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Der Zusammenhang zwischen Negativität und Glaubwürdigkeit

Online-Experiment zur Untersuchung des Einflusses der Glaubwürdigkeit von Aussagenquellen und des Involvements von Rezipienten auf den Negativity-Credibility-Bias

©2015 Bachelorarbeit 46 Seiten

Zusammenfassung

„Schlechte Nachrichten sind glaubwürdiger“, gemäß Prof. Brettschneider (2013, 12. Abs.). Es liegt vermutlich daran, „dass Negatives seit jeher wichtiger war und eben nach wie vor ist. Wenn man in der Steinzeit auf die Jagd ging, war die Warnung ‚Achtung, Säbelzahntiger!‘ wichtiger als die Meldung ‚Alles ist ruhig‘“ (ebd., 12. Abs.).
Aber wenn es sich um die Einschätzung von Statements handelt (wie beispielsweise statistische Aussagen), beurteilen Menschen negativ formulierte Aussagen auch als glaubwürdiger im Vergleich zu inhaltlich identischen positiv formulierten. Die Aussage „Jeder vierte Hamburger ist nicht dazu bereit, Organe zu spenden“ wird beispielsweise als glaubwürdiger eingeschätzt als die Aussage „Drei von vier Hamburgern sind dazu bereit, Organe zu spenden“ (Koch, Peter, & Obermeier, 2013, S. 567). Es scheint verwunderlich, dass Negatives auch bei solchen Darstellungen als glaubwürdiger eingeschätzt wird als Positives: “This notwithstanding, it is both surprising and of noteworthy societal relevance that people seem more inclined to accept the same information as valid when it is framed negatively” (Hilbig, 2012, S. 38).
Genau mit dieser verzerrten Wahrnehmung, dem bislang kaum untersuchten sogenannten Negativity-Credibility-Bias, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Dieser Effekt zeichnet sich dadurch aus, dass eine valenzbasierte Formulierung die Einschätzung der Glaubwürdigkeit einer Aussage beeinflusst: Durch eine negative Formulierung wird die Glaubwürdigkeit einer Aussage erhöht, durch eine positive jedoch reduziert (Koch et al., 2013, S. 551).
Dem Thema der Negativität wurden bereits zahlreiche Studien gewidmet. Der Zusammenhang von Negativität und Glaubwürdigkeit wurde jedoch kaum untersucht. Nur zwei Studien aus der psychologischen Forschung (Hilbig, 2009, 2012) und eine aus der kommunikationswissenschaftlichen (Koch et al., 2013) legen nahe, dass der Negativity-Credibility-Bias sowohl bei einzelnen Aussagen als auch bei Aussagen, welche in einen Medieninhalt eingebettet sind, auftritt. Dabei ist die Glaubwürdigkeit nach Heringer (1990) "die Basis, auf der Kommunikation funktioniert; sie ist das kommunikative Urvertrauen, ohne das nichts geht" (S. 180). Glaubwürdigkeit ist also mit der Kommunikation verbunden und die Untersuchung dieses Faktors stellt im kommunikationswissenschaftlichen Bereich ein besonderes Interesse dar.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Zusammenhang zwischen Negativität und Glaubwürdigkeit Maryna Grachova
1
Tabellenverzeichnis
Tab. 1a: Gruppen nach Stimulusversionen (glaubwürdige Quelle)
16
Tab. 1b: Gruppen nach Stimulusversionen (unglaubwürdige Quelle)
17
Tab. 2: Voreinstellung zur Organspende
19
Tab. 3: Bekanntheitsgrad der gesetzlichen Regelungen zur Organtransplantation 20
Tab. 4: Bevorzugung der gesetzlichen Regelungen zur Organtransplantation 20
Tab. 5: Prüfung der Manipulation: negativer ­ positiver Stimulus
21
Tab. 6: Prüfung der Manipulation: glaubwürdige ­ unglaubwürdige Quelle
22

