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Anforderungen an Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Sozialkompetenz und Narzissmus

©2005 Diplomarbeit 87 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Frage nach den Anforderungen, die an Führungskräfte gestellt werden, ist innerhalb der Arbeits- und Organisationspsychologie vor allem im Bereich der Eignungsdiagnostik bzw. Potentialentwicklung relevant.
Da gewisse Führungsqualitäten bei Schlüsselpersonen als notwendige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gelten, werden diese beiden Bereiche seit einiger Zeit stark forciert, wie Grunwald bemerkt: Es kommt vermehrt zum Einsatz von Assessment Center Verfahren bei der Auswahl von Führungskräften sowie von professionellen Fort- und Weiterbildungsprogrammen im Bereich der systematischen Personalentwicklung.
Führungsqualitäten werden dabei überwiegend mit konstanten Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht. Insofern ist die Thematik dieser Arbeit insbesondere für die Persönlichkeitsforschung innerhalb der Organisationspsychologie von Interesse. Die Frage, welche Anforderungen an Führungskräfte im 21. Jahrhundert zu stellen sind und welche Führungseigenschaften dabei besonders erfolgversprechend erscheinen, kann nur in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, die auf Organisation und Management einwirken, geklärt werden.
Diverse Soziologen und Organisationstheoretiker haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Welt in einem Übergangsprozess befindet, der im wesentlichen eine ähnliche "Revolutionierung" darstellt und ebenso tiefgreifend ist wie der Übergang vom Agrar- zum Industriezeitalter. Weinert bezeichnet den Wandel als einen Übergang von der Industriellen zur Post-Industriellen Gesellschaft und nennt vor allem drei Mechanismen, durch die er seinen Antrieb erfährt: Die Informationstechnologie, die Wissensexplosion (rasch anwachsendes Wissen durch zunehmende Forschung und Entwicklung) und die Globalisierung (Verflechtung der Weltwirtschaft). Durch diese drei "Megatrends" kommt es zu einem rasanten Zuwachs an Komplexität und einem Zustand des ständigen Wandels.
Die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs infolge der Globalisierung führt zu erhöhtem Leistungsdruck. Technologische Erneuerungen führen zur Verkürzung der Produktlebenszyklen und zu Innovationsdruck.
Grunwald hebt auch den sozialen Wandel hervor, der sich v.a. in veränderten Wertorientierungen abzeichnet (Betonung von Konsum- und Freizeitwerten). Von Individualisierung, Betonung von Selbstentfaltung und Autonomie sprechen in diesem Zusammenhang die Autoren […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Themen, Ziele, Aufbau dieser Arbeit

2. Anforderungen an Führungskräfte
2.1 Begriffsklärung: Führung, Kompetenz,
(Schlüssel-) Qualifikationen
2.2 Anforderungsprofil der Führungskraft im 21.Jahrhundert
2.3 Soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation

3. Narzissmus
3.1 Normaler Narzissmus nach Kernberg
3.2 Pathologischer Narzissmus nach Kernberg
3.3 Das integrierte Spektrum des Narzissmus
3.4 Die Diagnosekriterien des DSM

4. Soziale Kompetenz und Narzissmus
4.1 Motivationsfähigkeit
4.2 Begriffsklärung: Motiv, (Arbeits-)Motivation
4.3 Klassifizierung von Motivinhalten
4.4 Die Motivationstheorie von Maslow
4.5 Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
4.6 Führung und Motivation: Anregung intrinsischer Motivation und Integration
4.6.1 Selbstverwirklichung
4.6.2 Autonomie und Handlungsspielraum
4.6.3 Delegation von Verantwortung
4.6.4 Partizipation
4.6.5 Transparenz durch Information und Kommunikation
4.6.6 Glaubwürdige Vermittlung von Sinn und Werten
4.6.7 Vorbildwirkung
4.7 Motivierendes Führungsverhalten durch Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse
4.7.1 Anerkennung durch (Be-)Achtung und Aufmerksamkeit
4.7.2 Wertschätzung
4.7.3 Vertrauen und Partnerschaftlichkeit
4.2 Kommunikationsfähigkeit
4.2.1 Das Modell von Schulz von Thun
4.2.2 Gesprächskompetenzen auf der Selbstoffenbarungsebene
4.2.3 Gesprächskompetenzen auf der Beziehungsebene
4.2.4 Gesprächskompetenzen auf der Appellebene
4.2.5 Gesprächskompetenzen auf der Sachebene
4.3 Empathiefähigkeit

5. Resümee und Ausblick: Möglichkeiten und Chancen für Eignungsdiagnostik und Personalentwicklung

6. Literaturverzeichnis

1. Themen, Ziele, Aufbau dieser Arbeit

Die Frage nach den Anforderungen, die an Führungskräfte gestellt werden, ist innerhalb der Arbeits- und Organisationspsychologie vor allem im Bereich der Eignungsdiagnostik bzw. Potentialentwicklung relevant.

