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Sind wir Alten noch zu retten?

Die Entwicklung der Alterssicherungssysteme in Deutschland und die Rente von morgen

©2017 Hausarbeit 32 Seiten

Zusammenfassung

Kein Thema beschäftigt die deutsche Bevölkerung mehr als die Sicherung im Alter. Zu Recht, denn es betrifft uns alle. Der bekannte Satz von Norbert Blüm im Jahre 1986 brennt sich in die Köpfe der Gesellschaft. „Die Rente ist sicher“, so hieß es damals.
Heute sieht das schon anders aus. Die Bundesregierung warnt seit Jahren, die gesetzliche Rente reiche nicht aus. Man solle private Zusatzversicherungen abschließen, um der Altersarmut zu entgehen.
Zinsen, Rendite, Zulagen und andere Begriffe drehen sich um das Thema Rente. Mithilfe ständig neuer Rentengesetze und Reformen versucht die Regierung den Bürgern eine Absicherung im Alter zu ermöglichen. Doch wo liegen die Schwierigkeiten, eine stabile und nachhaltige Alterssicherung für alle Bürger der Bundesrepublik zu gewährleisten? Warum gibt es zahlreiche Altersarmut in einem so reichen Land?
Diese Arbeit soll einen Einblick in die Entstehung der Alterssicherungssysteme in Deutschland geben und welche Anpassungen hinsichtlich des demografischen Wandels vorgenommen wurden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage, wie die Bundesregierung künftig das Problem der Altersarmut zu bekämpfen versucht.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



E
Einleitung
Kein Thema beschäftigt die deutsche Bevölkerung mehr als die Sicherung im Alter. Zu Recht,
denn es betrifft uns alle. Der bekannte Satz von Norbert Blüm im Jahre 1986 brennt sich in
die Köpfe der Gesellschaft. ,,Die Rente ist sicher", so hieß es damals (zit. nach Blüm in
Deutscher Bundestag, 2012).
Heute sieht das schon anders aus. Die Bundesregierung warnt seit Jahren, die gesetzliche
Rente reicht nicht aus. Man soll private Zusatzversicherungen abschließen, um der
Altersarmut zu entgehen.
Zinsen, Rendite, Zulagen und andere Begriffe drehen sich um das Thema Rente. Mithilfe
ständig neuer Rentengesetze und Reformen versucht die Regierung den Bürgern eine
Absicherung im Alter zu ermöglichen. Doch wo liegen die Schwierigkeiten, eine stabile und
nachhaltige Alterssicherung für alle Bürger der Bundesrepublik zu gewährleisten? Warum
gibt es zahlreiche Altersarmut in einem so reichen Land?
Diese Arbeit soll einen Einblick in die Entstehung der Alterssicherungssysteme in
Deutschland geben und welche Anpassungen hinsichtlich des demografischen Wandels
vorgenommen wurden. Von zentraler Bedeutung ist die Frage, wie die Bundesregierung
künftig das Problem der Altersarmut zu bekämpfen versucht?
Ich werden die letzten 30 Jahre der Alterssicherung in den Blick nehmen. Von zentraler
Bedeutung ist neben der gesetzlichen Pflichtversicherung die zusätzliche Private Vorsorge.
Ich möchte hier auf die Betriebliche, Riester und Rürup-Rente näher eingehen und anhand
von kleinen Beispielen verdeutlichen, für wen genau sich diese lohnen. Auf andere
Privatversicherungen oder die Beamtenpension muss ich aus Platzgründen leider verzichten,
da ich mich eher auf die breitere Masse der Gesellschaft beziehen möchte.
Im letzten Teil dieser Arbeit wird die künftige Rentenreform vorgestellt, welche dieses Jahr
noch in Kraft treten soll und wie die daraus resultierende Perspektive für die Zukunft
aussehen wird.
