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Let’s Play: Explorative Tagebuchstudie zur Analyse verhaltenswissenschaftlicher Wirkungszusammenhänge bei Gamification

Der Einsatz von Gamification als Marketinginstrument

©2016 Masterarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Die Digitalisierung stellt neue Anforderungen an die Markenführung und -kommunikation und trägt maßgeblich zur Veränderung in den Strukturen des Konsumentenverhaltens
bei. Gamification wird in der Praxis zunehmend als Mittel beteuert, den neuen Herausforderungen entgegenzuwirken und neue, engagierende Lösungen für Konsumenten zu schaffen. Der Einsatz von Spielelementen in spielfremden Zusammenhängen soll es Unternehmen ermöglichen, über die Generierung positiver Erlebnisse gewünschte Verhaltensweisen bei Konsumenten herbeizuführen und diese langfristig und nachhaltig zu loyalen Markenbotschaftern zu befördern. Befürworter sehen das Potenzial vor allem darin, dass durch Spielmechanismen bedingte Motivationswirkungen auf spielfremde Bereiche übertragen werden können. Es wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 Gamification in mehr als 85% aller tagtäglichen Aktivitäten integriert sein wird. Das Potenzial von Gamification stützt sich dabei auf die enorme Bedeutung des Spiels im menschlichen Leben. „Games are the only force in the universe that can get people to take actions that are against their self-interest, but in a predictable way“, meint Gamification-Experte Gabe Zichermann. Einer repräsentativen Studie zufolge spielt über 42% der deutschen Bevölkerung regelmäßig Computer- oder Videospiele, wovon 81% in der Altersklasse von 14 bis 29 Jahren repräsentiert werden. Das Niveau an Engagement, welches durch Spiele erreicht werden kann, ist daher für viele Unternehmen heutzutage wünschenswert.
Ob der Einsatz von Gamification tatsächlich den neuen Anforderungen an das unternehmerische Marketing gerecht werden und nachhaltig die Loyalität von Kunden erreichen kann, bildet den Gegenstand dieser Arbeit.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis
5.3
Gamification ­ eine neue Lösung für alte Probleme? ... 48
Anhang ... 50
Literaturverzeichnis ... 54
VI

Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Aufl.
Auflage
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
et al.
et alii (und andere)
Hg.
Herausgeber
Jg.
Jahrgang
MDA
Mechanics
­
Dynamics
-
Aesthetics
o.J.
ohne
Jahresangabe
S.
Seite
überarb.
Überarbeitete
vgl.
vergleiche
vollst. vollständig
z.
B.
zum
Beispiel
VII

Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: MDA-Rahmengerüst ...6
Abbildung 2: Abgrenzung von Gamification zu verwandten Konzepten ...9
Abbildung 3: Ableitung einer Gamification-Typologie ...14
Abbildung 4: Darstellung Verlaufstyp A bei Sport-Anwendungen ...30
Abbildung 5: Darstellung Verlaufstyp B bei Sport-Anwendungen ...30
Abbildung 6: Darstellung Verlaufsgraphen Probandin 4 ...35
VIII

