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Literarische Reaktionen auf den 11. September

©2006 Magisterarbeit 115 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der 11. September 2001 stellt ein Ereignis von historischem Ausmaß dar. Auch wenn heute, fünf Jahre danach eine Art Normalität eingekehrt zu sein scheint. Die Arbeiten am Ground Zero sind abgeschlossen und bald wird der „Freedom Tower“ des Architekten Daniel Liebeskind die Skyline New Yorks wieder verfolgständigen und ein neues Symbol des American Way of Life verkörpern. Angesichts des Ausmaßes der Anschläge, scheint es nur all zu leicht nachvollziehbar, dass viele Menschen sich zu diesem Thema äußern wollten, und so kam es in der unmittelbaren Zeit danach zu einer wahren Flut an Veröffentlichungen. Doch welcher Art waren die Veröffentlichungen und mit welcher Intention schrieben die Autoren ihre Werke? Und wie kann sich ihre Intention innerhalb des gewählten Genres etablieren? Diesen Fragen möchte ich im Rahmen meiner Arbeit nachgehen. Bevor ich jedoch den Rahmen für meine weitere Vorgehensweise stecke, möchte ich an dieser Stelle kurz erläutern, welche meine Motive mich dazu bewogen haben, dieses Thema für meine Arbeit zu wählen.
Das Erste Motiv bedarf keiner großen Erklärung, es ist die oben bereits erwähnte Vielfalt an Literatur, welche unmittelbar nach dem 11. September entstanden ist. Einen ersten Überblick gewährte mir ein Hauptseminar, welches sich mit der Darstellung des Fundamentalismus in der englischen Literatur beschäftige. Von diesem Zeitpunkt an waren mein Interesse und meine Neugier geweckt und ließen mich nicht mehr los. Das zweite Motiv ist persönlicher Natur und benötigt daher etwas mehr Raum. Am 11.9.2001 befand ich mich jenseits des großen Teiches in einem kleinen Motel in Kalifornien auf dem Rückweg nach Davis. Ich besuchte dort eine Arbeitskollegin, die ein Semester an der Universität in Davis verbrachte. Wie viele Millionen andere Menschen auch, verfolgte ich die Tragödie life im Fernsehen. Doch im Gegensatz zu einigen Anderen, bekam der Ausdruck etwas “life“ zu erleben für mich eine andere Dimension sobald wir im weiteren Verlauf, kurz nach den Anschlägen mit anderen Menschen ins Gespräch kamen. All diese Fassungslosigkeit, Angst, Sprachlosigkeit und Trauer der in vielen Werken, wie sich auch im Verlauf dieser Arbeit noch darstellt, Ausdruck verliehen wird, konnte ich sprichwörtlich am eigenen Leib erfahren.
Es war eine ganz merkwürdige Stimmung, fast schien es wirklich so, wie oft in diesem Zusammenhang geschildert wird, als wäre die Zeit stehen geblieben. Alles schien unter Spannung in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Eva Baches
Literarische Reaktionen auf den 11. September
ISBN: 978-3-8366-0702-5
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland, Magisterarbeit,
2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I.
EINLEITUNG ...1
II.
"THE CLASH OF CIVILIZATIONS"
9/11 IM KONTEXT VON POLITIK UND RELIGION ...7
II.
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III. DIE TRAUMFABRIK UND TERRORISMUS, THEATERSTÜCKE IM
RAHMEN DES 11. SEPTEMBERS...45
III.
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III.
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IV.
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COMICS UND KARIKATUREN ÜBER DEN 11. SEPTEMBER...77
IV.
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DER RICHTIGE TON, SONGTEXTE ZUM 11. 9. 2001...99
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" ...104
VI.
SCHLUSSBEMERKUNG...109
VII. LITERTURVERZEICHNISS ...115
VIII. BILDERVERZEICHNIS ...119


Literarische Reaktionen auf den 11. September
1
I.
Einleitung
Der 11. September 2001 stellt ein Ereignis von historischem Ausmaß dar. Auch wenn
heute, fünf Jahre danach eine Art Normalität eingekehrt zu sein scheint. Die Arbeiten
am Ground Zero sind abgeschlossen und bald wird der ,,Freedom Tower" des Architek-
ten Daniel Liebeskind die Skyline New Yorks wieder verfolgständigen und ein neues
Symbol des American Way of Life verkörpern. Angesichts des Ausmaßes der Anschlä-
ge, scheint es nur all zu leicht nachvollziehbar, dass viele Menschen sich zu diesem
Thema äußern wollten, und so kam es in der unmittelbaren Zeit danach zu einer wahren
Flut an Veröffentlichungen. Doch welcher Art waren die Veröffentlichungen und mit
welcher Intention schrieben die Autoren ihre Werke? Und wie kann sich ihre Intention
innerhalb des gewählten Genres etablieren? Diesen Fragen möchte ich im Rahmen mei-
ner Arbeit nachgehen. Bevor ich jedoch den Rahmen für meine weitere Vorgehensweise
stecke, möchte ich an dieser Stelle kurz erläutern, welche meine Motive mich dazu be-
wogen haben, dieses Thema für meine Arbeit zu wählen. Das Erste Motiv bedarf keiner
großen Erklärung, es ist die oben bereits erwähnte Vielfalt an Literatur, welche unmit-
telbar nach dem 11. September entstanden ist. Einen ersten Überblick gewährte mir ein
Hauptseminar, welches sich mit der Darstellung des Fundamentalismus in der engli-
schen Literatur beschäftige. Von diesem Zeitpunkt an waren mein Interesse und meine
Neugier geweckt und ließen mich nicht mehr los. Das zweite Motiv ist persönlicher Na-
tur und benötigt daher etwas mehr Raum. Am 11.9.2001 befand ich mich jenseits des
großen Teiches in einem kleinen Motel in Kalifornien auf dem Rückweg nach Davis.
Ich besuchte dort eine Arbeitskollegin, die ein Semester an der Universität in Davis ver-
brachte. Wie viele Millionen andere Menschen auch, verfolgte ich die Tragödie life im
Fernsehen. Doch im Gegensatz zu einigen Anderen, bekam der Ausdruck etwas "life"
zu erleben für mich eine andere Dimension sobald wir im weiteren Verlauf, kurz nach
den Anschlägen mit anderen Menschen ins Gespräch kamen. All diese Fassungslosig-
keit, Angst, Sprachlosigkeit und Trauer der in vielen Werken, wie sich auch im Verlauf
dieser Arbeit noch darstellt, Ausdruck verliehen wird, konnte ich sprichwörtlich am
eigenen Leib erfahren.
Es war eine ganz merkwürdige Stimmung, fast schien es wirklich so, wie oft in diesem
Zusammenhang geschildert wird, als wäre die Zeit stehen geblieben. Alles schien unter

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2
Spannung in angstvoller Erwartung, was wohl als nächstes kommen würde. Man redete
miteinander und hing an den Lippen der Nachrichtensprecher, um die neuesten
Entwicklungen zu erfahren. Auch ich empfand Angst und gleichzeitig Mitgefühl für die
Zahlreichen Opfer. Jedes Mal, wenn ich diese Bilder wieder sehe, keimen diese Gefühle
wieder in mir auf und ich fühle mich zurückversetzt. So fließt in diese Arbeit auch wirk-
lich ein Teil meiner Persönlichkeit ein und dies war mir im Bezug auf die Themenwahl
sehr wichtig.