Da gewisse Führungsqualitäten bei Schlüsselpersonen als notwendige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gelten, werden diese beiden Bereiche seit einiger Zeit stark forciert, wie Grunwald (1995, S. 202) bemerkt: Es kommt vermehrt zum Einsatz von Assessment Center Verfahren bei der Auswahl von Führungskräften sowie von professionellen Fort- und Weiterbildungsprogrammen im Bereich der systematischen Personalentwicklung.

Führungsqualitäten werden dabei überwiegend mit konstanten Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gebracht. (Weinert 1998, S. 137)

Insofern ist die Thematik dieser Arbeit insbesondere für die Persönlichkeitsforschung innerhalb der Organisationspsychologie von Interesse.

Die Frage, welche Anforderungen an Führungskräfte im 21. Jahrhundert zu stellen sind und welche Führungseigenschaften dabei besonders erfolgversprechend erscheinen, kann nur in Zusammenhang mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, die auf Organisation und Management einwirken, geklärt werden.

Diverse Soziologen und Organisationstheoretiker haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Welt in einem Übergangsprozess befindet, der im wesentlichen eine ähnliche "Revolutionierung" darstellt und ebenso tiefgreifend ist wie der Übergang vom Agrar- zum Industriezeitalter. Weinert (1998, S. 4f) bezeichnet den Wandel als einen Übergang von der Industriellen zur Post-Industriellen Gesellschaft und nennt vor allem drei Mechanismen, durch die er seinen Antrieb erfährt: Die Informationstechnologie, die Wissensexplosion (rasch anwachsendes Wissen durch zunehmende Forschung und Entwicklung) und die Globalisierung (Verflechtung der Weltwirtschaft). Durch diese drei "Megatrends" kommt es zu einem rasanten Zuwachs an Komplexität und einem Zustand des ständigen Wandels.

Die Verschärfung des internationalen Wettbewerbs infolge der Globalisierung führt zu erhöhtem Leistungsdruck. Technologische Erneuerungen führen zur Verkürzung der Produktlebenszyklen und zu Innovationsdruck. (Grunwald, 1995, S. 198) Grunwald (a. a. O.) hebt auch den sozialen Wandel hervor, der sich v.a. in veränderten Wertorientierungen abzeichnet (Betonung von Konsum- und Freizeitwerten). Von Individualisierung, Betonung von Selbstentfaltung und Autonomie sprechen in diesem Zusammenhang die Autoren Gebert und Rosenstiel. (1996, S. 48f)

Diese "Revolutionierung" wirkt sich entsprechend auf Organisationen und Unternehmen aus:

Die ehemals straff strukturierten, autokratischen Organisationsformen mit zentralistischer Unternehmensstruktur verändern sich immer mehr in Richtung Dezentralität der Organisation und Flexibilisierung der Arbeitsprozesse, um den zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. (Weinert, 1998, S. 11)

Vor allem die auf Teams basierende Organisation, insbesondere das Entstehen funktionsübergreifender "Cross-Functional-Teams" (Spezialisten aus unterschiedlichen Bereichen arbeiten im selben Team zusammen), die die Organisationsprozesse leiten, stellt eine geeignete Variante dar, um schnell und flexibel auf neue und komplexer werdende Aufgaben zu reagieren. (Weinert 1998, S. 20)

Diese Neuausrichtung auf eine team-orientierte Organisation der Zukunft setzt auch neue Maßstäbe im Bereich der Führung (Weinert 1998, S. 13). Es gewinnen immer mehr Führungspraktiken an Bedeutung, die auf kollektivem Niveau funktionieren, z.B. setzen Teams und Geschäftseinheiten sich gemeinsame Ziele, erhalten Informationen und Feedback über erbrachte Leistungen (a. a. O., S. 22). Daher wird der kompetente Umgang mit Gruppen immer mehr zu einem entscheidenden Kriterium der Management-Kompetenz. Die Voraussetzung dafür ist hohes Maß an sozialer Kompetenz (Doppler & Lautenburg 2002, S. 120). Somit kann soziale Kompetenz als die zentrale Schlüsselqualifikation für Führungskräfte im 21. Jahrhundert angesehen werden. In den meisten Anforderungsprofilen für Führungskräfte erscheint diese Kompetenz in oberster Priorität, wie Sowarka und Sarges (1995, S. 210) herausfanden.

