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Informelles Lernen

Ein Überblick

©2006 Diplomarbeit 86 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema Informelles Lernen und die Erfassung der informell erworbenen Kompetenzen.
Die in der beruflichen Erstausbildung gelegten Grundlagen reichen heute nicht mehr aus, um den Anforderungen eines ganzen Berufslebens gerecht zu werden. Lebenslanges Lernen ist heute notwendiger denn je geworden. Fort- und Weiterbildung müssen flexible Wege für alle Arbeitnehmer bieten, Kenntnisse und Fähigkeiten zu aktualisieren.
Das informelle Lernen ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Teilaspekt des lebenslangen Lernens geworden. Kompetenzen werden scheinbar nebenbei durch die tägliche Arbeit, in der Freizeit oder im Familienleben erworben. Obwohl diese Erkenntnisse des Lernens außerhalb von Institutionen nicht neu sind und es in anderen Ländern schon Verfahren zur Anerkennung und Dokumentation informellen Lernens gibt, befindet sich Deutschland noch am Anfang dieser Diskussion.
Bisher wurden in Deutschland ausschließlich Kompetenzen im Bereich der formalen und betrieblichen Bildung zertifiziert. Und doch haben es sich einige Projekte zur Aufgabe gemacht, Konzepte für die Bewertung der in diesen Lebenskontexten erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwerfen.
Woran liegt es, dass das informelle Lernen in Deutschland bisher so wenig Beachtung fand? Wie können die erworbenen Kompetenzen sichtbar gemacht und bewertet werden? Welche Modelle aus anderen Ländern zur Analyse und Zertifizierung liegen vor und wie werden sie genutzt? Ist das informelle Lernen der neue Konkurrent des formalen, in Bildungsinstitutionen stattfindenden Lernens? Inwiefern unterscheiden sich überhaupt formales, non-formales und informelles Lernen? Welche Chancen bietet das informelle Lernen? Welche Gefahren liegen darin, Lernen aus allen Lebensbereichen validieren zu wollen? Ergibt sich daraus ein Zwang zum Lernen? Welche Interessen haben Politik und Wirtschaft an der Anerkennung informellen Lernens? Welches Interesse hat der Lernende an der Validierung und Zertifizierung seiner informell erworbenen Kompetenzen? Wie wirkt sich der Bedeutungszuwachs des informellen Lernens auf das formale Lernen aus? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Erwachsenenbildung?
Gang der Untersuchung:
Diese Arbeit soll einen allgemeinen Überblick geben sowohl über die oft verwirrenden, unterschiedlichen Definitionen zum Begriff informelles Lernen als auch über einige Methoden und Ansätze zur Validierung informell erworbener […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sebastian Wurm
Informelles Lernen - Ein Überblick
ISBN: 978-3-8366-0335-5
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Duisburg, Deutschland,
Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Informelles Lernen - Ein Überblick
1
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ... 3
2. Entwicklung der politischen Debatte zur Validierung
informellen Lernens... 7
2.1 Entwicklung in den USA und in Kanada ... 7
2.2 Entwicklung in der Europäischen Union ... 10
2.3 Entwicklung in Deutschland... 14
3. Das informelle Lernen ... 15
3.1 Definitionen zum informellen Lernen ­ Über die
...
Schwierigkeit einer eindeutigen Begriffsbestimmung ... 15
3.2 Verschiedene Paradigmen des informellen Lernens ... 24
3.2.1 Erfahrungslernen ... 25
3.2.2 Implizites Lernen... 26
3.2.3 Alltagslernen ... 27
3.2.4 Selbstgesteuertes Lernen... 28
3.2.5 Kompetenzentwickelndes Lernen und Lernen am
...
Arbeitsplatz ... 28
3.3 Informelles Lernen und die Konsequenzen für die
...
Bildungspolitik... 29
4. Validierung informellen Lernens... 35
4.1 Definition: Anerkennung von Kompetenzen ­
Abgrenzung zum Qualifikationsbegriff ... 36
4.2 Validierung informellen Lernens in internationalen
Modellen ... 38

Informelles Lernen - Ein Überblick
2
4.2.1 Das Vereinigte Königreich - NVQ-System mit
...
APL-Verfahren ... 38
4.2.2 Das ,,Realkompetanse Project" in Norwegen... 43
4.2.3 Frankreich ­ Die ,,bilan de compétences" & das
...
Validierungsverfahren... 46
4.2.3.1 Die ,,bilan de compétences" ... 46
4.2.3.2 Das Validierungsverfahren ... 49
4.2.4 Das Schweizer CH-Q Programm... 51
4.3 Modellversuche in Deutschland... 54
4.3.1 Arbeitszeugnisse und Beurteilungsverfahren ... 55
4.3.2 Weiterbildungspässe ... 57
4.3.2.1 ProfilPASS ... 61
4.3.2.2 Projekt Familienkompetenzen ­ Die
...
Kompetenzbilanz ... 64
4.3.2.3 Qualipass... 67
5. Informelles Lernen im Risiko der gesellschaftlichen
Vereinnahmung... 69
6. Zusammenfassung und Ausblick ... 73
7. Abkürzungsverzeichnis ... 77
8. Abbildungsverzeichnis... 79
9. Literaturverzeichnis ... 81

