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Entwicklung eines Konzepts zur realistischen Simulation des dynamischen Verhaltens von Industrierobotern

©1996 Diplomarbeit 177 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer grundlegenden Untersuchung zur Dynamiksimulation von Industrierobotern (IR), die im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Konstruktions- und Fertigungstechnik der Universität der Bundeswehr Hamburg durchgeführt wurde. Ziel dieser Untersuchung war es, zu zeigen, dass es mit dem am Institut eingesetzten graphischen Simulationssystem IGRIP zur Roboterprogrammierung möglich ist, das Bewegungsverhalten eines Industrieroboters sowie die Parameter seines realen Regelkreises unter Berücksichtigung der dynamischen Kenngrößen (wie beispielsweise Massen und Trägheiten) nachzubilden. Die Simulationsergebnisse zeigen dabei deutliche zumindest qualitative Übereinstimmungen mit dem beobachteten Bewegungsverhalten der realen Maschine.

Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
1.Einleitung1
1.1Themenüberblick1
1.2Aufgabenstellung3
1.3Gang der Untersuchung5
2.Programmierung von Industrierobotern6
2.1Überblick über die verschiedenen Programmierverfahren6
2.1.1Direkte Programmierung8
2.1.2Indirekte Programmierung9
2.2Off-line-Programmierung im graphischen Simulationssystem11
2.3Allgemeine Probleme der graphischen Robotersimulation14
2.3.1Fehlerquellen14
2.3.2Lösungsansätze15
3.Grundlagen der Dynamiksimulation17
3.1Möglichkeiten und Probleme der Dynamiksimulation17
3.1.1Mögliche Anwendungsgebiete des Verfahrens17
3.1.2Problematik bei der Umsetzung18
3.2Modellbildung20
3.2.1Kinematische Modellbildung21
3.2.2Kinetische Modellbildung26
3.2.3Das resultierende inverse Modell des Roboters30
3.2.4Reglerentwurf33
4.Durchführung35
4.1Ausgangssituation35
4.1.1Industrieroboter KUKA IR 36435
4.1.2Simulationssystem IGRIP36
4.1.3Vorhandene Prototypen der Dynamikmodule38
4.2Implementierung39
4.2.1Gewinnung der Dynamikdaten für den KUKA-Roboter39
4.2.2Änderung der Module45
4.2.3Programmierung eines Testparcours48
4.2.4Einbinden der realen Bewegungsplanung50
4.2.5Das Gesamtmodell51
5.Test und Auswertung53
5.1Verschiedene Tests der Dynamiksimulation54
5.1.1Verhalten bei niedrigen Geschwindigkeiten54
5.1.2Verhalten bei höheren Geschwindigkeiten59
5.1.3Verhalten mit Effektorlast63
5.2Vergleich zwischen simuliertem und realem Verhalten67
5.3Auswertung der Ergebnisse69
6.Schluß70
6.1Zusammenfassung70
6.2Ergebnis70
6.3Ausblick71
Anhang A)Programmbeschreibungen73
A.1)Kurzbeschreibungen der einzelnen Module73
A.2)Beschreibung der verwandten Prozeduren und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Themenüberblick
1.2. Aufgabenstellung
1.3. Gang der Untersuchung

2. Programmierung von Industrierobotern
2.1. Überblick über die verschiedenen Programmierverfahren
2.1.1. Direkte Programmierung
2.1.2. Indirekte Programmierung
2.2. Off-line-Programmierung im graphischen Simulationssystem
2.3. Allgemeine Probleme der graphischen Robotersimulation
2.3.1. Fehlerquellen
2.3.2. Lösungsansätze

3. Grundlagen der Dynamiksimulation
3.1. Möglichkeiten und Probleme der Dynamiksimulation
3.1.1. Mögliche Anwendungsgebiete des Verfahrens
3.1.2. Problematik bei der Umsetzung
3.2. Modellbildung
3.2.1. Kinematische Modellbildung
3.2.2. Kinetische Modellbildung
3.2.3. Das resultierende inverse Modell des Roboters
3.2.4. Reglerentwurf

4. Durchführung
4.1. Ausgangssituation
4.1.1. Industrieroboter KUKA IR
4.1.2. Simulationssystem IGRIP
4.1.3. Vorhandene Prototypen der Dynamikmodule
4.2. Implementierung
4.2.1. Gewinnung der Dynamikdaten für den KUKA-Roboter
4.2.2. Änderung der Module
4.2.3. Programmierung eines Testparcours
4.2.4. Einbinden der realen Bewegungsplanung
4.2.5. Das Gesamtmodell

5. Test und Auswertung
5.1. Verschiedene Tests der Dynamiksimulation
5.1.1. Verhalten bei niedrigen Geschwindigkeiten
5.1.2. Verhalten bei höheren Geschwindigkeiten
5.1.3. Verhalten mit Effektorlast
5.2. Vergleich zwischen simuliertem und realem Verhalten
5.3. Auswertung der Ergebnisse

6. Schluß
6.1. Zusammenfassung
6.2. Ergebnis
6.3. Ausblick

Anhang A) Programmbeschreibungen
A.1) Kurzbeschreibungen der einzelnen Module
A.2) Beschreibung der verwandten Prozeduren und Funktionen
A.2.1) Unterprozeduren zum Modul rds_ctl.c
A.2.2) Unterprozeduren zum Modul rds_fwd.c
A.2.3) IGRIP-Systemprozeduren
A.3) Erläuterung der definierten Datentypen
A.4) Erläuterung der benutzten Variablen
A.4.1) Variablen im Modul rds_ctl.c
A.4.2) Variablen im Modul rds_fwd.c
A.4.3) Variablen in den Unterprozeduren zu rds_dyn_control
A.4.4) Variablen in den Unterprozeduren zu rds_dyn_forward
A.4.5) Sonstige Variablen
A.5) Erläuterung der Daten in der Parameterdatei
A.6) Erläuterung der definierten Konstanten

Anhang B) Flußdiagramme der Module
B.1) Flußdiagramm zu rds_dyn_control
B.2) Flußdiagramm zu rds_dyn_forward

Anhang C) Programmlistings
C.1) Listing von rds_ctl.c
C.2) Listing von rds_defc.c
C.3) Listing von rds_fwd.c
C.4) Listing von rds_deff.c
C.5) Listing von rds_defa.c
C.6) Listing von rds_ir364.par
C.7) Listing von rds_iso.gsl

Anhang D) Verzeichnis der Abkürzungen und Formelzeichen
D.1) Abkürzungen
D.2) Formelzeichen

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis einer grundlegenden Untersuchung zur Dynamiksimulation von Industrierobotern (IR), die im Rahmen einer Diplomarbeit am Institut für Konstruktions- und Fertigungstechnik der Universität der Bundeswehr Hamburg durchgeführt wurde. Ziel dieser Untersuchung war es zu zeigen, daß es mit dem am Institut eingesetzten graphischen Simulationssystem zur Roboterprogrammierung möglich ist, das Bewegungsverhalten eines Industrieroboters sowie die Parameter seines realen Regelkreises unter Berücksichtigung der dynamischen Kenngrößen (wie beispielsweise Massen und Trägheiten) nachzubilden.

1.1. Themenüberblick

Durch steigenden Wettbewerbsdruck auf globalisierten Märkten sehen sich heute viele Industrieunternehmen dem Zwang ausgesetzt, ihre Produktivität und Flexibilität stetig zu erhöhen. Diese Bestrebungen weisen häufig in die Richtung der rechnerintegrierten Produktion (CIM), dem vollständigen Datenverbund vom Auftragseingang bis zum Vertrieb. Teil dieses Gesamtkonzepts ist die rechnerunterstützte Fertigung (CAM), deren Grundlage die NC-Technik im Werkzeugmaschinenbau bildet, welche heute einen hohen technischen Standard erreicht hat. In diesem Rahmen werden auch zunehmend moderne Industrieroboter eingesetzt, da sie - unter anderem wegen der rasanten Entwicklung der Mikroelektronik - an mehr und mehr Fertigungsaufgaben angepaßt werden können [6].

