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Community-Feedback und Verhalten in sozialen Medien

Eine empirische Analyse subjektiver und objektiver Faktoren am Beispiel der App Jodel

©2017 Bachelorarbeit 44 Seiten

Zusammenfassung

Das Schlagwort „Social Media“ hat in den letzten Jahren seit der Gründung von Facebook im Jahre 2004 zunehmend an Relevanz zugenommen: Dies mag zum einen an einer stetig und stark wachsenden Nutzerschaft liegen, zum anderen aber auch den weitreichenden Fragen, die dadurch entstehen. So ist die Thematik disziplinenübergreifend zum Gegenstand von sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Studien geworden. Diese Studien untersuchen zum Beispiel, welche Motivationen hinter der Nutzung entsprechender Angebote stecken können oder welche Effekte durch einen entsprechenden
Konsum möglich werden. Andere Studien beschäftigen sich mit Aspekten von sozialen und zwischenmenschlichen Interaktionen sowie deren Einordnung im Kontext der neuen Medien- und Technologieform. Denn neben dem Austausch
von Texten, Fotos, Grafiken und Videos gibt es auf vielen Plattformen zahlreiche weitere Interaktionsformen wie „Gefällt mir“-Angaben, „Daumen hoch“-Bewertungen oder Möglichkeiten der Kommentierung, die zusammengenommen in ihrer Bandbreite die Motivation und das Verhalten der Nutzer ausmachen oder beeinflussen können. Gerade weil im Bereich von sozialen Medien der Wandel schnell und die Innovationsdichte hoch ist, ist eine Forschung zu aktuellen und plattformspezifischen Trends hochaktuell
und relevant.
Mit der vorliegenden Arbeit möchte der Autor einen Beitrag dazu leisten und sich dabei auf die Aspekte des Verhaltens und die Plattform Jodel fokussieren.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



1. Einleitung
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Das Schlagwort ,,Social Media" (deutsch: soziale Medien) hat in den letzten Jahren seit der
Gründung von Facebook im Jahre 2004 zunehmend an Relevanz zugenommen: Dies mag
zum einen an einer stetig und stark wachsenden Nutzerschaft liegen (Perrin, 2015), zum ande-
ren aber auch den weitreichenden Fragen, die dadurch entstehen. So ist die Thematik diszipli-
nenübergreifend zum Gegenstand von sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Studien ge-
worden. Diese Studien untersuchen zum Beispiel, welche Motivationen hinter der Nutzung
entsprechender Angebote stecken können oder welche Effekte durch einen entsprechenden
Konsum möglich werden (Park, Kee, & Valenzuela, 2009). Wieder andere Studien beschäfti-
gen sich mit Aspekten von sozialen und zwischenmenschlichen Interaktionen sowie deren
Einordnung im Kontext der neuen Medien- und Technologieform. Denn neben dem Aus-
tausch von Texten, Fotos, Grafiken und Videos gibt es auf vielen Plattformen zahlreiche wei-
tere Interaktionsformen wie ,,Gefällt mir"-Angaben, ,,Daumen hoch"-Bewertungen oder Mög-
lichkeiten der Kommentierung, die zusammengenommen in ihrer Bandbreite die Motivation
und das Verhalten der Nutzer ausmachen oder beeinflussen können (Burrow & Rainone,
2017).
Gerade weil im Bereich von sozialen Medien der Wandel schnell und die Innovations-
dichte hoch ist, ist eine Forschung zu aktuellen und plattformspezifischen Trends hochaktuell
und relevant. Mit dieser Bachelorarbeit möchte ich einen Beitrag dazu leisten und mich dabei
auf die Aspekte des Verhaltens und die Plattform Jodel fokussieren. Bevor auf die wissen-
schaftlichen Fragestellungen der Arbeit näher eingegangen wird, wird zunächst der theoreti-
sche Hintergrund beschrieben.