Gerne wäre ich noch auf Alterssicherungssystem in den Nachbarländern, wie Schweden
oder Österreich eingegangen, um einen Vergleich zu verdeutlichen und andere Modelle der
Sicherung im Alter aufzuzeigen. Jedoch muss ich auch hier wegen des Umfangs dieser Arbeit
1

verzichten.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Lesern bedanken, die sich für diese Arbeit
interessieren und sich die Zeit nehmen, die äußerst komplizierten Problematik der
Altersvorsorge zu verstehen.
1
1
Grundgedanke Altersvorsorge
Die gesetzliche Rentenversicherung steht für Kontinuität und Anpassungsfähigkeit
gleichermaßen und genießt nach wie vor eine hohe Akzeptanz in unserer Gesellschaft, so
die Bundesvorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung, Annelie Buntenbach.
Sie bemerkt, dass die Rente den Menschen die Sicherheit für ausreichende Versorgung nach
einem langen Erwerbsleben biete. Die Sicherung der Versorgung im Alter sei jedoch auch
zukünftig eine Daueraufgabe der Bundesregierung, Rentenversicherung und
Selbstverwaltung (vgl. Deutsche Rentenversicherung, 2014). Als permanentes Ringen um
das Gleichgewicht zwischen sozialer Gerechtigkeit, demografischer Entwicklung und
volkswirtschaftlicher Produktivität, so bezeichnet der Historiker, Prof. Dr. Michael Stolleis die
Geschichte der gesetzlichen Rentenversicherung in der Bundesrepublik. Es fordere
wiederholt, neue gesamtgesellschaftliche Lösungen (vgl. Deutsche Rentenversicherung,
2014).
Horst Seehofer betonte zum 125-jährigen Jubiläum der gesetzlichen
Rentenversicherungsträger in Bayern, dass unsere Rentenversicherung ein Gewinn für unser
Land und eine der größten Erfolge der Neuzeit sei. Solidarisch und auf Augenhöhe, so
beschreibt er das Zusammenarbeiten von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen
gegenüber der Politik ­ zum Wohle der Bürger in unserem Land. Das 125-jährige Bestehen
sei eine Errungenschaft unserer sozialen Selbstverwaltung. Er bemerkte jedoch auch, dass
die Politik die langfristigen Belastungen sowohl für die alten als auch für die älter werdenden
Menschen berücksichtigt und die Versorgung verantwortungsvoll angepasst werden muss
(vgl. Deutsche Rentenversicherung - Bayern Süd, 2016).
Von der kleinsten Rente für Arbeitnehmer*innen zum Lohnersatz für Millionen. Bereits seit
125 Jahren kämpft die Rente in Deutschland mit harten Schlägen und ständig neuen
Aufschwüngen. Doch ist die Rente von heute noch immer so verlässlich wie vor 125 Jahren?
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Oder überwiegen statt ausreichend Versorgung im Alter wohl eher Sorgen und Ängste? Im
nächsten Teil wird die Entwicklung der Alterssicherung in den letzten Jahrzehnten
beschrieben.
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1.1
Alterssystem Ende des 18. Jahrhunderts unter Otto von Bismarck
Die Idee zur gesetzlichen Sozialversicherung entstand bereits Anfang der 1880er Jahre unter
Kanzler, Otto von Bismarck. Es musste etwas geschehen, da zu dieser Zeit ­ Infolge der
Industrialisierung ­ Massen von Arbeiter*innen in Elend leben mussten. Bei den
Bergarbeiter*innen gab es erste Versuche zu sozialen Sicherungssystemen mit den
Knappschaftskassen schon seit dem Mittelalter. Doch waren die meisten Bedürftigen im
Alter oder bei Krankheit dennoch auf Almosen der Kirchen und Gemeinden angewiesen.
Otto von Bismarck versuchte der immer bedrohlicheren Situation der Arbeiter*innen
entgegenzuwirken und weitere Radikalisierung zu stoppen (vgl. Fokus Online, 2014).
Der damalige Kaiser Wilhelm I. empfahl eine für die damaligen sozialen Probleme einmalige
Sozialgesetzgebungen zu erschaffen, aus ,,Furcht der herrschenden Klassen" vor dem
Aufstieg der Sozialdemokratie (zit. nach Deutsche Rentenversicherung, 2014).