Zusammenhang zwischen Negativität und Glaubwürdigkeit Maryna Grachova
2
1. Einleitung
,,Schlechte Nachrichten sind glaubwürdiger", gemäß Prof. Brettschneider (2013, 12.
Abs.). Es liegt vermutlich daran, ,,dass Negatives seit jeher wichtiger war und eben
nach wie vor ist. Wenn man in der Steinzeit auf die Jagd ging, war die Warnung
,Achtung, Säbelzahntiger!` wichtiger als die Meldung ,Alles ist ruhig`" (ebd., 12. Abs.).
Aber wenn es sich um die Einschätzung von Statements handelt (wie beispielsweise
statistische Aussagen), beurteilen Menschen negativ formulierte Aussagen auch als
glaubwürdiger im Vergleich zu inhaltlich identischen positiv formulierten. Die Aussage
,,Jeder vierte Hamburger ist nicht dazu bereit, Organe zu spenden" wird beispielsweise
als glaubwürdiger eingeschätzt als die Aussage ,,Drei von vier Hamburgern sind dazu
bereit, Organe zu spenden" (Koch, Peter, & Obermeier, 2013, S. 567). Es scheint
verwunderlich, dass Negatives auch bei solchen Darstellungen als glaubwürdiger
eingeschätzt wird als Positives: "This notwithstanding, it is both surprising and of
noteworthy societal relevance that people seem more inclined to accept the same
information as valid when it is framed negatively" (Hilbig, 2012, S. 38).
Genau mit dieser verzerrten Wahrnehmung, dem bislang kaum untersuchten
sogenannten Negativity-Credibility-Bias, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit. Dieser
Effekt zeichnet sich dadurch aus, dass eine valenzbasierte Formulierung die
Einschätzung der Glaubwürdigkeit einer Aussage beeinflusst: Durch eine negative
Formulierung wird die Glaubwürdigkeit einer Aussage erhöht, durch eine positive
jedoch reduziert (Koch et al., 2013, S. 551).
Dem Thema der Negativität wurden bereits zahlreiche Studien gewidmet. Der
Zusammenhang von Negativität und Glaubwürdigkeit wurde jedoch kaum untersucht.
Nur zwei Studien aus der psychologischen Forschung (Hilbig, 2009, 2012) und eine
aus der kommunikationswissenschaftlichen (Koch et al., 2013) legen nahe, dass der
Negativity-Credibility-Bias sowohl bei einzelnen Aussagen als auch bei Aussagen,
welche in einen Medieninhalt eingebettet sind, auftritt. Dabei ist die Glaubwürdigkeit
nach Heringer (1990) "die Basis, auf der Kommunikation funktioniert; sie ist das
kommunikative Urvertrauen, ohne das nichts geht" (S. 180). Glaubwürdigkeit ist also
mit der Kommunikation verbunden und die Untersuchung dieses Faktors stellt im
kommunikationswissenschaftlichen Bereich ein besonderes Interesse dar.
,,Täglich werden wir via Massenmedien mit den unterschiedlichsten [...] Aussagen
konfrontiert" (Nawratil, 2006, S. 11). Manchmal geht es um die Dinge, ,,die unserer
eigenen Erfahrung nicht zugänglich sind" (ebd., S. 11). Manchmal wird über
Sachverhalte gesprochen, von denen wir genug verstehen, uns dafür vielleicht

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interessieren oder sogar davon persönlich betroffen sind. Welche Informationen halten
wir dann für glaubwürdig? Können Personen, welche über diese Sachverhalte
sprechen, einen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und Urteilsbildung ausüben?
Bisher wurde jedoch noch nicht untersucht, ob die Glaubwürdigkeit der
Aussagenquelle einen Einfluss auf die Glaubwürdigkeitseinschätzung von Aussagen
ausüben kann. Ebenso wurde noch nicht erforscht, ob der Negativity-Credibility-Bias
auch bei einem bekannten Thema auftritt, zu dem Rezipienten bereits eine
Voreinstellung haben. In den eben erläuterten Bereichen besteht also eine
Forschungslücke, welche diese Arbeit zu füllen versucht.
Ausgehend davon und auf Basis des Negativity-Credibility-Bias geht die Forschung in
dieser Arbeit den folgenden Fragen nach:
- Wird
die
Glaubwürdigkeitseinschätzung
von Aussagen durch die Glaubwürdigkeit
des Kommunikators beeinflusst?
- Besteht
ein
Zusammenhang
zwischen der Einschätzung der Glaubwürdigkeit des
Kommunikators und der Einschätzung der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen?
- Spielt das Involvement der Rezipienten bei der Einschätzung der Glaubwürdigkeit
von Aussagen und deren Kommunikator eine Rolle?
Die vorliegende Arbeit besteht aus vier Teilen. Der erste Teil soll den theoretischen
Hintergrund der Studie darstellen. Zuerst erfolgt dazu die Klärung der wichtigsten
Begrifflichkeiten. Im Anschluss an diese Begriffsklärungen werden alle Ansätze, welche
dem Negativity-Credibility-Bias gewidmet sind, betrachtet. Im kurzen Abriss werden
hier auch die möglichen Ursachen dieses Effekts diskutiert. Im folgenden Teil werden
die forschungsleitenden Hypothesen, welche sich auch aus bisherigen
Forschungsergebnissen zum Thema ableiten lassen und welche den Gang der
Forschung dieser Arbeit definieren, vorgestellt. Der dritte Teil ist dem methodischen
Vorgehen gewidmet. Hier werden die Forschungsmethode, der Ablauf der
Untersuchung sowie die Stichprobe beschrieben. Im letzten Teil werden die
Ergebnisse der Hypothesentests dargestellt und erläutert. Im Fazit werden schließlich
die wichtigsten Studien-Ergebnisse zusammengefasst und analysiert. Hier soll auch
ein Ausblick auf zukünftig mögliche Studien gegeben werden.