Die Bedeutung von Industrierobotern ist vor allem in Folge ihrer hohen Flexibilität in einem ständigen Wachstum begriffen. Aus diesem Grund, aber auch wegen ihrer sinkenden Preise wird der Anteil von Robotern in der industriellen Fertigung weiter ansteigen, wodurch der Mensch von monotonen und gefährlichen Arbeiten entlastet und die Produktivität der Betriebe durch Rationalisierung erhöht werden kann. Entwicklung und Einsatz von Industrierobotern können somit einer hochentwickelten und technologieorientierten Wirtschaft positive Impulse verleihen.

Industrieroboter werden auch frei programmierbare Manipulatoren bzw. Handhabungsgeräte genannt (Siehe Abbildung 1). Sie sind in den letzten Jahren stetig verbessert und weiterentwickelt worden. Diese Innovationen beziehen sich nicht nur auf mechanische und elektronische Komponenten wie z.B. Sensorik und Motorik, sondern offenbaren sich auch in der Entwicklung neuer Verfahren zur Steuerung und Programmierung. Speziell auf diesen beiden Forschungsfeldern ist das dynamische Verhalten der Roboter Gegenstand der Untersuchungen: Zum einen erfordert die Entwicklung selbsteinstellender, modellgestützter Regelungsverfahren, welche die Bahngenauigkeit verbessern, den Entwurf eines kinetischen Modells des Roboters, zum anderen benötigt man dieses auch zur dynamischen Simulation eines IR in graphischen Off-line-Programmiersystemen.

Konventionelle Simulationssysteme liefern beim Ablauf eines Bewegungsprogramms exakt die geplante, meist mit eigenen Bewegungsplanungsalgorithmen berechnete Bahn, ohne die Abweichungen zu berücksichtigen, die sich auf Grund der dynamischen Eigenschaften der Maschine ergeben und die sich in manchen Fällen bis in den Zentimeterbereich erstrecken können. Die wirklichkeitsnahe Simulation der Dynamik ist somit einer von zahlreichen Schritten auf dem Weg zu einer realistischen Simulation von Industrierobotern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Einteilung von Handhabungsgeräten [5]

1.2. Aufgabenstellung

Ausgehend von der vorgenommenen Themenabgrenzung ergibt sich nun das Kernproblem der Untersuchung. Dieses besteht zum einen darin, ein allgemein gültiges Modell des Industrieroboters zu beschreiben, welches dynamische Prozesse mit einschließt und die dazu notwendigen Parameter beinhaltet, zum anderen in der praktischen Implementierung der Dynamikkomponenten dieses Modells in Form lauffähiger Programmodule zur Einbindung in das Simulationssystem.

Bezüglich der Modellbildung ist zu klären, welche dynamischen Einflüsse im einzelnen berücksichtigt werden sollen. Da hier eine Vielzahl von möglichen Parametern existiert, muß das reale Geschehen in sinnvoller Weise abstrahiert werden, respektive der zur Verfügung stehenden Daten des realen Roboters.

Im Hinblick auf die Realisierung der Dynamiksimulation lautet die Frage, wie das zuvor entworfene dynamische Modell am besten in einen Programmcode überführt werden kann. Hierbei sind vor allem die Anforderungen zu berücksichtigen, die das Simulationssystem an die zu entwickelnden Module stellt - ebenso sollten die Möglichkeiten, die es z.B. durch vorhandene Dynamikfunktionen bietet, umfassend ausgenutzt werden.

Konkret ergeben sich aus diesen allgemeinen Anforderungen an das zu realisierende System folgende Einzelaufgaben:

- Einarbeitung in die Theorie der Dynamiksimulation

- Vergleich verschiedener Reglerkonzepte

- Recherche der erforderlichen Parameter des realen Roboters

- Entwurf der Systemmodule zur Realisierung von Regler und physikalischem Modell des IR, aufbauend auf vorhandene Prototypen
- Implementierung der Module im System, Anpassung der Reglerparameter

- Durchführung und Auswertung verschiedener Tests

Ziel der Untersuchungen ist es, anhand des Simulationssystems vorwiegend qualitative Aussagen über die zu erwartenden Abweichungen eines Roboters von seiner programmierten Sollbahn treffen zu können. Präzise quantitative Ergebnisse sind unter den gegebenen Voraussetzungen (wie etwa den zur Verfügung stehenden Daten) noch nicht zu erwarten. Dennoch könnte die Dynamiksimulation in Zukunft vermehrt praktische Anwendung bei der Off-line-Programmierung bestimmter Applikationen finden, beispielsweise beim Laser-schweißen, da hierbei mit ihrer Hilfe deutliche Verbesserungen der Bahngenauigkeit erzielt werden können. Außerdem könnte das Verfahren bei der Optimierung von Reglereinstellungen Anwendung finden. Voraussetzung ist jedoch ein exaktes Modell der Kinetik und des (Lage- bzw. Geschwindigkeits-) Reglers des jeweiligen Roboters.

1.3. Gang der Untersuchung

Zunächst sollen in einem allgemeinen Teil (Kapitel 2) die Grundlagen der Programmierung von Industrierobotern erläutert werden, speziell die der Programmierung mittels graphischer Simulationssysteme. Auf diese Weise wird der Zusammenhang hergestellt, in dem die Dynamiksimulation mit der gesamten Thematik steht, denn sie stellt trotz ihrer Komplexität nur einen Teilaspekt in der Vielzahl der Einflußfaktoren auf die Roboterprogrammierung dar. Zusätzlich erfolgt eine Darstellung der verschiedenen Probleme, die sich bei der Robotersimulation im allgemeinen ergeben, d.h. die Ursachen der Abweichungen zwischen realem und simuliertem Verhalten werden erläutert. Außerdem werden mögliche Lösungsansätze vorgestellt.

Die der Dynamiksimulation zu Grunde liegende Theorie wird in Kapitel 3 behandelt. Dazu wird zunächst auf die Möglichkeiten des Verfahrens sowie auf gewisse Schwierigkeiten bei der Umsetzung eingegangen. Im folgenden Abschnitt wird dann das mathematische Modell für die Simulation entwickelt. Dafür wird in dieser Arbeit eine vereinfachte kinetische Nach-bildung eines Roboters herangezogen, die jedoch die wesentlichen Parameter berücksichtigt. Grundsätzlich wird auf bereits bekannte Arten der Modellierung zurückgegriffen.

Im vierten Kapitel wird die Umsetzung des theoretischen Modells in lauffähige Programmodule innerhalb des Simulationssystems dargestellt. Nach einer kurzen Erläuterung des benutzten Off-line-Programmier- und Simulationssystems sowie vorhandener Prototypen der Dynamikmodule folgt die Beschreibung der eigentlichen Implementierung. Dabei wurde auf systematisches Vorgehen Wert gelegt. So kamen bei der Programmierung gewisse Grundsätze des Software Engineering zum Einsatz wie etwa strukturierte Programmierung, Top-Down-Methode und umfassende Dokumentation. Damit sollte eine möglichst hohe Transparenz der entwickelten Software sichergestellt werden, so daß Nachfolgeprojekte ohne einen allzu hohen Einarbeitungsaufwand in Angriff genommen werden können.