Gamification im Zeichen des digitalen Zeitalters
1
Einführung
Das folgende Einleitungskapitel stellt eine Einführung in das Thema Gamification dar. Ba-
sierend auf der in Kapitel 1.1 erläuterten Problemstellung werden in Kapitel 1.2 konkrete For-
schungsfragen abgeleitet. Im Anschluss wird die Vorgehensweise zur Beantwortung dieser
Fragen erläutert.
1.1
Gamification im Zeichen des digitalen Zeitalters
,,Marken können nicht mehr alleine auf gute Qualität bauen: Die Suche nach emotionalen
Zusatznutzen entscheidet die Schlacht über die künftige Markenstärke." (Esch, 2012, S. 41).
In Zeiten des inflationären Einsatzes werblicher Maßnahmen und einer starken Verände-
rung in den Strukturen des Konsumentenverhaltens setzen Unternehmen zunehmend auf die
Marketingkommunikation, um einen Differenzierungsfaktor zu den vielfach homogenen
Angeboten der Wettbewerber zu erzielen (vgl. Esch et al., 2005, S. 15; Esch, 2012, S. 25).
Das Marketing gilt heutzutage als hoch innovativ. Zwar gelten Markenwahrnehmung und
Transaktion noch immer als entscheidende Erfolgsfaktoren, allerdings haben sich die dazwi-
schenliegenden Schritte erheblich verändert (vgl. Haven, 2007, S. 2). Es lässt sich bei Kon-
sumenten eine höhere Sensibilität hinsichtlich der Art und Weise, wie sie ihre Aufmerksam-
keit verteilen, beobachten. Eine fortwährende Überprüfung der Positionierungskonzepte
seitens Unternehmen ist daher erforderlich, um Markenwahrnehmung, Engagement und
Loyalität zu erreichen. Die Bereicherung bestehender Marketingstrategien mit neuen, enga-
gierenden Lösungen ist unabdingbar, um einen relevanten Mehrwert zu bieten, den Konsu-
menten für erinnerungswürdig halten (vgl. Meloni/Gluener, 2012; Stampfl, 2013, S. 47).
Durch den Einsatz emotionaler, überraschender oder physisch intensiver Reize kann eine
hohe Aktivierung und eine intensivere Auseinandersetzung mit Kommunikationsmaßnah-
men seitens der Konsumenten herbeigeführt werden (vgl. Esch et al., 1998, S. 134-135).
Insbesondere stellt die Digitalisierung neue Anforderungen an die Markenführung und
­kommunikation und trägt maßgeblich zur Veränderung in den Strukturen des Konsu-
mentenverhaltens bei (vgl. Stampfl, 2013, S. 47). Binnen weniger Jahre haben digitale Me-
dien, insbesondere durch das Avancieren von mobilen Endgeräten, den Alltag verändert und
einen mächtigen Einfluss auf die verschiedensten Ebenen des gesellschaftlichen Lebens ge-
nommen (vgl. Initiative D21, 2014, S. 4). Im Zuge der Digitalisierung werden Konsumenten
1

Gamification im Zeichen des digitalen Zeitalters
durch das bewusste zur Verfügung stellen persönlicher Daten zunehmend zum wichtigsten
Produzenten datengetriebener Dienstleistungen und Produkte. Die Unterstützung und
Befähigung der Konsumenten dabei, die Chancen der Digitalisierung individuell zu nutzen,
sind daher von Unternehmensseite unabdingbar. Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft
kann als komplexer und hoch dynamischer Prozess angesehen werden, der vor allem von der
Offenheit der Bevölkerung hinsichtlich neuer Technologien abhängt (vgl. ebenda, S. 3). Es
wird daher erwartet, dass es mit dem Heranwachsen der aktuellen Generation Y für Unter-
nehmen zunehmend erforderlich wird, sich mit den aktuellen Trends der Digitalisierung aus-
einanderzusetzen, und diese gewinnbringend in ihre Marketingstrategien zu integrieren (vgl.
Bunchball, 2012, S. 3).
Gamification wird in der Praxis zunehmend als Mittel beteuert, diesen genannten Herausfor-
derungen entgegenzuwirken und neue, engagierende Lösungen für Konsumenten zu schaf-
fen (vgl. z.B. Robson et al., 2014, S. 352; Stampfl, 2012, S. 69; Werbach/Hunter, 2012, S. 20;
Zichermann/Lindner, 2010, S. 7). Der Einsatz von Spielelementen in spielfremden Zusam-
menhängen soll es Unternehmen ermöglichen, über die Generierung positiver Erlebnisse
gewünschte Verhaltensweisen bei Konsumenten herbeizuführen und diese langfristig und
nachhaltig zu loyalen Markenbotschaftern zu befördern (vgl. Bunchball, 2010, S. 2). Be-
fürworter sehen das Potenzial vor allem darin, dass durch Spielmechanismen bedingte Mo-
tivationswirkungen auf spielfremde Bereiche übertragen werden können (vgl. Hamari, 2015,
S. 1). Es wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 Gamification in mehr als 85% aller
tagtäglichen Aktivitäten integriert sein wird (vgl. IEEE, 2014). Das Potenzial von Gamifica-
tion stützt sich dabei auf die enorme Bedeutung des Spiels im menschlichen Leben. ,,Games
are the only force in the universe that can get people to take actions that are against their
self-interest, but in a predictable way", meint Gamification-Experte Gabe Zichermann (Zi-
chermann, 2011). Einer repräsentativen Studie zufolge spielt über 42% der deutschen Bevöl-
kerung regelmäßig Computer- oder Videospiele, wovon 81% in der Altersklasse von 14 bis
29 Jahren repräsentiert werden (vgl. Bitkom Research, 2015). Das Niveau an Engagement,
welches durch Spiele erreicht werden kann, ist daher für viele Unternehmen heutzutage wün-
schenswert (vgl. Meister/Steudte, 2014, S. 13).
Ob der Einsatz von Gamification tatsächlich den neuen Anforderungen an das unternehmeri-
sche Marketing gerecht werden und nachhaltig die Loyalität von Kunden erreichen kann, bil-
det den Gegenstand dieser Arbeit.
2

