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Der Juniorvorstand als ein ausgewähltes Instrument zur Veränderung der Unternehmenskultur

©2003 Diplomarbeit 165 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Zu Beginn der 80er Jahre wurde mit Euphorie eine neue Gestaltungsvariable „entschlüsselt“, welche Unternehmen jenseits des japanischen Erfolges auch hier erfolgreich machen sollte: die UNTERNEHMENSKULTUR. Jahrelang war sie aus dem Erkenntnisobjekt der Wirtschaftswissenschaften ausgeklammert, denn Kultur war gleichbedeutend mit Kunst, Spiel und Unterhaltung und hatte mit unternehmerischer Leistung und maximalem Gewinnstreben nur wenig gemein. Auslöser dieser Diskussion waren Tatsachen, die Amerikaner und Europäer gleichermaßen aufschrecken ließen. Schon Ende der 70er Jahre zeichnete sich der Aufstieg der bis dahin eher unterentwickelten Nation Japan zur Wirtschaftsmacht ab. Japan hatte zu dieser Zeit das dritthöchste Bruttosozialprodukt und sollte mit diesen Wachstumsraten im Jahr 2000 Nummer eins sein. Mit doppelt so hohen Investitionsquoten und viermal so hoher Produktivität lagen die Gesamtkosten produzierender Unternehmen auf diesem Inselstaat dabei aber weit höher als in den westlichen Industrienationen. Der Hauptgrund für die Überlegenheit der Japaner musste also in ihrer Befähigung zur Unternehmensführung liegen. Die Konfrontation mit der japanischen Herausforderung führte deshalb dazu, dass sich zahlreiche renommierte Universitätsprofessoren und Wirtschaftsberater mit diesem geheimnisvollen Erfolg und seinem Ursprung auseinandersetzen. Sie „fanden heraus“, dass im Mittelpunkt der japanischen Unternehmensführung keine eindeutig definierte, klare Zielsetzung steht, wie in hiesigen Unternehmen im Sinne der MbO-Welle propagiert, sondern die Managementphilosophie an sich, die Art, wie Probleme bewältigt werden, das Verhältnis zu Kunden, Lieferanten und staatlichen Behörden und das Verhältnis untereinander. „Das Unternehmen hat eine Kultur entwickelt, mit bestimmten Ritualen, Symbolen, Mythen.“ Doch was ist dran am „Kult“ um die Unternehmenskultur?
Das Interesse an ihr hat in der Wissenschaft als auch in der Praxis in den letzten Jahrzehnten Höhen und Tiefen erlebt. Organisationsberater und Managementgurus hatten sofort erkannt, sich mit Seminaren, Arbeitskreisen, Kolloquien und Symposien zum Thema Unternehmenskultur der Weiterbildung der Führungskräfte zu widmen, als auch durch „rezepthafte Handlungsweisen“ Unternehmen bei der vermeintlichen Einführung von Kultur zu unterstützen. Auch die Zahl der Monographien, Sammelbände und Artikel in Fachzeitschriften stieg sprunghaft an. Nahezu jedes Unternehmen hat heute […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 7600
Krasselt, Christin: Der Juniorvorstand als ein ausgewähltes Instrument zur Veränderung
der Unternehmenskultur
Hamburg: Diplomica GmbH, 2004
Zugl.: Westsächsische Hochschule Zwickau, Fachhochschule, Diplomarbeit, 2003
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2004
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
2
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... 4
1. Einführung... 5
1.1.
Der Kult um die Unternehmenskultur... 5
1.2.
Ein Literaturleitfaden für Praktiker... 7
1.3.
Ziel und Ablauf der Arbeit ... 10
2. Die Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur ... 12
2.1.
Definitionen, Abgrenzung von verwandten Sachgebieten und spezifische
Funktionen ... 12
2.2.
Die Dichotomie des Kulturverständnisses ... 20
3. Die Kulturanalyse ... 23
3.1.
Charakteristik und Typologisierung der Unternehmenskultur ... 23
3.2.
Spezifiken bei der Kulturanalyse... 26
3.3.
Analyseinstrumente und ihre Würdigung ... 30
3.3.1.
Diagnose an der Oberfläche ... 30
3.3.2.
Diagnose in der Tiefe ... 32
3.4.
Die Ergebnisse der Kulturanalyse... 36
4. Die Entwicklung der Soll-Kultur ... 37
4.1.
Das Kulturelle Soll-Profil ... 37
4.1.1.
Gründe für die Veränderung der bestehenden Kultur ... 37
4.1.2.
Methoden zur Entwicklung des Soll-Kultur-Profils ... 40
4.2.
Ermittlung der Kulturlücke... 42
5. Ableitung spezifischer Anforderungen an den Kulturellen Wandel ... 43
5.1.
Kulturentwicklungsstrategien ... 43
5.2.
Lernen als Voraussetzung für Verhaltensänderungen... 52
5.3.
Das Konzept der Personal- und Führungskräfteentwicklung zur Unterstützung
unternehmenskultureller Gestaltung ... 60
6. Der Juniorvorstand und seine Ausgestaltung im Change Prozess... 65
6.1.
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung ... 65
6.2.
Definition des Juniorvorstandes als Personal- und
Führungskräfteentwicklungsmaßnahme ... 70
6.3.
Neue Blickrichtung: Der Juniorvorstand als Kulturelle Zelle ... 71

Inhaltsverzeichnis
3
6.4.
Kulturbewusstes Management durch den Juniorvorstand ... 77
6.4.1.
Organisatorische Voraussetzungen im Change-Team ... 77
6.4.2.
Vorgehensweise im Change-Prozess ... 81
6.4.3.
Der Prozess des Wandels... 87
6.4.4.
Cultural-Change-Controlling... 126
6.4.5.
Worin endet dieser Prozess? ­ Ausblick auf den Kulturkern ... 130
6.4.6.
Grenzen dieses kulturbewussten Managements ... 132
7. Zusammenfassung ... 142
Quellenverzeichnis ... 148

Abbildungsverzeichnis
4
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Unterschiedliche Kulturdefinitionen ... 13
Abb. 2: Bestandteile der Kultur nach Schein ... 14
Abb. 3: Der Kulturkern und das umgebende Netzwerk ... 15
Abb. 4: Modell des Kulturellen Wissens nach Sackmann... 16
Abb. 5: Typische Unternehmenskulturen nach Deal und Kennedy ... 24
Abb. 6: Induktive und Deduktive Datenerhebungsmethoden nach Sackmann... 29
Abb. 7: Checkliste für Firmenrundgang ... 31
Abb. 8: Das Kultur-Profil ... 36
Abb. 9: Ablauf der Metalogkonferenz ... 41
Abb. 10: Die Ermittlung der Kulturlücke... 42
Abb. 11: Darstellung des Untersuchungsgegenstandes... 43
Abb. 12: Lewins Drei-Phasen-Modell des Wandels... 49
Abb. 13: Überblick über Trainingsformen im Betrieb ... 64
Abb. 14: Übersicht der Applikationsgrade der einzelnen Personal- und
Führungskräfteentwicklungsmaßnahmen ... 66
Abb. 15: Übersicht der Veränderungsbeiträge ausgewählter Personal- und
Führungskräfteentwicklungsmethoden ... 67
Abb. 16: Integration des Juniorvorstandes in die Aufbauorganisation... 79
Abb. 17: Beispiel für die Grundorientierung einer Unternehmenskultur ... 82
Abb. 18: Der Veränderungsprozess aus der Sicht des Juniorvorstandes als Impulsgeber... 86
Abb. 19: Leitbild der Siemens AG... 92
Abb. 20: Übersicht über die Instrumente zur Zweiwege-Kommunikation ... 97
Abb. 21: Ranking der untersuchten Kommunikationsinstrumente im Change Management 99
Abb. 22: Kreativitäts- und Kommunikationsfeindliche Barrieren... 139

Einführung
5
1. Einführung
1.1. Der Kult um die Unternehmenskultur
Zu Beginn der 80er Jahre wurde mit Euphorie eine neue Gestaltungsvariable ,,entschlüsselt",
welche Unternehmen jenseits des japanischen Erfolges auch hier erfolgreich machen sollte:
die UNTERNEHMENSKULTUR. Jahrelang war sie aus dem Erkenntnisobjekt der
Wirtschaftswissenschaften ausgeklammert, denn Kultur war gleichbedeutend mit Kunst,
Spiel und Unterhaltung und hatte mit unternehmerischer Leistung und maximalem
Gewinnstreben nur wenig gemein.
1
Auslöser dieser Diskussion waren Tatsachen, die
Amerikaner und Europäer gleichermaßen aufschrecken ließen. Schon Ende der 70er Jahre
zeichnete sich der Aufstieg der bis dahin eher unterentwickelten Nation Japan zur
Wirtschaftsmacht ab.
2
Japan hatte zu dieser Zeit das dritthöchste Bruttosozialprodukt und
sollte mit diesen Wachstumsraten im Jahr 2000 Nummer eins sein.
3
Mit doppelt so hohen
Investitionsquoten und viermal so hoher Produktivität lagen die Gesamtkosten produ-
zierender Unternehmen auf diesem Inselstaat dabei aber weit höher als in den westlichen
Industrienationen.
4
Der Hauptgrund für die Überlegenheit der Japaner musste also in ihrer
Befähigung zur Unternehmensführung liegen.
5
Die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten
drohte abzureißen. Die Konfrontation mit der japanischen Herausforderung führte deshalb
dazu, dass sich zahlreiche renommierte Universitätsprofessoren und Wirtschaftsberater mit
diesem geheimnisvollen Erfolg und seinem Ursprung auseinandersetzen.
6
Sie ,,fanden
heraus"
7
, dass im Mittelpunkt der japanischen Unternehmensführung keine eindeutig
definierte, klare Zielsetzung steht, wie in hiesigen Unternehmen im Sinne der MbO-Welle
propagiert, sondern die Managementphilosophie an sich, die Art, wie Probleme bewältigt
werden, das Verhältnis zu Kunden, Lieferanten und staatlichen Behörden und das Verhältnis
1
Vgl. Dülfer, 1991, S. 2
2
Vgl. Heinen 1987, S. 4
3
Vgl. Rüßmann 1981, S. 36
4
Vgl. ebenda
5
Vgl. ebenda
6
Unter ihnen T.J. Peters und R.M. Waterman, Deal T.E. und A.A. Kennedy, R.T. Pascal und
A.G. Athos, W.G. Ouchi, L. Smircich und G. Morgan, L.R. Pondy und J.J. Mitroff., Y.Allaire und
M.E.Fisirotu. Pascal/ Athos beispielsweise veröffentlichten unter dem provokanten Titel ,,Theory Z.
How American Business Can Meet the Japanes Challenge" eine für seine Leser fast komplett
kopierbare lehr- und lernbare japanische Managementtheorie, die sich binnen kurzer Zeit zum
populären Bestseller entwickelte
7
,,Herausfinden" ist nicht unbedingt der exakte Begriff für diesen Prozess. Sie brachten vielmehr
schon bekannte Gedanken auf einen gemeinsamen ,,Kulturnenner". Das Überraschende an diesen
Fakten war, das dieses Paradebeispiel an japanischer Unternehmensführung, in diesen später
erschienenen Monographien fast ausschließlich in der amerikanischen Wirtschaft gefunden wurde.
Die Spitzengruppe der Paradebeispiele umfasst dabei immer wieder die selben Unternehmen: Hewlett
Packard, IMB, Procter & Gamble, Kodak Eastman, Levi Strauss und andere. In Deutschland zählen zu
ihnen: Daimler-Chrysler, BMW, Audi, Heidelberger Druck, Siemens, Trumpf, Otto, Continental,
ThyssenKrupp, MAN-Roland, Bayer oder die Deutsche Bank.