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2. Theoretischer Hintergrund
Dieser Teil der Arbeit verschafft einen Einblick über die wissenschaftliche Literatur des
Negativity-Credibility-Bias. Im ersten von vier Kapiteln werden zunächst die für eine
weitere Untersuchung wichtigen Begrifflichkeiten wie Negativity Bias und
Glaubwürdigkeit sowie der in bisherigen Studien benutzte Begriff der valenzbasierten
Rahmung erläutert. Das zweite und dritte Kapitel ist den Studien über den Negativity-
Credibility-Bias gewidmet. Und das vierte Kapitel geht schließlich den möglichen
Ursachen dieses Effekts nach.
2.1 Begriffsbestimmung: Negativity Bias, Glaubwürdigkeit und
Valence Framing
Wie bereits erwähnt, widmet sich die vorliegende Arbeit dem sogenannten Negativity-
Credibility-Bias. Dieser Effekt zeichnet sich dadurch aus, dass die Valenz einer
Aussage sich auf ihre Glaubwürdigkeit auswirkt bzw. dass negativ formulierte
Aussagen als glaubwürdiger eingeschätzt werden als inhaltlich gleiche positiv
formulierte (Koch et al., 2013, S. 551). Als Ausgangspunkt für die Untersuchung dieses
Effekts dienen Studien über den Negativity Bias, da sich diese Arbeiten auch mit der
Verarbeitung und Wirkung positiver und negativer Informationen beschäftigen (ebd., S.
552). Daher wird in diesem Kapitel zunächst der Negativity Bias sowie der Begriff der
Glaubwürdigkeit und auch des valenzbasierten Framings erklärt.
Der Negativity Bias wird als "a general bias, based on both innate predispositions and
experience [...] to give greater weight to negative entities (e.g., events, objects,
personal traits)" beschrieben (Rozin & Royzman, 2001, S. 296). Dabei wird negativen
Instanzen mehr Einfluss zugeschrieben: ,,An effect observable across many different
domains is that negative instances tend to be more influential than comparably positive
ones" (Hilbig, 2009, S. 983).
Studien in diesem Bereich zeigen, dass negative Informationen mehr Aufmerksamkeit
hervorrufen als positive: ,,Bad things receive more attention [...]" (Baumeister,
Bratslavsky, Finkenauer & Vohs, 2001, S. 355). Sie werden anders verarbeitet: "In
general, and apart from a few carefully crafted exceptions, negative information
receives more processing and contributes more strongly to the final impression than
does positive information" (ebd., 2001, S. 323-324). Außerdem haben negative
Informationen einen größeren Einfluss auf die Wahrnehmung als positive: "This term
refers to the general tendency for negative information, events, or stimuli to have a
greater impact on human cognition, affect, and behavior than comparably positive

