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Der lange Weg zur Demokratie

Die politische Entwicklung Thailands und Indonesiens im Vergleich

©2006 Magisterarbeit 105 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Democratization is a risky enterprise and experiments that begin with transition do not always end in consolidation.“ Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit liegt in der Frage, ob die politischen Systeme, die in Thailand und Indonesien nach der Transition entstanden sind, als konsolidierte Demokratien bezeichnet werden können. Nach Beantwortung dieser Fragen soll festgestellt werden, welche Faktoren zu der Entstehung des jetzigen Systems geführt haben. So ist das Thema dieser Arbeit die vergleichende Analyse der politischen Entwicklung der zwei asiatischen Staaten Thailand und Indonesien. Vergleiche müssen an gewisse logische Voraussetzungen gebunden sein. Es wäre nicht sinnvoll vollkommen gleiche oder vollkommen unterschiedliche Dinge zu vergleichen, da dies zu keinem aussagekräftigen Ergebnis führen würde.
Nur Fälle, die bedeutende Gemeinsamkeiten und gleichzeitig ein ausreichendes Maß an Varianz der Erklärungsvariablen aufweisen sind vergleichbar. Indonesien und Thailand sind aus folgenden Gründen vergleichbare Fälle: Die bedeutende Gemeinsamkeit die sie haben ist, dass sie in den neunziger Jahren demokratisiert wurden. Es gibt jedoch auch ein ausreichendes Maß an Unterschieden. Indonesien entstand aus einer Kolonie und wurde über dreißig Jahre von General Suharto autokratisch regiert. In Thailand hingegen, das nie eine Kolonie war, gab es immer wieder wechselnde zivile und militärische Regierungen. Der in Thailand abgeschlossenen Staats- und Nationsbildungsprozess stellt in Indonesien noch immer ein Problem dar. Außerdem schließt diese Auswahl ein parlamentarisches und ein präsidentielles Regierungssystem ein. Diese bedeutende Gemeinsamkeit und die offensichtlichen Unterschiede machen Thailand und Indonesien vergleichbar.
Diese Arbeit beginnt mit einem theoretischen Teil in dem das Gerüst für die Länderanalyse aufgebaut wird. Dafür müssen die grundlegenden Begriffe dieser Untersuchung definiert werden. Zuerst muss das dieser Arbeit zugrunde liegende Demokratiekonzept vorgestellt werden und die Begriffe Demokratie und defekte Demokratie definiert werden. Anschließend wird der Transformationsprozess mit seinen Phasen der Transition, der Institutionalisierung und der Konsolidierung präsentiert. Im zweiten Teil dieser Untersuchung wird in den Länderanalysen anhand der in dem ersten Kapitel dargestellten Kriterien der Transformationsprozess in Thailand und Indonesien verglichen und das jetzige politische System […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Rabea Volkmann
Der lange Weg zur Demokratie - Die politische Entwicklung Thailands und Indonesiens
im Vergleich
ISBN: 978-3-8366-0382-9
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Münster, Deutschland, Magisterarbeit,
2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

1
Rabea Volkmann
M.A. Politikwissenschaft, Ethnologie, Soziologie
Magisterstudiengang mit dem Hauptfach Politikwissenschaft
und den Nebenfächern Ethnologie und Soziologie an der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abschluss Juli 2006
Seit Oktober 2006 Promotionsstudiengang Politikwissenschaft an der
Graduate School of Politics, Münster.

3
Danksagung
Ich danke Prof. Dr. Paul Kevenhörster und Prof. Dr. Susanne Feske für die
Betreuung meiner Magisterarbeit. Meinen Eltern Ro und Mecki Volkmann
danke ich dafür, dass sie mich immer unterstützt haben und mir in allen
Situation mit Rat und Tat zur Seite standen. Meinen Brüdern Sven und Jesco,
meinen Schwestern Philo und Judith, meinen Schwagern Winny und Manuel,
sowie meinen wunderbaren Neffen und Nichten Joshua, Sophia, Milan, Jounia
und Jamina danke ich dafür, dass ich eine so tolle Familie habe, die mir Halt in
meinem Leben gibt. Meinen Freundinnen Kathrin, Betty, Nele, Mira, Corinna
und Judith danke ich dafür, dass sie mich immer wieder auf den Boden holen
und mich aufbauen wenn ich nicht mehr weiter weiss. Zu guter Letzt möchte
ich Stefan Pfeifer danken, ohne den ich nicht die Person wäre die ich bin, der
mich in allen Lebenslagen unterstützt und der das Glück meines Lebens ist.

5
Inhaltsverzeichnis
Einleitung...7
1. Theoretischer Teil ...9
1.1 Demokratie ...9
1.2 Defekte Demokratie...13
1.2.1 Exklusive Demokratie ...15
1.2.2 Illiberale Demokratie...16
1.2.3 Delegative Demokratie...17
1.2.4 Enklavendemokratie ...18
1.3 Transformationsprozesse ...18
1.3.1 Ablösung des autokratischen Systems ...21
1.3.2 Institutionalisierung der Demokratie...23
1.3.3 Konsolidierung der Demokratie ...25
1.4 Fazit ...29
2. Länderanalyse ...31
2.1 Die Geschichte Thailands und Indonesiens...31
2.1.1 Staats- und Nationsbildung...31
2.1.2 Demokratische Erfahrungen...35
2.1.3 Autokratische Erfahrungen...38
2.1.4 Wirtschaftliche Entwicklung...44
Tabelle 1: jährliches Wirtschaftswachstum in % ...45
2.2 Die Ablösung des autoritären Regimes in Thailand und Indonesien ...46
2.3 Die Institutionalisierung der Demokratie in Thailand und Indonesien...52
2.3.1 Die erste demokratische Wahl...52
2.3.2 Das Parteiensystem...54
2.3.3 Die neue Verfassung ...57
2.3.4 Der Rechtsstaat...62
2.3.5 Die Dezentralisierung des Staates ...65
2.4 Die Konsolidierung der Demokratie in Thailand und Indonesien...67
2.4.1 Die Wahlen bis heute...68
2.4.2 Die heutige Regierung...71
2.4.3 Die zivile Kontrolle des Militärs ...82
2.4.4 Die Zivilgesellschaft und die politische Kultur...84
3. Konklusion...87
3.1 Charakteristika der politischen Systeme...87
3.1.1 Vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und ­kontrolle ...87
3.1.2 Dimension des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates...89
3.1.3 Dimension der Agendakontrolle...90
3.1.4 Einschätzung der politischen Systeme ...91
3.2 Genese der Defekte...92
3.3 Ausblick...94
4. Literaturverzeichnis...97