Für die Erarbeitung der Thematik habe ich folgende Einteilung getroffen. Im ersten Ka-
pitel möchte ich, da die Anschläge auch eine weit reichende politische Diskussion aus-
lösten, zwei Werke behandeln die sich aus verschiedenen Perspektiven dieser Diskussi-
on widmen. Den Anfang macht Samuel P. Huntington mit seinem Aufsatz ,,The Clash
of Civilizations?", welcher 1993 in der Zeitschrift ,,Forreign Affairs" veröffentlicht
wurde. Drei Jahre später, erweiterte Samuel Huntington seinen Aufsatz zu einem Buch
mit gleichnamigem Titel. Innerhalb seiner Arbeit konzentriert sich Huntington primär
auf die Rolle der Westlichen Staaten. Diese haben bisher eine unangefochtene Vor-
machtsstellung genossen, da sie bislang, wenn man so will, keine natürlichen Feinde
hatten. Doch diese Zeiten sind, wie Huntington anhand des Beispiels seines Islamisch-
Konfuzianischen Zusammenschluss darstellt, vorbei. Samuel P. Huntington sieht diese
Staaten auf dem Vormarsch den Westen von seinem Sockel zu stoßen. Der Westen ist
angreifbar geworden und Huntington zeichnet eine absteigende Tendenz. Aber eine
Chance hat er noch: Er darf an seiner Vormachtsstellung nicht länger krampfhaft fest-
halten, sondern er soll diese Position zugunsten von Multikulturalität und Multipolarität
aufgeben. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Betrachtung der zukünftig aufkommenden
Konflikte. Diese spielen sich nach Huntington nicht mehr innerhalb der einzelnen Kul-
turkreise ab sondern zwischen ihnen und werden die globale Politik beeinflussen. Wie
ich innerhalb der Bearbeitung des Aufsatzes auch herausstellen werde, haben diese The-
sen einige Kritiker auf den Plan gerufen, gerade was den Begriff der Kulturkreise und
seine Definition angeht.
Doch darüber hinaus ergeben sich in den Äußerungen Huntingtons, wie ich noch aus-
führen möchte, Eckpunkte die in ihrer prognostischen Kraft auch zehn Jahre später noch
Relevanz beweisen. Darin liegt, neben der politischen Thematik, für mich auch der
Hauptgrund diesen Text für meine Ausführungen zu wählen.

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Den zweiten Text mit politischem Hintergrund liefert der Sprachtheoretiker und Be-
gründer der generativen Transformationsgrammatik Noam Chomsky. Anders als sein
Vorgänger legt er den Focus seiner Betrachtung auf ein spezielles Ziel. Dieses Zielob-
jekt heißt die Vereinigten Staaten von Amerika. Ganz im Speziellen hat er es auf die
Außenpolitik abgesehen. Seine Hauptthese ist, dass die Vereinigten Staaten von Ameri-
ka aufgrund ihrer militärischen Interventionen ein Terroristischer Staat sind. Hauptsäch-
lich darin sieht er auch die Anschläge des 11. Septembers begründet. Diese These belegt
er anhand von zahlreichen Beispielen, unter anderem von Regierungsdokumenten und
Berichten von namhaften Zeitungen und Organisationen. Besonders hebt er dabei die
Intervention in Afghanistan und die Zerstörung der Medikamentenfabrik ,,Al-Shifa" im
Sudan hervor. Einen weiteren zentralen Punkt widmet Chomsky der Definition des Beg-
riffs Terrorismus. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Vereinigten Staaten selbst
zu bestimmen scheinen wer Terrorismus verübt und wer nicht, denn es sind alle Aktio-
nen als Terroristisch zu werten, die sich gegen die Vereinigten Staaten selbst und ihre
Verbündeten richten. Diese These belegt Chomsky anhand der Definition des Begriffs,
wie er im amerikanischen Strafgesetzbuch zu finden ist. Er widmet sich im Rahmen
dessen einer genauen Betrachtung des Begriffs und kann dabei seine Herkunft aus der
Linguistik nicht verleugnen. Abschließend gibt auch er den Hinweis, Umsicht walten zu
lassen und den gefährlichen Alleingang nicht weiter fortzusetzen.
Im zweiten Kapitel wende ich mich dann von den Sachtexten ab und zunächst dem The-
ater zu. Drei Punkte möchte ich dabei berücksichtigen: 1. Wie bringt man ein Stückt mit
solch ernsten Hintergrund auf die Bühne? 2. Wie bringt man Menschen dazu sich ein
solches Stück anzusehen? Der 3. Punkt liegt in der Besonderheit, dass der hier vorlie-
gende Text in doppelter Weise vorliegt, einmal auf der Bühne und einmal im Text
selbst.
Die beiden Autoren Anne Nelson und Neil la Bute wählen dabei für ihre Stücke zwei
verschiedene Blickwinkel. Anne Nelsons Bearbeitung ,,The Guys" entstand aufgrund
einer wahren Begegnung innerhalb ihrer Verwandtschaft. Dort lernt sie durch einen
Freund ihrer Schwester den Chef einer New Yorker Feuerwache kennen, welcher auf
den Trauerfeiern der verstorbenen Kameraden zu den Hinterbliebenen sprechen soll.
Doch er kann nicht die richtigen Worte finden. So helfen sie und ihr Schwager, eben-
falls Schriftsteller, ihm die Nachrufe zu verfassen. Einige Zeit später lernt sie auf einem

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Bankett den Ehemann von Sigourney Weaver kennen, der ein Stück für sein kleines
Theater sucht, sie kommen ins Gespräch und Anne Nelson erzählt ihm von den Nachru-
fen. Sie planen dies in ein Stück umzusetzen und am 4. Dezember findet dann die Pre-
miere statt. Nelson erzählt so innerhalb ihres Stückes die Geschichte des Captain Nick.
Dies tut sie auf einer sehr gefühlvollen Ebene. Dabei steht nicht der Heldenepos der
Feuerwehrmänner im Vordergrund, sondern der Mensch. Sie möchte ihren Zuschauern
ein neues Bild ihrer Helden vermitteln. Für alle waren sie unumstritten die Helden in
dieser dunklen Zeit. Doch in diesem Zusammenhang wurde vergessen, das hinter diesen
Helden auch Individuen stecken von deren Leben innerhalb und außerhalb der Feuer-
wache niemand etwas mitbekommt. So auch nicht von ihrer Verzweiflung und Trauer,
die sie angesichts des Terrors empfinden. So dreht sie das Heldenmotiv in ihrem Stück
um und liefert ihrem Publikum ein neues Bild der Feuerwehmänner sowie auch gleich-
zeitig, in der Atmosphäre die durch das Stück aufgebaut ist, einen therapeutischen An-
satz.
,,The Mercy Seat" von Neil la Bute entstand durch eine spontane Eingebung während
eines Fluges. Anders wie Anne Nelson stehen die Anschläge nicht im Vordergrund,
sondern sind Auslöser einer Beziehungskrise seiner beiden Protagonisten Abby und
Ben. Doch die Krise innerhalb der Affäre ist nicht alles. Auf tiefenpsychologischer E-
bene stellt er seine Zuschauer vor die Frage, was würden sie tun wenn sie plötzlich
durch eine Katastrophe die Chance auf ein neues Leben bekommen würden? Ben muss
eine Entscheidung treffen zwischen seiner Familie und seiner Affäre und Neil la Bute
lässt die Zuschauer auch über das Ende des Stückes hinaus im Unklaren wie Ben sich
entscheiden wird.
