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Audio-Branding im aktuellen Kontext der Marken-Kommunikation

Zur Struktur und Funktion der Elemente von 'Corporate Sound'

©2006 Magisterarbeit 77 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Audio-Branding klingt gut – ‚Corporate Sound‘ noch besser. Marketing-Experten bekommen bei diesen Begriffen ein Funkeln in den Augen, das vermuten lässt, es handle sich hierbei um Wunderwaffen für die Behebung aktueller Probleme der Marken-Kommunikation. Fragt man jedoch nach einer umfassenden Beschreibung und Definition dieser Anglizismen, dann entpuppt sich mancher so genannter Experte schnell als Laie. Auch in aktuellen Medienberichten des Spiegel oder des Magazins ZEIT Wissen äußern sich Beliebtheit und Popularität des Themenkomplexes ‚Akustische Markenführung‘. Die Berichterstattungen wie Stellungnahmen der Marketing-Experten sind geprägt von dem Tenor, dass eine effiziente Markenführung nicht mehr ohne den Einsatz von Klang und Musik in einer strategischen Ausrichtung auskomme: ‚Corporate Sound‘ sei deshalb unverzichtbar, damit sich die Unternehmens- und Produktmarken von den Wettbewerbern explizit abheben und die Konsumenten sie in der Flut an Werbeinformationen überhaupt wahrnehmen.
Tatsächlich ist die Marken-Kommunikation heute gravierend veränderten Bedingungen ausgesetzt, die sich auf der einen Seite in einem zunehmend unübersichtlichen und qualitativ austauschbaren Angebot an Produktmarken sowie auf der anderen Seite in einem wachsenden Desinteresse der Markenkontaktpersonen gegenüber der Werbung in den Massenmedien manifestieren. Die zentrale Aufgabe einer an diese Bedingungen angepassten Marken-Kommunikationsstrategie besteht in der glaubhaften Vermittlung eines konsistenten Selbst- und Fremdbildes einer Marke. Unter diesen Prämissen wird im Rahmen der vorliegenden Magisterarbeit interdisziplinär die Notwendigkeit und das Potenzial der Anwendung von Audio-Branding und ‚Corporate Sound‘ herausgearbeitet: Als sensuale Kommunikationsstrategien ergänzen sie die Marke unter expliziter Berücksichtigung der aktuellen Marktstrukturen sowie des Rezeptionsverhaltens der Markenkontaktpersonen um eine weitere, nämlich die akustische Dimension.
Akustische Stimuli können als Kommunikationsinstrumente genutzt werden, weil, wie sich zeigen lässt, die ihnen zugrunde liegenden musikalischen Bausteine Teile eines umfassenden Zeichensystems sind und sich ihr vielfältiges Potenzial grundsätzlich in einem Wechselprozess zwischen Sender und Empfänger realisiert. Der von Marketing-Experten als Sender erfolgte Einsatz von Musik und Klang in strategischer Ausrichtung kann die Aufmerksamkeit der Markenkontaktpersonen als […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Martin Straka
Audio-Branding im aktuellen Kontext der Marken-Kommunikation
Zur Struktur und Funktion der Elemente von 'Corporate Sound'
ISBN: 978-3-8366-0274-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bonn, Deutschland,
Magisterarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
2.1 Branding
3
2.2 Audio-Branding
5
2.3 ,Corporate Sound`
8
3 Funktionen von Musik und Klang
3.1 Musik und Klang als Kommunikationsinstrumente
11
3.1.1 Syntaktik der Musik
12
3.1.2 Semantik der Musik
13
3.1.4 Pragmatik der Musik
14
3.2 Musik und Klang zur Aktivierung von Aufmerksamkeit
15
3.3 Musik und Klang zur Erhöhung der Lern- und Gedächtnisleistung 16
3.4 Musik und Klang zur Formung von Markenimages
17
3.5 Musik und Klang als identitätsstiftende Parameter
18
4 Erscheinungsformen der Elemente von ,Corporate Sound`
4.1 Audiologo
20
4.2 Jingle
21
4.3 Brand-Song und Corporate-Song
22
4.4 Brand-Soundscape
28
4.5 Interaktionsorientierte Sound-Elemente
31
4.6 Produkteigener Klang
33
4.7 Brand-Voice
35
5 Innermusikalische Wirkungs- und Funktionsaspekte von Audiologos
5.1 Audiologos zur Aktivierung von Aufmerksamkeit
37
5.2 Audiologos zur Vermittlung von Markenimage-Attributen
39
5.3 Audiologos zur Memorierung des Markennamens
43
5.4 Kritische Einschätzungen
48
5.5 Audiologo und Animation
50

Inhaltsverzeichnis
6 Studien zur Evaluation von Audiologos und ,Corporate Sound`
6.1 SoundLogo-Check von RMS/TNS-Emnid
53
6.2 SoundLogoEvaluation von diffferent, TNS-Emnid & Hastings
56
6.3 MetaDesign-Expertenstudie
59
7 Resümee und Ausblick
63
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
I
Publikationen
II
Websites
III Rundfunksendungen
Lebenslauf

Einleitung
1
1 Einleitung
Audio-Branding klingt gut ­ ,Corporate Sound` noch besser. Marketing-Experten
bekommen bei diesen Begriffen ein Funkeln in den Augen, das vermuten lässt,
es handle sich hierbei um Wunderwaffen für die Behebung aktueller Probleme der
Marken-Kommunikation. Fragt man jedoch nach einer umfassenden Beschreibung
und Definition dieser Anglizismen, dann entpuppt sich so mancher so genannter
Experte schnell als Laie.
