch lässt sich nach
Einschätzung des Autors auch auf die Thematik dieser Arbeit übertragen und eignet
sich bestens als Basis für einen optimierten (Vor-)Verkaufsprozess.
Im Vertrieb von technisch komplexen Gütern stellt der Verkaufsprozess eine sehr
erfolgskritische Komponente für das Unternehmen dar und bindet viele Ressourcen.
Um auf dem Markt erfolgreich bestehen zu können ist die Beseitigung von Defiziten
in diesem Bereich daher Grundvoraussetzung, vor allem in den großteils
überversorgten Märkten der industrialisierten Welt. Die Verantwortung im Vertrieb für
den Erfolg des Unternehmens hat in den letzten Jahren, bedingt durch verschärfte
Markt- und Wettbewerbsbedingungen, zugenommen (vgl. Infoteam Sales Process
Consulting AG / F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen
GmbH 2005, S. 3-7).
Langfristig gesehen ist das Ziel eines Unternehmens, Gewinne zu erwirtschaften. Es
geht oft sogar noch einen Schritt weiter: eine Unternehmung will möglichst viele
Einheiten absetzten und dabei ihren Gewinn maximieren. Dazu muss es in der Lage
sein, alle potentiellen Käufer zu identifizieren und die oft zeitlich bzw. personell
beschränkten Ressourcen im Vertrieb optimal einzusetzen, um jene potentiellen
Käufer zu tatsächlichen Käufern weiterzuentwickeln (vgl. Vortrag Simon / Leyking,
2003).
Im Anlagengeschäft kommt, speziell im Unterschied zum herkömmlichen
Produktgeschäft dazu, dass die eigentliche Vermarktung schon vor dem
Fertigungsprozess stattfindet. Meist tritt der Anbieter dabei stark in Vorleistung, da es

2
nicht ausreicht einen Produktkatalog mit einem Standardschreiben zu verschicken.
Oftmals sind gerade im Anlagengeschäft viele Sondierungsgespräche notwendig,
damit man alle Informationen, die zu einer professionellen Angebotserstellung
notwendig sind, erhält und die Bedürfnisse des Kunden richtig einschätzen kann. Um
jeden potentiellen Kundenauftrag mit einem angemessenen Aufwand zu verfolgen
und sich beim Wettstreit mit den Mitbewerbern weder über Gebühr zu verausgaben,
noch sich einen profitablen oder strategischen Auftrag leichtfertig entgehen zu
lassen, bedarf es eines klaren Vertriebsprozesses mit genau definierten
Selektionskriterien (vgl. Borowski 2005, S. 38).
Die klassische Preis-Absatz-Funktion kommt im typischen Anlagengeschäft auch
nicht zur Anwendung. Dort gibt es eine rein binäre Entscheidung: ,,gewonnen" oder
,,verloren". Diese resultiert darin, dass das Unternehmen entweder 100% des
Projektwertes als Auftragseingang verbuchen kann oder eben 0%. Diese Tatsache
verstärkt die Notwendigkeit eines selektiven Bearbeitens der sich bietenden
potentiellen Aufträge (vgl. Vortrag Dalheimer, 2006).
Eine sorgfältige Analyse der Chancen und Risken eines potentiellen Auftrags kann
zum Ergebnis führen, dass die Erfolgschancen zu gering sind, um den Aufwand zu
rechtfertigen. Die logische Konsequenz daraus wäre, dass der Anbieter sich
entscheidet aus dem Verkaufsverfahren (Angebotsprozess) auszusteigen, ein so
genannter No-Go Entscheid. Eine im März 2005 herausgegebene Studie mit dem
Titel ,,Erfolgsfaktoren im B2B Selling" von Infoteam Sales Process Consulting AG in
Zusammenarbeit mit F.A.Z. ­ Institut für Management-, Markt- und
Medieninformation GmbH (vgl. 2005, S. 19) zeigt hinsichtlich der
Selektionsnotwendigkeiten bei Anfragen in 120 Vertriebsorganisationen, die zur
Struktur und zu den Erfolgsfaktoren ihres Verkaufsprozesses befragt wurden
folgendes Ergebnis: Von den 120 befragten Unternehmen geben 88% an, über einen
No-Go Entscheidungsprozess im Anfragenmanagement zu verfügen. Bei der Frage
nach der konsequenten Anwendung dieses Selektionsinstruments zeigt sich jedoch
sehr deutlich, dass dieser, in neun von zehn Firmen vorhandene No-Go
Entscheidungsprozess, nur in 28% der Fällen auch konsequent befolgt wird. Daraus
resultiert, dass letztendlich zu viele oder die falschen Kundenanfragen bearbeitet
werden.

3
Da der Autor selbst im Anlagenvertrieb für ein internationales Unternehmen tätig ist,
ist das Thema der Vertriebsprozessoptimierung durch entsprechende
Qualifizierungsmethoden und der daraus zu generierenden Effizienzsteigerung im
Vertrieb von großem Interesse. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die
vorliegende Arbeit mit einem kriteriengesteuerten Instrument zur
Vertriebsprozessoptimierung und dem generellen Zusammenwirken von
prozessualen Ansätzen und Qualifizierungsmethoden in der Praxis.
1.2. Zielsetzung und Forschungsfragen
Im Rahmen dieser Arbeit werden nach einer kritischen Würdigung von
Verkaufsprozessmodellen hinsichtlich ihrer Selektionsnotwendigkeit von Kunden
bzw. Anfragen durch den Autor zunächst das Instrument Lead- und Opportunity
Management als Möglichkeit zur Optimierung des Vertriebsprozesses vorgestellt.
Nach einem Überblick über mögliche Qualifizierungsmethoden von Kunden und
Anfragen wird deren Notwendigkeit im Anlagengeschäft hinterfragt. Das Ziel der
Arbeit liegt ferner darin, das Zusammenwirken zwischen den vorgestellten
prozessualen Ansätzen und Qualifizierungsmethoden zu prüfen und mögliche
Verbesserungsmaßnahmen aufzuzeigen.
In der empirischen Untersuchung ist das Ziel des Autors herauszufinden, wie sich die
Vertriebsprozesse in der Praxis wirklich darstellen und ob sich Instrumente, wie
kriteriengesteuertes Lead- und Opportunity Management im Anlagenvertrieb zur
Optimierung des (Vor-)Verkaufsprozesses, anwenden lassen. Des Weiteren ist es
von Interesse, inwieweit bzw. welche Kundenqualifizierungs- und
Anfragenselektionsmethoden in der Realität bei kleinen, mittleren und großen
Unternehmen im Anlagengeschäft wirklich eingesetzt werden und warum oftmals
vorhandene Methoden nicht konsequent angewandt werden.
Aus den Erkenntnissen der theoretischen und empirischen Untersuchung wird
versucht, Hypothesen zu dieser Vertriebsprozessthematik im speziellen Fall des
Anlagengeschäfts zu generieren.

4
Daraus ergeben sich die zentralen Fragen, die in dieser Arbeit behandelt werden
sollen:
· Inwiefern wirken die prozessualen Ansätze im Anlagengeschäft und die
Qualifizierungs- bzw. Selektionsmethoden zusammen, bzw. wie lassen sich
beide Ansätze besser zusammenbringen?
· Inwieweit eignet sich das Instrument Lead- und Opportunity Management zur
Optimierung des (Vor-)Vertriebsprozesses im Anlagengeschäft und welche
damit verbundenen spezifischen Kundenqualifizierungs- und Anfragen-
bewertungsmethoden lassen sich anwenden, um die Vertriebseffizienz zu
steigern?
· Worin liegen die Gründe, dass oftmals vorhandene Kundenqualifizierungs-
und Anfragenbewertungsmethoden nicht konsequent angewandt werden und
letztendlich zu viele oder die falschen Kunden bzw. Anfragen bearbeitet
werden?
1.3. Methodik
Die Ziele dieser Arbeit werden sowohl durch theoretische als auch empirische
Auseinandersetzung mit der Thematik verfolgt. Der theoretische Teil dieser Arbeit
basiert auf einer umfassenden Literaturrecherche sowie auf Nachforschungen im
Internet. Als Literaturquellen werden wissenschaftliche Fachbücher, internationale
Studien, Beiträge in Sammelbänden und themenbezogene Fachartikel aus
nationalen und internationalen Fachzeitschriften verwendet. Mögliche
Vertriebsprozessmodelle werden im theoretischen Teil durch eine umfangreiche
Literaturrecherche kritisch hinsichtlich ihrer Selektionsnotwendigkeit von Kunden und
Anfragen gewürdigt.
Im empirischen Teil der Arbeit gilt es explorativ zu untersuchen, welche
Vertriebssteuerungsinstrumente aktuell bei Unternehmen im Anlagengeschäft
eingesetzt werden und ob sich Instrumente, wie kriteriengesteuertes Lead- und
Opportunity Management im Anlagenvertrieb, zur Optimierung des