7
Einleitung
,,Democratization is a risky enterprise and experiments that begin with transi-
tion do not always end in consolidation."
1
Das Erkenntnisinteresse dieser Ar-
beit liegt in der Frage, ob die politischen Systeme
2
, die in Thailand und Indone-
sien nach der Transition entstanden sind, als konsolidierte Demokratien be-
zeichnet werden können. Nach Beantwortung dieser Fragen soll festgestellt
werden, welche Faktoren zu der Entstehung des jetzigen Systems geführt
haben. So ist das Thema dieser Arbeit die vergleichende Analyse der politi-
schen Entwicklung der zwei asiatischen Staaten Thailand und Indonesien. Ver-
gleiche müssen an gewisse logische Voraussetzungen gebunden sein. Es wäre
nicht sinnvoll vollkommen gleiche oder vollkommen unterschiedliche Dinge
zu vergleichen, da dies zu keinem aussagekräftigen Ergebnis führen würde.
Nur Fälle, die bedeutende Gemeinsamkeiten und gleichzeitig ein ausreichendes
Maß an Varianz der Erklärungsvariablen aufweisen sind vergleichbar.
3
Indone-
sien und Thailand sind aus folgenden Gründen vergleichbare Fälle: Die bedeu-
tende Gemeinsamkeit die sie haben ist, dass sie in den neunziger Jahren demo-
kratisiert wurden. Es gibt jedoch auch ein ausreichendes Maß an Unterschie-
den. Indonesien entstand aus einer Kolonie und wurde über dreißig Jahre von
General Suharto autokratisch regiert. In Thailand hingegen, das nie eine Kolo-
nie war, gab es immer wieder wechselnde zivile und militärische Regierungen.
Der in Thailand abgeschlossenen Staats- und Nationsbildungsprozess stellt in
Indonesien noch immer ein Problem dar. Außerdem schließt diese Auswahl ein
parlamentarisches und ein präsidentielles Regierungssystem ein.
4
Diese bedeu-
1
Grugel, Jean 2002: Democratization. A critical Introduction, New York: S.64
2
Ein politisches System/ Regime wird definiert als ,,ensemble of patterns, explicit or not, that
determines the forms and channels of access to principal governmental positions, the character-
ristics of the actors who are admitted and excluded from such access, and the resources or stra-
tegies that that they can use to gain access. This necessarily involves institutionalisation."
O'Donnell, Guillermo (Hrsg.) 1986: Transition from authoritarian rule: prospects for democra-
cy, London/ Hampshire: S.73, zitiert nach Croissant, Aurel 2002: Von der Transition zur de-
fekten Demokratie. Demokratische Entwicklung in den Philippinen, Südkorea und Thailand,
Wiesbaden: S.15
3
vgl. Przeworski, Adam/ Teune, Henry J. 1970: The logic of comparative Social inquiry, New
York: S.10
4
vgl. Sulistiyanto, Priyambudi 2002: Thailand, Indonesia and Burma in Comparative Perspec-
tive, Hampshire: S.5

8
tende Gemeinsamkeit und die offensichtlichen Unterschiede machen Thailand
und Indonesien vergleichbar.
Diese Arbeit beginnt mit einem theoretischen Teil in dem das Gerüst für die
Länderanalyse aufgebaut wird. Dafür müssen die grundlegenden Begriffe die-
ser Untersuchung definiert werden. Zuerst muss das dieser Arbeit zugrunde lie-
gende Demokratiekonzept vorgestellt werden und die Begriffe Demokratie und
defekte Demokratie definiert werden. Anschließend wird der Transformations-
prozess mit seinen Phasen der Transition, der Institutionalisierung und der
Konsolidierung präsentiert. Im zweiten Teil dieser Untersuchung wird in den
Länderanalysen anhand der in dem ersten Kapitel dargestellten Kriterien der
Transformationsprozess in Thailand und Indonesien verglichen und das jetzige
politische System untersucht. Im dritten Teil der Arbeit werden die ersten bei-
den Teile verknüpft, um die Frage zu beantworten, ob die politischen Systeme
in Thailand und Indonesien als konsolidierte Demokratien gelten können. An-
hand eines zusammenfassenden Vergleiches wird anschließend untersucht,
welche Faktoren in den beiden Staaten zu der Entstehung des jetzigen Systems
geführt haben. Abschließend wird ein Ausblick mit den Problemen und Chan-
cen der beiden Staaten gegeben. In diese Arbeit werden Veröffentlichungen bis
zum 05.03.2006 eingeschlossen.

9
1. Theoretischer Teil
,,Jede Demokratieanalyse steht und fällt mit dem zugrunde liegenden Demo-
kratiekonzept."
5
Aus diesem Grund beginnt diese Arbeit mit der Definition des
ihr zugrunde liegenden Demokratiekonzeptes. Nach der Definition von Demo-
kratie wird das Konzept der ,,defekten Demokratie"
6
vorgestellt und anschlie-
ßend wird der Transformationsprozess mit den Phasen der Transition, der Insti-
tutionalisierung und der Konsolidierung präsentiert. Anhand des im Fazit zu-
sammengefassten Konzeptes soll anschließend der Demokratisierungsprozess
in Thailand mit dem in Indonesien verglichen werden.
1.1 Demokratie
Viele Wissenschaftler haben sich mit der Frage beschäftigt, was Demokratie
ist, wie sie entsteht, warum sie entsteht und wie viele Demokratien es heutzuta-
ge auf der Welt gibt. ,,A key element in all these debates is lack of consensus
on the meaning of democracy."
7
Die Definitionen reichen von Minimal- bis
Maximaldefinitionen, wobei sich die meisten Definitionen zwischen diesen
beiden bewegen. Als Minimaldefinition gilt die Definition von Joseph Schum-
peter, die freie und faire Wahlen als einziges definierendes Merkmal einer De-
mokratie angibt.
8
Eine Maximaldefinition der perfekten Demokratie soll hier
nicht erläutert werden, da eine solche nicht existiert. Larry Diamond weist
darauf hin, dass ,,There is not now and never has been in the modern world a
perfect democracy"
9
. Dies bedeutet, dass es notwendig ist, eine andere Defini-
tion, die zwischen der Schumpeterschen Minimaldefinition, die nicht differen-
ziert genug ist und der Definition einer perfekten Demokratie nötig ist, um die
real existierenden Demokratien zu beschreiben. Robert Dahl führte die Be-
5
Merkel, Wolfgang/ Puhle, Hans-Jürgen / Croissant, Aurel / Eicher, Claudia/ Thiery, Peter
2003: Defekte Demokratien. Band 1: Theorie, Opladen: S.40
6
ebd.: S.15
7
Diamond, Larry 1999: Developing Democracy. Towards Consolidation, Baltimore: S.7
8
vgl. Schumpeter, Joseph Alois 1972: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 3. Auflage,
München: S.269
9
Diamond, Larry 1997: The End of the Third Wave and the Global Future of Democracy,
Wien: S.17

