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Recherche beim Spielfilm

Warum Authentizität die Qualität eines Films steigert

©2007 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Film hat sich als wichtigstes Medium durchgesetzt. Als er am Ende des 19. Jahrhunderts entstand, ahnte niemand, welche Bedeutung dieses Medium nur 100 Jahre später haben würde. Von den unzähligen Definitionen, welche das Medium Film beschreiben, sollen hier stellvertretend die Sichtweisen Eisensteins und Kracauers genannt werden. Eisenstein betrachtet den Film als eine Kette nebeneinander gestellter Bilder, durch deren Kontrast die Geschichte im Kopf der Zuschauer weiterentwickelt wird. Kracauer hingegen empfindet den Film weniger als ein narratives Medium, indem er in seiner „Theorie des Films“ illusionistische oder theaterhafte Stilmittel als „unfilmisch“ ablehnt und stattdessen Realismus fordert.
Die Wahrheit, sofern es überhaupt möglich ist, diesbezüglich davon zu sprechen, dürfte dazwischen liegen. Der Anteil der narrativen Elemente bzw. der Realismusgehalt kann sich je nach Genre ändern. Zu den wichtigsten Genres zählen dabei Krimi, Erotik, Horror, Science-Fiction, Musical, Western, Komödie, Melodrama, Katastrophenfilm, Kriegsfilm und weitere. Um Geschichten der jeweiligen Genres erzählen oder aber die Realität im Zuge eines Dokumentarfilmes abbilden zu können, müssen die Filmemacher vor allem eines machen – recherchieren.
Die Form der Recherche kann dabei so unterschiedlich sein wie der Inhalt des Filmes. Während einige Filmemacher ihre Recherchen äußerst präzise vorbereiten und professionell durchführen, ignorieren andere dieses Thema bzw. wissen gar nicht, dass sie recherchieren. Als Realität kann dabei die Summe der sinnlichen und körperlichen Eindrücke und Einflüsse der Umgebung angenommen werden.
Beides, das Filmemachen und das Recherchieren, sind Künste, die auf Handwerken beruhen, die wiederum gelernt sein wollen. Die folgende Arbeit stellt den Versuch dar, deren Schnittmengen zu untersuchen.
Das Hauptziel der Arbeit ist es, folgende Thesen zu belegen:
Hintergrundrecherchen sind Indikatoren für Qualität beim Spielfilm.
Um Qualität beim Spielfilm zu erzeugen, muss in nahezu allen Departments einer Filmproduktion recherchiert werden, vornehmlich in den Bereichen Drehbuch, Regie, Redaktion, Produktion, Schauspiel, Kostüm und Szenenbild.
Die für Spielfilme zu verwendende Information unterscheidet sich oft signifikant von der Information, welche für die Produktion in Dokumentarfilmen umgesetzt wird.
Recherchen für Spielfilme benötigen eine ähnliche Intensität wie Dokumentarfilmrecherchen.
In […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sebastian Pioch
Recherche beim Spielfilm
Warum Authentizität die Qualität eines Films steigert
ISBN: 978-3-8366-1275-3
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, Deutschland,
Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

i
Abstract
In dieser Arbeit wird untersucht, ob und welche Qualitätsmerk-
male bei einem Spielfilm belegbar sind. Nach einer einführenden
Einleitung wird im zweiten Kapitel festgestellt, dass, da es sich bei
einem Spielfilm um Kunst handelt, kaum belastbare Aussagen
bezüglich der Qualität beim Film vorgenommen werden können.
Im dritten Abschnitt wird untersucht, wie Filmemacher in
Deutschland recherchieren. Dazu wurden u.a. Produzenten,
Regisseure, Schauspieler, Dozenten, Drehbuchautoren und Film-
kritiker befragt. Des Weiteren wird herausgearbeitet, dass als
Hauptursachen für mangelhafte Recherchen Zeit-, Geld-, Kompe-
tenz- und Motivationsmängel in Frage kommen. Neben einem
kurzen Abriss bzgl. des Informationsbegriffes werden Grundlagen
des Recherchierens besprochen.
Im vierten Abschnitt folgt eine Analyse zweier deutscher Spiel-
filme hinsichtlich ihrer Recherchequalitäten. Weiterhin wird fest-
gestellt, dass die durchgeführten Recherchen zwar die Qualität
eines Filmes steigern können, nicht aber zwingend dessen Erfolg
beeinflussen.
Der fünfte Abschnitt widmet sich einer Beispielrecherche. Am
Thema der ,,Illegalen Migration" wird aufgezeigt, wie dieser Stoff
professionell zu recherchieren wäre, um aus den Recherche-
erkenntnissen ein Drehbuch zu schreiben. Da es sich dabei um
eine überaus komplexe Recherche handelt, werden z.T. lediglich
Rechercheansätze verfolgt.