Auch in aktuellen Medienberichten des Spiegel oder des Magazins ZEITWissen
äußern sich Beliebtheit und Popularität des Themenkomplexes ,Akustische Mar-
kenführung`.
1
Die Berichterstattungen wie Stellungnahmen der Marketing-Experten
sind geprägt von dem Tenor, dass eine effiziente Markenführung nicht mehr ohne
den Einsatz von Klang und Musik in einer strategischen Ausrichtung auskomme:
,Corporate Sound` sei deshalb unverzichtbar, damit sich die Unternehmens- und
Produktmarken von den Wettbewerbern explizit abheben und die Konsumenten sie
in der Flut an Werbeinformationen überhaupt wahrnehmen.
Mein Interesse für Audio-Branding wurde durch das populärste Element von ,Cor-
porate Sound`, das Audiologo geweckt: An einem warmen Abend im Juli zu meiner
Studienzeit in Hamburg saß ich bei offener Balkontür am Schreibtisch, um mich auf
die Semesterabschlussprüfungen vorzubereiten. Plötzlich wurde meine Aufmerk-
samkeit, die eigentlich auf die Prüfungsliteratur gerichtet war, von fünf (bzw. sechs)
aus dem Nachbarhaus erklingenden Tönen in Anspruch genommen, welche die
Telekom seit einiger Zeit quasi als Signatur am Ende von TV-Spots einsetzte. Zuvor
war mir nicht aufgefallen, dass der Nachbar seinen Fernseher eingeschaltet hatte,
das prägnante musikalische Kurzmotiv machte mich jedoch darauf aufmerksam,
obgleich es eine Dauer von weniger als zwei Sekunden aufweist. Darüber hinaus
erinnerte es mich noch an das ,,magentafarbene" Telekommunikationsunternehmen
­ denn beim Hören des Telekom-Audiologos erschien auch die dazugehörige Logo-
Animation vor meinem inneren Auge. Genervt schloss ich meine Balkontür.
Später, als Audio-Branding mehr Beachtung durch Medienberichte erhielt, er-
innerte ich mich wieder an dieses Erlebnis. Die Tatsache, dass mich die Telekom
erreichte, obwohl weder mein Blick noch meine Konzentration auf den TV-Spot, der
im Nachbarhaus lief, gerichtet waren, faszinierte mich, und ich begann nach Litera-
tur zu suchen, die sich explizit mit Konzepten des strategischen Einsatzes von Mu-
sik und Klang in der Marken-Kommunikation beschäftigt ­ allerdings mit geringem
Erfolg. Die wenigen Bücher und Aufsätze, die oftmals nur als eine Hinführung zu der
Thematik verstanden werden können, unterliegen nicht selten dem Dilemma eines
1
vgl. Spiegel: Magenta für die Ohren, 12.06.06, S. 89 und ZEITWissen: Die Diktatur der sanften
Klänge, 15.02.06, http://www.zeit.de/zeit-wissen/2005/04/Muzak.xml

Einleitung
2
primär wirtschaftswissenschaftlichen Ansatzes, der i. d. R. nur peripher die auditiven
Aspekte fokussiert, welche doch das Eigentliche des Gegenstands ausmachen.
Eine interdisziplinäre Annäherung an den Untersuchungsgegenstand erscheint
nicht nur aus erkenntnisleitendem Interesse bedeutend aufgrund bisher rudimen-
tärer oder gar fehlender Betrachtungen in der Musikwissenschaft, sondern ist wegen
der Vielschichtigkeit von Audio-Branding und ,Corporate Sound` geradezu unerläss-
lich. Unter diesen Prämissen werden im Rahmen dieser Magisterarbeit ausgewählte
Elemente von ,Corporate Sound` und deren Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf
die innermusikalischen Parameter hin untersucht, nämlich unter Berücksichtigung
wirtschaftswissenschaftlicher, zeichentheoretischer und wahrnehmungspsycholo-
gischer Aspekte. Eine kritische Beurteilung von Evaluationsverfahren zur Messung
der kommunikativen Wirkung von Audiologos schließt sich an.
In Kapitel 2 werden Audio-Branding und ,Corporate Sound` zunächst unter Be-
rücksichtigung verschiedenartiger Markenführungskonzepte definiert und in Bezug
auf ihre Funktions- und Einsatzkontexte dargestellt. Es wird verdeutlicht, in welcher
Art sich Audio-Branding von dem schlichten Einsatz von Musik in der Werbung ab-
grenzt und inwieweit es sich als Konzept von ,Corporate Sound` unterscheidet. Das
3. Kapitel stellt das Potenzial von Musik und Klang heraus, das für ein akustisches
Markenführungskonzept von Relevanz ist. Dabei werden primär unter zeichenthe-
oretischen Gesichtspunkten mögliche Funktionsaspekte von Musik und Klang he-
rausgearbeitet. Die Darstellung der wesentlichen Erscheinungsformen der Elemente
von ,Corporate Sound` hinsichtlich ihrer Einsatzzwecke und -ziele schließt sich im
Kapitel 4 an. Im 5. und 6. Kapitel tritt das Audiologo als das prägnanteste und popu-
lärste Element von ,Corporate Sound` in das Zentrum der Betrachtung: Nach einer
Bestimmung der zentralen Funktionen des musikalischen Kurzmotivs, die sich auch
aus den Erkenntnissen des 3. Kapitels ableiten, wird der immanent wichtigen Fra-
ge nachgegangen, wie und inwieweit die geforderten Funktionen des Audiologos
von den innermusikalischen Bausteinen determiniert werden. Im Weiteren unterzie-
he ich zwei Evaluationsstudien zur Messung der kommunikativen Wirkung von Au-
diologos einer kritischen Betrachtung und ebenso eine Expertenstudie, die sich dem
umfassenden Konzept ,Corporate Sound` widmet.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
3
2 Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
2.1 Branding
Branding (engl. für Brandmarken) war ursprünglich die Bezeichnung für die mit
einem heißen Brandeisen vorgenommene Kennzeichnung von Herdenvieh, um die
Tiere ihren Besitzern einfacher zuordnen zu können.