10
zeichnung der Polyarchie für die jetzigen Demokratien ein. Eine Polyarchie
muss acht Kriterien erfüllen:
,,1. Freedom to form and join organizations 2. Freedom of expression 3.
Right to vote 4. Eligibility for public office 5.Right of political leaders to
compete for support 5a. Right of political leaders to compete for votes 6.
Alternative sources of information 7. Free and fair elections 8. Institutions
for making government policies depend on votes and other expressions"
10
Anhand dieser Kriterien lassen sich real existierende Demokratien eindeutig
von Autokratien
11
unterscheiden. Es ist jedoch nicht nur wichtig zu definieren,
was Demokratie ist, sondern auch welche Formen der Demokratie es gibt. So
spricht Rainer Tetzlaff von ,blockierten' und ,konsolidierten' Demokratien
12
,
Larry Diamond von ,elektoralen', ,liberalen' und ,Pseudo' Demokratien
13
und
David Collier und Steven Levitsky haben mehr als 550 Subtypen von Demo-
kratie klassifiziert
14
. Ein Demokratiekonzept, das gleichzeitig Demokratie und
verschiedene Typen von Demokratie definiert hat Wolfgang Merkel mit dem
Konzept der ,eingebetteten Demokratie'
15
aufgestellt, das Grundlage dieser Ar-
beit ist.
,,,Demokratie' (als Kurzform für liberale rechtsstaatliche Demokratie)
soll definiert sein als ein Set institutioneller Minima, das erstens eine ver-
tikale Dimension demokratischer Herrschaft bezeichnet, nämlich vertikale
Machtkontrolle, universelles aktives und passives Wahlrecht und die ef-
fektive Gewährleistung der damit verbundenen grundlegenden politischen
Partizipationsrechte; zweitens eine horizontale Dimension, also Herr-
schaftskontrolle im Rahmen der gewaltenteiligen Organisation der Staats-
gewalt und der rechtsstaatlichen Herrschaftsausübung; drittens eine
transversale Dimension, also die effektive Zuordnung der Regierungsge-
walt zu den demokratisch legitimierten Herrschaftsträgern."
16
10
Dahl, Robert A. 1971: Polyarchy. Participation and Opposition, New Haven/ London: S.3
11
Unter dem Begriff ,,Autokratie" sollen in meiner Arbeit alle Systeme, die nicht der Minimal-
definition von Demokratie nach Schumpeter entsprechen, zusammengefasst werden, egal wel-
che Form oder Ausprägung das autokratische System hat.
12
vgl. Schubert, Gunter/ Tetzlaff, Rainer 1998: Erfolgreiche und blockierte Demokratisierung
in der postkolonialen und postsozialistischen Weltgesellschaft ­ Eine Einführung, In: Schubert,
Gunter/ Tetzlaff, Rainer (Hrsg.) 1998: Blockierte Demokratien in der Dritten Welt, Opladen:
S.13ff
13
vgl. Diamond 1997: S.10ff
14
vgl. Diamond 1999: S.7
15
vgl. Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.48
16
ebd.: S.47

11
Es wird davon ausgegangen, dass die politische Ordnung einer Demokratie
verschiedene Dimensionen hat und aus differenzierbaren Teilregimen besteht.
Diese stellen jeweils Voraussetzungen für das Funktionieren einer Demokratie
dar, die sie jedoch nur gemeinsam erfüllen können. Diese Arbeit übernimmt
das ,,Konzept der rechtsstaatlichen Demokratie als eine Einheit individueller
und interdependenter Teilregime"
17
der ,embedded democracy'.
18
Abbildung 1: Embedded Democracy
19
Nota: Aus sprachlichen Gründen wird der Begriff ,,horizontale Gewaltenkontrolle" statt ,,horizontaler
Verantwortlichkeit", dem deutschen Äquivalent zu ,,horizontal accountablity", genutzt.
Bei dem Konzept der ,eingebetteten' Demokratie geht es um die interne Ein-
bettung der Demokratie, was bedeutet, dass die unabhängigen Teilregime sich
gegenseitig beeinflussen und ,,die wechselseitige Einbettung der einzelnen In-
stitutionen der Demokratie in ein Gesamtgeflecht institutioneller Teilregime,
die Demokratie erst funktions- und widerstandsfähig macht."
20
Es wird dabei
zwischen fünf Teilregimen unterschieden. Teilregime A ist das Wahlregime,
17
Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.48
18
vgl. ebd.
19
ebd.: S.50
20
ebd.: S.49

12
das die vier Kriterien aktives und passives universelles Wahlrecht, freie und
faire Wahlen sowie gewählte Mandatsträger umfasst und damit die Prinzipien
Freiheit und Gleichheit institutionalisiert. Teilregime B ist das der politischen
Teilhaberechte. Dies sind Meinungs-, Presse-, Informations- und Assoziations-
freiheit. Teilregime C beinhaltet die bürgerlichen Freiheitsrechte, also das
Recht auf Schutz der Individuen vor staatlichen und privaten Akteuren, sowie
die Gleichheit vor dem Gesetz und der gleiche Zugang zur Justiz. Das Teilre-
gime D ist die horizontale Gewaltenkontrolle. Teilregime E beinhaltet die ef-
fektive Regierungsgewalt, was bedeutet, dass die gewählten Mandatsträger die
reale Geltungsmacht haben müssen.
21
Hiermit sind die zehn zu untersuchende
Kriterien, aus den drei vorher definierten Dimensionen einer Demokratie, ge-
nannt. Anhand dieser zehn Kriterien lässt sich entscheiden, ob ein Regime eine
Demokratie ist und welchen Typ einer Demokratie es darstellt.
21
vgl. Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.50ff

