Lade Inhalt...

Optimale Ressourcenallokation im Kundenlebenszyklus

Eine Erfolgsbewertung der Kundenorientierung am Beispiel der Automobilindustrie

©2002 Diplomarbeit 130 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Das ökonomische Management von Geschäftsbeziehungen gilt als kritischer Differenzierungs- und Erfolgsfaktor einer marktorientierten Unternehmensführung. Klassische Unternehmensstrategien wie Kosten- oder Qualitätsführerschaft erweisen sich bei einem Angebotsüberschuss auf hohem Leistungs- und Qualitätsniveau zunehmend als unwirksam. Der hohe Sättigungsgrad vieler Märkte führt zu einem Verdrängungswettbewerb. Um Marktanteile zu steigern, müssen Unternehmen entweder neue Kunden von der Konkurrenz abwerben oder den Umsatz mit der eigenen Kundschaft ausweiten. Geht man von begrenzten Marketing-Ressourcen aus, ergibt sich aus Unternehmenssicht die Problemstellung, wie eine optimale, d.h. den Gewinn maximierende, Balance zwischen der Akquisition neuer Kunden und dem Ausbau bestehender Kundenbeziehungen gefunden werden kann.
Die Intensivierung bestehender Geschäftsbeziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden wird auch als Kundenbindung bezeichnet. Zahlreiche Beiträge aus der betriebswirtschaftlichen Forschung und der Marketing-Praxis kommen zu dem Ergebnis, dass die Kundenakquisition kostenintensiver und weniger profitabel als die Kundenbindung ist. Neuere Veröffentlichungen weisen jedoch darauf hin, dass der ökonomische Erfolg von Maßnahmen der Kundenbindung nicht vorausgesetzt werden kann. Für einen zielgerichteten Ressourcen-Einsatz kommt es vielmehr darauf an, die ”richtigen“ Kunden zu identifizieren und Geschäftspotenziale effektiv und effizient auszuschöpfen.
In der Unternehmenspraxis wurde in den letzten Jahren versucht, den Anforderungen an ein professionelles Kundenbindungsmanagement durch den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gerecht zu werden. Der Fokus auf die Implementierung von sogenannten Customer Relationship Management Systemen hat dazu geführt, dass zunehmend IT-Experten die Entwicklung der Marketing-Strategie mit übernommen haben. Folglich ist in vielen Unternehmen ein IT-getriebener Aktivismus zu beobachten. Konzeptionell-strategische Überlegungen scheinen dabei häufig auf der Strecke zu bleiben.
In Zeiten konjunkturschwacher Märkte sinkt die Investitionsbereitschaft von Unternehmen. Investitionen in das Management von Kundenbeziehungen müssen auf ihre Rentabilität überprüft werden. Gelingt es nicht, die immateriellen Vermögensgegenstände wie Marken- oder Kundenwert mit monetären Größen zu bewerten, ist bei einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmenssteuerung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9156
Conze, Oliver: Optimale Ressourcenallokation im Kundenlebenszyklus - Eine
Erfolgsbewertung der Kundenorientierung am Beispiel der Automobilindustrie
Hamburg: Diplomica GmbH, 2005
Zugl.: Universität Fridericiana Karlsruhe (TH), Diplomarbeit, 2002
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2005
Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
i
Abbildungsverzeichnis
iii
Tabellenverzeichnis
v
Einleitung
1
Motivation und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1 Grundlagen der Kundenorientierung
5
1.1 Erfolgsfaktor Kundenorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.1.1
Entwicklungsphasen im Marketing . . . . . . . . . . . . . .
6
1.1.2
Begriffliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1.2 Kundenorientierung in der Automobilindustrie . . . . . . . . . . .
10
1.3 Kundenakquisition versus Kundenbindung . . . . . . . . . . . . .
17
2 Kundenorientierung im Kundenlebenszyklus
21
2.1 Lebenszykluskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.1.1
Kundenbedarfslebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2.1.2
Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
2.1.3
Simultane Betrachtung der Lebenszykluskonzepte . . . . .
28
2.2 Phasenbezogenes Kundenmanagement . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.2.1
Kundenakquisition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
2.2.2
Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.2.3
Kundenr¨uckgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
i

ii
INHALTSVERZEICHNIS
3 Erfolgskette der Kundenbindung
41
3.1 Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.1.1
Theoretische Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
3.1.2
Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
3.1.3
Verfahren zur Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3.1.4
Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
3.2 Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.2.1
Theoretische Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.2.2
Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
3.2.3
Verfahren zur Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
3.2.4
Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
3.3 Kundenzufriedenheit und Kundenbindung . . . . . . . . . . . . .
67
3.4 Kundenbindung und ¨okonomischer Erfolg . . . . . . . . . . . . . .
71
3.4.1
Kundenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
3.4.2
Loyalit¨ats-Effekt von Reichheld und Sasser . . . . . . . . .
79
4 Methoden zur Ressourcenallokation
89
4.1 Ressourcenallokation auf Basis von Kundenkapitalwerten . . . . .
90
4.2 Kundenorientierung durch die Balanced Scorecard . . . . . . . . .
97
4.3 Kundenmigrationsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.3.1
Marktanteile als Markov-Kette . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.3.2
System Dynamics Modell der Kundenmigration . . . . . . 105
Zusammenfassung und Ausblick
115
Literaturverzeichnis
119

Abbildungsverzeichnis
1.1 Entwicklungsphasen im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
1.2 Pkw-Neuzulassungen von 1990 bis 2001 . . . . . . . . . . . . . . .
11
1.3 Segmentabsatz im Automobilmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
1.4 Kundenkontaktvolumen in der Vertriebsstruktur . . . . . . . . . .
14
1.5 Markenloyalit¨at auf dem US-amerikanischen Automobilmarkt . .
15
1.6 Entwicklung von Elektrik und Elektronik im Automobil . . . . . .
16
1.7 Vorteile durch Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2.1 Beispiel eines Kundenbedarfslebenszyklus . . . . . . . . . . . . . .
24
2.2 Phasen des Kundenbesitzlebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . .
26
2.3 Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus . . . . . . . . . . . . .
26
2.4 Simultane Betrachtung der Lebenszykluskonzepte . . . . . . . . .
29
2.5 Produktlebens- und Besitzlebenszyklen . . . . . . . . . . . . . . .
30
2.6 Phasen und Beispiele eines Kaufentscheidungsprozesses . . . . . .
32
2.7 Erfolgsbewertung in der Kundenakquisitionsphase . . . . . . . . .
34
3.1 Erfolgskette der Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
3.2 Modell der Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
3.3 Ans¨atze zur Messung der Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . .
47
3.4 Exemplarischer Blueprint einer Probefahrt . . . . . . . . . . . . .
50
3.5 Ansatz zur Bildung eines gewichteten Zufriedenheitsindex . . . . .
53
3.6 Wettbewerbsanalyse von Determinanten . . . . . . . . . . . . . .
54
3.7 Kano-Modell der Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . .
55
3.8 Kausalmodell der Kundenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
3.9 Einfluss des Kundenalters auf die Kundenbindungsrate . . . . . .
61
3.10 Zusammenhang von Zufriedenheit und Bindung je Branche . . . .
67
3.11 Verteilungsfunktion der Kundenzufriedenheit . . . . . . . . . . . .
68
iii

iv
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
3.12 Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und -bindung . . .
69
3.13 Zufriedenheit und Bindung im Premium-Segment . . . . . . . . .
70
3.14 ABC-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
3.15 Auswirkungen einer gesteigerten Kundenbindungsrate . . . . . . .
79
3.16 Komponenten des Kunden-Cashflows . . . . . . . . . . . . . . . .
81
3.17 Empirischer Kunden-Cashflow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
3.18 Empirische Kundenabwanderungsraten . . . . . . . . . . . . . . .
85
3.19 Cashflow f¨ur Kunden eines Automobilherstellers . . . . . . . . . .
88
4.1 Zusammenhang von Budget und Erfolgsquoten . . . . . . . . . . .
91
4.2 Akquisitions-Budget und Kundenkapitalwert . . . . . . . . . . . .
93
4.3 Bindungs-Budget und Kundenkapitalwert . . . . . . . . . . . . . .
94
4.4 Optimale Aufteilung eines Marketing-Budgets . . . . . . . . . . .
94
4.5 Grundelemente der Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . .
97
4.6 Kennzahlen der Kundenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
4.7 Entwicklung der Marktanteile als Markov-Kette . . . . . . . . . . 102
4.8 Basismodell der Kundenmigration . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.9 Entwicklung der Marktanteile als System Dynamics Modell . . . . 107
4.10 Erweitertes Kundenmigrationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.11 Absatzprognose auf Basis des Migrationsmodells . . . . . . . . . . 112
4.12 Marketing-Budget und Erfolgsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.13 Ressourcenallokation und Unternehmensgewinn . . . . . . . . . . 113