2. Verhalten in sozialen Medien: Theoretische Annahmen und Befunde
Die Frage nach einer theoretischen und empirie-basierten Erklärung von Verhalten in sozialen
Medien unter Berücksichtigung von Community-Feedback wird zunächst einleitend unter der
Frage betrachtet, wie sich Verhalten in sozialen Medien im Allgemeinen, also ohne Bezug zu
Fragen der Relevanz von Feedback, wissenschaftlich erklären lässt. Darauf aufbauend wird
der Frage nachgegangen, wie ein möglicher Zusammenhang zwischen Community-Feedback
und medialem Verhalten wissenschaftlich erklärbar sein könnte.
Aufgrund der einfacheren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die grammatikalisch männliche Sprachform verwendet, die
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weibliche Sprachform ist dabei aber selbstverständlich immer impliziert.
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2.1 Verhalten in sozialen Medien
Es ergeben sich Hinweise darauf, dass virtuelles Verhalten in sozialen Medien (z. B. das Ver-
senden von Selbstportraits [selfies]; das Versenden von anderen Fotos oder sprachlichen Bei-
trägen über verschiedene Themen) zumindest teilweise durch ähnliche Faktoren gesteuert
wird wie reales Verhalten in sozialen Situationen (z. B. Burrow & Rainone, 2017). Dies recht-
fertigt, zur Erklärung von virtuellem Verhalten auf psychologische Annahmen und Befunde
zurückzugreifen, anhand derer reales Verhalten in sozialen Situationen wissenschaftlich zu
erklären versucht wird. Zunächst stellt sich die Frage, was Menschen motiviert, einen nicht
unerheblichen Teil ihrer Lebenszeit in die Nutzung sozialer Medien zu investieren. Dieselbe
Frage kann allerdings auch mit Bezug auf reale soziale Kontakte und Interaktionen gestellt
werden. Bezogen auf letztere Frage liefert die Soziometer-Theorie von Baumeister und Leary
eine erste Antwort (Baumeister & Leary, 1995; Leary & Baumeister, 2000). So ist es evoluti-
onsbiologisch betrachtet für das Überleben der Menschheit wichtig, zu einer Gruppe dazuzu-
gehören. Die Autoren gehen demnach davon aus, dass Menschen in sozialen Kontakten bzw.
Interaktionen primär nach sozialer Zustimmung bzw. einem Gefühl der Zusammengehörigkeit
(need to belong) suchen; letztlich wollen Menschen in sozialen Interaktionen nach Ansicht der
Autoren ihren Beziehungswert und schlussendlich ihr Selbstwertempfinden steigern. Das
Selbstwertempfinden sollte steigen, wenn Menschen wahrnehmen, dass sie in hohem Maße zu
einem sozialen Netzwerk dazugehören; demgegenüber sollte es sinken, wenn sie wahrneh-
men, nur in geringem Ausmaß Teil eines sozialen Netzwerkes zu sein. Das Selbstwertgefühl
ist sozusagen nach dieser Theorie ein Gradmesser (Soziometer) dafür, wie stark jemand sein
Zusammengehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe wahrnimmt.
Forschungsbefunde zu Selbstangaben über die Ziele bei der Nutzung sozialer Medien
deuten darauf hin, dass es den Nutzern häufig darum zu gehen scheint, virtuelle Freundschaf-
ten, oder soziale Netzwerke zu initiieren, zu pflegen oder zu erweitern (z. B. Pempek, Yermo-
layeva, & Calvert, 2009; Nadkarni & Hofmann, 2012; Valkenburg & Peter, 2007). Die Befun-
de sind demnach grundsätzlich vereinbar mit der Soziometer-Theorie (Baumeister & Leary,
1995; Leary & Baumeister, 2000) wie auch mit anderen motivationspsychologischen Konzep-
ten, bei denen ein Anschlussmotiv (als Motiv nach Kontakt, Geselligkeit) angenommen wird,
das soziale Beziehungen regulieren soll (z. B. Kontakt mit Fremden aufnehmen; vgl. Soko-
lowski, 2009).