Einführung
6
untereinander.
8
,,Das Unternehmen hat eine Kultur entwickelt, mit bestimmten Ritualen,
Symbolen, Mythen."
9
Doch was ist dran am ,,Kult"
10
um die Unternehmenskultur?
Das Interesse an ihr hat in der Wissenschaft als auch in der Praxis in den letzten
Jahrzehnten Höhen und Tiefen erlebt. Organisationsberater und Managementgurus hatten
sofort erkannt, sich mit Seminaren, Arbeitskreisen, Kolloquien und Symposien zum Thema
Unternehmenskultur der Weiterbildung der Führungskräfte zu widmen, als auch durch
,,rezepthafte Handlungsweisen"
11
Unternehmen bei der vermeintlichen Einführung von Kultur
zu unterstützen. Auch die Zahl der Monographien, Sammelbände und Artikel in Fachzeit-
schriften stieg sprunghaft an. Nahezu jedes Unternehmen hat heute mittlerweile Unter-
nehmensgrundsätze, Leitbilder oder Führungsphilosophien entwickelt und mehr oder
weniger aussagekräftig zu Papier gebracht.
12
Der so populär gewordene Begriff der Unter-
nehmenskultur brachte jedoch die Tendenz hervor, dass alles Mögliche an nicht greifbaren,
eher weichen Erfolgsfaktoren der Unternehmung unter Kultur abgelegt wurde und damit das
Konzept zu verwässern drohte.
13
Die erhofften Erfolge durch das Nachahmen erfolgreicher
Kulturen blieben jedoch aus, und so widmete man sich anderen erfolgversprechenden
Rezepten wie dem Total Quality Management, dem Lean Management, Kaizen oder dem
Business Process Reengineering.
14
Dass zur erfolgreichen Einführung dieser Konzepte
wiederum die Kultur des Unternehmens ausschlaggebend ist, erkannte man nach der ersten
euphorischen, aber weniger erfolgreichen Umsetzungswelle dieser Techniken.
Der Zusammenschluss von Daimler Benz und Chrysler zeigte außerdem wegweisend, wie
erfolgsabhängig der Kulturfaktor für die Realisierung von Akquisitionen, Allianzen und
Unternehmenszusammenschlüssen und damit für erhofften wirtschaftlicher Erfolg sein kann.
Im Zuge dieser Entwicklung wurde erkannt, dass praktikable Wege gefunden werden
müssen, um Kultur und ihre Elemente gestalten zu können, damit auf veränderte Umwelt-
bedingungen und damit beispielsweise auf neue Management- und Unternehmens-
führungspraktiken reagiert werden kann. Doch handelt es sich bei dem Konstrukt
Unternehmenskultur offenkundig um ein sehr komplexes und widerspenstiges Phänomen,
dem mit allgemeingültigen Kulturentwicklungskonzepten, die durch ,,ein bisschen Corporate
Identity und eine Prise Management by Wandering Around"
15
herbeigezaubert werden, keine
tiefgreifende Neuorientierung beizubringen ist.
16
Doch ist dies überhaupt das Ziel der
8
Vgl. Rüßmann 1981, S. 38
9
Ebenda
10
Neuberger/Kompa 1987
11
Dierkes/Hähner/Raske 1996, S. 315
12
Vgl. ebenda
13
Vgl. Schreyögg 1999, S. 436
14
Vgl. Sackmann 2003, S. 20
15
Behrends 2003, S. 13
16
Vgl. ebenda

Einführung
7
Kulturgestaltung? In welchem Ausmaß und vor allem mit welchen Mitteln kann Unter-
nehmenskultur überhaupt gezielt verändert werden oder entzieht sich dieses Phänomen
jeglicher bewusst herbeigeführter Gestaltungspraktiken? Die Fragen sollen im Laufe dieser
Arbeit beantwortet werden. Um dabei den aktuellen Stand der Diskussion um die
Kulturveränderung und die Bedeutung dieser Arbeit darzustellen, werden zunächst einige
Hauptwerke dieser Kulturdiskussion einer näheren Betrachtung unterzogen. Im Anschluss
erfolgt für den Leser eine Erläuterung der weiteren Vorgehensweise in dieser Arbeit.
1.2. Ein Literaturleitfaden für Praktiker
Im Zuge der populären Bedeutung des Themas Unternehmenskultur ist eine unüberschau-
bare Menge an Monographien, Sammelwerken und Fachartikeln erschienen. Die Wurzeln
der Unternehmenskulturdiskussion liegen in den USA zu Beginn der 80er Jahre. Erst fünf bis
sechs Jahre später erkannte man auch in Deutschland deren Bedeutung und hat sich in
Wissenschaft und Praxis eingehend damit beschäftigt. Die folgenden ausgewählten
Veröffentlichungen sollen helfen, für den Praktiker einen Literaturleitfaden zum Thema
Unternehmenskulturveränderung zu entwickeln.
Den populären Grundstein für die Diskussion um die Unternehmenskultur legten PETERS
und WATERMAN mit ihrem Werk ,,In Search of Excellence ­ Lessons from America's
Best-Run Companies" (1981)
17
. Ihr Buch untersucht unter dem Stichwort ,,sichtbar gelebtes
Wertesystem"
18
die Bedeutung des weichen Faktors Unternehmenskultur für den betrieb-
lichen Erfolg. Dessen Bedeutung im Spannungsfeld von Strategie und Struktur stellen die
beiden McKinsey-Berater in ihrem 7S-Modell dar.
19
Außerdem kristallisieren sie acht
Erfolgskriterien der ,,excellent companies"
20
heraus, die es nachzuahmen gilt. Dieses Werk
ist wissenschaftlich nicht sehr durchdrungen, bietet somit keinerlei Hilfe zur Analyse und zur
Gestaltung von Unternehmenskulturen, stellt aber einen verständlichen Einstieg in das
Phänomen Unternehmenskultur und seine populäre Bedeutung dar.
DEAL und KENNEDY knüpften mit ihrem Werk "Corporate Cultures. The Rites and
Rituals of Corporate Life" (1982)
21
an den Bestseller von Peters und Waterman an. Ihr
Werk erfährt eine wesentlich stärkere Konkretisierung und inhaltliche Durchdringung der
einzelnen Kulturbestandteile. Ausgehend von der These, dass über längere Zeit erfolgreiche
Unternehmen nur diejenigen seien, die starke Grundwerte besitzen, untersuchten die beiden
17
In Deutschland erschienen 1982 unter dem Titel: ,,Auf der Suche nach Spitzenleistungen: Was man
von den bestgeführten US-Unternehmen lernen kann."
18
Peters/Waterman 1993, S. 37
19
Vgl. ebenda, S. 32
20
Peters/Waterman 1993, S. 35
21
Erschienen 1987 unter dem Titel: ,,Unternehmenserfolg durch Unternehmenskultur".

Einführung
8
Autoren 80 Unternehmen auf das Vorhandensein zentraler Werte und Normen. Aus dieser
Untersuchung heraus definierten sie Werte, Helden, Rituale und das soziale Netzwerk als
zentrale Elemente der Unternehmenskultur. Sie entwickelten eine Typologie für das
Erkennen spezifischer Unternehmenskulturen, die heute noch sehr hohen Anklang findet.
Darüber hinaus werden Erfassungs- und Analysemethoden vorgestellt, sowie erste Hinweise
für eine mögliche Kulturgestaltung. Sie heben bereits zu dieser Zeit die Bedeutung von
Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen für einen Kulturellen Wandel hervor. Anhand des
noch andauernden Bezugs auf dieses Werk leistet der Beitrag von Deal und Kennedy einen
bedeutenden Beitrag zur Kulturdiskussion, auch wenn eine stärkere Detaillierung zur
Quantifizierung der Trainings- und damit Personalentwicklungsmaßnahmen nicht erfolgt.
SCHEIN stellt in seinem Werk ,,Organizational Culture and Leadership" (1985)
22
eine der
bedeutendsten Definitionen von Unternehmenskultur in seinem Drei-Ebenen-Modell dar und
verdeutlicht auch erstmals explizit, dass zwischen dem Verhalten der Führungskräfte und der
Schaffung und Steuerung von Kultur ein komplexer Zusammenhang besteht.
23
Nach der
Erläuterung der Kulturbestandteile gibt Schein zunächst systematische Punkte vor, die die
Analyse bestehender Kulturen ermöglichen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt an-
schließend zum einen auf dem Einfluss der Unternehmensgründer zur Schaffung und
Entwicklung von Kultur, als auch auf dem Kulturwandel selbst und der wesentlichen Rolle
der Führungskraft und ihrem Verhalten in diesem Prozess. Anhand einer Fallstudie zu zwei
Unternehmen und ihrer Kultur gibt er einen Überblick über die praktische Vorgehensweise
bei einem Kulturwandel. Bei ihm steht jedoch die inhaltliche Durchdringung des
Erkenntnisobjekts Kultur vielmehr im Vordergrund als letztlich eine greifbare Methodik zur
Veränderung des Kulturellen Gefüges.
In Deutschland erfuhr die Kulturdiskussion erstmals durch den Beitrag von KOBI und
WÜTHRICH ,,Unternehmenskultur verstehen, erfassen und gestalten" (1986) Relevanz.
Es ist das bis dahin umfangreichste Werk zu dieser Thematik, das zunächst einen Überblick
über die mittlerweile zahlreich entstandenen Definitionen gibt, Methoden und Vorgehens-
weisen für die Kulturanalyse und deren Visualisierung detailliert beschreibt, Beurteilungs-
kriterien für erfolgreiche Unternehmenskulturen herausarbeitet und letztlich die Veränderung
der Kultur unter dem Aspekt des kulturbewussten Managements ausführlich behandelt. ,,Ein
gezielt angewandtes Human-Ressource-Management bildet (...) das Fundament jeder
erfolgreichen Gestaltung der Unternehmenskultur."
24
Die personalbezogenen Maßnahmen,
22
Erschienen 1995 unter dem Titel: ,,Unternehmenskultur für Führungskräfte"
23
Vgl. Schein 1995, S. 9
24
Kobi/Wüthrich 1986, S. 191

Einführung
9
die an der Oberfläche verharren und eine starke Fokussierung auf die Führungskraft,
beschreiben jedoch die Mängel in ihrer Arbeit.
BATE untersucht in seinem Werk ,,Strategies for Cultural Change" (1994)
25
den
Zusammenhang zwischen Kultur und Strategie. Nach der anfänglichen Konkretisierung des
Konstrukts Unternehmenskultur erfolgt eine ausführliche Begriffsklärung zum Kulturellen
Wandel selbst, an die sich Strategien zur Kulturentwicklung und zum Kulturwandel
anschließen. Bate zeigt vier mögliche Wege der Kulturgestaltung auf und beurteilt ihre
Umsetzungsmöglichkeit und -effektivität. Konkrete Gestaltungsmaßnahmen sind dabei
jedoch nicht zu erkennen, denn die Erläuterung der praktischen Umsetzung erfolgt nur in
Ansätzen. Er beschäftigt sich jedoch intensiv mit der Rolle der Führungskraft und ihrer
notwendigen Qualität für die Umsetzung des Cultural Change. Die Strategiebezogenheit
seiner Erkenntnisse steht dabei jedoch im Vordergrund.
Ein aktuelles Werk, das sehr umfangreich die Thematik Unternehmenskultur untersucht, ist
das Buch ,,Unternehmenskultur: Analysieren­Entwickeln­Verändern" von SACKMANN
(2002). Auch hier erfolgt zunächst eine ausführliche Begriffsklärung, an die sich dann eine
nähere Untersuchung zur Entstehung und Entwicklung der Kultur anschließt. Der Hauptteil
befasst sich mit dem kulturbewussten Management. Der Gestaltungsprozess der Kultur wird
hierbei sehr detailliert unter der Begrifflichkeit Kulturassessment dargestellt. Nach der
ausführlichen Darlegung einer Kulturanalyse, der Bewertung der Ist-Kultur, der Bestimmung
der Soll-Kultur sowie deren Gegenüberstellung, erfolgt eine ausführliche Erläuterung des
Vollzugs von Kulturveränderungen. Sackmann spricht dabei den ,,Aktivitäten des Personal-
managements"
26
sowie der Rolle der Führungskräfte die größte Bedeutung im Verän-
derungsprozess zu und beschreibt übersichtlich, wie damit verfahren wird, wobei ihre
Empfehlungen durch die Vielzahl der Informationen jedoch an der Oberfläche verharren.
Der Literaturleitfaden und seine Auswertung zeigt, dass hinsichtlich spezifischer
Veränderungskonzepte für das Konstrukt Unternehmenskultur bisher nur Teillösungen und
mehr oder wenig oberflächliche Gestaltungsansätze entwickelt wurden und damit weiterhin
Defizite in der theoretischen und vor allem auch praktischen Durchdringung dieses
bedeutenden Themas bestehen.
27
25
Erschienen 1997 unter dem deutschen Titel: ,,Cultural Change. Strategien zur Änderung der
Unternehmenskultur".
26
Sackmann 2002, S. 171
27
In der deutschen Wissenschaft sind zur Klärung des Phänomens Unternehmenskultur außerdem
noch die Namen Ebers (1985), Rüttinger (1986), Neuberger und Kompa (1987), Heinen (1987),
Kasper 1987 und Dülfer (1991) mit ihren Erkenntnissen zu diesem Konstrukt erwähnenswert.