Neben sozialer Kompetenz erscheinen im Kriterienprofil für Anforderungen und Qualifikationen weiterhin die "klassischen" Kriterien wie fachliche Qualifikationen, intellektuell-kognitive Kompetenzen, Kreativität und wettbewerbsbezogene Qualifikationen wie Antrieb und Leistungsmotivation, Ergebnisorientierung etc. (Sowarka & Sarges 1995, S. 207ff)

Grunwald (1995, S. 201) spricht bezüglich der Ausfüllung dieser Anforderungsprofile jedoch von einem "Dilemma von Anspruch und Wirklichkeit, von Sein und Sollen "; Heintel (1998, S. 99) spricht von einer "Diskrepanz zwischen Person und Funktion". So gab es in den letzten Jahren mehrere Fälle von "entgleister Führung", die nach Weinert (1998, S. 503) dadurch zustande kommt, dass die entsprechenden Führungskräfte eine vorrangig negative Charaktereigenschaft besitzen, die in ihrer Karriere ernstzunehmende Fehler verursacht – "gewöhnlich ein Persönlichkeitsdefekt wie paranoides oder narzißtisches Verhalten." So scheitern die besten Strategien und Konzepte eines Unternehmens in der Umsetzung an "zutiefst zwischenmenschlichen Problemen ... Narzißmus beispielsweise", wie auch Groß und Krainz (1998, S. 10) feststellen.

Daher ist das Phänomen "Narzissmus im Management" in den letzten Jahren zunehmend erforscht und auch öffentlich diskutiert worden: Bereits 1985 gab es in der "ZEIT" eine Veröffentlichung zum Thema "Schaumschläger im Vorstandssessel" – untertitelt: "Der Faktor Eitelkeit im Leben des Managers" von Mohn (a. a. O., S. 28f). Im selben Jahr untersuchten Kets de Vries und Miller die Auswirkungen von Narzissmus auf Führungsbeziehungen, wie Mertens und Lang (1991, S. 123) erwähnen. 1998 wurde "Eitelkeit im Management" zum Thema eines Top-Management-Symposium (Groß & Krainz 1998, S. 11), wobei das Wort "eitel" synonym für "narzisstisch" gebraucht wird. (Krainz 1998, S. 167)

Die aktuelle Brisanz der Thematik zeigt sich auch in den zahlreichen Veröffentlichungen psychoanalytischer Autoren (vgl. Kernberg 2002, Wirth 2003, Kets de Vries 2004). Dabei sieht Wirth (2003, S. 74) die angesprochene Diskrepanz zwischen Funktion und Person darin begründet, dass vor allem "narzisstische Persönlichkeiten ... sich häufig zur Übernahme von Machtpositionen und Führungsaufgaben getrieben [fühlen], da sie sich davon Prestige und Bewunderung versprechen. Deshalb findet man in Führungspositionen gehäuft narzisstisch gestörte Menschen." Lasch (1995, S. 75) weist darauf hin, dass narzisstische Persönlichkeiten in wirtschaftlichen Organisationen durch ihre "meisterhafte Fähigkeit, die Feinheiten der Selbstdarstellung zu handhaben" zu Ansehen und hohen Positionen gelangen. Kernberg (1978, S. 289) bemerkt, dass "gerade intellektuell begabte narzißtische Persönlichkeiten oft durch eine Aura von Originalität und geistiger Aufgeschlossenheit einen bestechenden Eindruck machen" und infolge ihrer "... Befähigung zu sehr aktiver und beharrlicher Arbeit in bestimmten Bereichen, die ihnen eine teilweise Erfüllung ihrer Größenambitionen ermöglichen und Bewunderung von anderen verschafft", beruflich oft sehr erfolgreich sind. Er geht auch davon aus, dass "hochintelligente Menschen mit dieser Persönlichkeitsstruktur ... auf ihrem Gebiet als recht kreativ erscheinen; man findet zu Beispiel oft narzißtische Persönlichkeiten in führenden Positionen in Industrieunternehmen." (a. a. O., S. 264)

Neben den angesprochenen Faktoren (Ehrgeiz, Leistungswille, Führungsmotivation, gekonnte Selbstdarstellung etc.) sei noch zu betonen, dass die narzisstische Persönlichkeitsentwicklung erst durch das Vorhandensein einer "besonderen Begabung" (Kernberg 1978, S. 270) bei der entsprechenden Person zustande kommt. Es tragen also mehrere Faktoren zur Entstehung von "Narzissmus im Management" bei bzw. zur Diskrepanz zwischen Person und Funktion.

Weinert (1998, S. 503) sieht diese Problematik darin begründet, dass die "Schattenseiten" und die "sonnigen Seiten" einer Person oft dicht beieinander liegen: Diejenigen Führungskräfte, die ehrgeizig, fachlich begabt und kompetent sind – und dadurch für eine Führungsposition in Frage kommen, sind oft gleichzeitig diejenigen, die egoistisch, kalt und unsensibel sind – also Defizite im sozialen Bereich aufweisen. Diese sind für die narzisstische Persönlichkeit charakteristisch, doch durch ihre "charmante und gewinnende Fassade" (Kernberg 1978, S. 262) vermögen narzisstische Persönlichkeiten zunächst über diesen Mangel hinwegzutäuschen – die negativen Auswirkungen zeigen sich erst im Laufe längerer Zusammenarbeit. Ein Defizit an sozialen Kompetenzen verwehrt also nicht den Zugang zu, wohl aber den Ausbau von Führungspositionen, wie Sowarka (1995, S. 367) betont.