Informelles Lernen - Ein Überblick
3
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema ,,Informelles Lernen und die
Erfassung der informell erworbenen Kompetenzen".
Die in der beruflichen Erstausbildung gelegten Grundlagen reichen heute nicht
mehr aus, um den Anforderungen eines ganzen Berufslebens gerecht zu wer-
den. Lebenslanges Lernen ist heute notwendiger denn je geworden. Fort- und
Weiterbildung müssen flexible Wege für alle Arbeitnehmer bieten, Kenntnisse
und Fähigkeiten zu aktualisieren. Das informelle Lernen ist in den letzten Jah-
ren zu einem wichtigen Teilaspekt des lebenslangen Lernens geworden. Kom-
petenzen werden scheinbar nebenbei durch die tägliche Arbeit, in der Freizeit
oder im Familienleben erworben. Obwohl diese Erkenntnisse des Lernens au-
ßerhalb von Institutionen nicht neu sind und es in anderen Ländern schon Ver-
fahren zur Anerkennung und Dokumentation informellen Lernens gibt, befindet
sich Deutschland noch am Anfang dieser Diskussion. Bisher wurden in
Deutschland ausschließlich Kompetenzen im Bereich der formalen und betrieb-
lichen Bildung zertifiziert. Und doch haben es sich einige Projekte zur Aufgabe
gemacht, Konzepte für die Bewertung der in diesen Lebenskontexten erworbe-
nen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwerfen.
Woran liegt es, dass das informelle Lernen in Deutschland bisher so wenig Be-
achtung fand? Wie können die erworbenen Kompetenzen sichtbar gemacht und
bewertet werden? Welche Modelle aus anderen Ländern zur Analyse und Zerti-
fizierung liegen vor und wie werden sie genutzt? Ist das informelle Lernen der
neue Konkurrent des formalen, in Bildungsinstitutionen stattfindenden Lernens?
Inwiefern unterscheiden sich überhaupt formales, non-formales und informelles
Lernen? Welche Chancen bietet das informelle Lernen? Welche Gefahren
liegen darin, Lernen aus allen Lebensbereichen validieren zu wollen? Ergibt
sich daraus ein Zwang zum Lernen? Welche Interessen haben Politik und
Wirtschaft an der Anerkennung informellen Lernens? Welches Interesse hat der

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Lernende
1
an der Validierung und Zertifizierung seiner informell erworbenen
Kompetenzen? Wie wirkt sich der Bedeutungszuwachs des informellen Lernens
auf das formale Lernen aus? Welche Konsequenzen ergeben sich für die
Erwachsenenbildung?
Diese Arbeit soll einen allgemeinen Überblick geben sowohl über die oft verwir-
renden, unterschiedlichen Definitionen zum Begriff ,,informelles Lernen" als
auch über einige Methoden und Ansätze zur Validierung informell erworbener
Kompetenzen.
Die Arbeit lässt sich in zwei Teilbereiche gliedern. Zunächst geht es in den
Kapiteln 2 und 3 um den Begriff des informellen Lernens.
In Kapitel 2 wird die gesellschaftliche Entwicklung erläutert, die zu einer zuneh-
menden Wahrnehmung des informellen Lernens führte. Dabei geht es zunächst
um die Entwicklung in den USA und Kanada. Danach werden einzelne Statio-
nen der europäischen Bildungspolitik aufgezeigt. Schließlich wird nach Gründen
gesucht, warum in Deutschland das informelle Lernen bisher noch nicht so
wahrgenommen wurde wie in der internationalen Diskussion.
Da es eine eindeutige, allgemeine Definition des Begriffs ,,informelles Lernen"
bisher nicht gibt, werden in Kapitel 3 einige ausgewählte Definitionsansätze
zum informellen Lernen ausführlich einander gegenübergestellt. Daran an-
schließend werden einige Paradigmen des informellen Lernens dargestellt. Die-
se sollen dabei helfen, ein besseres Gesamtverständnis zu erlangen und ver-
deutlichen, wie umfassend der Begriff des informellen Lernens ist. Zum Ab-
schluss des 3. Kapitels wird diskutiert, welche Chancen in der Anerkennung
und Validierung des informellen Lernens liegen und welche Konsequenzen sich
daraus für die Bildungspolitik ergeben könnten.
1
In dieser Arbeit werden weibliche und männliche Formen synonym verwendet, das jeweils
andere Geschlecht ist mitzudenken.

