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Das Auslandspraktikum als Weiterbildungsinstrument

Überlegungen zur didaktischen Ausgestaltung und Umsetzung im Sinne einer neuen Lernkultur

©2006 Diplomarbeit 123 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Durch die fortschreitende Internationalisierung der Arbeits- und Wirtschaftsräume und die damit verbundene Mobilität der Arbeit erfolgt eine Überwindung nationaler Grenzen, die im täglichen Arbeitsprozess ihren Niederschlag findet. Die vertiefte Form internationaler Zusammenarbeit verlangt ein beträchtliches Maß an internationalem Know-how, nicht mehr nur auf Management-Ebenen. Internationales Verhandeln und Arbeiten in internationalen Teams werden zunehmend wichtige Bestandteile der täglichen Arbeit. Die Anforderungen an Mitarbeiter verändern sich dementsprechend: Internationale Qualifikationen, aber auch Mobilitäts-, Flexibilitäts-, und Anpassungsfähigkeit gewinnen an Bedeutung und werden zu unverzichtbaren Wettbewerbsfaktoren in einem zunehmend entgrenzten Wirtschaftsraum.
Organisationen und Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, ihr Personal zu beruflichem Handeln in internationalen Zusammenhängen zu befähigen, ihre Personalentwicklung auslandsorientiert zu gestalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Weiterbildung als zentrales Instrument internationaler Personalentwicklung.
Traditionelle Weiterbildungskonzepte, die in erster Linie auf Wissensvermittlung Gewicht legen, können der Aufgabe der Förderung ‘internationaler Berufskompetenzen’ jedoch nicht mehr gerecht werden. Die Vermittlung von theoretischem Wissen und kulturellem Verständnis allein genügt nicht. Vielmehr geht es um das aktive Erwerben internationaler Handlungsfähigkeit in betrieblichen Arbeitssituationen.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl ausgefeilter, teilweise partizipativer, interkultureller Trainingsmethoden, die zur Entwicklung interkultureller Kompetenzen beitragen sollen. So lassen sich kognitive, affektive und verhaltensorientierte Trainings unterscheiden, die, je nach Aufwand, in ihrer Trainingsintensität variieren. Gemeinsam ist ihnen, dass sie ‘off-the-job’, also außerhalb betrieblicher Arbeitsumgebungen, stattfinden. So werden in Simulationen interkulturelle Begegnungen eingeübt, es werden praxisorientierte Fallstudien bearbeitet und interkulturelle Problemsituationen in Rollenspielen nachgestellt.
Doch beschäftigt man sich näher mit dem ‘Qualifikationsbündel’ interkultureller Kompetenz, stößt man auf Merkmale wie kulturelles Einfühlungsvermögen, zielführendes Handeln unter fremdkulturellen Bedingungen, Anpassungsfähigkeit an fremde Umgebungen oder interkulturelle Kommunikationsflexibilität, um nur wenige Beispiele zu nennen, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Luise Henninger
Das Auslandspraktikum als Weiterbildungsinstrument
Überlegungen zur didaktischen Ausgestaltung und Umsetzung im Sinne einer neuen
Lernkultur
ISBN: 978-3-8366-4650-5
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland, Diplomarbeit, 2010
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An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich bei der Realisierung
dieser Arbeit unterstützt haben - ganz gleich auf welche Art und Weise.
Für Anregungen, Ideen, Impulse, Motivation und Informationen danke ich
besonders
Herrn Prof. Dr. N. Vogel, Jens Pistorius, Bernd Henninger,
Heli Grewe, Rike Kunkel, Sophia Henninger, Burkhardt Schäfer,
und Herrn Hachenberg.

Für Bernd und Heli

Fremde Erfahrungen streifen das Gedächtnis,
eigne verleihen Fähigkeiten.
Emanuel Wertheimer

Inhalt
1
EINLEITUNG ... 1
1.1
Thematische Hinführung ... 1
1.2
Problemstellung und Zielsetzung... 3
2
BETRIEBLICHE WEITERBILDUNG ­ GRUNDLAGEN UND
INTERNATIONALE BEZÜGE ... 6
2.1
Begriffsklärung ... 6
2.2
Betriebe als Weiterbildungsträger... 7
2.3
Bedeutung und Ziele der betrieblichen Weiterbildung... 8
2.4
Formen und Methoden der betrieblichen Weiterbildung ... 10
2.5
Wandel der betrieblichen Weiterbildung ... 12
2.6
Zielgrößen betrieblicher Weiterbildung ... 14
2.7
Kompetenzentwicklung in der betrieblichen Weiterbildung ... 16
2.8
Neue Kompetenzprofile durch Internationalisierung der Märkte... 18
2.9
Möglichkeiten der international ausgerichteten Weiterbildung ... 21
2.10
Das Auslandspraktikum als Weiterbildungsinstrument ... 22
2.11
Auslandspraktika aus pädagogischer Sicht ... 24
3
NEUE LERNKULTUREN IN DER BETRIEBLICHEN WEITERBILDUNG ... 28
3.1
Wandel der Lernkulturen ... 28
3.1.1
Die Lernkulturdebatte...28
3.1.2
(Neue) Lernkulturen ...29
3.1.3
Der gewandelte Lernbegriff ...30
3.1.4
Didaktische Modelle und Prinzipien neuer Lernkulturen ...31
3.1.5
Merkmale neuer Lernkultur...34
3.1.6
Merkmale neuer Lernkultur in der betrieblichen Weiterbildung ...35
3.1.7
Gründe für die Notwendigkeit eines Lernkulturwandels ...36
3.1.8
Leitkriterien neuer Lernkultur...37
3.2
,,Neue" Lernformen und Veranstaltungsformen in der Weiterbildung ... 40
3.2.1
Begriffsbestimmung Lernform ...40
3.2.2
,,Neue" Veranstaltungs- und Lernformen?...41
3.2.3
Merkmale und Kriterien zur Analyse von Veranstaltungsformen...42
3.2.4
Systematisierungen von Lernformen ...43
3.2.5
Dimensionen und Attribute von Lernformen...46
3.2.6
Informelles Lernen...50
3.2.7
Erfahrungslernen...52

3.3
Didaktische Unterstützung neuer Lernformen... 55
3.3.1
Unterstützung informellen Lernens/Erfahrungslernens ...55
3.3.2
Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung...58
3.3.3
Transferförderung...59
3.4
Fazit ... 60
4
DIE DIDAKTISCHE AUSGESTALTUNG VON BETRIEBLICHEN
AUSLANDSPRAKTIKA ... 63
4.1
Neue Lernformen im Auslandspraktikum... 63
4.2
Phasen des Auslandspraktikums... 65
4.3
Konzepte und Überlegungen zur Gestaltung betrieblicher
Auslandspraktika aus der Literatur ... 66
4.3.1
Didaktische Unterstützung nach Stadler ...68
4.3.2
Didaktische Ausgestaltung nach Kristensen ...70
4.3.3
Fazit...72
4.4
Konzeption und Durchführung von Auslandspraktika als
Weiterbildungsinstrument in der Praxis ... 73
4.4.1
Darstellung eines Konzeptes aus der Praxis ...74
4.4.2
Das EU-Mobilitätsprogramm des VbF ...75
4.4.3
Konzeption des VbF und praktische Umsetzung ...78
4.4.4
Zusammenfassung...80
5
EMPFEHLUNGEN ZUR DIDAKTISCHEN AUSGESTALTUNG VON
AUSLANDSPRAKTIKA IM SINNE EINER NEUEN LERNKULTUR... 82
5.1
Lernberatung und Auslandspraktikum ... 82
5.2
Elemente der didaktischen Unterstützung von Auslandspraktika... 84
5.2.1
Vorbereitung ...84
5.2.2
Begleitung ...89
5.2.3
Nachbereitung ...92
5.2.4
Möglichkeiten der Transferunterstützung in der Umsetzungsphase ...95
5.3
Übersicht... 97
5.4
Vorschläge zur Erweiterung des VbF- Konzepts ... 98
5.5
Zusammenfassung...100
6
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...102
6.1
Zusammenfassung...102
6.2
Ausblick...105