Im dritten Kapitel wende ich mich der Welt der Comics zu und betrachte im Rahmen
dessen den Comicband des Künstlers Art Spiegelmann ,,In the Shadow of No Towers".
Vorherrschend bei der Wahl des Genres war für mich die Frage: Darf man im Angesicht
einer solchen Tragödie überhaupt lachen? Art Spiegelmann bot mit seinem Band ein
ideales Beispiel. Denn wie ich noch näher erläutern werde, ist ,,In the Shadow of No
Towers" kein herkömmlicher Comic wie man sie von Disney oder anderen Veröffentli-
chungen her kennt. Art Spiegelmanns Arbeite steht in der Tradition des so genannten
Undergoundcomics. Dieses Genre steht nicht für die gezeichneten Helden, wie zum
Beispiel Superman oder Batman. Es will seine Leser nicht bloß unterhalten, sondern

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fordern und es äußert Kritik an bestehenden Institutionen oder Ereignissen, wie zum
Beispiel Politik oder den Vietnamkrieg. So erzählt Art Spiegelmann in diesem Band
primär seine persönliche Geschichte des 11. Septembers 2001 mit Rückbezügen auf
seine eigene Vergangenheit in Gestallt seiner früheren Arbeit ,,Maus" in der er die Ge-
schichte seiner Eltern in Auschwitz verarbeitet. Aber im weiteren Verlauf äußert er auch
Kritik an seiner Regierung und an seinen Mitbürgern, denen er vorwirft, ihre Verant-
wortung als amerikanischer Staatsbürger nicht wahrzunehmen.
Im vierten und letzten Kapitel untersuche ich zunächst die Rolle der Musik und ihre
Wirkungsweise als therapeutisches Mittel zur Verarbeitung von Traumata, wie sie sol-
che Katastrophen beim Menschen hervorrufen können. Aber da wie schon an anderer
Stelle geäußert, die Anschläge auch politischen Einfluss hatten, werde ich auch auf die
Frage eingehen inwiefern Musik auch politisch sein und genutzt werden kann. Ab-
schließend werde ich dann noch anhand des Songtextes ,,The Rising" aus dem gleich-
namigen Konzeptalbum von Bruce Springsteen zeigen wie der Künstler auf den 11.
September eingeht.

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7
,,A great civilization is not conquered from without until it has
destroyed itself within."
(Will Durant)
II. "The Clash of Civilizations" 9/11 im Kontext von Politik und
Religion
II.a. Samuel P. Huntington ,,The Clash of Civilizations"
Im Rahmen der diversen Diskussionen zu den Ereignissen des 11.09.2001 ist immer
wieder vom ,,Kampf der Kulturen" die Rede. Doch was ist der Hintergrund dieses
Schlagwortes? Zunächst ist es der Titel eines Aufsatzes und eines Buches, welche 1993
und 1996 von Samuel P. Huntington, Professor für Politikwissenschaft an der Harvard
Universität, veröffentlicht wurden.
In diesen Publikationen entwirft er anhand von verschiedenen Hypothesen, ausgedehn-
ten Beispielen und Szenarien, die ich im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch näher
darlegen werde, eine Art Utopie, die Möglichkeiten aufzeigen soll in einer ,,neuen
Welt" zurecht zu kommen.
Es ist die Welt, wie sie sich nach dem Ende des Kalten Krieges für die Menschheit dar-
stellt, als Folge dessen nun ein Wechsel von einer klaren Bipolarität zwischen Ost und
West zu einer Multipolarisierung des Globus zu verzeichnen ist.
Damit ist die eine klare Grenze aufgehoben und es entstehen viele neue, die wie Hun-
tington anführt, mitunter sehr schwammig und nicht genau zu definieren sind. Dies bil-
det den Hintergrund, vor dem der Politikwissenschaftler seine Darstellungen platziert.
Mit seiner düsteren Prognose vom ,,Kampf der Kulturen" diskutiert Huntington Prob-
lemstellungen, wie sie nicht nur nach Beendigung des Kalten Krieges auftauchten, son-
dern ebenfalls nach den Anschlägen von 11.09.2001. Auch jetzt muss sich die Mensch-
heit die Frage stellen: Wo stehen wir? Ist der Wunsch nach einer multikulturellen Ge-
sellschaft überhaupt realistisch? Oder waren die Anschläge ein Zeichen, das es be-
stimmte Knackpunkte zwischen den einzelnen Kulturen gibt, die nicht zu überwinden

Literarische Reaktionen auf den 11. September
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sind? Richard Sturm, Professor für Finanzwissenschaft und Öffentliche Wirtschaft in
Graz, sieht in seiner Abhandlung ebenfalls die Frage nach der Definition des individuel-
len Standpunktes. Er sieht einen Wechsel der Fragen von ,,Auf wessen Seite stehst du?"
zu ,,Wer bist du?".
1
In diesem Zusammenhang ist vor allem die aktuelle und zukünftige Rolle der westli-
chen Staaten von Bedeutung. An diesem Punkt stellen sich folgende Fragen: Waren die
Attentate ein Resultat der seit Jahrhunderten andauernden Vormachtstellung und mögli-
cherweise Diktatur des Westens? Ist die Politik, welche die westlichen Staaten, vor al-
lem die Vereinigten Staaten von Amerika praktiziert haben immer angemessen? Oder
wäre es vielleicht günstiger gewesen nicht jedem Kulturkreis, der nicht aus welchen
Gründen auch immer die westliche Lebensweise, den American Way of Life, anwendet
diese Ideale aufzuzwingen?
Für die Vereinigten Staaten als Einwanderungsland gilt dies auch auf eigenem Territo-
rium. Denn hier ist die Administration besonders gefordert, die unterschiedlichen Kultu-
ren unter einen Hut zu bekommen und deutlich zu machen was mit ,,ET Pluribus U-
num"
2
gemeint ist.
Aus diesen Überlegungen, sowie der Aktualität der Thematik die sich für mich daraus
ergibt und den Antworten Huntingtons darauf, resultiert die Relevanz der Werke für die
Erarbeitung meiner Thematik. Zudem möchte ich feststellen, dass sich nach meiner
Meinung daraus folgern lässt, dass es das Ziel Huntingtons ist, der handelnden Politik
als Wegweiser zu dienen und durch seine Lösungsansätze Hilfestellung zu geben.
Gleichzeitig ist sein Aufsatz durch seine düstere Färbung als eine Warnung zu sehen.
Auch Katrin Simbandel äußert in ihrem Aufsatz ein gewisses ,,Unwohlsein" bei der
Lektüre Huntingtons empfunden zu haben. Der Politikwissenschaftler appelliere stark
an die Gefühlsebene seiner Leser.
3
Damit stelle ich mich der Diskussion über den wis-
senschaftlichen Wert der Arbeit entgegen und vertrete die Auffassung, dass es müßig
1
Vgl. Sturm, Richard ,,Globalisierung und kultureller Konflikt aus ökonomischer Sicht" in Morke, Moni-
ka (Hrsg.) ,,Imaginierte Kulturen-reale Kämpfe Annotationen zu Huntingtons Kampf der Kulturen" No-
mos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2000. Seite 100.