Vorgehensweise der Untersuchung
1.2
Vorgehensweise der Untersuchung
Die Beurteilung des angedeuteten Potenzials von Gamification als Marketinginstrument bildet
den Ausgangspunkt für die Untersuchung in dieser Arbeit. Da der aktuelle Forschungsstand
die langfristigen Auswirkungen von Gamification auf den Unternehmenserfolg nicht adä-
quat erfasst (vgl. Seaborn/Fels, 2015, S. 27), sollen mittels dieser Arbeit die folgenden Fragen
beantwortet werden:
1. Welche verhaltenswissenschaftlichen Mechanismen liegen der Wirkung von
Gamification zugrunde?
2. Kann der Einsatz von Gamification aus Unternehmensperspektive tatsächlich dabei
behilflich sein, die erwünschten Marketingziele (Markenbekanntheit, Engagement und
Loyalität) zu erreichen?
3. Durch welche Faktoren kann der Erfolg von Gamification als Marketinginstrument
beeinflusst werden?
Kapitel 2 dieser Arbeit widmet sich zunächst den Grundlagen zum Thema Gamification, um
ein umfangreiches Verständnis für den Sachverhalt zu gewährleisten, und stellt anschließend
Ziele, Einsatzfelder und Typen von Gamification aus der praktischen Perspektive dar. Kapitel
3 beinhaltet verhaltenstheoretische Grundlagen von Gamification. Ein besonderes Augenmerk
liegt hier auf ausgewählten Motivations- und behavioristischen Lerntheorien. Darauf aufbau-
end wird in Kapitel 4 mittels einer explorativen Tagebuchstudie empirisch erforscht, inwie-
fern diese Motivations- und Lerntheorien verhaltenswissenschaftliche Wirkungszusammen-
hänge bei Gamification erklären können. Daraus werden anschließend Rückschlüsse auf das
Potenzial von Gamification als Marketinginstrument, um ein Schlüssel zum Unternehmenser-
folg zu werden, gezogen. Kapitel 5 schließt diese Arbeit mit einer Zusammenfassung der
Erkenntnisse, einer Darlegung der Implikationen für die Forschung und Praxis sowie einem
Ausblick ab.
3

Herleitung einer Definition
2
Grundlagen zum Thema Gamification
Im folgenden Kapitel wird zunächst der Begriff ,Gamification' in seine verschiedenen Be-
standteile zerlegt, definierend erläutert und von ähnlichen Konzepten abgegrenzt. In Anknüp-
fung an die begriffserklärenden Ausführungen werden Ziele von Gamification aus Marke-
tingperspektive erläutert und darauf basierend verschiedene Einsatzfelder praxisnah beleuch-
tet. Abschließend werden verschiedene Gamification-Typen abgeleitet.
2.1 Herleitung einer Definition
Um eine Definition von ,Gamification' herzuleiten, werden zunächst die Begriffe ,Spiel' und
die unterschiedlichen Formen des ,Spielens', sowie eine anschließende Darstellung der Wir-
kungsweise von Spielen geliefert, um darauf aufbauend gängige Definitionsansätze zu erläu-
tern.
2.1.1
Spiel und spielen
In Anbetracht der Funktionsweise von Gamification und um ein Verständnis für den Begriff
zu entwickeln, bedarf es zunächst einer Erläuterung und Unterscheidung der Begriffe ,
Spiel'
und ,
spielen'
1
.
Das Spiel ist aus wissenschaftlicher Sicht keiner eindeutigen Disziplin zuzuordnen, wodurch
sich folglich keine allgemeingültige Definition bestimmen lässt (vgl. Ferrara, 2012, S. 16;
Seaborn/Fels, 2015, S. 16; Stampfl, 2012, S. 1).
In der Wissenschaft wird häufig die Ansicht von Huizinga (1956, S. 37) aufgeführt, welcher
das Spiel als eine mit Regeln versehene und freiwillige Handlung mit festgelegten zeitli-
chen und räumlichen Grenzen beschreibt, wodurch ein Gefühl der Freude ausgelöst wird.
Falassi (1987, S. 5) ergänzt, dass Menschen während eines Spiels Verhaltensweisen aufzei-
gen, welche sie im Normalfall nicht aufzeigen würden. Salen und Zimmermann (2004, S.
80) legen das Spiel als ein System aus, in welchem Spieler in einem künstlichen, mit Regeln
versehenen Konflikt miteinander interagieren, woraus ein messbares Ergebnis resultiert.
McGonigal (2011, S. 21) unterstreicht, dass unabhängig vom Genre folgende vier Elemente
in jedem Spiel vorhanden sind: ein klares Ziel, Regeln, ein Feedbacksystem sowie die
Freiwilligkeit. Deterding ergänzt zusätzlich die Notwendigkeit einer spannenden Heraus-
1
Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe ,Spiel' und ,spielen' als ,game' und ,play' bezeichnet.
4