5
(Vor-)Verkaufsprozesses anwenden lassen. Weiters wird untersucht, welche
Methoden zur Kunden- und Anfragenselektion bei Unternehmen im Anlagengeschäft
eingesetzt werden und warum oftmals vorhandene Methoden nicht konsequent
angewandt werden.
Als Instrument zur Datenerhebung wird das Experteninterview in seiner Funktion zur
Exploration eingesetzt. Durch eine explorative Untersuchung mittels qualitativer
Befragung soll das Untersuchungsgebiet thematisch strukturiert und Hypothesen
generiert werden (vgl. Bogner / Menz 2005a, S. 37).
Konkret sollen im empirischen Teil dieser Arbeit Hypothesen aus den zentralen
Forschungsfragen, durch problemzentrierte Experteninterviews anhand eines
teilstandardisierten Interviewleitfadens mit Geschäftsführern, Vertriebsleitern und
-mitarbeitern in 16 Unternehmen, die im Anlagengeschäft tätig sind, generiert
werden.
1.4. Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich mit dem theoretischen und dem empirischen Teil
in zwei Hauptbereiche.
Die Arbeit umfasst sieben Kapitel. Nach der Einleitung folgt im zweiten Kapitel eine
Begriffsdefinition und Eingrenzung des technischen Vertriebs von Anlagen. Diese
Eingrenzung wird auf Basis des von Backhaus definierten Geschäftstypenansatzes
unter Berücksichtigung der Vermarktungsbesonderheiten der Fallstudie
vorgenommen. Diese Abgrenzung bildet den zentralen Schwerpunkt für die weiteren
Teile dieser Arbeit.
Das dritte Kapitel der Arbeit widmet sich der Prozessorientierung im Vertrieb. Dabei
gibt der Autor eine Einführung in die Prozessorientierung des Anlagengeschäftes.
Nach dem Verweis auf die besondere Bedeutung des Buying Centers im technischen
Vertrieb werden in einer kritischen Würdigung durch den Autor, in der Fachliteratur
bekannte Verkaufsprozessmodelle, vor dem Hintergrund deren Selektions-
notwendigkeit analysiert.

6
Ein mögliches Instrument zur Optimierung von Vertriebsprozessen wird im vierten
Kapitel dieser Arbeit behandelt. Nach dem Aufzeigen des Produktivitäts-
steigerungspotentials im Vertriebsprozess wird das Instrument Lead- und Opportunity
Management vorgestellt. In diesem Rahmen werden dessen Ziele bzw.
Voraussetzungen für eine Anwendung im Anlagengeschäft näher aufgezeigt.
Im fünften Kapitel der Arbeit geht der Autor auf verschiedene
Kundenqualifizierungs- und Anfragenselektionsmethoden im Detail ein. Neben deren
Notwendigkeit im Anlagengeschäft werden Erfolgsfaktoren der vorgestellten
Methoden herausgearbeitet.
Die empirische Untersuchung, in welcher der Status Quo und die Entwicklungslinien
der Vertriebsprozessoptimierung am Beispiel von 16 Unternehmen im
Anlagenvertrieb in der Praxis untersucht wird, bildet das sechste Kapitel. Nach der
Vorstellung des empirischen Ansatzes und der angewandten Methodik, gibt der
Autor einen kurzen Überblick über die ausgewählten Unternehmen und Experten.
Danach werden die Ergebnisse bzw. Interpretationen aus der Untersuchung
dargelegt. Dabei wird auch versucht, wo immer die Möglichkeit besteht, zwischen
den Ergebnissen der empirischen Untersuchung und der aufgearbeiteten Theorie
Verbindungen herzustellen.
Als Abschluss der Arbeit werden im siebenten Kapitel sowohl die Kernaussagen der
theoretischen Analyse als auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung
zusammengefasst und interpretiert. Daraus werden Schlussfolgerungen gezogen,
Hypothesen generiert und Implikationen für die Wirtschaft, in Bezug auf das
Zusammenwirken zwischen Vertriebsprozess und Qualifizierungskriterien durch die
Instrumente Lead- und Opportunity Management abgeleitet.

7
2.
Besonderheiten im Vertrieb von technischen Anlagen
In diesem Kapitel wird nach einer allgemeinen Erklärung des Vertriebsbegriffes auf
die vertrieblichen Besonderheiten beim Verkauf von technischen Gütern
eingegangen. Die Unterschiede zwischen dem Vertrieb von Investitionsgütern und
dem Vertrieb von Konsumgütern stellen den ersten Teil der Abgrenzung dieser Arbeit
dar. Nach einer Übersicht der möglichen Geschäftstypen im Investitionsgütervertrieb,
wird eine weitere Abgrenzung der Arbeit vorgenommen. Diese Abgrenzung bezieht
sich auf eine der vorgestellten Geschäftstypen und basiert auf vertrieblichen
Vermarktungsbesonderheiten.
2.1. Der
Vertriebsbegriff
In der Literatur ist der Vertriebsbegriff keineswegs eindeutig definiert bzw. gefestigt.
Gutenberg (vgl. 1984, S. 1), der das idealtypische Modell eines Betriebes durch die
Prozessreihenfolge von Leistungserstellung und Leistungsverwertung beschreibt,
ordnet den Vertrieb neben Marketing und Kundendienst der Leistungsverwertung zu.
Für Bonart (vgl. 1999, S. 1) gliedert sich der Vertrieb in die Funktionen des Verkaufs,
der Bereitstellung und des Transportes von Produkten oder Dienstleistungen. Witt
(vgl. 1996, S. 1) wiederum bezeichnet den Vertrieb als Speerspitze des Marketings
und als eine Brücke des Unternehmens zum Markt. Seiner Ansicht nach würde das
Marketing den Vertrieb antreiben.
Winkelmann (vgl. 2005, S. 14 f.) führt in seiner Begriffsdefinition zehn weitere
Auslegungsrichtungen von Vertrieb an. Diese reichen vom einfachen Direktverkauf
bis hin zur gesamten Organisation des Absatzweges. Er sieht das Problem für die
unterschiedlichen Definitionen in der Marketinglehre der Hochschulen, die, seiner
Ansicht nach, den Vertrieb für die Grundlagenforschung nie als würdig empfunden
haben. Ein weiterer Grund liegt für ihn in den fachlichen Richtungsdivergenzen an
den Hochschulen sowie durch unterschiedliche Begriffsauffassungen in der
Großkonzern- und Mittelstandspraxis.

8
Als grundlegende Hauptaufgabe des Vertriebes kann die Sicherung des dauerhaften
Fortbestandes eines Unternehmens durch den Absatz der angebotenen Leistungen
definiert werden. Der Vertrieb kann dabei nicht als isolierte Teilfunktion eines
Unternehmens gesehen werden, sondern die Vertriebsziele müssen in Abstimmung
mit anderen zusammenhängenden Teilfunktionen des Unternehmens definiert
werden (vgl. Hentschel 2000, S. 18).
2.2. Besonderheiten des technischen Vertriebes
Die Märkte für technische Güter und im Zusammenhang stehende Dienstleistungen
sind in der Regel stark fragmentiert. Dabei stehen immer weniger Anbieter einer
ebenfalls abnehmenden Zahl an Nachfrager von spezialisierten technischen Gütern
gegenüber. Diese technischen Güter werden zunehmend in Kombination mit
Dienstleistungen verkauft. Im technischen Vertrieb überwiegt der Business-to-
Business Verkauf (B2B), d.h. der Verkauf an Firmenkunden, die nicht für den
privaten Verbrauch bzw. Nutzung kaufen, sondern im Auftrag ihres Auftraggebers.
Hocherklärungsbedürftige Produkte werden in der Regel im Direktvertrieb über
eigene Tochtergesellschaften, Niederlassungen und Außendienstmitarbeiter
vertrieben. Weniger erklärungsbedürftige Komponenten, Standardprodukte und
Ersatzteile laufen hingegen über den technischen Handel (vgl. Winkelmann 2005, S.
25).
Als technischer Vertrieb wird der Verkauf im Investitionsgüterbereich bezeichnet.
Dieser technische Vertrieb stellt besondere Anforderungen an Verkäufer und an die
Vertriebsorganisation des Unternehmens. In der Regel gilt es die Kunden bei
innovativen Produkten und Dienstleistungen vom Nutzen der neuen Lösung zu
überzeugen. Erst recht, wenn deren Preis hoch bzw. die anfängliche Marktakzeptanz
gering ist. Das ehemals singuläre Verkaufsgespräch entwickelt sich beim Vertrieb
von technischen Produkten und Dienstleistungen (technischer Vertrieb) zu einem
komplexen Verkaufsprozess. Statt einem einzigen Verkaufsgespräch kommt es zu
zahlreichen Kundenkontakten, die sich manchmal über mehrere Wochen oder
Monate hinziehen (vgl. Kleinaltenkamp / Plinke 2000, S. 173-197).