2
,,Aus vielem mach Eins", Anm. der Autorin dieser Arbeit.
3
Vgl. Simbandel, Katrin ,,The Clash of Civilizations, Das Buch und die Debatte" in Morke, Monika
(Hrsg.) ,,Imaginierte Kulturen-reale Kämpfe Annotationen zu Huntingtons Kampf der Kulturen" Nomos
Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2000. Seite 15.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
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ist, ein Werk wissenschaftlich verstehen zu wollen, welches wie der Verfasser selbst
postuliert, als Ratgeber und Wegweiser verstanden und gelesen werden will.
Huntington versteht seine Arbeit nicht als ein sozialwissenschaftliches Werk, sondern es
sei ein Gerüst für die Betrachtung globaler Politik, welches für Wissenschaftler gehalt-
voll und für die Politik nützlich ist.
4
Aus diesem Grund, bin ich auch nicht der Auffassung, dass die Arbeit so flach und ba-
nal zu sehen ist wie es in der Kritik immer wieder geäußert wird. Meiner Ansicht nach
zeigen sich in jedem Abschnitt gewisse Eckpunkte, die wie ich bereits oben angeführt
habe dazu führen, dass der ,,Kampf der Kulturen" auch dreizehn Jahre nach seiner Ver-
öffentlichung nichts an Aktualität einbüßt hat. Es ergeben sich gewisse Faktoren, die
aus heutiger Sicht gefährlich nah an die Realität heranragen, wie zum Beispiel die Glo-
balisierungsdebatte oder der Irankonflikt oder die Lage in Afghanistan. Als weiteres
Beispiel möchte ich noch die Diskussion des Werkes als ,,Self-fulfilling Prophecy" an-
führen, die besagt, dass Huntington durch seine Thesen, Nationen dazu ermutigen könn-
ten, Konflikte zu schüren.
5
So gebe ich zu Bedenken, dass diese Diskussion nicht auf-
kommen würde, wenn nicht wenigstens ein Fünkchen Wahrheit in den Thesen Hunting-
tons läge.
Die folgenden Punkte möchte ich der genaueren Betrachtung des Textes und seiner Kri-
tik voraus schicken, da sie nach meiner Auffassung die Essentials des Aufsatzes darstel-
len, sowie die Thesen welche in der Kritik am häufigsten diskutiert werden. Darüber
hinaus sollen sie als roter Faden für die nähere Untersuchung des Textes dienen.
1. Die zukünftigen Konflikte werden nicht mehr innerhalb von Kulturkreisen aus-
getragen, sondern zwischen ihnen. Sie werden die globale Politik dominieren.
2. Diese Konflikte werden Bruchlinien Konflikte sein.
3. Die Vormachtsstellung des Westens ist angreifbar geworden und der Westen be-
findet sich in einer absteigenden Tendenz. Es gibt andere Staaten, die den Wes-
4
Vgl. Stachel, Peter ,,Um Gottes Willen, ich sage nicht, daß es so kommt; zu Definitionen und Prognos-
tik" in Morke, Monika (Hrsg.) ,,Imaginierte Kulturen-reale Kämpfe Annotationen zu Huntingtons Kampf
der Kulturen" Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2000. Seite 50. Weiter zitiert als Stachel, Peter
,,Um Gottes Willen, ich sage nicht, daß es so kommt".
5
Vgl. Metzinger, Udo ,,Die Huntington Debatte, Die Auseinadersetzung mit Huntingtons ,,Clash of Civi-
lizations"" in der Publizistik in ,,Kölner Arbeiten zur Internationalen Politik", (Hrsg.) Jäger, Thomas et
ali, Band 13. SH-Verlag GmbH Köln 2000. Seite 78.

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10
ten Ablösen werden. Entweder allein (China) oder in einer Koalition (Islamisch-
Konfuzianischer Zusammenschluss).
4. Der Westen soll seine Vormachtsstellung zu Gunsten von Multikulturalität und
Multipolarität aufgeben.
Die zukünftigen Konflikte und deren Ursachen
Huntington leitet seine Hauptthese mit einem Seitenhieb auf seine Konkurrenten ein,
die ein Ende der Geschichte
6
oder die Rückkehr traditioneller Rivalitäten zwischen Na-
tionalstaaten postulieren. Doch dies geht Huntington nicht weit genug. Nach seiner Auf-
fassung lassen alle anderen einen wichtigen Aspekt außer Acht: den Kulturellen. So
sieht der Harvard Professor in der Kultur die fundamentale und zentrale Quelle zukünf-
tiger Konflikte.
It is my hypothesis that the fundamental source of conflict in this new world will not
be primarily ideological or primarily economic. The great divisions among human-
kind and the dominating source of conflict will be cultural.
7
Des Weiteren führt er in seiner Hauptthese an, dass die Nationalstaaten die einfluss-
reichsten Akteure im Weltgeschehen bleiben werden, aber die grundlegenden Konflikte
sieht Huntington zwischen Nationen und Gruppen verschiedener Zivilisationen. Diese
Konflikte werden auch die globale Politik dominieren. Er sieht die Bruchlinien zwi-
schen den Zivilisationen als die künftigen Fronten:
Nation states will remain the most powerful actors in world affairs, but the principal
conflicts of global politics will occur between nations and groups of different civiliza-
tions. The clash of civilizations will dominate global politics. The fault lines between
civilizations will be the battle lines of the future.
8
6
Bezug auf Francis Fukuyama ,,The End of History"
7
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 22.
8
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 22.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
11
In den nächsten beiden Abschnitten definiert der Politikwissenschaftler zunächst seine
Auffassung von "Civilizations" bevor er dann dazu übergeht zu erläutern, warum ,,sei-
ne"
9
Zivilisationen zwangläufig dazu verurteilt sind zu kollidieren.
Allen voran schickt er die Feststellung, dass während des Kalten Krieges die Welt auf-
geteilt war in erster, zweiter und dritter Welt. Diese Aufteilung ist nun nicht länger rele-
vant, denn wie Huntington schon am Anfang betont, woher auch meine Hypothese der
zeitlichen Einordnung nach dem Kalten Krieg rührt, steht die Welt am Anfang einer
neuen Phase.
10
Diese Differenzierung ist nun einer Differenzierung zwischen Kultur
und Zivilisation gewichen.
11
Eine Zivilisation ist nach Huntington, der höchste kulturelle Zusammenschluss von
Menschen und die allgemeinste Stufe kultureller Identität, die Menschen gemein haben
und die sie von anderen Spezies unterscheidet. Sie definiert sich durch gemeinsame ob-
jektive Elemente wie Sprache, Geschichte, Religion, Brauchtum, Institutionen und
durch die subjektive Selbstidentifikation der Menschen.
A civilization is the highest cultural grouping of people and the broadest level of cul-
tural identity people have short of that distinguishes humans from other species. It is
defined both by common objective elements, such as language, history, religion, cus-
toms, institutions, and by the subjective self-identification of people.