Einige Aspekte des Themas mußten im Rahmen des Projekts auch ausgespart bleiben, da entsprechende Ressourcen nicht zur Verfügung standen. So konnten z.B. die Getriebe-elastizitäten nicht modelliert werden, da keine entsprechenden Daten vorlagen. Aus Zeitgründen mußte auch Test und Analyse des fertigen Systems auf einige Fälle begrenzt werden, die sicherlich nicht alle möglichen abdecken. Für eine qualitative Beurteilung sind die erzielten Ergebnisse jedoch zufriedenstellend; eine quantitative Untersuchung kann in einer eventuellen Anschlußarbeit erfolgen.

2. Programmierung von Industrierobotern

In diesem Kapitel erfolgt eine generelle Darstellung der verschiedenen Techniken zur Roboterprogrammierung, wodurch der Bezug zwischen dem speziellen Thema der Arbeit und der allgemeinen Thematik des Forschungsgebietes hergestellt wird. Dazu sollen zunächst die unterschiedlichen Programmierverfahren kurz erläutert werden. In einem weiteren Abschnitt wird dann näher auf die Programmierung mittels Robotersimulation eingegangen. Als letzter Unterpunkt folgt schließlich eine Beschreibung und Beurteilung der dabei auftretenden Probleme.

2.1. Überblick über die verschiedenen Programmierverfahren

Ein IR läßt sich abstrahiert als Blockschaltbild darstellen, welches aus Steuerung (Rechner), Meßglied (Sensoren) und Stellglied (Antriebe) besteht. Der Steuerung werden von außen Sollwerte vorgegeben, d.h. Positionen, Geschwindigkeiten etc., welche die Motoren realisieren sollen. Diese Vorgabe geschieht in Form eines Programms, das in einer bestimmten Programmiersprache in die Steuerung eingegeben wird.

Es existiert hier keine einheitliche Roboterprogrammiersprache, sondern viele verschiedene, die sich jedoch in drei Gruppen einteilen lassen: zum ersten gibt es ältere, häufig aus Sprachen zur Programmierung von NC-Maschinen (z.B. UNC) entwickelte Systeme, zum zweiten existieren anwendungsspezifische Sprachen (z.B. AL, AUTOPASS, ROBEX, etc.), die jeweils für bestimmte Aufgaben (beispielsweise zum Schweißen) eingesetzt werden. Drittens finden seit mehreren Jahren höhere Programmiersprachen wie FORTRAN, PASCAL, C oder BASIC bzw. Derivate davon Anwendung (z.B. S-IRL bei Siemens-Steuerungen). Solche höheren Sprachen gewinnen heute immer mehr an Bedeutung, weil damit erstellte Programme gut strukturiert und leicht lesbar sind.

Als größter gemeinsamer Nenner dieser Vielfalt und als Ansatz zu einem einheitlichen Code wurde bereits 1985 IRDATA (Industrial Robot Data) konzipiert, eine sehr abstrakte Sprache, die mit Assembler vergleichbar ist und die für die Übersetzung des Einsatzes von Pre- und Postprozessoren bedarf. IRDATA ist genormt und erfüllt die Funktion eines Schnittstellencodes [5].

Die Programmiersprachen sind jedoch nur die Werkzeuge zur Steuerung eines Industrieroboters. Demgegenüber gibt es verschiedene Methoden der Programmierung, auf die im folgenden eingegangen werden soll. Man unterscheidet dabei prinzipiell zwischen direkter und indirekter Programmierung, je nachdem, ob die Implementierung des Programms am IR selbst oder unabhängig davon vorgenommen wird, z.B. in einer zentralen Programmier-abteilung. Das folgende Diagramm stellt die verschiedenen Verfahren anschaulich dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Schema der Programmierverfahren für Industrieroboter

2.1.1. Direkte Programmierung

Diese Methode wird auch On-line-Programmierung genannt, da der IR an seinem Einsatzort programmiert wird und dabei eingeschaltet ist. Die modernen On-line-Verfahren (Teach-In-Verfahren) arbeiten alle auf Softwarebasis. Der Vorteil der On-line-Programmierung liegt darin, daß die Programme sofort getestet und korrigiert werden können. Allerdings verursacht sie teure Stillstandszeiten, da die Fertigungszelle währenddessen nicht für die Produktion zur Verfügung steht.

Direktes Teach-In

Beim Einstellverfahren werden die Bremsen der Roboterachsen gelöst und der Roboterarm von Hand (ohne Antrieb) in die gewünschte Position und Orientierung gebracht, die dann durch Betätigen von Funktionstasten abgespeichert wird. So läßt sich eine große Anzahl von Haltepunkten einlesen, was allerdings entsprechenden Speicherplatz und Lagesensoren an den Roboterachsen erforderlich macht. Vorteil dieses Verfahrens ist die einfache Handhabung und die Sicherheit des Bedieners vor unkontrollierten Bewegungen des Industrieroboters.

Die Folgeprogrammierung funktioniert ähnlich wie das Einstellverfahren und wird auch Playback genannt. Allerdings werden hier nicht nur einzelne Haltepunkte gespeichert, vielmehr wird die abgefahrene Bahn mit einer bestimmten Frequenz abgetastet. Die gesamte Bewegung kann so festgehalten und jederzeit (eventuell mit höherer Geschwindigkeit) wiederholt werden. Beim Playback ohne eigenen Antrieb führt der Programmierer den Roboter „an der Hand“, wobei dessen Bremsen gelöst sind. Diese Bewegung wird von der Steuerung registriert und gespeichert. Bei Playback mit eingeschaltetem Antrieb verfährt der IR dagegen aus eigener Kraft. Er folgt dabei den Bewegungen eines kleineren und leichteren Roboterarms (Master/Slave-Methode) oder mit einem an seinem Werkzeug angebrachten Sensor einem Signal des Programmierers. Man unterscheidet dabei zwischen optischer und taktiler Folgeprogrammierung: Bei der ersten Methode reagiert der Sensor auf eine Lichtquelle, die vom Programmierer geführt wird, bei der zweiten kommt ein Tastsensor zum Einsatz, der manuelle Signale des Bedieners registriert. Die Folgeprogrammierung ist ein einfaches und schnelles Verfahren, das z.B. beim Lackieren eingesetzt wird.

Indirektes Teach-In

Das Indirekte Teach-In ist das zur Zeit am häufigsten angewandte Programmierverfahren. Mittels einer handlichen Tastatur (Programmierhandgerät, PHG) wird der IR in einem kartesischen Koordinatensystem oder auch achsspezifisch an die Sollpositionen herangefahren, die meistens über Musterwerkstücke bestimmt und dann in Form eines lesbaren Programms abgelegt werden. Die Bewegung kann dabei durch Punkt-zu-Punkt-Steuerung (point to point, PTP) oder durch Bahnsteuerung (continuous path, CP) beschrieben werden: Im einen Fall fährt der IR die Positionen auf beliebigem Weg an, im anderen auf einer genau vorgegebenen, durch einen Linear- oder Zirkularinterpolator erzeugten Bahn. Zusätzlich zu den Wegpunkten können weitere Informationen und Anweisungen eingegeben werden, z.B. in Bezug auf Geschwindigkeiten, Zeitspannen, Zählwerk, Greiferbetätigung, Sensoren, Unterprogrammaufrufe und ähnliches. So entsteht ein Programm aus Achskoordinaten und Zusatzinformationen, das jederzeit geladen und mit einer hohen Wiederholgenauigkeit ausgeführt werden kann. Die Vorteile des Teach-In sind, daß der IR sehr genau positioniert werden kann und daß zusätzliche Anweisungen in die Steuerung eingegeben werden können. Damit entspricht dieses On-line-Verfahren am ehesten dem, was man gemeinhin unter Programmierung versteht.

2.1.2. Indirekte Programmierung

Die Verfahren der direkten Programmierung haben allesamt den Nachteil, daß der IR während der Programmerstellung für die Produktion ausfällt und somit Fertigungszellen oder ganze Produktionslinien für Tage oder sogar Wochen stillgelegt werden müssen. Dies stellt einen wichtigen Kostenfaktor dar.