Abb. 1:
Methoden des interkulturellen Trainings ... 21
Abb. 2:
Dimensionen zur Erfassung von Veranstaltungsformen ... 43
Abb. 3:
Betriebliche Lernformen... 44
Abb. 4:
,,Suchraum Lernkultur" ... 45
Abb. 5:
,,Der Kreislauf der Erfahrung"... 53
Abb. 6:
Übersicht zu didaktischen Unterstützungsmaßnahmen nach
Stadler und Kristensen... 72
Abb. 7:
EU-Mobilitätsprogramm VbF. Vorgesehene Maßnahmen in den
einzelnen Phasen... 78
Abb. 8:
Empfehlungen zur didaktischen Ausgestaltung betrieblicher
Auslandspraktika- Maßnahmen und Instrumente ... 97


Einleitung
1
1 Einleitung
1.1 Thematische Hinführung
Durch die fortschreitende Internationalisierung der Arbeits- und Wirtschaftsräume und
die damit verbundene Mobilität der Arbeit erfolgt eine Überwindung nationaler Gren-
zen, die im täglichen Arbeitsprozess ihren Niederschlag findet. Die vertiefte Form inter-
nationaler Zusammenarbeit verlangt ein beträchtliches Maß an internationalem Know-
how, nicht mehr nur auf Management-Ebenen. Internationales Verhandeln und Arbei-
ten in internationalen Teams werden zunehmend wichtige Bestandteile der täglichen
Arbeit (vgl. Göbel u.a. 1998, S. 28 ff.). Die Anforderungen an Mitarbeiter verändern
sich dementsprechend: Internationale Qualifikationen, aber auch Mobilitäts-, Flexibili-
täts-, und Anpassungsfähigkeit gewinnen an Bedeutung und werden zu unverzichtba-
ren Wettbewerbsfaktoren in einem zunehmend entgrenzten Wirtschaftsraum.
Organisationen und Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, ihr Personal zu
beruflichem Handeln in internationalen Zusammenhängen zu befähigen, ihre Perso-
nalentwicklung auslandsorientiert zu gestalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die
Weiterbildung als zentrales Instrument internationaler Personalentwicklung (vgl. Weber
u.a. 1998, S. 165).
Traditionelle Weiterbildungskonzepte, die in erster Linie auf Wissensvermittlung Ge-
wicht legen, können der Aufgabe der Förderung ,,internationaler Berufskompetenzen"
(Lenske 2000, S.1) jedoch nicht mehr gerecht werden (vgl. Wirth 1992, S. 216). Die
Vermittlung von theoretischem Wissen und kulturellem Verständnis allein genügt nicht.
Vielmehr geht es um das aktive Erwerben internationaler Handlungsfähigkeit in be-
trieblichen Arbeitssituationen.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl ausgefeilter, teilweise partizipativer, interkultureller
Trainingsmethoden, die zur Entwicklung interkultureller Kompetenzen beitragen sollen.
So lassen sich kognitive, affektive und verhaltensorientierte Trainings unterscheiden,
die, je nach Aufwand, in ihrer Trainingsintensität variieren. Gemeinsam ist ihnen, dass
sie ,,off-the-job", also ausserhalb betrieblicher Arbeitsumgebungen, stattfinden. So wer-
den in Simulationen interkulturelle Begegnungen eingeübt, es werden praxisorienierte
Fallstudien bearbeitet und interkulturelle Problemsituationen in Rollenspielen nachge-
stellt (vgl. Weber u.a. 1998, S. 174 ff.).
Doch beschäftigt man sich näher mit dem ,,Qualifikationsbündel" (Göbel u.a. 1998, S.
30) interkultureller Kompetenz, stößt man auf Merkmale wie kulturelles Einfühlungs-

Einleitung
2
vermögen, zielführendes Handeln unter fremdkulturellen Bedingungen, Anpassungs-
fähigkeit an fremde Umgebungen oder interkulturelle Kommunikationsflexibilität, um
nur wenige Beispiele zu nennen (vgl. ebd., S. 36), und man fragt sich, in welchem Maß
durch interkulturelle Trainings eine entsprechende Kompetenzentwicklung erreicht
werden kann (vgl. auch ähnliche Fragestellung bei Apfelthaler 1999, S. 184).
So verwundert es nicht, dass nach wie vor die ,,Vor-Ort-Erfahrung" als effizienteste Me-
thode an der Spitze der interkulturellen Weiterbildungsmethoden rangiert (vgl. ebd., S.
188 f.), ,,denn Internationalität läßt sich am besten durch internationale Erfahrung ler-
nen und begreifen" (Wirth 1992, S. 217). Hinzu kommt, dass einmal im Ausland er-
worbene interkulturelle Kompetenzen auch in anderen Ländern und Kulturen hilfreich
und teilweise übertragbar sind (vgl. Alexander u.a. 2005, S. 33).
Nachdem die Auslandsentsendung (z.B. zum Zweck Auslandsniederlassungen aufzu-
bauen) lange Zeit Anlass für die Entwicklung vorbereitender Trainingsmaßnahmen war,
ist sie mittlerweile selbst ein zentrales Instrument auslandsorientierter Weiterbildung,
was u.a. durch Studien von Bittner und Reich bestätigt ist (vgl. Weber u.a. 1998, S. 163
f.; Wirth 1992, S. 201). Auslandsaufenthalte werden zunehmend als feste Größen in
Job-Rotation oder Trainee-Programme eingeplant. Das Auslandspraktikum wird so als
,,natürlicher Lernraum" (Wirth 1992, S. 217) genutzt, der internationale Erfahrung in der
Auseinandersetzung mit der betrieblichen Realität ermöglicht (vgl. ebd., S. 201, 217).
Doch der zunehmende Einsatz von Auslandspraktika zu Weiterbildungszwecken sagt
noch nichts über die Qualität und Effizienz der stattfindenden Lernprozesse aus. Wäh-
rend vermutete Lern-Resultate (Sprachkompetenzen, interkulturelle Kompetenzen etc.)
sorgfältig untersucht und evaluiert werden, ist über die Lern-Prozesse wenig bekannt
und somit auch wenig darüber, wie diese Lernprozesse unterstützt und optimiert wer-
den können. Möchte man das Auslandspraktikum als effizientes Weiterbildungsinstru-
ment einsetzen, müssen Qualitätskriterien gefunden werden, die sich auf die Lernpro-
zesse an sich beziehen (vgl. Kristensen 2003, S. 25). Es rücken aus erwachsenenpä-
dagogischer Sicht Fragen der didaktischen Unterstützung und somit die Lernprozesse
und Lernformen selbst in den Mittelpunkt des Interesses.
Es ergeben sich Fragestellungen, die aktuell in der Erwachsenenpädagogik und Be-
rufspädagogik in Diskursen zum so genannten ,,Lernkulturwandel" erörtert werden. Sie
sollen Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein.