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instances" (Hilbig, 2009, S. 983). Baumeister und Kollegen (2001) stellten in ihrer
Studie schließlich fest, "that bad is stronger than good, as a general principle across a
broad range of psychological phenomena" (S. 323).
Einer der Faktoren, welcher durch die Negativität auch beeinflusst wird ist die
Glaubwürdigkeit: "Die Glaubwürdigkeit steigt mit wachsendem Anteil negativer
Information [.] an" (Küster-Rohde, 2010, S. 50).
"Glaubwürdigkeit läßt [sic] sich bestimmen als eine Eigenschaft, die Menschen,
Institutionen oder deren kommunikativen Produkten (mündliche oder schriftliche Texte,
audiovisuelle Darstellungen) zugeschrieben wird" (Bentele, 1988, S. 408). Küster-
Rohde (2010) erklärt diesen Begriff folgendermaßen: ,,Glaubwürdigkeit kann sich
grundsätzlich auf Personen, Organisationen, oder auch Inhalte beziehen [...].
Glaubwürdigkeit ist in Kommunikationssituationen abhängig von der subjektiven
Wahrnehmung des Empfängers einer Botschaft und beschreibt, inwiefern dieser die
Kommunikation als unverzerrt und valide wahrnimmt" (S. 13).
Bezugnehmend auf einen Kommunikator definieren Hovland, Janis und Kelley (1953)
die Glaubwürdigkeit als ein mehrdimensionales Konzept, das aus zwei Komponenten
,,trustworthiness" (Vertrauenswürdigkeit) und ,,expertness" (Kompetenz) besteht: "In
any given case, the weight given a communicator's assertions by his audience will
depend upon both of these factors, and this resultant value can be referred to as the
'credibility' of the communicator" (S. 21).
In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff der Glaubwürdigkeit sowohl auf die Aussage
selbst als auch auf den Produzenten der Aussage angewendet. Quelle und
Kommunikator werden dabei synonym verwendet, genauso wie Hovland und Weiss
(1951) die Begriffe ,,source" und ,,communicator" in ihrer Untersuchung betrachten (S.
636-637). Dabei benennen sie ,,einen (namentlich genannten) Wissenschaftler,
Zeitungen und Zeitschriften, aber auch einzelne Journalisten gleichermaßen als
'Quellen'" (Nawratil, 2006, S. 166).
Der letzte zu erläuternde Begriff ist das valenzbasierte Framing, bekannt auch als
"equivalency (or valence) framing" (Druckman, 2004, S. 672). Von dieser Art der
Rahmung wird gesprochen, "when different, but logically equivalent, phrases cause
individuals to alter their preferences" (ebd., S. 671). Dabei sollen die Informationen
gleich bleiben und entweder in einem positiven oder einem negativen Licht präsentiert
werden (ebd., S. 671).
,,Als Pionierstudien zum valenzbasierten Framing gelten die Experimente von
Kahneman und Tversky" (Koch et al., 2013, S. 552). Die Wissenschaftler haben in ihrer

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Untersuchung der Mechanismen des Treffens von Entscheidungen demonstriert, dass
anscheinend irrelevante bzw. kleine Formulierungsänderungen zu signifikanten
Veränderungen der Präferenzen geführt haben: "[...] seemingly inconsequential
changes in the formulation of choice problems caused significant shifts of preference"
(Tversky & Kahneman, 1981, S. 457). Die Wahrnehmung der Rezipienten hängt dabei
von der positiven bzw. negativen Rahmung einer Aussage ab: "Similarly, one may
discover that the relative attractiveness of options varies when the same decision
problem is framed in different ways" (ebd., S. 457).
Die Autoren der bisherigen Studien zum Negativity-Credibility-Bias (Hilbig, 2009, 2012;
Koch et al., 2013) nutzten den Begriff des valenzbasierten Framings. Dabei handelt es
sich um die Veränderung der Formulierung von Aussagen. Um ,,die unklare
Verwendung des Frame-Begriffs" (Lüdemann & Rothgang, 1996, S. 284) zu
vermeiden, wird in dieser Arbeit nun der Begriff der valenzbasierten Formulierung
verwendet.
Die weiteren drei Kapitel werden der Forschung über den Negativity-Credibility-Bias
und seiner Ursachen gewidmet.
2.2 Der Einfluss des Negativity Bias auf die Beurteilung des
Wahrheitsgehalts von Aussagen
Mit den Arbeiten zum Negativity Bias beschäftigte sich auch Hilbig (2009) und
spezifizierte sich dabei auf die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen
Negativität und Glaubwürdigkeit von Informationen: ,,[...] study investigating whether
negative information is ­ per se ­ deemed more valid or true" (S. 983). In seinem
Aufsatz ,,Sad, thus true: Negativity bias in judgements of truth" ging er der Frage nach,
ob der Negativity Bias die Urteilsbildung über den Wahrheitsgehalt von Aussagen
beeinflusst. In einem zweiten Aufsatz "Good things don't come easy (to mind).
Explaining framing effects in judgements of truth" beschäftigte sich Hilbig (2012) mit
den Ursachen des Effekts.
Im Rahmen der ersten Studie führte Hilbig (2009) drei Experimente durch (zwei davon
online). "The aim of the experiments reported herein was to investigate whether the
negativity bias [...] pertains to judgments of truth" (ebd., S. 985). Dabei wurde die
Valenz der Aussagen manipuliert und schließlich festgestellt, dass sich die positive
bzw. negative Formulierung einer Aussage auch auf deren Glaubwürdigkeit auswirken
kann (ebd., S. 983).

