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Branding Religion

Theoretische Überlegungen zum Zusammenhang von Religion und Marketing

©2016 Masterarbeit 73 Seiten

Zusammenfassung

Es liegt im Interesse vieler evangelikaler Organisationen, neue Mitglieder zu werben und sie zu binden. Einige Megachurches in den USA führen bereits seit mehreren Jahren Brandingkampagnen durch, die sich nach bestimmten Regeln richten. Diese Regeln unterliegen ständigen Aushandlungsprozessen, welche nicht exklusiv innerhalb eines religiösen Diskurses stattfinden. Sie werden durch eine Marktwirtschaft geprägt, in der es darum geht, Brands zu entwickeln, welche in direkter Konkurrenz mit gleichwertigen Produkten stehen. Heilsversprechen sind hier ebenso vorhanden wie die Förderung von Interessengruppen. So findet man in modernen religiösen Organisationen wie der evangelikalen Kirche von T.D. Jakes oder Joel Austin durchdachtes Produktmarketing. Dies lässt sich bereits an den Logos der verschiedenen Ministries erkennen. Hier stehen bewusst ausgewählte Formen und Farben, die sich im gesamten Corporate Design der Firmen wieder finden lassen, für die einzelnen Gruppierungen innerhalb der Megachurch.

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf ausgewählte Theoriebausteine und vorangegangene Auseinandersetzungen mit dem Thema in Form von Hausarbeiten. Diese Bausteine bestehen aus Ansätzen der Material Religion, sowie aus Theorien zu Populärkultur und Religionsökonomie. Sie zeigen zum einen die vom Marketing und Branding genutzten Kanäle und verorten sie in der Contemporary Religion. Zum anderen beleuchten sie Zusammenhänge von Religion und Ökonomie. Ansätze aus der Religionsökonomie zeigen, wie religiöse Organisationen und der globale Markt miteinander verknüpft sind und wie sich zum Beispiel sozialer und kultureller Druck auf das Konsumverhalten von Akteuren auswirkt. Religionswissenschaftliche Ansätze aus der Untersuchung populärkultureller Inhalte beantworten die Frage, inwieweit Religion und die Verhandlung von Religion Teil der Populärkultur sind. Diese Theorien bilden eine Grundlage zum Verständnis von Branding und religionsanalogen Prozessen im Marketing von sowohl religiösen als auch säkularen Organisationen. Mit dieser theoretischen Grundlage ist es möglich, das diskursive Feld des Marketings partiell zu bearbeiten und die verschiedenen Grundlagen besser zu verstehen. Autoren wie die Medienwissenschaftlerin Mara Einstein z.B. gehen in ihren Ausführung nur wenig auf ökonomische oder popkulturelle Zusammenhänge ein. Doch nur mit diesen Bausteinen gelingt es, das Bild einer Consumer Culture zu zeichnen und zu verstehen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4.1 Rules of Building Successful Brands ... 36
4.2 Verhandlung im diskursiven Feld ... 41
4.2.1 Die modernen Konsumenten... 42
4.2.2 Branding als Erfolgsmodel im religiösen Marketing ... 45
4.2.3 Feste Grenzen und starre Kategorien? ... 47
5 Fallbeispiele ... 49
5.1 Strategien der Mega Churches ... 49
5.2 Yoga: Asiatische Körpertechnik und postmodernes Brand ... 55
5.3 Apple: Ein religionsanaloges Brand? ... 60
5.4 Religionsanaloge Brands? ... 62
6 Fazit ... 64
7 Quellen ... 69
7.1 Internet Quellen (Ohne Autoren) ... 72
7.2 Abbildungsquellen ... 73
2

1 Einleitung
Am 10.11.2015 fand im Pfalzbau Ludwigshafen die Verleihung des Marketingpreises 2015
für die Metropolregion Rhein Neckar statt. Sollten sich die vereinten Marketinggrößen der
Region zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen sein, dass Religion und Werbung
eng miteinander verknüpft sind, änderte sich das mit dieser Veranstaltung schlagartig. Das
Motto des Abends lautete ,,Faust meets Marketing". Das Auditorium wartete um 19:30 Uhr
gespannt auf die ersten Worte des Veranstalters. Stattdessen öffnete sich der Vorhang und
das Ensemble des Theaters führte die erste Szene aus Goethes ,,Faust" auf. Gott und der
Teufel legen ihr Vertrauen und Misstrauen in Faust bzw. den Menschen dar und schließen
einen Pakt. Nach der Szene tritt einer der Statisten vor den Vorhang. Er ist als Engel
verkleidet und trägt riesige Schwingen auf dem Rücken. Der Schauspieler eröffnet die
Preisverleihung und verknüpft in seiner poetischen Rede das eben Gesehene mit der Welt
der Marken und Konsumenten. Er erklärt, dass es unabhängig von einem guten oder
schlechten Marketing schon lange nicht mehr möglich sei, minderwertige Produkte am
Markt anzubringen. Vielmehr sei es die gelungene Verknüpfung von modernem
Brandmanagement und hochwertigen Produkten, welche hohe Absatzzahlen sichere. Zur
erfolgreichen Entwicklung einer Marke müssen die menschlichen Bedürfnisse nach
Authentizität und sozialer Verantwortung angesprochen werden. Das Streben nach einem
Zugewinn für das eigene Leben müsse zum Kaufargument werden.
1
Diese Anekdote ist ein Beispiel für die Inhalte, welche im breiten und diskursiven Feld des
Marketings aktuell verhandelt werden. Die Frage nach einer aktiven und nachhaltigen
Kundenbindung ist fester Bestandteil jedes Brandmanagements. Welche Bedürfnisse
können durch Marketing angesprochen, oder generiert werden? Welche Regeln gelten, wenn
man Wünsche und Ängste ansprechen und schüren möchte? Ist es möglich eine soziale
Gruppe aktiv zu formen, um diese Gruppe zu einer Anhängerschaft einer Marke zu
entwickeln?
Institutionen und Organisationen unterschiedlichster Größen nutzen Marketing. Es wird
sowohl auf regionaler als auch auf überregionaler Ebene zur Kundengewinnung und
1
https://www.mc-rn.de/marketing-preis (Zugriff 22.03.2016, 17:11 Uhr)
3