iii
Schlagwörter
Analyse, Authentizität, Das Kommando, Datenbanken, Die Sieger,
Experten, Fernsehen, Filmemacher, Information, Internet,
Interview, Kino, Qualität, Quellen, Recherche, Regie, Spielfilm
,,Aber wenn wir als Künstler nicht den Anspruch
haben zu sagen ,Doch!', wenn ich nicht auf die Bühne
gehe, in dem Bewusstsein ich werde die Welt
verändern, dann soll ich's sein lassen. Und genauso
muss ich einen Film anfangen."
Ulrich Mühe (*1953 - 2007), dt. Schauspieler

v
Vorwort
Wer kennt sie nicht, die Filme, bei denen man sich die Haare rauft
und denkt: ,,Das stimmt doch vorn und hinten nicht!", oder aber
man klatscht in die Hände und jubelt: ,,Klasse, genauso ist es
wirklich!". Warum gelingt es einigen Filmen, eine Geschichte so
täuschend echt zu erzählen, dass sich der Zuschauer völlig in ihr
verliert und am Ende womöglich vergisst, dass er gerade einen
Film sieht? Warum müssen andererseits Filme ertragen werden,
denen man anschließend vorwirft, sie hätten einem nicht nur
kostbare Lebenszeit geraubt, sondern auch den Abend mit
albernen Klischees verdorben? Liegt es jeweils nur an der
brillanten oder desaströsen Geschichte, Inszenierung, Schau-
spielerleistung usw.? Oder aber gehört auch die entsprechende
Authentizität dazu? Warum glauben immer noch einige Filme-
macher, dass ein mittelmäßiger Stunt die Oberflächlichkeiten
übertünchen kann und sich die Fehler ,,versenden"? Während
meines Praxissemesters bei Studio Hamburg hörte ich dieses
schreckliche Wort zum ersten Mal. Jenes Erlebnis gab den Anreiz,
eine Diplomarbeit darüber zu schreiben.
Es ist der selbstlosen Art vieler Filmemacher zu verdanken, dass
diese Arbeit sehr nah an der Wirklichkeit operieren kann. Leider
würde es den Rahmen jeglichen Vorwortes sprengen, zählte ich
hier namentlich jeden auf, dem ich zu Dank verpflichtet bin. All
jene finden ihren wohlverdienten Platz im Anhang der Arbeit. Als
Institutionen sollen hier jedoch dankend erwähnt werden: die
Studio Hamburg Produktion GmbH, das Adolf Grimme Institut und
die Hochschule für Film und Fernsehen ,,Konrad Wolf". Ich danke
allen für ihre freundliche Unterstützung und bitte um Nachsicht,
falls mir trotz dieser hilfreichen Unterstützung Irrtümer und
Fehler unterlaufen sind.
Hamburg, im August 2007
Sebastian Pioch

vii
Inhaltsverzeichnis
Abstract... i
Schlagwörter ... iii
Vorwort ... v
Inhaltsverzeichnis ...vii
Tabellenverzeichnis... xi
Abkürzungsverzeichnis ...xiii
1
Einleitung ... 1
1.1
Ziele und Thesen der Arbeit ...2
1.2
Vorgehensweise ...2
2
Qualität beim Spielfilm ... 3
2.1
Wissenschaftliche Untersuchungen ...3
2.2
Befragung deutscher Filmemacher ...5
2.3
Zusammenfassung...7
3
Recherche beim Spielfilm ... 9
3.1
Begriffsklärung ­ Die Information ...9
3.2
Anforderungen an die Spielfilminformation ... 10
3.3
Geeignete Rechercheformen beim Spielfilm ... 11
3.3.1
Die journalistische Recherche ... 12
3.3.2
Die dokumentarische Recherche ... 13
3.3.3
Zwischenresümee... 15
3.4
Einsatzfelder von Recherchen beim Spielfilm... 16
3.4.1
Recherche als Produzent/Producer ... 17
3.4.2
Recherche als Regisseur ... 19
3.4.3
Recherche als Drehbuchautor ... 23
3.4.4
Recherche als Filmschauspieler... 27
3.4.5
Recherche als Szenenbildner ... 31
3.4.6
Recherche als Kostümbildner ... 33
3.4.7
Zusammenfassung ... 35
3.5
Beispiele und Ursachen für intensives und zu
optimierendes Recherchieren... 35
3.5.1
Beispiele und Ursachen für intensive
Recherchen... 35
3.5.2
Beispiele und Ursachen für optimierbare
Recherchen... 38
4
Vergleichende Analyse der Filme ,,Die Sieger" und
,,Das Kommando" ... 42
4.1
DIE SIEGER ... 44
4.1.1
Einführung und Synopsis ... 44
4.1.2
Rechercheanalyse... 44
4.1.3
Zusammenfassung ... 47
4.2
DAS KOMMANDO ... 48
4.2.1
Einführung und Synopsis ... 48
4.2.2
Rechercheanalyse... 49

viii
4.2.3
Zusammenfassung...52
4.3
Resümee der Analyse ...54
5
Beispielrecherche ... 54
5.1
Einführung und Thema ...54
5.2
Ideenskizze...55
5.3
Informationsbedarf ...56
5.4
Vorbereitung der Recherche ...57
5.5
Durchführung der Recherche ...59
5.5.1
Phase 1 ­ Recherche von Quellen ...59
5.5.2
Phase 2 - Sichtung und Nutzung von
literarischen Quellen, Kontaktierung von
Experten ...65
5.5.3
Phase 3 - Befragung von Quellen ...68
5.5.4
Zusammenfassung...70
6
Schlussbetrachtung ... 71
Literatur- / Quellenverzeichnis... 72
Anhang ... a