Herleitung einer Definition
forderung, einer Relevanz der zu erledigenden Aufgaben für den Spieler sowie einer Frei-
heit, jenseits der Regeln zu experimentieren (vgl. Harvard Business Manager, 2011). Die
Auslegung der existierenden Definitionen verdeutlicht, dass vor allem der Freiwilligkeit und
Zielsetzung, sowie dem Erlebnis für den Spieler eine hohe Bedeutung zugesprochen wird.
Bezugnehmend auf den Akt des Spielens wird in der bestehenden Literatur aufbauend auf
Caillois' (2001) Ansicht zwischen ,paidia' (playing) und ,ludus' (gaming) unterschieden.
Paidia bezeichnet eine freie, ausdrucksstarke und turbulente Form des Spielens (vgl.
Caillois, 2001, S. 31). Der Begriff steht für eine spielerische Interaktion, die bspw. mit einem
Spielzeug und eher kreativ und regellos erfolgt (vgl. Salen/Zimmermann, 2004, S. 72). Lu-
dus bezieht sich auf eine Art des Spielens, welche durch Regeln und ein wetteiferndes Stre-
ben nach der Erreichung gewisser Ziele gekennzeichnet wird (vgl. Caillois, 2001, S. 31).
Der Begriff beschreibt somit ein eher sportliches und zielgebundenes Spielen, das sich an
vorgegebenen Zielen, Regeln und Grenzen orientiert (vgl. Mayer, 2009, S. 18). Durch diese
Charakteristiken wird ,Ludus' mit dem Begriff des ,Spiels' gleichgesetzt (vgl. Sa-
len/Zimmermann, 2004, S. 72).
2.1.2
Grundlagen eines Spiels
Die aufgeführten Definitionen vom Begriff des ,Spiels' lassen darauf schließen, dass ein Spiel
als ein interagierendes System zu verstehen ist und eine Abhängigkeit verschiedener
Grundbausteine voneinander besteht (vgl. Hunicke et al., 2004, S. 2). Die Veränderung
eines gewissen Bestandteils kann dementsprechend die gänzliche Reaktion eines Spielers im
Spielverlauf beeinflussen (vgl. Zichermann/Cunningham, 2011, S. 35). Zur Erklärung der
Funktionsweise eines Spiels soll das in Abbildung 1 dargestellte Mechanics, Dynamics,
Aesthetics
2
-Rahmengerüst (MDA) herangezogen werden, welches als Unterstützung für die
Konzeption eines Spiels fungiert, indem es die Spieler- und Designersicht vereint. Über ver-
schiedene Entwicklungsstufen hinweg wird so erklärt, inwiefern Spielmechanismen bestimm-
te Spielerreaktionen hervorrufen, und wie die dynamische Wirkung eines Spiels zustande
kommt (vgl. Hunicke et al., 2004, S. 1). Ein Verständnis dieses Rahmengerüsts ermöglicht die
Konzeption eines Spiels in Anlehnung an dessen Ziele und führt dazu, dass unerwünschte
Wirkungen vermieden und wünschenswerte Emotionen hervorgerufen werden können (vgl.
ebenda, 2004, S. 5).
2
Deutsch: Mechaniken, Dynamiken, Ästhetiken.
5