Tabellenverzeichnis
2.1
¨
Ubersicht der Lebenszykluskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
2.2 Familien-Lebenszyklus und Kaufverhalten . . . . . . . . . . . . .
23
2.3 Phasen und Merkmale des Kundenbeziehungslebenszyklus . . . .
27
2.4 Informationsleistungen ausgew¨ahlter Automobilhersteller . . . . .
33
2.5 Formen von Zusatzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.6 Marketing-Instrumente im Kundenlebenszyklus . . . . . . . . . .
39
3.1 Einflussst¨arke von Determinanten der Kundenzufriedenheit . . . .
46
3.2
¨
Ubersicht ausgew¨ahlter Zufriedenheitsstudien . . . . . . . . . . .
52
3.3 Erhebungsmethode der Kano-Anforderungen . . . . . . . . . . . .
56
3.4 Einflussst¨arke von Determinanten der Kundenbindung . . . . . . .
60
3.5 Verfahren zur Messung faktischer Kundenbindung . . . . . . . . .
64
3.6 Wettbewerbsanalyse mit der Kundenmigrationsmatrix . . . . . . .
66
3.7 Berechnung des Kundendeckungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . .
74
3.8 Scoring-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
3.9 Beispiel zur RFM-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
3.10 Kundenbewegungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
3.11 Daten zur Ermittlung des Kundenkapitalwerts
. . . . . . . . . .
86
4.1 Performance-Metriken der Kundenmigration . . . . . . . . . . . . 104
4.2 Systemgr¨oßen im Kundenmigrationsmodell . . . . . . . . . . . . . 106
4.3 Kundenmigrationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
v

Einleitung
"
Marketing is too important to be left
alone to the Marketing Department"
-- David Packard
Motivation und Problemstellung
Das ¨okonomische Management von Gesch¨aftsbeziehungen gilt als kritischer Dif-
ferenzierungs- und Erfolgsfaktor einer marktorientierten Unternehmensf¨uhrung.
Klassische Unternehmensstrategien wie Kosten- oder Qualit¨atsf¨uhrerschaft erwei-
sen sich bei einem Angebots¨uberschuss auf hohem Leistungs- und Qualit¨atsniveau
zunehmend als unwirksam. Der hohe S¨attigungsgrad vieler M¨arkte f¨uhrt zu einem
Verdr¨angungswettbewerb. Um Marktanteile zu steigern, m¨ussen Unternehmen
entweder neue Kunden von der Konkurrenz abwerben oder den Umsatz mit der
eigenen Kundschaft ausweiten. Geht man von begrenzten Marketing-Ressourcen
aus, ergibt sich aus Unternehmenssicht die Problemstellung, wie eine optimale,
d.h. den Gewinn maximierende, Balance zwischen der Akquisition neuer Kunden
und dem Ausbau bestehender Kundenbeziehungen gefunden werden kann.
Die Intensivierung bestehender Gesch¨aftsbeziehungen zwischen einem Unter-
nehmen und seinen Kunden wird auch als Kundenbindung bezeichnet. Zahlreiche
Beitr¨age aus der betriebswirtschaftlichen Forschung und der Marketing-Praxis
kommen zu dem Ergebnis, dass die Kundenakquisition kostenintensiver und we-
niger profitabel als die Kundenbindung ist (vgl. Reichheld/Sasser 1990, Finkel-
man/Goland 1991, Diller 1996, Bliemel/Eggert 1998, Peter 1999, Bruhn/Homburg
1999). Neuere Ver¨offentlichungen weisen jedoch darauf hin, dass der ¨okonomische
Erfolg von Maßnahmen der Kundenbindung nicht vorausgesetzt werden kann.
F¨ur einen zielgerichteten Ressourcen-Einsatz kommt es vielmehr darauf an, die
"
richtigen" Kunden zu identifizieren und Gesch¨aftspotenziale effektiv und effizi-
ent auszusch¨opfen (vgl. Cornelsen 2001, Krafft 2002, Reinartz/Kumar 2002).
In der Unternehmenspraxis wurde in den letzten Jahren versucht, den Anfor-
derungen an ein professionelles Kundenbindungsmanagement durch den Einsatz
neuer Informations- und Kommunikationstechnologien gerecht zu werden. Der

2
EINLEITUNG
Fokus auf die Implementierung von sogenannten Customer Relationship Manage-
ment Systemen hat dazu gef¨uhrt, dass zunehmend IT-Experten die Entwicklung
der Marketing-Strategie mit ¨ubernommen haben (vgl. W¨ubker/Buckler 2002).
Folglich ist in vielen Unternehmen ein IT-getriebener Aktivismus zu beobachten.
Konzeptionell-strategische ¨
Uberlegungen scheinen dabei h¨aufig auf der Strecke
zu bleiben (vgl. Homburg/Sieben 2000).
In Zeiten konjunkturschwacher M¨arkte sinkt die Investitionsbereitschaft von
Unternehmen. Investitionen in das Management von Kundenbeziehungen m¨ussen
auf ihre Rentabilit¨at ¨uberpr¨uft werden. Gelingt es nicht, die immateriellen Ver-
m¨ogensgegenst¨ande wie Marken- oder Kundenwert mit monet¨aren Gr¨oßen zu be-
werten, ist bei einer Shareholder-Value-orientierten Unternehmenssteuerung mit
Unterinvestitionen in den Marketing-Bereich zu rechnen (vgl. Cornelsen 2001,
Krafft 2002).
Ziel der Arbeit
Die bisherigen Ausf¨uhrungen haben verdeutlicht, dass dem Ausbau bestehender
Kundenbeziehungen im Rahmen einer kundenorientierten Unternehmensf¨uhrung
eine besondere Bedeutung beigemessen wird. Maßnahmen der Kundenbindung
versprechen ¨okonomischen Erfolg. Vor diesem Hintergrund entsteht der Eindruck,
dass sich eine einseitige Konzentration auf kundenbindende Maßnahmen positiv
auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Eine branchen¨ubergreifende Studie eu-
rop¨aischer Unternehmen zeigt jedoch, dass in der Unternehmenspraxis die Ak-
quisition von Neukunden weiterhin eine vorrangige Stellung einnimmt (vgl. Lo-
wenstein 2002). Bei 80 Prozent der untersuchten Unternehmen wurde eine deut-
liche ¨
Ubergewichtung der Ausgaben f¨ur die Kundenakquisition gegen¨uber der
Kundenbindung ermittelt.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Kundenbindung als strategisches Unter-
nehmensziel der Kundenakquisition gegen¨uberzustellen und eine Entscheidungs-
hilfe zur optimalen Allokation knapper Marketing-Ressourcen zu entwickeln. Ein
Schwerpunkt der Arbeit soll auf die systematische Aufarbeitung von bestehen-
den Untersuchungen zur Erfolgswirkung der Kundenbindung gelegt werden. Zur
Verdeutlichung des Nutzens f¨ur die Unternehmenspraxis werden die vorgestellten
und entwickelten Ans¨atze durchgehend auf die branchenspezifischen Problemstel-
lungen der Automobilindustrie angewendet.