9
2.3.
Unterscheidungsmerkmale von Konsumgüter- und
Investitionsgütervertrieb
Produkte können Konsumzwecken der privaten Haushalte dienen. Diese
Konsumgüter werden aus Vorprodukten, so genannten Produktionsgütern, unter
Zuhilfenahme von Investitionsgütern hergestellt. Produktionsgüter sind solche, die im
industriellen Prozess in kurzer Zeit verbraucht werden und stofflich in andere
Produkte eingehen. Investitionsgüter besitzen eine relativ lange Lebenszeit, werden
als Werkzeuge im Produktionsprozess eingesetzt und verbrauchen sich hierbei zwar
wertmäßig, gehen aber nicht stofflich in die erzeugte Leistung ein. Konsumgüter
unterscheidet man weiters nach Lebensdauer und Funktion. Verbrauchsgüter dienen
der täglichen Lebenserhaltung (Nahrung, Hygiene, Energie) und sind zur einmaligen
Verwendung bestimmt. Gebrauchsgüter eignen sich für eine häufige und langfristige
Anwendung (vgl. Bonart 1999, S. 3).
Dieser Stoffkreislauf lässt sich grafisch wie folgt darstellen:
Abbildung 1: Stoffkreislauf
Quelle: In Anlehnung an Bonart 1999, S. 5
In der Literatur wird der Investitionsgütermarkt auch als B2B-Markt definiert. Zum
B2B-Bereich zählen alle Absatzprozesse, die sich an Unternehmen und sonstige
Organisationen richten, wozu auch staatliche Institutionen gehören. Kennzeichen
dabei ist somit, dass die Verwendung der vermarkteten Leistungen nicht konsumtiv,

10
d.h. für den eigenen Verbrauch, sondern investiv oder produktiv erfolgt (vgl.
Kleinaltenkamp / Plinke 2000, S. 173).
Die Vertriebsmerkmale und -anforderungen unterscheiden sich in Abhängigkeit der
Branche und der Märkte sehr stark. Dies gilt im speziellen natürlich auch für die
Vertriebe einerseits im Investitionsgütermarkt und andererseits im
Konsumgütermarkt. Zentraler Unterschied ist, dass die Kaufentscheidung beim
Investitionsgütermarkt nicht der Letztkonsument trifft, sondern dass sie Ergebnis
multipersonaler und multiorganisationaler Entscheidungsprozesse ist (vgl. Backhaus
2003, S. 7 f.). Eine weitere Besonderheit des Investitionsgütermarktes ist, dass die
Kauf- bzw. Verkaufsprozesse ein hohes Maß an Heterogenität aufweisen. Im
Konsumgütermarkt sind jene Prozesse als eher homogen zu definieren. Meist sind
die Güter und Leistungen im Investitionsgütermarkt, im Vergleich zum
Konsumgütermarkt, sowohl in der Komplexität als auch im Transaktionswert höher
(vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 44 f.).
Der Vertrieb von Konsumgütern richtet sich an die Endstufe des
Wirtschaftsprozesses, d.h. private Konsumenten (B2C-Bereich). Damit steht man als
Anbieter einer sehr großen Kundenanzahl gegenüber. Diese Stufe ist dadurch
gekennzeichnet, dass die Informationsbeschaffung, das Einkaufen, Verwenden und
Entscheiden durch eine Person oder zumindest durch wenige, gegenseitig gut
bekannte Mitglieder des privaten Haushaltes erfolgen. Es handelt sich dabei um
kurze Kaufentscheidungsprozesse auf Nachfragerseite. Der Vertrieb im
Konsumgütermarkt ist vorrangig auf den Binnenmarkt und viele Regionalmärkte
konzentriert. Charakteristisch für den Konsumgütervertrieb sind im Gegensatz zum
Investitionsgütervertrieb anonyme Marktkontakte zur Endstufe (vgl. Bonart 1999, S.
4).
Die Vertriebsmerkmale im Investitionsgütermarkt sind hingegen im Wesentlichen
durch eine geringe Kundenanzahl (Nachfrageoligopole) geprägt, die sich meist aus
Industrieunternehmen oder staatlichen Organisationen zusammensetzt. Je
komplexer und investitionsintensiver die angebotenen Leistungen sind, desto länger
sind die nachfragerseitigen Kaufentscheidungsprozesse, die verschiedene Personen
in den Rollen als Käufer, Verwender, Entscheider und Berater involvieren.

11
Erschwerend für den Anbieter kommt dazu, dass sich diese Personen gegenseitig oft
nicht kennen. Typisch für den Investitionsgütermarkt ist auch eine hohe
Internationalität der Anbieter, bedingt durch das Nachfrageoligopol. Persönliche
Marktkontakte durch den Vertrieb, die durch die Komplexität der vermarkteten
Leistungen erforderlich sind, ist ein weiteres Vertriebsmerkmal des
Investitionsgütermarktes (vgl. Bonart 1999, S. 3).
Anhand dieser Merkmalsunterschiede zeigt sich, dass man sich in den
verschiedenen Märkten unterschiedlicher Vertriebsformen bedient. Im
Investitionsgütermarkt wird vermehrt auf Basis des direkten Vertriebes, d.h. es
existieren keine Absatzmittler als Bindeglieder zwischen Unternehmung und Kunden,
verkauft (vgl. Hillenbrand 1992, S. 3-7). Im Konsumgütermarkt bedient man sich eher
indirekten Vertriebswegen, in denen der Übergang der Marktleistung an die
Konsumenten über mindestens eine oder mehrere Stufen erfolgt. So genannte
Absatzmittler werden in den Interaktionsprozess zwischen Hersteller und Verwender
beim indirekten Vertrieb zwischengeschaltet (vgl. Weinhold 1988, S. 56 f.).
2.4. Geschäftstypenansatz im Investitionsgütervertrieb
Der von Backhaus entwickelte Geschäftstypenansatz zeigt zwei Dimensionen, die
den Investitionsgütermarkt maßgeblich bestimmen und charakterisieren (vgl.
Backhaus 2003, S. 323):
· Kaufverbund:
Die nachgefragten Leistungen werden im Verbund mit anderen Leistungen
gekauft. Diese Verbundwirkungen können sowohl zeitlicher als auch
technologischer Natur sein.
· Transaktionsform:
Die Transaktionsform beschreibt, ob sich das Angebot auf einen Einzelkunden
bezieht oder auf den anonymen Markt.
Auf Basis dieser beiden Dimensionen können vier Geschäftstypen identifiziert
werden, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an ein Unternehmen und im
speziellen an das Vertriebskonzept stellen (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 44 f.).

12
In Abbildung 2 werden diese vier Geschäftstypen in Bezug auf die bestimmenden
Dimensionen dargestellt.
Abbildung 2: Geschäftstypenansatz im Investitionsgütermarkt
Quelle: In Anlehnung an Backhaus 2003, S. 324
Auf der vertikalen Achse wird unterschieden, ob es sich um einen, auf die
Einzeltransaktion beschränkten Transaktionsprozess ohne Kaufverbund handelt,
oder ob Transaktionsprozesse vorliegen, die eine innere Verbindung, d.h. einen
Verbund mit anderen Leistungen aufweisen. Das Typologisierungskriterium auf der
horizontalen Achse bezieht sich darauf, ob das Verhaltensprogramm
einzelkundenbezogen oder ob es sich auf einen mehr oder weniger stark
ausgeprägten anonymen Markt richtet. Die daraus entstehenden vier Geschäftstypen
lassen sich wie nachfolgend beschrieben charakterisieren (vgl. Backhaus 2003, S.
323).
2.4.1. Das
Produktgeschäft
Im Produktgeschäft werden Leistungsangebote vermarktet, die dadurch
gekennzeichnet sind, dass sie nicht einzelkundenspezifisch, sondern für einen
breiteren anonymen Markt ­ ein Marktsegment oder einen Gesamtmarkt ­ entwickelt