13
Abbildung 2: Dimensionen, Teilregime und Kriterien der
embedded democracy
22
I. Vertikale Dimension der Herrschaftslegitimation und -kontrolle
A. Wahlregime
(1) Aktives Wahlrecht
(2) Passives Wahlrecht
(3) Freie und faire Wahlen
(4) Gewählte Mandatsträger
B. Politische Teilhaberechte
(5) Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit
(6) Assoziationsfreiheit
II. Dimension des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates
C. Bürgerliche Freiheitsrechte
(7) Individuelle Schutzrechte gegen staatliche und private Akteure
(8) Gleichbehandlung vor dem Gesetz und den Gerichten;
gleicher Zugang zur Justiz
D. Horizontale Gewaltenkontrolle
(9) Horizontale Gewaltenkontrolle (Gewaltenkontrolle)
III. Dimension der Agendakontrolle
E. Effektive Regierungsgewalt
(10) Gewählte Mandatsträger mit realer Gestaltungsmacht
1.2 Defekte Demokratie
In diesem Kapitel werde ich mich hauptsächlich auf das Buch ,,Defekte Demo-
kratien" von Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery (nähere Angaben siehe
Literaturverzeichnis) beziehen, da dieses das Konzept der defekten Demokra-
tien ausführlich erklärt, das dieser Arbeit zugrunde liegt. Zu Beginn der Defini-
tion von defekten Demokratien ist es wichtig auf zwei grundlegende Merkmale
hinzuweisen. Erstens sind defekte Demokratien auch Demokratien. ,,Es handelt
sich um politische Regime, die die Kriterien der liberalen Demokratie nicht alle
in hinreichendem Maße erfüllen, ohne aber einer autoritären Regimelogik zu
folgen."
23
Zweitens sind defekte Demokratien nicht das Gegenstück zur ,per-
22
ebd.: S.57
23
Croissant, Aurel 2002: S.32

14
fekten' Demokratie, sondern zur liberalen Demokratie, die als ein demokrati-
sches System definiert wird, das ,,in allen drei Demokratiedimensionen die
institutionellen Bedingungen zur Verwirklichung der genannten Prinzipien
liberaldemokratischer Herrschaft aufweist."
24
Wichtig ist es auch darauf hinzu-
weisen, dass nicht jeder Defekt in einem der Teilregime direkt zu einer defek-
ten Demokratie führen muss. Vielmehr müssen zur Beurteilung, ob eine defek-
te Demokratie vorliegt, verschiedene Kriterien beachtet werden. So muss der
Beobachtungszeitraum berücksichtigt werden, denn ein kurzzeitig auftretender
Defekt muss sich nicht im System verfestigen, genau wie das einmalige Abhal-
ten freier und fairer Wahlen nicht garantiert, dass auch die nächsten frei und
fair werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass verschiedene Defekte sich
kmulieren können, wodurch aus schwachen Defekten ein starker werden kann.
Genauso kann ein Defekt in einem Teilregime auch durch besonders demokra-
tische Qualitäten eines anderen Teilregimes neutralisiert werden.
25
Um von ei-
ner defekten Demokratie zu sprechen, müssen ein oder mehrere Teilregime ei-
nes demokratischen Systems nach Mustern funktionieren, die den demokra-
tischen Prinzipien entgegenlaufen.
26
,,Defekte Demokratien werden von uns deshalb definiert als Herrschafts-
systeme, die sich durch das Vorhandensein
eines
weitgehend funktionie-
renden demokratischen Wahlregimes zur Regelung des Herrschaftszu-
gangs auszeichnen, aber durch Störungen in der Funktionslogik eines
oder mehrerer der übrigen Teilregime die komplementären Stützen verlie-
ren, die in einer funktionierenden Demokratie zur Sicherung von Freiheit,
Gleichheit und Kontrolle unabdingbar sind."
27
Defekte Demokratien sind nicht nur Übergangsregime, die sich zu einer libera-
len Demokratie oder zu einem autokratischen System entwickeln, sondern sie
können unter Umständen sehr stabil sein. ,,Dies ist vor allem der Fall, wenn die
spezifischen Defekte von den machtpolitischen, sozioökonomischen und sozio-
kulturellen Kontexten getragen werden und sich wechselseitig abstützen und
24
ebd.: S.33
25
vgl. Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.75f
26
vgl.ebd.: S.66
27
Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.66

15
verstärken können."
28
Abhängig davon, welches der Teilregime beschädigt ist,
wird von ,exklusiver', ,illiberaler', ,delegativer' oder ,Enklavendemokratie'
gesprochen. Diese Typen defekter Demokratien sind Idealtypen, die meist als
Mischformen vorkommen. Trotzdem können Regime den Typen zugeordnet
werden, je nach dem, welches Teilregime am stärksten beschädigt ist.
29
Abbildung 3: Typen defekter Demokratie
30
Beschädigtes
Beschädigte Dimension
Typ
Teilregime
_______________________________________________________________
A und B
Vertikale Legitimations-
Exklusive Demokratie
und
Kontrolldimension
C
Rechtsstaat
Illiberale Demokratie
D
Horizontale Kontrolldimension Delegative Demokratie
E
Effektive Herrschaftsgewalt Enklavendemokratie
1.2.1 Exklusive Demokratie
In einer exklusiven Demokratie werden nennenswerte Teile der erwachsenen
Bürger vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen, die Partizipationsrechte
sind also nicht inklusiv. Das gleiche trifft zu, wenn das Prinzip freier und fairer
Wahlen nicht durchgesetzt wird und es zu unterschiedlichen Einflussmöglich-
keiten der Bürger bis hin zum faktischen Ausschluss von Menschen und Grup-
pen von der Mitentscheidung über den Herrschaftszugang kommt.
31
Zu diesem
Defekt kommt es, wenn die Teilregime A und/oder B beschädigt sind. Wahlre-
gime sind demokratisch ,,wenn Inklusivität, fairer Wettbewerb und Effektivität
gewährleistet sind.
[...] Abweichungen davon, etwa auf der Grundlage von
Rasse, Ethnie, Geschlecht, Eigentum, sind ein Defekt."
32
Auch wenn zum Bei-
spiel ein großer Teil der ländlichen Bevölkerung faktisch ausgeschlossen wird,
wenn Parteien behindert werden, Wahlfälschung vorliegt, es keine neutralen
28
ebd. S.68
29
vgl. ebd. S.69
30
ebd.: S.69
31
vgl. Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.70
32
ebd.: S.77