EINLEITUNG
3
Aufbau der Arbeit
In Kapitel 1 wird auf die Grundlagen der Kundenorientierung eingegangen. Ver-
schiedene Entwicklungslinien und die begriffliche Vielfalt der Kundenorientierung
werden aufgezeigt und f¨ur den weiteren Verlauf der Arbeit spezifiziert. Es folgt
eine ausf¨uhrliche Untersuchung der branchenspezifischen Anforderungen der Au-
tomobilindustrie an eine kundenorientierte Unternehmensf¨uhrung.
Kapitel 2 dient der Abgrenzung verschiedener Phasen einer Gesch¨aftsbezie-
hung zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden. Zur Strukturierung von
Kundenbeziehungen werden vier Anwendungen des Lebenszyklus-Konzepts vor-
gestellt und zueinander in Bezug gesetzt. Darauf aufbauend werden Maßnahmen
f¨ur ein phasenbezogenes Management von Kundenbeziehungen erarbeitet.
Die Erfolgswirkung der Kundenbindung wird in Kapitel 3 analysiert. Der Glie-
derung liegt die Erfolgskette der Kundenbindung zugrunde. Zun¨achst erfolgt eine
theoretische Fundierung der Konstrukte Kundenzufriedenheit und Kundenbin-
dung. Anschließend werden relevante Determinanten, Messverfahren und Analy-
semethoden der jeweiligen Konstrukte sowohl f¨ur den allgemeinen Fall als auch
f¨ur die Anwendung in der Automobilindustrie diskutiert. Der Zusammenhang
von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung wird anhand vorhandener Studien
dargestellt und durch empirische Analysen ¨uberpr¨uft. Die abschließende Untersu-
chung des Zusammenhangs von Kundenbindung und Unternehmenserfolg gliedert
sich in zwei Teile: Der erste Teil er¨ortert Methoden zur Bestimmung des Kun-
denwerts. Im zweiten Teil wird die Methode einer empirischen Untersuchung der
Erfolgswirkung formal dargestellt und kritisch gew¨urdigt sowie in theoretischen
¨
Uberlegungen den Gegebenheiten der Automobilindustrie angepasst.
Kapitel 4 widmet sich dem Allokationsproblem: Es werden drei Ans¨atze vorge-
stellt, die sich zur Entscheidungsunterst¨utzung bei der Allokation von Marketing-
Ressourcen eignen. Ein deterministischer Ansatz, der den in Kapitel 3 eingef¨uhr-
ten Kundenkapitalwert maximiert, liefert eine optimale L¨osung. Als Kontrollin-
strument eines zielorientierten Einsatzes von Ressourcen wird die Balanced Sco-
recard vorgestellt. Als dritter Ansatz wird die Anwendung einer Markov-Kette
er¨ortert und als System Dynamics Modell erweitert. Das entwickelte Kundenmi-
grationsmodell stellt einen neuen Ansatz zur wettbewerbsorientierten und pha-
sen¨ubergreifenden Bewertung der Kundenorientierung dar.

Kapitel 1
Grundlagen der
Kundenorientierung
Die N¨ahe zum Kunden als Managementgrundsatz und Erfolgsfaktor ist allge-
genw¨artig. Seit die Unternehmensberater und Autoren Peters und Waterman in
dem kontrovers diskutierten Bestseller
"
In Search of Excellence" (1982) die Kun-
denn¨ahe als einen von acht Erfolgsfaktoren Amerikas bestgef¨uhrter Unternehmen
identifiziert haben, darf die Orientierung am Kunden auf keiner Management-
Agenda mehr fehlen. Die Anzahl der gegenw¨artigen Neuver¨offentlichungen in
Wissenschaft und Praxis best¨atigt die Nachhaltigkeit und Aktualit¨at des The-
mas. In einer Auflistung der wichtigsten Themen der Marketing-Forschung f¨ur
die kommenden zwei Jahre ermittelte das Marketing Science Institute in einer
aktuellen Umfrage mehrfach Themengebiete, die in unmittelbarem Zusammen-
hang mit der Kundenorientierung stehen (vgl. MSI 2002).
In diesem Kapitel werden verschiedene Entwicklungsphasen und -urspr¨unge
sowie die begriffliche Vielfalt des Themas Kundenorientierung aufgezeigt und
f¨ur den weiteren Verlauf der Arbeit spezifiziert. Die Differenzierung von Anwen-
dungsbereichen und eine Betrachtung branchenspezifischer Charakteristika f¨ur
die Automobilindustrie erfolgt in Abschnitt 1.2. Abschließend wird in die Pro-
blemstellung eingef¨uhrt, wie Maßnahmen der Bindung bestehender Kunden im
Kontext traditioneller Marketing-Aktivit¨aten zur Akquisition von Neukunden be-
wertet werden k¨onnen.

6
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
1.1
Erfolgsfaktor Kundenorientierung
1.1.1
Entwicklungsphasen im Marketing
Seit Anfang der Neunzigerjahre hat sich Kundenorientierung als Maxime der
marktorientierten Unternehmensf¨uhrung etabliert. Statt der transaktionsorien-
tierten Vermarktung von Produkten wird das ¨okonomische Management von
Kundenbeziehungen als Kernaufgabe im Marketing proklamiert.
Die Ver¨anderungen der wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedin-
gungen f¨uhrten zu dieser Neuausrichtung im Marketing (vgl. Bruhn 2001, S. 2).
Produkt-
orientierung
Produkt-
orientierung
Markt-
orientierung
Markt-
orientierung
Wettbewerbs-
orientierung
Wettbewerbs-
orientierung
Kunden-
orientierung
Kunden-
orientierung
50er/60er-Jahre
70er-Jahre
80er-Jahre
90er-Jahre
Methoden:
· Kundenwertermittlung
· Zufriedenheitsmessung
· Porter's Five Forces
· Wertschöpfungs-
kettenanalyse
· Marktsegmentierung
· Positionierung
· Produkt-Markt-Matrix
· Portfolioanalyse
· Erfahrungskurve
Wind `70:
Beschaffungs-
loyalität
Bauer `83:
Determinanten
der Markentreue
Berry `83:
Relationship
Marketing
Peters/
Waterman `82:
Kundennähe
Bruhn/Homburg `99:
Kundenbindung
Kano-
Modell `84
Peter `97:
Wechselbarrieren
Homburg `95:
Operationalisierung
der Kundennähe
Reichheld,
Sasser '90:
Erfolgsauswirkung
der Kundenbindung
Blattberg et al `01:
Customer Equity
Cornelsen `01:
Kundenreferenz-
werte
ab 2000
Entwicklungs-
Richtung in der
Literatur zur
Kunden-
orientierung:
Bruhn `01:
Relationship Marketing
Abbildung 1.1: Entwicklungsphasen im Marketing
(Quelle: in Anlehnung an Bruhn 2001, S. 3 und S. 7)
In den F¨unfziger- und Sechzigerjahren war eine m¨oglichst effiziente Mas-
senproduktion der entscheidende Erfolgsfaktor, um den Nachfrage¨uberschuss der
M¨arkte bedienen zu k¨onnen. Durch den Wandel vom Verk¨aufer- zum K¨aufermarkt
erkannten viele Unternehmen die Notwendigkeit, M¨arkte zu segmentieren und
sich mit ihren Unternehmensleistungen zu positionieren. Die Marktorientierung
der Siebzigerjahre wurde in den Folgejahren um die Wettbewerbsorientierung er-
weitert. Analyseinstrumente wie die Konkurrenz- und Wertsch¨opfungskettenana-
lyse wurden entwickelt, um Unternehmensleistungen gegen¨uber Wettbewerbern
abzugrenzen und zu profilieren. Durch aufkommende Kostensenkungs- und Qua-