Kundenbindung eingesetzt. Ein entsprechendes Marketing bestimmt über den Aufstieg oder
Niedergang einer Organisation oder eines Unternehmens
2
. Je nach Ausrichtung und
Zielsetzung finden vielfältige Strategien Anwendung, die auf einer Metaebene formuliert
und in der Praxis auf definierte Ziele zugeschnitten werden.
Der Grundgedanke des Marketings ist die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an
den Bedürfnissen des Marktes. Heutzutage ist es unumstritten, dass auf wettbewerbsintensiven
Märkten die Bedürfnisse der Nachfrager im Zentrum der Unternehmensführung stehen müssen.
Marketing stellt somit eine unternehmerische Denkhaltung dar. Darüber hinaus ist Marketing eine
unternehmerische Aufgabe, zu deren wichtigsten Herausforderungen das Erkennen von
Marktveränderungen und Bedürfnisverschiebungen gehört, um rechtzeitig Wettbewerbsvorteile
aufzubauen.
3
Es liegt im Interesse vieler evangelikaler Organisationen, neue Mitglieder zu werben und sie
zu binden. Einige Megachurches in den USA führen bereits seit mehreren Jahren
Brandingkampagnen durch
4
, die sich nach bestimmten Regeln richten. Diese Regeln
unterliegen ständigen Aushandlungsprozessen, welche nicht exklusiv innerhalb eines
religiösen Diskurses stattfinden. Sie werden durch eine Marktwirtschaft geprägt, in der es
darum geht, Brands zu entwickeln, welche in direkter Konkurrenz mit gleichwertigen
Produkten stehen
5
. Heilsversprechen sind hier ebenso vorhanden wie die Förderung von
Interessengruppen. So findet man in modernen religiösen Organisationen wie der
evangelikalen Kirche von T.D. Jakes oder Joel Austin durchdachtes Produktmarketing. Dies
lässt sich bereits an den Logos der verschiedenen Ministries erkennen. Hier stehen bewusst
ausgewählte Formen und Farben, die sich im gesamten Corporate Design der Firmen wieder
finden lassen, für die einzelnen Gruppierungen innerhalb der Megachurch.
Die vorliegende Arbeit stützt sich auf ausgewählte Theoriebausteine und vorangegangene
Auseinandersetzungen mit dem Thema in Form von Hausarbeiten.
6
Diese Bausteine
bestehen aus Ansätzen der Material Religion, sowie aus Theorien zu Populärkultur und
2
Vgl. Grant, John (1999): The New Marketing Manifesto. The 12 Rules for Building Successful Brands in
the 21st Century. London
3
Gabler Wirtschaftslexikon (2008): Wirtschatslexikon 18. Auflage: Wiesbaden, SpringerGabler: Marketing
4
Vgl. Einstein, Mara (2008): Brands of Faith. Marketing Religion in a Commercial Age. London
5
.vgl. Grant, John (1999): The New Marketing Manifesto. The 12 Rules for Building Successful Brands in
the 21st Century. London
6
Pflanz, Florian (2015): Mythos Marketing. Religion als Bindungsstrategie im Rahmen der Seminare
,,Populärkultur" und ,,Wissenschaftliches Schreiben".
4

Religionsökonomie. Sie zeigen zum einen die vom Marketing und Branding genutzten
Kanäle und verorten sie in der Contemporary Religion. Zum anderen beleuchten sie
Zusammenhänge von Religion und Ökonomie. Ansätze aus der Religionsökonomie zeigen,
wie religiöse Organisationen und der globale Markt miteinander verknüpft sind und wie sich
zum Beispiel sozialer und kultureller Druck auf das Konsumverhalten von Akteuren
auswirkt. Religionswissenschaftliche Ansätze aus der Untersuchung populärkultureller
Inhalte beantworten die Frage, inwieweit Religion und die Verhandlung von Religion Teil
der Populärkultur sind. Diese Theorien bilden eine Grundlage zum Verständnis von
Branding und religionsanalogen Prozessen im Marketing von sowohl religiösen als auch
säkularen Organisationen. Mit dieser theoretischen Grundlage ist es möglich, das diskursive
Feld des Marketings partiell zu bearbeiten und die verschiedenen Grundlagen besser zu
verstehen. Autoren wie die Medienwissenschaftlerin Mara Einstein z.B. gehen in ihren
Ausführung nur wenig auf ökonomische oder popkulturelle Zusammenhänge ein. Doch nur
mit diesen Bausteinen gelingt es, das Bild einer Consumer Culture zu zeichnen und zu
verstehen.
So folgt diese Arbeit der These, dass die Motivationsgrundlagen im Falle religiöser
Organisationen deckungsgleich mit denen verschiedener Großkonzerne sind, wenn es um
die Etablierung eines Produktes am Markt geht. Hierbei fokussiert diese Arbeit sowohl die
theoretischen Ansätze zum Zusammenhang von Religion und Marketing als auch die von
den Akteuren genutzten Vorgehensweisen in Bezug auf das Brandmanagement. Dabei
werden Vorgehensweisen und ausübende Unternehmen in drei sich überschneidende
Gruppen eingeteilt. Zum einen gibt es religiöse Organisationen, welche sich selbst als solche
verorten und mithilfe ihrer Marketingstrategien Mitglieder gewinnen und religiös
konnotierte Produkte verkaufen. Dies wird am Beispiel der Willow Creek Church
aufgezeigt. Zum zweiten werden Unternehmen bzw. Brands behandelt, die nicht dezidiert
religiöse sind, jedoch Produkte bewerben und Marken verkörpern, welche Spiritualität und
Religiosität rhetorisch fest mit ihrem Marketing verknüpfen. Und zuletzt existieren
Produkte, welche ausschließlich im Marketing und Branddesign Rhetoriken und Bilder
verwenden, die religiöse Zuschreibungen im Feld der Akteure hervorrufen und
religionsanaloge Dynamiken ausbilden. Diese Dynamiken sind nicht dezidiert religiös,
weisen aber dennoch Analogien zu religiös konnotierten Inhalten auf. Es gilt, Regeln zum
Brandmanagement unter Berücksichtigung von John Grants Werk ,,The New Marketing
5