13
worden sind (vgl. Backhaus 2003, S. 324). Bei diesen Angeboten handelt es sich in
der Regel um bereits vorgefertigte und in Mehrfachfertigung erstellte Leistungen, die
von Nachfragern zum Zwecke des Ge- oder Verbrauchs gekauft werden (vgl.
Hofbauer / Hellwig 2005, S. 46). Darüber hinaus bindet sich der Käufer bei
Folgekaufentscheidungen nicht an die vormals getroffenen Entscheidungen, d.h. es
bestehen keine Abhängigkeiten erzeugende Kaufverbunde. Der Käufer ist vielmehr
bei allen Folgeentscheidungen wieder völlig frei. Der Vermarktungsprozess ist durch
ein hohes Maß an Routine gekennzeichnet. Da Leistungen, die im Produktgeschäft
vermarktet werden, keine oder vernachlässigbare Folgewirkungen auf
Wiederkaufentscheidungen haben, reduziert sich die Marketing- und
Vertriebsproblematik auf eine effiziente und effektive Informationspolitik vor dem
Kauf. Das Produktgeschäft besitzt von den vier Geschäftstypen den geringsten
Spezifitätsgrad und die größten Ähnlichkeiten zum Konsumgütermarketing (vgl.
Backhaus 2003, S. 328). Kritische Erfolgsfaktoren im Produktgeschäft stellen neben
einem hohen Lieferservicegrad die Bereitstellung eines adäquaten internen
Kommunikationssystems im kunden- und produktorientierten Vertrieb dar (vgl. Belz /
Reinhold 1999, S. 68 f.).
2.4.2.
Das Systemgeschäft
Das Systemgeschäft ist, wie das Produktgeschäft, dadurch gekennzeichnet, dass
Leistungen für einen anonymen Markt bzw. ein bestimmtes Marktsegment konzipiert
werden. Zwar kann der Beschaffungsprozess auf Nachfragerseite ein hohes Maß an
Individualität aufweisen, aber Anbieter, deren Leistungen von Nachfragern im
Systemgeschäft nachgefragt werden, entwickeln ihre Angebote jedoch im Vorfeld
des Vermarktungsprozesses (vgl. Backhaus 2003, S. 599). Wesentlicher Unterschied
ist jedoch, dass beim Systemgeschäft eine sukzessive Abfolge hintereinander
geschalteter Kaufprozesse besteht, die eine innere Verbindung aufweisen und damit
zu einem zeitlichen Kaufverbund führen (vgl. Backhaus 2003, S. 325). Beispielsweise
mit der ersten Investition in ein Betriebssystem für Computer legt sich der Nachfrager
auf eine Systemarchitektur fest. Diese Entscheidung führt zu einer Systembindung,
die restriktiv auf mögliche Auswahlalternativen bei Folgekäufen wirkt und ein hohes
Maß an Unsicherheit für den Nachfrager in sich birgt. Ein Abhängigkeitsverhältnis
des Nachfragers vom Anbieter ist die Folge. Der Kunde ist bei Systemerweiterungen

14
auf herstellerspezifische Systemkomponenten angewiesen. Da die Kaufentscheidung
wesentlich durch Unsicherheit geprägt ist, ist es aus Anbietersicht entscheidend,
Maßnahmen zur Unsicherheitsreduktion zu treffen (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S.
46).
Backhaus
(vgl. 2003, S. 631 f.) beschreibt zwei Kategorien zur
Unsicherheitsreduktion im Systemgeschäft. Die erste Strategie ist die Reduktion der
Unsicherheit durch Verringerung der Systembindung mittels Abbau des
Bindungseffektes. Ziel ist es dabei das anfragerseitige Risiko zu reduzieren indem
z.B. durch Standardisierungsbemühungen eine geringere Spezifität zu einer höheren
Nachfragerakzeptanz führt. Eine weitere Möglichkeit bieten Systemleasingangebote.
Durch eine Senkung der Einstiegsinvestitionskosten wird die empfundene
Kaufunsicherheit reduziert. Die zweite Strategie zur Unsicherheitsbehandlung zielt
auf den Aufbau einer Gegenposition zum Bindungseffekt ab. Garantieversprechen
und glaubhafte Zusicherungen können hier als Maßnahmen gegen opportunistisches
Anbieterverhalten ergriffen werden. Garantien sind ein Instrument der freiwilligen
Selbstbindung des Anbieters, die vertraglich abgesichert sind (vgl. Kaas 1992, S.
893). Glaubhafte Zusicherungen stellen dagegen eine informelle Selbstbindung des
Anbieters dar. Sie sind vertraglich nicht abgesichert. Ziel hierbei ist es, mit Hilfe
dieser Maßnahmen eine Gegenposition zur anbieterseitigen Ausbeutungsgefahr des
Bindungseffektes zu erzeugen, sodass der Nachfrager ein ,,Faustpfand" für die Dauer
des Systemgeschäftes hat (vgl. Backhaus 2003, S. 632). Um im Systemgeschäft
erfolgreich zu sein, bedarf es eines schlanken, optimierten und standardisierten
Vertriebes mit hoher technischer Kompetenz bzw. der Überwindung von
Kundenvorbehalten gegenüber einer langfristigen Fixierung auf Systeme und
Architekturen (vgl. Belz / Reinhold 1999, S. 68 f.).
2.4.3.
Das Zuliefergeschäft
Im Zuliefergeschäft wird eine Leistung in großer Stückzahl identisch produziert, aber
kundenindividuell entwickelt. Ziel ist es eine langfristige Geschäftsbeziehung mit dem
Kunden aufzubauen. In der Regel handelt es sich dabei um Leistungen, bei welchen
der Kunde in seinen Kaufprozessen längerfristig an diese einmal entwickelte Lösung
gebunden ist. Synonym für den Begriff des Zuliefergeschäfts wird in der Literatur

15
häufig der Begriff des OEM Geschäfts (Original Equipment Manufacturer) verwendet.
Charakteristisch für das OEM-Geschäft sind Transaktionen von Spezial-
komponenten, die speziell für einen Anbieter entwickelt werden. Typisches Beispiel
sind die individualisierten Leistungsangebote von Zulieferanten im Automobilgeschäft
(vgl. Backhaus 2003, S. 325). Optimierte Lieferprozesse (Just-in-Time) und effiziente
elektronische Vernetzung mit dem OEM-Kunden zählen im Zuliefergeschäft zu den
wesentlichsten Erfolgsfaktoren (vgl. Belz / Reinhold 1999, S. 68 f.).
2.4.4. Das
Anlagengeschäft
Das Anlagengeschäft ist, wie auch das Produktgeschäft, durch einen in sich sehr
abgeschlossenen Kaufprozess gekennzeichnet, da kein zeitlicher Kaufverbund zu
anderen Leistungen besteht. In Abgrenzung zum Produkt- und Systemgeschäft
werden im Anlagengeschäft aus Anbietersicht Leistungen nicht für den anonymen
Markt, sondern individuell für den einzelnen Kunden konzipiert. Leistungsangebote,
die im Anlagengeschäft vermarktet werden, sind damit im Vergleich zum
Produktgeschäft durch einen vergleichsweise hohen Spezifitätsgrad gekennzeichnet,
d.h. eine konkret erstellte Anlage findet in der Regel in identischer Weise keinen
weiteren Abnehmer am Markt (vgl. Backhaus 2003, S. 324). Es werden komplexe,
attraktive und innovative Großprojekte mit hohen Umsatz- und Ertragschancen, aber
auch hohen Risken (Finanzierung, Wechselkurse, Technik, Politik, etc.) vermarktet.
Der Vermarktungsprozess findet schon vor dem Fertigungsprozess statt, da die
Individualität der Leistung eine vor der Vermarktung liegende Fertigung unmöglich
macht. Anbieter und Nachfrager sind gemeinsam in den Leistungserstellungsprozess
integriert. Der Kunde formuliert zunächst seine Wünsche, die dann in der Wertkette
des Herstellers entsprechende Prozesse in Gang setzen. Dabei sind häufig
Abstimmungen mit dem Kunden während der verschiedenen Phasen des
Leistungserstellungsprozesses notwendig. Prinzipiell ist das Anlagengeschäft wegen
seiner Kundenindividualität durch erhebliche Risken sowohl für die Nachfrager- als
auch die Anbieterseite gekennzeichnet (vgl. Backhaus 2003, S. 481 f.). Ein gezielter
und individualisierter Vertriebsprozess nach Leistung und Kundenanforderungen,
sowie ein effektives Risikomanagement für Aufwand und Trefferchance von
Angeboten bilden im Anlagengeschäft die wichtigsten kritischen Erfolgsfaktoren (vgl.
Belz / Reinhold 1999, S. 68 f.).

16
2.5. Abgrenzung der Arbeit durch spezifische vertriebliche
Vermarktungsbesonderheiten
Nachfolgende durch den Autor festgelegte Besonderheiten im Vermarktungsprozess
stellen die Grundlage für die Abgrenzung dieser Arbeit, auf Basis der zuvor
angeführten Geschäftstypenansatzes von Backhaus dar:
· multipersonelle Einkaufsentscheidungen
Die Kaufentscheidungen auf Kundenseite werden immer durch eine Gruppe
von Personen entschieden. Dieses Entscheidungsgremium setzt sich aus
Personen von verschiedenen Abteilungen (Einkauf, Technik, Qualitäts-
management, Management) zusammen.
· kleines Marktsegment
Das sich bietende Marktsegment ist in der Regel auf fünf bis zehn Abnehmer
pro Land auf Kundenseite beschränkt.
· individuelle Kundenlösungen
Die angebotenen Lösungen sind immer auf die individuellen
Kundenanforderungen zugeschnitten. Es gibt keine Standardlösung, die ohne
intensive Anpassungen für eine Kundenausschreibung verwendet werden
kann.
· hohe Bedeutung der Kunden- bzw. Anfragenselektion
Durch einen sehr zeitintensiven Vor-Verkaufsprozess und den damit
verbundenen Kosten (Projektentwicklungs- und Angebotskosten), sowie einer
limitierten Anzahl an vertrieblichen und technischen Ressourcen kommt der
Kunden- bzw. Anfragenselektion eine sehr hohe Bedeutung zu.
· lange Dauer des Entscheidungsprozesses
Durch die Komplexität der Projekte zieht sich die Dauer des kundenseitigen
Evaluierungs- und Entscheidungsprozesses meist über mehrere Wochen bzw.
Monate.
· starke Kundenintegration
Der hohe Spezifitätsgrad der Lösungen bedarf einer intensiven Einbindung
des Kunden während der gesamten Vor-Verkaufsphase um sicherzustellen,
dass sich die angebotene Lösung mit den Erwartungen des Kunden
größtmöglich deckt.

