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Die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung

©2013 Bachelorarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Diese Bachelorarbeit behandelt die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung und geht genau darauf ein, wie Kinder damit gefördert werden können.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


11.3.2 Das Rollenspiel in der Praxis- ein Beispiel. Der Gorilla und das
Meerschweinchen ... 35
11.4 Das Regelspiel ... 36
11.5 Das Sprachspiel bei Vorschulkindern ... 37
12. Spiele zur Sprachförderung ... 39
12.1 Memorys oder Lottos ... 39
12.2 Obstsaft reichen ... 39
12.3 Obstsorten schmecken ... 39
12.4 Fühlspiel ... 40
13. Fingerspiele ... 40
14. Die Bedeutung des Spiels mit Sand ... 41
15. Die Bedeutung des Spiels mit Wasser ... 43
16. Das Spiel als Therapie ... 44
17. Bewegung und Spiel- das Spiel in Kindergarten und Schule ... 44
18. Konzept zur spielerischen Förderung von Kleinkindern ... 46
18.1 Rassel ... 47
18.2 Massageball ... 47
18.3 Verschiedene Stoffe ... 47
18.4 Tuch ... 47
18.5 Spieluhr ... 48
18.6 Rolle und Bauchlage ... 48
18.7 Weiche Bürste ... 48
18.8 Spiegel ... 48
18.9 Größe ... 49
19. Schlussfolgerung ... 50
Literaturverzeichnis ... 54

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1. Einleitung
Das Kinderspiel ist von sehr hoher Komplexität und erfüllt vor allem bis zum Eintritt in die
Schule eine zentrale Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Es ist eine der wichtigsten
Aktivitäten während der Kindheit. Dafür ist keine besondere äußere Veranlassung not-
wendig, denn Spielen geschieht zumeist völlig spontan, aus eigenem Antrieb und mit
großer innerer Beteiligung. Das Spiel bildet den Mittelpunkt der kindlichen Erlebens- und
Erfahrungswelt, es kann als eine Brücke zwischen den sensomotorischen, dem konkre-
tem und dem abstrakten Denken gesehen werden (vgl. Goetze 2002, S.13-14). Mit zu-
nehmendem Alter durchqueren Kinder verschiedenste und immer komplexer werdende
Phasen des Spiels und intensivieren ihre Entwicklungsschritte (vgl. Senckel 2004,
S.164-165).
Des Weiteren ist das Spiel ein wichtiges Mittel zur sozialen, emotionalen und kognitiven
Entwicklung von Kindern. Werden diese nicht ausreichend spielerisch gefördert, so kön-
nen Entwicklungsverzögerungen auftreten. Die Art des Spiels, an welchem sich die Kin-
der beteiligen, zeigt den Fortschritt von einfachen und komplexeren Aktivitäten und von
konkretem zu abstraktem Denken. Jüngere Kinder beteiligen sich an der wiederholen-
den Bearbeitung von Materialien um sich in entwickelnden Fähigkeiten zu üben. Vor-
schulkinder verwenden bereits Symbole um ihr Spiel lebendiger zu gestalten. Das Ler-
nen vollzieht sich in unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten. Das Spiel
von Kindern wird von verschiedenen Umgebungen beeinflusst- von den Erfahrungen der
einzelnen Kinder im Familienkontext und von der Auseinandersetzung anderer Kinder
mit ihrer direkten Umgebung (vgl. Crowther 2005, S.37ff).
Diese Arbeit dient vor allem der Erklärung der Bedeutung des Spiels und soll Klarheit
darüber schaffen, welche Bedeutung die einzelnen Spiel(zeug)arten haben.
Nach einigen einführenden Kapiteln über die Anfänge des Spielens und dessen Bedeu-
tung wird die vorliegende Bachelorarbeit versuchen zu konkretisieren, warum vielseiti-
ges Spielen gerade im frühen Kindesalter besonders wichtig ist und wie dieses explizit
aussehen kann. Es soll gezeigt werden, welche Arten des Spiels existieren, welche
spielerische Anwendung diese finden und wie sich Kinder mit Hilfe des Spiels vielseitig
entwickeln können. Ziel ist es, die Rolle des Spiels deutlich darzustellen, um dem/der
Leser/in eine Chance zur Umsetzung und Vertiefung in dieses Thema zu ermöglichen.