Einleitung
3
1.2 Problemstellung und Zielsetzung
Viele wissenschaftliche Disziplinen beschäftigen sich mit dem Thema Auslandsaufent-
halt. In zahlreichen Publikationen werden nicht nur verschiedene Bereiche (Schule,
Hochschule, Betrieb, Entwicklungshilfe), sondern auch sehr unterschiedliche Aspekte
(interkulturelle Kompetenzen, Entsendung von Expatriates, Fragen der Akkulturation
etc.) behandelt. Veröffentlichungen, die sich aus pädagogischer Perspektive mit dem
Thema Auslandspraktikum, insbesondere im Kontext Weiterbildung, beschäftigen, sind
kaum zu finden (vgl. Kristensen 2004, S. 5).
Die Tatsache, dass Auslandsaufenthalte als Weiterbildungsinstrument in der betriebli-
chen Bildungsarbeit eingesetzt werden, findet kaum Beachtung. Während ,,neue" sowie
,,traditionelle" Weiterbildungsformen breit diskutiert und didaktisch bis ins letzte Detail
ausgearbeitet sind, bleiben Auslandsaufenthalte als natürliche Lernräume didaktisch
gleichsam ,,naturbelassen", die Lernprozesse verlaufen eher zufällig. Kristensen kriti-
siert, dass man über Lernvorgänge im Auslandspraktikum so gut wie nichts weiß und
stellt fest: ,,Learning during a placement abroad has been something of a mysterious
process for actors in the field" (2004, S. 97).
Aus erwachsenenpädagogischer Perspektive ist die Hypothese aufzustellen, dass die
Qualität von Auslandspraktika zu Weiterbildungszwecken mit der Qualität der darin
stattfindenden Lernprozesse steht und fällt. Möchte man das Auslandspraktikum als
Weiterbildungsinstrument nutzen, ist es deshalb erforderlich, es als solches didaktisch
auszugestalten und auf Lernprozesse bezogene Qualitätskriterien zu definieren. Hierzu
ist Wissen über die darin stattfinden Lernvorgänge und Lernformen notwendig.
Es gibt keine Theorie, die sich explizit mit Lernprozessen im Rahmen transnationaler
Praktika beschäftigt. Es lassen sich jedoch zahlreiche theoretische Anknüpfungspunkte
finden, die zur näheren Betrachtung des Themas genutzt werden können. Der Diskurs
in der Erwachsenenpädagogik über den Wandel der Lehr-Lernkulturen scheint beson-
ders ergiebig, da er verschiedene Themen aufgreift, die für die Betrachtung von Lern-
prozessen im Auslandspraktikum relevante Bezugspunkte darstellen. Hier finden sich
Anregungen für eine didaktische Rahmengebung von Auslandsaufenthalten. Im Rah-
men der Lernkulturdebatte werden nicht nur die Besonderheiten ,,alternativer" Lernfor-
men (z.B. selbstgesteuerte und informelle Lernformen) analysiert und differenzierte
Möglichkeiten für Unterstützungsformen offener Lernumgebungen aufgezeigt, sondern
auch Leit- und Qualitätskriterien formuliert, die für die didaktische Gestaltung von Aus-
landspraktika als maßgeblich angesehen werden können.

Einleitung
4
Zielsetzung
In der vorliegenden Arbeit soll das Auslandspraktikum als Instrument betrieblicher, in-
ternational ausgerichteter Weiterbildung thematisiert werden. Es wird aus erwachse-
nenpädagogischer Perspektive nach Möglichkeiten gesucht, das Auslandspraktikum
mit Hilfe geeigneter didaktischer Maßnahmen zu einem Weiterbildungsinstrument aus-
zugestalten. Dies soll durch die Analyse ausgewählter Lernformen, das Bestimmen
angemessener didaktischer Unterstützung dieser Lernformen und durch das Heraus-
arbeiten didaktischer Prinzipien und Leitkriterien neuer Lernkulturen geschehen. Er-
gänzend werden bestehende didaktische Konzeptionen aus Theorie und Praxis heran-
gezogen, die zum einen auf existente ,,didaktische Lücken" hinweisen, aber auch wert-
volle Hinweise für anzustellende Überlegungen zur didaktischen Ausgestaltung liefern.
Ziel ist, durch die Qualitätsverbesserung von Lernprozessen und die Definition von
Qualitätskriterien im Sinne neuer Lernkultur, zur Effizienz des Instruments Auslands-
praktikum beizutragen und mit den erarbeiteten Empfehlungen Anregungen für Weiter-
bildungspraxis zu schaffen.
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das Lernen im Auslandspraktikum. Auslandsauf-
enthalte, die als Arbeitseinsatz ohne intendierten Weiterbildungszweck erfolgen, sind
somit nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Aufbau der Arbeit
Die Darstellung von Auslandsaufenthalten als betriebliche Weiterbildungsform setzt
eine Betrachtung des gewählten Weiterbildungsausschnitts ,,betriebliche Weiterbildung"
voraus. In Kapitel 2 werden dabei auch die wichtigsten Wandlungsprozesse in der be-
trieblichen Weiterbildung dargestellt und Fragen der Kompetenzentwicklung beleuch-
tet. Des Weiteren wird die betriebliche Weiterbildung in den internationalen Kontext ge-
rückt. Es wird der Frage nachgegangen, was unter interkultureller Kompetenz im beruf-
lichen Kontext zu verstehen ist, und welche Instrumente einer international ausgerich-
teten Weiterbildung zur Verfügung stehen. Das Auslandspraktikum wird hier als mögli-
ches Weiterbildungsinstrument vorgestellt. Dieses Kapitel formuliert die oben beschrie-
bene Problemstellung einer fehlenden didaktischen Ausgestaltung und führt den Dis-
kurs über neue Lernkulturen ein, der als theoretische Bezugsfolie dienen wird.
Kapitel 3 richtet den Blick auf die Lernkulturdebatte, die sich mit grundlegenden As-
pekten, die für den weiteren Verlauf dieser Arbeit zentral sind, beschäftigt. Nach dem
Versuch einer begrifflichen Annäherung werden charakteristische Merkmale, Leitkrite-
rien und Leitbilder neuer Lernkultur herausgearbeitet.
Besondere Beachtung wird den ,,neuen" Veranstaltung- und Lernformen geschenkt, die
als Merkmal und Konsequenz des Lernkulturwandels angesehen werden können. Die-
se eignen sich für die Analyse von Auslandsaufenthalten insofern als sie auf solchen
pädagogischen Prinzipien basieren, die in einem Auslandsaufenthalt ,,von Natur aus"

Einleitung
5
gegeben sind. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Darstellung didaktischer Unterstüt-
zungsmöglichkeiten ausgewählter ,,neuer" Lernformen aus der Literatur sein.
Kapitel 4 fasst Lernvorgänge und Lernformen im Auslandspraktikum ins Auge. Es ist zu
bestimmen, wie im Auslandspraktikum gelernt wird, und auf welche Art und Weise die
besprochenen zum Tragen kommen. Anschließend sollen bestehende didaktische
Konzepte aus Theorie und Praxis näher betrachtet werden. Hier wird untersucht, wel-
che Maßnahmen und Grundsätze sinnvoll und empfehlenswert erscheinen, und in wel-
chen Bereichen Ergänzungen notwendig sind.
Auf der so erarbeiteten Grundlage werden in Kapitel 5 eigene Empfehlungen didakti-
scher Ausgestaltung im Sinne einer neuen Lernkultur vorgetragen. Es wird auf die
Lernberatung als mögliche Grundkonzeption didaktischer Unterstützung eingegangen.
Eine Reihe einzelner Maßnahmen und Instrumente werden für die verschiedenen Pha-
sen eines Auslandspraktikums aufgezeigt und erläutert.
Das Schlusskapitel dient der Zusammenfassung und weist in einem Ausblick auf wei-
terführende, über den Kontext Auslandspraktikum hinausgehende Fragestellungen hin.
Die vorliegende Arbeit stützt sich in erster Linie auf Literatur neueren Datums aus der
Erwachsenen- und Berufspädagogik. Ferner werden Veröffentlichungen aus den Wirt-
schaftswissenschaften (Internationales Management) und der Psychologie (Arbeits-
und Organisationspsychologie) herangezogen. Die Darstellung des Praxiskonzepts ba-
siert auf einer Dokumentenanalyse (Dokumente, Anträge und Informationsbroschüren)
und bezieht Erläuterungen in Form mündlicher Auskünfte mit ein, die aufgrund ihrer
lediglich ergänzenden Funktion nicht in transkribierter Form vorliegen.