1889 wurde das vom Reichstag verabschiedete ,,Invaliditäts- und
Altersversicherungsgesetz" veröffentlicht. Früher, im Jahre 1883 wurde die
Krankenversicherung und 1884 die Unfallversicherung eingeführt (vgl. Deutsche
Rentenversicherung, 2014). Dies galt für alle Angestellten und Arbeiter*innen ab dem 16.
Lebensjahr, die ein Jahreseinkommen von bis zu 2.000 Mark erzielten. Die Altersrente wurde
unter dem Gesichtspunkt des ,,Sicherheitszuschusses zum Lebensunterhalt" jedoch erst mit
vollendetem 70sten Lebensjahr ausgezahlt.
Die durchschnittliche Lebenserwartung lag Anfang des 19.Jahrhunderts bei Männern im
Schnitt bei 45- und Frauen bei 48 Jahren. Der Beitragssatz wurde, wie heute anteilig von
Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen mit lediglich 1,7 Prozent und zum Teil aus
Steuermitteln erhoben (vgl. Bmas, 2006).
Die drei Sozialversicherungsgesetze schließlich wurden im Jahre 1911 mit der
Reichsversicherungsordnung zusammengefasst und somit auch die
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Hinterbliebenenversorgung für Waisen und Witwen eingeführt.
1
1.2
Alterssicherung im Ersten und Zweiten Weltkrieg
Neben allen anderen gesellschaftlichen Bereichen, erfasste der Erste Weltkrieg und seine
Auswirkungen auch das Rentensystem. Abgeleistete Kriegsdienste wurden auf die Rente
angerechnet und das Renteneintrittsalter wurde auf 65 Jahre herabgesetzt. Was dazu führte,
dass sich die Zahl der Altersrenten im Jahre 1916 verdoppelten. Als weitere Folge des Krieges
auf das Rentensystem machte sich die massive Vielzahl der Kriegswitwen- und Waisen
bemerkbar. Durch die Anpassung der Beiträge und Rentenzulagen versuchte der
Gesetzgeber, in Zeiten von Inflation in den 20er Jahren, den Wertverlust der Rente zu
verbessern (vgl. Bmas, 2006).
Einen weiteren Schlag musste die Rente in der Weimarer Republik, während der Inflation
1921 bis 1923 hinnehmen. Sie verlor 90 Prozent ihres Wertes, knapp 3 Milliarden Mark
stoppen (vgl. Fokus Online, 2014). Die Rentenversicherung konnte nur noch unter massiven
Einschränkungen den Leistungsanspruch decken. Im Dritten Reich gab es einige Änderungen,
so zum Beispiel wurden die Selbstverwaltungsorgane 1934 formal beseitigt. Diese
sozialpolitischen Fortschritte dienten vor allem wegen den Rüstungsanstrengungen seit
1936 zur Besänftigung der Arbeiter*innen (vgl. Bmas, 2006).
Die Leistungen der Rente wurden zu dieser Zeit erweitert. So konnten sich von nun an auch
Beitragszahler*innen unter 40 Jahren freiwillig versichern, die zuvor nicht
versicherungspflichtig waren. Somit änderte sich die Tatsache einer reinen
Arbeitnehmerversicherung. Auch die Leistungen für Wehrpflichtige und Familien, unter
anderem die höheren Zuschüsse für Kinder wurden verbessert. Im Jahr 1941 kam dann die
Krankenversicherung der Rentner*innen hinzu, welche bis heute Bestandteil der
Sozialversicherung ist. Zunächst war sie beitragsfrei, ab 1983 mussten Senioren Beiträge
entrichten.
Der wachsende Einfluss des NS-Regimes auf die Sozialversicherungsträger, gingen nun die
Beiträge der Versicherten mehr und mehr dem Reich zu. Es musste schließlich zu einer
Verordnung des Reichsarbeitsministers im Jahre 1938 kommen, in der beschlossen wurde,
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dass 50% des Gesamtversicherungsvermögens für Kriegsvorbereitungen und
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen abgegeben werden mussten. Somit wurde aus der
ursprünglichen Absicherung im Alter eine notwendige Geldquelle zur Kriegsfinanzierung.