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Allerdings scheinen weitere motivationspsychologische Faktoren das Verhalten in so-
zialen Medien zu steuern. So untersuchten Sung, Lee, Kim und Choi (2016) anhand einer On-
line-Befragung, warum Menschen Selbstportraits (sogenannte selfies) über soziale Medien ver-
schicken. Die Befragten gaben an, dass sie das tun, um (a.) Aufmerksamkeit zu bekommen (at-
tention seeking), (b.) mit anderen zu kommunizieren (communication), (c.) zu dokumentieren
(archiving) oder (d.) zur Unterhaltung (entertainment). Ein weiteres Ergebnis der Studie war,
dass die vier genannten motivationalen Faktoren sowie das Persönlichkeitsmerkmal Narzissmus
(Selbstzentriertheit / Selbstverliebtheit) die subjektiv angegebene Stärke der Absicht vorhersag-
ten, zukünftig weitere Selbstportraits zu verschicken. In Bezug auf subjektive Angaben zur
Häufigkeit des Versendens von Selbstportraits hatte nur das Merkmal Narzissmus Vorhersage-
kraft. Die Studie ist demnach informativ, da sie neben der Motivation, das Zusammengehörig-
keitsgefühl (need to belong), weitere Motivationen sowie ein Persönlichkeitsmerkmal (Nar-
zissmus) als steuernde Faktoren für das Verhalten in sozialen Medien aufzeigt. Kritisch ist aller-
dings zu sagen, dass diese Studie, wie viele andere Untersuchungen in diesem Forschungsfeld,
ausschließlich Selbstangaben der Befragten herangezogen hat, ohne z. B. Aussagen zur Nut-
zungsfrequenz sozialer Medien anhand objektiver Verhaltensdaten zu validieren. Ferner ist zu
erwähnen, dass der von den Autoren entwickelte und in der Studie eingesetzte Fragebogen nur
die oben beschriebenen vier motivationalen Faktoren abfragte. Es können demnach auch noch
andere, in dem Fragebogen nicht abgebildete motivationale Faktoren das Verhalten in sozialen
Medien steuern.
Ein Faktor, der das Verhalten in sozialen Medien steuern könnte, ist die Häufigkeit und
Art des Community-Feedbacks (positiv/negativ) auf Beiträge der Nutzer sozialer Medien sowie
die persönliche Wichtigkeit von Community-Feedback für die Nutzer. Auf diesen Aspekt wird
im nächsten Kapitel eingegangen.
2.2 Community-Feedback und Verhalten in sozialen Medien
Verhalten in sozialen Medien zielt vermutlich darauf ab, möglichst viele Zustimmungen (z. B.
,,likes" oder ,,Upvotes") und möglichst wenig Ablehnungen (negative Reaktionen oder
,,Downvotes") zu erzielen. Diese Motivation nach sozialer Zustimmung (social affirmation)
ähnelt Verhalten in realen Interaktionen, bei denen es nach der Soziometer-Theorie (Baumeis-
ter & Leary, 1995; Leary & Baumeister, 2000) darum geht, durch soziale Zustimmung den
Beziehungswert und damit das Selbstwertempfinden als Indikator (Soziometer) für das Zu-
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sammengehörigkeitsgefühl zu steigern. In aktueller Forschung zum Verhalten bei Facebook
(Burrow & Rainone, 2017) wurde die Soziometer-Theorie zugrunde gelegt und es konnte so-
wohl in einer Fragebogen-Studie als auch in einer experimentellen Studie gezeigt werden,
dass die Anzahl positiver Zustimmungen (,,likes") bei Facebook das Ausmaß des Selbstwert-
erlebens vorhersagte (je mehr ,,likes", desto höheres Selbstwertempfinden). Allerdings konn-
ten die Autoren auch zeigen, dass dieser Zusammenhang abgeschwächt wurde, wenn die
Facebook-Teilnehmer hohe Werte in einem Fragebogen (Scheier et al., 2006) aufwiesen, der
die Zielorientierung im Leben (Lebenssinn) messen soll (z. B. ,,Alles was ich tue, ist für mich
wertvoll"; ,,Es gibt für mich viele Gründe, die das Leben lebenswert machen"). Menschen
mit hoher Zielorientierung bzw. hohem empfundenen Lebenssinn scheinen demnach weniger
empfänglich zu sein für positives Feedback in sozialen Medien (,,likes") zum Zwecke der
Selbstwertsteigerung als Menschen, die eine weniger hoch ausgeprägte Zielorientierung im
Leben haben.