Betriebliche Weiterbildung
6
2 Betriebliche Weiterbildung ­ Grundlagen und internationale
Bezüge
Auslandspraktika finden in universitären, schulischen, beruflichen oder privaten Zu-
sammenhängen statt. Im Rahmen dieser Arbeit sollen sie im Kontext Betrieb als mögli-
ches Instrument zum Zweck der internationalen Weiterbildung dargestellt werden. Zu-
nächst soll der hier gewählte Weiterbildungsausschnitt der betrieblichen Weiterbildung
eingeordnet werden. Es wird auf grundlegende Aspekte und Begriffe eingegangen und
insbesondere der Wandel der betrieblichen Weiterbildung hin zu einer ,,kompetenzba-
sierten Lernkultur" (Erpenbeck, Sauer 2000, S. 296) aufgeführt.
2.1 Begriffsklärung
Im Strukturplan für das Bildungswesen, der 1970 von der Bildungskommission des
Deutschen Bildungsrates als Ergebnis einer vierjährigen Amtsperiode vorgelegt wurde,
wird Weiterbildung folgendermaßen definiert: ,,Weiterbildung wird hier als Fortsetzung
oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluß einer unterschiedlich aus-
gedehnten ersten Bildungsphase bestimmt" (Deutscher Bildungsrat 1970, S. 197). Die
Kommission hatte die Aufgabe, eine systematisch angelegte Neuorganisation des ge-
samten Bildungswesens zu erarbeiten. Weiterbildung sollte neben Primarbereich
(Grundschule), Sekundarbereich (Haupt- und Realschule, Gymnasium) und Tertiärbe-
reich (Hochschule) als eigenständiger quartärer Bereich integriert werden (vgl.
Bruns/Faber 2003, S. 214 f.). Weiterbildung als Oberbegriff umfasst dabei die drei Be-
reiche der allgemeinen, politischen sowie der beruflichen Weiterbildung (vgl. Deutscher
Bildungsrat 1972, S. 53).
Oftmals werden die Begriffe Erwachsenenbildung und Weiterbildung synonym verwen-
det (vgl. Bruns/Faber 2003, S. 213). Die beiden Begriffe sind jedoch voneinander zu
trennen: Der ,,traditionslosere" Begriff Weiterbildung ist stärker auf Qualifizierung und
institutionelle Lernkontexte ausgerichtet und erhält somit eine gesellschaftlich-
funktionale Bedeutung, während der Begriff Erwachsenenbildung der allgemeinere ist,
und Bildungs- und Lernformen jenseits von Institutionen mit einbezieht. Er umfasst
mehr als das Lernen, das für gesellschaftliche Funktionen notwendig ist (vgl. ebd., S.
216 f.; Arnold 1996 a, S. 44).
Die betriebliche Weiterbildung, als der in dieser Arbeit betrachtete Weiterbildungsaus-
schnitt, ist ein Teilbereich der beruflichen Weiterbildung (vgl. Pawlowsky/Bäumer 1996,
S. 8 f.). Im Unternehmenskontext ist sie Teil der betrieblichen Bildungsarbeit, die, ne-
ben der Weiterbildung, die Ausbildung sowie informelle Lernprozesse im Betrieb um-

Betriebliche Weiterbildung
7
fasst. Nach Arnold stellt die betriebliche Bildungsarbeit eine wesentliche Strategie der
Personalentwicklung dar, die sich auch auf die Bedürfnisse sowie die Bildungs- und
Qualifikationsansprüche der Mitarbeiter bezieht (vgl. 1997, S. 64).
Zum Begriff der betrieblichen Weiterbildung sollen zwei beispielhafte Definitionen auf-
geführt werden: Lung definiert betriebliche Weiterbildung als ,,konkrete Bestrebung ei-
nes Betriebes mit dem Ziel, berufserfahrene Mitarbeiter im Hinblick auf spezifische An-
forderungen (bezüglich Wissen, intellektuellen Fähigkeiten, motorischen Fähigkeiten
und Persönlichkeitseigenschaften) eines bestehenden oder geplanten Arbeitsplatzes
zu schulen (zu trainieren, zu unterweisen), wobei die Wahl des Lernorts (innerbetrieb-
lich, überbetrieblich, zwischenbetrieblich) und der Weiterbildungsmethode nicht festge-
legt ist" (1996, S. 17). Becker beschreibt betriebliche Weiterbildung wie folgt: ,,Betriebli-
che Weiterbildung erfolgt in Wirtschaft und Verwaltung in organisierter Form mit dem
Ziel, die personale Leistungsfähigkeit aller Mitarbeiter zu erhalten und zu entwickeln
und durch die Anwendung der erlangten Befähigungen Unternehmen und Behörden
weiterzuentwickeln" (1999, S. 173). Nicht organisierte Lernformen, wie beispielsweise
informelles Lernen am Arbeitsplatz, grenzt er von der betrieblichen Weiterbildung ab,
die er als ,,die Summen aller Maßnahmen der systematischen Qualifizierung von Mitar-
beitern, die von einer Organisationseinheit zielorientiert gestaltet, realisiert und evalu-
iert werden" (ebd.) bezeichnet.
Beide Definitionen verdeutlichen, dass Betriebe sowohl Anbieter und damit Institutio-
nen von Weiterbildung sind, als auch ,,Verwerter" der durch diese Weiterbildung erwor-
benen Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeiter.
2.2 Betriebe als Weiterbildungsträger
In den letzten Jahrzehnten hat die betriebliche Weiterbildung stark an Bedeutung ge-
wonnen, was an stetig steigenden zeitlichen und finanziellen Aufwendungen abzulesen
ist. Arnold spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,zunehmenden Verbetriebli-
chung der beruflichen Weiterbildung" (1996, S. 14). Betriebe können als quantitativ be-
deutsamste Weiterbildungsträger betrachtet werden (vgl. Münch 1995, S. 64). Mittler-
weile bieten über drei Viertel der deutschen Betriebe ihren Mitarbeitern Weiterbildungs-
maßnahmen an (vgl. Grünewald u.a. 2003, S. 16, 75).
Diese Entwicklung wird von der Wissenschaft der Erwachsenenbildung zum Teil skep-
tisch betrachtet, da eine rein an Unternehmensanforderungen orientierte Anpassungs-
qualifikation ohne Berücksichtigung der individuellen Interessen der Mitarbeiter unter-
stellt wird (vgl. Faulstich 1998, S. 9).
Es gibt jedoch auch Gegenpositionen, die auf die
Chancen hinweisen, die mit der betrieblichen Bildung verknüpft sind. Arnold und
Münch betonen den Innovationscharakter und die Dynamik der betrieblichen Bildung,

Betriebliche Weiterbildung
8
die in erster Linie auf arbeitsorganisatorische und wettbewerbsbezogene Wandlungs-
prozesse der Betriebe zurückzuführen ist. Im Vergleich zu anderen Bereichen der Wei-
terbildung bringe die betriebliche Weiterbildung sehr viel intensiver methodische und
didaktische Innovationen hervor (vgl. Arnold 1996 a, S. 65; Münch 1995, S. 98).
Die betriebliche Weiterbildung, als der für diese Arbeit besonders relevante Bereich,
soll im Folgenden näher beleuchtet werden.
2.3 Bedeutung und Ziele der betrieblichen Weiterbildung
Die Internationalisierung der Märkte, verschärfte Wettbewerbsverhältnisse, eine rasan-
te Technologieentwicklung sowie die daraus resultierende Verkürzung von Produktle-
benszyklen erfordern von Unternehmen Flexibilität und enorme Anpassungsfähigkeit.
Dem Faktor Personal kommt dabei eine immer wichtiger werdende Schlüsselrolle zu
und bedingt in hohem Maße die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Vom Qua-
lifikationsniveau der Mitarbeiter hängt es entscheidend ab, ob sich ein Unternehmen
unter den Bedingungen der Marktwirtschaft behaupten kann. Die stets komplexer wer-
dende Berufs- und Arbeitswelt stellt hohe Ansprüche und immer wieder neue Anforde-
rungen an Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Um die berufliche und persönliche Hand-
lungsfähigkeit erhalten und auszubauen zu können, bedarf es auf Seiten der Mitarbei-
ter als auch auf Seiten der Unternehmen der Bereitschaft zur Weiterbildung. Die Ver-
änderungen in der Arbeitswelt, aber auch Wertewandel und demographische Ver-
schiebungen, wirken sich auf Unternehmensentwicklungen aus und generieren Weiter-
bildungsbedarfe (vgl. Faulstich 1998, S. 17).
Unbestritten ist, dass Betriebe der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zunehmend mehr
Bedeutung beimessen. Langfristig gesehen steigt die Weiterbildungsaktivität der Un-
ternehmen über Jahrzehnte hinweg an. Dies belegen Weiterbildungserhebungen des
Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) für die Bundesrepublik Deutschland (vgl.
Werner 2006, S. 1) und Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für 25 europäi-
sche Länder (vgl. Grünewald u.a. 2003, S. 16 f.)
1
. Die Unternehmen prognostizieren
einen steigenden Weiterbildungsbedarf und damit steigende Weiterbildungsaufwen-
dungen. Die Zunahme der betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten kann als Beleg und