Des Weiteren wurde ein Gesetz erlassen, dass dazu diente, dem Versicherten Leistungen zu
entziehen, wenn er sich im ,,staatsfeindlichen Sinne betätigte". Nicht nur Juden, Jüdinnen
und Zwangsarbeiter*innen, sondern auch Versicherte, die sich gegen das NS-Regimes
äußerten (vgl. Die Geschichte der Sozialversicherung, 2015).
Nach dem Ende des Dritten Reiches ist es dennoch gelungen die Rentenversicherung
wiederaufzubauen und aufrechtzuerhalten. Ab 1947 wurde in der sowjetischen
Besatzungszone unter der Leitung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) eine
einheitliche Versicherung und die Verstaatlichung des Gesundheitssystems geschaffen (vgl.
Bmas, 2006).
1
1.3
Das Rentensystem der Nachkriegszeit und in der DDR
Im den alten Bundesländern wurde beschlossen, das derzeitige Rentensystem im Grunde
genommen beizubehalten. Doch gelang es der Politik das System anzupassen. Zu den vielen
Frauen und Kindern, die ihre Väter und Söhne verloren hatten, kamen Millionen Geflüchtete
und Vertriebene, die in das Rentensystem integriert werden mussten. Mit der
Währungsreform im Jahr 1948 wurde die Rente von Reichsmark auf D-Mark umgestellt (vgl.
Bmas, 2006). Das Rentensystem der DDR war nicht unbedingt an Entgelt orientiert. Es
sollten durch eine weitreichende sozialpolitische Steuerung die Ziele des Sozialismus, durch
die SED erreicht werden. Nun waren mitunter alle Berufsgruppen (außer im Falle von
Arbeitslosigkeit) in der gesetzlichen Altersversicherung versichert. Ab 1956 war der Freie
Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) und die Staatliche Versicherung, bei der Bauern der
Genossenschaften, Handwerker*innen und Gewerbetreibende versichert waren. Das
Umlageverfahren war das zentrale Finanzierungsmittel.
Für Arbeitnehmer*innen ergab sich für die Renten- und Krankenversicherung ein
Beitragssatz von 10%, für Firmen 12,5% mit einer Bemessungsgrenze von 600 D-Mark.
Selbstständige mussten den höchsten Beitragssatz leisten, mit ganzen 20% ihres
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Einkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze (vgl. Bäcker, 2016). Die erforderlichen
finanziellen Mittel zur Unterstützung der Defizite wurden durch Steuerzuschüsse durch den
Staat mit anfänglich 2,5% der Ausgaben getragen. Bis 1989 stieg dieser Zuschuss auf 48,2 %
der Gesamtausgaben an. Bis zur Rentenreform 1958 wurde das System beibehalten, es gab
keine neuen Beitragssätze und Bemessungsgrenzen. Alterssicherung bedeutete nur eine
unzureichende Sicherung und die Rentner*innen waren gezwungen, über ihren Ruhestand
hinaus ­ Männer ab 65, Frauen ab 60 Jahren, weiter zu arbeiten. Für die Berechnung der
Renten wurde von den Versicherungsjahren ausgegangen. Danach ergab sich ein Festbetrag
zwischen 170 und 210 D-Mark, hinzu kam noch eine Steigung von 1% des Entgeltes pro Jahr.
Ausgehend vom gezahlten Höchstbetrag, bekam demnach ein Versicherter, der 50 Jahre
einzahlte, eine Rente von 520 D-Mark (Stand 01.12.1989). Demnach trug das
Rentenversicherungssystem der DDR lediglich den Charakter eines
Mindestsicherungssystems (vgl. Bäcker, 2016).