17
· hohe Kosten im Vor-Verkaufsprozess
Durch den Einsatz vertrieblicher und technischer Ressourcen im Vor-
Verkaufsprozess bzw. eventuellen Teststellungen ergeben sich oft bereits in
diesem Stadium hohe Kosten, die im Falle einer Nichtbeauftragung nicht
gedeckt sind.
· Risken & Unsicherheiten durch lange Projektlaufzeiten
Die Projektlaufzeiten, nach erfolgreichem Vertragsabschluss, dauern je nach
Komplexität des Projektes von einigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren.
Risiken und Unsicherheiten durch z.B. Rohstoffpreisänderungen bzw.
Zahlungsausfälle sind bereits im Verkaufsprozess zu bewerten und zu
berücksichtigen.
· Vermarktungsprozess findet vor dem Produktionsprozess statt
Bei den angebotenen Lösungen findet der Vermarktungsprozess zum Großteil
vor dem Fertigungsprozess statt.
Auf Basis dieser vertrieblichen Vermarktungsbesonderheiten nimmt der Autor eine
Abgrenzung der Arbeit für die folgenden Kapitel, auf Basis des in Kapitel 2.4.
erläuterten Geschäftstypenansatzes vor. Den zentralen Schwerpunkt dieser Arbeit
bildet demnach der technische Vertrieb von erklärungsintensiven Investitionsgütern
im Anlagengeschäft.

18
3.
Die Prozessorientierung im Vertrieb von Anlagen
Nach einer Einführung in die Prozessorientierung im Vertrieb von Anlagen geht der
Autor in diesem Kapitel auf die Bedeutung eines wesentlichen Merkmales des
Beschaffungsprozesses von Anlagen, der multipersonalen Einkaufsentscheidung,
näher ein. In diesem Zusammenhang werden die Einflussfaktoren dieses
Beschaffungsverhaltens und die Rollen des Buying Center Netzwerks erläutert. Den
Hauptteil dieses Kapitels bildet eine kritische Würdigung von drei im Detail
vorgestellten Verkaufsprozessmodellen, vor dem Hintergrund der
Selektionsnotwendigkeit. Die angeführten Modelle von Ackerschott, Hofbauer und
das Sales Funnel Modell wurden aufgrund ihrer Eignung insbesondere im Projekt-
bzw. Anlagengeschäft ausgewählt.
3.1. Der Vertrieb als Prozess im Anlagengeschäft
Die klassische Organisationsgestaltung zielt auf Produktivitätserhöhung durch
funktionale Arbeitsteilung und Spezialisierung ab. Die Bildung von organisatorischen
Einheiten und einer formalen Stellenhierarchie steht im Zentrum dieser
Organisationsgestaltung (vgl. Vahs 2001, S. 189). Folge einer derartigen
Funktionalorganisation ist, dass zahlreiche Organisationseinheiten und Stellen an
einzelnen Geschäftsprozessen des Unternehmens beteiligt sind. Zeit- und
Kostenvorteile können durch diese Organisationsgestaltung häufig nicht realisiert
werden, da durch Abstimmungsschwierigkeiten und Ressortegoismen gewisse
Redundanzen und Doppelarbeiten auftreten. Insbesondere im Vertrieb von Anlagen
sind, durch die Komplexität der Projekte deutlich mehr Einheiten involviert als dies im
Produkt- oder Zuliefergeschäft der Fall ist. Durch die große Anzahl der dabei
entstehenden Schnittstellen besteht bei der Durchführung von Geschäftsprozessen
ein verglichen wesentlich höherer Koordinationsbedarf (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005,
S. 50).
Viele Unternehmen haben sich daher dazu entschlossen, den Vertrieb nicht nur als
eine Spezialaufgabe oder -funktion zu betrachten, sondern als einen eigenständigen
Prozess zu institutionalisieren. Damit begeben sie sich auf den Weg zu einer

19
Prozessorganisation, die im Gegensatz zu einer herkömmlichen Funktional-
organisation darauf abzielt, durchgängige, kundenbezogene Prozesse zu definieren
und zu managen (vgl. Diller et al. 2005, S. 52 f.).
Die Funktionalorganisation wird durch Organigramme mit einzelnen
Funktionsblöcken beschrieben, für welche die Aufgabe an sich im Mittelpunkt steht.
Damit ist sie wenig kundenorientiert und sehr statisch. Die Ablauf- oder
Prozessorganisation hingegen, die durch ihre Prozessorientierung gekennzeichnet
ist, wird durch Verfahrensanweisungen, Abläufe und Inhalte beschrieben, die auf den
Kunden ausgerichtet sind und kann jederzeit dynamisch an die Gegebenheiten
adaptiert werden (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 50). Die Prozesse in einer
Prozessorganisation verknüpfen mindestens zwei Aktivitäten und zwar unabhängig
von strukturorganisatorischen Grenzen (vgl. Zachau 1995, S. 11). Sie werden als
repetitive Tätigkeiten mit dem Zweck verstanden, einen materiellen oder
immateriellen Input in einen entsprechenden messbaren Output zu verwandeln (vgl.
Davenport 1993, S. 5).
Grundlage des Prozessmanagements im technischen Vertrieb ist die Tatsache, dass
es bei den betreffenden Vermarktungsprozessen neben der Verknüpfung
unternehmensinterner Aktivitäten immer auch zu einer Verknüpfung der
Wertschöpfungsketten zwischen Anbietern und Nachfragern kommt. (vgl.
Kleinaltenkamp 1998, S. 6). Diese lässt sich mit dem Modell der Wertkette von Porter
veranschaulichen (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Wertkette nach Porter
Quelle: In Anlehnung an Porter 1986, S. 63

20
Der Grundgedanke dabei ist, dass jedes Unternehmen als eine Ansammlung von
Prozessen angesehen werden kann. Alle Funktionsbereiche, wie Marketing, Vertrieb,
Logistik, Produktion, Forschung usw., tragen mit allen von ihnen durchgeführten
Tätigkeiten zur Erreichung des Unternehmenszwecks bei. Hierbei werden die
Tätigkeiten nach primären und unterstützenden Aktivitäten unterschieden. Primäre
Aktivitäten umfassen die Herstellung eines Produkts bzw. einer Dienstleistung sowie
den Verkauf und die Auslieferung der Leistung. Die unterstützenden Aktivitäten
dienen dazu, die primären Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Ein Unternehmen erzielt
gemäß diesem Konzept dann einen Gewinn, wenn der am Markt erzielte Wert der
Unternehmensaktivitäten die Kosten der dafür in den einzelnen Funktionen
durchzuführenden Prozesse übersteigt. Durch die sich im Rahmen des technischen
Vertriebes vollziehende Verknüpfung der Wertketten von Anbietern und Nachfragern
können sich nun auf beiden Seiten sowohl der Wert als auch die Kosten der
Prozesse verändern. Ein Anbieter greift vor allem im Anlagengeschäft durch seine
Leistungen sehr weit reichend in die Wertkette des Nachfragers ein und beeinflusst
damit dessen Möglichkeiten zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Im Zuge des
zunehmenden Wettbewerbsdrucks kommt dieser Prozessverknüpfung die größte
Bedeutung zu. Denn um erfolgreich sein zu können müssen die Anbieter permanent
nach Wegen suchen, um die Wertschöpfungskette ihrer Kunden zu verbessern (vgl.
Kleinaltenkamp 1998, S. 6 f.).
Prozessorientierung schafft Transparenz und fördert das Verständnis für die
Gesamtzusammenhänge im Unternehmen. Die erfolgsrelevanten Prozesse werden
identifiziert und das Unternehmen wird auf die wertschöpfenden Aktivitäten
fokussiert. Die systematische Strukturierung der Prozesse senkt die Durchlaufzeiten
und erhöht die Prozessqualität (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 50).
Bei der Einordnung der Vertriebsprozesse in den Gesamtkontext der
Unternehmensprozesse können diese sogar als Kernprozesse charakterisiert
werden, weil sie stets bei den Kunden des Unternehmens münden. Somit können sie
entscheidend zur Kundenzufriedenheit beitragen und besitzen damit eine zentrale
Bedeutung für die Wertschöpfungskette des Unternehmens (vgl. Diller et al. 2005, S.
53).