Betriebliche Weiterbildung
9
Resultat für sich schnell wechselnde Anforderungen an Qualifikation und Kompetenz
von Arbeitskräften gesehen werden.
Je nach Branche und Unternehmensgröße ist die betriebliche Weiterbildung unter-
schiedlich stark ausgeprägt. Mit steigender Beschäftigungszahl nehmen die Weiterbil-
dungsaktivitäten zu. Während größere Unternehmen (500 und mehr Beschäftigte) oft-
mals eine Stelle für Weiterbildungsverantwortliche eingerichtet haben, Betriebe mit
mehr als 1000 Beschäftigten eigene Weiterbildungsabteilungen unterhalten, weichen
kleinere Betriebe auf externe Anbieter aus oder beschränken ihre Weiterbildungs-
bemühungen auf informelles Lernen. In kleineren Betrieben nimmt oftmals der Ge-
schäftsführer die Planungsaktivitäten bzgl. der Weiterbildung nebenberuflich und situa-
tiv wahr (vgl. Münch 1995, S. 72).
In der betrieblichen Weiterbildung müssen unterschiedliche Interessenslagen verknüpft
werden, die nur teilweise deckungsgleich sind. Betriebe, Mitarbeiter und Gesellschaft
haben verschiedene Erwartungen an die betriebliche Weiterbildung. Gesellschaftliche
Ziele der Weiterbildung sind die Erhöhung des Qualifikationsniveaus und die Erhaltung
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Aus Sicht der Mitarbeiter ist die Weiterbil-
dung ein wichtiger Aspekt der beruflichen und persönlichen Entwicklung und kann, so
verstanden, der Selbstverwirklichung dienen. Betriebe sehen in der Weiterbildung je-
doch in erster Linie ein Instrument zur Qualifizierung ihrer Mitarbeiter, um übergeordne-
te Unternehmensziele, wie den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit oder Ausbau der
Marktposition, verwirklichen zu können. Betriebliche Weiterbildung dient aus dieser
Perspektive vorrangig dem Betriebszweck (vgl. Becker 1999, S. 174 ff.; Münch 1995,
S. 68 f.).
Festzuhalten ist, dass die betriebliche Weiterbildung heute wichtiger ist als je zuvor.
Sowohl für die Gesellschaft, als auch für Betriebe und Mitarbeiter. Im nächsten Kapitel
sollen ihre unterschiedlichen Formen und Methoden dieses Weiterbildungsbereichs
näher beleuchtet werden.
1
In der 2000/2001 vom Statistischen Bundesamt in Zusammenarbeit mit den Statistischen Lan-
desämtern durchgeführten Zweiten Europäischen Erhebung zur beruflichen Weiterbildung zeigt
sich 1999 im Vergleich zu 1993 ein Anstieg der weiterbildenden Unternehmen in allen an der
Untersuchung beteiligten 25 Ländern. Dieses Ergebnis bezieht sich auf Kleinunternehmen, mitt-
lere Unternehmen bis zu Großunternehmen, die mit 90% den größten Anteil weiterbildender
Unternehmen einnehmen. Nachdem 1994 von der Europäischen Kommission eine erste Erhe-
bung zur beruflichen Weiterbildung in 12 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durchgeführt
worden war, erfolgte 2000/2001 eine zweite Erhebung in allen Mitgliedstaaten, Norwegen und
in neun Bewerberländern. Die Erhebung umfasste damit 25 Länder und über 76.000 Unterneh-
men (vgl. Grünewald u.a. 2003, S. 16 f.).

Betriebliche Weiterbildung
10
2.4 Formen und Methoden der betrieblichen Weiterbildung
Bevor Systematisierungen von Weiterbildungsformen vorgestellt werden können, ist es
notwendig, grundlegende Begriffe zu klären. Begriffe wie Methode, Weiterbildungsform
und Lernform werden in der Literatur sehr uneinheitlich und undifferenziert verwendet.
Die Begriffe Veranstaltungsform, Weiterbildungsform, Maßnahme und Methode bezie-
hen sich im Rahmen dieser Arbeit auf Verfahren, die in der betrieblichen Aus- und Wei-
terbildung tatsächlich eingesetzt werden. Dies sind beispielsweise Qualitätszirkel oder
Job Rotation. Der Begriff Methode beschränkt sich somit nicht auf die mikrodidaktische
Gestaltung von Lern- und Unterrichtssituationen, sondern bezieht sich hier auch auf
andere Ebenen didaktischen Handelns. Der Begriff Lernform, der in Kapitel 3.2.1 aus-
führlicher besprochen ist, wird in der Literatur mit unterschiedlichen Bedeutungen ver-
sehen. Häufig wird er synonym zu Begriffen wie Veranstaltungsform oder Weiterbil-
dungsmaßnahme verwendet, wenn es darum geht, die Seite des Lernenden im Lehr-
Lerngeschehen zu betonen (vgl. Brinkmann 2000, S. 38), oder eine Abgrenzung zu so
genannten Arbeitsformen herauszustellen (s.u.). Lernformen werden jedoch auch als
Varianten des Lernens verstanden, die durch bestimmte Attribute, wie informell oder
selbstgesteuert, gekennzeichnet sind. Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit
wird dieses Verständnis zugrunde gelegt.
Es gibt zahlreiche Formen der betrieblichen Weiterbildung und verschiedene Möglich-
keiten, das reiche Methodenrepertoire zu systematisieren. Zunächst kann in organisa-
torischer Hinsicht zwischen externer und interner Weiterbildung unterschieden werden,
wobei interne Weiterbildung Maßnahmen umfasst, die das Unternehmen mit eigenem
Lehrpersonal durchführt oder von fremdem Lehrpersonal durchführen lässt. Externe
Weiterbildungsmaßnahmen werden hingegen von Weiterbildungsinstitutionen durchge-
führt, die nicht zum Unternehmen gehören. Wie die oben genannte Studie des Statisti-
schen Bundesamtes ergab, werden weit mehr externe als interne Weiterbildungs-
maßnahmen von Unternehmen organisiert. In Deutschland werden von 91% der wei-
terbildenden Unternehmen externe Maßnahmen durchgeführt, von 59% der Unterneh-
men interne Veranstaltungen (vgl. Grünewald, u.a. 2003, S. 20 f.).
Eine weitere Einteilung klassifiziert die verschiedenen Methoden danach, ob sie am
Arbeitsplatz (Training-on-the-job) oder außerhalb des Arbeitsplatzes (Training-off-the-
job) stattfinden. Bildungsmaßnahmen am Arbeitsplatz sind mit den Tätigkeiten und Ar-
beitsaufgaben direkt gekoppelt und dadurch anwendungsorientiert. Sie nehmen in der
betrieblichen Bildungsarbeit eine zunehmend wichtige Stellung ein. Durch die Verzah-
nung von Lernen und Arbeiten und die Orientierung an der betrieblichen Realität kann
diese Form des Lernens Lernprozesse außerhalb des Arbeitsplatzes ergänzen und de-
ren Nachteile ausgleichen. Die Weiterbildung wird direkt an den Arbeitsprozess ange-