Informelles Lernen - Ein Überblick
5
Anschließend geht es um die Validierung informellen Lernens.
Da uns die Begriffe ,,Kompetenz" und ,,Qualifikation" im Zusammenhang mit der
Validierung informellen Lernens häufig begegnen, wird in Kapitel 4 zunächst
eine Definition des Kompetenzbegriffs und eine Abgrenzung zum Begriff der
Qualifikation vorgenommen. Anschließend werden ausgewählte internationale
Modelle zur Validierung informellen Lernens vorgestellt ­ das norwegische
,,Realkompetanse Project", das englische NVQ-System mit APL-Verfahren, das
französische System der ,,bilan de compétences" und das Validierungsverfah-
ren, sowie das schweizerische CH-Q Programm. Darauf folgend werden vor-
handene Anerkennungsmöglichkeiten informell erworbener Kompetenzen in
Deutschland vorgestellt, die Arbeitszeugnisse und Beurteilungsverfahren. Da
die momentan größte Experimentierfreude, unabhängig vom institutionellen
Weg erworbene Kompetenzen zu erfassen, sich im Bereich der Bildungspässe
findet, werden anschließend einige ausgewählte Pässe vorgestellt.
Zum Abschluss werden in Kapitel 5 einige Risiken des informellen Lernens,
bzw. der Erfassung des informellen Lernens in allen Lebensbereichen erläutert.

Informelles Lernen - Ein Überblick
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2. Entwicklung der politischen Debatte zur Validierung
informellen Lernens
Die Bedeutung des non-formalen und informellen Lernens ist in den letzten
Jahren auf politischer Ebene ständig gewachsen, insbesondere im Hinblick auf
die
Forderung
nach lebenslangem Lernen. Sowohl international als auch auf
europäischer Ebene gibt es schon seit Jahren Überlegungen, wie informelles
Lernen zu messen ist. Und obwohl die Debatte um die Validierung informellen
Lernens in Deutschland noch relativ jung ist, sind die Entwicklungen in der
deutschen Bildungslandschaft eng mit denen der europäischen verknüpft.
Bevor in Kapitel 3 eine ausführliche Erläuterung zu dem Begriff und den ver-
schiedenen Definitionsansätzen des informellen Lernens folgt, werden im fol-
genden Kapitel zunächst die gesetzlichen und gesellschaftlichen Vorausset-
zungen im geschichtlichen Kontext erläutert, welche zu einer zunehmenden
Wahrnehmung der Bedeutung des informellen Lernens führten. Dabei geht es
in Kapitel 2.1 zunächst um die Entwicklung in den USA und in Kanada. In Kapi-
tel 2.2 werden die einzelnen Stationen der Wahrnehmung informellen Lernens
in der europäischen Bildungspolitik aufgezeigt, bevor schließlich in Kapitel 2.3
nach Gründen dafür gesucht wird, warum das informelle Lernen in Deutschland
bisher noch nicht so wahrgenommen wurde wie in der internationalen Diskussi-
on.
2.1 Entwicklung in den USA und in Kanada
In den USA begann man schon nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Auseinan-
dersetzung über außerberuflich angeeignete Kompetenzen. Viele zurückge-
kehrte Soldaten verfügten nicht über eine formale Schulbildung und fanden
daher keinen Arbeitsplatz. Es wurde nach Wegen gesucht, ihre außerberufli-