2
In der Unternehmenskom-
munikation heute wird unter Branding der mit Hilfe sämtlicher Kommunikationsin-
strumente durchgeführte strategisch kreative Aufbau von Marken verstanden; bei
allen relevanten unternehmensinternen als auch -externen Markenkontaktpersonen
sollen die markenimmanenten Leistungen und Werte durch Bilder, Texte, Worte,
Gerüche oder tastbare und eben auch durch Musik und Klänge bewirkte akustische
Eindrücke kommuniziert, d. h. eingebrannt werden, um eine konsumentenrelevante
Unterscheidbarkeit zu gewährleisten sowie eine Bindung an die Marke zu generie-
ren.
3
Das Verständnis vom Wesen, von der Funktion und Führung von Marken hat sich
im Verlauf der Wirtschaftsgeschichte kontinuierlich gewandelt und fortentwickelt.
Mit der Industrialisierung und den damit einhergehenden technischen Möglichkeiten
der Massenproduktion und des Massenvertriebs gehen grundsätzliche Verände-
rungen im Verhältnis zwischen Produkt und Nachfrager einher, die sich besonders
deutlich in der entpersonalisierten Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager
zeigen. Die sich daraus ergebende notwendige Entwicklung einer ersten Marken-
Kommunikationsstrategie führt schließlich zu dem Konzept der Marke als Instrument
der Informationsvermittlung. Der verloren gegangene Kontakt zu den Nachfragern
sowie deren verlorenes Vertrauen zu den Anbietern und deren Produkten sollen im
Rahmen einer ,instrumentellen Markenführung' reaktiviert werden, indem Marken,
eingesetzt als Systeme physischer Kennzeichen von Konsumgütern, Informationen
zur Herkunft, Beschaffenheit, zu Qualitätsmerkmalen und Bezugsmöglichkeiten der
Güter kommunizieren.
4
Nachdem im Verlauf dieser Wandlungsprozesse sich die Märkte von Verkäufer-
zu Käufermärkten entwickelt haben, sehen sich die Markenartikelhersteller schließ-
lich gezwungen, eine Umgestaltung der Absatzsysteme vorzunehmen: Die Preis-,
Produkt- und Distributionspolitik wird nun bestimmend für ein neues Markenfüh-
rungskonzept, nämlich ein ,funktionsorientiertes', das die Marke nicht nur als ein
Modell zur Kennzeichnung von Produkten versteht, sondern als eine spezifische,
2
vgl. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Branding, 29.04.06.
3
vgl. Murphy,J.M.: Branding: A Key Marketing Tool, 2. Aufl., London, 1992, S. 12.
4
vgl. Totz,C.: Interaktionsorientierte Markenführung. Bedeutung internetbasierter Formen der Kun-
deninteraktion für die Markenführung, Göttingen, 2005, S. 21.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
4
auf den Käufer hin ausgerichtete Verkmarktungsform.
5
Auch verstärkte Sättigungstendenzen auf vielen Absatzmärkten sowie gestie-
genes Preisbewusstsein der Verbraucher machen neue Markenführungskonzepte
notwendig, die nun ,,die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten als markenkon-
stituierende Instanz"
6
betonen. Das damit entfaltete ,wirkungsorientierte Markenver-
ständnis' basiert auf der Annahme, der Markenerfolg hänge nicht mehr allein nur
von dem funktionalen Grundnutzen eines Produktes oder einer Dienstleistung ab,
sondern auch von ,,einem innovativen, seelisch-geistig-informatorischen Zusatznut-
zen"
7
bzw. einem unverwechselbaren Konsumerlebnis, das der Verbraucher erfährt.
Nach diesem wirkungsorientierten Markenverständnis sind Marken ihrer Funktion
als rein anbieterzentriertes Konzept der Markenbearbeitung entwachsen. Es rückt
stattdessen die Entwicklung eines spezifischen Markenimages in den Fokus der Be-
trachtung, welches als konkretes, bildliches und quasi-sensorisches Vorstellungs-
bild in der Psyche der Konsumenten verankert werden soll, um deren Kauf- und
Auswahlentscheidungen zu beeinflussen.
8
Seit Anfang der 1990er Jahre wird die ,wirkungsorientierte Markenführung' mit
ihrer nach außen gerichteten Orientierung um eine nach innen gerichtete Per-
spektive ergänzt, welche die Identifikation mit den spezifischen Ressourcen des
markenführenden Unternehmens stiften soll. Das auf diesem Paradigmenwechsel
beruhende ,identitätsstiftende Markenführungskonzept' als eine Kombination von
außen- und innengerichteter Markenorientierung stellt demnach zusätzlich auch die
Markenidentität, das Selbstbild einer Marke aus der Sicht des Unternehmens, ins
Zentrum der Betrachtung.
9
Diese Ausweitung des Markenverständnisses basiert
auf der Annahme, dass die Konsumenten ihr Auswahl- und Entscheidungsverhalten
nicht allein vom Markenimage und den damit korrespondierenden Assoziationen
abhängig machen, sondern von einer glaubwürdig kommunizierten Übereinstim-
mung des Selbst- und Fremdbildes einer Marke. Charakteristisch für eine ,identi-
tätsorientierte Markenführung' ist außerdem, dass nicht nur die Konsumenten als
Bezugs- oder Anspruchsgruppen der Marke gelten, sondern auch die aktuellen oder
potenziellen Mitarbeiter, Lieferanten, Investoren, politischen Institutionen oder son-
stige Kooperationspartner.