Herleitung einer Definition
Abbildung 1: MDA-Rahmengerüst
(eigene Darstellung, in Anlehnung an Hunicke et al., 2004, S. 2)
Aesthetics sind die emotionalen Reaktionen eines Spielers, die während eines Spiels ausge-
löst werden. Diese äußern sich bspw. in der steigenden Anspannung, der Frustration, dem
Spaß oder der Begeisterung. Welche emotionalen Reaktionen hervorgerufen werden hängt
von den Dynamics ab, die aus der Interaktion des Spielers mit dem gesamten System entste-
hen (vgl. Hunicke et al., 2004, S. 2). Bspw. entspringen hier je nach den Bedürfnissen des
jeweiligen Spielers der Wettbewerb zwischen Spielern, der Aufstieg in ein neues Level oder
die Erstellung eines Avatars (vgl. Anhang, 1. Liste gängiger Spielelemente, S. 50-51; Suh et
al., 2015, S. 673). Mechanics sind die vom Designer festgelegten funktionellen Komponenten
eines Spiels und beinhalten jegliche Handlungsoptionen, Aktivitäten und Kontrollmechanis-
men, die einem Spieler zur Verfügung stehen. Sie gelten als Regeln für ein Spielverhalten
und sind in jedem Spiel explizit definiert und gänzlich berechenbar (vgl. Sellers, 2006, S.
14). Gängige Spielmechaniken sind vor allem Punkte, Levels, Abzeichen, Fortschrittsbal-
ken und Ranglisten (vgl. Anhang, 1. Liste gängiger Spielelemente, S. 50-51). Im Fokus des
Modells steht, dass durch den Einsatz von Mechanics bestimmte Aesthetics erzeugt werden
(vgl. Hunicke et al., 2004, S. 2). Bspw. können eine Rangliste (Mechanic) und der Wunsch,
in dieser Rangliste aufzusteigen, zu Wettbewerb, Anerkennung und Status führen (Dyna-
mic). Dies kann wiederum den Spaß (Aesthetic) auslösen, den ein Spieler beim Spielen emp-
findet (vgl. Kim, 2015b, S. 18).
Die Beschreibung des MDA-Rahmengerüsts fungiert als Übergang zur nachfolgenden Ablei-
tung einer Definition von Gamification, da hierdurch ein Erklärungsrahmen dafür geliefert
wird, wie Spielelemente für spielfremde Zusammenhänge instrumentalisiert werden können
(vgl. Zichermann/Cunningham, 2011, S. 35).
6

Herleitung einer Definition
2.1.3
Darstellung verschiedener Definitionsansätze
Bei der Betrachtung vorhandener wissenschaftlicher Literatur lässt sich feststellen, dass noch
keine universell akzeptierte Definition des Begriffs ,Gamification' vorhanden ist (vgl. Deter-
ding et al., 2011a, S. 1; Seaborn/Fels, 2015, S. 14).
Gegenwärtige Definitionsansätze bauen hauptsächlich auf Deterdings' et al. (2011a, S. 1)
Definition auf: ,,Gamification is the use of game-design elements in non-game contexts".
Ausgehend von dieser Definition handelt es sich bei Gamification nicht um vollständig entwi-
ckelte Spiele, sondern lediglich um das Hinzufügen von Spielelementen (Mechanics), die in
spielfremden Zusammenhängen, also außerhalb des regulären Unterhaltungsbereich, vor-
gefunden werden. Diese sind jedoch nicht auf bestimmte Anwendungszusammenhänge,
-zwecke oder -szenarien begrenzt (vgl. Deterding et al., 2011a, S. 3).
Huotari und Hamari (2012, S. 19) definieren den Begriff dagegen aus der Sicht des Service-
Marketings. Sie lösen sich vom Ansatz, dass lediglich Spielelemente verwendet und keine
vollumfänglichen Spiele gestaltet werden, da sonst wichtige Merkmale eines Spiels wie etwa
die Freiwilligkeit verloren gehen. Die Definition wird auf das nutzenstiftende Erlebnis für
einen Anwender ausgelegt: ,,Gamification is a process of enhancing a service with af-
fordances for gameful experiences in order to support user's overall value creation".
Werbach und Hunter (2012, S. 26) definieren Gamification als ein Instrument der Un-
ternehmensstrategie: "The use of game elements and game-design techniques in non-game
contexts". Dabei sind game elements an der Funktionsweise des MDA- Rahmengerüstes aus-
gerichtet. Ein Unterschied zum Ansatz von Deterding et al. besteht allerdings darin, dass
durch den Einsatz dieser Spielelemente Tätigkeiten nicht zwingend vollständig wie ein Spiel
gestaltet, sondern lediglich so konzipiert sind, dass psychologische Bedürfnisse im gleichen
Maße angesprochen werden. Non-game contexts werden von den Autoren auf internal (in-
nerhalb des Unternehmens), external (für Kunden) und behavior-changing begrenzt.
Aufbauend auf den Definitionen der vorherigen Autoren entwickeln Seaborn und Fels (2015,
S. 17) die folgende Definition: ,,the intentional use of game elements for a gameful experience
of non-game tasks and contexts". Der Fokus liegt hier auf dem beabsichtigten Einsatz von
Spielelementen, um bestimmte spielähnliche Erlebnisse beim Anwender hervorzurufen.
Anhand der dargestellten Definitionen kann festgestellt werden, dass sich der Begriff Gamifi-
cation hauptsächlich mit der beabsichtigten Integration spielerischer Komponenten in
spielfremden Kontexten beschäftigt, um engagierend und nutzenstiftend auf den Konsu-
menten einzuwirken. Allerdings vernachlässigen die aufgeführten Definitionen den im Mit-
7