Informelles Lernen - Ein Überblick
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chen Kompetenzen zu zertifizieren, um ihnen so eine Wiedereingliederung in
den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Gonon sieht den ,,Ursprung" der Debatte über das informelle Lernen sogar
schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. Gonon 2002, S. 16-19). Als Urhe-
ber des informellen Lernbegriffs nennt er John Dewey, welcher in seinem Werk
,,Democracy and Education" von einem sehr weit gefassten Erziehungsbegriff
ausgeht. Für Dewey sind im Leben gemachte Erfahrungen eng verknüpft mit
Bildung und Erziehung. ,,Informal Education" ist für ihn die Grundlage für forma-
le Bildung. Den Grund sieht er in der Komplexitätszunahme, durch die ein
verstärkter Bedarf an formeller Bildung benötigt wird, deren Basis aber im in-
formellen Lernen liegt (vgl. Dewey 1968, S. 9f.).
Laut Dohmen hatte in den USA das außerschulische Lernen schon lange einen
hohen Stellenwert. Er begründet dies damit, dass die Berufsbildung in den USA
maßgeblich durch praktisches Lernen am Arbeitsplatz bestimmt wird. Zudem
gefalle den freiheitsliebenden Amerikanern der Begriff des lebenslangen infor-
mellen Lernens besser als der Begriff der lebenslangen Erziehung (lifelong
education) (vgl. Dohmen 2001, S. 50).
1972 gelangte der Begriff des informellen Lernens, maßgeblich beeinflusst
durch Aktivitäten der UNESCO, zu einer bildungspolitischen Diskussion in der
breiteren Öffentlichkeit. Die UNESCO stellte nämlich durch deren Faure-
Kommission fest, dass informelles Lernen 70 % aller menschlichen Lernprozes-
se umfasse. Es wurden Bedingungen gefordert, die das informelle Lernen er-
leichtern sollten. Des Weiteren sollten formale Bildungsprozesse an dieses
informelle Lernen angeknüpft werden. Aufgrund dieses Reports gab es eine
Reihe in Deutschland kaum beachteter Forschungsarbeiten, die sich zwar
vornehmlich auf Entwicklungsländer konzentrierten, die jedoch auch in den
USA in der Diskussion um das informelle Lernen an Bedeutung gewannen (vgl.
Overwien 2005, S. 3f.).
Die Zielgruppen der Anerkennung des informellen Lernens in den USA sieht
Dohmen in den Erwachsenen mit praktischer Berufserfahrung, die für ihre in der

Informelles Lernen - Ein Überblick
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Arbeitswelt erworbenen Kompetenzen eine formale Anerkennung suchen und
somit mehr Chancengleichheit anstreben. So gab es in den 70er Jahren wäh-
rend der Diskussionen um die Anerkennung des informellen Lernens etwa 3,5
Millionen erwachsene College-Studenten, die neben ihrem Beruf studierten.
Dies zwang die amerikanischen Hochschulen dazu, sich auf die informell er-
worbenen Kompetenzen der erwachsenen Studenten einzustellen (vgl. Dohmen
2001, S. 51). So hat sich dann auch seit den 70er Jahren an einigen Universitä-
ten die Möglichkeit entwickelt, dass jeder, der bestimmte Kompetenzen nach-
weist, ,,College-Degrees erwerben kann, ohne den Besuch entsprechender
Ausbildungsstätten oder Studiengänge nachweisen zu müssen" (Dohmen 2001,
S. 95).
In Kanada wurde die Diskussion um das informelle Lernen sehr von Livingstone
und der repräsentativen NALL-Studie über informelles Lernverhalten beein-
flusst. Das Nationale Forschungsnetzwerk NALL (New Approaches to Lifelong
Learning) sollte ,,den Umfang der Erwachsenenbildung, das Vorhandensein
sozialer Lernbarrieren und wirksamere Mittel zu Verknüpfung von Lernen und
Arbeit" (Livingstone 1999, S. 73) untersuchen. Finanziert wurde die Erhebung
vom Kanadischen Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC).
Während dieser Erhebung wurde unter anderem eine repräsentative Telefonbe-
fragung von 1562 Erwachsenen durchgeführt, in welcher diese sich zu ihren
informellen Lernerfahrungen äußern konnten.
Die NALL-Studie kommt zu dem Ergebnis (vgl. Livingstone 1999, S. 74-86 &
Dohmen 2001, S. 59f.), dass die meisten Kanadier sich zwar für sehr lerninte-
ressiert halten, aber nur rund die Hälfte an formalen Weiterbildungsveranstal-
tungen teilnehmen. 95 % sagen, sie würden informell lernen. Sie meinen, 70 %
ihrer Berufskenntnisse informell erworben zu haben, und sie wenden viermal so
viel Zeit für informelles Lernen als für formelles Lernen auf. Mit zunehmendem
Alter fällt die Bereitschaft Erwachsener, an formalen Bildungsveranstaltungen
teilzunehmen, und das Interesse verlagert sich mehr zu informellen Lerntätig-
keiten. Ein Zusammenhang zwischen dem erreichten Schulabschluss und der
Bereitschaft zu informellem Lernen gibt es laut der Studie nicht: So praktizieren
Erwachsene mit niedriger Schulbildung genauso oft informelle Lernprozesse