Deshalb wurde schon frühzeitig versucht, die Programmierung in einen Bereich außerhalb der Fertigung zu verlagern, z.B. in die Arbeitsvorbereitung (Off-line-Programmierung). Dies wurde mit der Einführung höherer Programmiersprachen im größeren Rahmen möglich und führte zunächst zur textuellen Programmierung.

Textuelle Programmierung

Unter textueller Programmierung versteht man die symbolische Beschreibung von Operationen und Daten in Form von Zeichenfolgen, d.h. der Programmierer erstellt einen lesbaren Text in einer bestimmten Programmiersprache, der von einem Programm (Compiler) gelesen und codiert werden muß. Vielfach wird dabei auch eine Syntaxüberprüfung durchgeführt.

Die Vorteile der textuellen Programmierung bestehen darin, daß die Programme leicht zu lesen und zu ändern sind, daß Daten als Variable dargestellt werden können und daß die zu programmierenden Roboterzellen nicht stillgelegt werden müssen. Dies führt jedoch zu dem Problem der Ermittlung der konkreten Positionen und Orientierungen, die vom Programmierer exakt bestimmt werden müßten. Dieses Vorgehen wäre allerdings zu zeitaufwendig und zu ungenau, weshalb die textuelle Programmierung hauptsächlich zur Erstellung des Programmgerüsts verwandt wird. Die geometrischen Daten werden dann mit Teach-In-ähnlichen Verfahren gewonnen. Es findet also meist keine vollständige textuelle Programmierung statt.

Graphische Simulation

Die eleganteste und zugleich modernste Variante der Roboterprogrammierung ist die Verwendung von graphischen Simulationssystemen, in denen die Fertigungszelle komplett nachgebildet werden kann. Diese Methode erlaubt sehr flexibles Arbeiten, und dies völlig losgelöst von der eigentlichen Produktionslinie, ist aber noch mit einigen Problemen behaftet. Sie wird im folgenden Abschnitt beschrieben.

2.2. Off-line-Programmierung im graphischen Simulationssystem

Systeme zur Robotersimulation gibt es erst seit ca. zehn Jahren, da sie sehr aufwendig sind und im Gegensatz zu den PC-basierten Systemen zur textuellen Programmierung meist leistungsfähige Workstations erfordern.

In einem graphischen Simulationssystem wird ein komplettes 3D-Modell des IR, der Fertigungszelle und der Werkstücke erstellt, mit dessen Hilfe dann Programmieraufgaben durchgeführt werden können. Solch ein System kann prinzipiell in drei Teilgebiete gegliedert werden [22]:

- Modellierung von Roboterzellen

Dabei wird in einem CAD-ähnlichen System ein geometrisches Modell der Roboterzelle entwickelt, das auch technologische und funktionelle Daten enthält. Das System hält hierzu eine Auswahl der gängigen Robotertypen und entsprechender Umgebungen bereit.

- Roboterprogrammierung

Die eigentliche Programmierung kann völlig unabhängig vom Robotertyp erfolgen. Hierzu wird in einer systemeigenen Sprache ein Programm mit neutralem Code erzeugt und mit Hilfe von Postprozessoren in den Code der jeweiligen Robotersteuerung übersetzt.

Die Programmierung kann auch in einer roboterspezifischen Sprache durchgeführt werden. Diese Möglichkeit ist von Vorteil, wenn erfahrene Programmierer ihre Kenntnisse eines bestimmten IR-Typs nutzen möchten. Das Erlernen der systemspezifischen Sprache kann dann entfallen.

Konkret läuft der Programmiervorgang entweder so ab, daß anzufahrende Punkte und abzufahrende Bahnen als Geometriedaten eingegeben werden (z.B. als Äquidistanten zum Werkstück), oder es wird wie am realen Roboter ein Teach-In durchgeführt. Dabei stehen dem Bediener Achskoordinaten und kartesische Roboterkoordinaten zur Verfügung (bei Industrierobotern, die nach dem sogenannten Frame-Konzept arbeiten, auch kartesische Weltkoordinaten). Nützlich ist außerdem das Vorhandensein einer Nachbildung des Programmierhandgerätes - dies kann die Akzeptanz des Systems bei erfahrenen Pro-grammierern deutlich steigern.

- Animation des Modells

Animation bedeutet Herstellung dreidimensionaler synthetischer Laufbildsequenzen mit Hilfe eines Rechners und geeigneter Programme [22]. Im Falle der Robotersimulation umfaßt sie die realistische Darstellung des Programmablaufes auf dem Bildschirm. Der IR kann dabei aus beliebigen Entfernungen und Blickwinkeln betrachtet werden; man kann die Operationen sogar durch eine virtuelle Kamera an der Roboterhand verfolgen. Auch Zeitlupe, Zeitraffer und Schrittmodus sind möglich.

Weitere Vorteile der Simulation sind die risikolose Kollisionsüberprüfung und die Option, verschiedene Sensor- und Werkzeugtypen ohne großen Umbauaufwand miteinander zu vergleichen. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Möglichkeiten des Verfahrens.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Darstellung einer Roboterzelle im graphischen Simulationssystem

Die graphisch aufwendigen und interaktiv zu bedienenden Off-line-Simulationssysteme gestatten also die direkte Beschreibung der Sollbahn im Basiskoordinatensystems des IR. Wenn bereits ein Modell der Roboterzelle existiert, geht die Programmierung in vielen Fällen schneller vonstatten als am realen IR, da Konfigurationen schnell geändert werden können und man den Fertigungsprozeß beliebig schnell ablaufen lassen kann. Allerdings ist heutzutage eine direkte Übernahme der mittels Simulation erstellten Programme in die Fertigung noch nicht möglich, da Realität und Modell aufgrund von Ungenauigkeiten und Modellierungsfehlern meist zu stark voneinander abweichen [2]. Eine genaue Analyse dieser Problematik findet sich im dritten Abschnitt dieses Kapitels.

Zum Ende dieses Abschnitts sollen die zwei wichtigsten Programmierverfahren für Industrieroboter, das Teach-In und die Programmierung durch graphische Simulation, einander gegenübergestellt werden. Dies geschieht in Form einer Tabelle, in der die Vor- und Nachteile der beiden Methoden aufgelistet sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Vor- und Nachteile von Teach-In und Programmierung durch Simulation

2.3. Allgemeine Probleme der graphische Robotersimulation

Im folgenden werden die Fehler aufgezählt, die bei der Programmierung von Industrierobotern mittels graphischer Simulationssysteme auftreten können und die die Alltagstauglichkeit solcher Systeme bislang einschränken. Weiterhin wird auf mögliche Verbesserungen des Verfahrens hingewiesen.

2.3.1. Fehlerquellen

Das folgende Diagramm zeigt mögliche Fehler bei der Umsetzung eines simulierten Roboterprogramms auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Umsetzung eines off-line erstellten Roboterprogramms [16]

Bei der Off-line-Programmierung von Industrierobotern mittels graphischer Simulationssysteme treten Abweichungen zwischen Simulation und Realität bezüglich Position und Orientierung des Werkzeuges sowie hinsichtlich Bahngeschwindigkeit und Zykluszeit auf. Fehlerquellen liegen in mangelhafter Übersetzung des Programms in die IR-Sprache (Download), in nicht steuerungsspezifischen Interpolationsalgorithmen und Approximationen (Motion Planner), in Abweichungen der Kinematik (wegen Fertigungstoleranzen etc.), in der Nichtberücksichtigung der Kinetik (Systemdynamik) und in ungenauer Modellierung (CAD-Daten). Daraus können sich Abweichungen des Roboterwerkzeuges von der Sollposition bis zu mehreren Zentimetern ergeben.