5
vgl. ebd., S. 22.
6
ebd.
7
ebd., S. 23.
8
vgl. Bongartz, M.: Markenführung im Internet. Verhaltenstypen ­ Einflussfaktoren ­ Erfolgswir-
kungen. In: Schriftenreihe Unternehmensführung und Marketing, Bd. 42, Wiesbaden, 2002, S. 1.
9
vgl. Kiss,G.: Wirkung interaktiver Markenauftritte im Internet, Berlin, 2005, S. 25.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
5
Aufbauend auf dem Konzept eines ,identitätsorientierten Markenverständ-
nisses', das also neben dem Markenimage die Markenidentität betont, welche über
Glaubwürdigkeit und Vertrauen das Entscheidungsverhalten beeinflussen soll, ist
das Hauptziel des Brandings die zielgerichtete und strategische Manipulation und
Formung der durch Assoziationen abgebildeten inneren Vorstellungsbilder, welche
die Markenkontaktpersonen in Bezug auf die Marke besitzen. Innerhalb des Au-
dio-Branding-Prozesses sollen Musik und Klang diejenigen Markendimensionen,
welche von den sensorischen, unmittelbar erfahrbaren Komponenten der Marke
bestimmt sind, durch ihre ästhetischen Kommunikations- und Gestaltungsmöglich-
keiten entscheidend prägen.
2.2 Audio-Branding
Aufbauend auf den allgemeinen erklärenden Ausführungen zu Branding und zu der
Vielschichtigkeit der Aspekte des Markenbegriffs lenkt dieser Abschnitt den Fokus
auf Audio-Branding, den Hauptgegenstand der Arbeit. Im Angelsächsischen stößt
man häufig auf den Begriff Sonic-Branding, der vermutlich von Werbefachleuten
der Arbeit von DanielM.Jackson
10
, einer Einführung gleichnamigen Titels, entnom-
men ist. Gelegentlich findet man auch die Bezeichnungen Sound-Branding oder
Acoustic-Branding, die jedoch das Gleiche bedeuten. In dieser Arbeit wird der
Begriff Audio-Branding verwendet, weil er m. E. hierzulande wie in den USA am
häufigsten anzutreffen ist.
Die Verwendung von Musik zu Werbezwecken ist keine Erfindung der Moderne,
sie geht nicht erst auf die Inbetriebnahme der ersten kommerziellen Rundfunksen-
der Anfang der 1920er Jahre zurück. Schon im Mittelalter warb ,,Mann" mit Minne-
gesang um die Gunst einer höfischen Dame.
11
In den audiovisuellen Medien wird
heute Werbung fast ausschließlich mit Musik unterlegt. Nach einer Studie des Radi-
osenders SFB1 enthielten schon 1984 80 Prozent von 125 untersuchten Radiower-
bespots Musik.
12
In einer aktuelleren Untersuchung von Murray/Murray enthielten
84,5 Prozent von insgesamt 336 untersuchten Fernsehwerbespots Musik.
13
Doch
nicht nur in der Fernseh- und Radiowerbung wird Musik zu Werbezwecken ver-
wendet. Auch auf Promotion-Events oder bei Werbung im Internet spielt Musik eine
10
vgl. Jackson,D.M.: Sonic Branding. An Introduction, Hampshire, 2003.
11
vgl. Helms,S.: Musik in der Werbung, Wiesbaden, 1981, S. 30.
12
vgl. Tauchnitz,J.: Werbung mit Musik, Heidelberg, 1990, S. 4.
13
Murray,N./MurrayS.:Music and Lyrics in Commercials: A Cross-Cultural Comparsion between
Commercials Run in the Dominican Republic and the United States. In: Journal of Advertising Re-
search, XXV (No. 2), 1996, S. 51-63. Übertragen aus Roth,S.: Akustische Reize als Instrument der
Markenkommunikation, Wiesbaden, 2005, S. 4.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
6
immer wichtigere Rolle.
Audio-Branding jedoch, ein von Unternehmen wie von der Wissenschaft noch
relativ selten in Betracht gezogener und wenig erforschter Bereich geht über den
bloßen, oftmals mehr zufälligen oder nebensächlich angesehenen Einsatz von Mu-
sik in der Werbung hinaus. Was aber verbirgt sich hinter dem jungen und modischen
Begriff Audio-Branding?
Unter Audio-Branding ist der mittel- oder langfristig angelegte strukturierte Pro-
zess zu verstehen, in dem alle akustischen Aktivitäten in ihrer ganzen Arten- und
Einsatzvielfalt als typische Kennzeichen einer Marke beigefügt werden, mit dem
Ziel, Teil der Marke zu werden bzw. Markenidentität zu schaffen und im Ergebnis ei-
nen Markenmehrwert zu erreichen.