1.1. ERFOLGSFAKTOR KUNDENORIENTIERUNG
7
lit¨atsmanagementprogramme verloren jedoch klassische Wettbewerbsstrategien
wie Kostenf¨uhrerschaft, Differenzierung und Nischenfokussierung immer mehr
an Wirksamkeit (vgl. Peter 1999, S. 1). Dies l¨oste eine Phase der internen Ori-
entierung gegen Ende der Achtzigerjahre aus. Die Neugestaltung der Unterneh-
mensstrukturen und -prozesse war gekennzeichnet durch Ans¨atze wie konsequen-
tes Qualit¨atsmanagement, flachere Organisationsstrukturen und die Umstruktu-
rierung von Gesch¨aftsprozessen. Es folgte die Phase der externen strategischen
Neuausrichtung, ein markt- und kundenorientiertes Management.
Dass die Kundenorientierung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Markt-
anteile im Laufe der Neunzigerjahre popul¨ar wurde, kann als Konsequenz der
Ver¨anderungen im ¨okonomischen, gesellschaftlichen und technologischen Umfeld
interpretiert werden (vgl. Peter 1999, S. 3):
Das ¨okonomische Umfeld der Neunzigerjahre ist durch einen stark zunehmen-
den Kostendruck sowie stagnierende Marktanteile gekennzeichnet. Eine Homo-
genisierung vieler Unternehmensleistungen bei immer geringer werdenden Qua-
lit¨atsunterschieden und die zunehmende Angebotsvielfalt f¨uhren dazu, dass vie-
le Produkte als austauschbar empfunden werden. Durch den hohen S¨attigungs-
grad vieler M¨arkte kommt es zu einem Verdr¨angungswettbewerb, bei dem neue
Kunden in erster Linie von der Konkurrenz abgeworben werden m¨ussen. Durch
gleichgerichtete Marketing-Aktivit¨aten k¨onnen steigende Marketing-Budgets je-
doch nicht in Wettbewerbsvorteile und somit steigende Marktanteile ¨ubersetzt
werden.
Ein sich wandelndes Sozial- und Konsumverhalten verst¨arkt die Notwendig-
keit einer Abkehr vom anonymen Massenmarketing hin zur zielgruppenspezifi-
schen Marktstrategie. Die Anonymisierung in der modernen Gesellschaft sowie
die immer st¨arkere Standardisierung vieler Lebensbereiche werden von Soziologen
als Grund f¨ur das zunehmende Bed¨urfnis nach Individualisierung angef¨uhrt (vgl.
Beck 1986, S. 121). Im Konsumentenverhalten zeigen Kunden selbstbewusste,
anspruchsvolle Erwartungshaltungen und werden im Nachfrageverhalten zuneh-
mend selektiver. Aufgrund der hohen Mobilit¨at und neuer Vertriebskan¨ale ver-
lieren physische Wechselbarrieren an Bedeutung. Neue Medien f¨ordern zus¨atzlich
die direkte Interaktion von Anbietern und Nachfragern (vgl. Krafft 2002, S. 2).
Der Wunsch nach Individualit¨at sowie das immer komplexer werdende Konsum-
verhalten erschweren die eindeutige Zuordnung von Kunden zu Kategorien.
Die Ver¨anderungen im ¨okonomischen und gesellschaftlichen Umfeld der Neun-

8
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
zigerjahre bereiteten also den Weg f¨ur die Entwicklung hin zur Kundenorientie-
rung im Marketing. Erst durch das technologische Umfeld ­ die rasanten Fort-
schritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie ­ wurde es jedoch
m¨oglich, ein abnehmerbezogenes Individualmarketing in die Praxis umzusetzen.
Mit Gr¨undung des Softwareunternehmens Siebel Systems wurde 1993 ein neu-
er Wachstumsmarkt in der Informationstechnologie geschaffen. Siebel kann als
erster und bis heute f¨uhrender Anbieter von CRM Standardsoftware bezeichnet
werden.
"
Customer Relationship Management" (CRM) bezeichnet dabei die sy-
stematische und integrierte Gestaltung von Kundenbeziehungen. Da jedoch in
den letzten Jahren unter dem Schlagwort CRM in vielen Unternehmen ein IT-
getriebener Aktivismus zu beobachten ist und konzeptionell-strategische ¨
Uberle-
gungen h¨aufig auf der Strecke zu bleiben scheinen (vgl. Homburg/Sieben 2000),
soll in dieser Arbeit bewusst auf den Begriff CRM verzichtet werden. Als Ursa-
che der Nachhaltigkeit der Kundenorientierung im Marketing spielt das techno-
logische Umfeld aber eine wichtige Rolle: Mit abflachenden Wachstumsraten im
Bereich der betriebswirtschaftlichen Standardsoftware Ende der Neunzigerjahre,
sp¨atestens aber mit dem Einbruch vieler E-Business-Aktivit¨aten seit Fr¨uhjahr
2000, entwickelt sich der schnell wachsende CRM-Markt zu einer aussichtsrei-
chen Expansionsm¨oglichkeit.
1
Unmittelbar betrifft dies die Softwarehersteller,
aber vor allem Unternehmensberatungen verst¨arken den informationstechnolo-
gischen Fokus durch die von ihnen propagierten
"
Rezeptl¨osungen" f¨ur die neuen
Herausforderungen der Kundenorientierung.
1.1.2
Begriffliche Abgrenzung
Wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit dem Thema Kundenorientierung be-
sch¨aftigen, beginnen meist mit ausf¨uhrlichen Abgrenzungen der beschriebenen
Managementkonzepte: Begriffe wie Kundenorientierung, Kundenn¨ahe, Kunden-
bindungsmanagement, Customer Relationship Management, Relationship oder
Retention Marketing werden teilweise synonym verwendet oder unterschiedlich
voneinander abgegrenzt (vgl. Bruhn 2001, Bruhn/Homburg 1999, Meffert 1999,
Peter 1999, Bergmann 1998).
Kriterien der Abgrenzung sind hierbei oftmals die Tr¨ager sowie Phase und
Richtung der Gesch¨aftsbeziehung (vgl. Gaul 2001, Bez-6). Tr¨ager der Gesch¨afts-
1
Die Meta Group prognostiziert ein Anwachsen des globalen CRM-Markts von zehn Milli-
arden Dollar im Jahr 2001 auf knapp 21 Milliarden Dollar im Jahr 2004.

1.1. ERFOLGSFAKTOR KUNDENORIENTIERUNG
9
beziehung, d.h. potenzielle Beziehungspartner, k¨onnen neben den Kunden auch
beispielsweise Lieferanten, Wettbewerber, Vertriebspartner oder Mitarbeiter sein.
Betrachtet man verschiedene Phasen einer Gesch¨aftsbeziehung, kann der Fokus
auf potenzielle, aktuelle und ehemalige Beziehungspartner gelegt werden. Bei der
Richtung der Gesch¨aftsbeziehung unterscheidet zum Beispiel Meffert (1999) zwi-
schen der kaufverhaltensbezogenen und der managementbezogenen Sichtweise.
2
Der Ansatz dieser Arbeit soll es sein, sich nicht auf eine bestimmte Phase einer
Gesch¨aftsbeziehung zu beschr¨anken, sondern den dynamischen Verlauf der ver-
schiedenen Phasen einer Gesch¨aftsbeziehung zu untersuchen. Als Beziehungspart-
ner treten neben den Kunden und dem Unternehmen auch die Kunden konkurrie-
render Unternehmen auf. Bei der Beziehungsrichtung sollen explizit Maßnahmen
aus Unternehmenssicht und deren ¨okonomische Bewertung untersucht werden.
Emotional beladenes Vokabular, das in den letzten Jahren zunehmend Einzug in
das Marketing h¨alt, ist zudem kritisch zu bewerten: Begriffe wie Kundenloyalit¨at,
Markentreue, Kundenbeziehungen unterstellen ein proaktives Interesse der Kun-
den an einer langfristigen Beziehung zu den Unternehmen. Auch wenn dies sicher
f¨ur einen Teil des Kundenstamms zutrifft, sollen Untersuchungen in Kapitel 3 zei-
gen, dass ein Großteil der Kunden weiterhin produkt- und transaktionsorientiert
handelt und den Nutzen der eigentlichen Beziehung relativ gering bewertet.
W¨ahrend sich in der Marketing-Theorie der Begriff des Relationship Marketing
zu etablieren scheint (vgl. Bruhn 2001), dominiert in der Praxis das Schlagwort
CRM (vgl. oben). Um der Anforderung gerecht zu werden, ein phasen¨ubergrei-
fendes, strategisches Managementkonzept aus Unternehmenssicht zu beschreiben,
soll in dieser Arbeit von kundenorientierter Unternehmensf¨uhrung gesprochen
werden. Als Oberbegriff wird Kundenorientierung verwendet und als Arbeitsde-
finition in Anlehnung an Bruhn (2001, S. 9) wie folgt definiert:
Kundenorientierung umfasst
Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchf¨uhrung und Kontrolle,
die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme
von Gesch¨aftsbeziehungen
zu potenziellen, aktuellen und ehemaligen Kunden des Unternehmens
dienen.
2
Eine kaufverhaltensbezogene Bindung beschreibt hierbei einen Zustand der Wiederkaufbe-
reitschaft aus Sicht des Kunden, w¨ahrend die managementbezogene Sichtweise Aktivit¨aten der
Unternehmung, ausgerichtet auf die Bindung der Kunden, bezeichnet.