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In den durchgeführten Experimenten wurde der Effekt im Kontext statistischer
Aussagen untersucht. Für die beiden ersten Experimente wurde das Thema
Kriminalität und zwar die Kategorien der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung
ausgewählt (Hilbig, 2009, S. 984). Im dritten Experiment wurde der Effekt unter
Einbeziehung demografischer Daten getestet und zwar über die Wahrscheinlichkeit der
Scheidung einer Ehe innerhalb der ersten 10 Jahre (ebd., S. 984).
Der Autor stellte fest, dass den negativ formulierten Aussagen ein höherer
Glaubwürdigkeitsgrad zugewiesen wird, als den inhaltlich gleichen aber positiv
formulierten Aussagen: Im ersten Experiment schätzten die Probanden beispielsweise
die Aussage, dass 85% der Vergewaltigungsversuche erfolgreich sind, glaubwürdiger
ein als die Aussage, dass 15% der Versuche erfolglos sind (Hilbig, 2009, S. 984).
Da die Erfolgsquote eines Verbrechens in der Regel höher als die Misserfolgsquote ist,
wurde dieses Experiment mit den statistischen Ergebnissen zur tatsächlichen
Aufklärungsquote bei Vergewaltigungsfällen wiederholt. Probanden schätzten die
negativ formulierte Aussage, dass 30% der Vergewaltigungsfälle unaufgeklärt bleiben,
auch als glaubwürdiger ein als die positiv formulierte Aussage, dass 70% der
Vergewaltigungsfälle aufgeklärt werden (Hilbig, 2009, S. 984).
Im dritten Experiment wurde dieser Befund erneut bestätigt: Versuchspersonen
schätzten die Aussage, dass 20% der Ehen in den ersten zehn Jahren geschieden
werden, glaubwürdiger ein als die Aussage, dass 80% der Ehen länger als zehn Jahre
bestehen (Hilbig, 2009, S. 985). "Specifically, statistical statements received higher
truth ratings when framed negatively as opposed to positively" (Hilbig, 2012, S. 38).
Die vorher gemessenen Unterschiede der Probanden bezüglich Optimismus und
Pessimismus hatten dabei keinen Einfluss: ,,Finally, the effect was not altered when
individual differences in optimism and pessimism were controlled for" (Hilbig, 2009, S.
985).
Am Ende seines Aufsatzes kommt Hilbig (2009) zum Fazit, welches auf den Titel
seiner Studie zurückgreift: "Stated bluntly, it was tested whether instances may not
(only) be `sad, but true' ­ as the every-day aphorism implies ­ but possibly `sad, thus
true'" (S. 983). Er lieferte die ersten sozialpsychologischen Ergebnisse ,,zur
gesteigerten Glaubwürdigkeit von Aussagen durch deren negative Rahmung" (Koch et
al., 2013, S. 561).