Dieser Problematik widmet sich die vorliegende Arbeit. Ziel dabei ist, anhand des Faktors Sozialkompetenz als zentrale Anforderung an Führungskräfte darzustellen, inwiefern Narzissmus zu "Entgleister Führung", von der Weitert (s.o.) spricht, beiträgt bzw. inwiefern "Narzissmus im Management" angesichts der neuen Herausforderungen moderner Unternehmen tatsächlich ein Problem darstellen kann.

Kapitel 2 stellt – nach einer Definition der zentralen Begriffe – die in der Literatur meistgenannten Anforderungen an die Führungskraft im 21. Jahrhundert heraus. Es wird beschrieben, was soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation im Einzelnen bedeutet und welche einzelnen Variablen dabei für Führungskräfte besonders zentral sind: Motivationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Empathie.

Kapitel 3 stellt das Narzissmuskonzept von Kernberg vor, das für die weitere Bearbeitung als theoretischer Bezugsrahmen zugrunde gelegt wird.

Kapitel 4 untersucht die in der Persönlichkeit angelegten Grundkompetenzen, die zu Motivationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Empathie als zentrale Sozialkompetenzen führen und stellt sie den Grundmustern narzisstischer Persönlichkeiten gegenüber.

Kapitel 5 geht abschließend auf die Möglichkeiten der Eignungsdiagnostik und Chancen der Personalentwicklung ein. So haben sich die Entwicklung von Testinstrumenten zur Erfassung negativer Muster zwischenpersönlichen Verhaltens und das "Coaching von Narzisstischen Führungskräften" zu neuen Interessensgebieten innerhalb der Psychologie entwickelt. (Weinert 1998, S. 504)

Somit bewegen sich Anforderungen an Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen sozialer Kompetenz und Narzissmus, zumal viele Manager, wie Grunwald (1995, S. 201) konstatiert, effizient und erfolgreich sind "weil (und nicht obwohl) sie gegen sozialethische Führungsprinzipien verstoßen ('Barschel-Effekt')".

2. Anforderungen an Führungskräfte

Die Frage: "Was unterscheidet einen erfolgreichen Manager von einem weniger erfolgreichen?" ist eine alte, gleichwohl nach wie vor aktuelle der Managementpraxis, wie Sarges (1995, S. 1) feststellt.

Zwar hängt der Erfolg eines Unternehmens von vielen Faktoren ab, jedoch misst man den Eigenschaften der Führungskraft hohe Bedeutung bei.

Sarges (a. a. O., S. 3) weist dabei auf die Ergebnisse diverser Studien hin, die den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Fertigkeiten mit dem Vorgesetztenverhalten und mit Indikatoren des Organisationserfolges bestätigen.

Daher werden Personalbeurteilungen überwiegend nach dem eigenschaftstheoretischen Konzept betrieben, wie Dieterich und Sowarka (1995, S. 436) bemerken: Man geht davon aus, dass es im Menschen dauerhafte Dispositionen gibt, die sein Verhalten bestimmen und in ihrer Gesamtheit seine Persönlichkeit ausmachen. Somit wird Führungseffizienz vor allem psychologischen Eigenschaften zugeschrieben.

Innerhalb der Organisationspsychologie ist dies besonders für die Eignungsdiagnostik im Managementbereich relevant: Interesseleitend ist die Selektionsfrage, d.h. wen man auswählen bzw. befördern sollte, weil er grundsätzlich so disponiert ist, dass er in bestimmten Umfeldern erfolgreich managen könnte. Die Modifikationsfrage, wie man unter welchen Umständen erfolgreich managt, d.h. welches Verhalten man zur weiteren Optimierung schulen, trainieren oder weiterbilden sollte, ist für den Bereich der Potentialentwicklung relevant. (Sarges 1995, S.1)

Was einen erfolgreichen von einem weniger erfolgreichen Manager unterscheidet, wird durch die relevanten Anforderungen der Führungsposition festgelegt: Es werden dabei Kompetenzen bzw. deren zugrunde liegende Persönlichkeitsmerkmale in Relation zu aktuellen oder zukünftigen Arbeitsaufgaben eingeschätzt.

Dabei stellen konsistente Dispositionen von Managerkandidaten generelle Eignungsprädiktoren dar: Entsprechen die Persönlichkeitsmerkmale der zu beurteilenden Person den relevanten Anforderungen der Führungsposition, nimmt man an, dass die zu beurteilende Person – nach eigenschaftstheoretischen Überlegungen – erfolgreich managen wird. (Dieterich & Sowarka 1995, S. 433)

Bevor auf die in der Literatur meistgenannten Anforderungen an Führungskräfte in der Post-industriellen Gesellschaft eingegangen wird, werden im Folgenden die zentralen Begriffe definiert, die mit dieser Thematik in Zusammenhang stehen.

2.1 Begriffsklärung: Führung, Kompetenz, (Schlüssel-)Qualifikationen

Führung. Nach Weinert (1998, S. 507) stellt Führung einen zwischenmenschlichen Einfluss- und Interaktionsprozess dar, eine Beeinflussung von Geführten, die neben den Qualitäten des Führers gewisse Situationsvariablen (wie Macht und Annahme der Führungsperson durch die Geführten) voraussetzt, wenn sie erfolgreich und effizient sein soll.