Manifesto" zu identifizieren und ihre Verwendung zu untersuchen. Im Diskursfeld um das
religiöse Marketing lassen sich mehrere Autoren ausmachen, die sich explizit mit dieser
Kategorie auseinandergesetzt haben. So fokussiert diese Arbeit Mara Einsteins und James
B. Twitchells Thesen zum Thema Selling Religion und Faith Brands. Faith Brands sind
Marken und Produkte, die durch die Anbieter religiös konnotiert werden.
Des Weiteren soll Mara Einsteins These besprochen werden, dass religiöses
7
Marketing auf
einem separierten, exklusiven Markt stattfindet, der vom säkularen
8
Markt getrennt ist
9
.
Hierzu werden die theoretischen Ansätze aus dem diskursiven Feld um Marketing und
Religion untersucht. Anhand dieser Theorien werden religionsanaloge Dynamiken sichtbar
gemacht, die es dem Konsumenten ermöglichen, Teil eines Mythos bzw. einer Geschichte
zu werden, innerhalb derer er sich verorten kann. Hierbei spielt nicht nur die Werbung in
den Medien eine Rolle, das Brand Marketing findet auch in der Architektur eines
Verkaufsraumes oder Showrooms Anwendung. Auch die Marke Apple Macintosh
avancierte in den letzten zehn Jahren zu einem Brand, dessen Marketing nicht nur
Rezeptionen religiöser Motivik inhärierte, sondern auch durch restriktive Produktstrategien
einen Kult formte, welcher stetig eine große Zahl von Konsumenten anzieht. So folgt diese
Arbeit der These, dass Religion und Marketing in Populärkultur, Consumer Culture und auf
dem globalen Markt ineinanderfließen und ständig diffundieren.
7
Religionsbegriff nach Riesebrodt, Martin (2007): Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der
Religionen. München: Religion als soziale Praxis in Verbindung mit Heilsversprechen.
8
Säkular: wird im Verlauf dieser Arbeit diskutiert und dem Begriff der Religionsanalogie gegenübergestellt.
9
Einstein, Mara (2008): Brands of Faith. Marketing Religion in a Commercial Age. London:14.
6

2 Theoriebausteine
Wird Marketing in Verbindung mit Religion zum Untersuchungsgegenstand, stellt sich die
Frage nach den wesentlichen Theoriebausteinen. Welche Ansätze bietet das breite,
diskursive Feld der Religionswissenschaft? Bei der Evaluation der unterschiedlichen
Ansätze stellten sich drei Theoriemodelle als erfolgversprechend heraus. Als erstes genannt
sei der materielle Ansatz. Von Inken Prohl
10
, Birgit Meyer
11
und David Morgan
12
diskutiert,
beleuchtet er die Bindeglieder der medialen Vermittlung von religiösen Inhalten. Gerade
modernes Brandmanagement und das ihm zugeordnete Marketing macht die Nutzung
moderner Kanäle zur Grundlage von erfolgreicher Verbreitung. Der materielle Ansatz leistet
die Verknüpfung von Praktiken, Inhalten und greifbaren Objekten zu einer umfassenden
Perspektive. Zusammenhänge und sich ständig weiterentwickelnde Dynamiken lassen sich
dadurch beschreiben und auf ihre Bestandteile untersuchen. Inken Prohl spricht sich für die
Verwendung eines materiellen Ansatzes aus, da er Religionen nicht lediglich als moralische
und theologische Systeme betrachtet,
sondern als Perzeptions-
und
Affektgenerierungsnetzwerke, im Umgang mit transzendenten Instanzen der eigenen Seele
und dem Körper bilden. Aus diesem Blickwinkel kann erforscht werden, wie postmoderne
Religion funktioniert und auf welche Weise bestimmte Kanäle von modernen Institutionen
genutzt werden, um das Produkt für die Akteure erfahrbar zu machen.
13
Als zweites sei der
junge Ansatz der Religionsökonomie angeführt. Dieser beleuchtet die ökonomischen
Aspekte religiöser Institutionen und den Konsum von kulturellen Inhalten. Anne Koch fasst
2014 die theoretischen Ansätze eines religionsökonomischen Feldes zusammen und
versucht einen Überblick zu schaffen.
14
Wichtig für eine marketingbezogene Untersuchung
sind die Erklärungsmodelle für das Konsum- und Anbieterverhalten im religiösen Feld. Wie
treffen Akteure Kaufentscheidungen und warum? Kann der Akteur durch das Beeinflussen
von Machtverhältnissen und das Befriedigen von Präferenzen beeinflusst werden? Diesen
Fragen stellt sich der ökonomische Ansatz und liefert Modelle zur Betrachtung
kapitalisierter religiöser oder religionsanaloger Produkte. Der dritte Ansatz ist der
populärkulturelle. Er fragt nach Rezeption und Abbildung von Religion innerhalb von Kunst,
10
Vgl. Prohl, Inken (2012): Materiale Religion. In Michael Stausberg (2012): Religionswissenschaft. Berlin:
De Gruyter.
11
Vgl. Meyer, Birgit (2008): Religious Sensations. Why Media, Aesthetics, and Power Matter in the Study of
Contemporary Religion. In: Hent de Vries (2008) Religion a Concept. New York.
12
Vgl: Meyer, Birgit und Morgan, David (2010): The Origin and mission of Material Religion. London.
13
Prohl, Inken (2012): Materiale Religion: 386.
14
Vgl. Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart
7