Betriebliche Weiterbildung
11
siedelt und weist eine räumliche, zeitliche und inhaltliche Nähe zu den tatsächlichen
Anforderungen des Arbeitsplatzes auf. Formen der arbeitsplatznahen Weiterbildung
sind beispielsweise:
-
Einarbeitung und Unterweisung
durch Vorgesetzte
-
Übungen am Arbeitsplatz
-
Projektarbeit
-
Gruppenarbeit
-
Qualitätszirkel
-
Lernstattkonzepte
-
Austauschprogramme
-
Auslandseinsatz
-
Job Rotation
-
Trainee- Programme
(vgl. Mentzel 2005, S. 183; Petersen 2000, S. 175 ff.).
Bildungsmaßnahmen außerhalb des Arbeitsplatzes sind räumlich und zeitlich losgelöst
vom beruflichen Alltag. Solche Maßnahmen bieten sich für eine rein theoretische Wis-
sensvermittlung an. Lerninhalte können auf systematische Art und Weise in begrenzter
Zeit vermittelt werden, unabhängig vom laufenden Betriebsgeschehen. Zu den Formen
der Bildung außerhalb des Arbeitsplatzes zählen:
-
Lehrvortrag
-
Lehrgespräch
-
Moderationsmethode
-
Gruppenarbeit
-
Rollenspiel
-
Fallmethode
-
Qualitätszirkel, Lernstatt
(vgl. Mentzel 2005, S. 183)
Vor dem Hintergrund der Integration von Lernen und Arbeiten in der betrieblichen
Bildungsarbeit unterscheiden Dehnbostel/Gillen zwei Organisationstypen: Lern-
formen
2
, wie Coaching, Qualitätszirkel, Lernstatt sowie Arbeitsformen, wie Gruppen-
arbeit, Rotation oder Projektarbeit. Lernformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie
organisiertes, formelles Lernen gezielt mit Erfahrungslernen verbinden und bewusst
didaktisch ausgestaltet sind. In den Arbeitsformen hingegen überwiegt das informel-
le Erfahrungslernen. Formelles Lernen findet hier nur in Ausnahmefällen statt (vgl.
2005, S. 29).
Grünewald u.a. sprechen im Rahmen der Zweiten Erhebung zur beruflichen Weiter-
bildung von ,,anderen Formen beruflicher Weiterbildung" und grenzen diese ,,moder-
nen" Formen von ,,traditionellen" Formen, wie dem Seminar, ab. Zu den modernen
Formen gehören nach Grünewald u.a.: die Unterweisung durch Vorgesetzte am Ar-
beitsplatz, Lernen am Arbeitsplatz durch Medien und andere Arbeitsmittel, Job Ro-
tation, Austauschprogramme, Lern- und Qualitätszirkel, selbstgesteuertes Lernen.
2
,,Lernform" wird hier als eine arbeitsprozessorientierte Veranstaltungsform, in Abgrenzung
zu ,,Arbeitsform" dargestellt.

Betriebliche Weiterbildung
12
Wie die Ergebnisse der europaweiten Erhebung zeigen, wird von 72% aller in
Deutschland befragten Unternehmen (im Jahr 1999) das erweiterte Spektrum be-
trieblicher Weiterbildungsmaßnahmen genutzt, was die wachsende Bedeutung ,,mo-
derner" Maßnahmen in der betrieblichen Weiterbildung unterstreicht (vgl. 2003, S.
87, S. 130). Zu ähnlichen Ergebnissen kam die bundesweite Weiter-
bildungserhebung des IW. Sie ergab, dass im Jahr 2004 82% der weiterbildenden
Betriebe Training-on-the-Job-Maßnahmen durchführten, und dass über 75% der Be-
triebe gezielt selbstgesteuerte Lernformen zur Weiterbildung einsetzten (vgl. Werner
2006, S. 3 ff.).
Ganz gleich welche Art der Systematisierung betrieblicher Weiterbildungsmethoden
man wählt, ist ein deutlicher Trend zu anwendungsnahen, handlungsbezogenen
Methoden zu erkennen. Arbeitsplatznahe Angebote mit direktem Bezug zu realen
Arbeitsaufgaben und Problemstellungen gewinnen an Bedeutung. Diese Entwick-
lung liegt hauptsächlich darin begründet, dass das Ziel betrieblicher Weiter-
bildungsaktivitäten weniger in der Anhäufung von Faktenwissen als vielmehr im ak-
tiven Erwerb anwendungsbezogenen Wissens sowie in der Entwicklung beruflicher
Handlungsfähigkeit liegt. Diese Veränderungen sind Teil und Ausdruck des Wandels
der betrieblichen Weiterbildung. Im folgenden Abschnitt soll diese Thematik vertieft
werden.
2.5 Wandel der betrieblichen Weiterbildung
Rasche Wandlungsprozesse in der Arbeitswelt erfordern von Unternehmen Flexibili-
tät und Innovationsfähigkeit und stellen an die Arbeitnehmer umfangreiche, sich
schnell verändernde Lernanforderungen. Neue Arbeitssysteme, die geprägt sind
von einer dezentralisierten Organisation, erfordern die eigenverantwortliche Bewäl-
tigung ganzheitlicher Handlungsabläufe durch Selbststeuerung und Selbst-
organisation. Funktionen, Ziele und Methoden der betrieblichen Weiterbildung ha-
ben sich im Zuge solcher Entwicklungen gewandelt.
Innerhalb von Betrieben und Unternehmen hat die Weiterbildung in den letzten
Jahrzehnten in mehrfacher Hinsicht einen Bedeutungswandel erfahren. Sie ist nicht
mehr lediglich ,,Reparaturbetrieb" (Döring/Ritter-Mamczek 1999, S. 70) für die Quali-
fikation der Mitarbeiterschaft, sondern hat mittlerweile die Stellung eines strategisch-
innovativen Instruments der Unternehmensführung eingenommen. Sie ist in den un-
ternehmerischen Gesamtprozess integriert und dient als Bindeglied zwischen Per-
sonal- und Organisationsentwicklung. Weiterbildung ist somit nicht mehr auf perso-
nalpolitische Fragestellungen reduziert, sondern nimmt Funktionen der Zukunftsges-

Betriebliche Weiterbildung
13
taltung und -sicherung im Unternehmen ein (vgl. ebd., 1999, S. 70 f.). Unterneh-
mensplanungen lassen sich nur dann realisieren, wenn die Qualifikation der Mitar-
beiterschaft rechtzeitig als Erfolgsfaktor erkannt und berücksichtigt wird. Notwendig
ist deshalb eine vorausschauende Weiterbildungsarbeit, die strategisch und proaktiv
handelt. Nach Becker ist aufgrund der wachsenden Bedeutung der Weiterbildung
als strategischen Unternehmensinstruments eine veränderte Weiterbildungsarbeit
zu beobachten. Kennzeichen sind dabei: zukunftsorientiertes Handeln, Nachfrage-
und Bedarfsorientierung, der Einsatz von transferfördernden Methoden sowie teil-
nehmerzentrierten Bildungsformen (vgl. 1999, S. 197).
Auch inhaltlich hat sich die Funktionsbestimmung betrieblicher Weiterbildung verän-
dert und erweitert. Es geht nicht mehr lediglich darum, auf wechselnde Qualifikati-
onsanforderungen zu reagieren und Fachwissen zu vermitteln, sondern um eine die
ganze Persönlichkeit umfassende Kompetenzentwicklung: außerfachliche Kenntnis-
se und Fertigkeiten sowie individuelle Handlungsfähigkeit haben als Zielvariablen
der betrieblichen Weiterbildung an Bedeutung gewonnen (vgl. Döring/Ritter-
Mamczek 1999, S. 71).
Wandlungsprozesse, denen sich Unternehmen ausgesetzt sehen, verursachen ver-
änderte Anforderungen an die Qualifikationen der Mitarbeiterschaft sowie an die be-
triebliche Weiterbildung. Benötigt werden Mitarbeiter mit überfachlichen Kompeten-
zen: Selbstorganisationsfähigkeit, die Fähigkeit, sich selbst neues Wissen zu er-
schließen, Problemlösefähigkeit, Konfliktfähigkeit, Kreativität, die Fähigkeit zur Ko-
operation oder der gelungene Umgang mit Unsicherheit sind nur einige der Anforde-
rungen, die heute an die Persönlichkeit des Mitarbeiters gestellt werden (vgl. Arnold
1996 a, S. 104 f.). Es zeichnet sich ein ,,persönlichkeitsorientierter Wandel der be-
trieblichen Lernkulturen" (ebd., S. 104) ab. Die Entwicklung der betrieblichen Quali-
fikationsanforderungen nähert sich damit dem Bildungsanliegen der Pädagogik an.
Anstelle des Dualismus ,,Bildung versus Qualifikation" tritt ein integratives Verständ-
nis der beiden vermeintlichen Gegensätze. Der Schwerpunkt der betrieblichen Wei-
terbildung verlagert sich laut Arnold damit von der Qualifizierung zur Bildung der
Mitarbeiter, insbesondere dort, wo es um die Entwicklung von Selbstorganisations-
potenzialen der Mitarbeiter geht (vgl. ebd., S. 73, 93).
Im Zuge der ,,kompetenzorientierten Wende" (ebd. 2003, S. 29) ist die Funktion der
betrieblichen Weiterbildung demnach ganzheitlicher und weiter geworden. Sie be-
schränkt sich nicht mehr auf die Vermittlung von Wissen, sondern hat nunmehr zum
Ziel, eine auf die Persönlichkeit bezogene Kompetenzentwicklung zu betreiben. Be-