10
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
Auf dieser Definition aufbauend beschreibt die optimale Ressourcenallokation
im Kundenlebenszyklus s¨amtliche Maßnahmen der Kundenorientierung als Inve-
stitionsentscheidung in verschiedenen Phasen einer Gesch¨aftsbeziehung mit dem
Ziel, den ¨okonomischen Erfolg des Unternehmens zu maximieren.
1.2
Kundenorientierung in der
Automobilindustrie
Die Variationsbreite der Maßnahmen der Kundenorientierung, deren Operatio-
nalisierung und Erfolgsbewertung, h¨angt maßgeblich von der betrachteten Bran-
che und Leistung ab (vgl. Bruhn 2001, S. 13). Die vorliegende Arbeit setzt sich
vornehmlich mit Anwendungsm¨oglichkeiten und den damit verbundenen Heraus-
forderungen in der Automobilindustrie auseinander. Im Vergleich mit anderen
Branchen, insbesondere mit Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, befin-
den sich Maßnahmen der Kundenorientierung in der Automobilindustrie in einer
fr¨uhen Entwicklungsphase (vgl. Foss/Stone 2001, S. 431). Dass die Bedeutung
der Kundenorientierung jedoch seit langem ein wichtiges Thema ist, manifestiert
sich in der industrieweiten Aktivit¨at bei der Messung der Kundenzufriedenheit
(vgl. Korte 1995). Folgende Charakteristika der Automobilindustrie werden in
diesem Abschnitt auf ihre Implikationen f¨ur eine kundenorientierte Unterneh-
mensf¨uhrung untersucht:
· Stark ges¨attigte M¨arkte mit unterschiedlichen Wachstumsaussichten f¨ur
Volumen-Markt, Premium-Segment und Nischenfahrzeuge
· Mehrstufige und im Wandel befindliche Vertriebsstruktur der Fahrzeugher-
steller mit nationalen Vertriebs- und Handelsorganisationen
· Branchenspezifisches Konsumentenverhalten, gekennzeichnet durch relativ
niedrige Kundenbindungsraten bei langen Wiederkaufzyklen und geringer
Kontaktfrequenz zwischen Kunde und Hersteller
· Zuk¨unftige Entwicklungen in der Automobilindustrie durch technologische
Innovationen in der Fahrzeug- und Produktionstechnik sowie die Erweite-
rung des Kerngesch¨afts durch Dienstleistungsangebote

1.2. KUNDENORIENTIERUNG IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE
11
Ges¨
attigte M¨
arkte
Bei Betrachtung der weltweiten Absatzentwicklung im Automobilmarkt spricht
man von einer Stagnation der Nachfrage auf hohem Niveau (vgl. Korte 1995, S. 8).
Abbildung 1.2 zeigt die Absatzentwicklung der letzten Dekade in den Triade-
M¨arkten. Die rezessiven Tendenzen in den USA, die schwache konjunkturelle
Entwicklung in Westeuropa, die andauernde Wirtschaftskrise in Japan und die
Nachfrageausf¨alle in den krisengebeutelten Staaten S¨udamerikas f¨uhren dazu,
dass die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen geringf¨ugig zur¨uckgeht. Mit
einem Gesamtabsatz von circa 55 Millionen verkauften Kraftfahrzeugen konnte
2001 das Niveau des Vorjahres ann¨ahernd erreicht werden (vgl. VDA 2002).
13,5
10,5
9,5
9,4
9,4
9,4
9,3
9,4
10,0
11,4
5,1
4,9
4,5
4,2
4,2
4,4
4,7
4,5
4,1
4,2
4,3
4,3
13,2
13,5
11,5
11,9
12,0
13,1
13,1
14,0
15,0
14,7
14,8
11,1
9,7
10,2
0
2
4
6
8
10
12
14
16
19
90
19
91
19
92
19
93
19
94
19
95
19
96
19
97
19
98
19
99
20
00
20
01
P
k
w
-
E
r
s
tz
u
la
s
s
u
n
g
e
n
in
M
io
.
E
in
h
e
it
e
n
EU
NAFTA
Japan
Abbildung 1.2: Entwicklung der Zulassung f¨ur Pkw-Neufahrzeuge in den Triade-
M¨arkten (Quelle: VDA 2002, Automotive News Data Center)
Auch im ersten Halbjahr 2002 ist ein nachhaltiger Aufschwung der Weltwirt-
schaft nicht erkennbar. Gest¨utzt durch Kaufanreize und Null-Prozent-Finanzier-
ungen bewegt sich der US-amerikanische Automarkt weiterhin auf hohem Niveau.
Westeuropa und Lateinamerika verzeichnen demgegen¨uber Marktr¨uckg¨ange und
dem japanischen Automobilmarkt fehlt es an Wachstumsimpulsen (vgl. Zwischen-
bericht Q2 2002 der DaimlerChrysler AG).
Die hohe Pkw-Dichte der Industriel¨ander ­ die Anzahl der Pkw pro 1.000
Einwohner lag Ende 2001 zum Beispiel in Deutschland bei 539 Pkw und in den
USA bei circa 600 Pkw (Quelle: KfW) ­ f¨uhrt zu einem sehr geringen Anteil von

12
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
Pkw-Erstk¨aufern: 85 Prozent der verkauften Pkw in den USA ersetzen ein beste-
hendes Fahrzeug, 14 Prozent erweitern den Fahrzeugbestand eines Haushalts und
lediglich 1 Prozent geben an, Erstk¨aufer eines Automobils zu sein (vgl. J.D.Power
ESOL Studie 2002).
Die Stagnation der Nachfrage bei geringer Neukundengewinnung f¨uhrt zu ei-
nem Verdr¨angungswettbewerb in der Automobilindustrie. Industrieexperten rech-
nen mit einer weiteren Konsolidierung unter Fahrzeugherstellern, bei der im Jahr
2010 nur noch circa f¨unf bis zehn Konzerne ¨ubrig bleiben werden (vgl. Bartel et
al. 2000, Dannenberg/Kalmbach 2001, Scholtys 2001). Einheitlich wird dabei die
Positionierung im sogenannten Premium-Segment als entscheidender Erfolgsfak-
tor angesehen (vgl. Scholtys 2001, S. 108):
· Premium-Marken sind im Vergleich zu Volumenmarken weniger konjunktur-
anf¨allig, weil die Produkte wertbest¨andiger und die Einkommen der K¨aufer
konjunkturstabiler sind.
· Fahrzeuge im Premium-Segment erwirtschaften h¨ohere Gewinnmargen.
· Immer selbstbewusstere Lifestyle-Kunden verst¨arken die Bedeutung von
Status- und Erlebniswerten und tragen zu einem ¨uberdurchschnittlichen
Marktwachstum im Premium-Segment bei.
· Eine starke Positionierung im Premium-Segment erm¨oglicht eine Verbrei-
terung der Produktpalette, um tiefer in die Massenm¨arkte vorzudringen.
82%
79%
72%
16%
17%
22%
6%
4%
2%
1986
1996
2006*
M
a
rk
ta
n
te
il
n
a
c
h
P
k
w
-S
e
g
m
e
n
t
(w
e
lt
w
e
it
)
Premium
Volumen-
hersteller
Niedrig-
preis-
Anbieter
*Prognose Ford Motor Company
Abbildung 1.3: Absatzanteile im weltweiten Automobilmarkt nach Segment
(Quelle: Scholtys 2001, S. 116)