So sollen Defizite in der kindlichen Entwicklung rechtzeitig erkannt und diesen gegenge-
steuert werden. In dieser Arbeit ist des Weiteren ein pädagogisches Konzept enthalten,
welches Möglichkeiten der spielerischen Förderung zeigen soll.

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Es soll zudem der Frage nachgegangen werden, welche zentrale Bedeutung das Kin-
derspiel für die kindliche Entwicklung hat und wie sich dies anhand verschiedener Spiel-
formen bemerkbar macht.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass das Ziel der Verfasserin darin be-
steht, die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung zu untersuchen und damit
deutlich zu machen, dass das Spiel eine Grundvoraussetzung für viele Entwicklungen in
den ersten Lebensjahren der Kinder darstellt und diesen nicht vorenthalten werden darf.
Es ergibt sich für diese Arbeit die Forschungsfrage, von welcher Bedeutung das Spiel ist
und mit welchen Arten des Spiels Kinder gefördert werden können. Diese Arbeit soll zu-
dem aufzeigen, dass bestimmte Spielsachen in den ersten Lebensjahren besonders
wichtig für die kindliche Entwicklung sind und sich mit zunehmendem Alter die Art des
Spielens verändert.
2. Methodik
Die Arbeitsmethodik dieser Bachelorarbeit beruht auf den hermeneutischen Ansatz.
Dieser ist für die Erziehungswissenschaft besonders bedeutsam, da er den wissen-
schaftstheoretischen Grundgedanken der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik wieder-
spiegelt, welche bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die vorherrschende Rich-
tung der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft war. Das methodische Grundver-
fahren der Geisteswissenschaft ist das Verstehen. Vertreter dieses Ansatzes waren un-
ter anderem Erich Weniger (1894 bis 1961), Wilhelm Flitner (1889 bis 1990) und Her-
mann Nohl (1879 bis 1960). Sie haben gemeinsam das Verstehen als das methodische
Grundverfahren der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik definiert. Zu Zeiten der soge-
nannten realistischen Wendung in den 1960er Jahren kam es zu einem Umbruch, wo-
nach die Geisteswissenschaftliche Pädagogik ihre Vormachtstellung verlor und von nun
an als Sozialwissenschaft angesehen wurde. Die Erziehungswissenschaft steht nun vor
dem Hintergrund der Erklären-Verstehen-Debatte vor der Möglichkeit, sich entweder als
empirisch-analytische Sozialwissenschaft zu verstehen oder als verstehende Sozialwis-
senschaft zu begreifen. Bei Ersterem kann sie dem Modell der Erkenntnisgewinnung
folgen, beim Zweiten wird das Verstehen als methodisches Grundverfahren betrachtet
Für diesen hermeneutischen Ansatz gilt das Verstehen als methodische Grundorientie-
rung (vgl. Koller 2010, S.200). Auch diese Bachelorarbeit basiert auf der Methodik des
hermeneutischen Ansatzes, bei welchem Texte und Dokumente interpretiert werden.

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Denn erst durch die Interpretation eines Textes kann das Verstehen überhaupt ermög-
licht werden (ebd., S.209). Im folgenden Abschnitt sollen komplexere Begriffe erläutert
und erklärt werden.
3. Begriffserklärungen
Sensomotorisches Denken: ,,Die von der sensomotorischen Intelligenz hergestellten
Verbindungen vermögen nur Wahrnehmungen und aufeinanderfolgende Bewegungen
zu verbinden" (Piaget 1975, S.301). Es fehlt dabei eine Darstellung des Ganzen (vgl.
ebd., S.301).
Konkretes Denken: Darunter versteht man eine früh einsetzende Form des Denkens,
welche ab der Geburt aufzutreten beginnt. Unter dem Begriff versteht man, durch eine
Handlung sinnliche Erfahrungen zu machen (vgl. Bachem 2006, S.2)
Abstraktes Denken: Abstraktes Denken kann nur über Formen der konkreten Erfahrung
in Handlungen erworben werden (vgl. Hölscher/Piepho/Roche 2006, S.2).
Intrinsische Motivation: ,,Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen können als interessens-
bestimmte Handlungen definiert werden, deren Aufrechterhaltung keine vom Hand-
lungsgeschehen ,separierbaren` Konsequenzen erfordert,[...]" (Deci/ Ryan 1993, S.225).
Dies bedeutet vereinfacht, aus eigenem Antrieb heraus eine Tätigkeit setzen.