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2.3 Effekte des Negativity-Credibility-Bias auf die Glaubwürdigkeit von
Aussagen und deren Kommunikator
Der Zusammenhang zwischen der Negativität und Glaubwürdigkeit von Medieninhalten
wurde weiter im kommunikationswissenschaftlichen Kontext in der Studie von Koch,
Peter und Obermaier (2013) "Optimisten glaubt man nicht. Wie sich valenzbasiertes
Framing auf die Glaubwürdigkeit von Aussagen und deren Kommunikator auswirkt"
erforscht. Die Wissenschaftler prüften den Negativity-Credibility-Bias und seine
Ursachen in zwei Online-Experimenten (ebd., S. 551). Im weiteren Verlauf werden
diese Untersuchungen genauer erläutert.
Im ersten Experiment wurde der Effekt im Kontext politischer Aussagen überprüft. Die
Teilnehmer wurden gebeten, die Glaubwürdigkeit von acht statistischen Aussagen zur
gesundheitspolitischen Lage in Hamburg einzuschätzen (Koch et al., 2013, S. 556).
Jedes präsentierte Statement wurde, wie in der Studie von Hilbig (2009), entweder
positiv oder negativ formuliert. Dadurch wurde die Rahmung der Aussagen variiert
(Koch et al., 2013, S. 556). Die Autoren wählten bewusst ein Thema aus, über das die
Probanden nur ein geringes Vorwissen und kaum eine Voreinstellung hatten. Da alle
Teilnehmer aus dem süddeutschen Raum kamen, wurde Hamburg gewählt (ebd., S.
556). Es wurde nachgewiesen, dass der Negativity-Credibility-Bias auch bei politischen
Aussagen auftritt: ,,Negativ geframte Statements werden als glaubwürdiger
eingeschätzt als inhaltlich identische, positiv geframte Statements" (ebd., S. 557).
Im zweiten Experiment wurden acht statistische Aussagen in einen Medienbeitrag, und
zwar in ein fingiertes Interview zum Thema Gesundheit der Hamburger Bevölkerung,
eingebettet (Koch et al., 2013, S. 558). ,,Darin sprach der (fiktive) gesundheitspolitische
Sprecher des Landesparlaments, Andreas Neubauer, über die gesundheitliche Lage in
der Hansestadt und untermauerte seine Aussagen durch verschiedene statistische
Befunde" (ebd., S. 558). Somit wurde der Effekt zum ersten Mal in Bezug auf den
Kommunikator bzw. die Glaubwürdigkeit des Kommunikators getestet.
Die Autoren stellten fest, dass die im Interview mit negativ formulierten Aussagen
verwendeten Statistiken als glaubwürdiger eingeschätzt wurden als die Statistiken im
Interview mit positiv formulierten Aussagen: ,,Die Ergebnisse zeigen, dass der
Negativity-Credibility-Bias auch bei der Bewertung von Aussagen auftritt, wenn diese in
einen Medienbeitrag eingebettet sind" (Koch et al., 2013, S. 559). ,,Die Glaubwürdigkeit
nimmt mit steigender Anzahl an negativ geframten Aussagen im Interview zu [...]"
(ebd., S. 559). Die Effekte waren allerdings nicht so stark wie bei den präsentierten
Einzelaussagen (ebd., S. 561).

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Die Untersuchung von Koch et al. (2013) zeigte also, dass sich der Negativity-
Credibility-Bias auch auf den Kommunikator überträgt: ,,Eine Person, die ihre Aussagen
durchgehend in positives Licht rückt, wirkt weniger vertrauenswürdig als ein
,Schwarzmaler`" (S. 561). Rezipienten schätzen nicht nur die negativ formulierten
Statements als glaubwürdiger ein, sondern bewerten auch deren Urheber als
vertrauenswürdiger (ebd., S. 562).
2.4 Ursachen des Negativity-Credibility-Bias
In diesem Kapitel werden die möglichen Ursachen des Negativity-Credibility-Bias
erläutert. Eine Untersuchung der Voraussetzungen, durch welche dieser Effekt
entsteht, erfolgt nicht und hätte den Rahmen dieser Bachelorarbeit gesprengt. Eine
kurze Zusammenfassung der aktuellen Diskussion zu diesem Thema soll jedoch zur
besseren Verständlichkeit dieses Effekts beitragen.
Die genauen Ursachen für den Negativity-Credibility-Bias sind noch nicht genau
bekannt und werden weiterhin untersucht: "[.] the cognitive mechanisms underlying this
effect are unknown, so far" (Hilbig, 2012, S. 38). Als mögliche Ursachen werden jedoch
Lernprozesse sowie die Verarbeitungsflüssigkeit diskutiert (Koch et al., 2013, S. 553).
Die Lernprozesse beziehen sich auf die Massenmedien, da Menschen den Großteil der
Informationen aus Massenmedien erhalten, welche durch die ,,Häufung von Beiträgen
über problematisierte Mißstände [sic]" charakterisiert werden (Kepplinger, 1998, S.
221). Der Nachrichtenfaktor des Negativismus hat sich beispielsweise in
glaubwürdigen Medien wie Nachrichtensendungen oder Tageszeitungen etabliert: ,,[.]
one might propose that negative messages are more likely to be conveyed by sources
we tend to trust, especially the media [...]" (Hilbig, 2009, S. 985). So meint auch
Wickert (1995): "Glaubwürdigkeit ist die erste Tugend, die eine Nachrichtensendung
aufweisen muß [sic], wenn sie langfristig Erfolg haben will" (S. 122).
Die Positivität der Inhalte wird im Gegenteil der persuasiven Kommunikation,
insbesondere Werbung, zugeschrieben (Koch et al., 2013, S. 553). Da hier vom
Empfänger ein Beeinflussungsversuch vermutet wird, ist die Werbung durch eine
abwehrende Haltung gekennzeichnet (Küster-Rohde, 2010, S. 39) und gilt als wenig
glaubwürdig (Eisend, 2010). ,,Durch Lernprozesse [Herv. i. O.] entwickeln Individuen
Erwartungen und Einstellungen darüber, den Aussagen welcher Quellen vertraut und
gefolgt werden sollte und welchen eher nicht" (Küster-Rohde, 2010, S. 13).