1.2. KUNDENORIENTIERUNG IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE
13
Hersteller im Volumenmarkt bauen Produktionskapazit¨aten ab, um den ge-
sunkenen Absatzgr¨oßen gerecht zu werden und branchenweite ¨
Uberkapazit¨aten
von 24 Millionen Fahrzeugen abzubauen. Gleichzeitig stocken Premium-Hersteller
und Anbieter von Nischenfahrzeugen unbeeindruckt vom konjunkturellen Ab-
w¨artstrend weiter auf und erweitern stetig die Produktpalette.
Abbildung 1.3 zeigt, was auch im Vorwort des BMW Aktion¨arsbrief 2002 pro-
gnostiziert wird:
"
Die Premium-Segmente der internationalen Automobilm¨arkte
werden sich weiterhin ¨uberdurchschnittlich entwickeln." Das Institut f¨ur Automo-
bilwirtschaft sch¨atzt, dass der Absatz im Premium-Segment bis 2008 um weitere
20 Prozent steigen wird.
Durch den Wettbewerbsdruck und die Notwendigkeit eines starken Image-
profils erlangen Strategien und Maßnahmen der Kundenorientierung als Diffe-
renzierungsfaktor einen herausgehobenen Stellenwert. Besonders im Premium-
Segment, in dem Kunden bereit sind, f¨ur Markenimage und den damit verbunde-
nen Statuswert erhebliche Preisaufschl¨age zu zahlen, bestehen hohe Erwartungen
an individuellen Service und die Kundenn¨ahe von H¨andler und Hersteller. Es gilt
also, bei jedem Kontakt von Kunde und Repr¨asentant der Marke den Premium-
Status zu vermitteln. Eine Studie der BMW Markt- und Trendforschung zeigt,
dass besonders Kunden der Einstiegsmodelle im Premium-Segment Wert auf die
Behandlung als
"
Premium-Kunde" legen. Der Vorstoß der Premium-Hersteller
in die Massensegmente darf also keinesfalls eine Verschlechterung der Servicelei-
stung nach sich ziehen. Stark steigende Absatzvolumina bei oftmals konstanten
Marketing-Budgets erfordern ein effektives und effizientes kundenorientiertes Ma-
nagement.
Vertriebsstruktur
Die mehrstufige Vertriebsstruktur in der Automobilindustrie mit Herstellern, na-
tionalen Vertriebsorganisationen und den H¨andlernetzwerken erschwert es, dem
Kunden ein einheitliches Markenerlebnis zu bieten. Dabei unterscheiden Kun-
den oftmals nicht zwischen den verschiedenen Entit¨aten des Vertriebssystems.
3
Abbildung 1.4 zeigt die anteiligen Kontaktvolumina zwischen Kunden und den
verschiedenen Vertriebsebenen. Mit 85% Prozent aller Kundenkontakte sind die
Verkaufs- und Serviceh¨andler die dominierenden Repr¨asentanten der Marke. F¨ur
3
Ergebnis von Fokusgruppen-Interviews im Mai 2002 mit Kunden ausgew¨ahlter Premium-
Marken im Auftrag von BMW of North America.

14
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
Automobilhersteller ist es daher von großer Bedeutung, das H¨andlernetzwerk in
die Kundenorientierungsstrategie zu integrieren.
Nationale
Vertriebs-
gesellschaft
14%
Automobil-
Hersteller
1%
Handels-
organisation
85%
Abbildung 1.4: Anteilige Kundenkontaktvolumina (Quelle: Jambor 2002, S. 58)
Die rechtlich selbst¨andigen Vertragsh¨andler sind jedoch nur eingeschr¨ankt be-
reit, Informationen ¨uber Kunden mit der Vertriebsorganisation und dem Herstel-
ler zu teilen. Die geforderte ganzheitliche Sicht auf den Kunden wird erschwert.
Der direkte Dialog zwischen Kunde und Hersteller muss oftmals mit dem Verweis
auf den zust¨andigen H¨andler enden.
F¨ur Autoh¨andler und Werkst¨atten sind Informationen ¨uber Kunden ein wert-
volles Kapital. Besonders f¨ur den deutschen Markt wird aufgrund der ¨uberbe-
setzten H¨andlernetze in den n¨achsten Jahren eine starke Konsolidierung erwartet
(vgl. Ganal 2002). Die ver¨anderten europ¨aischen Marktbedingungen durch die
Modifikation der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) versch¨arfen zus¨atzlich
den Wettbewerb unter H¨andlern und die Spannungen zwischen H¨andlern und
Herstellern. Die EU-Rechtsreform des selektiven und exklusiven Automobilver-
triebs erm¨oglicht zuk¨unftig den Mehrmarkenhandel, die Trennung von Verkauf
und Service, die Niederlassungsfreiheit und die Wahl des Vertriebsgebiets. Durch
den Wegfall der bislang geltenden Bindung der H¨andler an eine Marke muss eine
Strategie der Kundenorientierung zwei Punkten gerecht werden:
1. Eine bestm¨ogliche Integration des H¨andlernetzwerks, bei der individuell auf
H¨andlerebene Kompromisse f¨ur eine gemeinsame Nutzung von Kundenin-
formationen gefunden werden m¨ussen
2. Eine st¨arkere Etablierung des direkten Dialogs zwischen Kunde und Herstel-
ler, um einen gr¨oßeren Anteil an den Kundenkontakten und mehr Einfluss
auf die Gesch¨aftsbeziehung mit den Kunden zu erlangen

1.2. KUNDENORIENTIERUNG IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE
15
Konsumentenverhalten
4
Eine Neuwagenk¨aufer-Studie aus dem Jahr 2001 des Marktforschungsinstituts
CNW Marketing/Research zeigt, dass die Bereitschaft zu einem Markenwechsel
bei Automobilkunden in den USA in Abh¨angigkeit von der jeweiligen Automobil-
marke zum Teil sehr hoch ausgepr¨agt ist (vgl. Abb. 1.5). Gemessen wurde dabei
die faktische Wiederkaufrate von Neuwagenk¨aufern auf Basis einer Quotenstich-
probe entsprechend der Marktanteile der Automobilmarken.
52,3%
59,8%
51,6%
44,2%
29,8%
62,8%
44,2%
52,3%
39,8%
81,8%
59,9%
32,1%
42,8%
45,9%
Acura
Audi
BMW
Cadillac
Infiniti
Jaguar
Land Rover
Lexus
Lincoln
Mercedes-Benz
Porsche
Saab
Volkswagen
Volvo
Abbildung 1.5: Markenloyalit¨at von Neuwagenk¨aufern ausgew¨ahlter Automobil-
marken in den USA (Quelle: CNW Marketing/Research)
Kundenbindungsraten von unter 60 Prozent erscheinen niedrig, m¨ussen aber
im Kontext des branchenspezifischen Konsumentenverhaltens interpretiert wer-
den: Der durchschnittliche Wiederkaufszyklus liegt bei Automobilen in den USA
bei ¨uber f¨unf Jahren
. W¨ahrend der ersten drei Jahre nach dem Kauf besuchen
Kunden in den USA im Durchschnitt acht Mal einen Vertragsh¨andler
.
Lange Wiederkaufzyklen bei geringer Kontaktfrequenz erkl¨aren zum Teil die
niedrigen Kundenbindungsraten. Es zeigt sich jedoch auch, dass Kunden bei ei-
nem Neukauf vor dem ersten H¨andlerbesuch meist schon eine Kaufentscheidung
4
Die verwendeten Statistiken in diesem Abschnitt basieren auf den folgenden J.D.Power
Studien f¨ur den US-amerikanischen Automarkt:
ESOL 2002,
CSI 2002,
SSI 2002, New-
Autoshopper.com 2001. Informationen zu den Studien finden sich im Internet unter:
"
www.jdpower.com/auto/search" (Zugriff: September 2002)