16
Wahlbeobachter gibt oder eine entscheidende Zahl von Mandatsträgern ernannt
statt gewählt werden, liegt ein Defekt vor. Zu einer Autokratie wird ein Sys-
tem, wenn es demokratische Parteien verbietet, der Ausschluss von Bürgern
von der Willkür der Herrschenden abhängt, wenn Wahlen manipuliert werden
und so das Ergebnis vor der Wahl feststeht oder wenn die Mehrheit der Man-
datsträger nicht gewählt sondern ernannt wird.
33
Das Teilregime B bezieht sich
auf die Assoziations-, Meinungs- und Pressefreiheit. ,,Das Kriterium der Asso-
ziationsfreiheit umfasst zwei Aspekte, zum einen die ungehinderte Bildung po-
litischer oder zivilgesellschaftlicher Organisationen, zum anderen das Ver-
sammlungs- und Demonstrationsrecht.
[...] Einschränkungen der Assoziations-
freiheit beeinträchtigen Partizipation, Kontrolle und gesellschaftliche wie poli-
tische Pluralität."
34
Sobald die Einschränkungen so groß sind, dass es zu einer
Monopolisierung der politischen Arena kommt und rechtlich oder faktisch kei-
ne Möglichkeit zur pluralen Partizipation besteht, muss von einem autokrati-
schen System gesprochen werden. Im Bereich der Presse- und Meinungsfrei-
heit müssen die Bürger die Möglichkeit zur freien Meinungsbildung haben.
Wenn keine oder nur manipulierte Informationen erhältlich sind, ist die Fähig-
keit zur Teilnahme am politischen Prozess erheblich eingeschränkt.
35
,,Die
Grenze zum Autoritarismus wird überschritten, wenn die Öffentlichkeit von
den Machthabern okkupiert und monopolisiert wird."
36
1.2.2 Illiberale Demokratie
Eine illiberale Demokratie liegt vor, ,,wenn frei, allgemein und fair gewählte
Regierungen Grund-, Menschen- und liberale Freiheits- und Bürgerrechte ver-
letzen und in diesem Sinne den Rechtsstaat nicht respektieren oder ihn nicht
durchsetzen"
37
. Wie in Abbildung 3 deutlich wird ist das Teilregime C, die bür-
gerlichen Freiheitsrechte, beschädigt. Die grundlegenden Elemente der Staats-
bürgerschaft, wie die individuellen Schutzrechte vor staatlichen und nicht staat-
33
vgl. ebd.: S.76ff
34
ebd.: S.82
35
vgl. ebd.: S.81ff
36
ebd.: S.85
37
Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.71

17
lichen Akteuren, sind von der Funktionsfähigkeit des Justizsystems abhängig.
Nur ein unabhängiges, für alle Bürger gleichermaßen zugängliches, nicht dis-
kriminierendes und funktionsfähiges Rechtssystem kann also die bürgerlichen
Freiheitsrechte garantieren. Wenn diese individuellen Schutzrechte nicht gesi-
chert oder eingeschränkt sind, muss von einem Defekt gesprochen werden.
38
,,Werden hingegen systematisch oder dauerhafte Verletzungen der Rechte fest-
gestellt
[...] oder liegen massive Eingriffe in das Recht auf Leben und körper-
liche Unversehrtheit vor
[...], so ist die Grenzlinie zur autokratischen Herr-
schaft überschritten."
39
1.2.3 Delegative Demokratie
,,Der Typ der delegativen Demokratie ist dadurch geprägt, dass die horizon-
talen rechtsstaatlichen Kontrollen und checks and balances beeinträchtigt
sind,"
40
also das Teilregime D der horizontalen Gewaltenkontrolle defekt ist.
Die drei Gewalten der Exekutive, der Legislative und der Judikative müssen
und können nicht vollständig voneinander getrennt sein, aber keine der Gewal-
ten darf die Funktionen der anderen dominieren oder beeinflussen. Besonders
wichtig ist die Unabhängigkeit der Judikativen und besonders häufig ist die
Dominanz der Exekutiven.
41
,,Ein delegatives Syndrom liegt
[...] vor, wenn
über eine gewisse Dauer hinweg, also nicht nur in zugespitzten Krisenzeiten,
die Exekutive umfangreiche Gesetzesgebungskompetenzen wahrnehmen kann,
die Gerichte außerkonstitutionelles und illegales Verhalten der Amtsträger in
der Regel nicht ahnden oder die Judikative insgesamt nicht unabhängig genug
ist, um gegen politische Eingriffe widerstandsfähig zu sein und eine relative
Unparteilichkeit zu gewährleisten."
42
Von einer Autokratie muss gesprochen
werden, wenn eine der Gewalten, die anderen quasi ausgeschaltet hat.
43
38
vgl. ebd. S.85ff
39
ebd.: S.87
40
ebd.: S.71
41
vgl. ebd.: S.87ff
42
Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.91
43
vgl. ebd.: S.91