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Es wird daher vermutet, dass ,,Rezipienten [.] durch ihren Medienkonsum implizit einen
Zusammenhang zwischen Negativität und glaubwürdigen Aussagen sowie zwischen
Positivität und unglaubwürdigen Aussagen erlernt haben" (Koch et al., 2013, S. 553).
In der Studie von Koch et al. (2013) wurde eine Bestätigung für diese Ursache
nachgewiesen: ,,Die positive Rahmung der Aussagen führt dazu, dass Personen dem
Kommunikator eine stärkere Beeinflussungsabsicht unterstellen. Die dadurch
ausgelöste Reaktanz verringert sowohl die Glaubwürdigkeit der Aussagen als auch das
Vertrauen in den Kommunikator" (S. 562). Dieser Effekt entsteht also auch dadurch,
dass bei einer positiven Rahmung von Statements mehr Persuasionswissen aktiviert
wird (ebd., S. 551). ,,Beide indirekten Effekte sind sehr schwach, aber systematisch
nachweisbar" (ebd., S. 562).
Die zweite mögliche Ursache bezieht sich auf die Verarbeitung der Information bzw.
auf die Verarbeitungsflüssigkeit (Koch et al., 2013, S. 553): ,,[.] according to the fluency
hypothesis, the negative frame allows for easier generation of confirming evidence or
retrieval of the relevant information" (Hilbig, 2012, S. 44). Dass negativ formulierte
Aussagen von Rezipienten flüssiger als positiv formulierte verarbeitet werden,
bestätigte auch Hilbig (2012): "Two experiments drawing on response latencies and
one manipulating the delay between information acquisition and judgment provide
support for the fluency-based account" (S. 38).
,,Die flüssigere Verarbeitung lasst ein Gefühl der Vertrautheit (,,familiarity") entstehen:
Rezipienten erleben die einfachere kognitive Verarbeitung eines Reizes als angenehm
und übertragen dieses Gefühl auf den Stimulus selbst, den sie entsprechend positiver
bewerten" (Koch et al., 2013, S. 553).
3. Forschungsleitende Hypothesen
Basierend auf den vorangestellten theoretischen Überlegungen wurden verschiedene
Vermutungen bezüglich des Einflusses der valenzbasierten Formulierung, der
Quellenglaubwürdigkeit sowie des Involvements auf die Glaubwürdigkeit von Aussagen
bzw. auf den Negativity-Credibility-Bias angestellt und als fünf Hypothesen abgeleitet.
Nach der Begründung der Auswahl des Themas sowie der Stimulusform werden sie
nun in diesem Kapitel vorgestellt.
Täglich entscheiden wir über den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit von
Informationen. Medien stellen dabei ,,eine spezielle Art von Informationsquellen dar"
(Nawratil, 2006, S. 12). Meistens handelt es sich dabei vermutlich um Themen, welche

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2015
ISBN (PDF)
9783956369070
ISBN (Paperback)
9783956367564
Dateigröße
4.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Note
2,0
Schlagworte
Kommunikationswissenschaft Medienforschung Negativität Online-Experiment Untersuchung Einfluss Glaubwürdigkeit Aussagenquelle Involvement Rezipienten Negativity-Credibility-Bias Experiment
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