ix
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Qualitätskriterien für gebrauchte
MAN ­ Ersatzteile...7
Abbildung 2: Qualitätsbereiche
beim
Spielfilm ...8
Abbildung 3:
Allgemeine Recherchebereiche... 11
Abbildung 4:
Die vollständige Recherche... 12
Abbildung 5:
Rechercheverlauf innerhalb der Phasen
eines Filmprojekts... 16
Abbildung 6:
Kompetenzbereiche des Regisseurs ... 20
Abbildung 7:
Informationsbarrieren im
Informationsfluss ... 40
Abbildung 8:
Ursachen für mangelhafte Recherchen ... 41
Abbildung 9:
Beispiel eines Mind Map ... 58
Abbildung 10:
Trichterartige Verdichtung
von
Informationen ... 58
Abbildung 11:
Rechercheschema und Quellen... 70

xi
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Rechercheanalyse - DIE SIEGER ... 45
Tabelle 2:
Rechercheanalyse - DAS KOMMANDO ... 50
Tabelle 3:
Suchergebnisse - Genios... 62

xiii
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Bedeutung
Aufl. Auflage
BAFM
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Bd. Band
BMVg
Bundesministerium der Verteidigung
BND Bundesnachrichtendienst
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
etc.
et cetera
efms
europäisches Forum für Migrationsstudien
evtl. eventuell
ff. fortfolgende
Seiten
GSK Gebündelte
Spezialkräfte
HFF
Hochschule für Film und Fernsehen
i.d.R.
in der Regel
IMDb
Internet Movie Database
Interv. Interviewer
Intervt. Interviewter
korr. korrigiert
KSK Kommando
Spezialkräfte
MAN Maschinenfabrik
Augsburg-Nürnberg
MfS
Ministerium für Staatssicherheit
o.O. ohne
Ortsangabe
SEK Spezialeinsatzkommando
Stasi Staatssicherheit
SWR Südwestrundfunk
Teiln. Teilnehmer
u.a. unter
anderem
u.ä. und
ähnliche
überarb. überarbeitet
unveröff. unveröffentlicht
usw.
und so weiter
vgl. vergleiche
z.B. zum
Beispiel
zit. nach
zitiert nach
z.T. zum
Teil

1
1 Einleitung
Der Film hat sich als wichtigstes Medium durchgesetzt. Als er am
Ende des 19. Jahrhunderts entstand, ahnte niemand, welche
Bedeutung dieses Medium nur 100 Jahre später haben würde.
Von den unzähligen Definitionen, welche das Medium Film
beschreiben, sollen hier stellvertretend die Sichtweisen Eisen-
steins und Kracauers genannt werden. Eisenstein betrachtet den
Film als eine Kette nebeneinander gestellter Bilder, durch deren
Kontrast die Geschichte im Kopf der Zuschauer weiterentwickelt
wird.
1
Kracauer hingegen empfindet den Film weniger als ein
narratives Medium, indem er in seiner ,,Theorie des Films"
illusionistische oder theaterhafte Stilmittel als ,,unfilmisch" ablehnt
und stattdessen Realismus fordert.
2
Die Wahrheit, sofern es überhaupt möglich ist, diesbezüglich
davon zu sprechen, dürfte dazwischen liegen. Der Anteil der
narrativen Elemente bzw. der Realismusgehalt kann sich je nach
Genre ändern. Zu den wichtigsten Genres zählen dabei Krimi,
Erotik, Horror, Science-Fiction, Musical, Western, Komödie, Melo-
drama, Katastrophenfilm, Kriegsfilm und weitere.
3
Um Geschich-
ten der jeweiligen Genres erzählen oder aber die Realität im Zuge
eines Dokumentarfilmes abbilden zu können, müssen die
Filmemacher vor allem eines machen ­ recherchieren.
Die Form der Recherche kann dabei so unterschiedlich sein wie
der Inhalt des Filmes. Während einige Filmemacher ihre Recher-
chen äußerst präzise vorbereiten und professionell durchführen,
ignorieren andere dieses Thema bzw. wissen gar nicht, dass sie
recherchieren. Als Realität kann dabei die Summe der sinnlichen
und körperlichen Eindrücke und Einflüsse der Umgebung ange-
nommen werden.
4
Beides, das Filmemachen und das Recherchieren, sind Künste, die
auf Handwerken beruhen, die wiederum gelernt sein wollen. Die
folgende Arbeit stellt den Versuch dar, deren Schnittmengen zu
untersuchen.
1
Vgl. Mamet D. (2003) S. 15.
2
Vgl. Dorn, M. In: Faulstich, W. (2004) S. 203.
3
Vgl. Dorn, M. In: Faulstich, W. (2004) S. 201.
4
Vgl. Ziesche, C. (2000) S. 12.