12
An diesem Punkt stellt sich die Frage, kann man einen Begriff, der so weit gefasst ist
wie Zivilisation überhaupt so eng und genau definieren und eingrenzen, wie es Hunting-
ton praktiziert? Nach meiner Auffassung ist dies nicht möglich. Zwar gibt es, und hier
muss ich Huntington zustimmen, gewisse Eckpfeiler die eine Nation auszeichnen, wor-
unter ich auch Religion und Brauchtum zähle, und nicht zu vergessen die allseits belieb-
ten Klischees wie zum Beispiel das Bier und die Lederhosen für Deutschland oder die
Burger und der Patriotismus für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Jedoch möchte ich zu bedenken geben, dass im Zeitalter der Globalisierung Angehörige
aller Nationen in der Lage sind miteinander in Kontakt zu treten, wenn sie es wünschen.
9
,,Seine", weil, wie sich im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch zeigen wird, diese Definition sehr ei-
genwillig ist und demzufolge auch häufig kritisiert wurde. Anm. der Autorin dieser Arbeit.
10
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 22ff.
11
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 23.
12
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 24.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
12
Somit kommt es gerade in dem Fall wenn man sich zu einer Emigration entschließt da-
zu, dass sich unterschiedliche Völker vermischen und man somit die Lebensweise der
anderen Kultur übernimmt.
Meiner Meinung nach ist dies sogar ein wichtiger Punkt den man bedenken sollte, wenn
man emigriert. Bin ich überhaupt bereit gewisse Verhaltensweisen abzulegen, um mich
meiner neuen Heimat anzupassen? Oder hänge ich doch noch zu sehr an meinen alten
Gewohnheiten? Sind sie mir doch zu wichtig?
Damit möchte ich nicht aussagen, dass man wenn man sich entschließt in ein anderes
Land zu emigrieren, seine Kultur aufgeben soll. Man sollte nur bereit sein, die Gepflo-
genheiten des neuen Heimatlandes in sein Leben zu integrieren und aus dem alten und
dem neuen im Idealfall, sein neues Leben aufzubauen. Menschen verändern sich und
somit auch ihre Kultur und deshalb kann man auch diesen Begriff nicht in eine solch
starre Form pressen.
Dies ist auch der Tenor der Kritiker Huntigtons. So gibt Peter Stachel in seinem Aufsatz
vor allem zwei Aspekte hinsichtlich Huntingtons Definition zu bedenken. Zum einen ist
für ihn die größte Einheit, der sich Menschen zugehörig fühlen der Staat und nicht wie
für Huntington der Kulturkreis, zum anderen wirft er Huntigton die Identifikation der
Kulturkreise mit Religion vor. Eine solche Definition von Kultur, die hauptsächlich auf
Religion als Träger basiert, ist für ihn reduktionistisch und bleibt hinter der Forschung
der Kulturwissenschaft zurück.
13
Foad Ajami in ,,The Summoning" argumentiert, dass Kulturkreise und Individuen nicht
geradlinig sind. Huntington begradige die Definition der Kulturkreise.
The crooked and meandering alleyways of the world are straightened out. With a
sharp pencil and a steady hand Huntington marks out where one civilization ends
and the wilderness of "the other" begins.
14
Zudem merkt Ajami die Schlagkraft der Modernität an, welche für ihn eine große Rolle
im Bezug auf Veränderungen innerhalb der Kulturkreise nach der Starre des Kalten
Krieges spielt.
15
Huntington jedoch, so Ajami übersieht dieses Faktum in seiner Be-
trachtung. Besonders hervorgehoben sieht er die unumstößliche Wirkung von Moderni-
13
Vgl. Stachel, Peter ,,Um Gottes Willen, ich sage nicht, daß es so kommt". Seite 51.
14
Vgl. Ajami, Foad ,,The Summoning" in Foreign Affairs, September/October 1993, Vol. 72, No. 4. Sei-
te 2.
15
Vgl. Ajami, Foad ,,The Summoning" in Foreign Affairs, September/October 1993, Vol. 72, No. 4. Sei-
te 2.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
13
tät und Säkularität, wenn sie durch Aufbegehren gegen große Widerstände erlangt wur-
den.
16
Für Mehrzad Boroujerdi steht nicht die Kritik an den wohl gefeilten Definitionen von
Kulturkreisen im Mittelpunkt, sondern für sie tauchen die schwerwiegenden Fehler erst
in der unwirschen und nachlässigen Betrachtung der intellektuellen und politischen Ge-
schichte nichtwestlicher Staaten auf. Dies untermauert sie in ihrem Beitrag an Hand des
Beispiels Irans. Denn für sie stellt der Iran nicht nur den Archetypen eines Islamischen
Staates dar, wie sich ihn der Westen vorstellt, sondern auch einer der Staaten in der drit-
ten Welt, der sehr vernehmlich nach politischer Unabhängigkeit und kultureller Authen-
zität verlangt.
17
Den Hauptgrund für einen Zusammenprall der Kulturen sieht Huntington in der Tatsa-
che, dass die zivilisatorische Identität zukünftig eine größere Rolle spielen wird.
18
Er
sieht die Welt im Wirkungskreis von sieben oder acht großen Zivilisationen: Westen,
Konfuzianisch, Japanisch, Islam, Hindu, Slawisch-orthodox, Lateinamerika und viel-
leicht Afrika. Die Konflikte werden zukünftig an den kulturellen Bruchlinien, welche
die Zivilisationen von einander trennen ausgetragen.
19
Als Beweis für diese These führt er im Folgenden sechs Gründe an:
1. Unterschiede sind nicht nur real, sondern grundlegend. Zivilisationen sind unter
anderem separiert durch z.B. Sprache, Geschichte, Tradition.
2. Die Welt wird kleiner und der Kontakt mit anderen Kulturen wird wahrscheinli-
cher.
3. Der Prozess ökonomischer Modernisierung und Veränderungen im sozialen Ge-
füge in der ganzen Welt differenzieren die Menschen von ihren alten Idealen.
4. Durch die dominierende Rolle des Westens wird das nationale Bewusstsein der
anderen Länder gestärkt.
16
Vgl. Ajami, Foad ,,The Summoning" in Foreign Affairs, September/October 1993, Vol. 72, No. 4. Sei-
te 3.
17
Vgl. Boroujerdi, Mehrzad ,,Iranian Islam and the Faustian Bargain of Western Modernity" in Journal of
Peace Research, Feb. 1997, Vol. 34, No. 1. Seite1.
18
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 25.
19
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 25.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
14
5. Kulturelle Charakteristika und Unterschiede sind nicht so leicht zu beseitigen,
wie politische und ökonomische.
6. Regionale Ökonomie nimmt zu und wird sich in Zukunft noch steigern und das
nationale Zugehörigkeitsgefühl noch bestärken. Allerdings kann regionaler
Handel nur dann florieren, wenn er in einer gemeinsamen Zivilisation wurzelt.
20
Jeane F. Kirkpatrick bezeichnet die Gruppe von sieben oder acht Staaten, in ihrem Auf-
satz ,,The Modernizing Imperative, Tradition and Change" als eine
(...) strange list.
21
Des Weiteren führt sie an, dass es keinen Grund gibt Latein Amerika vom Westen zu
separieren, da es ebenso wie Nord Amerika ein Kontinent ist, der von Europäern besie-
delt ist und diese auch die europäischen Sprachen, Religionen oder Literatur ins Land
einführten.