16
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
getroffen haben: Im Durchschnitt werden zwei Verkaufsh¨andler besucht, 40 Pro-
zent besuchen lediglich einen H¨andler
. Demgegen¨uber nutzen 62 Prozent der
Neuwagenk¨aufer in den USA das Internet als Informationsquelle und 30 Pro-
zent geben an, ihre Kaufentscheidung sei vom Internet maßgeblich beeinflusst
worden .
Mit dem ver¨anderten Kommunikationsverhalten der Kunden bietet das In-
ternet eine Plattform, die den zunehmend direkten Kontakt zwischen Kunden
und Herstellern f¨ordert. Weitere Chancen f¨ur den direkten Dialog bieten bei-
spielsweise institutionalisierte Kundenkontakte durch Leasing-Vertragsbindung,
Hersteller-Magazine, Events rund um das Fahrzeug sowie der Dialog zur ¨
Uber-
br¨uckung der Wartezeit zwischen Bestellung und Lieferung des Fahrzeugs.
Zuk¨
unftige Entwicklungen in der Automobilindustrie
Nahezu jedes Modul im Automobil wird durch den Einzug von Elektrik, Elektro-
nik und Software intelligenter werden (vgl. Dannenberg/Kalmbach 2001). Eine
Studie von Mercer Management Consulting und der Hypovereinsbank prognosti-
ziert eine Steigerung des Werts von Elektrik und Elektronik im Auto von heute
22% auf 35% in 2010 bei einer Steigerung des Marktvolumens von 125 Mrd. auf
270 Mrd. Euro (vgl. Abb. 1.6): Mechatronik, Steer- und Brake-by-Wire Syste-
me verdr¨angen zunehmend Mechanik und Hydraulik; Telematikprogramme sor-
gen f¨ur intelligentere Routenplanung, automatisierte Notrufe und bieten neue
Informationsdienste; und vernetzte Sensoren reagieren auf Umwelteinfl¨usse und
beeinflussen die Motorensteuerung.
Abbildung 1.6: Entwicklung des Hard- und Softwareanteils an den Produktions-
kosten eines Automobils (Quelle: Dannenberg/Kalmbach 2001)

1.3. KUNDENAKQUISITION VERSUS KUNDENBINDUNG
17
Durch den gr¨oßeren Anteil technologischer Innovationen im Automobil erh¨oht
sich die Produktkomplexit¨at und damit der Erkl¨arungsbedarf. Kunden m¨ussen
ausf¨uhrlich in die Fahrzeugbedienung eingewiesen und H¨andler vorher geschult
werden.
Eine weitere Entwicklung in der Automobilindustrie ist die Modularisierung
des Karosserie- und Fahrzeugbaus. Deutsche Fahrzeughersteller haben heute eine
durchschnittliche Fertigungstiefe von unter 25 Prozent (vgl. VDA 2002). Der dar-
aus folgenden verst¨arkten Wahrnehmung der Austauschbarkeit von Produkten,
kann durch ein starkes Markenprofil entgegengewirkt werden. Auch hier spielt die
Kundenorientierung als Differenzierungsfaktor eine entscheidende Rolle.
Neben den technologischen Entwicklungen ist seit einigen Jahren bei Auto-
mobilherstellern auch eine Erweiterung des Kerngesch¨afts um Dienstleistungsan-
gebote zu erkennen. Tochtergesellschaften der Hersteller offerieren Finanzdienst-
leistungen bei Kauf oder Leasing eines Neu- oder Gebrauchtwagens und auch das
Kreditkartengesch¨aft und die Verm¨ogensverwaltung werden angeboten. Als Folge
der Marktliberalisierung in Europa kommt eine Studie von Booz Allen Hamilton
zu dem Ergebnis, dass Hersteller in Zukunft vermehrt Kfz-Versicherungen anbie-
ten werden (vgl. Katemann 2002). Dieser Vorstoß in den Dienstleistungssektor
ver¨andert die Kommunikationskan¨ale und erm¨oglicht einen weiteren Ausbau des
direkten Kunde-Hersteller Dialogs. Zudem k¨onnen Automobilhersteller von den
fortgeschrittenen Erfahrungen anderer Branchen im Bereich der Kundenorientie-
rung lernen und durch Wissenstransfer profitieren.
1.3
Kundenakquisition versus Kundenbindung
Die Fokussierung auf die Kundenbindung als Marketing-Aktivit¨at ist auf die
¨
Uberzeugung zur¨uckzuf¨uhren, dass Kundenbindung sowohl auf der Erl¨os- als auch
auf der Kostenseite ¨okonomischen Erfolg verspricht (vgl. Bruhn 2001, Reichheld
2001, Peter 1999). Die h¨oheren Ums¨atze werden mit der Annahme begr¨undet,
dass gebundene Kunden mehr, h¨aufiger und weniger preissensibel kaufen und
zudem durch Weiterempfehlungen neue Kunden werben. Dar¨uber hinaus soll
die Kundenbindung zur Sicherung des Absatzes beitragen. Auf der Kostenseite
werden Kostensenkungspotenziale durch Erfahrungseffekte erwartet. Hier wird
mit geringeren Kundenbearbeitungskosten durch einen effizienteren Einsatz von
Marketing-Maßnahmen und der schnelleren Amortisation von Akquisitionskosten

18
KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER KUNDENORIENTIERUNG
gerechnet. Die erh¨ohte Auskunftsbereitschaft gebundener Kunden kann zus¨atz-
lich zur Steigerung der Effizienz der Leistungserstellung beitragen. Abbildung 1.7
fasst die Vorteile zusammen, die einer erfolgreichen Verbesserung der Kundenbin-
dung beigemessen werden.
Gewinn/Rentabilität
Kostensenkung:
· Schnellere Amortisation
von Akquisitionskosten
· Geringere Kunden-
bearbeitungskosten
· Geringere Streuverluste
der Marketingaktivitäten
Erlössteigerung:
· Geringere Preiselastizität
· Cross-Selling
Gewinn/Rentabilität
Kostensenkung:
· Schnellere Amortisation
von Akquisitionskosten
· Geringere Kunden-
bearbeitungskosten
· Geringere Streuverluste
der Marketingaktivitäten
Erlössteigerung:
· Geringere Preiselastizität
· Cross-Selling
Wachstum
Besser Kundenpenetration:
· Kaufhäufigkeit
· Kaufintensität
· Cross-Buying
Mehr Kundenempfehlungen:
· Adressenvermittlung
· Referenzbereitschaft
· Word-by-Mouth-Werbung
· Kundenvermittlung
Wachstum
Besser Kundenpenetration:
· Kaufhäufigkeit
· Kaufintensität
· Cross-Buying
Mehr Kundenempfehlungen:
· Adressenvermittlung
· Referenzbereitschaft
· Word-by-Mouth-Werbung
· Kundenvermittlung
Sicherheit
Stabilität der
Geschäftsbeziehung:
· Habitualisierung
· Immunisierung
· Toleranz
· Mehr Vertrauen
Mehr Feedback:
· Beschwerdebereitschaft
· Auskunftsbereitschaft
· Bereitschaft zur Mitarbeit
Sicherheit
Stabilität der
Geschäftsbeziehung:
· Habitualisierung
· Immunisierung
· Toleranz
· Mehr Vertrauen
Mehr Feedback:
· Beschwerdebereitschaft
· Auskunftsbereitschaft
· Bereitschaft zur Mitarbeit
Abbildung 1.7: Vorteile durch Kundenbindung
(Quelle: in Anlehnung an Diller 1996, S. 84)
Stammkunden sind im Regelfall f¨ur ein Unternehmen als Verm¨ogensgegen-
stand h¨oher zu bewerten als Neukunden (vgl. Blattberg/Getz/Thomas 2001).
Steigende Anspr¨uche der Stammkunden an die Gesch¨aftsbeziehung k¨onnen je-
doch manche der oben genannten Effekte umkehren: Der geringeren Preiselasti-
zit¨at stehen
"
Treue-Rabatte" gegen¨uber, die geringeren Kundenbearbeitungsko-
sten k¨onnen durch die Kosten des intensiveren Kundendialogs aufgewogen werden
(vgl. Reinartz/Kumar 2002, S. 6).
Eine Studie von Reichheld und Sasser belegt ansatzweise die ¨okonomische
Erfolgswirkung der Kundenbindung empirisch (vgl. Reichheld/Sasser 1990). Die
Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine f¨unfprozentige Senkung der Kunden-
abwanderungsrate zu einer Steigerung des Kundenwerts je nach Branche von 25
bis 95 Prozent f¨uhren kann.
5
Reichheld und Sasser untersuchen ausschließlich die
Auswirkung einer ver¨anderten Kundenbindungsrate, machen jedoch keine Aussa-
ge ¨uber den notwendigen Aufwand, der zu einer Verbesserung der Kundenbindung
f¨uhrt. Somit ist eine Aussage ¨uber die Gewinnentwicklung auf Unternehmensebe-
ne auf Basis dieser Studie nicht m¨oglich.
5
Die Methodik der Studie von Reichheld und Sasser wird ausf¨uhrlich in Kapitel 3 diskutiert.