Die entscheidende Umstellung des Rentensystems erfolgte im Jahr 1957 unter Konrad
Adenauer. Das einst gedachte, jedoch nie wirklich umgesetzte, Kapitaldeckungsverfahren
wurde nun schrittweise durch ein umlagefinanziertes Modell umgesetzt, deren
Aufwendungen nicht aus Rücklagen, sondern aus den laufenden, monatlichen
Beitragseinnahmen bestritten werden. Von nun an kam die erwerbstätige Generation für
die Rentner*innen auf und musste sich an der aktuellen Lohnentwicklung und Produktivität
der Wirtschaft orientieren (vgl. Bmas, 2006).
Die ersten Zusatz- und Sonderversorgungssysteme entstanden. 1968 wurden die ersten
freiwilligen Zusatzversicherungen (FZV) eingeführt, um die Bevölkerung zum Sparen zu
animieren und eine zum Leben ausreichende Alterssicherung bieten zu können. (vgl. Bäcker,
2016). Bis zur Wende hatten bis zu 80% der Erwerbstätigen eine solche Zusatzversicherung
abgeschlossen. Der Grundgedanke dieser Zusatzversicherung war für die technischen,
wissenschaftlichen, künstlerischen und medizinischen Berufsgruppe angedacht, um die
Attraktivität, in das besser bezahlte Westdeutschland auszuwandern, abzuschwächen. 1989
etablierten sich 61 dieser zusätzlichen Versicherungssysteme und Ende der 1990er Jahre
wurde im Durchschnitt monatlich eine Rente von 431 D-Mark gezahlt (vgl. Bäcker, 2016).
Dies soll bis dahin als Einstieg zum geschichtlichen Abriss über die Alterssicherung
ausreichen. Ich möchte an dieser Stelle näher auf das Drei-Säulensystem eingehen und für
wen es rentabel ist.
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Alterssicherung nach der Wiedervereinigung
Zum Einstieg ein paar aktuelle Zahlen. Der ausschlaggebende Teil der Beitragszahler*innen
sind die Arbeitnehmer*innen, da sie die größte Berufsgruppe in unserer Gesellschaft
darstellt. Mit aktuellen Stand vom 02.03.2017 liegt der Arbeitnehmeranteil ab einem
Verdienst von 850 Euro bei 9,35% des Bruttolohnes. Gleiches gilt für die Arbeitgeber*innen,
zusammen ergibt sich daraus 18,7% gesetzlicher Rentenbeitrag. Dieser Prozentsatz ist im
Vergleich zu den letzten Jahren bereits wieder etwas gesunken. Im Jahr 2013 bis 2014 ergab
sich ein Beitragssatz von 18,9% und in den Jahren davor sogar 19,6%.
Bei einem Minijob mit maximal 450 Euro liegt der Beitragssatz anteilig derzeit bei 3,9 %
Arbeitnehmer*innen und 15% Arbeitgeber*innen. Selbstständige zahlen nach wie vor den
kompletten Beitrag von 18,7% selbst und bei Auszubildenden wird der Beitragssatz von den
Arbeitgeber*innen in voller Höhe von 18,7% übernommen (vgl. imacc.de, 2017). Doch wie
kommt es nun eigentlich zu diesem relativ hohen Betrag?
Durch die Wiedervereinigung der DDR mit der Bundesrepublik stand das Rentensystem vor
seiner wahrscheinlich größten Herausforderung. Von Mai bis Oktober 1990 begann die DDR-
Regierung in der Interimsperiode mit der Umsetzung der Sozialklausel im Staatsvertrag (eine
vertragliche Vereinbarung über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion) vom 18. Mai
1990 (vgl. Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990 Teil I S. 332 und
Bundesgesetzblatt 1990 Teil II S. 537, 2005). Von besonderer Bedeutung war der Art. 20,
Abs. 1, der besagt, dass die DDR alle erforderlichen Maßnahmen einleitet, um ihr
Rentenrecht auf die der Lohn- und Beitragsbezogenheit des Rentenversicherungsrechts der
BRD anzugleichen. Ziel war es, das Rentensystem der DDR in das der Bundesrepublik zu
integrieren, ohne dies jedoch letztlich neu reformieren zu müssen. Im besten Fall sollte sich
die Eingliederung selbst finanzieren (vgl. Hegelich, 2006, S. 82).