Literatur und modernen Medien. Wie wird Religion verhandelt? Auf welchen Ebenen findet
diese Verhandlung statt? Marketing ist eine Ebene dieser Verhandlung. Im Marketing vieler
säkularer Brands finden sich Rezeptionen religiöser Motive und Praktiken. Akteure
verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, sich mit Inhalten der Populärkultur
auseinanderzusetzen und sich über sie zu definieren. Die Verhandlung von religiösen
Inhalten innerhalb der Populärkultur sieht der Religionswissenschaftler David Morgan als
entscheidenden Faktor für Identitätsbildung.
15
Populärkultur stellt für die Ansätze von
Material Religion und Religionsökonomie eine Ressource dar, welche als Raum zur
Verarbeitung des Zeitgeistes wirkt. Bedürfnisse werden sowohl angesprochen, als auch über
verschiedene Medien verhandelt. Dies liefert Hinweise auf das potentielle Konsumverhalten
von Akteuren. Populärkultur wirkt in diesem Zusammenhang als Katalysator für den Output
kultureller Inhalte, aber eben auch als Verhandlungsbasis dieses Outputs.
Marketinggrößen wie John Grant sprechen über die Wirkmacht der Verknüpfung von
ökonomischen Machtverhältnissen und der Beeinflussung dieser durch ein effektives
Brandmanagement, welches sich im Wesentlichen innerhalb neuer Medien abspielt. Dabei
ist die Verhandlung aktueller popkultureller Inhalte für Unternehmen von besonderem
Interesse, da sie den Konsumenten mit bekannten Bildern und Gefühlen ansprechen und zum
Kauf bewegen sollen.
16
Im Folgenden werden die einzelnen theoretischen Ansätze näher beschrieben und
miteinander verknüpft. Sie dienen als Grundstein für die spätere Untersuchung von Branding
und stellen eine Palette von Kategorien bereit, die innerhalb des Marketingdiskurses
verhandelt werden. Autoren wie R. Laurence Moore (Professor für Geschichte und
Amerikanistik an der Cornell Universität) und James B. Twitchell (Professor für Anglistik
an der Universität von North Carolina), die sich mit religiösem Marketing und Religious
Brands schon in den 90er Jahren beschäftigten, nutzen Ansätze aus den Theorien zur
15
Morgan, David (2007): Studying Religion and Popular Culture. Prospects, Presuppositions, Procedures. In:
Lynch Gorden (2007) Between Sacred and Profane, Researching Religion and Popular Culture. LB. Tauris &
Co Ltd., London :21.
Im Folgenden: Morgan, David (2007): Studying Religion and Popular Culture. Prospects, Presuppositions,
Procedures.
16
Vgl. Grant, John (1999): The New Marketing Manifesto. The 12 Rules for Building Successful Brands in
the 21st Century. London und New York.
8

Material Religion und Popular Culture, um ihren Untersuchungsgegenstand zu beschreiben
und einzuordnen
1718
2.1 Materialität
Ein materieller Ansatz innerhalb der Religionswissenschaft untersucht, wie sich Religion
auf materieller Ebene ereignet. Dabei geht es um mehr als Objekte. Statuen, Bilder und
andere Gegenstände sind zwar materielle Dinge, gehören aber zu einem weitreichenden
Gebrauchskonzept, welches religiöse und rituelle Praxis umspannt. Materialität untersucht
zusätzlich dazu die Verkörperung von Religion durch Handlungen, die in Verbindung mit
religiösen Inhalten und Objekten stehen. Inken Prohl beschreibt diese Dynamik als eine
Komposition aus sich intellektuell und materiell vermittelnden Informationen.
19
Spricht man
in einem religionswissenschaftlichen Diskurs von Materialität, geht es weniger um
Einzelheiten, wie die genannten Statuen und religiös konnotierten Objekte, sondern um
intersoziale Kommunikation, Rituale und die damit in Verbindung stehende
Alltagswirklichkeit der Akteure, die immer mit klassischen materiellen Dingen verknüpft
ist. Folgt man dieser Prämisse, gehören Gewohnheiten innerhalb einer religiösen
Alltagspraxis ebenso zur Materialität wie Bilder, Ikonen und Statuen. Diese Untersuchung
richtet sich im Speziellen auf die mediale Vermittlung der Inhalte von Religion und
religionsanalogem Content. Die Frage nach Mitteln und Strategien einer solchen
Vermittlung stehen dabei im Vordergrund. Für Inken Prohl ist hier der Begriff der
Materialität dem der Ästhetik vorzuziehen, da er unabhängig von einer ästhetisierenden
Begrifflichkeit den Gebrauch und die Kanäle von Inhalten und Dingen beschreibt.
20
Rezeptionen religiöser Inhalte und Praktiken im Marketing, die in Verbindung mit sowohl
religiösen als auch säkularen Produkten verbreitet werden, sind Gegenstand einer
Betrachtung unter den Gesichtspunkten eines materiellen Ansatzes.
Auch aufgrund dieser Zusammenhänge nutzt diese Ausarbeitung einen diskursiven
Religionsbegriff, der sich durch die hier verhandelten Quellen formt. So werden wesentliche
17
Vgl. Moore, R. Laurence (1994): Selling God. American Religion in the Marketplace of Culture. New
York:
18
Vgl. Twitchell, B. James (2004): Branded Nation. The Marketing of Megachurch, College Inc., and
Museumworld. New York
19
Prohl, Inken (2012): Materiale Religion: 377.
20
Ebd. 380.
9