Einführung
10
1.3. Ziel und Ablauf der Arbeit
Die meisten Veränderungsprogramme wirken nur auf der Oberfläche, solange aber
tieferliegende Ebenen der Kultur, ihrer Struktur und ihrer zugrundeliegenden Weltbilder nicht
verstanden und in ihrer Folge verändert werden, können sich Organisationen und ihre Kultur
nur graduell verändern. Eingebettet in ein kulturbewusstes Managementverständnis besteht
das Gesamtziel der Arbeit damit in der Entwicklung von Handlungsempfehlungen zur
Veränderung einer spezifischen Unternehmenskultur. Das Vorgehensmodell gliedert sich
dafür übergeordnet in zwei Teile, indem zunächst ein passendes Instrument für den
bevorstehenden Wandel der Unternehmenskultur im Bereich der Personal- und
Führungskräfteentwicklung gefunden werden soll, um anschließend im zweiten Teil innerhalb
dieses Instruments Handlungsempfehlungen zur Gestaltung verschiedener Veränderungs-
impulse zu entwickeln.
Voraussetzung für die Erfüllung dieser Gesamtzielsetzung ist zunächst ein Überblick auf der
normativen Ebene über die Terminologie der Unternehmenskultur, um daran anschließend
einen Ansatz als Arbeitsgrundlage auszuwählen. Der Abgrenzung von verwandten
Sachgebieten zur übersichtlicheren Darstellung für den Leser als auch der Erläuterung der
spezifischen Kulturfunktionen kommt in diesem ersten Teil ebenfalls Bedeutung zu. Im
Anschluss wird die in der Literatur vorgefundene Dichotomie des Kulturverständnisses
dargestellt, die sich durch die Uneinigkeit ausdrückt, ob Unternehmen eine Kultur haben oder
ob Kultur eine Metapher für das Unternehmens als Ganzes ist.
Ausgangspunkt für den Cultural Change bildet dann die Analyse der bestehenden Kultur
innerhalb der Unternehmung. Hier wird zunächst auf verschiedene Problemstellungen in
diesem Kontext hingewiesen. Im Anschluss werden dann differenzierte Methoden für die
Analyse vorgestellt, wobei die Diagnose sowohl an der Oberfläche als auch in der Tiefe
kritisch betrachtet wird. Der Verfasser bemüht sich einer überblicksartigen Darstellung, da
das wichtigste Erkenntnisobjekt für den Leser darin besteht, die Schwierigkeit zu erkennen,
einen schwer fassbaren Konstrukt wie Kultur in seinen einzelnen Bestandteilen anschaulich
darzustellen. Die Analyse der Kultur erfolgt unter theoretischen Gesichtspunkten, weshalb
der Verfasser im Anschluss eine Beurteilung möglicher Untersuchungsergebnisse außen vor
lässt.
Gegenstand der nächsten beiden Arbeitsteile ist dann die Ableitung spezifischer
Anforderungen an den Kulturellen Wandel. Über die Ermittlung der Soll-Kultur, für die
ebenfalls überblicksartig Instrumente vorgeschlagen werden, kristallisiert sich für den Leser
die existente Kulturlücke zwischen bisheriger Kultur und dieser zukünftigen Soll-Kultur

Einführung
11
heraus. Für deren Schließung sind je nach ihrer Ausprägung verschiedene Handlungs-
optionen geeignet. Die Einbettung des Wandels in geeignete Kulturmanagement-Konzepte
erklärt, in welcher Fachdisziplin ein Instrument, dass die Gestaltung von Unternehmenskultur
ermöglicht, zu suchen ist. Weitere Anforderungen für die Veränderung der kulturellen
Bestandteile werden vor einem lerntheoretischen Hintergrund gesucht, weil die Schließung
einer existenten Kulturlücke stets die Initiierung unterschiedlicher Lernprozesse erfordert.
Den Abschluss dieser Lerntheorie bildet ein Überblick über die aktuellen Trainingsformen in
der Organisation.
Eine empirische Analyse unterstützt anschließend für den Leser den Auswahlprozess des
Instrumentariums. Mit diesem bis dahin theoretischen Gedankenkonstrukt wird die Basis
geschaffen, um im letzten Teil einen ausführlichen Methodenpool für ein kulturbewusstes
Management durch den Juniorvorstand vorzustellen. Zur Unterstützung der Gestaltungs-
empfehlungen werden, wo es möglich ist, Beispiele aus der Praxis herangezogen. Dafür wird
ein gültiges Kulturprofil eines Elektronikunternehmens ausgewählt, anhand dessen
verschiedene Handlungsweisen erläutert werden. Gleichzeitig werden natürlich auch die
Grenzen einer solchen Vorgehensweise beleuchtet.
Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit werden in Kapitel sieben noch einmal
zusammenfassend dokumentiert und abschließend gewürdigt.

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
12
2. Die Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
2.1. Definitionen, Abgrenzung von verwandten Sachgebieten und
spezifische Funktionen
Definitionen
Der Begriff ,,Kultur" ist lateinischen Ursprungs und bedeutet wörtlich übersetzt ,,Bebauung"
und ,,Pflege"
28
. Allgemeinsprachlich wird unter der Kultur unserer Gesellschaft das
Schöngeistige verstanden und ist gleichbedeutend mit Musik, Kunst, Theater und Literatur
und im Detail bestimmt durch Sprache, Religion, Legenden und Mythen.
29
Unternehmen sind soziale Systeme, die im Grunde den gleichen Aufbau wie unsere
Gesellschaft aufweisen und damit ebenfalls spezifische Kulturen, bestehend aus Regeln,
Routinen, Sprachen und Mythen, herausbilden, um ihr Überleben und die Zufriedenheit der
Unternehmensmitglieder zu sichern.
30
Im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang wird
deshalb auch von Unternehmenskultur gesprochen.
So bedeutend sie in der aktuellen Managementpraxis ist, so zahlreich existieren jeweils ganz
subjektive und spezifische Definitionsversuche in Wissenschaft und Praxis. So schrieben
schon Neuberger und Kompa 1987: "Der Begriff Unternehmenskultur (auch Organisations-
oder Firmenkultur) wird (...) von Organisationspraktikern und -theoretikern zwar viel
gebraucht, aber gleichzeitig sehr uneinheitlich verwendet".
31
Der Ursprung der Definition für
Kultur allgemein stammt von dem Anthropologen Edward B. Tylor in seinem Werk ,,Primitive
Culture" aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
32
Doch für die Erklärung von
Unternehmenskultur sind nicht notwendigerweise kulturphilosophische und anthropologische
Theorien relevant.
33
Hervor geht aus der Diskussion vor allem, dass zwei grundsätzliche
methodische Ansätze zum Verstehen des Phänomens von Bedeutung sind. Zu
unterscheiden sind der instrumentalistische und der dynamische Ansatz.
34
Wobei es sich hier
um die Trennung der beiden Standpunkte: ,,Unternehmen haben Kultur" und ,,Unternehmen
sind Kulturen" handelt. Diese Standpunkte allein wirken auf die Definitionsfindung jedoch
nicht entscheidend.
28
Der Brockhaus Bd. Acht, S. 125
29
Vgl. Weinand 2000, S. 14ff.
30
Vgl. ebenda
31
Neuberger/Kompa 1987, S. 17
32
Keller 1990, S. 23
33
Vgl. Dülfer 1991, S. 6
34
Vgl. Schreyögg 1991, S. 202

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
13
Im Folgenden soll ein kurzer Abriss der zahlreich in der Literatur zu findenden Definitionen
für die Unternehmenskultur dargestellt werden:
TYLER, E.B., 1871
Allgemeine Definition der Kultur
,,Culture (...) is that whole which includes knowledge, belief,
art, law, morals, custom and any other capabilities and habits
acquired by man as member of society."
35
PETTIGREW, A., 1979
,,(...) purpose, commitment and order are generated in an
organization through the feelings and actions of its founder
and trough the amalgam of beliefs, ideology, language, ritual
and myth, we collapse into the label of organizational culture"
36
DEAL, T.E./ KENNEDY A., 1982
,,
(...) ist ein System von formlosen Regeln, die deutlich
machen, wie die Leute sich im allgemeinen zu verhalten
haben."
37
HEINEN, E., 1985
,,Unternehmenskultur ist als Werte- und Normengefüge der
Zweckgemeinschaft Unternehmen zu verstehen."
38
SCHEIN, E.H., 1985
,,Ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe
bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und
interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit
als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational
und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit diesen
Problemen weitergegeben wird."
39
KOBI, J.-M./WÜTHRICH, H.A.,
1986
,,... die Gesamtheit von geteilten Normen, Wertvorstellungen
und Denkhaltungen, die das Verhalten der Mitarbeiter aller
Stufen und somit das Erscheinungsbild eines Unternehmens
prägen."
40
HOFSTEDE, G., 1993
,,Die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder
einer Organisation von einer anderen unterscheidet."
41
Abb. 1: Unterschiedliche Kulturdefinitionen
Quelle: eigene Zusammenstellung
35
Tylor 1871, S. 1; zitiert in Keller 1990, S. 41
36
Pettigrew 1979, S. 572
37
Deal/Kennedy 1987; S. 80
38
Heinen 1985, S. 987
39
Schein 1995, S. 25
40
Kobi/Wüthrich 1986, S. 34
41
Hofstede 1993, S. 204

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
14
Die Definition von Schein verdient in der Management­ und Führungslehre schon lange Zeit
große Anerkennung und wird zahlreich von Wissenschaftlern und Praktikern zitiert. Schein
baut seine Definition der Unternehmenskultur auf den drei Ebenen der Kultur auf:
Abb. 2: Bestandteile der Kultur nach Schein
Quelle: Schein 1995, S. 30
Im Zuge dieser Arbeit soll jedoch nicht ausschließlich auf diesen Erklärungsansatz verwiesen
werden, da bei Schein in seinen Ausführungen entscheidende Erklärungen in der Definition
des Begriffs ,,Grundprämissen" nicht dargelegt werden, die aber in ihrer Form ausschlag-
gebend für das Ziel dieser Arbeit sind. Schwerpunkt dieser Arbeit soll der Kulturelle Wandel
sein. Unter der Annahme, dass dieser vordergründig zunächst in den ersten beiden Ebenen
vollzogen werden kann und dass die umfangreichsten Veränderungen dann in der dritten
Ebene geschehen müssen, muss diese näher erläutert werden. Daher wird nach einer
Definition gesucht, die diese dritte Ebene für den Zweck dieser Arbeit stärker differenziert.
Deshalb orientiert sich die Arbeit vorwiegend an den Definitionsüberlegungen von
Sackmann:
,,Organisationskultur steht für ein miteinander verflochtenes Netzwerk von Konzepten, die
den Geist einer Organisation und ihre speziellen Fähigkeiten beschreiben."
42
Organisationskultur besteht somit aus einem KULTURKERN und dem UMGEBENDEN
NETZWERK.
43
Der Kulturkern vereint grundlegende Wert- und Glaubensvorstellungen und
damit Normen und Standards, Regeln und Richtlinien, die verschiedenen Prioritäten folgen
und damit Ausdruck der Grundsätze und Prinzipien der Philosophie einer Organisation sind
und sich durch das ganze Unternehmen hindurch bemerkbar machen.
44
42
Sackmann 1983, S. 395
43
Vgl. Sackmann 1983, S. 396ff.
44
Zur Übersichtlichkeit und Verständlichkeit werden diese sekundären Begriffe kurz in der Fußnote
erläutert:
I. ARTEFAKTE
stellen sichtbare Strukturen und Prozesse im Unternehmen dar,
die leicht zu beobachten, aber schwer entschlüsselbar sind
II. BEKUNDETE WERTE
sind Strategien, Ziele, Philosophien, bekundete Rechtferti-
gungen, Handlungsmaximen, Verhaltensrichtlinien, Verbote
III. GRUNDPRÄMISSEN
sind unbewusste, selbstverständliche Anschauungen, Wahr-
nehmungen, Gedanken und Gefühle, die den Ausgangspunkt
für Werte und Handlungen bilden