2
1.1 Ziele und Thesen der Arbeit
Das Hauptziel der Arbeit ist es, folgende Thesen zu belegen.
1. Hintergrundrecherchen sind Indikatoren für Qualität beim
Spielfilm.
2. Um Qualität beim Spielfilm zu erzeugen, muss in nahezu
allen Departments einer Filmproduktion recherchiert
werden, vornehmlich in den Bereichen Drehbuch, Regie,
Redaktion, Produktion, Schauspiel, Kostüm und Szenen-
bild.
3. Die für Spielfilme zu verwendende Information unterschei-
det sich oft signifikant von der Information, welche für die
Produktion in Dokumentarfilmen umgesetzt wird.
4. Recherchen für Spielfilme benötigen eine ähnliche Inten-
sität wie Dokumentarfilmrecherchen.
5. In deutschen Spielfilmproduktionen wird oftmals ober-
flächlich recherchiert. Es werden Klischees bedient und die
Kompetenz des Rezipienten unterschätzt.
6. Gründe für mangelhafte Recherchen können sein:
· Kompetenzmangel
· Zeitmangel
· Motivationsmangel
· Geldmangel
7. Es besteht Bedarf an einem Recherchedienst, der speziell
Hintergrundinformationen für Filmschaffende ermittelt.
Der Spielfilm ist ein überaus komplexes Medium. Es wird aus
pragmatischen Gründen davon abgesehen, Kinofilm und Fernseh-
film getrennt zu betrachten. Im deutschen Kino- und Fernseh-
markt, um den es hier gehen wird, sind die Unterschiede hinsicht-
lich der Produktion von Kino- und Fernsehfilmen wesentlich
geringer als im amerikanischen Markt. Daher wird hier vielmehr
der abendfüllende Spielfilm (ca. 90 min.) als Gegenstand der
Untersuchung angesehen.
5
Die vorliegende Arbeit hat des Weiteren zum Ziel, dem Filme-
macher zum einen die Wichtigkeit der Recherche bewusst zu
machen und ihm zum anderen die Komplexität des Themas auf-
zuzeigen.
1.2 Vorgehensweise
Nach umfassender Recherche kann davon ausgegangen werden,
dass das Thema ,,Hintergrundrecherchen beim Spielfilm" kaum
erforscht wurde. Daher bildet das Interview einen großen Anteil
der Recherche für diese Arbeit. Zunächst soll untersucht werden,
was Qualität beim Spielfilm ausmacht und ob Hintergrund-
recherchen Indikatoren für eben diese Qualität sein können.
5
Siehe auch Seite 42 in dieser Arbeit.

3
Zusätzlich erfolgt eine Beantwortung der Frage, wie die Be-
wertung der Qualität anderer Publikationsformen stattfindet.
Anschließend wird dargestellt, was eine Recherche im Allge-
meinen und im Speziellen für den Spielfilm ausmacht. Es wird
weiterhin untersucht, in welchen Phasen und Bereichen einer
Spielfilmproduktion entsprechende Recherchen notwendig sind,
wie diese i.d.R. durchgeführt werden, welche Probleme dabei
auftreten und welche Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Um
das Thema Recherche an einem konkreten Beispiel darzustellen,
werden die Hintergrundrecherchen zweier deutscher Spielfilme
analysiert. Dabei handelt es sich um zwei Politthriller, zum einen
um ,,Die Sieger" von Dominik Graf (1994), zum anderen um ,,Das
Kommando" von Thomas Bohn (2005).
Abschließend wird der Rechercheworkflow an einer Beispiel-
recherche dargestellt, welche explizit für einen Spielfilm genutzt
werden könnte. Aus Gründen der Einfachheit erfolgt eine
Nennung des jeweiligen Berufsbildes in der männlichen Form, also
,,der Regisseur" oder ,,der Drehbuchautor".
2 Qualität beim Spielfilm
Um die erste These dieser Arbeit belegen zu können, wurde
zunächst untersucht, ob es wissenschaftliche Aussagen bzgl. der
Qualität beim Spielfilm gibt. Es ist jedoch kaum möglich, wissen-
schaftlich belastbare Aussagen hinsichtlich der Qualität eines
Spielfilmes zu treffen. Da der Spielfilm in den Kunstbereich ein-
zuordnen ist, sind Qualitätsmessungen oft subjektiver Natur.
2.1 Wissenschaftliche Untersuchungen
Es wurde der Frage nachgegangen, ob es Qualitätskriterien bei
anderen Publikationsformen gibt. Hier können exemplarisch zwei
Studien genannt werden. Zum einen wurde die journalistische
Qualität der Regionalfenster im Programm von RTL und SAT.1
untersucht. Hierbei soll die Frage beantwortet werden, inwieweit
die Programmveranstalter das Gebot einer vielfältigen und
aktuellen Berichterstattung aus den jeweiligen Ländern und ihren
Subregionen umsetzten.
6
Es versteht sich nahezu von selbst, dass
eine derartige Betrachtungsweise für den Spielfilm völlig unge-
eignet ist. Wenn überhaupt, kann mit ähnlichen Parametern der
dokumentarische Film bewertet werden.
Zum anderen unternimmt Winfried Göpfert den Versuch, publi-
zistische Qualität zu definieren und einen Kriterienkatalog aufzu-
stellen.
6
Vgl. Volpers, H. /Salwicek, C. /Schnier, D. (2000) S.20.