Betriebliche Weiterbildung
14
vor darauf näher eingegangen werden kann, bedarf es einer Präzisierung der in die-
sem Zusammenhang benannten Zielvariablen betrieblicher Weiterbildung.
2.6 Zielgrößen betrieblicher Weiterbildung
Die grundlegenden Begriffe der Qualifikation, Schlüsselqualifikation und Kompetenz
werden in der Literatur nicht trennscharf voneinander abgegrenzt und häufig syn-
onym verwendet. Als Zielgrößen betrieblicher Weiterbildung ist ihre jeweilige Bedeu-
tung jedoch ausschlaggebend für Fragen der Ausgestaltung von Weiterbildungs-
aktivitäten.
Den Begriff der Schlüsselqualifikationen prägte in den 1970er Jahren Dieter Mertens
vor dem Hintergrund der Fragen nach zukünftigen Bildungsnotwendigkeiten.
Schlüsselqualifikationen, als überfachliche und überberufliche Qualifikationen, wur-
den aufgrund ihrer Allgemeinheit als Lösungsansatz für Prognose- und Obsoles-
zenzprobleme
3
von Fachwissen gesehen. Schlüsselqualifikationen, als vielseitig
verwendbare Fähigkeiten, sollten nach Mertens nicht nur berufliche Leistungen,
sondern auch gesellschaftliche und personale Kompetenzen fördern. Nicht speziali-
siertes und detailliertes Faktenwissen, sondern eine breit angelegte Entwicklung von
individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten sollte im Vordergrund stehen (vgl. Arnold
1999, S. 17).
Weinert kritisiert die Bezeichnung Schlüsselqualifikation als ,,
`
Omnibusbegriff`, der
ein Konglomerat unterschiedlicher Bedeutungen umfasst" (Weinert 1998, S. 5). Prä-
zise Begriffsbestimmungen sind bis heute nicht erkennbar. Es wird Verschiedenes
damit bezeichnet und es hat sich eine unübersichtliche Begriffsvielfalt gebildet. Ka-
taloge, die Hunderte von Verwendungsvarianten mehr oder weniger systematisch
auflisten, beinhalten psychische Dispositionen, normative Orientierungen, Persön-
lichkeitseigenschaften und kognitive Funktionen (vgl. Siebert 2003, S. 219 f.; Wei-
nert 1998, S. 24).
Nach Erpenbeck/Heyse umfassen Schlüsselqualifikationen sowohl Qualifikationen
im traditionellen Sinn, als auch spezifizierte Kompetenzen. Schlüsselqualifikationen
können also in zwei Gruppen eingeteilt werden: in ,,echte" Qualifikationen und in
dispositionelle Qualifikationen, die eigentlich grundlegende Kompetenzen darstellen
(vgl. 1997, S. 50). Definieren lässt sich der Begriff beispielhaft als ,,Qualifikationen,
3
Obsolenz: obsolet = unbrauchbar, veraltet. Obsolenz: die beschleunigte Veralterungsrate
des erworbenen Wissen (vgl. Siebert 2003, S. 322).

Betriebliche Weiterbildung
15
die zwar beruflich von Interesse sind, aber darüber hinaus übergreifende Kompe-
tenzen grundlegen. Es handelt sich demnach bei diesen Qualifikationen nicht um im
engeren Sinne funktionale Qualifikationen, sondern um sog. außerfunktionale Quali-
fikationen, wie z.B. Kreativität, Problemlösefähigkeit, Kooperationsfähigkeit usw."
(Arnold, 1996 a, S. 43).
Der ursprüngliche Ansatz von Mertens wurde insbesondere zu Beginn der 90er Jah-
re in der berufspädagogischen Debatte aufgegriffen, vielfach kritisiert und weiter-
entwickelt. Es resultierten daraus nach und nach Konzepte der Kompetenz-
entwicklung, als Zeichen eines erweiterten Verständnisses von Berufsbildung (vgl.
Arnold 1999, S. 18).
Der Kompetenzbegriff ist weniger umfassend als der Begriff der Schlüssel-
qualifikationen, handlungstheoretisch jedoch einheitlicher. Während Schlüsselquali-
fikationen eher kognitive Aspekte betonen, verbindet der Kompetenzbegriff kognitive
und wertende sowie motivational-willensmäßige Aspekte des Handlungsprozesses
(vgl. Erpenbeck/Heyse 1997, S. 50). Erpenbeck/Heyse stellen die Kategorie der
Selbstorganisation in den Mittelpunkt des Wesens der Kompetenz: ,,Der Kompe-
tenzbegriff bringt im Unterschied zu anderen Konstrukten wie Können, Fertigkeit,
Fähigkeit, Qualifikation usw. die individuell-psychischen Möglichkeiten der Selbstor-
ganisation des konkreten Individuums auf den Begriff" (ebd., S. 53).
Siebert definiert Kompetenzen als: ,,(...)lebensgeschichtlich erworbene Profile von
Emotion und Kognition, von Erfahrung und Wissenserwerb, von Denken, Wollen
und Handeln. Kompetenzen werden im Lauf des Lebens ,en passant` angeeignet,
sie werden kaum seminaristisch gelehrt und gelernt -auch wenn Seminare ein Ü-
bungsfeld für Kompetenzen sein können" (2003, S. 223). Siebert betont in seiner
Definition den zentralen Punkt, dass Kompetenzen nicht wie Faktenwissen im her-
kömmlichen Sinne gelehrt werden können, sondern, dass das Individuum sie sich
nur durch eigene Erfahrung und aktives Tun aneignen kann.
Auch hinsichtlich des Kompetenzbegriffs lässt sich keine einheitliche Definition
ausmachen. Es hat sich jedoch eine prinzipielle Einteilung in vier Kompetenz-
bereiche eingebürgert, die verschiedentlich variiert wurde. Demnach ergeben Fach-,
Methoden-, Sozialkompetenz und Personale Kompetenz als die vier grundlegenden
Kompetenzbereiche zusammen die Handlungskompetenz (vgl. Erpenbeck/Heyse
1997, S. 50 f.). Der Kompetenzbegriff bezieht sich zunächst auf die gesamte Ar-
beits- und Lebenswelt, und lässt sich für den beruflichen Kontext präzisieren. Hand-
lungskompetenz im beruflichen Sinne bezieht sich nach Vonken zum einen auf Wis-
sen über berufliche Handlungsmöglichkeiten, die Fähigkeit kreativ neue Handlungs-