Weinert unterscheidet dabei zwischen Organisationsführung (=Management), Mitarbeiterführung (Abteilung/Arbeitsgruppe) und allgemeiner Führung (=Führungsverhalten besteht in einer Beeinflussung der Werte, Motive und Inhalte).

Organisationsführung oder Management ist rational-analytisches Verhalten, das sich mehr mit der Entwicklung und Implementierung von Strategien und Taktiken, mit Planung und Organisation beschäftigt als zwischenpersönliches Verhalten zu sein. (a. a. O., S. 510)

Mitarbeiterführung ist dagegen persönlicher bzw. zwischenmenschlicher Natur und bezieht sich auf die täglichen Handlungen einzelner Mitarbeiter oder Gruppen. Sie gibt Anleitung, Hilfestellung, Klarstellung der Arbeitsziele, Unterstützung und Feedback.

Allgemeine Führung artikuliert Werte und Visionen an Kollektive. (a. a. O.)

In dieser Arbeit stehen vor allem Mitarbeiter- und allgemeine Führung im Vordergrund, wobei im Folgenden der Begriff "Management" synonym mit dem Begriff "Führung" verwendet wird, ohne dabei die von Weinert beschriebene "Organisationsführung" zu meinen.

Kompetenz. Nach Definition des Deutschen Bildungsrates (1974, S. 49) werden unter Kompetenzen Fähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte verstanden, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen beziehen. Die Herausbildung von Kompetenzen als lebensbegleitender Prozess erfolgt durch individuelle Lern- und Entwicklungsprozesse. Kompetenz bezeichnet den Lernerfolg in Bezug auf den einzelnen Lernenden und seine Befähigung zu selbstverantwortlichem Handeln in privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Situationen.

Qualifikation. Qualifikationen hingegen sind Kompetenzen, die im privaten Leben, im Beruf und in der Gesellschaft verwertet werden können. Qualifikationen hängen somit von dem Vorhandensein bestimmter Kompetenzen ab, wohingegen es auch durchaus möglich ist, dass eine Kompetenz keine entsprechende Qualifikation darstellt. Das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen Kompetenz und Qualifikation ist demnach die Verwertbarkeit – aus der Sicht der Nachfrage in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen. (a. a. O.)

Schlüsselqualifikationen. Im Hinblick auf künftige berufliche Anforderungen des Managers sind vor allem Schlüsselqualifikationen bedeutsam. Sie sind definiert als

a) die Eignung für eine große Zahl von Positionen und Funktionen als alternative Optionen zum gleichen Zeitpunkt und
b) die Eignung für die Bewältigung einer Sequenz von (meist) unvorhersehbaren Änderungen von Anforderungen im Laufe des Lebens. (Mertens 1974, S. 40)

Somit stellen Schlüsselqualifikationen einen Schlüssel dar, der immer wieder Zugang zu neuen beruflichen Tätigkeitserfordernissen sichert und erfolgreiches Handeln ermöglicht. Es handelt sich also um extrafunktionale, d.h. prozessübergreifende Qualifikationen. (Kaiser 1992, S. 24)

Die Begriffe Kompetenz und Qualifikation werden in ökonomischen Zusammenhängen meist synonym verwendet, genauso wie die Begriffe Schlüsselqualifikationen bzw. Kernkompetenzen. Die "Verwertbarkeit" einer Kompetenz wird dabei durch die jeweiligen Erfordernisse des Unternehmens bestimmt, wodurch die Grenze zwischen Kompetenz- und Qualifikationsbegriff verwischt. (Faulstich 1996, S. 366ff)

2.2 Anforderungsprofil der Führungskraft im 21. Jahrhundert

Die erwünschten Qualifikationsanforderungen für das Management ergeben sich aus den konkreten Erfordernissen der Arbeitssituation von Führungskräften. Listen mit konkreten Personmerkmalen als erfolgsrelevante (Prädiktor-) Eigenschaften künftiger Führungskräfte sind daher, wie Sowarka und Sarges (1995, S. 207) feststellen, ebenso zahlreich wie unterschiedlich. Je nach Organisationstyp, Funktionsbereich und Betriebsgröße, Höhe der hierarchischen Position und Branchenzugehörigkeit des Unternehmens unterscheiden sich die erstellten Anforderungsprofile.

In Bezug auf die in der Einleitung besprochenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, die die Tätigkeit von Führungskräften beeinflussen, scheinen Kriterienprofile dennoch in eine gemeinsame Richtung zu tendieren: Vor dem Hintergrund eines rapiden technologischen und sozialen Wandels, der Zunahme an Komplexität und einem sich rasch verändernden Umfeld sind nach Grunwald (1995, S. 198) ganz allgemein Qualifikationen gefragt, die diese "neuen Unübersichtlichkeiten" zu begreifen und ihnen frühzeitig zu begegnen in der Lage sind.