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
15
Abb. 3: Der Kulturkern und das umgebende Netzwerk
Quelle: Sackmann 1983, S.397
Um diese grundlegenden Wert- und Glaubensvorstellungen im Kulturkern, die im Modell von
Schein der dritten Ebene entsprechen, fassen zu können, wird dieser in vier Wissens-
komponenten unterteilt
45
:
Grundannahmen - prägen das persönliche Verhalten, so dass jeder einzelne von ihrer Richtigkeit
überzeugt ist.
Werte ­ bestimmen, was wichtig und erstrebenswert ist. Sie sind relativ dauerhafte Überzeugungen,
die bestimmen, dass gewisse Verhaltensweisen entgegengesetzten Verhaltensweisen vorzuziehen
sind. (Keller 1990, S. 78)
Normen und Regeln ­ prägen im wesentlichen als ungeschriebene Gebote das Verhalten jedes
einzelnen Organisationsmitglieds und sind somit Verhaltensvorschriften in spezifischen Situationen.
Richtlinien ­ drücken die Kultur aus und prägen sie gleichzeitig.
45
Vgl. Sackmann 2002, S. 120

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
16
Abb. 4: Modell des Kulturellen Wissens nach Sackmann
Quelle: Sackmann 2002, S. 120
Der Kulturkern ,,wird aufrechterhalten, weiter ausgebildet, weitergegeben und angereichert
durch ein wachsendes Netzwerk von ideellem und materiellem Kulturgut"
46
. Dieses Netzwerk
besteht aus verschiedenen Kulturgütern wie Geschichten, Mythen, Legenden, Ritualen und
Zeremonien, Artefakten, Symbolen, kollektivem, verbalem und nonverbalem Verhalten.
47
Dies entspricht im Schein'schen Modell den ersten beiden Ebenen.
Die gesamte Organisationskultur stellt damit ein um den Kern herum, ineinander
verflochtenes Kulturnetzwerk dar, das so die gesammelten Erfahrungen des Unternehmens
darstellt. Die Kultur einer Organisation unterscheidet diese so von anderen.
48
Diese
abschließende Definition bildet den Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen in dieser
Arbeit.
Neben der Unternehmenskultur als Ganzes kommen den einzelnen möglichen
SUBKULTUREN ebenfalls Bedeutung zu. ,,Wenn eine Gruppe von Mitarbeitern für einen
längeren Zeitraum miteinander kommuniziert und agiert"
49
, in gemeinsamen Arbeits-
bereichen, Abteilungen oder auch Arbeitsteams, können sich innerhalb einer Organisation
verschiedene Subkulturen herausbilden Je mehr Subkulturen existieren, desto heterogener
und schwächer wird die Gesamtkultur, wobei ,,schwächer" in diesem Zusammenhang nicht
etwas Negatives implizieren soll. Je komplexer und größer das Gesamtunternehmen ist,
desto einfacher und zahlreicher können sich diese Subkulturen entwickeln.
46
Sackmann 1983, S. 396; Artefakte sind im weitesten Sinne ,,alle menschlichen Handlungen und
deren Produkte", beispielsweise die Architektur eines Gebäudes, die Innenausstattung der
Arbeitsräume, die Darstellung der herzustellenden Produkte oder auch schriftlich fixierte
Unternehmensrichtlinien. Unter verbalem Verhalten werden Sprache, Jargon, Geschichten, Legenden
und Mythen zusammengefasst. Wohingegen zum nonverbalen Verhalten der Ausdruck der
Körpersprache zählt, als auch generelle Ausdrucksformen wie Rituale und Zeremonien.
47
Vgl. ebenda
48
Vgl. Sackmann 1983, S. 395
49
Vgl. Hesse/Klisch 1991, S. 43
Lexikalisches Wissen beinhaltet die für eine Gruppe typischen Beschreibungen im Sinne von Labels,
Benennungen mit ihren ganz spezifischen Ausspracheregeln
Handlungswissen beinhaltet gemeinsame Überzeugungen, wie Arbeit erledigt werden soll, welche
Verfahrenstandards gelten hinsichtlich Qualität, Innovationen, Bildung und dem Umgang mit anderen
Mitarbeitern
Rezeptwissen bezieht sich auf normative Vorstellung ­ was zum Beispiel geändert oder verbessert werden
sollte
Axiomatisches Wissen beinhaltet die grundlegenden Annahmen über die richtige ,,Organisationsstruktur",
welche Ziele und Strategien zum Fortbestand der Unternehmung beitragen, wem gegenüber Verantwortung
getragen wird und welche Art von Menschen zur Gruppe beziehungsweise Organisation passen

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
17
Für die weitere Arbeit von Bedeutung ist außerdem die synonyme Behandlung der Begriffe
Unternehmens- und Organisationskultur ebenso wie Unternehmen und Organisation.
Ausgangspunkt ist die Zuordnung zum institutionellen Organisationsbegriff
50
, der die
Organisation als Unternehmen oder auch Behörde betrachtet. Würde man den instrumen-
tellen Organisationsbegriff wählen, so wird Organisation als Handlung betrachtet und damit
als Teilbereich im übergeordneten System der Unternehmung.
51
Konsequenterweise kann
dann Organisationskultur nicht mehr mit Unternehmenskultur gleichgestellt werden.
Abgrenzung zu anderen Sachgebieten
So vielfältig sich die bisher aufgeführten Definitionsversuche gestalten, so vielfältig sind auch
die existierenden, strukturverwandten Sachgebiete der Unternehmenskultur. In dieser Arbeit
soll eine Abgrenzung zu den Sachgebieten erfolgen, die gerade von Praktikern in ihrer
Verwendung oftmals mit der Unternehmenskultur stark vermischt oder gar synonym
behandelt werden: die Corporate Identity, das Betriebsklima sowie die Unternehmensethik-
und -philosophie.
Die wohl schwierigste Abgrenzung muss zur CORPORATE IDENTITY geschehen. Sie wird
in der Literatur als ,,Unternehmensidentität" dargestellt, deren Ziel es ist, eine ,,eigenständige,
unverwechselbare Erscheinung eines Unternehmens"
52
zu schaffen. Nach Kobi und Wüthrich
steht bei ihr die ,,ganzheitliche Präsentation des Unternehmens nach außen im Vorder-
grund."
53
Die Unternehmenskultur hingegen konzentriert sich auf die inneren Zusammen-
hänge und Muster der Unternehmung. Dennoch existiert eine interdependente Beziehung
zwischen beiden, indem dieses Erscheinungsbild der Corporate Identity nach außen
maßgeblich auch eine Ausdrucksform der Unternehmenskultur ist.
54
Somit weisen Unter-
nehmen ein jeweils spezifisches Image auf, das zu Erfolg oder Misserfolg beiträgt.
55
Das BETRIEBSKLIMA ist Ausdruck subjektiven Empfindens auf der Seite der Mitarbeiter. Es
wird von Faktoren wie der Arbeitszufriedenheit, dem Arbeitsumfeld, dem Beziehungsgefüge
untereinander und zu Vorgesetzten beeinflusst und widerspiegelt so das Maß der Erfüllung
individueller Zielvorstellungen.
56
Das Betriebsklima ist ein Teil der Unternehmenskultur. Wohl
der wichtigste Unterschied ist der kurzfristige Zustand und die rasche Veränderlichkeit,
50
Vgl. Woll 1996, S. 530ff.
51
Vgl. Keller 1990, S. 54ff.
52
Kobi/Wüthrich 1986, S. 35
53
Ebenda
54
Vgl. ebenda, S. 36
55
Wollnik, 1991, S. 68
56
Vgl. Hausladen 2001, S. 46

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
18
demgegenüber die Kultur eher, objektiv, langfristig und schwer veränderbar zu betrachten
ist.
57
Die UNTERNEHMENSETHIK wird genau wie die Kultur von Normen und Werten getragen,
die das bisherige unternehmerische, nach Gewinnmaximierung und Wachstum strebende
Denken durch moralische Grundhaltungen versuchen zu erweitern.
58
Nach diesen ethischen
Prinzipien sollte jedes Organisationsmitglied innerhalb der Unternehmung, aber gerade auch
in seinen Umweltbeziehungen so agieren, dass negative Sanktionen und schlechte
Reputationen vermieden werden können. Diese ethischen Prinzipien werden oftmals in Form
von Richtlinien oder Unternehmensleitsätzen schriftlich fixiert.
59
Die UNTERNEHMENSPHILOSOPHIE leitet sich aus Grundsätzen, Leitbildern, Wertvor-
stellungen, Strategieprofilen und allgemeinen Handlungsmaximen ab. Sie bildet somit alle
grundsätzlichen gesellschaftlichen, ökonomischen und ethischen Wert- und Zielvorstellungen
des Unternehmens ab
60
, weshalb sie somit als ,,integrativer Bestandteil der Unternehmens-
kultur"
61
erlebt wird.
Funktionen der Unternehmenskultur
Nun stellt sich die Frage, aus welchen Gründen die Unternehmenskultur ihre zu dieser Zeit
hohe Bedeutung erfährt? Welche Funktionen müssen bei einem beginnenden Kulturellen
Wandel berücksichtigt werden? Organisationen sind geprägt von bestimmten Strukturen,
Belohnungs- und Anreizsystemen, Kontroll- und Informationssystemen, Technologien und
Fähigkeiten, getragen durch die Gesamtheit ihrer Mitglieder. Diese Systeme ergründen sich
in der lang entwickelten Unternehmenskultur und sie wiederum definiert damit die Mittel zur
Erreichung der Unternehmensziele.
62
Die Kultur bezieht sich somit auf ein organisiertes
Sozialsystem
63
, das bestimmte Funktionen zu erfüllen hat. Die folgenden Ausführungen
widerspiegeln die Erkenntnisse von Keller.
64
Unternehmenskultur erfüllt eine Sinnvermittlungs- und Identifikationsfunktion und dient damit
der Motivation und Produktivität. Der Mitarbeiter kann sich im besten Falle mit dem
Unternehmen identifizieren und steigert damit seine Arbeitsleistung und die Gesamtleistung
des Betriebes.
65
In diesen Kontext wird auch die Ordnungsfunktion gezählt. Die Kultur ist bei
57
Vgl. Kobi/Wüthrich 1986, S. 35
58
Vgl. Hesse/Klisch 1991, S. 42ff.
59
Vgl. ebenda
60
Vgl. ebenda
61
Hausladen 2001, S. 44
62
Vgl. Schein 1991, S. 29
63
Vgl. Wollnik 1991, S. 65ff.
64
Keller 1990, S. 215ff.
65
Vgl. Sackmann 2002, S. 39ff.