Informelles Lernen - Ein Überblick
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wie andere mit höherem Schulabschluss. Manche Personen ohne Schulab-
schluss lernen teilweise sogar häufiger informell als Personen mit einem Hoch-
schulabschluss.
Livingstone fordert in Bezugnahme auf die Ergebnisse der NALL-Untersuchung
von der Wirtschafts- und Bildungspolitik die Anerkennung der ,,vielfältigen und
oftmals komplexen Lerntätigkeiten und ­fähigkeiten ihrer Zielgruppen, ein-
schließlich der informellen Lernerfahrungen und Lernfähigkeiten der vielen
Menschen, die in der Vergangenheit von fortgeschrittenen Formen der organi-
sierten Bildung ausgeschlossen wurden" (Livingstone 1999, S.86).
2.2 Entwicklung in der Europäischen Union
Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den von Markus Bretschneider
im Jahr 2004 verfassten Artikel ,,Non-formales und informelles Lernen im Spie-
gel bildungspolitischer Dokumente der Europäischen Union".
Mitte der 90er Jahre fand ein technologischer und wirtschaftlicher Strukturwan-
del statt, welcher die im Leben erworbenen beruflichen Erfahrungen, Wissens-
bestände und Qualifikationen in immer kürzeren Abständen veralten ließ. For-
derungen nach ,,lebenslangem Lernen" und der Wandel zur ,,Wissensgesell-
schaft" werden seitdem immer eindringlicher diskutiert. Das informelle und non-
formelle Lernen findet als Antwort auf diese Forderung nach lebenslangem
Lernen einen Bedeutungszugewinn.
1995 sollten im ,,Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung" (vgl. Euro-
päische Kommission 1995) nach einer Situationsanalyse Aktionslinien für den
Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung vorgelegt werden. Ein formu-
liertes Ziel ist die Förderung der Aneignung neuer Kenntnisse durch die Aner-
kennung von Kompetenzen. ,,Die optimale Nutzung des Wissens, das sich der
einzelne im Laufe seines Lebens angeeignet hat, setzt die Eröffnung neuer
Formen der Anerkennung von Kompetenzen [Hervorhebung im Originaltext]

Informelles Lernen - Ein Überblick
11
voraus, und zwar zusätzlich zum Berufsabschluß und zur Erstausbildung" (Eu-
ropäische Kommission 1995, S.48). Informelles Lernen erscheint hier vor allem
im Kontext mit beruflicher Bildung.
1996 steht im Zeichen des Europäischen Jahres des lebensbegleitenden Ler-
nens, welches inhaltlich maßgeblich durch das Weißbuch zur allgemeinen und
beruflichen Bildung beeinflusst wird. Mit unterschiedlichen Ansätzen wird ver-
sucht, den Bürger über die Möglichkeiten des lebenslangen Lernens aufzuklä-
ren. Die Möglichkeiten des non-formellen und informellen Lernens werden bei
einigen Themen deutlich, wenn auch nicht explizit, als Ziele erwähnt, z.B. bei
der ,,Sensibilisierung der Sozialpartner für die Bedeutung der Schaffung neuer
Möglichkeiten eines lebensbegleitenden Lernens und der Beteiligung daran"
sowie der ,,Sensibilisierung der europäischen Bürger für die Maßnahmen der
Europäischen Union insbesondere zur Anerkennung von Diplomen und Befähi-
gungsnachweisen im Bildungsbereich und in der beruflichen Praxis im Rahmen
der Systeme der Mitgliedstaaten" (Europäisches Parlament und Rat der Euro-
päischen Union 1995, Artikel 2).
Diese Ziele wurden im Jahre 2000 im ,,Memorandum über lebenslanges Ler-
nen" (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000) allmählich
operationalisiert. In dem Dokument wird eine umfassende Strategie für lebens-
langes Lernen diskutiert, in welcher auch die non-formellen und informellen
Lernanteile stärker ins Blickfeld gerückt werden. ,,Lebenslanges Lernen (...)
muss zum Grundprinzip werden, an dem sich Angebot und Nachfrage in sämtli-
chen [Hervorhebung vom Verfasser dieser Arbeit] Lernkontexten ausrichten"
(Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, S. 3). Es wird betont,
dass sich formales, non-formales und informelles Lernen nicht gegenseitig aus-
schließen. ,,Die ´lebensumspannende´ Dimension verdeutlicht die Komplemen-
tarität von formalem, nicht-formalem und informellem Lernen [Hervorhe-
bung im Originaltext]" (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000, S.
10). Die Wahrnehmung dieses Verhältnisses ist die Voraussetzung, unter der
schließlich eine gemeinsame Anerkennung der Lernformen erfolgen kann. Der
Grund des gewachsenen Interesses an non-formalen und informellen Lernbe-