21
Die mit der Prozessorientierung eng verbundene Kundenorientierung unterstreicht
daher die Bedeutung einer prozessorientierten Betrachtung des Vertriebes. Der
Vertriebsprozess ist dabei als eine Prozesskette zu sehen, die aus zahlreichen
zusammenhängenden Prozessen bzw. Prozessphasen besteht. Besonderes
Merkmal im technischen Vertrieb von Anlagen ist, dass sowohl die Anzahl der
Prozessphasen bzw. auch deren Dauer von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich
ausfallen können. (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 50-52).
3.2. Die besondere Bedeutung des Buying Centers im
Vertriebsprozess von Anlagen
Im Gegensatz zum Produkt- und Zuliefergeschäft werden im Anlagengeschäft
Beschaffungsentscheidungen auf Kundenseite häufig von mehreren Beteiligten aus
verschiedenen Abteilungen gefällt. Man spricht hierbei von einer multipersonalen
Beschaffungsentscheidung. Je neuartiger das zu lösende Beschaffungsproblem, je
komplexer die zu erwerbenden Produkte und Dienstleitungen und je höher das
Auftragsvolumen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass mehrerer Fachleute
des Kunden an einer Gruppenentscheidung beteiligt sind. All diese Spezifika sind
typischerweise im Anlagengeschäft gegeben. Diesem Merkmal kommt im
Vertriebsprozess von technischen Anlagen eine wesentliche Bedeutung zu (vgl.
Kuhlmann 2001, S. 245 f.).
Das heißt in der Praxis, dass in Einkaufsgremien zu unterschiedlichen Zeitpunkten
einer Entscheidung verschiedene Personen unterschiedliche Rollen wahrnehmen
(vgl. Hermes 2006, S. 12). Die gedankliche Zusammenfassung aller am Kaufprozess
beteiligten Personen bezeichnet man als Buying Center. Der Grundgedanke des
Buying Centers ist später um den Aspekt des zwischen Mitgliedern bestehenden
interpersonalen Netzwerks von Beziehungen und dem darauf basierenden Begriff
des Buying Networks erweitert worden (vgl. Backhaus 2003, S. 71).
Der Beschaffungsprozess in einem kleineren Unternehmen in einer eher
konservativen Branche ist meist dadurch gekennzeichnet, dass der Inhaber oder
Geschäftsführer gleichzeitig auch die Entscheidungsfunktion bezüglich
geschäftsrelevanter Anschaffungen innehat (vgl. Hermes 2006, S. 12). Im

22
Anlagengeschäft ist hingegen das Beschaffungsverhalten durch eine Reihe von
situativen Einflussfaktoren bestimmt (vgl. Backhaus 2003, S. 64).
In Abbildung 4 sind diese Einflussfaktoren überblicksartig zusammengestellt.
Abbildung 4: Einflussfaktoren des organisationalen Beschaffungsverhaltens
Quelle: In Anlehnung an Backhaus 2003, S. 64
Der große Kreis stellt die Nachfragerseite (N) dar. Die beiden kleinen Kreise
beschreiben einerseits die Anbieterseite (A) bzw. parallel dazu auch noch die Seite
des konkurrenzierenden Anbieters (K), der ebenfalls Einfluss auf das
Beschaffungsverhalten des Nachfragers ausübt. Einen wichtigen Komplex von
Einflussfaktoren des Nachfrageverhaltens bildet der so genannte Kauftyp. Je nach
Investition und Art des Anlasses ­ Erstkauf oder Wiederkauf ­ wird das
Kaufverhalten variieren. Neben dem Kauftyp sind auch Einflussgrößen, die in der
Organisation selbst liegen, für Ablauf und Struktur der Beschaffungsentscheidung
von Bedeutung. Dezentral organisierte Unternehmen delegieren mehr
Beschaffungsentscheidungskompetenz als stärker zentralisierte Unternehmen.
Weiters können auch Entwicklungen in der Umwelt zu Veränderungen im

23
Kaufverhalten führen. Den zentralen beeinflussenden Faktor stellt jedoch die
Zusammensetzung des kaufentscheidenden Gremiums ­ das Buying Center ­ für
das Beschaffungsverhalten dar. Mit größer werdendem Buying Center verlängert sich
in der Regel der Beschaffungsprozess (vgl. Backhaus 2003, S. 64 f.).
Speziell im Anlagengeschäft, das durch investitionsintensive Beschaffungen
gekennzeichnet ist, kann dieser Beschaffungsprozess über mehrere Wochen, ja
sogar Monate gehen. Durch die Komplexität der Anlagenprojekte sind im Vergleich
zu Produkt- oder Zuliefergeschäften wesentlich mehr Personen aus verschiedensten
Abteilungen (Einkauf, Technik, Qualitätsmanagement, Service, usw.) Teil dieses
Gremiums (vgl. Vortrag Dalheimer, 2006).
Darüber hinaus beeinflussen auch die Beziehungen zwischen den am Kaufprozess
beteiligten Personen deren Verhalten und damit das Ergebnis des
Kaufentscheidungsprozesses. Wie das Buying Center beeinflusst auch das Selling
Center, das Verkaufsteam des Anbieters, den Beschaffungsprozess. Bestehen
zwischen bestimmten Mitgliedern des Buying Centers und jenen des Selling Centers
langjährig gewachsene, gute persönliche Kontakte, so verläuft der
Beschaffungsprozess anders als im Fall, wenn beide Parteien zum ersten Mal
aufeinander treffen. Das Selling Center findet sich natürlich auch bei jedem
konkurrierenden Anbieter wieder und versucht den Beschaffungsentscheidungs-
prozess positiv zu deren Gunsten zu beeinflussen. Diese Einflussfaktoren stehen
allerdings nicht isoliert nebeneinander, sondern bedingen sich zum Teil gegenseitig
(vgl. Backhaus 2003, S. 64 f.).
Besonders im technischen Vertrieb von investitionsintensiven Anlagen ist es zur
Einschätzung der eigenen Erfolgswahrscheinlichkeit von entscheidender Bedeutung
im Vertriebsprozess frühzeitig herauszufinden wer die beteiligten Personen des
Buying Centers des Kunden sind. Neben der Bestimmung der Mitglieder gilt es
herauszufinden welche Rolle sie in diesem Gremium einnehmen und wie sie dem
Anbieter gegenüber eingestellt sind. Davon hängt die Entscheidung über die
Intensität und die Ressourcenkapazität ab, mit der ein Projekt weiter verfolgt wird. In
wenig Erfolg versprechenden Fällen sollte bereits in der Anfangsphase entschieden
werden ein konkretes Projekt nicht zu verfolgen und den Fokus auf andere mehr

24
Erfolg versprechende Projekte zu richten. Damit lässt sich der Vertriebsprozess
optimieren und als Resultat die Produktivität des Vertriebes erhöhen (vgl. Vortrag
Dalheimer, 2006).
Das Rollenkonzept von Webster / Wind (vgl. 1972, S. 78 f.) unterscheidet fünf
verschiedene Rollen im Rahmen eines Buying Centers (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5: Mitglieder des Buying Centers
Quelle: In Anlehnung an Webster / Wind 1972, S. 78
Der Einkäufer (Buyer) hat die formale Befugnis Lieferanten auszuwählen und
Kaufabschlüsse zu tätigen. Er gehört in der Regel der Einkaufsabteilung eines
Unternehmens an. Benutzer (User) sind die Personen, die später das gekaufte Gut
anwenden. Sie haben speziell im Anlagengeschäft eine Schlüsselstellung im
Beschaffungsprozess, da sie Erfahrungsträger im Hinblick auf die technische Qualität
der offerierten Anlagen sind. Die Funktion des Beeinflussers (Influencer) nehmen
Personen ein, die formal nicht am Kaufprozess beteiligt sind, aber über ein
Beschaffungsobjekt durch (informelle) Einflussnahme mit entscheiden. Sie legen z.B.
bestimmte Normen order technische Mindestanforderungen fest.
Informationsselektierer (Gatekeeper) kontrollieren und filtern den Informationsfluss
im und in das Buying Center. Assistenten von Entscheidungsträgern üben durch ihre
Entscheidungsvorbereitung einen indirekten Einfluss auf die Entscheidung aus. Als
Entscheider (Decider) werden die Organisationsmitglieder bezeichnet, die aufgrund
ihrer Machtposition letztlich die Auftragsvergabe bestimmen. Im Anlagengeschäft,
das durch Großinvestitionen gekennzeichnet ist, nimmt diese Funktion häufig ein
Mitglied der Unternehmensleitung wahr. Diese definierten Rollen sind aber