4. Begriffsdefinition ,,Spiel"
,,Das Substantiv `Spiel` (mittelhochdeutsch `spil`) meint ursprünglich `Tanz, tänzerische
Bewegung` sowie `Kurzweil, unterhaltende Beschäftigung, fröhliche Übung` "(Brunner
2010, S.13). Unter dem Begriff ,,Spiel" versteht man verschiedene kindliche Handlungs-
formen, welche größtenteils spontan entstehen und durch einen hohen inneren Befriedi-
gungswert ausgezeichnet sind (vgl. Goetze 2002, S.17).
Dieser Begriff ist sehr vieldeutig und lässt sich nur sehr schwer fassen. Der Niederlän-
der Johan Huizinga lebte von 1872 bis 1945 und wagte als Kulturhistoriker den Versuch,
sechs formale Kennzeichen des Spiels zu benennen. Diese werden vom französischen
Soziologen Roger Caillois später aufgegriffen und auch dieser nennt sechs formale Ei-
genschaften für die Definition des Spiels (vgl. Brunner 2010, S.13).

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Huizinga stellt, ebenso wie auch Schiller, einen Zusammenhang zwischen Spiel und
Kultur her. Er stellt dem schaffenden Menschen (homo faber) den spielenden Menschen
(homo ludens) gegenüber. Die Grundlage kultureller Tätigkeit ist seiner Ansicht nach
das spielerische Handeln (vgl. Pohl 2008, S.33).
Die jeweiligen Definitionen dieser Mitbegründer des Spiels sollen im Folgenden erläutert
werden.
Huizinga sieht das Spiel als eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die außerhalb
des gewöhnlichen Lebens stehend und als ,nicht so gemeint` empfunden wird. Nach
Huizinga ist an diese Handlung kein materielles Interesse gekoppelt und es wird damit
kein Nutzen erworben, sie vollzieht sich zu einer selbst bestimmten Zeit sowie in einem
selbst bestimmten Raum. Ebenso vollzieht sich das Spiel nach zuvor bestimmten Re-
geln, Gemeinschaftsverbände werden ins Leben gerufen.
Nach Caillois hat das Spiel die Funktion, innerhalb der Grenzen und Regeln eine freie
Antwort zu finden und zu erfinden. Im Spiel besteht eine Handlungsfreiheit welche ein
Vergnügen erzeugen kann (vgl. Brunner 2010, S.13f).
Die sechs formalen Kennzeichen des Spiels nach Huizinga sind Freiheit, außerhalb des
,gewöhnlichen` Lebens, Abgeschlossenheit, Begrenztheit, Wiederholbarkeit, Ordnung
und Spannung.
Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass das Spiel eine unbedingte Ordnung
fordert und schon eine geringe Abweichung dieses Spiel verderben kann, wodurch es
seinen Wert verliert. Der Mensch schafft sich mit dem Spiel eine zweite, eigene Welt.
Dem gegenüberzustellen sind die sechs Kennzeichen des Spiels nach Caillois: freie Be-
tätigung, abgetrennte Betätigung, ungewisse Betätigung, unproduktive Betätigung, ge-
regelte Betätigung sowie fiktive Betätigung.
Caillois teilte Spiele in vier Grundkategorien ein, die er ,Agon` (Wettkampf), ,Alea`
(Chance), ,Mimicry` (Verkleidung) und ,Ilinx` (Rausch) nannte. Neben dieser Einteilung
unterscheidet er des Weiteren zwischen zwei entgegengesetzten Polen, welche er ,,pai-
dia" und ,,ludus" nennt. Paida kann als das Prinzip des Vergnügens, der freien Improvi-
sation und der unbekümmerten Lebensfreude gesehen werden. Dadurch kommt eine
gewisse unkontrollierte Phantasie zum Ausdruck. Hingegen wird der Gegenpol ,ludus`
als eine ständig zunehmende Anstrengung, Geduld, Geschicklichkeit und Erfindungsga-
be definiert (vgl. Brunner 2010, S.15f).