Informelles Lernen - Ein Überblick
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reichen und deren Anerkennung liegt in dem steigenden Interesse nach zertifi-
ziertem Lernen. Ein immer härter geführter Kampf um Arbeitsplätze und der
steigende Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften macht die Anerkennung von
Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen, welche außerhalb der formalen Bil-
dungsinstitutionen erworben wurden, immer wichtiger.
2001 verabschiedet die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel ,,Einen euro-
päischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen" (vgl. Kommission der Eu-
ropäischen Gemeinschaften 2001). Im Hinblick auf das non-formelle und infor-
melle Lernen werden hier Ziele gesetzt, die diejenigen zum Lernen anregen
sollen, denen das Lernen aus welchen Gründen auch immer fremd geworden
ist. Das informelle Lernen soll anerkannt und belohnt werden. Non-formales und
informelles Lernen müssen also in die im formalen Sektor geltenden Vorschrif-
ten für Zugang, Bildungsweg und Anerkennung einbezogen werden. Dazu ge-
hört, dass sich darüber verständigt werden muss, wie das Lernen in den ver-
schiedenen Lernbereichen zu bewerten ist. Als konkrete Schritte werden hier
u.a. die Erstellung eines Verzeichnisses von Methoden, Systemen und Normen
zur Bewertung und Anerkennung non-formalen und informellen Lernens auf
internationaler und nationaler Ebene genannt. Es soll ein Netzwerk auf europäi-
scher Ebene gebildet werden, in welchem ein systematischer Austausch von
Erfahrungen mit der Validierung der non-formalen und informellen Lernbereiche
stattfinden kann. Des Weiteren sollen angemessene rechtliche Rahmenbedin-
gungen geschaffen werden, in denen sich die Anerkennung von non-formalem
und informellem Lernen durchsetzen kann (vgl. Kommission der Europäischen
Gemeinschaften 2001, S. 13-18).
Im ,,Aktionsplan der Kommission für Qualifikation und Mobilität" im Jahr 2002
(vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2002) wird eine unzurei-
chende berufliche Mobilität erkannt, da es u.a. Probleme bei der Anerkennung
non-formalen und informellen Lernens sowohl innerhalb als auch zwischen den
Mitgliedsstaaten gibt. Es wird also das Ziel formuliert, die Barrieren für die Aner-
kennung von Lernerfolgen abzusenken, unabhängig davon, wo diese Erfolge
erzielt wurden. Als konkrete Maßnahme wird vorgeschlagen, einen europäi-

Informelles Lernen - Ein Überblick
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schen Rahmen aus Methoden und Normen für die Feststellung, Beurteilung und
Anerkennung non-formalen und informellen Lernens zu schaffen. Des Weiteren
sollen Instrumente zur Förderung von Transparenz und Übertragbarkeit der
Qualifikationen entwickelt werden (vgl. Kommission der Europäischen Gemein-
schaften 2002, S. 10-17).
Im Jahr 2003 legt die Kommission einen Vorschlag über ein einheitliches Rah-
menkonzept zur Förderung der Transparenz von Qualifikationen und Kompe-
tenzen vor, den so genannten ,,Europass" (vgl. Kommission der Europäischen
Gemeinschaften 2003). In dem Vorschlag werden die ersten fünf Dokumente
bestimmt, welche in den Europass einbezogen werden sollen. So soll er neben
einem ,,Europäischen Lebenslauf" noch den Mobilipass enthalten, in welchem
alle lernrelevanten transnationalen Mobilitätserfahrungen in ganz Europa er-
fasst werden sollen, des Weiteren einen Diplomzusatz für den Bereich der
Hochschulbildung (hier sind Informationen über den Bildungsweg des Inhabers
zu finden), eine Zeugniserläuterung für den Bereich der beruflichen Bildung
(dort werden unabhängig vom Inhaber berufliche Qualifikationen näher erläu-
tert) und das Europäische Sprachenportfolio. Für stärkere Konzentrationen auf
bestimmte Bereiche oder Fertigkeiten können weitere Dokumente hinzugefügt
werden (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2003, S. 13-15).
2004 werden von der Kommission gemeinsame europäische Grundsätze für die
Validierung des non-formalen und des informellen Lernens vorgeschlagen (vgl.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2004). Diese Grundsätze ge-
ben keine methodischen Lösungen vor, sondern umreißen grundlegende Anfor-
derungen, die erfüllt sein müssen. Die Anforderungen werden in sechs Haupt-
themen unterteilt: Ziel und Zweck der Validierung, Rechte des Einzelnen, insti-
tutionelle Pflichten, Vertrauen und Verlässlichkeit, Unparteilichkeit und Glaub-
würdigkeit bzw. Legitimität (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften
2004, S. 4-8).