Auf eher globalem Niveau und mit starkem Praxisbezug sind die Merkmalsauflistungen in der modernen Managementliteratur – abgeleitet aus den zukünftigen Herausforderungen eines Managers, die nach Dopper und Lauterburg (a. a. O., S. 37) vor allem folgende sind:

- Leistung erzeugen durch Synergie
- Durchführen organisatorischer Veränderungen
- Abbau hierarchischer Schranken
- Organisieren von Lernen und Entwicklung
- Integration durch Visionen und Leitbilder
- Management von Konflikt- und Krisensituationen
- Steuerung und Kontrolle durch Kommunikation
- Flexibilisierung der Arbeitsformen

Diese neuen Herausforderungen gehen mit entsprechend "neuen Rollen" einher, die zukünftige Führungskräfte nach Ansicht der Autoren immer umfassender integrieren und beherrschen müssen: Der Manager als Innovator, Veränderungsmanager, Konfliktmanager, Teamentwickler, Personalentwickler, Moderator, Gesprächspartner und Coach. (a. a. O.) Daraus ergeben sich vor allem folgende Qualifikationsanforderungen:

- Fachliche Kompetenz
- Selbst-Kompetenz
- Konstruktive Kompetenz, Strategische Kompetenz
- Methoden-Kompetenz
- Partizipative Kompetenz
- Soziale Kompetenz
- Emotionale Kompetenz
- Sach-Kompetenz
- Beziehungskompetenz
- Kommunikative Kompetenz (Krüger 2000, S. 320; Doppler & Lautenburg 2002, S. 66, S. 121f)

Doppler und Lauterburg (2002, S. 116f) betonen dabei, dass die Fachkompetenz bzw. Sachkompetenz als Anforderungskriterium immer mehr in den Hintergrund tritt: Aufgrund der zunehmenden Komplexität kann der einzelne Manager nicht mehr in allen Spezialbereichen besser als seine jeweiligen Experten sein. Er sollte daher eher über ein Basiswissen verfügen, dass jedoch so fundiert und aktuell sein muss, um von seinen Mitarbeitern als kompetenter Partner akzeptiert zu werden und ausreicht, die Lösungsvorschläge und Ergebnisse bewerten zu können.

Es treten vielmehr diejenigen Kompetenzen in den Vordergrund, die dazu geeignet sind, die Fachkompetenzen der einzelnen Teammitglieder im Interesse des positiven Teamergebnisses optimal miteinander in Einklang zu bringen. Diese liegen im Bereich der sozialen Kompetenz. (a. a. O.)

2.3 Soziale Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Doppler und Lauterburg (2002, S. 117) weisen darauf hin, dass der Begriff Sozialkompetenz mittlerweile einen festen Platz im Management-Jargon gefunden hat. Er steht für ein ganzes Spektrum sozialer Fähigkeiten, die wiederum nur selten genügend klar und konkret benannt werden.

Daher erscheint die folgende Konkretisierung des Begriffs besonders dringlich.

Nach Sowarka (1995, S. 365) meint soziale Kompetenz die Fähigkeit, andere Menschen, hauptsächlich Kollegen und Mitarbeiter, in ihrem Handeln zu verstehen und mit ihnen angemessen umzugehen.

Der Begriff soziale Kompetenz wird oft synonym verwendet mit sozialer Intelligenz, wie Sowarka (1995, S. 367) feststellt: Diesen Begriff hat Thorndike im Jahre 1920 bereits in die Intelligenzforschung eingeführt als die Fähigkeit, andere zu verstehen und zu leiten und interpersonal klug zu agieren.

Inhaltlich sind sich diese Definitionen sehr ähnlich. Auch nach Faix und Laier (1991, S. 63ff) bildet Sozialkompetenz die Grundlage dafür, erfolgreich mit anderen zu interagieren, zusammenzuarbeiten und in der Gemeinschaft zu leben. Sie unterscheiden dabei drei Dimensionen der Sozialkompetenz:

1.) Umgang mit sich selbst:
- Aufrichtigkeit
- Kritikfähigkeit
- Konfliktfähigkeit
- Frustrationstoleranz etc.
2.) Verantwortungsbewusstsein:
- die eigene Verantwortung gegenüber den Gemeinschaften
- eigene Moral aktiv entwickeln etc.
3.) Umgang mit anderen:
- Kooperationsfähigkeit
- Integrationsfähigkeit
- Kommunikationsfähigkeit
- Toleranz
- Verständnisbereitschaft
- Vorurteilfreiheit
- Kompromissfähigkeit
- Achtung vor anderen
- Vertrauensbereitschaft
- Beziehungsfähigkeit/Bindungsfähigkeit
- Partnerschaft
- Solidarität
- Offenheit
- Transparenz
- Fairness
- Einfühlungsvermögen etc.