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5. Historischer Überblick
Der Ansatz, dass Kinder besonders gut im Spiel lernen, lässt sich bereits über einige
Jahrhunderte zurückverfolgen. Die in der jeweiligen Zeit vorherrschenden gesellschaftli-
chen Werte bestimmen maßgebend mit, wie die Kinder lernen. Es zeigt sich, dass die
aktuellen philosophischen Standpunkte einer Epoche die Lernumgebungen widerspie-
geln. Schon der griechische Philosoph Plato kam zu der Erkenntnis, dass das Spiel als
die beste übung für das Lernen zu begreifen ist. Er lebte von 428 bis 348 vor Christus,
wollte das Spiel durchsetzen und bestand auf die Anerkennung des Spielens als eine
natürliche Aktivität in der Kindheit.
Folglich sollten Lernumgebungen geschaffen werden, in denen Wert auf Schönheit gelegt,
die Phantasie und Nachahmung gefördert und verschiedene Materialien den Kindern be-
reitgestellt wurden, damit sich diese in allen Fertigkeiten üben konnten, welche sie auf das
Erwachsenenleben vorbereiten. Ebenso wurde das Spiel im alten Rom als eine wertvolle
Lernaktivität für Kinder gesehen. Der römische Philosoph Quintilian (35 bis 96 nach Chris-
tus) war der Ansicht, dass der erste Unterricht auf der Ebene des Spiels erfolgen sollte.
Damit hatte er den Gedanken, Kinder mit allen möglichen Frühlernmaterialien zu versor-
gen, die für spätere Anforderungen notwendig sein würden. Um die Kinder zu diesem
Zeitpunkt zum Nachzeichnen zu motivieren, gab man ihnen beispielsweise eine mit Buch-
staben und Worten versehene Tafel sowie Elfenbeinbuchstaben zum Spielen. Damit soll-
ten die Kinder auf das spätere Lesen und Schreiben vorbereitet werden. Quintilian er-
kannte die enorme Lernkapazität von Kindern und war der Ansicht, dass das ständige
Wiederholen die beste Lernmethode sei.
Der von 1592 bis 1670 lebende Bischof John Amos Comenius sah das aktive Lernen,
praktische Erfahrungen sowie elterliche Beteiligungen als einen entscheidenden Aspekt
für das frühe Lernen. Das wahrscheinlich erste Bilderbuch wurde von Comenius 1656
veröffentlicht. Später propagierte der zwischen 1632 und 1704 lebende John Locke die
freie und ungezügelte Entfaltung des Spiels der Kinder. Für ihn war es sehr wichtig, frü-
hes Lernen zu einer angenehmen Erfahrung zu machen. Des Weiteren sah er es als ei-
ne Notwendigkeit, Kinder beim Spiel zu beobachten um ihre Interessen herauszufinden.
Nach seiner Ansicht sollten frühe Lernerfahrungen durch gut angeleitete spielerische
Aktivitäten seitens einfühlsamer Erwachsener und durch sorgfältig ausgewählte Erfah-
rungsmöglichkeiten in der Lernumgebung unterstützt werden. Der zwischen 1712 und
1778 lebende Jean Jaques Rousseau verlangte als Erster, Kindern zu erlauben, Kinder
zu sein.

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Er sah eine negative Lernumgebung als eine Gefahr für die späteren Möglichkeiten der
Kinder und trat dafür ein, diese entsprechend ihrer Fähigkeiten, Interessen und Bedürf-
nisse lernen zu lassen. Dabei sollte auf die jeweiligen Entwicklungsstadien der Kinder
Rücksicht genommen werden. Die Kinder sollten durch frühe Lernumgebungen, welche
lockere, informelle Einrichtungen sein sollten, zu kleinen Entdeckungsreisen unter Be-
nutzung ihrer Sinne und des Bewegungsapparates ermutigt werden. Das Recht der Kin-
der, durch freie Erkundung zu lernen, wurde ebenso auch später von Johann Heinrich
Pestalozzi in den Mittelpunkt gestellt. Er meinte, dass sich Kinder durch Selbstständig-
keit entwickeln würden. Das Lernen sah er als das Fortschreiten innerhalb einer Hierar-
chie von Entwicklungsschritten. Kinder sollten durch Versuch und Irrtum, aktive Teil-
nahme, Beobachtung und Nachahmung sowie viele Wiederholungen zum Lernen moti-
viert werden.
Friedrich Fröbel, lebend von 1782 bis 1852, war der Ansicht, dass Kinder am besten durch
die Handhabung realer Gegenstände und unter der Anleitung von Erwachsenen lernen
würden. Demnach war es die Aufgabe des Lehrers oder der Lehrerin, die Lernaktivitäten
zu organisieren und das Verhalten bei spielerischen Aktivitäten zu leiten (vgl. Crowther
2005, S.26-27).