18
1.2.4 Enklavendemokratie
Bei der Enklavendemokratie ist das Teilregime E, also die effektive Herr-
schaftsgewalt defekt. Dies ist der Fall, wenn nicht demokratisch gewählte ,Ve-
tomächte', also Gruppen mit entscheidendem Einfluss, durch die Konstitution
oder außerkonstitutionell auf die in freien und fairen Wahlen gewählten Reprä-
sentanten Druck ausüben oder bestimmte Politikbereiche oder Teile des Staats-
territoriums der Kontrolle derselben entziehen.
44
Es gibt zwei Formen der Ein-
schränkung der effektiven Regierungsgewalt. Die eine ist die ,,informelle Eta-
blierung so genannter discretionary oder tutelary powers. Dies sind demokra-
tisch nichtlegitimierte Eliten und Machtgruppen, die sich der Regierungsautori-
tät entziehen und dadurch extrakonstitutionelle und nicht mehr kontrollierte
Vorrechte sichern.
[...] Andere Enschschränkungen [sic.] erwachsen daraus,
dass ,,reservierte Politikbereiche" (reserved domains) aus dem demokratischen
Entscheidungsprozess herausgenommen werden."
45
Solange die in freien und
fairen Wahlen gewählte Regierung über hinreichende Kompetenzen in allen
politischen Bereichen verfügt, kann von einer defekten Demokratie gesprochen
werden. Die wohl wichtigste Frage ist, ob das Militär der zivilen Kontrolle un-
terstellt ist. In vielen jungen Demokratien ist dies nicht oder nur teilweise der
Fall. Das Hauptproblem dabei ist, dass das Militär nicht nur politische oder
wirtschaftliche Druckmittel wie die anderen Vetoakteure hat, sondern auch Ge-
walt anwenden kann, um ihre Ziele zu erreichen, oder gar die Regierung abzu-
setzen. Untersucht werden muss hier ob es verfassungsrechtlich gesicherte po-
litische Mitspracherechte gibt und ob das Militär informelle Wege nutzt, um in
die zivile Politik zu intervenieren oder diese zu beeinflussen.
46
1.3 Transformationsprozesse
,,Zwischen dem autokratischen System und der konsolidierten Demokratie lie-
gen die drei Phasen des eigentlichen Systemwechsels: 1. Ende des autokrati-
schen Systems 2. Institutionalisierung der Demokratie 3. Konsolidierung der
44
vgl. ebd.: S.71
45
ebd.: S.92
46
vgl. ebd.: S.91ff

19
Demokratie."
47
Alle drei Phasen zusammen können als Transformation be-
zeichnet werden und überlappen sich in der Realität meistens. Wie schon in
dieser Definition deutlich wird, wird sich diese Arbeit nur mit den System-
wechseln von autokratischen zu demokratischen Systemen beschäftigen, ob-
wohl dies natürlich auch in der anderen Richtung möglich ist. In dem Transfor-
mationsmodell Merkels sind den drei eigentlichen Phasen noch zwei Perioden
vorgeschaltet, die Erfahrungen mit Demokratie vor dem autokratischen System
und die Erfahrungen mit dem autokratischen System selber, die erheblichen
Einfluss auf die Möglichkeiten, Probleme und die Dauer des Demokratisie-
rungsprozesses haben können.
48
Hinsichtlich der demokratischen Erfahrungen
muss untersucht werden, ob sie positiv oder negativ waren, wie lange sie dau-
erten und wie lange sie her sind. ,,It should be clear that the characteristics of
the previous nondemocratic regime have profound implications for the transi-
tion paths available and the tasks different countries face when they begin their
struggles to develop consolidated democracies."
49
Es muss untersucht werden,
ob ein gewisses Maß an Liberalisierung zugelassen wurde, ob es eine aktive
Zivilgesellschaft gab, welche Rolle das Militär in dem Regime spielte und in-
wieweit das Regime in der Gesellschaft verankert war, wofür die Dauer des
Regimes ein entscheidender Faktor ist.
50
,,Je länger sich autoritäre Strukturen
des politischen Systems herausbilden und festigen konnten, desto größer wird
deren retardierender Einfluss auf Tempo und Tiefe des Transitionsprozesses
sein."
51
So hat die Art des autokratischen Vorgängerregimes einen erheblichen
Einfluss auf die Aufgaben und Probleme der jungen Demokratie.
52
Bevor die einzelnen Phasen der Transformation genauer untersucht werden,
muss die einzige Grundvoraussetzung für den Beginn der Transformation ge-
nannt werden. ,,Democracy is a form of governance of a modern state. Thus,
without a state, no modern democracy is possible."
53
Dies bedeutet, dass vor
47
Merkel, Wolfgang 1999: Systemtransformation, Opladen: S.120
48
vgl. ebd.: S.120ff
49
Linz, Juan José/ Stepan, Alfred 1996: Problems of democratic Transition and Consolidation.
Southern Europe, South America and Post-Communist Europe, Baltimore/London: S.55
50
vgl. Croissant 2002: S.60
51
Schubert/ Tetzlaff 1998: S.16
52
vgl. Diamond, Larry 1997a: Introduction: In search of Consolidation, In: Diamond, Larry/
Plattner, Marc F./ Chu, Yu-han/ Tien, Hung-mao (Hrsg.) 1997: Consolidating the third Wave
Democracies. Regional Challenges, Baltimore/London: S.xxviiif
53
Linz,/ Stepan 1996: S.17