Informelles Lernen - Ein Überblick
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2.3 Entwicklung in Deutschland
In Deutschland ist das Interesse an informell erworbenen Kompetenzen erst in
den letzten Jahren gewachsen. Gründe sieht Björnavold (vgl. Björnavold 2001,
S. 63-67) unter anderem in dem stark ausgebauten dualen System der Be-
rufsausbildung, welches in seinem betrieblichen Teil auch schon Elemente
praktischen Lernens einbezieht. Er kritisiert, dass das duale System zwar eine
gute Grundlage für eine Verbindung von formalem und informellem Lernen sei,
jedoch nicht für das lebenslange Weiterlernen im Erwachsenenalter. Es gäbe in
Deutschland keine Tradition, auch außerhalb des formalen Systems, Lernwe-
gen zu folgen. Informelle Wege zu einer Qualifikation werden durch bis ins
kleinste Detail geregelte Ausbildungs- und Prüfungsordnungen aus den Berufs-
profilen ausgeschlossen. ,,Die (...) gegebenen Rahmenbedingungen sind in den
meisten europäischen Ländern offener und flexibler und sie begünstigen z.T.
auch ganz gezielt die Entwicklung und Anerkennung eines offeneren, unabhän-
gigeren informellen Lernens" (Dohmen 2001, S. 78).
Dennoch findet das non-formale Lernen zunehmend Beachtung. Björnavold
begründet dies damit, dass das non-formale Lernen einbezogen wird, um die
ausschließliche Ausrichtung auf die Erstausbildung auszugleichen. Die schwa-
che Anbindung des Weiterbildungssektors an das Erstausbildungssystem un-
terstreicht zudem die Bedeutung alternativer Lernwege. Es müssen Lösungen
gefunden werden, die berufliche Weiterbildung ,,einerseits systematischer nut-
zen und andererseits besser mit dem bestehenden ´Koloss´ der Erstausbildung
verbinden" (Björnavold 2001, S. 65).
Deutsche Modellinstrumente und Verfahren zur Validierung von informell ge-
lernten Kompetenzen werden in Kapitel 4.2 vorgestellt. Zunächst jedoch geht es
in Kapitel 3 um einige momentan diskutierte Definitionen zum Begriff des ,,in-
formellen Lernens".

Informelles Lernen - Ein Überblick
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3. Das informelle Lernen
In Kapitel 2 wurde gezeigt, dass das informelle Lernen und der Versuch, infor-
melles Lernen sichtbar zu machen, nicht nur in Europa, sondern auch in
Deutschland zunehmend ins Blickfeld geraten. Bevor in Kapitel 4 einige Instru-
mente und Verfahren zur Anerkennung bzw. Validierung informellen Lernens
vorgestellt werden, wird im folgenden Kapitel zunächst der Begriff des informel-
len Lernens genauer untersucht und seine Chancen für die Erwachsenenbil-
dung bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass es eine eindeutige, allgemeine
Definition des informellen Lernens bisher nicht gibt.
Aufgrund der vielfältigen Definitionen werden daher in Kapitel 3.1 zunächst
einige ausgewählte Begriffsbestimmungen vorgestellt. Danach versucht Kapitel
3.2, anhand einiger Paradigmen zu einem besseren Gesamtverständnis von
informellem Lernen beizutragen. Zuletzt wird in Kapitel 3.3 diskutiert, welche
Chancen in der Anerkennung und Validierung des informellen Lernens liegen
und welche Konsequenzen sich daraus für die Bildungspolitik ergeben könnten.
3.1 Definitionen zum informellen Lernen ­ Über die Schwierig-
keit einer eindeutigen Begriffsbestimmung
Die Diskussion darüber, was unter informellem Lernen genau zu verstehen ist,
befindet sich in vollem Gange.
Der Begriff des ,,formalen Lernens" ist weitgehend unstrittig. ,,Bei dem formalen
Lernen handelt es sich nach den Vorstellungen der meisten Autoren um Lernen
in einem speziellen institutionellen Rahmen mit Curricula und ausgebildeten
Lehrenden, das als Teil des offiziellen Bildungssystems staatlichen Regelungen
unterliegt und in der Regel mit einer formalen Prüfung abgeschlossen wird"
(BMBF 2004).