5.1 Das Spiel ab dem 19. Jahrhundert
Vor allem Teamspiele sind weit verbreitet und zeigen sich als vorteilhaft in Bezug auf die
Entwicklung von Schlüsselkompetenzen bei Kindern. Ihr Ursprung ist einerseits in der
Reformpädagogik, insbesondere mit dem Zweig der Erlebnispädagogik unter beispiels-
weise Kurt Hahn, und andererseits in der Gruppendynamik um Kurt Lewin zu finden.
Zu Zeiten der Reformpädagogik wurde vor allem um 1890 die Erlebnisarmut in den
Schulen kritisiert. Die reformpädagogischen Ansätze beabsichtigen, das ,,Leben" in die
Schulen zurückzuholen. Damit sind die Elemente Erfahrung, Erlebnis und Ergriffenheit
als maßgebende Begriffe zu sehen. Im Folgenden werden die wichtigsten Pädagogen
ab dem 19. Jahrhundert und ihre pädagogischen Ansätze erläutert.
5.2 Vertreter und ihre Ansätze
Kurt Hahn
Er gilt als Mitbegründer der Erlebnispädagogik und stellte Diagnosen über gesellschaft-
liche Störungen und Mängel seiner Zeit auf. So berichtete er über eine immer stärker
werdende Hast des modernen Lebens, welche die Erlebniskraft immer mehr unterdrü-
cken würde. Kurt Hahn beschreibt große Freuden sowie Kummer als von der Pausenlo-
sigkeit des Daseins verschlungen.

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Um die sogenannten ,Zeitkrankheiten` zu heilen, hat die Pädagogik für Hahn einen the-
rapeutischen Auftrag. Zu seinen diagnostizierten gesellschaftlichen Krankheiten zählt
ebenso die Kaltherzigkeit. Darunter versteht er den Mangel an menschlicher Anteil-
nahme, den Mangel an Sorgsamkeit, die Verkrümmung der Initiative sowie der Verfall
körperlicher Fitness. Hahn begründet die Heilung dieser Mängel durch körperliches
Training, Expeditionen, Projekte und Dienste der Nächsten.
Um einen Beitrag zur Charakter- und Persönlichkeitsbildung zu leisten, gründete Hahn
,,Kurzschulen", in welchen erlebnistherapeutische Elemente durch beispielhafte Erleb-
nisse in Kursen vermittelt wurden. Hier ist ein Zusammenhang zwischen der Erlebnis-
pädagogik und den Neurowissenschaften zu sehen. Diese besagen, dass Lernen und
Erinnern eng mit Erfahrungen und Emotionen zusammenhängen.
Kurt Lewin
Als Begründer der Gruppendynamik und des Gruppentrainings ist Kurt Lewin zu nen-
nen. Er lebte von 1890 bis 1947 und befasste sich mit Kleingruppen- und Sozialisations-
forschung und sah den Grundstein des Gruppenverhaltens als empirisch an (vgl. Brun-
ner 2010, S.4ff).
Friedrich Schiller
Ebenso wie Hahn und Lewin befasste sich auch Friedrich Schiller mit dem Spiel. Dieser
vertrat die Ansicht, dass der Mensch seine wahre Bestimmung erst durch das Spiel fin-
den würde.
Erving Goffman
Mit seinem Argument ,wir alle spielen Theater` formuliert Erving Goffman den Vergleich
des Alltags mit der Theaterbühne. Demnach übernimmt jede Person eine bestimmte
Rolle, inszeniert eine bestimmte Situation und sucht sich Zuschauer. So entstehen nach
Goffman soziale Beziehungen. Durch das faszinierte Publikum wird der Darsteller moti-
viert, diese Szene oder Rolle fortzusetzen. Die soziale Wirklichkeit der Beteiligten ist als
eine Bühne zu sehen, wobei die Grenze zwischen Bühne und Wirklichkeit verschwimmt.
Eric Berne
Der amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker Eric Berne vertrat die Ansicht, dass
Menschen ständig und überall am Spielen seien, öfter als dies bewusst ist. Laut Berne
vollziehen sich meist im Spiel die wichtigsten sozialen Verbindungen. Dabei wird ver-
sucht, das Bedürfnis nach sensorischen Reizen, emotionaler Anerkennung und zeitli-
cher Strukturierung zu erfüllen. Er analysierte diverse Spiele und ordnete sie in Katego-
rien wie z.B. Lebensspiele (vgl. Brunner 2010, S.19ff).