20
Beginn der Transformation die Staatsgrenzen eindeutig definiert sein müssen
und auch klar sein muss, welche Personen zum Staatsvolk gehören. Es muss
eine nationale Einheit geben.
54
Nationale Einheit bedeutet nach Rustow, dass
,,the vast majority of citizens in a democracy-to-be
[...] have no doubt or men-
tal reservations as to which political community they belong to."
55
Dies bedeu-
tet nicht, dass es keine ethnischen, religiösen oder andere Konflikte innerhalb
eines Staates geben darf, aber diese Konflikte dürfen nicht zur Infragestellung
der nationalen Einheit führen, wenn eine Demokratie entstehen soll.
56
Es gibt noch viele andere Faktoren, die den Transformationsprozess positiv
oder negativ beeinflussen können. ,,Es sind nicht einzelne ,,Bedingungen" oder
singuläre ,,Hindernisse", die die Demokratisierung politischer Systeme erlau-
ben oder verhindern, sondern es sind jeweils wirtschaftliche, soziale, kulturelle
und politische Bedingungskonstellationen und Restriktionssyndrome, die ­ ne-
ben konkreten politischen Handlungen ­ über den Erfolg und das Scheitern von
demokratischer Transformation wesentlich mitentscheiden."
57
Aus diesem
Grund müssen all diese Faktoren bei den Länderanalysen mit einbezogen wer-
den. Wolfgang Merkel hat richtig erkannt, dass es nicht möglich ist für alle
Transformationsprozesse zu verallgemeinern, welcher der wichtigste ist. Statt-
dessen variiert der Einfluss der verschiedenen Faktoren von Fall zu Fall und es
kann nur kontextabhängig entschieden werden welcher Faktor oder welche
Faktoren entscheidend waren.
58
Aus diesem Grund müssen bei der Länderana-
lyse sowohl Institutionen und Akteure als auch Wirtschaft und Kultur mit ein-
bezogen werden. Zum Verhältnis von Institutionen
59
und Akteuren
60
ist es
wichtig zu sagen, dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Institutionen werden
54
vgl. Sørensen, Georg 1993: Democracy and Democratization. Process and Prospects in a
Changing World, Boulder/Oxford: S.40ff
55
zitiert nach Sørensen 1993: S.41
56
vgl. ebd.
57
Merkel, Wolfgang/ Puhle, Hans Jürgen 1999: Von der Diktatur zur Demokratie. Transfor-
mation, Erfolgsbedingungen, Entwicklungspfade, Opladen/ Wiesbaden: S.11
58
vgl. Merkel 1999: S.107ff
59
,,Eine Institution ist allgemein eine verhaltensnormierende und verhaltensrationalisierende
Regel bzw. ein System solcher Regeln. [...] Von einer politischen Institution kann gesprochen
werden, wenn sie die Herstellung, Durchführung und Kontrolle politischer Sach- und Regel-
entscheidungen einer Gesellschaft betriff." Croissant 2002: S.49f
60
Mit Akteuren sind Organisationen und andere Formen kollektiver Akteure, wie Eliten, Mas-
sen, Regierung und ähnliches gemeint. ,,Es handelt sich um Gruppen von Einzelpersonen, die
ein gemeinsamer Handlungszweck verbindet." Croissant 2002: S.52

21
von Akteuren geschaffen und sie stellen wenn sie einmal existieren das Regel-
werk, also die Struktur für das Handeln der Akteure dar. Beide sind von ent-
scheidendem Einfluss für Transformationsprozesse, da sie ihn konstituieren.
61
1.3.1 Ablösung des autokratischen Systems
Die Phase der Ablösung des autokratischen Systems beginnt mit der Krise des
autoritären Regimes und endet mit der ersten freien und demokratischen Wahl.
Diese Phase ist von extremer Unsicherheit gekennzeichnet, da alle Institutionen
und Normen neu entworfen werden müssen.
62
Für die Phase der Ablösung des
autokratischen Regimes sind folgende Fragen zentral und müssen in der
Länderanalyse beantwortet werden: Warum kam es zur Transition
63
? Wie
verlief die Transition, also wie und durch wen wurde das autokratische System
abgelöst?
Für den Zusammenbruch eines autokratischen Regimes kann es systeminterne
und systemexterne Gründe geben. Systemexterne Gründe können die Niederla-
ge in einem Krieg, der Wegfall von externer Unterstützung oder der so genann-
te ,Dominoeffekt', also die Verbreitung von Demokratisierungsprozessen in ei-
ner gesamten Region sein.
64
,,No authors
[...] have offered external influences
as a primary explanation of democracy, but it is obvious
[...] that democracy
would not have taken root when it did in many countries without the impact of
external factors."
65
Systemintern kann es einerseits zu einer Legitimitätskrise
aufgrund politischer Schlüsselereignisse, wie dem Tod des Diktators, Konflik-
ten innerhalb der Regimeelite oder der Häufung von Skandalen und Korrup-
tion kommen. Andererseits kann die wirtschaftliche Entwicklung ein entschei-
61
vgl. Croissant 2002: S.48ff
62
vgl. Rüb, Friedbert W. 1996: Zur Funktion und Bedeutung politischer Institutionen in Sys-
temwechselprozessen. Eine vergleichende Betrachtung, In: Merkel, Wolfgang/ Sandschneider,
Eberhard/ Segert, Dieter (Hrsg.) 1996: Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der De-
mokratie, Opladen: S.47
63
Unter Transition wird der ,,Übergang von einer konkreten Form eines nichtdemokratischen
[...] Regimes zu einer konkreten Form eines demokratischen Regimes" verstanden. Merkel/
Puhle 1999: S.105
64
vgl. Merkel 1999: S.127ff
65
Pinkney, Robert 1994: Democracy in the Third World, Boulder/London: S.32

22
dender Faktor sein. Wirtschaftlicher Aufschwung, der den Lebensstandard der
Bevölkerung steigert, mehr Bildung mit sich bringt und die Sozialstruktur einer
Gesellschaft grundlegend ändert kann das Verlangen nach Demokratie in einer
Gesellschaft stärken. Doch auch wirtschaftliche Probleme können zum Legiti-
mationsverlust eines Regimes führen, vor allem wenn dieses den wirtschaft-
lichen Aufschwung als Legitimation des eigenen Regimes propagiert hat.
66
,,Als Regel kann gelten, dass nichtdemokratische Regime (wie übrigens auch
demokratische) dann zusammenbrechen, wenn es ihnen über längere Zeit hin
nicht mehr gelingt, sich einer hinreichend breiten Koalition von einflussreichen
gesellschaftlichen Kräften gegenüber zu legitimieren."
67
Der entscheidende
Faktor ist also eine wie auch immer geartete Legitimationskrise des autokrati-
schen Regimes.
Samuel Huntington unterscheidet drei Arten der Transition: ,,transformation,
replacement, transplacement"
68
. Gemeint ist damit die Transition durch die Re-
gimeelite, die Transition durch die Opposition und/oder gesellschaftlichen
Druck, sowie die Transition durch einen Pakt zwischen der Regimeelite und
der Opposition und/oder gesellschaftlichen Akteuren.
69
Die häufigste Form der
Transition ist der Pakt, wobei ,,das von der einen oder anderen Seite vorge-
brachte glaubwürdige Drohpotential darüber entscheidet, wer in bestimmten
Momenten des Niedergangs des alten Regimes und des folgenden Regimeüber-
gangs die Ablaufregeln mehr bestimmt."
70
Besonders problematisch sind von
der alten Regimeelite gelenkte Übergange. Da es zu keinem Machtwechsel
kommt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass vorher existierende Proble-
me auch weiterhin bestehen, wenn auch formaldemokratisch gemildert. Die
Transition von unten bietet einerseits die Möglichkeit eines totalen Neuan-
fangs. Andererseits besteht die Gefahr, dass es gerade wegen des extrem gro-
ßen Handlungsspielraumes der demokratischen Opposition innerhalb derselben
zu einer Elitenrivalität kommt. Dies kann der Demokratisierung entgegen wir-
ken, wenn Teilen der Elite der eigene Vorteil wichtiger ist als die Demokrati-
66
vgl. Merkel 1999: S.125f
67
Merkel/ Puhle 1999: S.93
68
Huntington, Samuel P. 1991: The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Cen-
tury, Norman: S.114
69
vgl. Huntington 1991: S.114