4
So sei ein publizistisches Produkt seiner Meinung nach dann
qualitativ hochwertig, wenn es das verborgene Kommuni-
kationsziel in möglichst kurzer Zeit bei möglichst vielen Rezi-
pienten erreicht, wenn diese Rezeption mit Spaß verbunden ist
und wenn der im Sinne des Kommunikationsziels erwünschte
Effekt möglichst lang anhaltend ist.
7
So zutreffend dieser Ansatz auf die eine oder andere Publika-
tionsform sein mag, so unbrauchbar ist er für den Spielfilm.
Weder hat ein Filmemacher das Ziel, seine Botschaft in möglichst
kurzer Zeit seinem Publikum zugänglich zu machen, oder es muss
diese Botschaft mit Spaß verbunden sein, (z.B. bei Kriegsfilmen)
noch muss solch ein Effekt möglichst lange anhalten.
Allein an diesem Versuch, publizistische Qualität definieren zu
wollen, lässt sich die Schwierigkeit des vorliegenden Unter-
suchungsgegenstandes ableiten. Göpfert hält folgende Parameter
für geeignet, um Indikatoren für publizistische Qualität zu sein
8
:
·
Zielgerichtetes Kommunikationsdesign und ange-
messene Form
·
Sprache
·
Verständlichkeit
·
Aktualität, Betroffenheit
·
Motivation
·
Sinnlichkeit
·
Nutzwert
·
Gebrauchswert
·
Unterhaltungswert
·
Ästhetik
·
Ethik
·
Mediengerechtes Kommunikationsdesign
Es dürfte zu bemerken sein, dass bei all diesen Parametern die
Authentizität offensichtlich keine Rolle spielt. Göpfert äußert sich
speziell zu audiovisuellen Medien (u.a. Film) dahingehend, dass er
die Konstruktion einer Bilderstory als wesentliches Kriterium zur
Beurteilung der Qualität eines audiovisuellen Produktes ansieht.
9
Nun ist hier nicht eindeutig nachzuvollziehen, was Göpfert damit
genau meint. Es wird jedoch ausdrücklich unterstützt, dass die
Story eines Filmes das höchste Qualitätskriterium darstellt. Auf
diesen Ansatz wird später noch näher einzugehen sein.
Als zweites Kriterium bezeichnet Göpfert das Verhältnis von Bild
und Ton. Es sei so, dass sich Bild- und Textinformationen unter-
stützen und gegenseitig aufeinander abgestimmt sein müssen.
7
Vgl. Göpfert, W. In: Bammé, A. /Kotzmann, E. /Reschenberg, H.
(1993) S. 99.
8
Vgl. Göpfert, W. In: Bammé, A. /Kotzmann, E. /Reschenberg, H.
(1993) S. 100-106.
9
Vgl. Göpfert, W. In: Bammé, A. /Kotzmann, E. /Reschenberg, H.
(1993) S.105-106.

5
Grundsätzlich dürften Göpferts weitere Ausführungen kaum zur
Bewertung von Spielfilmen geeignet sein. Er spricht u.a. davon,
dass Bildaussagen eindeutig sein müssen und dass Bewegungs-
abfolgen im Bildinhalt, Bildschnitte, Kamerafahrten usw. den
optischen Reiz zwar erhöhen, nicht aber unbedingt den Informa-
tionswert eines audiovisuellen Produktes erhöhen müssen. Diese
Betrachtungsweise lässt darauf schließen, dass Göpfert bei seiner
Untersuchung eher journalistische Filmproduktionen betrachtet
haben muss, da nur wenige seiner Kriterien nachhaltig auf einen
narrativen Film anwendbar sind.
Ob der dürftigen Literaturlage hinsichtlich der Qualitätsbe-
stimmungen von narrativen Spielfilmen wurde eine ent-
sprechende Befragung deutscher Filmemacher durchgeführt. Im
folgenden Abschnitt werden diese Aussagen in Form einer
Textkollage wiedergegeben.
2.2 Befragung deutscher Filmemacher
Die folgende Textkollage gibt die Aussagen zum Teil namhafter
deutscher Filmemacher wieder. Sie wurden dahingehend befragt,
was für sie Qualität beim Spielfilm ausmacht. Es handelt sich
dabei um 4 Regisseure, 5 Produzenten/Producer, 2 Drehbuch-
autoren, 2 Filmschauspieler, 2 Filmhochschullehrer, 4 Filmkritiker
und je einen Vertreter aus den Departments Kostüm und
Szenenbild.
10
Diese Untersuchung ist selbstverständlich nicht
repräsentativ. Wohlaber gibt sie einen Trend wieder. Da die
Filmbranche im Verhältnis zur übrigen Industrie als relativ klein
angesehen werden kann, dürften die hier abgebildeten Meinungen
durchaus relevant sein.
· ,,Für mich ist Qualität Ernsthaftigkeit".
11
· ,,Das ist äußerst schwer zu sagen, ich denke, ein Film
besitzt dann Qualität, wenn er bei den Redakteuren und
beim Publikum gleichermaßen ankommt."
12
· ,,Es gibt mehrere Arten von Qualität beim Spielfilm. Zum
einen ist da sicherlich der Inhalt und das Thema, mit dem
man sich auseinandersetzt, und dann ist auch die Frage, ob
es gelungen ist, eine gute Schauspielerführung zu haben.
Ich denke, was dann sicherlich noch dazugehört, ist, dass
das Gesamte eben ein Kunstwerk wird."
13
· ,,Das Wichtigste ist zunächst einmal ein gutes Drehbuch."
14
· ,,Qualität ist für mich, eine Geschichte erzählt zu be-
kommen, und das bitte möglichst authentisch."
15
10
Einige der Befragten stellen eine Doppelfunktion dar, z.B. als
Regisseur und Drehbuchautor.
11
Nüchtern, R. (2007) Interview.
12
Fliegel, M. (2007) Interview.
13
Huntgeburth, H. (2007) Interview.
14
Spies, U. (2007) Interview.