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
19
jedem Organisationsmitglied fest verankert und wirkt als ,,entscheidende Verhaltens-
determinante"
66
.
Unternehmenskultur reduziert Komplexität und filtert die Wahrnehmung, indem sie von
vornherein Informationen nach ihrer Bedeutung für die Aufnahme selektiert. Nach Sackmann
,,werden diese quasi automatisch mit Hilfe der ,,Kulturbrille" in ,,wichtig" und
,,unwichtig/verwerfbar" kategorisiert."
67
Damit wird gewährleistet, dass die Organisations-
mitglieder in den jeweiligen Situationen schnell, richtig und ,,kulturangemessen"
68
reagieren
können. Diese immer wiederkehrenden Problemlösungs-Muster verleihen der Organisation
Stabilität und Kontinuität. Die Unternehmenskultur bewahrt Verfahrensweisen, Praktiken und
Überzeugungen, sie lebt aus einer gemeinsamen Sprache, aus Begrifflichkeiten und
Ritualen, um sie stets an neue Organisationsmitglieder über Generationen hinweg
weitergeben zu können. Hier wiederum liegt jedoch die Gefahr der nicht mehr zeitgemäßen
Kulturform. Wann wird eine Veränderung des Umfeldes bemerkt?
69
Wie flexibel kann die
Organisation und ihr Wertesystem darauf reagieren?
Werden diese ganzen Teilfunktionen zusammengefasst, so spiegeln sie letztendlich die
eigentliche Funktion der Kultur wieder, nämlich die ORIENTIERUNGSFUNKTION. Durch die
Sinngebung, die Reduktion von Komplexität, der Verleihung von Stabilität und Kontinuität
gewährt sie den Organisationsmitgliedern Orientierung. Sie bildet eine ,,kognitive
Landkarte"
70
ab, die Muster für Selektion, für Handlungsweisen und für die Interpretation
neuer Informationen vorgibt. Sie entwirft ganze Handlungsprogramme und impliziert somit,
was ein guter Mitarbeiter tun und unterlassen sollte, was richtig oder falsch ist, wie man
miteinander und wie man mit Kunden und Lieferanten umgeht.
71
Diese Merkmale
gewährleisten letztlich das Funktionieren der Unternehmung.
66
Keller 1990, S. 215
67
Sackmann 2002, S. 40
68
Keller 1990, S. 215
69
Vgl. ebenda
70
Sackmann 2002. S. 41
71
Vgl. Schreyögg 1999, S. 439

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
20
2.2. Die Dichotomie des Kulturverständnisses
Wie eingangs im Kapitel 2.1. zur Definitionsfindung schon beschrieben, ist sich die Literatur
uneins über die Betrachtungsweise der Unternehmenskultur. Diese Arbeit beschäftigt sich
mit dem Kulturellen Wandel, so dass diese Themenwahl bereits eine Veränderbarkeit
impliziert. Jedoch ist es sinnvoll beide konträre Standpunkte über die Blickrichtung Kultur und
damit über eine mögliche Kulturgestaltung darzustellen, um schon zu Beginn den verständ-
lichen Rahmen für die Schwierigkeiten und vielleicht sogar das teilweise Scheitern von
Unternehmenskulturgestaltungen abzuzeichnen. In Anbetracht der zahlreichen theoretischen
und praktischen Auseinandersetzungen mit dem Konstrukt ,,Unternehmenskultur" stellt sich
außerdem die Frage, ob ein Terminus wie KULTURMANAGEMENT in Verbindung mit der
Gestaltung von Unternehmenskultur überhaupt zulässig ist? Kann Kultur im Sinne eines
Managementansatzes überhaupt ,,gemanaged" werden? Würde eine Bejahung dieser Frage
nicht die Manipulierbarkeit von Kultur bedeuten?
Kultur als Variable
Die Anhänger der INSTRUMENTALISTISCHEN SICHTWEISE werden vereinfacht oftmals
als Kulturingenieure
72
bezeichnet und proklamieren, dass ein Unternehmen eine Kultur
besitzt und diese ähnlich wie andere Führungsinstrumente systematisch aufgebaut und
verändert werden kann.
73
Kultur wird danach als bestehendes Ergebnis menschlicher
Interaktionen und damit als Produkt des Unternehmens betrachtet.
74
Nach dieser Auffassung
wird mit der Organisationskultur eine weitere Variable, neben Größe, Ausprägung und
Spezialisierung der Organisation, eingeführt.
75
Uneinig sind sich diese Anhänger, welches
Ausmaß die Beeinflussung annehmen kann. Es wird von ,,behutsamen Kurskorrektoren"
76
gesprochen ebenso wie vom revolutionären Wandel. Wobei die Meinung einer revolutio-
nären, allumfassenden Gestaltung in dieser Vertretergruppe größere Verbreitung findet.
Diese Herangehensweise wirkt jedoch oft oberflächlich und folgt sehr mechanistischen
Vorstellungen von der Gestaltbarkeit der Kultur. Neuberger und Kompa weisen sogar auf die
Gefahr hin, dass mit der Gestaltung von Unternehmenskultur unkontrolliert Einfluss auf
verschiedenste Persönlichkeitsschichten genommen werden kann.
77
72
Vgl. Schreyögg 1999, S. 467
73
Vgl. ebenda
74
Vgl. Marré, 1997, S. 11
75
Vgl. Ebers 1985, S. 30ff.; typische Vertreter dieser Auffassung sind beispielsweise Peters und
Waterman.
76
Schreyögg 1991, S. 202
77
Vgl. Neuberger/ Kompa 1987, S. 201ff.

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
21
Kultur als Metapher
Die Verfechter des DYNAMISCHEN ANSATZES werden hingegen als ,,Kulturalisten"
bezeichnet.
78
Laut Schreyögg ,,betrachten sie die Unternehmenskultur als eine organisch
gewachsene Lebenswelt, (...) die sich jedem gezielten Herstellungsprozess entzieht"
79
, ,,in
die einzugreifen unter ethischen Gesichtspunkten nicht vertretbar ist, (und die so ein ­
Verfasser) Stück unberührte Lebenswelt"
80
darstellt. Die Organisationskultur wird damit als
,,root metaphor"
81
gebraucht, als die einzige Variable, die den Schlüssel zum Verständnis
von Organisationen darstellt. Kultur ist somit eine Metapher für das Konstrukt ,,Unternehmen"
selbst. Dieser starre Blick auf die Kultur als gegebenes System legitimiert aus dieser
Sichtweise heraus jedoch jegliche möglichen Kulturformen. Problematisch wird diese
Sichtweise dann, wenn gerade ,,bestimmte Wert- und Orientierungsmuster negative
Konsequenzen nach sich ziehen können, die dem Unternehmen, den Mitarbeitern
oder
anderen Interaktionspartnern schaden und schon deshalb einer kritischen Beobachtung und
Begleitung bedürfen."
82
Die Organisation rückt durch diese Betrachtungsweise in ein
vollkommen anderes Licht. Hierbei sind nicht der Umsatz, die Produktivität oder die
Beschäftigtenzahl ausschlaggebend, sondern ,,die Symbole, Mythen und Werte (...), in deren
Licht die Charakteristika der Organisation interpretiert und hervorgebracht werden"
83
. Diese
zweite Sichtweise war ausschlaggebend für die Entwicklung einer neuen ,,Organisations-
kulturforschung"
84
, wie sie Ebers vorschlug.
Kulturbewusstes Management
Hauptsächlich aus diesem letzten Kritikpunkt heraus bildete sich eine so genannte dritte
Position hervor, die Schreyögg mit dem Stichwort KURSKORREKTUR umreißt.
85
Kultur wird
somit als Ergebnis und Prozess menschlicher Interaktionen angesehen.
86
Die Vertreter
dieser Position vermischen beide Standpunkte. Sie respektieren die Notwendigkeit der
Einflussnahme auf Kulturen in einem stets evolutionären Prozess, jedoch unter der
Einschränkung, dass keine ständigen, all umfassenden Veränderungen im Sinne eines
Kulturmanagements geschehen können.
Der geplante Wandel von Unternehmenskulturen ist ein ,,äußerst schwieriges, langfristiges
Unterfangen"
87
. Aufgrund ihrer Entstehung und Komplexität sind Kulturen träge Erschei-
78
Vgl. Schreyögg 1991, S. 202
79
Schreyögg 1999, S. 468
80
Schreyögg 1991, S. 202
81
Ebers 1985, S 30
82
Schreyögg 1991, S. 204
83
Ebers 1985, S. 33
84
Ebenda
85
Vgl. Schreyögg 1999, S. 468
86
Vgl. Marré 1997, S. 17
87
Schreyögg, 1992, S. 208

Begriffs- und Bedeutungsvielfalt der Unternehmenskultur
22
nungen."
88
Die Erklärung hierfür bietet der schon aufgezeigte schematische Aufbau des
Phänomens Kultur. So ist es natürlich, dass fest verankerte Orientierungsmuster nicht
beliebig gelöst und durch neue ersetzt werden können, was bei sichtbaren Symbolen und
gelebten Ritualen noch relativ schnell geschehen kann. Die bereits aufgezeigten, der Kultur
inhärenten Funktionen, erläutern ebenfalls in eindringlicher Weise, warum Kultur nicht
beliebig änderbar ist. Sie machen verständlich, weshalb die Veränderung oder der Verlust
der bisherigen Kultur für den Großteil der Organisationsmitglieder eine sehr große
Bedrohung darstellt. Ist Kultur im Rahmen verschiedener Managementansätze beliebig
veränderbar, woran sollen sich diese Organisationsmitglieder dann orientieren? Erfüllt Kultur
dann noch ihren vielgeschätzten Zweck?
Erklärungen zum Begriff Management sind in der Literatur zahlreichen zu finden. Abstrakt
formuliert werden im Sinne eines funktionalen Managementbegriffs soziale Systeme
gestaltet, gelenkt und entwickelt.
89
Durch die Fokussierung auf diese sozialen Systeme
halten es viele Kulturwissenschaftler in der instrumentalistischen Theorie für möglich, Kultur
im Sinne eines Kulturmanagements ebenfalls in dieses Wirkungsfeld mit einfließen zu
lassen. Betrachtet man die Managementfunktionen im Detail, die herausgestellte
Handlungsbereiche wie das Planen, Entscheiden, Organisieren, Führen, Kontrollieren und
Beurteilen in mechanistischen Wirkungsbereichen wie Strategie, Struktur und System
umfassen
90
, erkennt der Leser, dass sich Kultur nicht in dieses herkömmliche
Managementverständnis einreihen lassen darf. In einer evolutionären Betrachtungsweise
existieren für die Gestaltung von Kultur andere Instrumentarien, weshalb in dieser Arbeit kein
Kulturmanagement sondern vielmehr ein KULTURBEWUSSTES MANAGEMENT zur
,,Kurskorrektur" des bisherigen kulturellen Profils angestrebt wird. Innerhalb dieses
Managementverständnisses ist es nicht möglich eine vollständig neue Kultur zu konstruieren.
Eine bewusste Pflege und Gestaltung der Kultur in einem dynamischen Umfeld wie dem 21.
Jahrhundert ist dringend notwendig. Durch diesen Gestaltungsansatz setzt sich Kultur keiner
Manipulierbarkeit aus, sondern erfüllt den Anspruch sich in einem veränderten Umfeld neuen
Anforderungen anzupassen.
88
Kobi/Wüthrich 1986, S. 162
89
Vgl. Staehle 1994, S. 69
90
Vgl. Woll 1996, S.456ff.

Kulturanalyse
23
3. Die Kulturanalyse
Nach den vorangegangen allgemeinen Ausführungen gilt für diese Arbeit somit, dass
Unternehmenskultur durch ein kulturbewusstes Management in ihren jeweiligen Grenzen
prinzipiell gestaltbar ist. Der erste Schritt um Kultur gestalten zu können liegt deshalb in der
Beschreibung und Bewusstmachung der vorhandenen Kultur. Dies ist Aufgabe einer
Kulturanalyse, auch Kulturaudit oder Kulturdiagnose genannt
91
. Erst nach Kenntniserlangung
der Kulturspezifika und ihrer Stärken und Schwächen kann diese schließlich gezielt
verändert werden.
3.1. Charakteristik und Typologisierung der Unternehmenskultur
Allgemeine Charakteristik
Einen ersten Überblick über die Spezifik der Kultur, gerade in Anbetracht einer Analyse, gibt
die allgemeine Charakteristik dieses Konstrukts. In der Literatur haben sich acht dominante
Merkmale herauskristallisiert, unter denen dieses Paradigma zu betrachten ist. Die folgenden
Ausführungen widerspiegeln die Überlegungen Kaspers.
92
Organisationskultur ist sozial. Sie widerspiegelt nicht Merkmale eines Einzelnen, sondern
von einer Gruppe von Individuen. Organisationskultur ist verhaltenssteuernd, sie bestimmt
spezifische Handlungsweisen und wirkt so auf die Gestaltung zwischenmenschlicher
Beziehungen. Ähnlich der oben bereits beschriebenen Orientierungsfunktion impliziert sie
damit ganz unbewusst Verhaltensmuster. Organisationskultur ist menschengeschaffen, denn
sie ,,ist das Produkt kollektiven, gesellschaftlichen und individuellen Handelns"
93
, das sich
über eine lange Zeitdauer herausgebildet hat. Organisationskultur ist allgemein akzeptiert,
was sie erreicht durch ihre spezifisch angepasste Form und der Dauer der Mitgliedschaft der
Organisationsmitglieder.
Organisationskultur ist für die einzelnen Mitglieder erfahr- und erlernbar. Diese Aneignung ist
abhängig von der ,,Zugänglichkeit der Kultur"
94
, die bestimmt ist durch greifbare Symbole,
Riten und Rituale, Vorbilder, Helden und auch durch die Bereitschaft des Mitarbeiters neue
Kultur zu erfahren und zu leben. Diese Aneignung wird als Anpassung neuer Mitarbeiter an
die jeweilige Kultur beschrieben und in der Wissenschaft auch Sozialisation beziehungs-
weise berufliche Sozialisation tituliert.
95
Merkens definiert sie ,,als Prozeß einer (...)
Übernahme gesellschaftlich vorgegebener Rollen und der damit verbundenen Werte,
91
Vgl. Sackmann 2002, S. 118 ff.
92
Vgl. Kasper 1987, S. 19ff.
93
Kasper 1987, S. 19
94
Ebenda, S. 21
95
Vgl. Robbins 2001, S. 607, vgl. auch Merkens 1995, S. 186