Der Bereich der Dynamik, mit dem sich diese Arbeit befaßt, fällt insbesondere bei Applikationen ins Gewicht, die hohe Geschwindigkeiten bei gleichzeitig hoher Bahntreue erfordern, wie dies beispielsweise bei Laseranwendungen der Fall ist. Da solche Fertigungsverfahren zunehmend die klassischen ergänzen, steigt auch das Interesse an einer realistischen Beschreibung der Roboterkinetik.

2.3.2. Lösungsansätze

Um die genannten Ungenauigkeiten zu eliminieren, ist (zur Zeit jedenfalls noch) eine Kalibrierung notwendig. Sie basiert auf komplexen 3D-Transformationen, zu deren Bestimmung Positionsabweichungen mit Sensoren ermittelt und dann weiterverarbeitet werden müssen. Ein Simulationssystem muß deshalb einfach zu bedienende Verfahren zur erfolgreichen Durchführung der Kalibrierung bereitstellen. Hierzu mißt man beispielweise markante Punkte innerhalb der Anlage mit dem Roboter aus. Diese Koordinaten werden dann in das graphische System übertragen, wo das Modell entsprechend korrigiert wird, oder es erfolgen direkt vor Ort entsprechende Korrekturmaßnahmen am Programm [2]. Das Ergebnis hängt dabei entscheidend von der Genauigkeit der Kalibrierung ab. Dieses Verfahren ist allerdings wiederum mit Stillstandszeiten des IR verbunden; außerdem können, auch wenn die Koordinatensysteme der Zelle und der Simulation übereinstimmen, weitere Abweichungen auftreten.

Demgegenüber existiert eine Vielzahl von Ansätzen, durch die die Differenzen zwischen Realität und Virtualität bereits während der Programmierung eliminiert oder zumindest reduziert werden sollen. Das allen Anstrengungen gemeinsame Prinzip ist eine exaktere Abbildung der Wirklichkeit im Simulationssystem.

Gewisse Verbesserungen kann man durch eine exakte Modellierung der kinematischen Kette erzielen. So lassen sich Fertigungstoleranzen des IR und ähnliche Diskrepanzen besser berücksichtigen. Allerdings ist hierzu eine aufwendige, sehr genaue Vermessung des jeweiligen IR notwendig. Um die Bahnplanung wirklichkeitsgetreuer zu gestalten, kann man die Transformationsalgorithmen und die Bewegungsinterpolationen der Originalsteuerung als Modul in das Simulationssystem integrieren. Dadurch werden eine höhere Bahngenauigkeit und exaktere zeitabhängige Kenngrößen wie Bahngeschwindigkeit und Zykluszeit erreicht. Weiterhin müssen die Details der realen Fertigungszelle wie z.B. Werkstücktoleranzen berücksichtigt werden. Ein applikationsorientierter Ansatz hierzu findet sich in [17].

Auf die Chancen, aber auch auf die Probleme einer realistischen Dynamiksimulation von Industrierobotern wird im folgenden Kapitel näher eingegangen. Bei der Optimierung und Weiterentwicklung der aufgezählten Verfahren besteht in jedem Fall noch großer Handlungsbedarf.

3. Grundlagen der Dynamiksimulation

Die Simulation des dynamischen Bewegungsverhaltens von Industrierobotern gewinnt zunehmend an Bedeutung, da Roboter verstärkt für Anwendungen eingesetzt werden, bei denen eine hohe Verfahrgeschwindigkeit erforderlich ist (z.B. beim Plasmaschneiden). Infolge der schnelleren Bewegung vergrößert sich der Einfluß dynamischer Effekte, etwa jener der Zentrifugalkräfte, und kann gegenüber anderen Fehlerquellen dominant werden.

In den beiden folgenden Abschnitten werden zum einen die praktischen Voraus-setzungen der Dynamiksimulation dargelegt und zum anderen die theoretischen Grundlagen des Verfahrens erläutert.

3.1. Möglichkeiten und Probleme der Dynamiksimulation

Verschiedene Ziele und Prämissen einer realistischen Simulation der Roboterdynamik wurden bereits angesprochen. Sie sollen an dieser Stelle ergänzt und zusammengefaßt werden, um die Bedeutung des Themas im Gesamtzusammenhang zu veranschaulichen.

3.1.1. Mögliche Anwendungsgebiete des Verfahrens

Das Hauptziel der Simulation des dynamischen Verhaltens von Industrierobotern ist die Erhöhung der Simulationsgenauigkeit. Die Abweichungen liegt zur Zeit bei der Bewegung auf linear bzw. zirkular interpolierten Bahnen (CP-Modus) in der Größenordnung von einigen Millimetern. Sie sollten in Zukunft nach Möglichkeit signifikant unter einen Millimeter gesenkt werden, und dies auch bei hohen Verfahrgeschwindigkeiten. So ließe sich das Einsatzspektrum der Off-line-Programmierung von Industrierobotern deutlich erweitern.

Daneben existieren noch verschiedene andere Anwendungsmöglichkeiten der Dynamiksimulation. Da ihr Herzstück der Regler ist, der dafür sorgt, daß der IR die vorgegebenen Positionen schnell und exakt einnimmt, ist sie auch gut dafür geeignet, einen Reglerentwurf für einen realen Roboter durchzuführen. Voraussetzung ist, daß dieser im Simulationssystem genau nachgebildet wurde, d.h. daß alle kinetisch relevanten Daten (wie zum Beispiel Reibwerte, Massen und Trägheiten) vorhanden sind. Dann ist es möglich, die erforderlichen Reglerparameter zu bestimmen. Darüber hinaus könnte man diese Verstärkungsfaktoren (k-Faktoren) des IR auch für die verschiedenen Verfahrmodi einzeln optimieren, um so etwa eine zeitoptimale Bewegung beim PTP-Fahren und eine bahntreue beim CP-Fahren zu erreichen. So könnte der reale IR für verschiedene Handhabungsaufgaben passend abgestimmt werden.

Eine andere Möglichkeit, welche die Dynamiksimulation bereitstellt, ist die der Bewegungsanalye. Bei entsprechender Programmierung des Regleralgorithmus’ ist es möglich, die aktuellen Kenngrößen eines Bewegungsverlaufs während der Simulation sozusagen on-line zu erfassen und danach auszuwerten. Neben ihrem reinen Verlauf kann man auch das Über- bzw. Unterschreiten bestimmter Maxima und Minima anzeigen lassen. Zu den dafür geeigneten Größen zählen beispielsweise Soll- und Istposition, -geschwindigkeit und -beschleunigung sowie die Antriebsmomente der einzelnen Achsen.

Weiterhin kann eine Bewegungsoptimierung durchgeführt werden, welche etwa hinsichtlich Zykluszeit oder Bahntreue erfolgen kann. Diese beiden Parameter hängen dabei jeweils von Einflußgrößen wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Effektorlast und ähnlichen ab und können durch geeignete Wahl der Bahn und verschiedener Parameter verbessert werden.

Mit diesen zusätzlichen Optionen verfügt ein Simulationssystem, das dynamische Einflüsse berücksichtigt, gegenüber einem System ohne diese Komponente über deutlich erweiterte Anwendungsmöglichkeiten. Bis sich die Dynamiksimulation jedoch im praktischen Betrieb bewähren kann, sind noch einige Probleme zu lösen. Diese werden im folgenden besprochen.

3.1.2. Problematik bei der Umsetzung

Das Hauptproblem bei der Realisierung der Dynamiksimulation liegt darin, daß es sehr viele unterschiedliche Parameter zu berücksichtigen gilt. Hierzu zählen beispielsweise die Massen der Armglieder, die Trägheiten von Antrieben, Getrieben und Gliedern, die Auflösung des Wegmeßsystems, die Reibung in Antrieben und Gelenken und vieles mehr. Diese Werte müssen jeweils für die einzelnen Achsen des Manipulators ermittelt werden. Dabei können sich Schwierigkeiten ergeben, da manche Daten einfach nicht vorhanden sind, vom Hersteller des Gerätes nicht zur Verfügung gestellt werden oder nur in verschlüsselter Form vorliegen.