6
· ,,Das klingt vielleicht etwas langweilig, aber für mich ist das
wie mit einem Fragebogen, den man abarbeiten muss.
Stimmt die Geschichte, passt der Aufbau? Wie ist die
Schauspielerführung, was ist mit der handwerklichen Um-
setzung? Das könnte man natürlich noch fortsetzen."
16
· ,,Ein guter Film muss mich berühren."
17
· ,,Film ist Teamarbeit, insofern kommen da mehrere Dinge
zusammen. Am wichtigsten ist wohl jedoch ein guter Stoff,
der gut erzählt wird. Dabei ist es wichtig, dass diese beiden
Dinge zusammen kommen. Ein guter Stoff allein oder eine
isolierte gute handwerkliche Erzählweise reichen nicht
aus."
18
· ,,Die Figuren müssen stimmen, die Geschichte muss mich
überraschen und darf nicht vorhersehbar sein, sie kann ein
interessantes Thema haben, kann aber auch ästhetisch
interessant sein."
19
· ,,Ich mag Filme, die mich persönlich berühren, die mich
mitnehmen, bei denen ich Identifikationen herstellen kann.
Ich mag aber auch Filme, die ganz andere Konzepte ver-
folgen, die mich eher auf der intellektuellen Ebene an-
sprechen."
20
· ,,Für mich ist ein Qualitätsmerkmal, wenn ein Film etwas
mit mir macht. Also entweder hat er mich emotional
berührt, weil ich mich z.B. mit einer Figur identifiziert habe
und nach Parallelen zu meinem eigenen Leben suche, oder
aber er bringt mir eine Erkenntnis, d.h. irgendetwas ist neu
für mich."
21
· ,,Qualität beim Spielfilm macht für mich aus, dass ich
glauben kann, was ich sehe und höre. Wenn dann dazu
kommt, dass man mich nicht für dumm hält, hat man mich
schon ein Stück weit gewonnen. Wenn ich dann noch etwas
sehe, was ich so noch nicht kenne, und von dem Film
berührt werde, habe ich das Gefühl, einen guten Film
gesehen zu haben."
22
· ,,Das hat sich für mich etwas verändert. Früher war ich
mehr an der visuellen Seite eines Films interessiert, heute
ist es mir wichtiger, dass ich etwas mitnehme. Schließlich
geht es ja dabei um zwei Stunden meines Lebens."
23
· ,,Unterhaltung auf einem einigermaßen intelligenten Niveau
finde ich was Tolles. Ich finde andererseits, Filme die mir
Erkenntnisse bringen, auch was ganz Tolles."
24
15
Kiefel-Kuhls, T. (2007) Interview.
16
Hopp, H. (2007) Interview.
17
Kurek, A. (2007) Interview.
18
Ellermann, H. (2007) Interview.
19
Blumenberg, L. (2007) Interview.
20
Cornelisen, S. (2007) Interview.
21
Gunkel, T. (2007) Interview.
22
Behrens, A. (2007) Interview.
23
Beier, L.-O. (2007) Interview.
24
Schübel, R. (2007) Interview.

7
2.3 Zusammenfassung
Da es sich beim Untersuchungsgegenstand um ein Medium mit
künstlerischem Inhalt handelt, ist eine wissenschaftlich belastbare
Aufstellung von konkreten Qualitätskriterien nicht zu leisten.
Anders verhält es sich z.B. in der Technik. Dort können ganz
genaue Qualitätskriterien aufgestellt werden, welche allgemein
anerkannt sind und somit überprüft werden können. Als Beispiel
dient hier ein Auszug aus der Qualitätskriterienaufstellung der
Firma ,,MAN", welche in Abbildung 1 exemplarisch die Qualitäts-
kriterien für gebrauchte Motoren angibt.
25
Abbildung 1: Qualitätskriterien für gebrauchte MAN ­
Ersatzteile
26
Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass es im technischen Bereich
klare Qualitätskriterien gibt. Es ist jedoch unmöglich, dies für den
Spielfilm umzusetzen, da nun einmal kein Spielfilm dem anderen
gleicht, wohingegen dies bei den Motoren einer Serie der Fall sein
dürfte.
Weder die wissenschaftlichen Ausführungen noch die Experten-
befragungen aus der Filmwirtschaft bzw. aus Gremien konnten
ähnlich klare Qualitätskriterien zu Tage fördern.
Daher werden hier die am häufigsten genannten und zugleich am
sinnvollsten erscheinenden Qualitätsmerkmale eines Spielfilmes
zusammengefasst. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird dann fest-
zustellen sein, wie diese Qualitätskriterien erreicht bzw. um-
gesetzt werden können.
25
Vgl. www.man-mn.de (2007).
26
Quelle: www.man-mn.de (2007).