14
Dabei werden Musik und Klang so eingesetzt,
dass sie unternehmensextern wie -intern eine Marke akustisch kommunizieren. Un-
ter Berücksichtigung der relevanten Markenimage-Attribute werden in strategisch
kreativer Ausrichtung akustische Parameter wie Rhythmus, Klangfarbe oder Me-
lodie, aber auch Motiv- oder Themenstrukturen entwickelt und in allen möglichen
Kommunikationskanälen als auditive Assoziationsanker platziert, um Aufmerksam-
keit, Wiedererkennung, Differenzierung, Recall, Recognition und eine Bindung des
Rezipienten an die Marke zu generieren. Im Mittelpunkt des Prozesses steht also
die Beziehung zwischen Absender und Adressat, die sich auf einer mit auditiven
Inhalten und Ideen ausgestalteten Kommunikation gründet. Während vielerorts in
den audiovisuellen Medien die Auswahl der Musik oft nicht nach strategischen Prin-
zipien erfolgt, sondern ein Produkt aus Zufall, Intuition und persönlichen Vorlieben
der Verantwortlichen ist, werden stattdessen im strategischen Prozess des Audio-
Brandings zunächst die Markenwerte definiert, um sie dann in die der Definition
intendierten Absicht ins Akustische zu übersetzen. Diese im Sinne eines ganzheit-
lichen Ansatzes zu verstehende Methode vereinigt bewusst und gezielt alle Funk-
tionen, die Musik in der Werbung haben kann. Es handelt sich also nicht um eine
abgrenzbare Werbemusikform, sondern um das Produkt aus der Kombination vieler
werbemusikalischer Erscheinungsformen. An dieser Stelle sollen die akustischen
Erscheinungsformen wie Audiologos, Jingles, Brand- und Corporate-Songs, pro-
dukteigene Klänge, Brand-Soundscapes, interaktionsorientierte Soundelemente
oder Brand-Voices nur genannt werden, im Kapitel 4 dieser Arbeit werden sie einer
genaueren Betrachtung unterzogen.
Die Schwierigkeit und Herausforderung des Aufbaus und der Pflege einer Marke
besteht heute darin, dass das Angebot an Produkten und Dienstleistungen nahe-
14
vgl. Roth, S.: Akustische Reize als Instrument der Markenkommunikation, Wiesbaden, 2005,
S. 48.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
7
zu unüberschaubar und zunehmend qualitativ austauschbar ist. Die Zahl der ver-
fügbaren Marken in einzelnen Produkt- und Dienstleistungsbereichen ist durch die
schnelle Einführung immer wieder neuer Marken sowie den Eintritt internationaler
Marken in den letzten Jahren stark angestiegen. Allein in Deutschland wurden 2005
fast 71.000 neue Marken angemeldet, was einer Steigerung von über sieben Prozent
im Vergleich zu 2004 entspricht.
15
Das Resultat einer Homogenisierung objektiver
Eigenschaften von Produkten sowie einer wachsenden Markenvielfalt lässt sich in
einem ,,intensivierte[n] Kommunikationswettbewerb zwischen den betroffenen An-
bietern zum Aufbau und zur Erhaltung von Markenbekanntheit und Markenimage
beobachten"
16
.
Jedoch verursacht die ständig wachsende Flut an Werbeinformation und -unter-
haltung in den klassischen Massenmedien zunehmend ein sinkendes Interesse an
Werbung. Außerdem erschöpfen sich die ohnehin begrenzten Informationsaufnah-
me- und -verarbeitungskapazitäten bei den Markenkontaktpersonen, wenn sie ihr
permanent ausgesetzt sind; dies führt schließlich zu einem passiven Verhalten der
Konsumenten gegenüber der Werbung. Unter diesen Bedingungen ist eine bloß
sprachliche Kommunikation mit den Konsumenten schwierig geworden. Die Alter-
native dazu wird vor allem in einer stärker erlebnisbetonten, visuellen Ansprache
gesehen.
Aber auch sie erfordert vom Angesprochenen eine gerichtete Aufmerk-
samkeit auf das Medium, die oftmals nicht mehr aus den oben genannten Gründen
zu Stande kommt. Dementsprechend haben sich die Anforderungen an die Gestal-
tung der Marken-Kommunikation verändert. Audio-Branding bzw. der strategische
Einsatz von Musik und Klang können unter diesen Prämissen neue Wege der Be-
einflussung eröffnen, da Musik als Medium den Konsumenten auch bei dessen ge-
ringem Involvement
17
erreicht. Es ist unbestritten, dass akustische Reize Gefühle,
Erlebnisse und Emotionen vermitteln und darüber hinaus als Gedächtnisanker für
Wissensinhalte von Marken fungieren können, gerade dann, wenn sie als integra-
tive Elemente für unterschiedliche kommunikative Maßnahmen, z. B. bei der akus-
tischen Repräsentation einer Logo-Animation, wirken.
18
Die aktuellen Rahmenbedingungen der Marken-Kommunikation stellen sich
auch durch ein sich veränderndes Konsum- und Rezeptionsverhalten der Bezugs-
15
vgl. DeutschesPatentundMarkenamt: Jahresbericht 2005, München, 2006, S. 19.
16
Bongartz: Markenführung im Internet (Anm. 7), S. 3f.
17
Unter Involvement wird in diesem Kontext die innere Beteiligung verstanden, mit der sich die
Markenkontaktperson dem Kommunikationsmedium, das sie ,,anspricht", zuwendet. Da die Höhe
des Involvements Einfluss auf die Informationsverarbeitung nimmt, setzt sich die hoch involvierte
Markenkontaktperson zentral mit einer Marke auseinander und beschäftigt sich intensiv mit den
Kommunikationsinhalten.
18
vgl. Roth,S.: Akustische Reize als Instrument der Markenkommunikation (Anm. 14), S. 107.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
8
und Anspruchsgruppen gegenüber akustischen Reizen dar. Die Abstumpfung der
Zuhörer durch einen zunehmend beiläufigen und unbewussten Konsum von Musik
macht umso mehr einen zielgerichteten Einsatz auditiver Inhalte im Kontext der Mar-
ken-Kommunikation notwendig, so wie es der Audio-Branding-Prozess verlangt.