In solchen Fällen muß versucht werden, die Daten selbst zu ermitteln. Dies wurde im Rahmen der Untersuchung zum Beispiel bei den Verstärkungsfaktoren des Reglers praktiziert, die unter Zugrundelegen der kinetischen Daten der Regelstrecke berechnet wurden. An anderer Stelle mußten Parameter sinnvoll abgeschätzt werden, um eine realitätsnahe Simulation zu ermöglichen. Da dies jedoch nur bei solchen Parametern erfolgte, deren Einfluß als relativ gering anzusehen ist, so z.B. bei den Motorträgheitsmomenten der Handachsen, werden Fehler, die sich daraus ergeben könnten, keine entscheidenden Auswirkungen haben.

Festzuhalten bleibt, daß es für eine wirklich realistische Dynamiksimulation notwendig ist, daß alle gerätespezifischen Daten, auch über die eigentlichen Maschinendaten des Roboters hinaus, exakt vorliegen. Dazu gehören neben den dynamischen Kenngrößen auch Informationen über den realen Regelkreis, Blockschaltbilder, Umrechnungsfaktoren und anderes mehr. Für eine genaue quantitative Analyse ist also ein niedriger Abstraktionsgrad der Simulation unbedingte Voraussetzung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Ablaufschema bei der Umsetzung eines Roboterprogramms - real wie simuliert

3.2. Modellbildung

Der Dynamik von Manipulatoren liegt ein mathematisches Modell der betrachteten Anlagen zu Grunde. Dieses läßt sich in drei Hauptgebiete untergliedern [13]:

- Kinematik
- Kinetik
- Regelung

Die theoretischen Grundlagen zu diesen Gebieten werden in den folgenden Abschnitten gelegt. Außerdem erfolgt eine Festlegung des Abstraktionsgrades, d.h. die Entscheidung darüber, welche Einflußgrößen modelliert werden sollen und welche vernachlässigt werden können. Dabei muß eine sinnvolle Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen vorgenommen werden.

Das angestrebte Ergebnis der Modellierung ist die theoretische Nachbildung des Regelkreises eines Industrieroboters, wie er (stark vereinfacht) in Abbildung 6 dargestellt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Vereinfachtes Strukturbild eines simulierten Roboters (vgl. [8], Dynamics Reference
Manual, S. 3-3)

3.2.1. Kinematische Modellbildung

Das kinematische Modell dient zur geometrischen Beschreibung der Bewegung des IR mit Hilfe geeigneter Koordinaten, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Die Kräfte und Momente, welche diese Bewegung hervorrufen oder von ihr verursacht werden, werden dabei nicht berücksichtigt [16].

Konkret beinhaltet dies die Vorgabe von Achsen und ihren Parametern: Länge und Lage der Roboterglieder in Achskoordinaten, Achstyp (rotatorisch oder translatorisch), Verfahrbereich sowie maximale Geschwindigkeit und Beschleunigung. Damit lassen sich wichtige Kenndaten wie etwa Form und Größe des Arbeitsraumes des IR beschreiben, d.h. des Bereiches, den sein Werkzeug (Tool Center Point, TCP) erreichen kann. Dazu müssen aus den Stellungen der einzelnen Glieder in den Achskoordinatensystemen (AKS) durch Koordinatentransformation die Position und Orientierung des TCP im Bezugskoor-dinatensystem (BKS) berechnet werden. Dies kann beispielsweise mit Transformationsmatrizen geschehen, welche Verschiebung, Verdrehung, Verzerrung und Verkleinerung bzw. Vergrößerung von Objekten beim Übergang in ein anderes Koordinatensystem beschreiben. Im sogenannten Framekonzept, das der Beschreibung von Roboterbewegungen meist zugrunde liegt, beschränkt sich die Transformation auf Rotation und Translation [12].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Anteile einer homogenen Transformationsmatrix [6]

Das direkte kinematische Problem

Da die Bahnplanung des IR im Bezugskoordinatensystem erfolgt, ist bei jedem Bewegungsschritt eine Umrechnung von Achskoordinaten in Bezugskoordinaten nötig. Diese Aufgabe wird direktes kinematisches Problem genannt und kann durch die sogenannte Vorwärtstransformation gelöst werden.

Eine Methode zur Vorwärtstransformation stellt das Verfahren nach Denavit-Hartenberg bereit. Dabei werden Transformationsmatrizen erstellt, die durch die folgenden vier Parameter bestimmt sind [22]: die Distanz d und den Winkel q zwischen zwei miteinander verbundenen Robotergliedern sowie die Länge a und die Verdrehung a des aktiven, d.h. des zweiten Gliedes (Abbildung 8). Der Parameter d ist dabei für ein translatorisches Gelenk variabel, der Parameter q für ein rotatorisches. Die entsprechenden Zahlenwerte kann man berechnen, indem man die Transformationsmatrix mit dem Positionsframe eines Gliedes gleichsetzt:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](1)

Daraus erhält man:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](2)

Durch wiederholtes Anwenden berechnet man so die einzelnen Transformationsmatrizen Ai, welche die Gelenke und Glieder des Mechanismus’ vollständig beschreiben. Wenn diese Matrizen nun wie folgt aufmultipliziert werden,

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](3)

gibt die resultierende 4x4-Matrix E die gesuchte Transformation des TCP-Frame an. Damit ist das direkte kinematische Problem gelöst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Gelenkparameter di, qi, ai und ai [20]

Das inverse kinematische Problem

Die von der Robotersteuerung vorgegebenen kartesischen Sollpositionen müssen vom Bezugskoordinatensystem ausgehend wieder in achsspezifische Koordinaten umgerechnet werden (siehe Abbildung 9), woraus sich das sogenannte inverse kinematische Problem ergibt. Dessen Lösung erfolgt durch Rückwärtstransformation. Die Schwierigkeit hierbei ist, daß dieses Problem meist keine eindeutige Lösung hat, da ein IR einen Punkt in verschiedenen Achskonfigurationen anfahren kann (z.B. in acht möglichen Konfigurationen bei einem 6-Achsen-Roboter).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Anwendungsbereiche der Koordinatentransformation [3]

Die Methoden zur Rücktransformation lassen sich in analytische und numerische Verfahren unterteilen. Dabei ist zu beachten, daß analytische Verfahren nur für einfache, sog. rechnergerechte Robotergeometrien möglich sind. Diese liegen vor, wenn sich aufeinanderfolgende Bewegungsachsen in einem Punkt schneiden und alle Armelemente auf einer Ebene liegen [3]. Bei komplizierteren Konfigurationen werden wegen der entstehenden nichtlinearen Gleichungssysteme meist numerische Verfahren zur Auflösung des Systems nach den Gelenkvariablen benötigt. Diese beruhen auf Linearisierungen um den Arbeitspunkt, so etwa ein modifiziertes Newtonverfahren nach [13].

Bei den analytischen Verfahren wird dagegen Gleichung (3) explizit nach den einzelnen Gelenkwinkeln qi aufgelöst:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten (3’)

Dies hat den Vorteil, daß alle möglichen Achsstellungen, die sich beim Anfahren eines Punktes im Arbeitsraum ergeben, berücksichtigt werden können. Die jeweils sinnvollste kann dann mittels verschiedener Strategien ausgewählt werden. Außerdem liefern analytische Verfahren durch ihre mathematisch exakten Beziehungen Ergebnisse von hoher Genauigkeit und benötigen hierfür meist weniger Rechenzeit als numerische.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Basisstruktur der kinematischen Kette des IR KUKA 364/15

3.2.2. Kinetische Modellbildung

Wie in der Kinematik geht man auch in der Kinetik von den Voraussetzungen aus, daß das zu Grunde gelegte Robotersystem

- als starres Mehrkörpersystem mit Baumstruktur modelliert werden kann,
- in den Gelenken und Führungen spielfrei ist und
- mit beliebigen Kräften und Momenten beaufschlagt sein kann [13].