Bei der Auflistung dieser Einzelbestandteile handelt es sich um jeweils unterschiedliche Akzentuierungen, die in ihrer Gesamtheit "soziale Kompetenz" ausmachen. Sie sind daher nicht als unabhängige Dimensionen von sozialer Kompetenz zu verstehen, sondern sie bedingen einander und sind miteinander vernetzt.

Für die Managementpraxis ist zusätzlich Motivationsfähigkeit als zentraler Aspekt der sozialen Kompetenz hervorzuheben: Nagel (1991, S. 129) ist der Ansicht, dass Motivationsfähigkeit alleine ca. 50% der notwendigen Führungseigenschaften ausmacht.

Über die zentralen Anforderungen an Führungskräfte im 21. Jahrhundert gibt Abb. 1 Auskunft. Es wurden dabei in einer Studie der Zeitschrift "Management Wissen" insgesamt 170 Personal- und Weiterbildungschefs sowie Personalberater und -trainer über das Persönlichkeitsprofil des "Managers von heute und morgen" befragt. (Weber 1986, S. 12f)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1. Managerprofil heute und morgen. Aus Grunwald (1995, S. 203)

Die Graphik bestätigt die Einschätzung von Doppler und Lauterburg bezüglich der Rückläufigkeit von 'Fachkompetenz'. Zielstrebigkeit, Entscheidungsstärke, Flexibilität und Kreativität werden hoch eingestuft, zählen jedoch nicht zu dem Bereich Sozialkompetenz.

Die als zentral eingestuften Kompetenzen des "Managers von morgen" im sozialen Bereich sind Kommunikationsfähigkeit und Motivationsfähigkeit.

Die Grundlage für diese beiden Kompetenzen sowie für den gesamten Bereich der Sozialkompetenz ist per Definition Empathiefähigkeit, denn nach den oben angeführten Definitionen von Sowarka bzw. Thorndike bedeutet soziale Kompetenz zunächst einmal "andere zu verstehen" (siehe S. 14).

Die Fähigkeit, andere zu verstehen basiert auf der Fähigkeit, sich in das Denken und Fühlen anderer Personen hinein zu versetzen.

Diese drei Kompetenzen werden in den nächsten Kapiteln einzeln behandelt und in ihrer Bedeutung konkretisiert. Dabei werden auch die von Faix und Laier aufgeführten Einzelaspekte der sozialen Kompetenz wie Kritikfähigkeit, Moral, Toleranz, Kompromissfähigkeit, Offenheit, Achtung vor anderen etc. tangiert – somit wird nahezu das gesamte Spektrum der sozialen Kompetenz abgedeckt.

Dabei werden die sozialen und interpersonalen Basisfertigkeiten beschrieben, die das Individuum benötigt, um im Berufsleben hohe Ausprägungsgrade an sozialen Fähigkeiten zu zeigen.

Da innerhalb der psychologischen Forschung Einigkeit darüber besteht, dass soziale Kompetenzen und deren Grundvoraussetzungen im Prozess der primären Sozialisation erworben werden, wie Bungard (1995, S. 410) feststellt, bietet sich ein psychoanalytischer Ansatz an, der diese Grundvoraussetzungen sozialer Kompetenz den in den ersten Lebensjahren erworbenen inneren Strukturen einer Person zuschreibt.

Nach Kernberg (1978) hängt die Art des sozialen Verhaltens mit der "Qualität der verinnerlichten Objektbeziehungen" und der "Besetzung des Selbst" zusammen (S. 351). Im Falle narzisstischer Persönlichkeiten ist die innere Objektwelt verarmt, was sich in sozial fragwürdigem Verhalten manifestiert.

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, zeigen jedoch gerade narzisstische Persönlichkeiten eine hohe Motivation, in Führungspositionen zu gelangen.

Die negativen Auswirkungen, die Narzissmus im Management bezüglich der "neuen Anforderungen" haben kann, werden im Folgenden dargestellt, indem die inneren Voraussetzungen der sozialen Kompetenz den Merkmalen narzisstischer Persönlichkeiten gegenübergestellt werden.

Dabei wird das Konzept von Otto Kernberg als theoretischer Bezugsrahmen zugrundegelegt, welches nachfolgend in seinen Grundzügen dargestellt wird.

3. Narzissmus

Das Verständnis des Narzissmus und narzisstischer Problematiken, wie es uns heute sowohl in der psychoanalytischen Krankheitslehre wie auch im allgemeinpsychologischen Sinn vorliegt, ist Ergebnis der psychoanalytischen Theoriebildung der letzten 25 Jahre. (Krainz 1998, S. 167)

Der Begriff "Narzissmus" ist aus der Sprache der Psychoanalyse inzwischen in die Alltagssprache eingegangen, wobei er auch undeutlich geworden ist. Die folgende theoretische Präzisierung des Narzissmusbegriffs ist daher dringlich, da er, wie Lasch (1995, S. 61) bemerkt, "leicht moralistisch verwässert wird" und "weil die Gewohnheit, alles Egoistische und Unerfreuliche mit Narzißmus gleichzusetzen" die ursprünglich Bedeutung verfehlt.