Aus dieser Perspektive gesehen ist es verwunderlich, dass eine ganzheitliche
akustische Markenführung im Sinne des Audio-Brandings von Unternehmen in der
Praxis noch recht wenig beachtet wird. Experten wie JohnGroves, Geschäftsführer
der Agentur GrovesSoundBranding, prognostizieren jedoch aufgrund des vermu-
teten Potenzials dieses Marken-Kommunikationskonzeptes einen Bewusstseins-
wandel in den Marketing-Abteilungen der Unternehmen:
,,Es gibt eine Resistenz, oder es gab [sie] ­ ich glaube, seit der Deutschen
Telekom hat sich da einiges geändert ­ gegenüber dem Einsatz von Mu-
sik zur Kommunikation [...] Aber ich rechne mit einer Steigerung, da jetzt
mehr und mehr Firmen die Wichtigkeit verstehen. Sie fangen jetzt an, das
ganzheitliche Prinzip durchzuführen. Die Tendenz ist steigend."
19
2.3 ,Corporate Sound'
Wird Audio-Branding als Prozess akustischer Markenführung ganzheitlich auf ein
Wirtschaftsunternehmen angewendet, spricht man im Ergebnis vom ,Corporate
Sound' (CS), dem auditiven Pendant zum ,Corporate Design'. ,Corporate Sound`
soll im Folgenden als ein Teil der allgemeinen ,Corporate Identity` (CI) verstan-
den werden, dessen Konstituierung die Aufgabe der Unternehmenskommunikati-
on ist. Unter der vielschichtigen ,Corporate Identity' wird die Persönlichkeit bzw.
der Charakter eines Unternehmens verstanden, der als einheitlicher Akteur ­ mit
quasi menschlichen Eigenschaften ­ handelt und wahrgenommen wird.
20
Mit ande-
ren Worten repräsentiert sie die Summe aller Charakteristika eines Unternehmens.
Typischerweise umfasst die ,Corporate Identity' die Unternehmensphilosophie und
-tradition, die Unternehmensstruktur, das Leitbild, die Begrifflichkeiten, die Hand-
lungsrichtlinien, den Namen, das Logo sowie weitere visuelle und akustische Zei-
chen, die als Unterscheidungs- und Einstellungsmerkmale identitätsbildend für das
Unternehmen wirken.
Oftmals findet in theoretischen Auseinandersetzungen innerhalb von CI-Kozep-
ten eine Aufgliederung der ,Corporate Identity' in die drei Unterbereiche ,Corpo-
19
Groves,J.,übernommen aus Ringe: Audio Branding (Anm. 14), S. 100. Vgl. auch Kapitel 6.3
dieser Arbeit.
20
vgl. Birkigt,K./Stadler,M.M./Funck,H.J.: Corporate Identity. Grundlagen ­ Funktionen ­ Fallbei-
spiele, 11. Aufl., München, 2002.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
9
rate Design' (CD), ,Corporate Communication' (CC) und ,Corporate Behavior' (CB)
statt, zwischen denen es Berührungen und mannigfaltige Überschneidungen gibt.
Während der Bereich des ,Corporate Designs' primär die visuelle Gestaltung der
Unternehmensinhalte im Speziellen umfasst, kennzeichnet die ,Corporate Com-
munication' die gesamte interne und externe Unternehmenskommunikation. Zum
,Corporate Behavior' als Unternehmenskultur gehören das Verhalten der Mitarbeiter
untereinander und gegenüber Kunden sowie Lieferanten, Partnern und anderen
Bezugsgruppen.
21
Dem ,Corporate Sound' wird oftmals bestenfalls nur ein Rand-
platz in dem visuell dominierten Bereich des ,Corporate Designs' zugewiesen, weil
er bisher, wie weiter oben schon erwähnt, auch in der Praxis nur wenig Beachtung
findet. Im Kontext der in dieser Arbeit angestellten Überlegungen erscheint es je-
doch sinnvoll, das klassische ,CI'-Modell um ,Corporate Sound' als einen weiteren
autonomen Bereich zu ergänzen.
Der ,Corporate Sound' bezieht sich auf das akustische Erscheinungsbild eines
Unternehmens, das als Dachmarke eine Vielzahl unterschiedlicher Produktmarken
beheimaten kann, und konstituiert seinem Wesen nach die akustische Identität des
Unternehmens ­ im Ergebnis durchaus vergleichbar mit der Klangidentität, die je-
des Objekt, jeder Mensch und die gesamte Umwelt per se besitzt. Im Prozess des
Audio-Brandings nun findet durch die Zuteilung von akustischen Reizen zu Marken
eine klangliche Personalisierung statt, welche die Klangidentität ausmacht. Im Er-
gebnis erzeugt der ,Corporate Sound' durch seinen spezifischen ästhetischen Aus-
druck ­ wie das ,Corporate Design', aber eben anders über eine Klangästhetik ­ Dif-
ferenzierung zu anderen Marken und Bindung an die des eigenen Unternehmens.
Da die konzeptionellen Prozesse beim Entwurf des ,Corporate Sounds' denen
des ,Corporate Designs' ausgesprochen ähnlich sind, bietet sich eine Dokumen-
Corporate Identity
Corporate
Communication
Corporate
Design
Corporate
Behavior
Corporate
Sound
Corporate Image
Abb. 1: Corporate Identity/Corporate Image. In Anlehnung an Ringe:Audio Branding (Anm. 14), S. 53.
21
vgl. ebd.