kulturwissenschaftliche relevante Inhalte einbezogen, die ein vorher festgelegter
Arbeitsbegriff potentiell vernachlässigen würde.
2.2 Religion und Ökonomie
Beschäftigt man sich mit Populärkultur und Marketing von religiösen Institutionen und
großen Brands, so liegt das Augenmerk auf den besonderen Bindungsstrategien dieser
Unternehmen, welche nicht exklusiv von religiösen Organisationen genutzt werden. Diese
Strategien werden von vielen Faktoren beeinflusst, die mit ökonomischen Theorien und
Modellen beschrieben werden können. Zum Gegenstand von Religionswissenschaft macht
sie die kulturelle Einordnung.
Nachdem Religion in einer kulturwissenschaftlichen Religionswissenschaft nicht als metasprachliches
Konzept funktioniert, kann auch nicht einfachhin als Gegenstand der Religionswissenschaft Religion
angegeben werden. Ein essentialistisches Verständnis von Religion als gesellschaftliches
Funktionssystem zu bezeichnen ist kulturwissenschaftlich ungenügend.
21
Der Gegenstandsbereich von Religionswissenschaft wird vielmehr von Konzepten abgeleitet
und bestimmt. Dieses Kapitel fokussiert das von Dr. Anne Koch 2014 veröffentlichte
Überblickswerk ,,Religionsökonomie. Eine Einführung". Koch beschäftigt sich hier mit
diversen theoretischen Ansätzen zu Markt- und Kulturmodellen, welche für eine
marketingspezifische Betrachtung zuträglich sind. Grundlegend ist hier die Handlungsweise
von religiösen Unternehmen, welche sich durch Machtinteressen, seien diese finanziell oder
religiös motiviert, vergrößern möchten. In diesen Fällen ist die Erweiterung des Macht- bzw.
Einflussbereichs die angenommene Motivationsgrundlage. Eine Strategie, um den
Machtbereich entscheidend zu erweitern, ist ein Exklusivitätsanspruch, der durch ein
bestimmtes Merkmal definiert wird, das bei anderen Anbietern nicht zu finden ist. Koch
führt hier das Beispiel der Native American Church of the United States of America ein.
Über mehrere Instanzen erlangten Mitglieder der NAC das Recht bestimmte Drogen zu
besitzen und zu konsumieren, beispielsweise ausgewählte natürliche Rauschmittel wie
Mescalin und Marihuana. Die Führung der NAC erkannte das Potential und Monopol ihrer
Kirche und bietet seitdem einen Mitgliedsausweis an, der sich für 200 Dollar online
erwerben lässt. Mit diesem Ausweis ist man offizielles Mitglied der Kirche und darf besagte
Drogen zu rituellen Zwecken konsumieren. Die NAC ist ein Paradebeispiel für die
21
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 16.
10

Veränderungen, welche sich bedingt durch ökonomische Faktoren in einer Institution
vollziehen können. So legte die anfangs auf die eigene indigene Identität ausgerichtete
Kirche später Wert auf die Mitgliedergewinnung. So wurde die NAC zu einem
professionalisierten und standardisierten Kulturbetrieb, welcher sich am Markt orientierte.
In diesem Zusammenhang spricht Koch von kulturökonomischen Bedingungen, welche
diese Neuorientierung beeinflussten.
22
Gerade bei religiösen Institutionen
bzw.
Organisationen in den USA spielt die Marktposition eine entscheidende Rolle, da es eine
Vielfalt von Anbietern gibt, die durch eine evangelikale Ausrichtung häufig ähnliche
Interessengruppen ansprechen. Umso wichtiger ist die Demonstration eines Monopols oder
eines exklusiven Zugewinns. Religiöse Inhalte, welche ein Produkt besonders und
erstrebenswert machen, werden sowohl in den USA als auch auf einem globalen Markt nicht
exklusiv von religiösen Organisationen genutzt. Um innerhalb des Marktes exklusiv bzw.
innovativ zu werden, greifen Anbieter häufig auf Rezeptionen und Anleihen aus
verschiedenen Kulturen zurück und generieren damit Profit und neue Konsumenten.
23
Was ist nun Religionsökonomie und was untersucht sie? Wie relevant ist sie in Bezug auf
das Thema Marketing? Der Beginn der Religionsökonomie ist in den achtziger Jahren zu
verorten, in denen sich Philosophen und Kulturwissenschaftler intensiv mit dem
Neoliberalismus auseinandersetzten. Die Interessen des Einzelnen rückten in den
Vordergrund und man begann, von Individualisierungsprozessen auf einem Markt der
Religionen zu sprechen.
24
Religionsökonomie betrachtet Religion als wirtschaftliches
Phänomen und kategorisiert religiöse Gruppierungen als handelnde Akteure auf diesem
Markt. Sie zeigt, wie vermeintlich nicht wirtschaftliche, kulturelle Inhalte zu wirtschaftlich
relevanten werden. Koch identifiziert das Potential von Religionsökonomie für zwei
systematische Felder. Zum einen läge es darin, dass
die Religionsökonomie religiöses und wirtschaftliches Handeln im Kontext kultureller
Handlungsmuster und Institutionen erklärt und sich dabei ausgewiesener ökonomischer Theorien
bedient und zum anderen darin, dass die Religionsökonomie ökonomische Theorien und
Wirtschaftsformen einer ideologischen Offenlegung unterzieht.
25
22
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 12.13.
23
Ebd. 14.
24
Ebd. 46.
25
Ebd. 21.
11