22
Die europäische Gemeinschaft beruht auf einer geteilten Basis von europäischer Kultur
und Christentum. Der Erfolg der nordamerikanischen Freihandelszone beruht auf einer
Konvergenz der Kulturen in Mexiko, Kanada und Amerika. Japan hingegen hat Schwie-
rigkeiten eine solche Handelsgemeinschaft zu bilden, da es einen Kulturkreis repräsen-
tiert der sehr eigen ist.
23
Im Gegenzug kann gemeinsame Kultur aber auch vereinfachend wirken wie zwischen
der Republik China und Hong Kong. Auf der Basis von Kultur und Religion gründet
sich auch eine ökonomische Organisation, welche insgesamt zehn nicht arabische mus-
limische Länder vereint.
24
Diese Konzentration der Gemeinsamkeiten auf ethnische und religiöse Definitionen
führt nach Huntington zu einem verstärktem ,,Wir" gegen ,,Sie" Gefühl. Unterschiede in
Kultur und Religion führen zu Differenzen in Politik, deren Spannweite die Menschen-
20
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 25ff.
21
Vgl. Kirkpatrick, Jeane F. ,,The Modernizing Imperative, Tradition and Change" in Foreign Affairs,
September/October 1993, Vol. 72, No. 4. Seite 22.
22
Vgl. Kirkpatrick, Jeane F. ,,The Modernizing Imperative, Tradition and Change" in Foreign Affairs,
September/October 1993, Vol. 72, No. 4. Seite 22.
23
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 28ff.
24
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 28.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
15
rechte, Einwanderung, Handel und Umwelt umfassen kann.
25
Als überaus wichtig er-
achtet der Politikwissenschaftler in diesem Zusammenhang die Bemühungen des Wes-
tens, Demokratie und Liberalismus als Universalwerte zu propagieren, um seine militä-
rische Vormachtsstellung zu behaupten, wodurch Gegenreaktionen anderer Nationen
verursacht werden können. Francis Fukuyama sieht dies in seiner Bearbeitung etwas
kritisch. Er führt an, dass der Liberalismus dem Menschen nicht tief genug geht. In sei-
nem Streben nach Anerkennung, welches, wie Fukuyama anführt, für die weitere Exis-
tenz des Menschen unabdingbar ist, wird der Mensch auf andere Werte zurückgreifen.
Als Beispiele führt Fukuyama unter anderem die Werte an, welche von den traditionel-
len Religionen propagiert werden. Kann der Mensch nicht tiefer greifen, stößt er an sei-
ne Grenzen und kann nach nichts mehr streben und wird am Ende aufhören zu existie-
ren.
26
Der Zusammenstoß ereignet sich auf zwei Ebenen: der Mikro und der Makro-Ebene.
Auf der Mikro-Ebene bekämpfen sich benachbarte Gruppen entlang ihrer Bruchlinien
aufgrund von territorialen Streitigkeiten oder Kompetenzstreitigkeiten. Auf der Makro-
Ebene kämpfen Staaten verschiedener Kulturkreise um die militärische und ökonomi-
sche Vorherrschaft und kämpfen um die Kontrolle internationaler Institutionen und drit-
ter Parteien. In einem Wettkampf propagieren sie ihre speziellen politischen und religiö-
sen Werte.
27
Bruchlinien, die Fronten der Zukunft und die blutigen Grenzen des Islam?
In diesem Abschnitt seines Kapitels beschreibt Samuel P. Huntington zunächst in einer
Art kleiner Geschichte der Trennungslinien, seinen ,,Kriegsschauplatz", die Bruchlinien.
Seiner Ansicht nach, ersetzen sie nun die politischen und ideologischen Grenzen des
Kalten Krieges als Brennpunkte für Krisen und Blutvergießen:
25
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?", in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29.
26
Vgl. Fukuyama, Francis "Das Ende der Geschichte". Kindler Verlag München GmbH. 1992. Seite
407ff.
27
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?", in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
16
The fault lines between civilizations are replacing the political and ideological
boundaries of the Cold War as the flash points for crisis and bloodshed.
28
John Gray sieht in dieser These ein gravierendes Missverständnis der gegenwärtigen
Situation Huntingtons und Fukuyamas. Als Folge entsteht eine falsche Diagnose einer
möglichen Tragödie, sowie der Chancen auf Kooperation, die nach Gray die aktuellen
Umstände beinhalten.
29
Zur Zeit des Kalten Krieges war es der ,,Eiserne Vorhang", wel-
cher Europa ideologisch und politisch separierte. In der Nachfolgezeit tauchte die kultu-
relle Separierung in Form des westlichen Christentums auf der einen Seite und dem Or-
thodoxen Glauben und dem Islam auf der anderen wieder auf.
30
Die signifikanteste
Trennungslinie jedoch ist, so Huntington, die östliche Grenze des westlichen Christen-
tums im Jahr 1500.
31
Diese Grenze sorgte für eine Teilung von Nord und West und Ost
und Süd. Die Menschen nördlich und westlich der Grenze sind protestantisch und
katholisch, und haben so scheint es nach den Formulierungen Huntingtons, das große
Los gezogen. Ihnen liegen die gemeinsame Erfahrung wichtiger historischer Ereignisse
und Epochen zugrunde, wie beispielsweise die Reformation, die Französische
Revolution oder die Industrielle Revolution.
32
Außerdem sind sie im Allgemeinen
ökonomisch besser gestellt als ihre östlichen Nachbarn und sind involviert in einer
gemeinsamen europäischen Ökonomie und der Konsolidierung demokratischer
politischer Systeme. Auf der östlichen Seite der Linie sind die Menschen entweder
Orthodox oder muslimischen Glaubens. Sie gehörten dem Ottomanischen oder dem
Tsarist Reich an und waren nur leicht beeinflusst durch die Ereignisse in Europa. Sie
sind ökonomisch nicht soweit fortgeschritten und werden somit auch nicht so leicht in
der Lage sein ein stabiles demokratisches System aufzubauen.
33
28
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29.
29
Vgl. Gray, John ,,Global Utopias and clashing civilizations" in Royal Institute of International Affairs,
January 1998, Vol. 74. Seite 156.
30
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29ff.
31
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 30ff.
32
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29ff.
33
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 29ff.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
17
Aus der ideologischen Trennungslinie des Eisernen Vorhangs ist der ,,Samtene Vor-
hang" der Kultur geworden, der Europa nun trennt. Diese Grenze, so betont Huntington,
ist nicht nur eine Grenze die differenziert, sondern auch eine Grenze blutiger Konflikte.
Allerdings drängt sich hier nach meiner Auffassung eine Begriffskontroverse auf. Wie
kann etwas so konstantes und machtvolles wie Kultur, welche ja hauptverantwortlich
für zukünftige blutige Konflikte ist, plötzlich einen ,,Samtenen Vorhang" ziehen? Aus
meiner Sicht schwächt Huntington mit dieser Aussage seine Argumentation. Im Ver-
gleich mit dem Eisernen Vorhang und der Ideologischen Trennung würde man, wenn
man den Begriff ,,samtener Vorhang" liest eher vermuten, dass nun eine Verbesserung
der Lage folgt, doch was Huntington im folgenden Abschnitt präsentiert, ist eine Abfol-
ge blutiger Auseinandersetzungen wechselseitig zwischen westlichen und islamischen
Nationen.