23
sierung.
71
Demokratisierungen von unten sind recht selten und ,,transitions are
only very rarely based on the complete defeat of the elites who stood behind
the previous authoritarian rule."
72
Kein bestimmter Typ der Transition kann
das Funktionieren der Demokratisierung garantieren und keiner kann dieses
verhindern, sie können nur positiv oder negativ auf den Prozess einwirken. Ins-
gesamt ist der Einfluss der Eliten in dieser Phase wichtiger als der Einfluss der
Massen. Die Zivilgesellschaft ist zu dieser Zeit meist noch nicht von großer
Bedeutung. ,,Demokratien können also anfangs bestehen, ohne sofort von einer
vitalen Zivilgesellschaft gestützt zu werden."
73
Diese wird erst später, vor
allem in der Konsolidierungsphase, unerlässlich.
1.3.2 Institutionalisierung der Demokratie
,,Der entscheidende Schritt zur Demokratie ist
[...] der Übergang der politi-
schen Herrschaft von einer Person oder einer Gruppe von Personen auf ein
,,Set" institutionalisierter Regeln, die von allen anerkannt werden müssen und
für alle, d.h. für Regierende und Regierte gleichermaßen gelten."
74
Dies pas-
siert in der Phase der Institutionalisierung der Demokratie, die mit der ersten
demokratischen Wahl beginnt und endet, sobald alle wichtigen demokratischen
Institutionen gegründet worden sind, oder aus den alten Institutionen umgebaut
wurden.
75
Die wichtigste Entscheidung, die in dieser Phase getroffen wird, ist
die über die Verfassung und damit über alle Institutionen, Strukturen und Re-
geln der neuen Demokratie. Die Entwicklung von einem demokratischen Par-
teiensystem ist von grundlegender Bedeutung, denn ohne dieses können keine
demokratischen Wahlen abgehalten werden.
76
Besonders wichtig ist auch der
70
Merkel/ Puhle 1999: S.96
71
vgl. Merkel/ Puhle/ Croissant/ Eicher/ Thiery 2003: S.226ff
72
Sørensen 1993: S.29
73
Croissant, Aurel/ Lauth, Hans-Joachim/ Merkel, Wolfgang 2000: Zivilgesellschaft und
Transformation : ein internationaler Vergleich, In: Merkel, Wolfgang (Hrsg.) 2000 : System-
wechsel 5. Zivilgesellschaft und Transformation, Opladen : S.21
74
Merkel 1999: S.136f
75
vgl. Rüb 1996: S.47
76
vgl. Grugel, Jean 2002: S.71ff

24
frühe Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen und Sicherheiten. ,,Der Rechts-
staat ist sicherlich nicht alles, aber ohne Rechtsstaat ist alles nichts."
77
Bei der Verfassungsgebung sind zwei Punkte zu beachten, die formale und die
empirische Legitimität der Verfassung. ,,Die formale Legitimität bezieht sich
auf die staatsrechtlich und demokratietheoretisch korrekten Verfahren ihrer
Ausarbeitung und Verabschiedung."
78
Zu untersuchen sind hier das Maß, in
dem die drei Legitimationsformen von oben, von unten und die interne Verfah-
renslegitimität eingeschlossen werden. Legitimität von oben bedeutet, dass die
verfassungsgebende Versammlung demokratisch legitimiert sein muss. Interne
Verfassungslegitimität bedeutet, dass das Verfahren innerhalb der verfassungs-
gebenden Versammlung demokratisch ablaufen muss. Bei der Legitimität von
unten geht es um die Frage, ob die Verfassung dem Volk zur Ratifizierung
durch ein Referendum vorgelegt wird oder nicht.
79
Insgesamt ist die formale
Legitimation der Verfassung zwar interessant, aber für die Konsolidierung von
sekundärer Bedeutung.
80
,,Denn wichtiger als der in der Tradition von Carl
Schmitter sakral aufgeladene Schöpfungsakt (creatio ex nihilo) des pouvoir
constituant erscheint uns für die demokratische Konsolidierung das plébiscite
de tous les jours."
81
Unter empirischer Legitimität versteht man, dass die Be-
völkerung von der Legitimität der Verfassung überzeugt sein und diese befür-
worten muss, egal wie sie entstanden ist. Dafür sind zwei Faktoren entschei-
dend. Einerseits, dass keine wie auch immer gearteten Minderheiten politisch
oder sozial ausgeschlossen werden und andererseits, dass die Leistungsbilanz
des Staates in der Bevölkerung positiv wahrgenommen wird. So hat die empi-
rische Legitimität der Verfassung Einfluss auf die Konsolidierung, für die der
Aspekt der positiven Wahrnehmung des Staates durch die Bevölkerung von
zentraler Bedeutung ist.
82
77
Merkel, Wolfgang 2003: Demokratie in Asien. Ein Kontinent zwischen Diktatur und Demo-
kratie, Bonn: S.47
78
Merkel, Wolfgang/ Sandschneider, Eberhard/ Segert, Dieter 1996: Die Institutionalisierung
der Demokratie, In: Merkel, Wolfgang/ Sandschneider, Eberhard/ Segert, Dieter (Hrsg.) 1996:
Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen: S.19
79
vgl. Merkel/ Sandschneider/ Segert 1996: S.20
80
vgl. ebd.: S.20ff
81
ebd.: S.24
82
vgl. ebd.: S.24f

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836603829
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Philosophische Fakultät, Politikwissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,7
Schlagworte
thailand demokratisierung indonesien demokratie politik rechtsstaat
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Titel: Der lange Weg zur Demokratie
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