Für die in dieser Arbeit gestellten Fragen eignet sich das erste von Koch genannte
systematische Feld. Ökonomische Modelle sollen hier als Handlungsmuster bzw.
Handlungstheorien gelten, die, auf den Gegenstand angewendet, einen Einblick in
Umsetzung und Strukturierung des Marketings geben. Ökonomische Theorien werden hier
selektiv abgebildet, um zu einem Verständnis von kulturtheoretischen Ansätzen beizutragen.
Religion und Wirtschaft stehen in dieser Arbeit für eine Schnittstelle von Identitätsbildung,
Lebensbewältigung und sozialen Anerkennungsstrategien. Sie bilden Vorgänge von
Symbolisierung, Ästhetisierung und Materialisierung ab, die exemplarisch eine erfolgreiche
Marketingstrategie ausmachen. Die Ökonomie ist neben den Bereichen der Populärkultur
und Materialität ein Ansatz, um Handlungsmuster zu erklären und Zusammenhänge und
Dynamiken zu untersuchen. Kultur ist hier der vereinende Rahmen und bildet die Plattform
oder auch Bühne, auf der die Inhalte und Dynamiken stattfinden. Gerade für die Ökonomie
stellt Kultur die Umwelt für ökonomischen Wandel dar, den sie verzögert oder beschleunigt.
Anne Koch prognostiziert, dass Religion sich in Zukunft auf einem globalen, wachsenden
Markt abspielen wird, auf dem Konsum mit einer fortwährenden Selbstkonstruktion als Teil
eines alltäglichen Lebensstils existiert. Diese Identitätsbildung ist streng mit den Anbietern
und ihrem Warendesign verknüpft, welches jeweils mit einem kulturellen Rahmen versehen
ist.
26
Globale Märkte machen die Verbreitung von religiösen wie säkularen Gütern
transkontinental möglich. Kulturelle Inhalte werden grenzenlos transportiert und verbreitet,
wie es auch für Elektrogeräte, Lebensmittel, usw. gilt. Im weltweiten Versandhandel sind
kulturelle Inhalte so einfach zu bestellen und abzufragen wie Smartphones.
2.2.1 Soziales Kapital und das Machtgefüge
Was also bestimmt Ökonomie und verändert oder beeinflusst die Strukturen in religiösen
wie nichtreligiösen Organisationen? Existiert ein Machtgefüge in religiösen Organisationen,
das von äußeren Faktoren kaum beeinflusst, also autonom arbeitet? Anne Koch stellt fest,
dass gerade große religiöse Organisationen ökonomisch oft an Politik und Wirtschaft
gebunden sind, tauchen sie doch regelmäßig in deren Spendenbüchern auf. Es hat den
Anschein, dass kulturelle und religiöse Praktiken kaum einen Bereich aufweisen, der nicht
partiell ökonomische Aspekte zeigt. So hat auch die reine Vermittlung von Inhalten über
Medien einen ökonomischen Faktor, der bereits bei der Produktion dieser Inhalte eine Rolle
26
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 25.
12

spielt. Aus diesem Grund kann die Produktion und gesellschaftliche Verhandlung von
kulturellen Gütern, seien sie materiell oder nicht, immer auch in ihrem Kontext unter
ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden.
27
Ein weiterer Faktor im Gefüge der Ökonomie sind die individuellen Akteure. Diese sind,
wie Bourdieu sagt, nach ihrem Handlungkontext, ihrem Spielraum, ihren
Handlungsoptionen, Strategien und Gegenspielern zu beschreiben. Es bestehen keine
einseitigen Kausalbeziehungen in
der Handlungsstrategie von Akteuren. Zum
Handlungskontext der Akteure oder Institutionen gehört ein Machtgefüge, welches durch
ökonomisches, soziales oder kulturelles und symbolisches Kapital bestimmt wird. Kapital
erscheint je nach Anwendungsbereich in der Familie, der Öffentlichkeit, in Unternehmen,
einer Freundschaft oder einem Arbeitsverhältnis. Gehört ein Akteur zu einer bestimmten
Gruppe, so erlangt er soziales Kapital, welches durch den jeweiligen Kontext der Gruppe
mehr oder weniger wert ist.
28
Je nach Zugehörigkeit ist religiöses Handeln wirkmächtig.
Zudem erwarten Anhänger einer sozial mächtigen Gruppe bestimmte Dinge von ihrem
,,Propheten" bzw. Repräsentanten des Brands. Die zugestandene Macht ist durch eine
Erwartungshaltung bestimmt, die befriedigt werden muss um den Machterhalt zu sichern.
29
Wird diese Erwartungshaltung nicht mehr ausreichend unterhalten, führt das zu einem
Machtverlust. Das Bedürfnis nach sozialer Macht auf Seiten der Akteure bleibt jedoch
bestehen und sie suchen nach neuen Anbietern, welche ihre Präferenzen befriedigen.
Während des Neoliberalismus der achtziger Jahre fand eine Umwandlung des vorher
christlich dominierten religiösen Feldes statt. Durch den stärkeren Wunsch nach
Individualität und Lebensverbesserung teilte sich das Feld unter vielen verschiedenen
Anbietern auf.
30
Warum aber war das Feld zuvor mit einem Monopol der christlichen
Kirchen belegt? War ein bestehendes Machtverhältnis dafür verantwortlich? Bourdieu wirft
in diesem Zusammenhang der katholischen Kirche eine Monopolisierung religiösen Kapitals
vor. Sie habe politische und soziale Macht exklusiv reproduziert und damit für lange Zeit
27
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 30.
28
Bourdieu, Pierre (1992): Die Ökonomie der symbolisierten Güter in: ders. Praktische, Vernunft zur
Theorie des Handelns. Frankfurt: 186. Folgende.
29
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 64.
30
Ebd. 68.
13