1.3. KUNDENAKQUISITION VERSUS KUNDENBINDUNG
19
Eine weitere Studie stellt die Behauptung auf, es koste im Durchschnitt f¨unf-
mal mehr, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten
(vgl. Finkelman/Goland 1991a
6
). Eine branchen¨ubergreifende Aussage ¨uber das
Verh¨altnis von Kosten der Neukundengewinnung zu Kosten der Kundenbindung
ist allerdings kritisch zu bewerten: Die Einflussfaktoren beim Kaufentscheidungs-
prozess der Kunden sowie die Einsatzm¨oglichkeiten von Maßnahmen der Kunden-
bindung variieren stark in Abh¨angigkeit von der betrachteten Branche. Beispiels-
weise hat die Produktzufriedenheit im Konsumg¨uterbereich im allgemeinen einen
h¨oheren Stellenwert als im Dienstleistungsbereich (vgl. Bruhn 2001, S. 244). Im
Verbrauchsg¨uterbereich stehen Kunden dem Unternehmen oftmals anonym ge-
gen¨uber, so dass die individuelle Ansprache der Kunden als Marketing-Maßnahme
nur eingeschr¨ankt eingesetzt werden kann.
Kunden haben in unterschiedlichen Phasen ihrer Gesch¨aftsbeziehung zum Un-
ternehmen f¨ur dieses eine unterschiedliche ¨okonomische Bedeutung. Bei gegebe-
nem Marketing-Budget bzw. gegebenen Marketing-Ressourcen ergibt sich dann
die Problemstellung, wie diese auf die unterschiedlichen Phasen des Kundenle-
benszyklus verteilt werden sollen. Die Steigerung der Kundenzuwanderung und
die Senkung der Kundenabwanderung stellen aus Sicht des Unternehmens kon-
kurrierende Ziele dar. Eine Kundenfluktuation von null Prozent (die sogenannte
"
Zero-Migration") wird schon wegen nat¨urlicher Lebenszyklen in der Praxis nicht
erreicht werden k¨onnen. Die Akquisition von Neukunden muss neben der Kun-
denbindung daher Kernaufgabe einer kundenorientierten Unternehmensf¨uhrung
bleiben (vgl. Karg 2001).
6
Die Autoren Finkelman und Goland werden mehrfach als Quelle der Studie genannt (vgl.
Peter 1999, S. 47), verweisen ihrerseits aber auf eine Sch¨atzung der American Marketing Asso-
ciation. Eine zugrunde liegende empirische Untersuchung konnte nicht gefunden werden.

Kapitel 2
Kundenorientierung im
Kundenlebenszyklus
Gesch¨aftsbeziehungen zwischen Kunden und Unternehmen weisen einen dynami-
schen Charakter auf und durchlaufen unterschiedliche Phasen. Bei den Kunden
variieren der Nachfragebedarf und das Konsumverhalten. Unternehmen m¨ussen
den wechselnden Kundenanspr¨uchen gerecht werden und k¨onnen daraus Maßnah-
men und Ziele f¨ur die Kundenorientierung ableiten. Das Denken im Kundenle-
benszyklus, bei dem Kundenbeziehungen im Zeitablauf betrachtet werden, ist ein
grundlegender Ansatz bei der Konzeption der Kundenorientierung.
Abschnitt 2.1 f¨uhrt in die Grundlagen des Lebenszykluskonzepts ein und wen-
det diese im weiteren Verlauf auf den Kunden als Untersuchungsobjekt an. Ab-
schließend werden in Abschnitt 2.1.3 M¨oglichkeiten aufgezeigt, wie die Lebens-
zykluskonzepte eine Steuerungsfunktion in der strategischen Kundenorientierung
einnehmen k¨onnen. Im zweiten Kapitelabschnitt wird eine ¨
Ubersicht ¨uber pha-
senabh¨angige Maßnahmen der Kundenorientierung gegeben.
2.1
Lebenszykluskonzepte
Das Lebenszykluskonzept entstammt der Adoptions- und Diffusionsforschung, die
sich mit der Durchsetzung von Innovationen bei bestimmten Zielgruppen ausein-
andersetzt. In der Betriebswirtschaftslehre kann das Konzept auf unterschiedli-
che Untersuchungsobjekte angewendet werden, die ­ vergleichbar mit Lebewesen
­ eine begrenzte Lebensdauer aufweisen und verschiedene idealtypische Phasen
durchlaufen. Die jeweiligen Phasen unterscheiden sich durch spezifische Merk-

22 KAPITEL 2. KUNDENORIENTIERUNG IM KUNDENLEBENSZYKLUS
male und lassen Schlussfolgerungen f¨ur ein phasenabh¨angiges Management des
jeweiligen Bezugsobjekts zu (vgl. Bruhn 2001, S. 44).
G¨angigste Anwendung ist die Betrachtung des Produktlebenszyklus, bei dem
die Entwicklung eines Produkts als zeitbezogenes Marktreaktionsmodell anhand
¨okonomischer Gr¨oßen (z.B. Umsatz- und Absatzverlauf) dargestellt wird. Auf
dieser Basis unterscheidet man bis zu sechs Phasen: Entwicklung, Einf¨uhrung,
Wachstum, Reife, S¨attigung, Degeneration und Absterben (vgl. Kotler 2000,
S. 304, W¨ohe 1990, S. 717). F¨ur die verschiedenen Phasen des Produktlebenszy-
klus k¨onnen dann produktspezifische Strategien f¨ur den Marketing-Mix abgeleitet
werden (f¨ur eine ¨
Ubersicht siehe Kotler 2000, S. 316).
Durch die in Kapitel 1 beschriebene Entwicklung im Marketing von einer
Produkt- zu einer Kundenorientierung bietet es sich an, das Lebenszykluskonzept
auch auf die Kunden als Untersuchungsobjekt zu ¨ubertragen (vgl. Stauss 2000).
Um der
"
Doppelseitigkeit" von Gesch¨aftsbeziehungen zwischen Kunden und Un-
ternehmen gerecht zu werden (vgl. Bruhn 2001, S. 52), k¨onnen die Lebenszy-
klen sowohl aus der Nachfragerperspektive als auch aus der Anbieterperspektive
konstruiert werden. Die ¨
Ubersicht in Tabelle 2.1 zeigt die in den folgenden Ab-
schnitten eingef¨uhrten Lebenszykluskonzepte, weitere Differenzierungsmerkmale
und jeweils abgeleitete Phasen im Zyklus.
Lebenszyklus-
Konzept
Bezugs-
objekte
Zykluszeit
Beispiele f¨ur
Merkmale
Beispiele f¨ur
Phasen
Kundenbedarfs-
Lebenszyklus
Kunde
u. Bedarf
nat¨urliche
Lebensdauer
(Kundenalter)
Wert des
relevanten
Kundenbedarfs
Lebensabschnitte
(vgl. Familien-
Lebenszyklus)
Kundenbesitz-
Lebenszyklus
Kunde
u. Produkt
Dauer der
Produkt-
relevanz
Transaktions-
wahrscheinlich-
keit
·
"
Prospect"
·
"
Suspect"
· Kunde
Ku.-beziehungs-
Lebenszyklus
Kunde u.
Unternehmen
Dauer der
Gesch¨aftsbe-
ziehung
Intensit¨at der
Beziehung (z.B.
Kundenwert)
· Akquisition
· Bindung
· R¨uckgewinnung
Produkt-
Lebenszyklus
Produkt
u. Markt
Dauer der
Marktpr¨asenz
· Absatz
· Umsatz
· DB
· Einf¨uhrung
· . . .
· Degeneration
Tabelle 2.1: ¨
Ubersicht der verwendeten Lebenszykluskonzepte

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783832491567
ISBN (Paperback)
9783838691565
DOI
10.3239/9783832491567
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Entscheidungstheorie und Unternehmensforschung
Erscheinungsdatum
2005 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
marketingeffizienz relationship marketing kundenbindung kundenakquisition
Zurück

Titel: Optimale Ressourcenallokation im Kundenlebenszyklus
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
130 Seiten
Cookie-Einstellungen