Begriffsabgrenzung
telpunkt von Gamification stehenden Menschen und die verhaltenswissenschaftlichen Kom-
ponenten, durch die Gamification seine Wirkung überhaupt erst entfalten kann (vgl. Zicher-
mann/Cunningham, 2011, S. 15). Stampfl (2012, S. 21) verfeinert daher existierende Defini-
tionen und stellt die Motivationserzeugung und Verhaltensveränderung beim Anwender in
den Vordergrund. Sie definiert Gamification als ,,[...] bewusste Nutzbarmachung von Spiel-
mechanismen, um die Motivation von Menschen zu wecken und sie zu ganz bestimmtem Ver-
halten zu animieren.". Sie ergänzt, dass Gamification eine Art Werkzeug darstellt, durch des-
sen Anwendung gewisse Ziele erreicht werden sollen (vgl. ebenda, 2012, S. 21).
Die Darstellung der verschiedenen Definitionsansätze zeigt die schon vielfältigen Auslegun-
gen des Begriffs. Im weiteren Verlauf der Arbeit soll der Begriff Gamification in Anlehnung
an die dargestellten Definitionen und Wirkungsweisen von Spielen als
,,der Einsatz von Spielelementen in spielfremden Zusammenhängen, um bei
Anwendern eine Motivationssteigerung und Verhaltensveränderung herbeizu-
führen und dadurch Marketingziele zu erreichen"
verstanden werden. Als Marketingziele werden die Markenbekanntheit, das Engagement
und die Markenloyalität verstanden.
2.2
Begriffsabgrenzung
Die Betrachtung der aufgeführten unterschiedlichen Ansichten von Gamification lässt vermu-
ten, dass der Begriff in der Praxis stark mit inhaltlich verwandten Bereichen in Erscheinung
treten kann. Aufgrund der möglichen Uneinigkeit über den Begriff bedarf es daher einer ge-
nauen Begriffsabgrenzung. Das in Abbildung 2 dargestellte Schaubild ,,Gamification between
game and play, whole and parts" nach Deterding et al. (2011b) greift diese Thematik auf. In
Anlehnung an die bereits in Kapitel 2.1.1 aufgeführte Abgrenzung zwischen ,playing' und
,gaming' unterscheiden die Autoren die Begriffe ,Serious Games', ,Gameful Design',
,Toys', und ,Playful Design'. Zusätzlich werden diese Begriffe durch den Umfang des Ein-
satzes von Spielelementen (whole und parts) charakterisiert (vgl. Deterding et al., 2011b, S.
13). Dabei soll das Schaubild die Position von Gamification aufzeigen und dabei behilflich
sein, Grenzfälle besser einordnen zu können (vgl. Kim, 2015a, S. 10).
8