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John Dewey (1859 bis 1952) war Begründer der Kind-zentrierten Herangehensweise. Er
sah Lernen als einen aktiven Prozess, der auf realen Erfahrungen sowie auf den Inte-
ressen der Kinder aufbaue.
Margaret McMillan (1860 bis 1931) war Begründerin der spielorientierten Kindertages-
stätte im Freien und der Ansicht, dass der Spielbereich so angelegt werden solle, dass
die Kinder von drinnen nach draußen wechseln können. Sie versteht unter ihrer Metho-
de ein auf dem Spiel aufbauendes, kreatives Programm, das den Schwerpunkt im Bau-
en, in der Bewegung und im Zeichnen sieht.
Maria Montessori (1870 bis 1952) stellte ihre Methode der vorbereiteten Umgebung vor.
Sie gibt an, dass Kinder anders als Erwachsene lernen. Sie erkannte, dass es für Kin-
der bedeutende sensible Phasen gibt, in welchen diese besonders lernfähig sind. Das
Angebot von geeigneten Materialien wird auf die Fähigkeiten der Kinder abgestimmt.
Lev Vygotsky (1896 bis 1934): Seine Theorie war die Sozialhistorische, mit welcher er
sagt, dass Kultur durch die soziale Interaktion mit anderen Menschen entsteht. Weitere
Argumente von Vygotsky sind, dass Kinder durch Erfahrungen lernen, die sie mit
Gleichaltrigen und Erwachsenen teilen. Erwachsene leiten Kinder im Prozess des Ler-
nens an und unterstützen das Lernen der Kinder durch die Ermöglichung von Lernerfol-
gen.
Jean Piaget (1896 bis 1930) stellte die Methode der konstruktivistischen Theorie vor, in
welcher er besagt, dass Kinder in ihrer kognitiven Entwicklung durch die eigenständige
Konstruktion von Wissen stufenweise voranschreiten. Er stellt vor, dass Kinder über drei
Wissensebenen lernen. In der physikalischen Wissensebene hantiert das Kind mit Ge-
genständen, um etwas über deren Eigenschaften zu erfahren. Das Kind hantiert in der
logisch-mathematischen Wissensebene mit Gegenständen, um Beziehungen zwischen
diesen zu erkunden. Die dritte Wissensebene ist die soziale Ebene.
Dabei engagiert sich das Kind im sozialen Spiel um etwas über Regeln, Werte und Mo-
ral zu lernen.
Loris Malaguzzi (1920 bis 1994) stellte die Methode des sich entwickelnden Curriculums
auf. Demnach sind Kinder aktive TeilnehmerInnen an der Konstruktion des Lernens und
beteiligen sich an der Entwicklung projektbasierter Lernprozesse. Ein wichtiger Grund-
satz ist die Gleichberechtigung von Kindern, Familien und ErzieherInnen beim Lernen.

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Erik Erikson (1902 bis 1994) ist Begründer der psychosozialen Theorie und entwickelte
ein Stufenmodell sozialer Interaktionen, in denen sich die Bedürfnisse von Kindern un-
terschiedlicher Altersstufen widerspiegeln. Jedes Stadium beinhaltet bestimmte Aufga-
ben, welche erfüllt werden müssen. Am besten können diese Aufgaben im Spiel erfüllt
werden.
Howard Gardner (geboren 1943) stellte die Theorie der multiplen Intelligenz vor. Er be-
gründet die Entwicklung der Intelligenz durch die Interaktionen mit der Lernumgebung
sowie die angeborenen Fähigkeiten. Es gibt sieben Ebenen der Intelligenz: linguistische,
logisch-mathematische, räumliche, musikalische, körperliche/kinästhetische, interperso-
nelle und intrapersonelle Intelligenz.
Die eben genannten Intelligenzebenen unterscheiden sich voneinander, sind mit ver-
schiedenen Arten des Lernens verbunden und bestimmen den besten Weg, auf dem das
Kind lernen wird (vgl. Crowther 2005, S.28-29).