Als Limitation ihrer Studien geben Burrow und Rainone (2017) an, dass sie sich aus-
schließlich auf die Wirkung positiver Kommentare und ausschließlich auf die Nutzung von
Facebook konzentriert haben, während die Wirkung negativer Kommentare noch weitgehend
unerforscht ist und auch spezifische Faktoren des Nutzungsverhaltens in anderen, neueren so-
zialen Medien noch weitgehend unbekannt sind. Es lässt sich damit festhalten, dass die Unter-
suchung von Auswirkungen positiven sowie negativen Community-Feedbacks auf das Nut-
zungsverhalten in anderen sozialen Medien als Facebook - wie in dieser Arbeit angezielt - ein
hoch aktuelles Forschungsthema ist.
Es ist ferner davon auszugehen, dass bei Aktivitäten in sozialen Medien aus motivati-
onspsychologischer Sicht von Bedeutung ist, ob soziales Feedback mit Blick auf das Motiv-
oder Wertesystems einer Person überhaupt von Wichtigkeit für die jeweilige Person ist. So
unterscheiden sich Menschen motivationspsychologischer Forschung zufolge im Hinblick auf
ihre Motivstruktur z. B. dahingehend, wie stark die drei zentralen Motive, nämlich das An-
schlussmotiv, das Leistungsmotiv und das Machtmotiv bei ihnen ausgeprägt sind (Schmalt &
Sokolowski, 2006). Das Anschlussmotiv, also das Bedürfnis nach Zusammensein bzw. Kon-
takt mit anderen kommt im übertragenen Sinn auch bei Kontakten in sozialen Netzwerken
zum Tragen. Menschen, bei denen das Anschlussmotiv sehr gering ausgeprägt ist, werden sich
vermutlich kaum am Austausch in sozialen Medien beteiligen. Aber auch jene, die sich am
Austausch in sozialen Medien beteiligen, werden sich dahingehend unterscheiden, wie wich-
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tig ihnen das Feedback der Community ist. Eine bisher kaum erforschte Fragestellung ist,
welche Rolle die subjektive Wichtigkeit von Community-Feedback im Zusammenhang mit
dem Nutzungsverhalten in neueren sozialen Medien spielt. Diese Fragestellung soll daher in
der vorliegenden Arbeit aufgegriffen werden.
Ein weiteres Thema, dass im Zusammenhang mit dem Community-Feedback und
Nutzungsverhalten in sozialen Medien von Bedeutung ist, sind die durch Feedback ausgelös-
ten Emotionen und deren Bedeutung für die Steuerung des Verhaltens in sozialen Medien. Auf
diesen Aspekt wird im folgenden Kapitel eingegangen.
2.3 Community-Feedback, Emotionen und Verhalten in sozialen Medien
Es ist davon auszugehen, dass soziales Feedback mit Emotionen einhergeht, die ihrerseits für
das weitere Verhalten von Bedeutung sein können. So sind emotionale Reaktionen infolge
von positivem oder negativem Feedback nach Fishbach, Eyal und Finkelstein (2010) ein zen-
traler Faktor für das weitere Verhalten: ,,The feedback individuals receive has affective conse-
quences: It makes people feel good or bad. We propose that these affective consequences are
a critical outcome of feedback, which enables behavioral change in response to
feedback" (Fishbach, Eyal, & Finkelstein, 2010, S. 523). Auch in anderen motivationspsycho-
logischen Konzepten werden Emotionen als ,,basale Antriebs- und Richtungs-
systeme" (Rheinberg, 2009, S. 670) verstanden, die das Verhalten steuern können und somit in
ihrer Funktion Motivsystemen sehr ähnlich sein sollen. Rothermund und Eder (2009) betonen
darüber hinaus die wechselseitige Beeinflussung von Verhalten und Emotionen: ,,Die Einord-
nung von Handeln in den Kontext der Zielverfolgung ist zugleich ein Schlüssel zum Verständ-
nis des Zusammenhangs zwischen Emotion und Handeln: Die im Zuge der Zielverfolgung ein-
tretenden Situationen und ihre Bewertung mit Blick auf die Erreichung (oder Nichterrei-
chung) persönlicher Ziele sind wichtige Determinanten emotionaler Reaktionen. Die hierbei
entstehenden affektiven Zustände sind jedoch kein bloßes Epiphänomen der Zielverfolgung.