34
Darüber hinaus ist es schließlich Huntingtons Hauptthese, wie bereits oben
erläutert, dass die Kultur der zukünftige Hauptkonfliktpunkt zwischen den Kulturen
darstellt, somit schwächt er nicht nur die Argumentation dieses Abschnittes, sondern
auch die des gesamten Aufsatzes. Dieses Kapitel endet mit der Äußerung:
Islam has bloody borders.
35
Dieses Fazit ist nach meinem Ermessen fragwürdig, denn wenn man sich das Kapitel
näher betrachtet erkennt man, dass es Erstens zu Beginn der Konflikte ein fast ausgegli-
chenes Verhältnis zwischen dem Westen und dem Islam von Angriff und Verteidigung
gab. Am Anfang nach der Gründung des Islam breiteten sich die Araber und Mauren
nach Westen und Norden aus.
36
Im Gegenzug vom elften bis fünfzehnten Jahrhundert
kamen dann die Kreuzzüge ins Heilige Land, um dort das Christentum einzuführen.
Im vierzehnten Jahrhundert war die Balance wieder hergestellt, indem die Türken das
Ottomanische Reich etablierten und es bis nach Wien ausdehnten.
37
Nach dem zweiten Weltkrieg kam es wieder zu einer Umverteilung der Macht zu Guns-
ten der islamischen Länder. Der Westen war auf dem Rückzug und die Kolonialmächte
verschwanden. Im Gegenzug etablierten sich der Arabische Nationalismus und der Is-
34
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 31.
35
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 35.
36
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 31.
37
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 31.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
18
lamische Fundamentalismus. Der Westen war nun von den Staaten im Persischen Golf
aufgrund der Ölvorkommen abhängig geworden.
38
Zweitens gibt er an einer Stelle sogar dem Westen mit seiner Militärischen Übermacht
die Schuld an den Gegenreaktionen aus dem arabischen Raum. Dies hatte, so Hunting-
ton, zur Folge, dass ein Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber dem eigenen Schicksal
unter der Bevölkerung aufkam und sie fühlten sich durch die Präsenz des Westens zu-
rückgewiesen und bloßgestellt.
39
Bis in die neunziger Jahre hinein gibt es immer wieder
Kriege zwischen westlichen und islamischen Ländern, wie zum Beispiel Frankreich ge-
gen Algerien oder Amerika im Libanon gegen Lybien. Dieses Kriegstreiben gipfelt
schließlich 1990 im Golfkrieg. Dieser wurde durch die Intervention Saddam Husseins
gegen Israel, propagiert durch den Westen hervorgerufen und hatte der militärischen
Intervention des Westens vorausgehend, eine Anti-Westliche Grundstimmung zur Fol-
ge, da es als Widerstand gegen die Allmacht des Westens gewertet wurde.
40
Kishore Mahbubani bezeichnet es als ironisch, dass der Westen den Islam fürchtet,
wenn die Muslime doch täglich an ihre Schwäche erinnert werden. In allen Konflikten
mit dem Westen, so Mahbubani, ist es zu erheblichen Verlusten auf muslimischer Seite,
seien es irakische, bosnische oder palestinänsiche Muslime, gekommen. In dieser Un-
einheit wird es nicht zu einem Zusammenschluss einer Macht kommen.
41
Außerdem hatten viele Arabische Staaten inzwischen einen ökonomischen und sozialen
Status erreicht, der autokratische Systeme überflüssig macht und ein Verlangen nach
Demokratie als vorherrschende Staatsform immer stärker werden lässt. Dies führt nach
Huntington aber wiederum zu einer Verschlechterung der Verhältnisse, da das plötzli-
che Verlangen nach westlichen Lebensweisen den islamitischen Bewegungen Zulauf
verschafft
42
. Dies führt er auch im Kapitel ,,The West Versus The Rest" an:
Western ideas of individualism, liberalism, constitutionalism, human rights, equality,
liberty, the rule of law, democracy, free markets, the separation of church and state,
38
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 31.
39
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 32.
40
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 32.
41
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 12.
42
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 32.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
19
often have little resonance in Islamic, Confucian, Japanese, Hindu, Buddhist or Or-
thodox cultures. Western efforts to propagate such ideas produce instead a reaction
against "human rights imperialism" and a reaffirmation of indigenous values, as can
be seen in the support for religious fundamentalism by the younger generation in
non-Western cultures.
43
Ajami sieht dieses Phänomen nicht als eine Wiederauferstehung des Fundamentalismus,
sondern er bezeichnet es als Zeichen von Unsicherheit, Schuld und Panik, dass die
Grenze der ,,anderen" gekreuzt wurde. Hier besteht eine Mischung aus Anziehungskraft
und Abstoßung, die der Westen ausübt.
44
Ein Problem, das auf einer falschen Überliefe-
rung beruht, welche der Bevölkerung an den Universitäten vermittelt wurde, gegründet
von Menschen, die ihre Ausbildung im Westen genossen haben. Nun unterrichten sie in
ihrer Heimat und ihrer Landessprache, so kommt es nach Huntington zu einer ,,Verwäs-
serung" der Darstellung und zu einer falschen Rezeption und die einschlägigen Gruppen
erhalten Zulauf.
45
Darüber hinaus gibt er mit dem Statement, das auf beiden Seiten der Konflikt als ,,Clash
of Civilizations" betrachtet wird, meiner Meinung nach einen Hinweis darauf, das nicht
nur der islamische Kulturkreis als treibende Kraft zu sehen ist.
46
Auch wenn er nun im
weiteren Verlauf dieses Abschnitts dazu übergeht, weitere negativ Beispiele gegen den
islamischen Kulturkreis darzustellen, um seine These zu untermauern. So treten die
Konflikte an der nördlichen Seite des Islam vorrangig zwischen der Orthodoxen und
muslimischen Bevölkerung auf, als Beispiele führt der Politikwissenschaftler die Gräu-
eltaten in Bosnien und Sarajevo oder die immer wieder aufkeimende Gewalt zwischen
Serben und Albanern an.
47
Aber auch auf dem asiatischen Kontinent gibt es Konflikte
zwischen muslimischer Bevölkerung und Mitgliedern anderer Kulturkreise, gemeint
sind hier die Hinduisten. Dabei spielt in diesem Fall nicht nur die Rivalität zwischen
Indien und Pakistan eine Rolle, sondern auch Auseinandersetzungen religiöser Natur in
43
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 40ff.
44
Vgl. Ajami, Foad ,,The Summoning" in Foreign Affairs, September/October 1993, Vol. 72. No. 4. Seite
3ff.
45
Vgl. Huntington, Samuel P. "Kampf der Kulturen" "Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21 Jahrhun-
dert" 1996
46
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 32.
47
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 33.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
20
Indien selbst zwischen Militanten hinduistischen Gruppen und Indiens muslimischer
Minderheit. Hierbei geht es um die Frage, ob Indien ein säkularer demokratischer Staat
wird oder ein hinduistischer. Auslöser dieser Diskussion, so Huntington, war die die
Zerstörung der Ayodya Moschee im Dezember 1992.