Die Aufgabe der kinetischen Modellierung ist jedoch im Gegensatz zur kinematischen die Ermittlung der an den einzelnen Gliedern eines Industrieroboters angreifenden Kräfte und Momente, die durch die Größen

- Achsstellung,
- Achsgeschwindigkeit,
- Achsbeschleunigung und die
- Kräfte und Momente am TCP

beeinflußt bzw. hervorgerufen werden. Dadurch können die Stellkräfte bzw. -momente berechnet werden, die notwendig sind, um den Arm auf der von der Bahnplanung vorgegebenen Trajektorie definiert zu bewegen. Diese Aufgabenstellung wird allgemein als inverses Problem bezeichnet [3].

Das inverse Problem

Die Kräfte, die während der Bewegung auf den IR einwirken, sind verschiedenen Ursprungs. Im einzelnen können die folgenden Einflüsse auftreten: Trägheitskräfte, Gravitationskräfte, Reibungskräfte, gyroskopische Kräfte (Coriolis- und Zentrifugalkräfte), eingeprägte Kräfte (Störkräfte, z.B. Handlast), Antriebskräfte sowie entsprechende Momente.

Die starke, durch die Kinematik des IR bedingte Nichtlinearität des gesamten Systems hat zur Folge, daß bei der Bewegung des Manipulators störende dynamische Koppelungen der Achsen auftreten. Die Bewegung selbst kann für einen Roboter mit n Achsen durch das folgende Gleichungssystem beschrieben werden [6]:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](4)

Dabei bezeichnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das in Gleichung (4) formal dargestellte Bewegungsgleichungssystem läßt sich mit Hilfe verschiedener Verfahren für jeden gewünschten Industrieroboter explizit aufstellen. Man unterscheidet dabei zwei Verfahren, das nach Lagrange und dasjenige nach Newton-Euler. Beide sollen im folgenden kurz erläutert werden.

Das Verfahren nach Lagrange

Das mechanische Verfahren von Lagrange, das auch als analytische Methode bezeichnet wird, geht davon aus, daß die virtuelle Arbeit der Massenbeschleunigungen gleich der virtuellen Arbeit der am System angreifenden Kräfte ist und beruht damit auf dem d’Alembertschen Prinzip. Beschreibt man die Arbeit mittels potentieller und kinetischer Energien, so erhält man die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](5)

Dabei bezeichnen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unter generalisierten Kräften sind dabei diejenigen zu verstehen, die nicht aus Potentialen ableitbar sind, z.B. eingeprägte Kräfte. Im Fall des Roboters handelt es sich demnach um die Antriebs- und Reibungskräfte bzw. -momente. Als generalisierte Koordinaten sind direkt die Gelenkwinkel einzusetzen [20].

Das aus Gleichung (5) resultierende Bewegungsgleichungssystem gemäß Gleichung (4) stellt sich oft als sehr umfangreich und die notwendigen Ableitungen als unübersichtlich heraus. Deshalb bietet sich das Prinzip von Lagrange insbesondere für kinematische Ketten mit einer geringen Zahl von Freiheitsgraden an. Infolgedessen wird auf Industrieroboter meist die Methode nach Newton-Euler angewandt.

Das Verfahren nach Newton-Euler

Dieses Verfahren wird auch synthetische Methode genannt und beruht auf rekursiven Beziehungen zwischen den Gliedern der kinematischen Kette. Diese werden zunächst freigeschnitten und mit den wechselwirkenden Kräften nach dem prinzip actio = reactio beaufschlagt. Danach werden die zu übertragenden Kräfte und Momente rekursiv vom Greifer ausgehend bis zum Fuß durch Anwendung des Impuls- und Drallsatzes berechnet [10]. Die Newton-Eulerschen Gleichungen für ein isoliertes Teilelement lauten:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](6)

Dabei bezeichnen:

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](7)

mit x als Ortsvektor des Schwerpunkts des Elements, gefolgt von Differentiation und Gleichsetzen mit den Gleichungen (6) erhält man wiederum das Bewegungsgleichungssystem (4). Dessen genaue Form hängt davon ab, welche Kräfte (Reibung, Gravitation etc.) berücksichtigt wurden. Diese Frage der konkreten Modellierung ist Thema des nächsten Abschnitts.

Der Vorteil des Newton-Euler-Verfahrens ist seine anschauliche Gleichungsstruktur, die den Bedürfnissen von IR entspricht und gut mit Denavit-Hartenberg-Matrizen kombiniert werden kann. Hinzu kommt, daß eine Komprimierung der Bewegungsgleichungen durch physikalisch sinnvolle physikalische Abkürzungen möglich ist, was den Rechenaufwand reduziert [18].

Zu beachten ist allerdings, daß das Verfahren nach Newton-Euler keine Allgemeingültigkeit besitzt. Es muß an die jeweils untersuchten Kinematikformen angepaßt werden. Außerdem ist die Behandlung geschlossener kinematischer Ketten, d.h. solcher mit mehreren festen Elementen, grundsätzlich nicht möglich.

3.2.3. Das resultierende inverse Modell des Roboters

Bei der konkreten Modellierung des Roboters war zunächst die Frage zu beantworten, welche dynamischen Einflüsse berücksichtigt werden sollten. Je nach der Höhe der Anforderungen an die Genauigkeit der Simulation des betrachteten Systems ist mehr oder weniger Aufwand bei der Ermittlung der erforderlichen Parameter notwendig bzw. aus Wirtschaftlichkeitsaspekten zu rechtfertigen. Die Kernfrage ist immer, ob die Modellierung einer Eigenschaft mit der anvisierten Genauigkeit überhaupt sinnvoll ist, wenn zugleich bei anderen Parametern unter Umständen viel größere Ungenauigkeiten in Kauf genommen werden müssen [15].

Verschiedene Ansätze zur dynamischen Modellbildung finden sich zum Beispiel bei Schumann [19] und Seeger [20]. Dieser Untersuchung soll jedoch ein vereinfachtes Modell nach Anton [1] zugrundegelegt werden, welches folgende dynamischen Komponenten enthält:

- Massen
- Trägheiten
- Reibung

Die Modellierung wurde dabei für alle Achsen vorgenommen, da Daten, die für die Hauptachsen vorlagen, auch für die Handachsen existierten oder zumindest ermittelt werden konnten. Laut [15] sind die dynamischen Eigenschaften der Handachsen zwar meist zu vernachlässigen, im vorliegenden Fall bestand jedoch die Absicht, das Modell soweit als möglich vollständig zu gestalten. Außerdem erleichtert die Berücksichtigung der Handmassen die Einbindung von Effektorlasten in das System.

Nicht modelliert wurden hingegen die nachstehenden dynamischen Einflüsse:

- Elementsteifigkeiten
- Getriebesteifigkeiten
- TCP-Kräfte

Auf den dritten Punkt kann verzichtet werden, da dessen Berücksichtigung zu applikationsspezifisch wäre. Ferner treten bei den Anwendungen, für die die Dynamik-simulation wegen der geforderten hohen Bahngeschwindigkeiten besonders geeignet ist, wie etwa dem Laserschneiden, am TCP kaum Belastungen außer eventuellen Handlasten auf. Diese können einfach integriert werden, indem man Masse, Trägheit und Schwerpunktlage des letzten Gliedes des IR entsprechend korrigiert.