Emotionen regulieren Kognition, Motivation und Verhalten in vielfältiger Weise und wirken so
auf das zielgerichtete Handeln zurück" (Rothermund & Eder, 2009, S. 675). Auch in der So-
ziometer-Theorie (Baumeister & Leary, 1995; Leary & Baumeister, 2000) wird davon ausge-
gangen, dass Selbstwertbedrohungen als Gradmesser bzw. Soziometer für drohenden Aus-
schluss aus der sozialen Gruppe mit Emotionen einhergehen, die ihrerseits die Funktion ha-
ben, sozusagen als Frühwarnsystem zu alarmieren, dass sozialer Ausschluss drohen könnte.
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Als einer der besten Indikatoren für Veränderungen im Selbstwertgefühl werden demzufolge
Selbstberichte über das Befinden bzw. die Stimmung angesehen (Heatherton & Polivy, 1991).
Übertragen auf die Frage, wie Community-Feedback und Verhalten in sozialen Medi-
en zusammenhängen, ist davon auszugehen, dass Community-Feedback (z. B. ,,Likes", ,,Up-
votes" oder ,,Downvotes") zu positiven oder negativen Emotionen führt (z. B. Ärger, Freude),
die im weiteren Verlauf ihrerseits zur Aktivierung oder Absenkung der Verhaltensrate im Sin-
ne der weiteren Beteiligung an sozialen Medien beitragen können. Demnach könnten Art und
Ausmaß der emotionalen Reaktivität auf Community-Feedback ihrerseits z. B. zur Steigerung
oder zur Senkung der weiteren Nutzungsfrequenz sozialer Medien beitragen. Allerdings könn-
te dies davon abhängigen, welcher Art die emotionale Reaktivität auf Community-Feedback
ist. So beschreiben Rothermund und Eder (2009), dass es nicht nur zwischen positiven und
negativen Emotionen in ihrer Bedeutung für ein weiteren Annäherungs- bzw. Ablösungsver-
halten gegenüber einem Ziel geht, sondern dass auch noch weiter in Bezug auf die Qualität
der Emotionen differenziert werden muss. Demnach ist zu unterscheiden zwischen Emotio-
nen, die zu einer Energetisierung bzw. Aktivierung auf Seiten der Person führen (z. B. Freude,
Ärger, Wut) sowie Emotionen, die eher mit einer Blockierung oder Deaktivierung eines Ver-
haltensprogramms einhergehen (z. B. Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Scham). Des Weite-
ren soll die Frage, ob jemand ein verstärktes Annäherungs- oder Ablösungsverhalten gegen-
über einem Ziel zeigt (hier: weitere Beteiligung an sozialen Medien) auch von weiteren psy-
chischen Faktoren abhängen wie z. B. der subjektiven Wichtigkeit, ein betreffendes Ziel zu
erreichen oder der subjektiven Einschätzung der Person, das betreffende Ziel auch erreichen
zu können (Rothermund & Eder, 2009).
In Bezug auf das Thema Verhalten in sozialen Medien (Nutzungsfrequenz) und Emo-
tionalität liegen bereits erste Studienbefunde vor. So wurde in einer Studie von Kross und
Kollegen (2013) die Häufigkeit der Nutzung von Facebook und die momentane Befindlich-
keit sowie die allgemeine Lebenszufriedenheit bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen
untersucht. An dieser Studie nahmen 82 Personen teil, die im Durchschnitt rund 19 Jahre alt
waren. Die Studienteilnehmer wurden über einen Zeitraum von zwei Wochen täglich fünf
Mal kontaktiert und jeweils um die Beantwortung von fünf Fragen gebeten (1. How do you
feel right now? 2 . How worried are you right now? 3. How lonely do you feel right now?