eine Sonderstellung im Feld innegehabt.
31
Koch identifiziert Bourdieu als wichtige Quelle
für die Religionsökonomie, da er das religiöse Feld mit dem Begriff der symbolischen
Manipulation ersetzt. Symbolische Güter stehen, wie auch materielle Güter, für
unterschiedliche Kapitalsorten, welche im Tausch miteinander stehen und voneinander
abhängig sind.
32
Mit dieser Einordnung kann Bourdieu die Dynamiken erklären, welche
nicht nur ein Anbieten und Konsumieren von Gütern beschreiben, sondern auch die
Machtverhältnisse, die entstehen. Konsumiertes und angenommenes Kulturgut gibt dem
Produzenten soziale Macht, welche die Marktposition stärkt. Doch nicht nur die Institutionen
sind in der Lage, den Markt zu beeinflussen und Macht auszuüben. Die Verbraucher bzw.
Konsumenten können sich durchaus gegen institutionalisierten Druck zur Wehr setzen, wie
der amerikanische Religionswissenschaftler Hugh Urban feststellt.
33
Ökonomie wird demnach durch mehrere Arten von Macht beeinflusst. Diese Macht entsteht
durch die Produktion von kulturellen Inhalten, welche von Akteuren konsumiert werden. Je
weiter die Verbindungen in Politik und Wirtschaft reichen, desto mächtiger wird eine
Institution und kann diese Macht ausüben. Dennoch steht die besagte Institution ständig
unter Druck, die gewonnene Macht und die Erwartungshaltung aufrecht zu erhalten. Somit
ist die Wechselwirkung zwischen Anbietern und Konsumenten der Faktor, welcher diese
Macht produziert und erhält.
2.2.2 Wie funktioniert ein Markt?
Das religiöse Marktmodell, welches zuvor schon Erwähnung fand, ordnet Koch der frühen
Zeit der Religionsökonomie zu. Religiöse Märkte setzen religiöse Anbieter und
Konsumenten voraus. Die Schwierigkeit dieses Modells liegt in der Beschreibung der
Verbraucher. Das Modell geht davon aus, dass die besagten Verbraucher tatsächlich
Suchende auf einem Markt sind, also immer aktiv am Kauf bzw. Konsum von Inhalten
teilnehmen. Auch gibt es eine klare Unterscheidung zwischen Anbietern und Käufern, die
sich jedoch leicht widerlegen lässt. Oft kommt es dazu, dass kulturelle Inhalte über dritte
31
Vgl. Bourdieu, Pierre (1992): Die Ökonomie der symbolisierten Güter in: ders. Praktische, Vernunft zur
Theorie des Handelns. Frankfurt
32
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 69.
33
Urban, Hugh B. (2003): Sacred Capital: Pierre Bourdieu and the Study of Religion. In Method and Theory
in the Study of Religion 15: 354. Folgende.
14

authentifiziert werden, die selbst Konsumenten sind. Dennoch stellt dieses Marktmodell ein
ökonomisches Grundmodell dar, an dessen Beispiel die Fluidität und Wahlfreiheit des
zuletzt erwähnten religiösen Feldes sichtbar wird. Besteht Religionsfreiheit, ist die
Möglichkeit zur freien Kombination religiöser Inhalte, ohne potentielle negative
Konsequenzen, gegeben. Innerhalb des Marktes tummeln sich auch Anbieter, welche die
Kategorie Religion durch Alternativen ersetzten, um für die Konsumenten gerade in einer
Zeit der Individualisierung attraktiv zu bleiben.
Märkte sind, ob politisch kontrolliert oder der eigenen Regulation überlassen, niemals von
den von Bourdieu
beschriebenen Machtsystemen unabhängig. Koch zählt hier
beeinflussende Größen wie Ausbeutungsverhältnisse, Informationsversorgung und
Unterdrückung auf.
34
Zusätzlich gibt es beeinflussende Faktoren wie sozialen Druck, der das
Verlangen nach einer Selbstpositionierung fördert. Die Frage: ,,gibt es eine unbeeinflusste
und statische Macht?" ist klar zu verneinen. Eine Marktposition kann nur abhängig von den
äußeren Gegebenheiten existieren. Innerhalb eines freien und globalen Marktes lassen sich
Akteure und Institutionen identifizieren, welche in vielen Teilbereichen des genannten
Marktes tätig sind. Religiöse Organisationen belegen demnach ähnliche Marktpositionen
wie es vermeintlich säkulare Unternehmen tun. Sie sind sowohl als Anbieter als auch
Nachfrager auf dem globalen Markt aktiv. So haben beispielsweise evangelikale
Organisationen in den USA
35
oft nicht nur einen kirchlichen Betrieb, sondern organisieren
auch soziale Aktivitäten, die weit über reine Gesprächskreise hinausgehen. Bücher und
Kleidung werden mit dem eigenen Brand versehen und in Shops auf dem Kirchencampus
verkauft und beworben. Coffee-Shops und Restaurants bieten ebenfalls ihre Produkte auf
dem Gelände der Organisation an. Obwohl mit religiösen Labeln versehen, stehen diese
Shops in einer ständigen Abhängigkeit zu den ökonomischen Gegebenheiten des globalen
Marktes. Sie kaufen ihre Produkte auf Großmärkten und Internetplattformen, wie
nichtreligiöse Anbieter auch. Es lässt sich zu diesem Zeitpunkt also noch kein
Alleinstellungsmerkmal für religiöse Produkte ausmachen. Religiöses Marketing und der
Konsum religiöser Güter findet auf keinem separierten Markt statt, wie zum Beispiel Mara
Einstein annimmt.
36
Ökonomisch besteht eine feste Verbindung zwischen religiösen
34
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 71.
35
Twitchell, B. James (2004): Branded Nation. The Marketing of Megachurch, College Inc., and
Museumworld. New York: 91. Willow Creek: Megachurch.
36
Vgl. Einstein, Mara (2008): Brands of Faith. Marketing Religion in a Commercial Age. London.
15