25
keineswegs überschneidungsfrei. So kann eine Person durchaus mehrere Rollen
innehaben (vgl. Backhaus 2003, S. 76 f.).
In Beschaffungsprozessen mit sehr großen Buying Centern, womit vor allem der
Vertrieb im Anlagengeschäft häufig konfrontiert ist, kommt erschwerend noch hinzu,
dass sich viele Mitglieder in ihren unterschiedlichen Rollen gar nicht kennen. Dies
liegt in der Natur eines großen Unternehmens. Weiters verfolgen die einzelnen
Mitglieder des Buying Centers oft ganz unterschiedliche Interessen, die nicht immer
nur eine optimale Lösung für das konkrete Projekt zum Ziel haben. Interne
Machtkämpfe oder Profilierungsaktionen können Basis für etwas abweichende
Interessen sein (vgl. Vortrag Dalheimer, 2006).
Aufgrund der sehr komplexen und techniklastigen Projekte im Anlagengeschäft wird
dem Benutzer (User) eine wesentlich bedeutendere Rolle zuteil, als dies z.B. im
Produktgeschäft der Fall ist. Dort sind eher die Einkäufer die Schlüsselfunktion, da
die angebotenen Güter und Leistungen wesentlich einfacher zu vergleichen sind (vgl.
Backhaus 2003, S. 77).
Jedoch selbst wenn die Analyse des Buying Centers mit deren Mitgliedern und
entsprechenden Rollen zufrieden stellend erfolgt ist, gelten die Antworten, speziell im
technischen Vertrieb von Anlagen, meist nur für eine Beschaffung. Schon bei der
nächsten Anschaffung sind in aller Regel teilweise schon wieder andere Personen
Teil des Buying Centers (vgl. Hermes 2006, S. 13). Sich im Feld solch komplexer
formaler Entscheidungsstrukturen zurechtzufinden, bringt einen entscheidenden
Vorteil gegenüber dem Wettbewerb (vgl. Homburg et al. 2004, S. 63).

26
3.3. Kritische Würdigung von Verkaufsprozessmodellen vor dem
Hintergrund der Selektionsnotwendigkeit
Unabhängig von der Branche kann für jedes Unternehmen der Vertriebsprozess als
erfolgskritischer Kernprozess gesehen werden. Die Vertriebsführung mit Methode
schafft Transparenz im Verkaufsprozess und wird traditionell in verschiedene Phasen
untergliedert, welche eine Abfolge akquisitorischer Bemühungen um den Kunden
beinhalten (vgl. Diller et al. 2005, S. 43).
Gerade im technischen Vertrieb von Anlagen gilt es bereits in einer frühen Phase des
Vertriebsprozesses festzulegen, welcher Kunde bzw. welches Projekt intensiv
verfolgt werden soll. Diese frühzeitige Selektion von Kunden sowie von konkreten
Anfragen ist von sehr wesentlicher Bedeutung, da Projekte im Anlagengeschäft
durch eine sehr zeit- und kostenintensive Vorakquisitionsphase für den Anbieter
gekennzeichnet sind (vgl. Backhaus 2006, S. 493 f.). Für Anlagenprojekte kann die
Vorakquisitionsphase oft mehrere Wochen, Monate, sogar Jahre betragen. Unter
diesem Aspekt wird ein Unternehmen nur Projekte verfolgen, die eine hohe
Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen (vgl. Vortrag Dalheimer, 2006).
In der Literatur finden sich verschiede Ansätze möglicher Vertriebsprozessmodelle.
Kotler / Bliemel (vgl. 2001, S. 1054) führen in ihrem Modell schematisch sieben
wesentliche Phasen des Vertriebsprozesses an. Diese Phasen gliedern sich von der
Suche nach geeigneten Kunden über eine Vorannäherung, gefolgt von einer
Annäherungsphase hin zur Angebotspräsentation, der Beseitigung von Einwänden
bis hin zum Abschluss und der anschließenden Nachbetreuung.
Kuhlmann (vgl. 2001, S. 233) unterscheidet wiederum sechs Phasen, nämlich die
Phasen der Kontaktaufnahme und Anfragenauslösung, die Anfragenbewertung und
Angebotserstellung, die Verhandlungsphase, die Kaufabschlussphase, die
Auftragsverfolgung sowie als letzte Phase die Kundenbetreuung und
Nachkaufphase. Diller et al. (vgl. 2005, S. 43 f.) vergröbern diese Aufteilung des
Vertriebsprozesses und definieren drei Grobphasen, nämlich die
Kundenannäherung, die Kundengewinnung und die Kundenpflege, die weiters in
strategische und operative Unterprozesse untergliedert werden.

27
Drei Verkaufsprozessmodelle, die insbesondere im Anlagengeschäft ihre Anwendung
finden, werden vor dem Hintergrund der Selektionsnotwendigkeit in den
nachfolgenden Subkapiteln durch den Autor kritisch beleuchtet.
3.3.1.
Das Verkaufsprozess-Modell von Ackerschott
Ackerschott´s (vgl. 2001, S. 19) Verkaufsprozess-Modell gliedert sich in sechs
Phasen und beschreibt einen Kreislauf. Der ideale Verkaufsprozess durchläuft
nacheinander den in Abbildung 6 dargestellten Zyklus.
Abbildung 6: Der Verkaufsprozess nach Ackerschott
Quelle: In Anlehnung an Ackerschott 2001, S. 21
In der Identifizierungsphase erkennt der Verkäufer eine Verkaufschance, bewertet
diese allgemein und erachtet sie entweder als lohnend oder als nicht lohnend. Er
nimmt damit eine Selektion vor und filtert alle Anfragen auf jene, die die größten
Erfolgswahrscheinlichkeiten bzw. eine strategische Komponente für die zukünftige
Geschäftsentwicklung aufweisen. Dieser Phase des Identifizierens von
aussichtsreichen Projekten folgt die Qualifizierungsphase. In dieser Phase werden
alle Kaufbeeinflusser bezüglich ihrer Rollen, Haltungen, geschäftlichen und
persönlichen Anforderungen analysiert. Neben der aktuellen Situationsanalyse soll
parallel versucht werden, das Kaufziel der Kaufbeeinflusser so zu steuern, dass
Vorteile gegenüber dem Wettbewerber erkennbar werden. Die beiden Phasen sind in
ihrer Wichtigkeit als gleich bedeutend einzustufen (vgl. Ackerschott 2001, S. 19 f.).

28
Hat man nun die Kaufbeeinflusser innerhalb eines Verkaufsprozesses optimal
positioniert, darf keineswegs vergessen werden, dass die Mitbewerber versuchen
werden, die Situation zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ziel ist es bis zur
letztendlichen Kaufentscheidung alle Kaufbeeinflusser in der für den eigenen Erfolg
vorteilhaften Position zu halten. Diese Phase des Verkaufsprozesses wird als
Verteidigungsphase bezeichnet. Ein in der Praxis häufig begangener Fehler ist,
sofort nach der Identifizierungsphase eines Projektes ein Angebot zu unterbreiten,
also direkt in die Angebotsphase einzusteigen, ohne zuvor die beiden anderen
Phasen zu durchlaufen. Diese Vorgangsweise wird als Fahrstuhleffekt bezeichnet
und stellt die denkbar schlechteste Vorgehensweise dar. Steigt man in den
Verkaufsprozess zu spät ein, bleibt oft nichts anderes übrig, als direkt nach der
Identifizierungsphase ein Angebot abzugeben. Die Chancen sind in diesem Fall
jedoch meistens gering, da die Wettbewerber oft schon alle Kaufbeeinflusser fest
positioniert haben. Wenn festgestellt wird, dass keine Möglichkeit besteht, durch
überzeugende Alleinstellungsmerkmale und optimalen Zugang zu den
Kaufbeeinflussern die eigene Position in letzter Minute zu verbessern, so sollte der
Verkaufsprozess besser beendet werden und die Kräfte auf andere
Verkaufspotentiale konzentriert werden (vgl. Ackerschott 2001, S. 20).
Im Anlagen- bzw. Großprojektgeschäft ist eine umfangreiche Qualifizierungsphase
für den letztendlichen Gewinn des Auftrages unumgänglich. Durch die technische
Komplexität der Projekte kommt dem Faktor Preis, im Vergleich zum Produkt- oder
Zuliefergeschäft, eine geringere Rolle zu. Also nur auf das billigste Angebot zu
setzen, ohne die wirklichen Kaufentscheider zu kennen und entsprechend zu
analysieren wird zuwenig sein. Im Produkt- oder Zuliefergeschäft, in dem oft nur auf
die Angebotsanforderung eines Kunden reagiert wird, hat man häufig keine andere
Wahl (vgl. Vortrag Dalheimer, 2006).
Das Manko des Fahrstuhleffektes lässt sich nur ausgleichen, wenn im Rahmen der
Kundenbindung die potentiellen Kaufbeeinflusser weit blickend ständig betreut
werden. An die Angebotsphase, in der das Kundenoffert ausgearbeitet und
übermittelt wird, schließt sich die Entscheidungsphase an, in der der Kunde die
Kaufentscheidung trifft. Der ständige Kontakt zu den Kaufbeeinflussern darf während
der Angebotsphase nicht abreißen, um ein Umkippen der erreichten Positionen durch