Branding ­ Audio-Branding ­ ,Corporate Sound`
10
tation der einzelnen akustischen Basiselemente und von deren exemplarischen
Anwendungen in Form eines ,Corporate Sound'-Styleguides an, so wie es von De-
sign-Agenturen für den visuellen Gestaltungsbereich schon lange üblich ist. Ein sol-
cher Styleguide, der Informationen zu Konzeptions- und Kompositionsparametern
sowie Regeln zur Anwendung der Elemente von ,Corporate Sound' enthält, steht den
Mitarbeitern, Partnern oder kooperierenden Agenturen zur Verfügung, um für den
weiterführenden Einsatz von Klang und Musik in unterschiedlichen Kontexten ein
konsistentes und umfassendes akustisches Erscheinungsbild des Unternehmens
zu gewährleisten. Auf diese Weise hat die Agentur MetaDesign einen umfassenden
,Corporate Sound'-Styleguide für Siemens entwickelt, der weltweit von seinen Mit-
arbeitern im Internet eingesehen werden kann. Auf dieser Plattform finden sich das
Audiologo, der akustische Claim ,,Siemens ­ global network for innovation" in ver-
schiedenen klanglichen Variationen sowie eine Reihe anderer akustischer Reize,
die nach bestimmten Regeln neu arrangiert werden können.
22
22
vgl. Siemens-Brandville: http://brandville.siemens.com, 09.06.06. Vgl. auch Kapitel 4.4 dieser Ar-
beit.

Funktionen von Musik und Klang
11
3 Funktionen von Musik und Klang
3.1 Musik und Klang als Kommunikationsinstrumente
Schon zu Beginn der Menschheitsgeschichte wurde Musik zu Zwecken der Kom-
munikation mit den Göttern in Kult-, rituelle und religiöse Handlungen eingebunden
aus einem Grundbedürfnis heraus nach Kontaktaufnahme mit der irrealen, nicht
sinnlich fassbaren Welt ­ Rösing/Roederer sprechen der Musik in diesem Sinne
die Funktion einer ,,Metasprache"
23
zu. Die kommunikativen und damit verbunden
die intendierten beeinflussenden Wirkungsmöglichkeiten von Musik im zwischen-
menschlichen Bereich wurden auch schon früh von Kirchen und Militär erkannt.
Heute sind Marketing-Experten fest davon überzeugt, dass akustische Reize als
Kommunikationsinstrumente, strategisch und zweckorientiert eingesetzt, zu Mani-
pulationszwecken genutzt werden können. Im Marketing richtet sich die Erwartung
darauf, dass spezielle Musikgenres eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit der Pro-
duktverwender kommunizieren und so den Aufforderungscharakter des beworbenen
Produktes verstärken können.
In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter Kommunikation ein so-
ziales System, das mindestens zwei psychische Systeme miteinander verkoppelt.
24
Eco unterstreicht den Prozess der Verkopplung, indem er Kommunikation im wei-
testen Sinne als den Transfer eines Signals von einem Sender zu einem Empfänger
bezeichnet.
25
Auch wenn der Sender nur indirekt über Lautsprechermusik mit einem
rezipierenden Empfänger in Kontakt tritt, stellt Musik als Prozess oder Ergebnis
einer menschlichen Tätigkeit innerhalb eines sozialen Systems ein Verhalten dar
und kann als Ausdruck kommunikativen Handelns angesehen werden.
26
Im Kon-
text akustischer Marken-Kommunikation wird im strengen Sinne der musikalische
Kommunikationsweg als unidirektional angesehen; m. E. ist es jedoch sinnvoll, von
einem interaktiven Kommunikationsprozess zu sprechen, wenn man die Reaktionen
der Rezipienten als Einflussgröße für die Entwicklung akustischer Kommunikations-
maßnahmen mit einbezieht. Mit anderen Worten, der bewusste Einsatz spezifischer
akustischer Reize zum Zweck der Manipulation kann schon als Reaktion auf er-
fasste Einstellungen, Bedürfnisse und andere Charakteristika der empfangenden
Zielgruppe betrachtet werden. Genauso ist auch das Reagieren der rezipierenden
Zielgruppe auf die akustischen Informationen des Senders ­ beispielsweise durch
23
Rösing,H./Roederer,J.G.: Musik in der Entwicklung der Menschheit. In: Musikpsychologie. Ein
Handbuch in Schlüsselbegriffen, München, 1985, S. 357.
24
vgl. Merten,K.: Einführung in die Kommunikationswissenschaft, Bd. 1/1, Münster, 1999, S. 114.
25
vgl. Eco,U.: Semiotik ­ Ein Entwurf einer Theorie der Zeichen, 2. Aufl., München, 1991, S. 28.
26
vgl. Tauchnitz (Anm. 10), S. 44f.

Funktionen von Musik und Klang
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den Kauf eines Produktes einer beworbenen Marke ­ als Teil des Interaktionspro-
zesses zu verstehen.
Dass es sich bei Musik um ein kommunikatives Medium handelt, wird deutlich,
betrachtet man sie als Zeichensystem, das über eine Syntaktik, Semantik und Prag-
matik verfügt. Folglich ist es angebracht, thematische Aspekte der Semiotik in mei-
ne Ausführungen mit einzubeziehen. Unter semiotischen Gesichtspunkten findet
Kommunikation dann statt, ,,wenn eine Nachricht von einem Sender an einen Emp-
fänger durch Zeichen vermittelt wird und wenn der Empfänger unter der Voraus-
setzung eines mit dem Sender gemeinsam geteilten Kodes sich dieser Nachricht
entsprechend verhält"
27
. Nach Eco ist ein Zeichen keine physische Entität, sondern
es entsteht erst dann, wenn einem physisch erfassbaren Signal von einem Emp-
fänger eine Bedeutung oder ein Sinn zugeordnet wird.