6. Merkmale des Spiels
Viele Spieltheoretiker, darunter auch Kreuzer (1983), van der Kooij (1989), Scheuerl
(1990) oder Heimlich (1993)
waren sich darin einig, das Spiel durch folgende Merkmale
zu definieren:
- positiver Affekt, Freude: Das Spiel bereitet Kindern eine große Freude, welche sich in
Mimik und Gestik ausdrückt. Auch andere Anzeichen wie ein Summen oder lautes Sin-
gen können hinzukommen.
- Freiwilligkeit, Selbstkontrolle, intrinsische Motivation: Spielaktivität und Spielziele werden
von den Kindern selbst ausgewählt. Es handelt sich dabei um ein Spiel ohne Zwang, bei
dem das Kind Eigenkontrolle über sein Spiel ausübt und von innen heraus motiviert ist. Es
bedarf keiner äußeren Verstärkung um das Kind zum Spielen zu bringen.
- Aktivität, Engagement: Die Kinder fühlen sich in das Spiel aktiv einbezogen, dabei
kann es vorkommen, dass sie in ihrem Spielengagement das Gefühl für die Zeit verlie-
ren. Sie spielen zeitverloren und sind stark auf das Spiel konzentriert.
- Flexibilität, Variation: Kinderspiele sind unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass
sie nie auf die gleiche Art mehrfach gespielt werden, denn die Freiheitlichkeit des Spiels
erlaubt auch Unerwartetes zu tun.

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So können Spielregeln geändert werden, neue Spielkombinationen, Spielideen oder
Spielregeln erfunden werden. Dies ermöglicht dem Kind, vielseitig kreativ zu sein.
- Prozessorientierung: Der eigentliche Spielzweck der Kinder ist der Spielprozess. Das
Spiel ist von einer offenen Qualität gekennzeichnet, denn es kann auch unterbrochen
oder neu definiert werden, ohne dass das eigentliche Spielziel dabei erreicht wurde.
- ,,Quasi-Realität": Im Spiel befinden sich die Kinder in einer Quasi-Realität, wobei sie in
eine andere Realität eintreten. Dabei verwenden sie Gegenstände so, als ob sie etwas
anderes wären. So kann der Baustein plötzlich zur Eisenbahn werden oder ein Stock zu
einem Flugzeug (vgl. Goetze 2002, S.16-17).
7. Die Bedeutung des Spielzeugs
Nach Friedrich Fröbel hat das Spielzeug die Funktion, die kindliche Fantasie zu wecken,
das Kind zur Selbstständigkeit und Wertgestaltung anzuregen. Es soll dazu befähigt
werden, alle Anlagen harmonisch entfalten zu können (vgl. Pohl 2008, S.65). Spielzeug
und Spielen als Tätigkeit selber sind entscheidend für die seelische Gesundheit und das
seelische Wohlbefinden. Heutzutage erzeugt die Spielzeugindustrie mehr Produkte als
diese notwendig wären. Es ist deshalb besonders wichtig, die Eigenschaften und Wir-
kungen eines Spiels in Hinblick auf den positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung
zu hinterfragen. Es muss immer häufiger hinterfragt werden, ob es sich um eine Befrie-
digung kindlicher Bedürfnisse oder um Wirtschaftsinteressen handelt.
In der heutigen Gesellschaft ist es verantwortungsvollen Eltern und ErzieherInnen nahe-
zulegen, die Sinnhaftigkeit der Spiele zu überprüfen und auf die grundlegenden Spiele
zurückzugreifen sowie auf Spiele zu verzichten, welche nur einen Werbe- und Wirt-
schaftszweck verfolgen. Es muss bedacht werden, dass die Entwicklung eines Kindes
durch das Spiel gefördert werden soll und deshalb nicht jedes Spiel dafür in Frage
kommt. Ein Spielzeug soll zum wirklichen Spiel anregen und nicht deshalb gekauft wer-
den, weil es auch andere Freunde geschenkt bekommen haben (vgl. Pohl 2008, S.67).
7.1 Das Spiel mit Teddybär, Stofftier und Puppe
Die Haltung des Bären, meist sitzend und beide Hände nach vorne gestreckt, deutet auf
einen Aufbau einer menschlichen Beziehung zwischen dem Kind und dem Bären hin.
Der Bär deutet mit seiner Sitzposition auf eine Umarmung hin und stellt einen Tröster für
das Kind dar.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783956366239
ISBN (Paperback)
9783956369674
Dateigröße
319 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz – Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
Spiel kindliche Entwicklung Spielzeug Lernbereiche Selbstbildungsprozess Spielentwicklung
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