Dies bedeutete nicht nur ein Zuwachs an Rentenempfänger*innen, sondern auch eine
höhere Anzahl an Beitragszahler*innen. Vor allem aus juristischer Sicht war die Vereinigung
beider Länder in das Rentensystem ein äußerst komplexer Prozess. Aufgrund der
vereinbarten Anpassungsfaktoren im Jahr 1990 wurde das deutsche Rentenrecht im
Zeitraum von 1991 bis 1996 allein elfmal geändert. Zentrale Herausforderung war, die DDR-
Renten neu zu kalkulieren. Hierfür nahm man eine fiktive Erwerbsbiografie als Maßstab, die
dem statistischen Bild des ,,Eckrentners" nachempfunden war. Die Rentenversicherung nutzt
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die fiktive Musterperson des ,,Eckrentners" als abstrakte Orientierungsgröße für die
Vergleichbarkeit des allgemeinen Rentenniveaus (vgl. Wirtschaftslexikon, 2017). Dies
bedeutete, wer in der DDR mindestens 45 Jahre erwerbstätig war und die vollen Beiträge
der Sozialversicherung und Beiträge der Zusatzrentenversicherung eingezahlt hatte, besaß
einen Rechtsanspruch, dieselbe Rente zu bekommen, wie ein Eckrentner in den alten
Bundesländern (vgl. Hegelich, 2006, S. 82).
Mit der Rentenreform 1992 definierte man neue Ziele für die Rentenpolitik. Fortan geht es
nicht mehr vorrangig darum, die Rentenversicherung aufrechtzuerhalten, sondern die
Finanzierung der Rente zu ,,stabilisieren und zu sanieren". Dies lag an der prognostizierten
Entwicklung des Beitragssatzes aufgrund der demographischen Veränderungen. Man
befürchtete für das Jahr 2030, durch weniger Beitragszahler*innen, die steigende Zahl von
Rentner*innen und je nach wirtschaftlicher Entwicklung, einen Beitragssatz zwischen 36
und 41%. Dem versuchte man vorzubeugen, indem die Brutto- an die Nettolohnentwicklung
angepasst wurden (vgl. Hegelich, 2006, S. 79-80). Zudem sorgte der Gesetzgeber dafür, dass
die Kindererziehung und Pflegezeiten im Rentenrecht Berücksichtigung fanden (vgl. Bmas,
2006).
Doch mussten weitere Veränderungen für das bestehende Rentensystem getroffen werden.
Eine neue kapitaldeckende Säule zur Unterstützung des bisherigen Rentensystems musste
geschaffen werden. Nur war dieses Modell wirklich so gut wie ursprünglich angedacht?
Auf die betriebliche Altersvorsorge möchte ich aus Platzgründen nur kurz eingehen.
2
2.1
Die betriebliche Altersvorsorge
Da man sich nicht mehr ausschließlich auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen
konnte, sorgten Millionen Bürger zusätzlich vor und das auch noch durch Förderung des
Staates. Seit 2002 haben alle Erwerbstätigen einen gesetzlichen Anspruch auf die
Betriebsrente, soweit sie als Arbeitnehmer*innen in der gesetzlichen Rentenversicherung
pflichtversichert ist. Sie ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und wurde laut Judith
Kerschbaumer (Leiterin der Gewerkschaft Verdi im Bereich Sozialpolitik) geschaffen, ,,um die
Arbeitnehmer*innen an die Betriebe zu binden" (zit. nach Kerschbaumer, J. in Faz, 2015).
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2017
ISBN (PDF)
9783961161898
ISBN (Paperback)
9783961166893
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2017 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
Rente Alterssicherung Alterssicherungssysteme Rentensystem Armut Altersarmut Altersvorsorge Alterssysteme Bundesregierung Rieser-Rente Rürup-Rente Betriebsrente Rentenpolitik Sozialpolitik Politik Zukunftsperspektiven Eckrentner
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Titel: Sind wir Alten noch zu retten?
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