28
Bezogen auf die musika-
lischen Bausteine wie Intervall, Akkord, Tempo oder Klangfarbe lassen sich diese
als kommunikative Grundelemente mit Zeichencharakter verstehen. Obwohl keine
eindeutige Definition der kleinsten Bedeutungseinheit von Musik existiert, herrscht
weitestgehend Einigkeit darüber, dass Musik über ein System von Zeichen verfügt,
wie es für die Konstruktion von Zeichensystemen charakteristisch ist.
29
Dies wird
deutlicher, betrachtet man die Bezüge der Musik auf den drei semiotischen Teildis-
ziplinen, der Syntaktik, Semantik und Pragmatik.
3.1.1 Syntaktik der Musik
Die Syntaktik ist die Lehre von den Zeichengruppen (in der Sprachwissenschaft
z. B. von Worten), in der jedes Zeichen seinen Stellenwert erst durch die Positionie-
rung bekommt.
30
Auf den Gegenstand der Musik angewendet, bezeichnet sie die
Regeln, nach denen die Elemente der Musik, die als Zeichenträger fungieren, auf-
gebaut sind. Demgemäß werden die Regelsysteme der Komposition, wie beispiels-
weise die Melodie-, Harmonie- und Satzlehre und das Tonalitätsprinzip, als Syntax
bezeichnet. Hinsichtlich der Kompositionsweise von Brand- und Corporate-Songs
bilden einfach strukturierte musikalische Modelle deren syntaktische Basis. Da die
Syntaktik die Beziehung zwischen Zeichen und Sachverhalt bzw. die Wirkung des
Zeichens im Bewusstsein eines Empfängers außer Acht lässt und sie somit den
kommunikativen Charakter von Musik nicht thematisiert, erscheint eine tiefer ge-
hende Behandlung an dieser Stelle nicht sinnvoll.
27
Faltin,P.: Bedeutung ästhetischer Zeichen. Musik und Sprache. In: Aachener Studien zur Semiotik
und Kommunikationsforschung, Aachen, 1985, S. 92.
28
vgl. Eco,U.: Semiotik (Anm. 28), S. 76f.
29
vgl. Tauchnitz (Anm. 10), S. 48f.
30
vgl. Merten,K.: Einführung in die Kommunikationswissenschaft (Anm. 27), S. 44.

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3.1.2 Semantik der Musik
Der semantische Aspekt in der Semiotik betrifft die Beziehung zwischen dem Zei-
chen und dem Phänomen, auf das es verweist. Zusätzlich zu den Beziehungen der
Zeichen untereinander fragt sie nach deren Bedeutung (Referenz), die von der Re-
lation zwischen dem Zeichen und dem Objekt bedingt wird.
31
Zeichen werden nach
ihrer Beziehung zum bezeichneten Objekt in Index, Ikon und Symbol unterschieden,
Überschneidungen zwischen diesen drei Zeichenkategorien sind möglich. Da der
Index unmittelbar und beobachtbar mit einem einzelnen Objekt korrespondiert und
durch Kontiguität und Kausalität charakterisiert ist, können z. B. in der Musik Zeit- und
Pausenzeichen als indexikalische Zeichen angesehen werden.
32
Das Ikon steht zu
seinem bezeichneten Objekt in einer Similaritätsbeziehung und hat deshalb oftmals
mit dem bezeichneten Objekt eine oder mehrere Eigenschaften gemeinsam. Dies
bedeutet auf Musik bezogen, dass als ikonische Zeichen die naturgetreue Wieder-
gabe akustischer Phänomene aus der Umwelt gelten können, so wie die Imitation
von Vogelstimmen oder anderen Naturlauten. Ikonischen Zeichen in der Musik ist
nach Tauchnitz eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zuzuschreiben.
Symbole
als bedeutendste Kategorie in der musikalischen Kommunikation sind charakterisie-
rende Zeichen, die selbst keine Eigenschaften der bezeichneten Objekte aufweisen
oder eine Ähnlichkeit mit ihnen haben müssen, aber auf sie verweisen. Die Verwen-
dung von Symbolen beruht auf Konventionen: Im Rahmen kultureller Handlungen
repräsentieren Musikstile wie Marsch, Klassische Musik oder Folklore symbolische
Zeichen. Viele musikalische Symbole scheinen sich aus Ikonen entwickelt zu ha-
ben; sie wurden aus ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang ausgegliedert,
anderen Gegenstandsbereichen zugeordnet und zunehmend abstrakter. Beispiels-
weise stand Marschmusik ursprünglich als Ikon für Krieg und Soldaten und steht
heute auch als Symbol für Stärke und Sieg.
33
Grundlage für die Erfassung der Bedeutung von Zeichen bilden Kodes. Unter
Kodes sind durch Konventionen vereinbarte Regeln zu verstehen, mit denen Zei-
chen in eine andere Modalität, wie Gefühle oder Handlungen, transformiert werden
können. Damit Kommunikation überhaupt funktioniert, müssen Sender und Emp-
fänger von Mitteilungen über gemeinsame Kodes verfügen. Für die musikalische
Kommunikation wird angenommen, dass durch das gemeinsame Tonsystem und
weitgehend ähnliche Sozialisationsprozesse innerhalb derselben Kultur die Sen-
der und Empfänger zumindest in rudimentärer Form die musikalischen Zeichen
31
vgl. Merten (Anm. 27), S. 44.
32
vgl. Tauchnitz (Anm. 10), S. 51.
33
vgl. ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836602747
DOI
10.3239/9783836602747
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – Philosophische Fakultät, Musikwissenschaft
Erscheinungsdatum
2007 (April)
Note
1,0
Schlagworte
corporate identity auditive medien audio-branding audiologo brand-voice corporate-song markenimage
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Titel: Audio-Branding im aktuellen Kontext der Marken-Kommunikation
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