4. How much have you used Facebook since the last time we asked? 5. How much have
you interacted with other people `directly' since the last time we asked?; Kross et al., 2013,
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S. 2). Als Hauptergebnis zeigte sich folgender Befund: Je höher die subjektiv eingeschätzte
Nutzungsfrequenz bei Facebook war, desto schlechter war die Befindlichkeit. Demgegen-
über zeigte sich dieser Befund nicht bei den subjektiven Angaben zur Häufigkeit direkter
Kontakte. Zudem zeigte sich über den Zeitraum von zwei Wochen hinweg eine Verschlech-
terung der Lebensqualität, die vor und nach der Periode von zwei Wochen anhand eines Fra-
gebogens gemessen worden war. Ob sich diese Befunde generalisieren und replizieren las-
sen werden ist unklar; ebenso ist unklar, aufgrund welcher psychischen Faktoren diese Be-
funde erklärbar sein könnten. Die Autoren weisen selbst auf eine Limitation ihrer Studie hin:
So wurde die Hauptfragestellung anhand einer einzigen Skala erfasst (How do you feel
right now? very positive [0] to very negative [100]; Kross et al., 2013, S. 2). Das setzt vor-
aus, dass sich positive und negative Emotionalität auf einer Dimension abbilden lässt. Plau-
sibler ist, dass positive und negative Emotionen zwei verschiedene Dimensionen des Erle-
bens sind, dass sich demnach die Stimmung dahingehend ändern kann, dass man weniger
(oder gleich viele) positive Emotionen und gleichzeitig mehr (oder gleich viele) negative
Emotionen erlebt. Die Autoren schlussfolgern, dass in zukünftiger Forschung die Emotiona-
lität im Zusammenhang mit der Nutzung sozialer Medien mindestens durch zwei getrennte
Skalen (positive vs. negative Emotionalität) abgebildet werden sollte.
Dies wurde ­ neben anderen Fragestellungen - in einer aktuellen Studie von Greite-
meyer, Mügge und Bollermann (2014) realisiert. Die Autoren gehen ebenfalls in Anlehnung
an die Soziometer-Theorie (Baumeister & Leary, 1995; Leary & Baumeister, 2000) davon
aus, dass durch Kommunikation in sozialen Medien wichtige menschliche Grundbedürfnisse
wie das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit (need to belong) zufrieden gestellt werden. In
zwei verschiedenen Studien untersuchten die Autoren, wie sich die Anzahl der Reaktionen
(z. B. Feedback) bei Facebook auf psychischen Variablen zu Grundbedürfnissen zeigt (Ein-
samkeit, Selbstwertgefühl, Kontrollempfinden, Kohärenzempfinden, Stimmung). In den
Studien zeigte sich, dass sich die Anzahl der Facebook-Reaktionen (Häufigkeit der ,,geposte-
ten" Glückwünsche zum Geburtstag; Anzahl der Kommentare auf eigene Beiträge, unab-
hängig von der Qualität [positiv, negativ] der Beiträge) auf Parametern zu menschlichen
Grundbedürfnissen auswirkten: Je weniger Reaktionen die Facebook-Nutzer erhielten, desto
stärker berichteten sie über Einsamkeit, ein negatives Selbstwertgefühl und andere Parame-
ter des psychischen Erlebens. Allerdings zeigten sich insgesamt nur kleine Effektstärken und
es handelt sich ausschließlich um subjektive Daten. Weitere Untersuchungen zu diesen und
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ähnlichen Fragestellungen sind daher sinnvoll.
2.4 Herleitung der Fragestellung und Hypothesen
Vor dem Hintergrund aktueller Forschungsbefunde (z. B. Burrow & Rainone, 2017) kann da-
von ausgegangen werden, dass Interaktionen in digitalen Sphären, wie sozialen Medien, nach
ähnlichen Regeln ablaufen wie bei realen Interaktionen. Motivationspsychologische Annah-
men (z. B. Baumeister & Leary, 1995; Leary & Baumeister, 2000) lassen sich demnach auch
auf virtuelle Kommunikationen zwischen Nutzern sozialer Medien übertragen. Angesichts
motivations- und emotionspsychologischer Modelle und Befunde (z. B. Rheinberg, 2009; Ro-
thermund & Eder, 2009) lässt sich folgendes Arbeitsmodell als theoretischer Hintergrund der
Fragestellungen formulieren:
Abbildung 1: Arbeitsmodell angelehnt an motivations- und emotionspsychologische Modelle
(z. B. Rheinberg, 2009; Rothermund & Eder, 2009)
Das Modell geht davon aus, dass dispositionelle Variablen ­ wie die Wichtigkeit von Com-
munity-Feedback ­ in konkreten Situationen einhergehen mit emotionalen Reaktionen auf
Community-Feedback (z. B. Ärger, Freude) und motivationalen Faktoren (z. B. Steigerung
oder Absenkung der Motivation), die ihrerseits zum einen auf dispositionelle Variablen (z. B.