Kulturanalyse
24
Normen und Deutungsmuster durch das Individuum."
96
Dieser Prozess geschieht nicht direkt,
sondern durch die Laufbahn der Organisationsmitglieder im Unternehmen. Organisations-
kultur ist anpassungsfähig. Nur mit ,,gültigen" Werten, Normen und Anschauungen kann die
Kultur ihre Orientierungsfunktion erfüllen. Diese Gültigkeit soll sie durch die stets flexible
Anpassung an ihre verändernde Umwelt erfahren. Organisationskultur wird bewusst und
unbewusst wahrgenommen. Organisationskultur ist nicht direkt fassbar. Die Bedeutung und
der Inhalt von Kultur ist nicht offen erkennbar, sondern bedarf viel Interpretation und
Entschlüsselung. Dieser Aspekt ist besonders bedeutsam, um die Aussagekraft von Kultur-
analyseinstrumenten einschätzen zu können. Die Zerlegung der Charakteristik in typische
Merkmale bildet die Grundlage für das Verständnis von Kulturen.
Typologisierung nach Deal und Kennedy
Im Zuge der Aktualität dieses Themas haben sich viele Wissenschaftler und Praktiker in
TYPOLOGISIERUNGEN versucht, der Einordnung von Kulturen in bestimmte Merkmals-
kategorien. Die Bedeutsamsten für die Kulturdiskussion lieferten Ansoff, Handy, Kets de
Fries und Miller sowie Deal und Kennedy.
97
Von ihnen stammt die meist angewandte
Typologisierung. Anhand der Kriterien ,,Risikograd" und ,,Feedback" haben Deal und
Kennedy vier typische Unternehmenskulturen entworfen.
Abb. 5: Typische Unternehmenskulturen nach Deal und Kennedy
Quelle: Keller 1990, S. 94
96
Merkens 1995, S. 186
97
Ansoff beispielsweise unterscheidet zwischen stabilen, reaktiven, antizipativen, explorativen und
kreativen Kulturtypen; Handy zwischen der Machtkultur, der Rollenkultur, der Aufgabenkultur und der
Personenkultur. Kets de Vries und Miller entwickelten nach den Kriterien ,,Charakteristika",
,,Unbewusstes Leitmotiv" und ,,Gefahren" ebenfalls fünf Typen: die Paranoide Kultur, die Zwanghafte,
die Dramatische, die Depressive und die Schizoide Kultur.
Risiko bei
Entscheidungen
niedriges hohes
schnelles
langsames
Feedback
Tough guy
macho
Bet your
Company
Work hard
play hard
process

Kulturanalyse
25
Der Inhalt der folgenden vier Kategorien widerspiegelt die Aussagen Deal und Kennedys
98
:
Der Macho­Kultur­der­harten­Männer [tough guy macho] gehören meist junge,
hochmotivierte und ,,schnelllebige" Mitglieder an, ihr Heldentum erfordert Selbstsicherheit,
Härte, internen Wettbewerb, Aggressivität und Kämpfernaturen, die mit ,,Alles- oder- Nichts ­
Risiken"
99
leben können. Der Einzelne zählt. Die Bedeutung liegt auf Ruhm, der ebenso
schnell verblassen kann wie er gekommen ist, auf dem Formulieren von Strategien und auf
Ritualen, die ,,Sicherheitstreben (...) als Sünde erscheinen lassen"
100
, Feedback auf unter-
nehmerisches Handeln gibt es sofort. Diese Macho-Kultur ist erstaunlicherweise die einzige
Kultur in der Frauen weniger diskriminiert werden.
Die Harte­Arbeit­viel­Spaß­Kultur [work hard play hard] repräsentiert die ,,lebhafte Welt
der Verkaufsorganisationen"
101
, die mit wesentlich geringeren Risiken arbeitet und dennoch
unmittelbares Feedback auf den Verkauf ihrer Massenprodukte erhält. Die Helden sind
Superverkäufer, die als Star der Woche oder des Monats die heiß ersehnte Anerkennung
bekommen. Im Mittelpunkt stehen Kalkulationen, kurzfristige Problemlösungen, mitunter oft
Quantität statt Qualität und eine hohe Fluktuation der vorwiegend jungen Mitglieder.
Die Risiko-Kultur [bet your company] lebt mit hohen Risiken und extrem langsamen
Feedback, aber dennoch unter sehr hohem Erfolgsdruck für Millionen- und Milliarden-
projekte. Vor allem Investitionsgüterhersteller, Ölfirmen und Architekturbüros zählen zu den
Firmen, für die Manager oft genug die Zukunft des ganzen Unternehmens auf Spiel setzen.
Das Heldentum wird hier repräsentiert durch Charakter, Selbstvertrauen, Autorität, Akribie,
technische Kompetenz und vor allem jahrelange Erfahrung. Das Arbeitsteam steht im Mittel-
punkt. Das bedeutendeste Ritual dieser Kultur sind Arbeitsmeetings und Konferenzen, die
letztlich zu hochwertigen Erfindungen und wissenschaftlichen Pionierleistungen führen.
Die Verfahrens-Kultur [process] agiert mit geringen Risiken und langsamen Feedback, wie
beispielsweise Banken, Versicherungen und Versorgungsbetriebe. Im Mittelpunkt stehen
Vorsicht, Absicherung, Perfektion, Protokollierung und die große Bedeutung kleiner
Ereignisse. Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, die Fähigkeit zur Dokumentation jeglicher Art und
das Handeln nach Vorschrift werden schnell zu heldenhaften Charaktereigenschaften. Diese
98
Deal/Kennedy 1987, S. 151ff.
99
Ebenda, S. 154
100
Ebenda, S. 155
101
Ebenda, S. 156

Kulturanalyse
26
Kulturen bringen die wohl gehütete Sicherheit für Tätigkeiten, ,,deren Ergebnisse (in der
Wirtschaft einfach ­ Verfasser) vorhersehbar sein müssen"
102
.
Die Typologisierung erfüllt vor allem ihren Zweck, wenn mehrere Unternehmenskulturen
miteinander verglichen werden sollen. Um eine spezifische Unternehmenskultur zu
verstehen, helfen diese Typologien nur sehr eingeschränkt. Dennoch sollte ein kurzer Abriss
über diese meist gebrauchte Kategorisierung Aufschluss über mögliche Eigenschaften bei
der Analyse einer Kultur geben. Diese vier Kulturtypen besitzen keine Gültigkeit für jeweils
ein einzelnes Unternehmen, vielmehr treten sie innerhalb eines Unternehmens in
verschiedenen Abteilungen oder Bereichen gleichzeitig auf und können sich auch bis zu
einem gewissen Grad vermischen.
3.2. Spezifiken bei der Kulturanalyse
Vorüberlegungen
Die Kulturanalyse versucht in einem ,,Prozess des langsamen Hineinwachsen(s)"
103
stufenweise über die wahrnehmbaren, kulturspezifischen Artefakte, Symbole, Rituale,
verbalen und nonverbalen Verhaltensweisen zu den Normen- und Wertvorstellungen einer
Organisation vorzudringen, um letztlich die grundlegenden kulturellen Annahmen dieser
fassen zu können. Somit orientiert sich eine professionelle Kulturanalyse stets an der
Definition dieses Konstrukts, je präziser diese dargestellt wird, desto ,,messbarer" ist die
Kultur.
104
Trotz dieser Präzisierung lässt sich Kultur nicht kausal fassen, sondern bedarf bei
einer Analyse als letzten bedeutenden Schritt stets ausgeprägter Interpretation der
erhaltenen Daten. Um dafür Material zu erhalten, bedient man sich verschiedenster
Methoden und Instrumente der empirischen Sozialforschung.
Bei einer richtigen Herangehensweise muss die Unternehmenskultur vor dem Hintergrund
der jeweiligen Nationalkultur betrachtet werden, um bereits spezifische Erklärungsweisen in
Erfahrung zu bringen. Sie beeinflusst die Ausprägung der einzelnen Unternehmenskultur-
elemente am entschiedensten.
105
Die Kulturanalyse soll den Zweck haben die Unternehmenskultur durch die einzelnen
Organisationsmitglieder bewusst wahrzunehmen und kennen zu lernen. Diese ,,kulturelle
Sensibilisierung"
106
allein bewirkt schon indirekt eine Veränderung im Umgang mit diesem
Phänomen. Durch den bereits erwähnten Sozialisationsprozess ist die Kultur unbewusst
102
Deal/Kennedy 1987, S. 163
103
Krause 1998, S.85
104
Vgl. Drumm 1991, S. 164
105
Ausgehend von diesen Überlegungen ist es sinnvoll von der Nationalkulturanalyse auf eine
Umfeldanalyse zu schließen, die eine Umweltanalyse, eine Branchen-, Markt- und
Konkurrenzuntersuchung enthalten kann, denn der Einfluss des unmittelbaren Umfeldes auf das
Unternehmen und seine Kultur ist ebenfalls entscheidend.
106
Krause 1998, S. 90

Kulturanalyse
27
Bestandteil alltäglicher Routinen und Vorgehensweisen geworden. Auf diese Art wird sie den
Mitarbeitern sichtbar gemacht, impliziert damit ein aktives Auseinandersetzen und ruft so
einen evolutionären Lernprozess hervor, der alle Hierarchieebenen durchdringen kann und
damit einen Entwicklungsprozess im gesamten Unternehmen lostritt.
107
Vorgehensweisen zur Kulturanalyse und ihre Aussagekraft
Prinzipiell muss sich die Kulturanalyse mit mehr Kritik als Nutzen auseinandersetzen, denn
ihr sind Grenzen gesetzt. Beim Aufdecken der typischen Kulturstruktur besteht die
Schwierigkeit darin, ein nicht klar zu fassendes Konstrukt abzubilden. Dies zeichnet sich vor
allem in der Untersuchung der drei Kulturebenen ab. ,,Werte und Grundannahmen sind
selbst theoretische Konstrukte"
108
, die ebenfalls durch Definitionen und theoretische
Zusammenhänge erklärungsbedürftig sind und somit nicht einheitlich in einer Organisation
herausgefiltert werden können.
Des weiteren werden diese Werte im Fortgang der Untersuchung offiziell bekundet, gleich
recht wenn Untersuchungsmethoden angewandt werden, bei denen Gruppen untersucht
werden, vor allem Gruppen, die mehrere Hierarchieebenen abbilden. Diese offiziellen Werte
müssen jedoch nicht unbedingt mit den tatsächlich gelebten Wertvorstellungen über-
einstimmen. Zudem ist das Herausfiltern dieser Werte und Grundannahmen auch stets von
der Qualifikation des Mitarbeiters, der als Informant gilt, abhängig. Wie weit kann er diese
Merkmale beschreiben? Ist er sich ihrer überhaupt bewusst? Erschwerend gestaltet sich die
Analyse, wenn zu dem noch zahlreiche Subkulturen existieren, die nicht eindeutig identifi-
zierbar sind.
In der sozialwissenschaftlichen Literatur lassen sich zwei Wege zu einer solchen Analyse
erkennen: die induktive und die deduktive Verfahrensweise, beide Möglichkeiten lassen sich
auch miteinander kombinieren.
109
Die DEDUKTIVE VORGEHENSWEISE geht von bereits existierenden Konzepten, Modellen,
Theorien und daraus entwickelten Datenerhebungsinstrumenten aus. Mit Hilfe von
Kulturtypologien und -profilen wird beispielsweise ein standardisierter Fragebogen
entworfen, der auf den typischen Merkmalen dieser jeweiligen Typologien basiert und
herauszufinden versucht, in welche dieser Kategorien die zu untersuchende Unternehmens-
kultur einzuordnen ist.
110
Vorteil dieser Methode ist die relativ einfache Auswertung der
gewonnenen Daten mittels statistischer Verfahren. Diese Herangehensweise widerspiegelt
107
Vgl. Krause 1998, S. 90
108
Drumm 1991, S. 165
109
Vgl. Sackmann 2002, S. 132
110
Vgl. ebenda; Laut Sackmann widerspiegelt der Untersuchende hier ,,die Rolle eines nicht
involvierten ,,Anschauers" der Stück für Stück die a-priori-Annahmen versucht abzuarbeiten, zu
erkennen und einzuordnen".