Begriffsabgrenzung
Abbildung 2: Abgrenzung von Gamification zu verwandten Konzepten
(eigene Darstellung, in Anlehnung an Deterding et al., 2011b, S. 13)
Gamification wird als ,Gameful Design' verstanden. Die zentralen Kriterien, die als Basis für
dessen Abgrenzung zu den anderen Konzepten gelten, liegen in den festgelegten Regeln und
der konkreten Zielsetzung, und der damit verbundenen Nähe zu ,Gaming'. Aufgrund der
Tatsache, dass lediglich Spielelemente zum Einsatz kommen, findet sich ,Gameful Design'
daher im Bereich der ,Parts' wieder (vgl. Deterding et al., 2011b, S. 13).
,Playful design' wird in den Bereichen der ,Parts' und ,Playing' eingeordnet (vgl. ebenda).
Es werden in der Regel durch den Einsatz von Spielelementen einfache und alltägliche As-
pekte des Lebens spielerischer gestaltet, um so ein positives Erlebnis beim Anwender herbei-
zuführen (Deterding, 2014, S. 7). ,Playful' gestaltete Aktivitäten zeichnen sich dadurch aus,
dass sie hoch angenehm und motivierend auf den Anwender einwirken (vgl. Lucero et al.,
2014, S. 36). Beispielhaft ist hier die Gestaltung von Stufen in einer Stockholmer U-Bahn
Station als ,Piano Stairs' zu erwähnen. Im Rahmen dieser Aktion wurden Stufen optisch als
ein Keyboard gestaltet. Das Betreten jeder Stufe generierte einen unterschiedlichen Ton, so-
dass die Stufen der Rolltreppe vorgezogen wurden. Der Twitter Fail Whale bildet ein weite-
res Beispiel. Diese spielerische Alternative zur Darstellung einer Standard-Fehlerseite im Fal-
le einer Überlastung der Twitter-Seite führte dazu, dass Besucher dieser Seite keine Enttäu-
schung verspürten (vgl. Russel, 2013; Kim, 2015a, S. 11). Zwar lässt sich erkennen, dass in
beiden Fällen die spielerische Problemlösung von realitätsnahen Angelegenheiten angestrebt
wurde, um positive Erlebnisse zu schaffen, allerdings können weder explizite Regeln, noch
9

Ziele von Gamification
eine konkrete Zielsetzung bei der Gestaltung identifiziert werden, sodass kein Bezug zum
Gaming-Charakter besteht (vgl. Kim, 2015a, S. 14).
Ähnlich wie ,Playful Design' zeichnen ,Toys' sich dadurch aus, dass kein konkretes Ziel ver-
folgt und ein freies Spielen angestrebt wird. Da bei ,Playful Design' nur teilweise Spielele-
mente integriert werden und der Inhalt einer Tätigkeit somit nicht gänzlich zum Spiel wird,
lassen sich ,Toys' von diesem Begriff abgrenzen. Sie sind häufig das Mittel, mit dem ,Playful
Design' ausgeführt wird. Da ,Toys' als ein Mittel zum vollumfänglichen Spielen ohne Ziel-
gerichtetheit verstanden werden, die lediglich auf die reine Unterhaltung ausgelegt sind,
lässt sich die Abgrenzung zu ,Gameful Design' vornehmen (vgl. Deterding, 2015, S. 303).
Dem Sinn nach am naheliegendsten zu Gameful Design ist der Begriff ,Serious Games'.
Dieser wird dadurch gekennzeichnet, dass er über den reinen Unterhaltungszweck hinausgeht
und zum Ziel hat, dem Nutzer einen weiterführenden Mehrwert zu liefern (vgl. Deterding,
2014, S. 7). Dabei steht oft das Erlernen neuer Fähigkeiten und Kompetenzen im Vorder-
grund, wie etwa im Zusammenhang mit neuen Verkaufstechniken oder gesundheitsbedingten
Fragen (vgl. Kapp, 2012, S. 15). Zwar lässt sich ,Gameful Design' oftmals in diesen Berei-
chen beobachten, allerdings wird im Falle der ,Serious Games' ein vollumfängliches Spiel
konzipiert, im Gegensatz zur bloßen Integration von Spielelementen (vgl. Deterding et al.,
2011b, S. 11).
Es bleibt allerdings anzumerken, dass eine Gamification-Strategie nicht in jedem Fall eindeu-
tig einer der genannten Kategorien zugeordnet werden kann (vgl. Kim, 2015a, S. 15). Bspw.
kann ,Gameful Design' auch ,Playful' gestaltet sein, allerdings liegt der Fokus in der Regel
auf Belohnungen, Regeln und Feedback, wodurch ein bestimmtes Ziel erreicht werden soll
(vgl. Deterding et al., 2011b, S. 13).
2.3
Ziele von Gamification
Die Gründe für den Einsatz von Spielelementen in Zusammenhängen definieren sich über die
Ziele, die damit erreicht werden können. Gamification und die damit verbundene Schaffung
einer spielähnlichen Erfahrung wird in der Marketingkommunikation als ein vielversprechen-
der Ansatz eingestuft, um unternehmerische Zielsetzungen zu verwirklichen (vgl. Meis-
ter/Steudte, 2014, S. 13).
10