Wichtigkeit von Community-Feedback) zurückwirken, und andererseits mit dem konkreten
Verhalten gegenüber sozialen Medien (z. B. Häufigkeit der Nutzung sozialer Medien) zu-
sammenhängen. Zudem sollte reales Community-Feedback als externe Informationsquelle -
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möglicherweise vermittelt über kognitive (z. B. Bewertungsprozesse), motivationale und
emotionale Variablen - das reale Verhalten in sozialen Medien steuern. Allerdings sind mögli-
che psychische Mechanismen der Vermittlung zwischen realem Community-Feedback und
realem Verhalten gegenüber sozialen Medien (im Modell gestrichelt dargestellt) nicht Gegen-
stand dieser Forschungsarbeit. Die Fragestellungen und Hypothesen der Studie 1 und Studie 2
werden vor dem Hintergrund des hier skizzierten Arbeitsmodells (Abbildung 1) abgeleitet.
Studie 1 konzentriert sich ausschließlich auf die Untersuchung subjektiver Faktoren im Kon-
text der Nutzung der App Jodel, während sich Studie 2 ausschließlich auf objektive Faktoren
bezieht (objektiv messbares Community-Feedback, objektive Verhaltensdaten zur Nutzung
der App Jodel). Die jeweiligen Fragestellungen und Hypothesen werden unter 3.2 (Studie 1)
und 3.3 (Studie 2) beschrieben.
3. Methode
Da sich beide Studien dieser Forschungsarbeit auf das Nutzungsverhalten hinsichtlich der
App Jodel beziehen, wird im Folgenden zunächst die App Jodel beschrieben, bevor die beiden
Studien vorgestellt werden.
3.1 Die App Jodel
Die App Jodel wurde im Oktober 2014 erstmals veröffentlicht und hat inzwischen mehr als
1,5 Millionen Nutzer; täglich werden rund fünf Millionen Posts über diese App versendet
(Kreuter 2017). Die App Jodel wird demnach inzwischen als ein sehr erfolgreiches Unter-
nehmen der deutschen Gründerszene aufgefasst. Vor allem deutsche Studierende nutzen die
App hochfrequent; das Startup ist mittlerweile aber auch nach Dänemark, Norwegen, Öster-
reich, Saudi-Arabien, Schweden und die Schweiz expandiert (ebd.). Des Weiteren wird die
App Jodel mittlerweile auch von neu dazu gewonnenen Zielgruppen genutzt: So stellten sich
beispielsweise bei der Bundestagswahl 2017 die Bundes- und Lokalpolitiker aller Parteien
den Fragen der Jodel-Nutzer (Flachsenberg 2017).
Das Prinzip der App ist sehr ausgefeilt: Jeder Nutzer kann ohne vorherige Registrie-
rung anonym eigene Nachrichten (,,Posts") oder Fotos an ein virtuelles schwarzes Brett
(,,Newsfeed") anbringen. Dieser Post wird anschließend allen Nutzern im Umkreis von 10 km
angezeigt, womit die Position des Urhebers entscheidend dafür ist, welche Personen (und
welche Personengruppen, wie Studierende) diesen Post sehen. Sobald ein Post online ist, kann
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961161959
ISBN (Paperback)
9783961166954
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Institut für Medienwissenschaft
Erscheinungsdatum
2017 (November)
Note
1,0
Schlagworte
Social Media Facebook Jodel Netzwerk Community
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Titel: Community-Feedback und Verhalten in sozialen Medien
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