8
Qualitätsmerkmale beim Spielfilm:
· Authentizität
· Stoff ist von allgemeinem Interesse - Relevanz
· Visuell und auditiv ansprechend
· Künstlerisch und technisch hochwertige Umsetzung
· Geschichte wird durch Bilder erzählt, nicht durch die
Dialoge
· Mehrdimensionale Figuren satt Stereotype
· Aktualität
· Dramaturgisch gelungener Aufbau
· Rhythmus ist stimmig
· Akzeptanz auf Produzenten- und Redakteursebene
· Akzeptanz beim Rezipienten
· Akzeptanz bei den Kritikern
· Akzeptanz bei Gremien (z.B. Grimme Institut)
Diese Aufzählung stellt eine Art Idealfall dar. Sie ist das Ergebnis
der vorliegenden Untersuchung und spiegelt somit lediglich einen
gewissen Teil von Meinungen und Sichtweisen wieder. Sie kann
somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Wie bereits
angedeutet, variieren die genannten Kriterien je nach Genre,
Budget, Rezipientenschicht (Klientel) und Produktionsfirma. Auch
wenn der Anspruch auf Vollständigkeit aus den genannten
Gründen nicht herzustellen ist, so kann doch davon ausgegangen
werden, dass beim Versuch, die jeweiligen Kriterien zu erfüllen,
mit hoher Wahrscheinlichkeit ein qualitativ hochwertiges und
erfolgreiches Filmprojekt erstehen würde. Abbildung 2 stellt den
Versuch dar, die aufgeführten Qualitätskriterien in vier Bereiche
aufzuteilen, deren Anteile variieren können.
Authentizität
künstlerisch -
technische Qualität
inhaltlich - drama-
turgische Qualität
Akzeptanz auf
Produktions- und
Rezipientenebene
Abbildung 2: Qualitätsbereiche beim Spielfilm

9
3 Recherche beim Spielfilm
,,Hintergrundrecherchen sind immer auch Indikatoren für
Qualität. Egal ob es sich dabei um fiktionale oder non-
fiktionale Produktionen handelt."
27
Das folgende Kapitel geht den Fragen nach, welche Form der
Recherche für den Spielfilm geeignet ist, welche Arten von
Informationen beim Spielfilm benötigt werden und in welchen
Bereichen einer Spielfilmproduktion recherchiert wird bzw.
recherchiert werden sollte.
3.1 Begriffsklärung ­ Die Information
Grundsätzlich dient die Recherche der Gewinnung von Informa-
tionen. Der Begriff der Information soll hier nur im Ansatz
erläutert werden. Vielmehr wird es darum gehen, worin sich die
im Spielfilm verwendete Information von der anderer Publika-
tionsformen unterscheidet.
Der Informationsbegriff als solcher wird in der Informations-
wissenschaft umfassend diskutiert. Exemplarisch werden hier
wiederum zwei Sichtweisen angeführt. So betrachten Shannon
und Weaver die Information in der Kommunikationstheorie
weniger als das, was gesagt wird, sondern eher als das, was
gesagt werden könnte.
28
Sie interpretieren die Information als ein
Maß für die Freiheit der Wahl, wenn man eine Nachricht aus der
anderen sucht, und drücken dies zusätzlich semantisch aus:
H = - pi log pi
29
Obwohl in dieser Arbeit auf mathematische Details verzichtet
wird, scheint es sinnvoll, Shannon und Weavers Formel zu
erwähnen. Sie verdeutlicht, dass neben der hier praktizierten
Betrachtungsweise auch eine mathematische Diskussion des
Informationsbegriffes stattfindet.
Wersig sieht in einer Information ein Datum zur Reduktion der
Ungewissheit.
30
Generell sei es so, dass ein Datum nur dann zu
einer Information werden kann, wenn eine problematische
Situation existiert und mit ihr eine Fragestellung. Dasjenige
Datum, welches geeignet ist, um diese Frage zu beantworten und
somit die Ungewissheit beim Fragesteller zu reduzieren, wird zur
Information. Mit anderen Worten, Informationen sind Antworten
auf Fragen.
27
Spies, U. (2007) Telefoninterview.
28
Vgl. Shannon, C.-E. /Weaver, W. (1976) S.18.
29
Vgl. Shannon, C.-E. /Weaver, W. (1976) S.24.
30
Vgl. Wersig, G. (1974) S. 73.