Kulturanalyse
28
sehr vereinfacht die kulturellen Zusammenhänge, so dass sich der Einstieg für den Unter-
suchenden nicht zu komplex darstellt. Problematisch erscheint jedoch, dass die zu
untersuchende Kultur damit auf bestimmte Merkmale und Dimensionen reduziert wird und
der Untersuchung ein ,,Überstülpen" vorgegebener Denkraster droht.
111
Des weiteren steht
mit diesem deduktiven Verfahren von vornherein fest, dass nur die äußeren Ebenen der
Kultur ergründet werden können. Kulturelle Grundannahmen kommen in diesen Profilen
primär nicht zum Ausdruck, sie müssen aus den Daten beziehungsweise Kategorien
interpretiert werden.
112
Beim INDUKTIVEN VERFAHREN gibt es keine bereits existierenden Muster. Hier wird der
Untersuchende in die Organisation und der ihr zugrunde liegenden Kultur aktiv involviert.
Seine Konzepte, Hypothesen und Theorien entstehen auf Grundlage der Untersuchungs-
ergebnisse. Die daraus erhaltenen Kenntnisse können in keiner Form generalisiert werden.
Von Vorteil wird hier betrachtet, dass die Kultur somit nicht einem bestimmten Typ
untergeordnet wird, sondern mit ihren Artefakten, Werten und grundlegenden Annahmen
individuell herausgebildet werden kann. Außerdem gibt es Möglichkeiten die tiefste Ebene,
die grundlegenden Annahmen, verstärkt zu untersuchen.
113
Bedeutender Kritikpunkt dieser
Methode ist jedoch die sehr starke Einbindung des Untersuchenden in den Kulturkontext der
Organisation, so dass eine objektive Betrachtungsweise nicht immer gewährleistet ist.
Zusätzlich wird die Analyse und Aufbereitung der gewonnenen Daten durch
"Voreingenommenheiten und Unvollkommenheiten des Untersuchenden beeinflusst"
114
, so
zum Beispiel durch die Problematik der selektiven Wahrnehmung. Der Untersuchende bei
beiden Methoden kann jeweils ein interner Kulturbeauftragter oder ein externer Berater sein.
Wobei die größere Bedeutung dem externen Berater zukommt, da er mit seiner Sichtweise
als Außenstehender nicht unter möglicher ,,Betriebsblindheit" leidet. Die größte Kraft zum
Erkennen der Kultur bietet jedoch das gemeinsame Arbeiten von externen und internen
Beauftragten. Diese Herangehensweise erleichtert das Interpretieren maßgeblicher
Eigenschaften. So kann beispielsweise die Deutung des Erscheinungsbildes eines
Firmengebäudes von einem externen Betrachter, ohne Erklärung des Architekten zum
künstlerischen Selbstverständnis, in völlig andere Richtungen zeigen.
115
111
Vgl. Krause 1998, S. 202
112
Vgl. Ebenda
113
Eine Möglichkeit stellt beispielsweise die Annahmenanalyse dar: dieses Verfahren resultiert aus
der problematischen Sicht, dass Menschen Annahmen in unternehmerischen Prozessen akzeptieren,
die sie kaum hinterfragen, deshalb versucht dieses Verfahren, bestehende Annahmen und damit
Werte und Normen einer Organisation herauszufiltern und zu reflektieren. Durch
Gruppendiskussionen werden Erklärungen und Ansichten offengelegt und durch verschiedene
Prozesse hinterfragt, um sie auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen.
114
Vgl. Sackmann 2002, S. 135
115
Vgl. Scholz 1988, S. 86

Kulturanalyse
29
Das folgende Schaubild liefert eine Übersicht zu möglichen Analysemethoden:
Deduktiv
Induktiv
Konzepte werden eingeführt
Konzepte entstehen im Kontext
Forscher als ,,Anschauer"
Forscher als Teilnehmer
Standardisierter strukturierte Dokumenten Gruppen- Annahmen- unstrukturierte teilnehmende
Fragebogen
Interviews analyse
diskussion analyse
Interviews
Beobachtung
Abb. 6: Induktive und Deduktive Datenerhebungsmethoden nach Sackmann
Quelle: Sackmann 2002, S. 135
Eine weitere mögliche Unterteilung hat Hausladen vorgelegt. Sie unterteilt die Analyse-
varianten in die RESPEKTIVE SEKUNDÄRFORSCHUNG (auch: Desk-Research) und die
PRIMÄRFORSCHUNG (auch Field Research).
116
Die respektive Sekundärforschung prüft
bereits vorhandene und der Forschung zur Verfügung stehende Daten und Informationen,
wohingegen die Primärforschung sich in das unternehmenskulturelle Geschehen involviert
und in diesem Kontext erst die notwendigen Untersuchungsdaten produziert.
117
Die hier lediglich theoretisch zu betrachtende Analyse wählt Methoden, die sowohl induktiven
als auch deduktiven Ursprungs und ebenfalls in Primär- und Sekundärdaten einzuteilen sind.
Sie orientiert sich am vorgestellten Ebenenmodell.
Somit werden zunächst die sichtbaren
Strukturen und Artefakte abgebildet, mittels eines Firmenrundganges, einer
Dokumenten-
analyse und einer Sitzungsbeobachtung.
Dies ist die Diagnose an der Oberfläche. Im
zweiten Teil werden dann die bekundeten Werte und die grundlegenden Annahmen mittels
Projektiver Verfahren, verschiedener Befragungs- und Interviewformen sowie Projekt-
gruppen herausgefiltert. Dies ist die Diagnose in der Tiefe.
116
Vgl. Hausladen 2001, S. 90ff.
117
Vgl. ebenda

Kulturanalyse
30
3.3. Analyseinstrumente und ihre Würdigung
3.3.1. Diagnose an der Oberfläche
Firmenrundgang
Ein Firmenrundgang vermittelt einen ersten Eindruck über das zu untersuchende Unter-
nehmen und bedarf zunächst keinerlei umfangreicher Interpretation. Er ist vor allem dann
sehr hilfreich, wenn wenig Vorwissen über das Unternehmen und seine Kultur besteht. Kobi
und Wüthrich haben für diese Sammlung erster Eindrücke eine Checkliste zusammen-
gestellt:
1. Äußeres Erscheinungsbild der Firma
1.1. Gebäude
-
Stil und Form der Gebäude
-
Zustand der beobachtbaren Gebäude und Fassaden
-
Größe und Anordnung: großzügig, kleinflächig verschachtelt und so weiter
-
Geographische Lage: Unternehmen als Stadt in der Stadt, Betrieb auf der ,,grünen" Wiese
1.2. Umgebung
-
Ausgestaltung der Umgebung: Straßenanordnung und ­breite, Orientierungstafeln, Kunstgegenstände
und so weiter
-
Betriebsareal: Sauberkeit, Großzügigkeit, Abgrenzungen gegenüber Außenwelt
-
Parkplatzlogik: wer, wo, neben wem?
Persönlicher Gesamteindruck:
Das äußere Erscheinungsbild der Firma wirkt auf mich:... erinnert mich:.......... erweckt in mir das Gefühl:........
2. Besucherempfang
2.1. Empfangsraum
-
Ausgestaltung: Blumen, Marmor, Wartesaalatmosphäre, Bilder des Firmengründers,
Firmenpublikationen
2.2. Empfangs- und Anmelderitual
-
Eindrücke von der ersten Kontaktperson; Auskunftsbereitschaft und -kompetenz, Umgangsformen,
Uniformierung
-
Anmeldeverfahren: formell/informell, Dauer, von wem abgeholt?
-
Beantwortung eingehender Telefonate: Ton, Takt, Umgangsformen
-
Betreuung der übrigen Besucher: Hilfsbereitschaft und so weiter
Persönlicher Gesamteindruck:
Das äußere Erscheinungsbild der Firma wirkt auf mich:... lässt sich vergleichen mit:........
3. Eindrücke während des Rundgangs
3.1. Begleitperson
-
Schilderungen und Ausführungen während des Rundgangs; erzählte Geschichten, beschriebene
Traditionen, erkannter Firmenstolz, Mimik und Gestik bei der Erörterung spezifischer Aspekte und
Probleme, Firmenjargon, Einstellung gegenüber anderen Abteilungen, Bereichen und Mitarbeitern
-
Verhalten gegenüber Mitarbeiter: Ansprechen mit Namen und Begrüßen des einzelnen, Führen
spontaner Gespräche, Wertschätzung gegenüber Mitarbeiter, Betonung von Champions, symbolisches
Verhalten
-
Ausstrahlung: Belegschaftsverhalten beim Auftreten der Begleitperson, Souveränität des Auftretens
3.2. Ablauf des Rundganges
-
Was wird wie und mit welcher Priorität gezeigt? Werden nur bestimmte Abteilungen vorgestellt? Was
wird als Herz der Firma immer wieder betont? Und so weiter
3.3. Beobachtungsschwerpunkte
-
Bürologik: wo befinden sich die Büros maßgeblicher Leute? Welches Büro befindet sich am nächsten
bei...? Wie sieht die Büroausstattung aus? (Blumen, Ledersessel, Ablauf interne Post, mit Akten
überfüllte Pulte) Das Büro der Sekretärin?
-
Atmosphäre/Stimmung im Betrieb: Auftreten einzelner Mitarbeiter, Berufskleidung, Betriebsklima,
Stresssymptome, Humor, gestalterische Maßnahmen (Fabrikhallen, Lifte, Gänge)
-
Mitarbeiterverhalten: Spricht man miteinander? Lassen sich informelle Gruppen beobachten? Können
ungeschriebene Normen oder dominierende Persönlichkeiten festgestellt werden?