Im Weitern Verlauf geht Huntington noch auf weitere Konflikte des Islam mit Juden in
Israel und Buddhisten in Burma ein. Doch ich möchte diesen fragwürdigen Abschnitt
mit einem erfreulicheren Ausblick von Katrin Simbandel abschließen. Nachdem sie in
ihrer Arbeit vier verschiedene Punkte beleuchtet hat, warum nach ihrer Auffassung der
Islam ein solch schlechtes Image hat, gibt sie am Schluss noch einen wichtigen Impuls,
dass es nicht nur Konfrontation geben muss, sondern dass man ernsthaft bemüht ist mit-
einander in Dialog zu treten. Als Beispiele führt sie die Dialogkonferenz in Wien 1997
an oder die Tatsache, dass auf vielen Dialogebenen (politisch, interreligiös, wissen-
schaftlich) versucht wird, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Die Allmacht des Westens gegen den islamisch-konfuzianischen
Zusammenschluss
Was Huntington in den folgenden zwei Abschnitten seines Aufsatzes darstellt, vor al-
lem in ,,The West Versus The Rest" möchte ich als eine der am Anfang angesprochenen
Eckpunkte bezeichnen, von denen ich der Auffassung bin, dass sie durchaus einen rea-
listischen Kern haben.
In diesem Abschnitt sieht Huntington den Westen an der Spitze seiner Macht anderen
Nationen gegenüber angekommen. Dafür gibt er im Wesentlichen drei Gründe an:
1. Der größte Konkurrent, der Osten, ist verschwunden.
2. Militärisch gesehen gibt es ebenfalls keine ernsthafte Konkurrenz, da es unter
den westlichen Staaten zu keinen militärischen Auseinandersetzungen kommen
wird, außerdem steht die militärische Dominanz des Westens außer Frage.
3. Von Japan abgesehen, gibt es für den Westen ökonomisch keine Herausforde-
rung mehr. Der Westen dominiert international Institutionen der Sicherheit und

Literarische Reaktionen auf den 11. September
21
der Politik (UN Sicherheitsrat). Zusammen mit Japan kontrolliert er auch die in-
ternationale ökonomische Bühne (Internationaler Währungsfond).
48
Hier sind die Rollen klar verteilt. In Fragen der Politik und der Sicherheit regelt ein Di-
rektorat der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich die Ge-
schäfte. Für das finanzielle sind die Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland und
Japan zuständig. Diese Zusammenarbeit funktioniert in einem engen Rahmen unter
Ausschluss anderer, meist nicht-westlicher Staaten.
49
Durch diese Vormachtsstellung im
UN-Sicherheitsrat und dem Internationalen Währungsfond ist der Westen in der Lage in
allen militärischen, politischen und ökonomischen Angelegenheiten die Welt so zu ge-
stallten, dass die Interessen des Westens geschützt werden. Darüber hinaus ist der Wes-
ten in der Lage seine Werte in der Welt entsprechend zu propagieren.
50
Aus dieser Situ-
ation heraus ergeben sich für den Harvard Professor zwei Gründe für Konfliktquellen
zwischen dem Westen und dem Rest. Der eine sind die unterschiedlichen Machtverhält-
nisse zwischen den Staaten und das Bestreben diese auszugleichen oder sogar zu
verbessern und der andere sind natürlich unterschiede in den kulturellen Verhältnissen:
The very notion that there could be a universal civilization is a Western Idea (...)
51
Auch Kishore Mahbubani sieht den Westen als Verantwortlichen, der die Unruhen in
der islamischen und chinesischen Bevölkerung gefördert hat. Der Westen habe keine
Strategie, um mit dem Islam oder China zurecht zu kommen und sei unfähig sich auf
die Veränderungen der Machtverhältnisse in den Kulturkreisen einzustellen.
52
Doch was bleibt den anderen Staaten zu tun? Dafür sieht Samuel P. Huntigton drei Lö-
sungswege vor. Entweder können sie sich, wie Burma und Nord Korea in eine Isolation
begeben um sich vor der Introhnisierung des Westens zu schützen oder als Gegensatz,
die Werte und Institutionen des Westens annehmen. Die dritte Alternative wäre mit der
Entwicklung eigener militärischer Schlagkraft und ökonomischer Stabilität ein Gegen-
48
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 39.
49
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 39.
50
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 40.
50
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 41.
52
Vgl. Mahbubani, Kishore ,,The Dangers of Decadence" in Foreign Affairs, September/October 1993,
Vol. 72. No. 4. Seite 13.

Literarische Reaktionen auf den 11. September
22
gewicht zum Westen zu schaffen und sich zusätzlich noch die Unterstützung anderer
nicht-westlicher Staaten zu sichern und gemeinsam in Kooperation gegen den Westen
zu agieren. Dabei sollen die ursprünglichen Werte und Institutionen bewahrt bleiben.
Man soll modern aber nicht westlich sein.
53
An diesem letzten Punkt kommt der ,,Islamisch-Konfuzianische Zusammenschluss", als
prominenteste solcher Koalitionen, ins Spiel. Dieser Zusammenschluss besteht nämlich
aus den Staaten China, Nordkorea und Iran, die sich zusammengeschlossen haben, um
dem Westen die Stirn zu bieten. Die Begründung warum es gerade diese Staaten sind,
liefert Huntington in den ersten Zeilen des Kapitels. Für ihn gibt es Staaten, für die es
leicht ist, die Grenzen zu überwinden und dem Westen beizutreten, wie zum Beispiel
Lateinamerika oder Ost-Europäische Staaten. Es gibt auf der anderen Seite aber auch
Länder, für die diese Grenze, auf Grund ihrer Kultur und Machtposition in der Welt,
schier unüberwindlich ist, wie die orthodoxen Regionen der ehemaligen Sowjetunion
und ganz besonders für muslimische, konfuzianische, hinduistische und buddhistische
Länder.
54
Da sie dem Westen nicht beitreten können, müssen sie einen anderen Weg
finden, um nicht unterzugehen und dieser ist eigenständig militärische, politische und
ökonomische Macht zu entwickeln und mit anderen nicht-westlichen Staaten zu koope-
rieren.
Als ein Beispiel führt er die Entwicklung auf dem militärischen Gebiet an. Hier stellt
sich die Situation folgendermaßen dar: Die Länder des Westens reduzieren ihr Potenzial
an Waffen, sogar Russland, wohingegen China, Nordkorea und Länder des mittleren
Ostens ihr Waffenpotenzial erheblich aufstocken. Dies geschieht zum einen durch den
Import vom Westen und nicht-westlichen Nationen und durch die Entwicklung der hie-
sigen Waffenindustrie. Diese Entwicklung hat zwei Folgen, die erste ist die Entwick-
lung von ,,Weapon States"
55
und die zweite ist eine neu Definition des Begriffs ,,Rüs-
tungskontrolle" der im Kalten Krieg gebraucht wurde, um eine stabile militärische Ba-
lance zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und ihren Alliierten und der Sow-
jetunion und ihren Alliierten herzustellen. Jetzt allerdings bezeichnet der Begriff eine
53
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 41.
54
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 45.
55
Vgl. Huntington, Samuel P. ,,The Clash of Civilizations?" in Foreign Affairs, Summer 1993, Vol. 72,
No.3. Seite 46.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836607025
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Philosophische Fakultät
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
elfter september motiv künste literatur huntington chomsky comic
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Titel: Literarische Reaktionen auf den 11. September
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