29
Aktivitäten der Wettbewerber zu vermeiden und eventuell auftretenden Schwächen
entgegenzuwirken. In diesem Sinne dehnt sich die Verteidigungsphase also bis zur
Entscheidungsphase aus. Ist die Kaufentscheidung gefallen, so schließt die
Realisierungsphase an. Ziel in der Realisierungsphase aus der Sicht des Vertriebes
soll nicht nur sein, den Abschluss maximal im Sinne einer Komplettlieferung
auszuschöpfen. Vielmehr gilt es zusätzliche, darauf aufbauende, neue
Verkaufschancen zu identifizieren und zu entwickeln (vgl. Ackerschott 2001, S. 20 f.).
Aus der Sicht des Autors beinhaltet das Verkaufsprozessmodell von Ackerschott
zwei Stadien, in dem eine Entscheidung über die Aufnahme bzw. die Fortführung von
Aktivitäten im Zuge des Verkaufsprozesses zu treffen ist. Einerseits wird in der
Identifizierungsphase darauf hingewiesen, dass der Vertriebsmann bewerten muss,
ob sich eine Verkaufschance für ihn als lohnend erweist. Damit ist bereits frühzeitig
darüber zu entscheiden, ob der Verkaufsprozess überhaupt aktiv begonnen wird
oder nicht. Dies stellt die erste Selektion von Anfragen auf Basis deren
Auftragswahrscheinlichkeit dar. Andererseits gilt es während des Verkaufsprozesses,
zwischen Qualifizierungs- und Verteidigungsphase abzuwägen, ob es möglich ist, die
Positionen der Kaufbeeinflusser nachhaltig zu eigenen Gunsten zu verbessern. Ist
dem nicht der Fall, stellt dies den zweiten Punkt zum Abbruch des
Verkaufsprozesses dar.

30
3.3.2.
Der Selling Cycle von Hofbauer
Hofbauer´s (vgl. 2005, S. 52) Selling Cycle unterteilt den gesamten Verkaufsprozess
in elf Phasen bzw. Subprozesse. Im Inneren des Selling Cycle sind wesentliche
Erfolgsfaktoren und Ziele der Vertriebsarbeit dargestellt. Prämisse und Input für den
Vertriebsprozess bildet die aus der Unternehmensstrategie abgeleitete
Vertriebsstrategie. Output eines erfolgreich durchgeführten Vertriebsprozesses sind
neben den kurzfristig erwirtschafteten Gewinnen und Deckungsbeiträgen die
Wertschöpfung in Form eines höheren Unternehmenswertes, eine Steigerung der
Kundenbeziehung und eine erhöhte Zufriedenheit der Mitarbeiter. In Abbildung 7 ist
der Selling Cycle mit all seinen Phasen dargestellt.
Abbildung 7: Der Selling Cycle nach Hofbauer
Quelle: In Anlehnung an Hofbauer / Hellwig 2005, S. 53
In Phase 1, der Organisation, geht es um die grundsätzliche Organisation des
Vertriebes im Unternehmen. Dieser Abschnitt bildet die Startphase in Hofbauer´s
Selling Cycle. Ausgangspunkt für die Gestaltung der Vertriebsorganisation ist die aus
der Unternehmensstrategie abgeleitete Vertriebsstrategie. Die Umsetzung der in
dieser Strategie festgelegten Stoßrichtungen wird durch eine erfolgreiche

31
Organisationsgestaltung ermöglicht. Das Resultat der Organisationsphase sind die
Vertriebsprozesse (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 67).
Im Anschluss an die Gestaltung der Vertriebsorganisation als Voraussetzung für
effektive und effiziente Marktausrichtung erfolgen die Phasen der Marktplanung und
der Kundenplanung. Resultat der Marktplanung ist die Segmentierung des Marktes
zur Identifikation relevanter Marktsegmente. In einem weiteren Detaillierungsgrad
werden in der Kundenplanung, die aus der Marktplanung resultierenden
Marktsegmente so spezifiziert, dass Kundensegmente identifiziert und bewertet
werden können. Darüber hinaus werden Kundenprofile erstellt, anhand derer
Maßnahmen zur Kundenbearbeitung abgeleitet werden können. Als Ergebnis der
Kundenplanung erhält man Aufschluss darüber, welche Kunden mit welchen
Strategien akquiriert werden sollen (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 91-101).
In der nachfolgenden Phase der Geschäftsanbahnung werden die
Geschäftsanbahnungen mit Neukunden (erstmalig) oder mit Bestandskunden
(wiederholt) geplant und die entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen
durchgeführt. Es werden Kommunikationsinhalte definiert, Kommunikations-
instrumente ausgewählt und auf den relevanten Kaufentscheider abgestimmt.
Resultat der Geschäftsanbahnung sollte im besten Fall eine Kundenanfrage sein
(vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 117 f.).
Die Phase Anfragenprüfung des Vertriebsprozesses beginnt mit der
Entgegennahme der Kundenanfrage. Im Rahmen der Anfragenprüfung werden die
Ziele, die der Kunde mit seiner Anfrage verfolgt, im Detail analysiert und geprüft, ob
die Anfrage unter technischen, wirtschaftlichen und logistischen Gesichtspunkten
realisierbar ist. Im Anschluss daran werden die relevanten Anfragen selektiert und
bezüglich der weiteren Bearbeitung priorisiert. Vorrangiges Ziel ist es jene
Kundenanfragen zu selektieren, die die größte Erfolgswahrscheinlichkeit aufweisen.
In diesem Zusammenhang geht es auch darum, die gesamten Angebotskosten zu
minimieren, da diese insbesondere bei komplexen Großprojekten im
Anlagengeschäft bis zu 5% des Auftragsvolumens betragen können (vgl. Hofbauer /
Hellwig 2005, S. 126 f.). Die selektierten Anfragen werden nun von Seiten des

32
Anbieters in der Angebotserstellungsphase mit einem ausgearbeiteten
Detailangebot beantwortet (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 133).
Die Phase der Vorklärung schließt sich an die Angebotserstellung an. Wenn der
Kunde das Angebot in die engere Wahl zieht, werden Gespräche zur Klärung offener
Punkte geführt. Insbesondere im Anlagengeschäft ist eine Vorklärungsphase Usus,
denn durch die Spezifität der Projekte bedarf es auf Nachfragerseite oft genauerer
technischer Detailgespräche, um die genaue Leistungsabgrenzung zu definieren.
Ziel im besten Falle sollte eine Vereinbarung sein, welche die Absicht zum
Vertragsabschluß schriftlich fixiert (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 149).
In der Verhandlungsphase wird die in der Vorklärung erzielte Vereinbarung in einen
konkreten Vertrag gebracht. Der aus der Vertragsunterzeichnung resultierende
Auftrag markiert das Ende der Verhandlungsphase. Inhalt dieser Phase bildet das
Vertragsmanagement, d.h. Vertragsverhandlungen, Ausarbeitung des Vertrags-
entwurfs, Anpassung bzw. Änderung von Verträgen und der Vertragsabschluß (vgl.
Hofbauer / Hellwig 2005, S. 160).
Nach erfolgreichem Vertragsabschluß erfolgt die Auftragsbearbeitung und
Leistungserstellung als Teil der Auftragsmanagementsphase. Im Anlagengeschäft
kann diese Phase mehrere Monate bzw. Jahre dauern. Am Ende dieser
Prozessphase steht die Implementierung des hergestellten Investitionsgutes in den
Leistungserstellungsprozess des Kunden (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 165).
Nach Auslieferung und Implementierung der Kundenbestellung sollte der Kontakt
zum Kunden nicht abreißen, sondern durch After-Sales-Betreuung aufrechterhalten
werden. Diese Phase trägt entscheidend zum wahrgenommenen Kundennutzen bei,
da die After-Sales-Betreuung in der für den Kunden wichtigsten Phase erfolgt, der
Nutzungsphase. Eine leistungsfähige und kundenorientierte After-Sales-Betreuung
leistet einen bedeutenden Beitrag zur langfristigen Loyalisierung der Kunden und
schafft somit eine wichtige Voraussetzung für den Wiederkauf bzw. die aktive
Referenzfunktion des Kunden (vgl. Hofbauer / Hellwig 2005, S. 172).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836604260
DOI
10.3239/9783836604260
Dateigröße
2.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Wien – Studiengang Marketing & Sales
Erscheinungsdatum
2007 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
vertriebsorganisation anlagengeschäft vertrieb lead management opportunity anlagen selektion
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Titel: Vertriebsprozessoptimierung und der Faktor Mensch
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