Betriebliche Weiterbildung
16
möglichkeiten zu erschließen und vor allem auf die Fähigkeit zu angemessener In-
teraktion in beruflichen Situationen. Vonken betont damit die soziale Komponente
des Kompetenzbegriffs und sieht hierin den wesentlichen Unterschied zum Qualifi-
kationsbegriff, der sich zwar auf selbständiges instrumentelles Handeln bezieht,
nicht jedoch kommunikative Elemente und Interaktion umschließt (vgl. 2003, S. 54
f.). Ähnlich wie für den Begriff der Schlüsselqualifikation entstanden nach und nach
immer weitere Differenzierungen und Unterbegriffe, wie Problemlösekompetenz, in-
terkulturelle Kompetenz oder Führungskompetenz. Speziell auf das Konstrukt der
interkulturellen Kompetenz wird in Kapitel 2.1 näher eingegangen. Je nach theoreti-
scher Grundlegung oder praktischer Anforderung unterscheidet sich das Verständ-
nis von Fach-, Methoden-, Sozialkompetenz oder personaler Kompetenz erheblich,
die Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen sind fließend.
Der Kompetenzbegriff wird häufig dem Qualifikationsbegriff
gegenübergestellt. Un-
ter dem Begriff Qualifikation sind nach Dehnbostel ,,Fertigkeiten, Fähigkeiten und
Wissensbestände im Hinblick auf ihre Verwertbarkeit zu verstehen, d.h., Qualifikati-
on ist primär aus Sicht ihrer Nachfrage und nicht des Subjekts bestimmt" (2001 a, S.
77). Während der Begriff Qualifikation sich auf objektive, zertifizierbare Leistungs-
Resultate bezieht, stellt der Kompetenzbegriff Handlungs-Dispositionen des Sub-
jekts in den Mittelpunkt, die nur indirekt evaluiert und zertifiziert werden können (vgl.
Erpenbeck/Heyse 1997, S. 48; 50).
Der Qualifikationsbegriff wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend vom berufs-
pädagogischen Kompetenzbegriff abgelöst. Statt Vorratswissen zu vermitteln, wird
verstärkt die Förderung und Entwicklung von subjektiven Kompetenzen der Lernen-
den angestrebt (vgl. Arnold 2003, S. 29 ff.).
2.7 Kompetenzentwicklung in der betrieblichen Weiterbildung
Kompetenzentwicklung wird im Kontext der beruflichen Bildung als Erwerb einer
umfassenden beruflichen Handlungskompetenz verstanden, die seit den 1980er
Jahren als allgemein anerkanntes Leitziel der Berufsausbildung besteht und die die
oben genannten Kompetenzbereiche umfasst (vgl. Dehnbostel 2001 a, S. 76 f.).
Nach Arnold befähigen Kompetenzen das Individuum dazu, sich selbständig die zu
einem Zeitpunkt notwendigen Qualifikationen anzueignen. Kompetenzentwicklung
bedeutet nach diesem Verständnis die Befähigung zu einer umfassenden Selbst-
organisations- und Selbststeuerungsfähigkeit des Individuums (vgl. Arnold 2003, S.
20 ff.). Dehnbostel/Gillen betonen zudem den prozesshaften und aktiven Charakter
der Kompetenzentwicklung. Kompetenzen werden lebensbegleitend durch individu-

Betriebliche Weiterbildung
17
elle Lern- und Entwicklungsprozesse in unterschiedlichen Lernarten und Lernformen
erworben und entwickelt (vgl. 2005, S. 32).
Kompetenzentwicklung hat sich mittlerweile als zentraler Begriff in Praxis und Theo-
rie der beruflichen Weiterbildung etabliert. Es existieren unterschiedliche Konzepte
und Definitionen, auch bezüglich der beruflichen Handlungsfähigkeit als Zielgröße
der Kompetenzentwicklung. Gemeinsam ist den verschiedenen Ansätzen die Aus-
differenzierung in mehrere Kompetenzbereiche, die Erweiterungen gegenüber dem
Qualifikationsbegriff sowie die Betonung des Subjektiven im Prozess der Aneignung
bzw. der Entwicklung von Kompetenzen (vgl. Dehnbostel 2001 a, S. 77).
Durch die Gegenüberstellung der Begriffe Qualifikation und Kompetenz wird deut-
lich, dass im Konzept der Kompetenzentwicklung im Sinne einer Selbststeuerungs-
und Selbstorganisationsfähigkeit, das subjektive Moment, die Persönlichkeit des
lernenden und arbeitenden Menschen wieder in den Mittelpunkt des Interesses
rückt. Dieser persönlichkeitsorientierte Wandel der betrieblichen Lernkulturen macht
einen entsprechenden Wandel der didaktischen Konzepte und Methoden unabding-
bar. Die veränderten Zielgrößen moderner betrieblicher Weiterbildung erfordern
Lehr-Lernformen, die sich von traditionellen Ansätzen der Wissensvermittlung un-
terscheiden. Soziale wie methodische Kompetenzen können nicht in lehrerzentrier-
ten und rein fachlich orientierten Weiterbildungsformen vermittelt werden. Sie kön-
nen nur durch Handeln, Erfahren und aktives Lernen erworben werden. Die betrieb-
liche Weiterbildung muss deshalb Lehr- und Lernformen anbieten, die eine aktive
und selbständige Kompetenzentwicklung ermöglichen und sich nicht auf reine Wis-
sensvermittlung in seminaristischer Form beschränken (vgl. Arnold 1996 b, S. 233).
Traditionelle Lernformen werden abgelöst von ,,erweiterten didaktischen Ansätzen"
(ebd. 1996 a, S. 61), die fachliches und überfachliches Lernen sowie Lernen und
Arbeiten verbinden. So genannte ,,neue" werden mit ,,traditionellen" Lernformen
kombiniert. Arbeitsintegriertes und selbstgesteuertes Lernen werden im Rahmen
kompetenzorientierter Weiterbildung verstärkt eingesetzt. Durch die Verbreitung in-
novativer Lernformen hat sich Arnold zufolge ein Lernkulturwandel in der betriebli-
chen Weiterbildung ereignet (vgl. 1996 b, S. 233), worauf in Kapitel 3 vertieft einge-
gangen wird.
Unmittelbaren Einfluss auf die Veränderungen betrieblicher Kompetenzentwicklung
haben die fortschreitende Internationalisierung und Globalisierung, die Unterneh-
men und ihre Mitarbeiter vor neue Herausforderungen stellen. Internationale Qualifi-
kationen offenbaren sich als unentbehrliche Wettbewerbsfaktoren für international
agierende Unternehmen. Entsprechend ergibt sich für die betriebliche Weiterbildung
die Aufgabe einer auslandsorientierten Kompetenzentwicklung der Mitarbeiterschaft.

Betriebliche Weiterbildung
18
2.8 Neue Kompetenzprofile durch Internationalisierung der Märkte
Im Zuge der zunehmenden Internationalisierung der Märkte wachsen nicht nur Gü-
ter- und Dienstleistungsmärkte verstärkt zusammen, auch das Auslands-
engagement der Unternehmen geht weit über nationale Absatzmärkte hinaus. Un-
ternehmen investieren verstärkt in internationale Projekte, fördern die internationale
Ausrichtung der Unternehmensfunktionen und schließen strategische Allianzen und
Kooperationen mit ausländischen Partnern. Die internationale Vernetzung, die eine
vertiefte Form der internationalen Zusammenarbeit erfordert, setzt voraus, dass Ar-
beitnehmer Kompetenzen besitzen, die ihnen ein berufliches Handeln im internatio-
nalen Kontext ermöglichen. Interkulturelle Erfahrung und Geschick im Umgang mit
Menschen anderer kultureller Herkunft werden zu wichtigen Schlüsselqualifikationen
(vgl. Göbel u.a. 1998, S. 28). Die internationale Ausrichtung von Unternehmensakti-
vitäten macht es notwendig, Dinge aus verschiedenen kulturellen Perspektiven se-
hen und bewerten zu können, was nicht zuletzt für die Erarbeitung einer globalen
Unternehmensphilosophie unabdingbar ist (vgl. Stadler 1994, 249 ff.).
Im Rahmen einer bundesweiten Unternehmensumfrage des Instituts der deutschen
Wirtschaft Köln (IW-Köln) im Jahr 2000 zum Thema ,,Globalisierung und inter-
nationale Berufskompetenzen" gaben rund 37% aller befragten Unternehmen an,
dass ein Teil ihrer Beschäftigten regelmäßig internationale Qualifikationen anwen-
den müsse. Unter den internationalen Fachkenntnissen und Qualifikationen stehen
aus Sicht der Unternehmen Fremdsprachenkenntnisse an erster Stelle. An zweiter
Stelle folgen Toleranz und Anpassungsfähigkeit gegenüber anderen kulturellen
Werten und Normen (vgl. Lenske 2000, S. 1 f.).
Apfelthaler weist in Anlehnung an Elashmawi & Harris (1993) auf Forderungen inte-
rnationaler Unternehmen hin, die von ihren Mitarbeitern
-
interkulturelle Sensibilität ,
-
die Fähigkeit, sich rasch an verschiedene Umwelten anpassen zu können,
-
die Fähigkeit, mit Unsicherheit umgehen zu können,
-
die Fähigkeit, kulturelle Verhaltensmuster nachvollziehen und vorwegnehmen zu
können
erwarten (vgl. 1999, S. 185).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836646505
DOI
10.3239/9783836646505
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Sozial- und Verhaltenswissenschaften 08, Erziehungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2010 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
personalentwicklung betriebliche weiterbildung auslandspraktikum lernkultur didaktik
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Titel: Das Auslandspraktikum als Weiterbildungsinstrument
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