Kulturanalyse
31
-
Mitarbeiterverhalten während der Pausen? Sorgfalt im Umgang mit Material und Produktionsmitteln?
und so weiter
-
Ausgewählte Arbeitsplätze: Ausstattung mit technischen Hilfsmitteln, Freundlichkeit, Farben, Musik und
so weiter
-
Anlagen: Modernität und Automatisierungsgrad betrieblicher Abläufe und Anlagen, Zustand
ausgewählter Anlagen, EDV-Einsatz
-
Anschlagbretter: Welche Art Mitteilungen? Formalisierungsgrad, allgemeine Aufmachung, erkennbares
betriebliches Vorschlagswesen, betriebsinterne Ausschüsse und Gremien und so weiter
-
Weitere kulturrelevante Eindrücke...
Persönlicher Gesamteindruck:
Der erlebte Firmenrundgang wirkt auf mich:... lässt sich vergleichen mit:........
Abb. 7: Checkliste für Firmenrundgang
Quelle: Kobi/Wüthrich 1986, S. 79ff.
In diesen Kontext einzuordnen sind auch so genannte nicht reaktive Messverfahren. Dies
,,sind Erhebungsmethoden, bei denen der Untersuchende keinerlei Einfluss auf die Situation
nehmen kann, in der die Daten entstanden sind."
118
Ein typisches Verfahren, das in den
Firmenrundgang integriert werden kann, ist die Analyse physikalischer Spuren.
119
So kann
zum Beispiel die starke Abnutzung des Bodens in der Anmeldung oder im Sekretariat ein
Indiz für häufigen Besucherwechsel sein. Ebenfalls aufschlussreich kann die Abrufzahl
bestimmter Inter- und vor allem Intranetseiten sein.
Dokumentenanalyse
Die Dokumentenanalyse gibt Einblick in alle schriftlich fixierten Unternehmensdaten.
Wichtigstes Untersuchungsobjekt ist dabei die Unternehmensstrategie. Daneben können
weitere sekundäre Daten untersucht werden: Geschäftspolitische Dokumente, wie
Geschäftsberichte oder Protokolle; Unterlagen zur Organisation, wie Organigramme oder
Stellenbeschreibungen; Dokumente der Mitarbeiterführung, wie Führungsrichtlinien,
Weiterbildungsprogramme oder ausgewählte Personalkennzahlen und Kommunikations-
dokumente, wie Werbematerial, Unternehmenszeitungen, Imagestudien oder aufgezeichnete
Reden.
120
Diese Dokumente zeigen eine erste Richtung für Einstellungsäußerungen im
Unternehmen, für Prioritäten die gesetzt werden, für Arbeitsweisen und für Beurteilungen
bestimmter Sachverhalte. Diese Erkenntnisse bilden im zweiten Schritt Anhaltspunkte für
vertiefende Untersuchungen.
118
Sackmann 2002, S. 131
119
Petermann/Noack 1993. S. 440ff.; weitere Messverfahren in dieser Kategorie sind die nicht-
reaktive Verhaltensbeobachtung und die Inhaltsanalyse von Dokumenten.
120
Kobi/Wüthrich 1986, S. 77

Kulturanalyse
32
Sitzungsbeobachtung
Die im Firmenrundgang gesammelten Eindrücke können in einer Sitzungsbeobachtung, wie
der Teilnahme an einer Geschäftsleitersitzung, detailliert werden. Die Ergebnisse dieser
Beobachtung können in drei Ebenen dargestellt werden.
Die Interaktionsanalyse widerspiegelt die Häufigkeitsverteilung der jeweiligen Gesprächs-
anteile, wer wem widerspricht, in welcher Wort- und Tonwahl oder wer sich in keinerlei
Weise geäußert hat. Die Inhaltsanalyse versucht die Zeitanteile einzelner Teilnehmer zu den
jeweiligen Themenbereichen zu erörtern und zeigt auf, wie mit wichtigen Themen
umgegangen wird. Am aufschlussreichsten ist die Analyse der rituellen und symbolischen
Handlungen, die sonst nicht immer direkt zum Ausdruck kommen, wie beispielsweise die
Sitzordnung, Mimiken und Gesten, das Konflikt- und Kritikverhalten, die allgemeine
Atmosphäre und das Rollenverhalten aller Teilnehmer.
121
An diesem Beobachtungsverfahren gibt es jedoch einige kritische Punkte, die das Ergebnis
letztendlich relativieren können. Es besteht zunächst die Gefahr der ,,verschobenen" Wahr-
nehmung von besonderen oder extremen Ereignissen.
122
In diesem Zusammenhang ist es
oft der Fall zu hart oder zu leicht über den beobachteten Kontext zu urteilen. Ebenso kann es
zu Verzerrungen der wahrgenommenen Fakten aufgrund eines bestimmten Merkmals einer
teilnehmenden Person oder einer Situation kommen. Geschieht dies, ist es natürlich umso
schwieriger zu einer objektiven und nützlichen Ergebnissaussage zu gelangen.
3.3.2. Diagnose in der Tiefe
Projektive Verfahren
,,Projektive Verfahren sind Verfahren der Persönlichkeitsdiagnostik."
123
Typische Verfahrens-
methoden sind das Zeichnen von Collagen, Karten-Lege- oder Satzvervollständigungs-
techniken.
124
Durch sie sollen sich die Persönlichkeitsstrukturen der einzelnen Organisations-
mitglieder und damit der Organisation erschließen lassen.
Diese Persönlichkeitsstrukturen wiederum geben Aufschluss über die einzelnen Normen und
Wertvorstellungen der Personen und über die Normen und Wertvorstellungen, die im
Unternehmen erwünscht sind und gelebt werden, was unterschiedlich ausfallen kann. Diese
Verfahrenstechnik ist in der Sozialwissenschaft theoretisch nicht sehr durchdrungen und
auch nicht durchgehend anerkannt. Vor allem der hauptsächliche Kritikpunkt, nämlich die
Beeinflussung des Mitarbeiters durch den Untersuchenden, hält diesen Standpunkt
aufrecht.
125
Dennoch bietet es eine Möglichkeit einen tieferen Eindruck in die
121
Vgl. Kobi/Wüthrich 1986, S. 77
122
Vgl. Schnell/Hill/Esser 1999, S. 368
123
Axhausen, 1993, S. 461
124
Vgl. auch Sackmann 2002, S. 132
125
Vgl. Axhausen, 1993, S. 461ff.

Kulturanalyse
33
Unternehmenskultur zu erlangen, vor allem wenn sie nach der allgemeinen Material-
sammlung positioniert werden und die Assoziierungen der Organisationsmitglieder die ersten
Untersuchungsergebnisse bestätigen oder sogar verstärken.
Befragungen
Befragungen sind Standardinstrumente der Sozialforschung und existieren in zahlreichen
Formen. In diesem Kontext soll eine teilstrukturierte mündliche wie auch schriftliche
Befragung im Mittelpunkt stehen.
126
Bei dieser Art Befragung versucht der Untersuchende
mittels Fragebogen vorformulierte Fragen, die unabhängig ihrer Reihenfolge sind, dem
Mitarbeiter zu stellen und ihn vor allem auch durch die Verwendung zahlreicher offener
Fragen in einen intensiven Denkvorgang zu führen. Durch die hier nicht vorgegebenen
Antworten steht der Befragte nicht vor der Wahl verschiedener Antwortalternativen, sondern
formuliert frei und ist somit gezwungen einen Einblick in seine Gedankenstrukturen und
seine Verhaltensweisen zu geben, was bei der Analyse von grundsätzlichen Wertvor-
stellungen von wichtigster Bedeutung ist. Bei vorformulierten Fragen besteht oftmals die
Gefahr am Problem vorbeizugehen, auch wenn ihr besonderer Vorteil in der einfachen
statistischen Auswertung liegt und ein standardisierter Fragebogen auf breite Massen
anwendbar ist. Es gilt daher bei diesem Instrument ein ausgewogenes Maß zwischen beiden
Antwortvarianten zu finden.
Kritisch zu betrachten ist die Tatsache, dass sich der Befragte vollkommen bewusst ist
Gegenstand einer Untersuchung zu sein und so den Wahrheitsgehalt seiner Antworten
erheblich verzerren kann, ,,die Reaktion auf den Messvorgang kann häufig von inhaltlichen
Reaktionen nicht getrennt werden"
127
. Verstärkt können somit verzerrende Effekte auftreten,
wie Meinungslosigkeit des Befragten, Reaktionen des Befragten auf Merkmale des
Interviewers und auf die Abfolge der Fragen oder auch eine Zustimmung zu Fragen
unabhängig deren Inhalts aus nachlassendem Interesse heraus.
128
Diese Kritikpunkte
können zum Teil umgangen werden, indem eine schriftliche Befragung durchgeführt wird.
Anonym beantwortet der Mitarbeiter die ihm gestellten Fragen mitunter ehrlicher, überlegter,
und vor allem konzentrierter, weil ihm mehr Zeit zur Verfügung steht. Zu bereits
durchgeführten Kulturanalysen wurde ein Zeitrahmen zwischen 35 bis 90 Minuten ange-
geben.
129
126
Vgl. Schnell/Hill/Esser 1999, S. 300; sie unterteilen in ,,wenig strukturierte Interviewsituationen", in
,,teilstrukturierte" sowie in ,,stark strukturierte Interviewsituationen", abhängig von der Anordnung und
Formulierung der Fragen und vorgegebenen Antwortmöglichkeiten .
127
Schnell/Hill/Esser 1999, S. 330
128
Vgl. ebenda
129
Vgl. Pullig 2000, S. 31 ff.; in dieser Monographie werden zwölf innovative Unternehmenskulturen
vorgestellt, diesen voran geht eine spezifische Erläuterung der Unternehmenskulturanalyse bei diesen
Unternehmen, dabei wurden die hier aufgeführten zeitlichen Erfahrungen gemacht.

Kulturanalyse
34
Inhaltlich sollte der Fragebogen Formulierungen zum Unternehmen als Ganzes umfassen,
wie zur Unternehmenspolitik, zur Führung, zur Motivation und zur Arbeitsumgebung, zur
Kommunikations- und Informationspolitik, zum Unternehmensimage oder auch zur spürbaren
Existenz von Subkulturen
130
. Die Erkenntnisse aus diesen Fragebögen können nach der
Auswertung in Intensivinterviews nochmals aufgegriffen werden, um daraus interpretierte
Wertvorstellungen von den Befragten bestätigen zu lassen.
Intensivinterviews
Schein hat zur Diagnose der Unternehmenskultur intensive Einzelgespräche vorgeschlagen,
die vor allem den Entstehungsprozess des Unternehmens sowie seine bisherige Geschichte
aufdecken und so kulturelle Grundannahmen verstehen und hinterfragen sollen.
131
Diese
Intensivinterviews bilden damit den Kern der Kulturanalyse. Indem nur ausgewählte
Mitarbeiter für diese Interviews herangezogen werden, bieten sie die Möglichkeit Antworten
detailliert zu hinterfragen als auch Widersprüche und Missverständnisse aufzudecken und zu
klären. Die Auswahl der Mitarbeiter erfolgt nach den Gesichtspunkten einer langjährigen
Betriebszugehörigkeit, der Herkunft aus verschiedenen Arbeitsbereichen sowie unterschied-
licher Positionen in der Unternehmenshierarchie.
132
Auch der Interviewer muss hierbei bestimmten ,,Qualitäts-Anforderungen" gerecht werden.
Nach dem Anforderungskatalog von Kobi und Wüthrich, muss er zu vorurteilsfreier
Beobachtung und Wahrnehmung fähig sein, offen gegenüber dem zu befragenden
Mitarbeiter auftreten und sich vor allem in dessen Lage versetzen können.
133
,,Umgekehrt
braucht er kritische Distanz, um alle Aussagen aus einer übergeordneten Perspektive werten
zu können, er muss nicht in erster Linie analytische, sondern primär intuitiv-kreative
Fähigkeiten haben."
134
Inhaltlich sollte sich das Interview vor allem mit der unter-
nehmerischen Geschichte und Entwicklung auseinandersetzen.
135
Konkret bedeutet dies
Stellung nehmen zu lassen zu den Gründervätern des Unternehmens, zu prägenden
Persönlichkeiten, zu Mitarbeitern selbst und ihrer Führung heute und in der Vergangenheit,
zur Unternehmensphilosophie, zu besonderen Faktoren des Unternehmenserfolgs und zu
symbolischen, heldenhaften Ereignissen in den letzten Jahren, die ganz maßgeblich die
Kultur geprägt haben und schließlich zur Unternehmenskultur selbst.
Diese Einzelgespräche stellen die Schlüsselereignisse in der Analyse dar, denn sie
versuchen so die Ursachen für kulturelle Problembereiche nachzuvollziehen.
136
Die Anzahl
130
Vgl. Krause 1998, S. 245
131
Vgl. Schein 1995, S. 142ff.; er spricht vom so genannten ,,Klinischen Interview".
132
Vgl. Krause 1998, S. 204ff.
133
Vgl. Kobi/Wüthrich 1986, S. 86ff.
134
Ebenda
135
Vgl. Schein 1995, S. 136ff.
136
Vgl. Krause 1998, S. 205

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783832476007
ISBN (Paperback)
9783838676005
DOI
10.3239/9783832476007
Dateigröße
5.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Westsächsische Hochschule Zwickau, Standort Zwickau – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2004 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
organisationsentwicklung personalentwicklung kulturanalyse kulturbewusstes management cultural change
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Titel: Der Juniorvorstand als ein ausgewähltes Instrument zur Veränderung der Unternehmenskultur
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