Ziele von Gamification
Die zentrale Idee hinter Gamification besteht darin, Tätigkeiten unterhaltsamer und spaßi-
ger zu gestalten, sodass eine veränderte Wahrnehmung dieser erfolgt und die Anwender
Handlungen so durchführen, wie sie es ohne die spielerische Gestaltung nicht getan hätten
(vgl. Kapp, 2012, S. 9). Mittels Gamification sollen beispiellose und positive Erlebnisse ge-
neriert werden, welche Anwender dazu motivieren, intensiv und langanhaltend engagiert zu
bleiben (vgl. Deterding et al., 2011c, S. 13). Ein zentrales Ziel von Gamification besteht somit
darin, durch die attraktive Gestaltung einer Tätigkeit dessen häufigere und intensivere
Nutzung zu fördern (vgl. Meister/Steudte, 2014, S. 14). Der menschliche Spieltrieb wird
genutzt, um eine langanhaltende Verhaltensveränderung hervorzurufen, sodass langfristig
ein gewisses Verhalten geformt wird (vgl. Hüthig, 2013, S. 137). Es wird angestrebt, die
Anwender bei bestimmten Tätigkeiten so zu fesseln, dass echtes Interesse für die Tätigkeit
geweckt wird und das Verlangen besteht, diese Tätigkeit auch bis zum Abschluss hin auszu-
führen (vgl. Stampfl, 2012, S. 25-26). Durch gezielt eingesetzte Spielelemente soll der Nutzer
außerdem dazu motiviert werden, bestimmte Aktivitäten auszuüben, um seine Fähigkeiten zu
trainieren und somit neue Verhaltensweisen zu erlernen (vgl. White/Hillard, 2012, S. 12).
Die aufgeführten Einflussmöglichkeiten auf das menschliche Verhalten werden im Unter-
nehmensmarketing angewandt, um langfristige Ziele zu erreichen. Konkrete Zielsetzungen
sind vor allem die Erhöhung der Markenwahrnehmung, des Engagements, der Markenlo-
yalität und der Motivation des Anwenders. Durch eine stärkere Markenwahrnehmung bei
Zielkunden und einer damit verbundenen Neukundengewinnung wird zudem das Ziel der
Monetarisierung angestrebt (vgl. Hamari/Järvinen, 2011, S. 20; Meloni/Gruener, 2012, S. 6;
M2 Research, 2011).
Bei der Festlegung der Ziele aus Unternehmenssicht wird vor allem dem Engagement die
höchste Bedeutung zugesprochen, da sich daraus eine langanhaltende, emotionale Bindung
zur Marke entwickeln kann, woraus idealerweise die Markenloyalität entsteht (vgl. Kapp,
2012, S. 11; Lucassen/Jansen, 2014, S. 200; Witt et al., 2011, S. 10). Dies beruht insbesonde-
re auf der Tatsache, dass Gamification-Strategien sich oftmals sozialen Komponenten bedie-
nen, was zur Folge hat, dass über die virale Wirkung der positiven Mund-Propaganda
neue Kunden gewonnen werden können und die Markenwahrnehmung gesteigert wird (vgl.
Santos, o.J.)
11

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783961160204
ISBN (Paperback)
9783961165209
Dateigröße
1.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Note
1,0
Schlagworte
Marketing Gamification Spiel Explorative Studie
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