Akteuren, Institutionen und dem globalen Markt. Kulturelle und religiöse Identitäten können
unter diesen Bedingungen zu reinen Produkten der Selbstpräsentation und Identitätsbildung
werden, die losgelöst von religiösen Institutionen zum Inhalt von Branding und
Kundenbindungsstrategie avancieren.
37
Wie funktioniert also ein Markt? Es gibt Anbieter und Konsumenten. Diese Rollenverteilung
ist allerdings nicht statisch, sondern bestimmt nur das jeweilige situative Verhältnis, welches
die Akteure beim Kauf bzw. Konsum einnehmen. Also ist ein Konsument ein potentieller
Anbieter in einem anderen Teilbereich des Marktes. Neben dieser Dynamik sind auch
Machtverhältnisse ständige Handlungsmarker innerhalb des Marktes. Erwartungshaltungen
gegenüber den Produkten und als Testamonial fungierenden Vertretern selbiger können über
den Wert eines Brands bestimmen. Ein Produkt steht also in ständiger Abhängigkeit und
Konkurrenz zu den endogenen und exogenen Dynamiken, denen es ausgesetzt ist. Religiöse
Organisationen bilden in diesem Zusammenhang keine Ausnahme.
Populäre Religionen kommunizieren über und in den massenmedialen Diskursen und bewegen sich
in Konkurrenz zu mehreren Teilsegmenten: zu den organisierten Religionen, zu Weltanschauung,
Lifestyle, diversen Sinnangeboten und nicht zuletzt in Konkurrenz oder Allianz zum sozialen Wunsch
nach Anerkennung.
38
So stellt sich die Frage, wie Entscheidungen getroffen werden, wenn ein Markt so dynamisch
und fluide ist und sowohl säkulare als auch religiöse Angebote ineinander verschwimmen.
2.2.3 Wie wählt der Kunde?
Es ist Aufgabe der Ökonomie, Präferenzen zu erklären und zu berücksichtigen, wie sie
entstehen. Das heißt, es ist Teil dieser religionsökonomischen Arbeit, zu untersuchen, wie
Verbraucher und Konsumenten wählen, und welche Rolle dabei das soziale Umfeld spielt.
Koch identifiziert den schon erwähnten Neoliberalismus als einen der Gründe für eine
kulturwissenschaftliche und kulturökonomische Untersuchung von Kauf-
und
Konsumentscheidungen. Die Rationalwahlökonomie ist zum Beispiel eine Theorie, die
durch besagten Neoliberalismus begünstigt wurde. Sie geht von einer Nutzenmaximierung,
37
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 72.
38
Ebd. 76.
16

einem Marktgleichgewicht und einer stabilen Präferenz auf Seiten der Konsumenten aus.
39
Rational kalkulierende Akteure haben zu befriedigende Wünsche, welche sie erfüllen
möchten. Autoren, die sich mit religiösem Marketing beschäftigen, sprechen hier oft von
Wünschen nach einem Lebenssinn, Heilsversprechen, sozialer Zugehörigkeit und
Gesundheit.
40
Die Rationalwahltheorie beschreibt den Vorgang des Abwägens zwischen
verschiedenen angebotenen Produkten. In diesem Vorgang spielen mehrere Faktoren eine
Rolle. Letzten Endes kommt es zu einer Kaufentscheidung, wenn ein Produkt eine
Übereinstimmung mit den Interessen des Konsumenten erzielt. Die Theorie beschreibt, dass
Käufer eines Produktes mehrere Präferenzen haben, die unterschiedlich stark ausgeprägt
bzw. gewertet sind. Möchte ein Akteur einer religiösen Gemeinschaft beitreten, besitzt er
also eine Erwartungshaltung, die mit verschiedenen Präferenzen gefüllt ist. So möchte er
vielleicht nicht in eine institutionalisierte Kirche gehen, will aber bekannte Muster wie den
liturgischen Ablauf des Gottesdienstes und der Andacht, nicht missen. Außerdem ist er an
sozialem Engagement auf kommunaler Ebene interessiert. Nach diesen Präferenzen kann er
eine Wahl treffen. Die Rationalwahltheorie geht hier davon aus, dass Akteure ihre
Präferenzen unterschiedlich gewichten und nach dem Produkt suchen, was der eigenen
Gewichtung nahe kommt.
Die Rationalwahltheorie bezieht sich nicht exklusiv auf einen religiösen Markt. Untersucht
man das Marketing verschiedenster Institutionen, fällt auf, dass Anbieter, die säkulare
Produkte anbieten, durch ihr Marketing ebenfalls Präferenzen ansprechen könnten, die zuvor
nur religiösen Organisationen vorbehalten waren und umgekehrt. Sind die Anteile an
religiösem Inhalt, Lebensstil und Heilsversprechen zu denen eines religiösen Produkts
analog, können vermeintlich säkulare Produkte in einen ursprünglich religiös geprägten
Auswahlprozess gelangen. Dies führt zu folgendem hypothetischen Beispiel: Möchte ein
Akteur vier Anteile soziale Verknüpfung, vier Anteile Lebensstilverbesserung und zwei
Anteile Transzendenz kaufen bzw. konsumieren und das Marketing von Apple Macintosh
suggeriert ihm durch die Rezeption religiöser Rhetoriken und Motive genau das, kann dieses
39
Koch, Anne (2014): Religionsökonomie. Eine Einführung. Stuttgart: 78.
40
Vgl. Einstein, Mara (2008): Brands of Faith. Marketing Religion in a Commercial Age. London.
17

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783961160327
ISBN (Paperback)
9783961165322
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg – Institut für Religionswissenschaft
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Note
1,0
Schlagworte
Branding Megachurch evangelikal USA Religion
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Titel: Branding Religion
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