Die Nachbildung der Elastizitäten der einzelnen Elemente konnte ebenfalls vernachlässigt werden, weil diese so gering sind, daß sie keine praktischen Auswirkungen haben. Eine Berücksichtigung dieser Kenngrößen wäre allenfalls bei Leichtbaurobotern mit geringerer Steifigkeit angebracht.

Bezüglich der Getriebeelastizitäten ändert sich der Sachverhalt, da sich die daraus resultierenden Fehler bis in den Bereich von 1 mm ertrecken können [4]. Aus zwei Gründen wurde jedoch auf eine Modellierung der Gertiebefehler verzichtet: zum einen, da das kinetische Modell - zum Zwecke der qualitativen Untersuchung - überschaubar bleiben sollte, weshalb ein Starrkörpermodell bevorzugt wurde, zum anderen, da seitens des Herstellers keine entsprechenden Daten verfügbar waren und auch nicht experimentell ermittelt werden konnten. Aus dem gleichen Grund wurden auch Getriebespiel und sonstige Toleranzen des Roboters vernachlässigt.

Damit ergibt sich als formales Bewegungsgleichungssystem die folgende Abwandlung von Gleichung (4):

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](4’)

Für die konkrete Realisierung des Modells im Simulationssystem waren folglich die nachstehenden Daten zu ermitteln:

- Massen der Roboterglieder
- Schwerpunktlagen
- Hauptträgheitsmomente von Antrieben und Gliedern
- Reibungsverhältnisse in Antrieben und Gelenken
- Getriebeübersetzungen

Diese Werte wurden zusammen mit den Reglerdaten (siehe 3.2.4.) in einer Parameterdatei bereitgestellt (die Beschreibung der Datenermittlung erfolgt in Abschnitt 4.2.1.). Damit konnte anschließend das Modul für die dynamische Vorwärtstransformation realisiert werden, das sogenannte Forward-Modul. Es hat die Aufgabe, den Roboter als T1-Glied zu simulieren, d.h. aus den vom Regler vorgegebenen Antriebsmomenten unter Berücksichtigung der dynamischen Eigenschaften die resultierenden Achsvariablen (Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung) zu bestimmen. Die folgende Abbildung zeigt das Blockschaltbild des Forward-Moduls. Es entspricht dem IR-Modell in Abbildung 6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Blockschaltbild des inversen Modells des Roboters

3.2.4. Reglerentwurf

Wie Abbildung 6 zu entnehmen war, muß neben einem dynamischen Modell des IR auch ein Regelalgorithmus entworfen werden, der aus den gegebenen Soll- und Istgrößen die erforderlichen Antriebsmomente generiert. Das Simulationssystem IGRIP bietet bereits einen Standard-PID-Regler an, der jedoch ungeeignet ist, erstens, da andere Konzepte ein besseres Regelverhalten zeigen (in Bezug auf Schnelligkeit, Genauigkeit und Störverhalten), und zweitens, was ausschlaggebend ist, da er nicht dem vom realen Roboter benutzten Reglertyp entspricht.

Deshalb wurde dem Konzept des klassischen Kaskadenreglers gemäß [1] der Vorzug gegeben, was heutzutage der Realität in den meisten Robotersteuerungen entspricht. Konkret wurde ein P-PI-Kaskadenregler mit einem digitalen P-Lageregler und unterlagertem analogem PI-Geschwindigkeitsregelkreis mit Geschwindigkeitsvorsteuerung verwandt, wie er in Abbildung 12 dargestellt ist. Dieses Reglerkonzept hat auf Grund der Vorsteuerung gegenüber anderen den Vorteil, daß die Schleppabstände (Regeldifferenz) reduziert werden [4]. Der PI-Geschwindigkeitsregler sorgt darüber hinaus für eine schnelle Störungsausregelung ohne bleibende Regelabweichung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Strukturbild eines P-PI-Kaskadenreglers mit Streckenmodell

Um den Regelalgorithmus in Programmform zu realisieren, mußten folgende Daten gewonnen werden, welche zusammen mit den restlichen Dynamikdaten in der erwähnten Parameterdatei abgelegt werden:

- Reglertaktzeit
- Charakteristika des Wegmeßsystems
- maximale Schleppfehler der Einzelachsen
- maximale Sollgeschwindigkeiten
- maximale Antriebsmomente
- Getriebewirkungsgrade
- Eingangsstörungen (Offsetspannung)
- Verstärkungsfaktoren des Reglers

Mit diesen Werten wurde das Reglermodul, im folgenden auch Control-Modul genannt, als C-Programm ausgeführt. Die Reglerstruktur mit den einzelnen Komponenten P-Lageregler, PI-Geschwindigkeitsregler, Geschwindigkeitsvorsteuerung und Kompensation der Offsetspannung als Eingangsstörung läßt sich der folgenden Abbildung entnehmen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht dargestellt sind Umrechnungsfaktoren und Begrenzungen von Größen bei Bereichsüberschreitung. Hierzu sei auf Abschnitt 4.2.5. und Anhang C) verwiesen. Die Bezeichnungen der Verstärkungsfaktoren entsprechen den später im Programm benutzten Variablennamen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Blockschaltbild des P-PI-Reglers

4. Durchführung

Der Theorie soll nun die Praxis folgen. In diesem Kapitel wird beschrieben, wie das Forward- und das Control-Modul im Simulationssystem implementiert, wie die notwendigen Daten beschafft und welche Tests anschließend durchgeführt wurden.

4.1. Ausgangssituation

Zu Beginn soll die Hard- und Software beschrieben werden, die bei der Untersuchung Verwendung fand. Dabei werden der zugrundeliegende Robotertyp, das Simulationssystem und die bereits vorhandenen Prototypen der Dynamikmodule getrennt behandelt.

4.1.1. Industrieroboter KUKA IR 364

Die Roboter der Serie IR 364 sind vertikale Gelenkroboter mit sechs rotatorischen Achsen. Sie sind für alle Bahnsteuerungsaufgaben verwendbar, besonders für MIG/MAG- und YAG-Laserstrahlschweißen, Bearbeiten, Handhaben, Montieren und Auftragen von Kleb- Dicht- und Konservierungsstoffen. Die durchgeführte Simulation bezieht sich auf den Roboteryp IR 364/15.0 mit 15 kg Nenntraglast (siehe Abb. 14).

Die Grundkörper der Hauptbaugruppen mit Ausnahme von Arm und Hand bestehen aus geschweißten Stahlteilen. Hieraus resultiert eine hohe Steifigkeit und Eigenfrequenz des Geräts, das dadurch ein gutes dynamisches Verhalten aufweist. Als Antriebe dienen bürstenlose Wechselstrom-Servomotoren, die über Untersetzungsgetriebe wirken. Gelenke und Getriebe sind weitgehend spielfrei, was den Verzicht auf die Modellierung dieser Eigenschaften erleichterte.

Der IR besteht aus einem feststehenden Grundgestell, auf dem sich um eine senkrechte Achse das Karussell mit Schwinge, Arm und Hand dreht. Die Schwinge ist im Karussell und der Arm in der Schwinge einseitig mit waagerechter Achse gelagert. Die Hand ist vorne am Arm auf dessen Längsachse montiert und trägt einen Anbauflansch zur Aufnahme von Werkzeugen. Der gesamte Roboter weist eine Höhe von ca. 1400 mm und eine Länge von ca. 1600 mm auf (bei waagerechtem Arm). Die Wiederholgenauigkeit liegt unter 0,1 mm.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Industrieroboter KUKA IR 364/15.0

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1996
ISBN (eBook)
9783832461843
ISBN (Paperback)
9783838661841
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg – Maschinenbau
Note
1,0
Schlagworte
robotik offline-programmierung bahngenauigkeit kalibrierung
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Titel: Entwicklung eines Konzepts zur realistischen Simulation des dynamischen Verhaltens von Industrierobotern
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