Die Ursprünge des Begriffs "Narzissmus" gehen auf Sigmund Freud zurück. Er lieferte auch die erste grundlegende Definition der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. (Akhtar 1996, S. 2f)

In der Nachfolge Freuds hat sich der Narzissmus zu einem zentralen Thema innerhalb der psychoanalytischen Diskussion entwickelt. Diese hat eine fast unübersehbare Zahl psychoanalytischer Theorien zum Narzissmus hervorgebracht. (Wirth 2003, S. 36)

So gibt es in der psychoanalytischen Literatur verschiedenartige Verwendungen des Begriffs "Narzissmus" sowie unterschiedliche Konzepte der normalen und der pathologischen Entwicklung. (Akhtar 1996, S. 1)

Da für die vorliegende Fragestellung das soziale Verhalten im Vordergrund steht, beschränkt sich dieser Teil auf die Darstellung eines Narzissmusmodells als Reflexionsgrundlage und stellt insbesondere das phänomenologische Profil narzisstischer Persönlichkeiten in den Vordergrund.

Innerhalb der Psychoanalyse und auch darüber hinaus hat sich besonders das Konzept von Otto F. Kernberg etabliert. Ihm kommt der Verdienst zu, die narzisstischen Persönlichkeitsstörungen in umfassender Weise beschrieben, diagnostisch klassifiziert und konzeptualisiert zu haben. (Wirth 2003, S. 72)

Die Theorie von Otto F. Kernberg bietet sich für die Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung an, da er sich auch mit dem Thema "Narzissmus und Führung" auseinander gesetzt hat. Dabei versuchte er zu klären, welche Kriterien – unter psychoanalytischen Gesichtspunkten – an eine Führerpersönlichkeit zu stellen sind. Dazu zählt Kernberg (2002, S. 150f)

u.a.:

Ausreichend starke narzißtische Eigenschaften, um sein Selbstbewußtsein auch dann aufrechterhalten zu können, wenn es zu unvermeidbarer Kritik und zu Angriffen aus dem Lager seiner Anhänger kommt, und um zu vermeiden, daß er sich seinen Anhängern gegenüber zu sehr in Abhängigkeit begibt.

Diese Art von "narzisstischen Eigenschaften" liegt im Bereich des "normalen Narzissmus" und gerade nicht im Bereich des "pathologischen Narzissmus", wie im Folgenden dargestellt wird.

3.1 Normaler Narzissmus nach Kernberg

Die Begriffe, mit denen Kernberg Narzissmus beschreibt, entstammen der von ihm vertretenen (ich-psychologischen) Objektbeziehungstheorie. Normaler Narzissmus bedeutet die libidinöse Besetzung des normal integrierten Selbst. Diese führt zu einem "gesundes Selbstwertgefühl". (Kernberg 1978, S. 360)

Zum Verständnis der weiteren Ausführungen ist die Definition der folgenden Begriffe notwendig: Das Selbst ist in Kernbergs Modell (1978, S. 358) "eine intrapsychische Struktur, die sich aus mannigfaltigen Selbstrepräsentanzen mitsamt den damit verbundenen Affektdispositionen konstituiert." Das Selbst ist Bestandteil des Ichs, das daneben noch Objektrepräsentanzen enthält sowie Idealselbst- und Idealobjektvorstellungen – wie aus Abb. 2, S. 21 ersichtlich. Selbstrepräsentanzen bzw. Objektrepräsentanzen definiert Kernberg (a. a. O.) wie folgt: "Selbstrepräsentanzen sind affektiv-kognitive Strukturen, die die Selbstwahrnehmung einer Person in ihren realen Interaktionen mit bedeutsamen Bezugspersonen und in phantasierten Interaktionen mit inneren Repräsentanzen dieser anderen Personen, den sogenannten Objektrepräsentanzen, widerspiegeln." Die "libidinöse Besetzung des Selbst", welche ein "positives Selbstwertgefühl" erzeugt, setzt als Bedingung eine Integration libidinös und aggressiv determinierter Selbst- und Objektrepräsentanzen in einem kohäsiven Selbstkonzept voraus. Das bedeutet: Es werden "gute" und "schlechte", also gegensätzliche Anteile in ein realistisches Selbstkonzept integriert. (Kernberg 1978, S. 359) Beim normalen Narzissmus lassen sich Selbst- und Objektrepräsentanzen strukturell differenzieren – siehe Abb. 2, S. 21.

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Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832489892
ISBN (Paperback)
9783838689890
DOI
10.3239/9783832489892
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bremen – Psychologie
Erscheinungsdatum
2005 (September)
Note
1,0
Schlagworte
schlüsselqualifikationen personalauswahl kommunikationsfähigkeit motivationsfähigkeit personalentwicklung
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Titel: Anforderungen an Führungskräfte im Spannungsfeld zwischen Sozialkompetenz und Narzissmus
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