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3.2 Anforderungen an die Spielfilminformation
Anders als im Dokumentarfilm ist die Spielfilminformation fiktiv.
Der Dokumentarfilm will informieren, aufklären, aufdecken und
den Rezipienten bilden. Selbstverständlich will er auch unter-
halten. Allerdings dürfte es unstrittig sein, dass der Unter-
haltungsanspruch beim Spielfilm ungemein höher ist. Aus diesem
Grunde ist auch die zu vermittelnde Information eine andere. Auf
diesen Umstand berufen sich viele Filmemacher, wenn sie mit der
Frage konfrontiert werden, warum sie eine gewisse Recherche-
strategie verwenden. Anders formuliert könnte gesagt werden,
dass Dokumentarfilmer umfassender recherchieren als Filme-
macher aus dem fiktiven Bereich. Wie bei fast allen Annahmen
dieser Art gilt, dass die Ausnahme die Regel bestätigt. Dass
jedoch diese Vorgehensweise eher nicht angestrebt werden sollte,
zeigt folgendes Beispiel.
Bevor Wolfgang Petersen 1981 seinen Film ,,Das Boot" ver-
öffentlichen konnte, musste er jede Menge Fakten recherchieren.
Allein der Nachbau des U-Boot-Modells für die Innenaufnahmen
dürfte einige Zeit in Anspruch genommen haben. Betrachtet man
dieses Modell aus der Nähe, entsteht ein äußerst wirklichkeits-
getreuer Eindruck.
31
Eines jedoch fällt auf. Kein geschlossenes
Waffensystem der Bundeswehr bzw. der Wehrmacht
32
hat einen
schwarzen Innenanstrich, wohl aber Petersens Modell. Es ist
davon auszugehen, dass Petersen gewiss nicht hunderte von
Ventilen und Druckanzeigen originalgetreu nachbauen lässt und
dann so einen Fehler begeht. Ein heller weißer Raum vermittelt
das Gefühl, größer zu sein als er tatsächlich ist, und verzögert das
beengende Gefühl. Das ist der Grund, warum sämtliche ge-
schlossenen Waffensysteme innen weiß gestrichen sind. Das
beengende Gefühl tritt dann erst, je nach psychischer und
physischer Verfassung der Besatzung, nach einigen Tagen ein.
Petersen hat jedoch nicht mehrere Tage Zeit, um den Rezipienten
das gewünschte Gefühl zu vermitteln, sondern nur ca. 2,5
Stunden. Das bedeutet, er hat diese Information bewusst falsch
inszeniert, um die entsprechende Wirkung zu erzielen.
Übertragen auf den Spielfilm bedeutet dies, dass der Filmemacher
von fiktionalen Filmen genauso intensiv recherchieren muss wie
der Dokumentarfilmer. Sollte er bei der Umsetzung feststellen,
dass die eine oder andere Information nicht den gewünschten
Effekt erzielt, kann er sie dann bewusst ändern. Die Möglichkeit,
dies zu tun, wird auch als künstlerische Freiheit bezeichnet.
31
Der Autor dieser Arbeit hat das Modell im Zuge seiner Recherchen im
Bavaria Filmpark in München besichtigt.
32
Panzer, U-Boot usw.

11
3.3 Geeignete Rechercheformen beim Spielfilm
Der größte Bereich der Recherche kann in zwei Hauptformen
unterteilt werden. Zum einen existiert die journalistische bzw.
investigative Recherche und zum anderen gibt es die dokumen-
tarische Recherche, welche auch als Informationswiederge-
winnung bzw. als Information Retrieval bezeichnet wird.
Wiederum sollen hier zwei Ansätze aus diesen Bereichen für eine
Begriffsklärung sorgen. Haller bezeichnet das Recherchieren im
engeren Sinne als ein Verfahren, das zur Beschaffung und
Beurteilung von Aussagen über reales Geschehen dient, die ohne
eben dieses Verfahren nicht preisgegeben und somit publik
würden.
33
Gaus hingegen spricht von einem schöpferischen
Prozess und einer Kette von Entscheidungen, bei der der
Rechercheur sowohl die Anforderungen des Benutzers als auch
die Möglichkeiten des Ordnungssystems und des Retrievalsystems
genau kennen muss.
34
In den kommenden Abschnitten wird untersucht, welche Formen
und Ausprägungen von Recherche es im Allgemeinen und im
Speziellen beim Spielfilm gibt. Zunächst wird ein Überblick über
die Recherche gegeben, wie sie im journalistischen bzw. im doku-
mentarischen Alltag stattfindet, um dann zu prüfen, welche
Instrumente für die Spielfilmrecherche geeignet sind und was
deren Einsatzfelder sein können.
Das nachfolgende Schema veranschaulicht das Spektrum der
Recherche und kennzeichnet die Bereiche der journalistischen und
der dokumentarischen Recherche.
Abbildung 3: Allgemeine Recherchebereiche
35
33
Vgl. Haller, M. (2004) S. 246.
34
Vgl. Gaus, W. (2005) S. 236.
35
In Anlehnung an ein Tafelbild von Johannes Ludwig aus dem Seminar
,,Journalistik" während des Sommersemesters 2007 an der HAW.
Verlautbarungs-
journalismus
ungeprüfte Über-
nahme der Fakten
(1:1)
Investigativer
Journalismus
Enthüllung
unbekannter
Fakten
Verifikation
allgemein
zugängliche
Quellen
Quellen
nicht
ohne
Weiteres
nutzbar
Barrieren
gesperrte
Quellen
dokumentarische Recherche

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836612753
DOI
10.3239/9783836612753
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg – Bibliothek und Information, Design, Medien, Information
Erscheinungsdatum
2008 (Mai)
Note
1,7
Schlagworte
deutschland film authentizität produktion vorbereitung recherche spiel verifikation
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Titel: Recherche beim Spielfilm
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