Informelles Lernen - Ein Überblick
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Die Variationen der Begriffe des non-formellen und informellen Lernens sind
hingegen weitaus vielfältiger. Das Verständnis reicht von einer Zusammenfas-
sung aller Arten nicht-formellen Lernens unter einen dieser Begriffe bis hin zu
der strikten Trennung der beiden Begriffe. Der Vergleich von Forschungsergeb-
nissen zum Thema informelles Lernen wird durch die unterschiedlichen Auffas-
sungen erheblich erschwert.
Die Probleme einer allgemeinen Definition ergeben sich aus den unterschiedli-
chen Definitionsansätzen. So setzen einige Definitionen an der Organisations-
form des Lernens an, andere richten ihre Perspektive eher auf die Intention des
Lernenden und die Rolle des lernenden Subjekts. Wiederum andere Definitio-
nen kombinieren die Ansätze. Auch werden Begriffe wie selbstgesteuertes Ler-
nen, nicht-organisiertes Lernen, selbstständiges Lernen, natürliches Lernen, in-
zidentelles Lernen usw. von einigen Autoren synonym zum informellen Lernen
gebraucht, während andere diese Begriffe scharf voneinander abgrenzen. Im
internationalen Vergleich unterscheiden sich auch die Sprachregelungen von-
einander. Im Folgenden wird durch die Darstellung einiger ausgewählter Defini-
tionen verschiedener Autoren versucht, einen Überblick über die momentane
Diskussionslage zu geben.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Kommission der
Europäischen Gemeinschaften 2000, S. 9-10) unterscheidet zwischen forma-
lem, non-formalem und informellem Lernen.
Formales Lernen findet in ,,Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen statt und
führt zu anerkannten Abschlüssen und Qualifikationen" (Kommission der Euro-
päischen Gemeinschaften 2000, S.9).
Non-formales Lernen wird definiert als Lernen, das üblicherweise nicht zum
Erwerb von formalen Abschlüssen führt, da es außerhalb von Bildungs- und
Berufseinrichtungen stattfindet. Es ist auf ein Ziel gerichtet und systematisch in
Bezug auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel.
Informelles Lernen ist Lernen im Alltag, als ,,Begleiterscheinung des täglichen
Lebens" (ebd., S. 9 f.). Es ist nicht notwendigerweise strukturiert oder vom
Lernenden intendiert und es führt nicht zu einer Anerkennung bzw. Zertifizie-

Informelles Lernen - Ein Überblick
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rung. Der Zusatz ,,nicht notwendigerweise" schließt somit intentionales Lernen
zwar nicht aus, in den meisten Fällen ist das Lernen jedoch nicht zielgerichtet
und somit inzidentell und beiläufig. Formales und non-formales Lernen hinge-
gen ist nach Definition der Europäischen Kommission eindeutig intentionales
Lernen.
Björnavold (vgl. Björnavold 2000, S. 217-222) richtet sich ähnlich wie die
Europäische Kommission bei seiner Definition nach der Organisationsform des
Lernens.
So bezeichnet er alle Lernprozesse innerhalb einer förmlichen Bildungsinstituti-
on als formales Lernen. Formales Lernen kann zu einem anerkannten Ab-
schluss führen.
Lernen, welches in Umgebungen stattfindet, die eine Lernkomponente beinhal-
ten, jedoch nicht explizit als Lernen bezeichnet werden, z.B. Lernprozesse im
Zusammenhang mit Teamarbeit oder Qualitätszirkeln, bezeichnet er als ,,halb-
strukturiertes Lernen" oder nicht formelles Lernen.
Das informelle Lernen ist für ihn ein Teil des nicht formellen Lernens. Er be-
zeichnet es als ,,zufälliges Lernen" oder auch Erfahrungslernen, welches sich in
Alltagssituationen ergibt, z.B. am Arbeitsplatz, in der Freizeit oder der Familie.
Das informelle Lernen entwickelt sich oft nicht bewusst und wird vom Bildungs-
system nicht ausreichend wertgeschätzt und anerkannt.
Auch bei Björnavold liegt die grundlegende Unterscheidung zwischen non-
formellen und informellen Lernen in der Intention des Lernenden: non-formelles
Lernen ist geplant, informelles Lernen eher ungeplant.
Auch für Dohmen (vgl. Dohmen 2001, S. 26-27) ist das ausschlaggebende
Kriterium für informelles Lernen, dass es nicht in Bildungsinstitutionen oder
Lehrveranstaltungen durch einen Lehrenden betreut und kontrolliert wird, son-
dern dass es eigenverantwortlich vom Lernenden praktiziert wird. Dies kann so-
wohl bewusst als auch unbewusst sein und dient dazu, in bestimmten Anforde-
rungssituationen besser zurechtzukommen. Häufiger ist es jedoch unbewusst
und nur schwer oder gar nicht verbalisierbar. Das Lernen wird unmittelbar er-

Informelles Lernen - Ein Überblick
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fahren, es ist kein vorausschauendes, planendes Lernen. Es ist hauptsächlich
situatives Lernen.
Demgegenüber definiert er das formale Lernen als strukturiertes Lernen in Bil-
dungsinstitutionen, welches zu anerkannten Abschlüssen und Zertifikaten führt.
Non-formelles Lernen definiert er als selbst- oder fremdorganisiertes Lernen,
welches nicht zu formalen Abschlüssen führt. Auch hier unterscheiden sich also
non-formelles und informelles Lernen sowohl in der Organisationsform als auch
in der Lernintention.
Für Reischmann (vgl. Reischmann 1995) ist die Organisationsform des Ler-
nens eher zweitrangig. Er unterscheidet zwischen intentionalem Lernen und
Lernen ,,en passant".
Intentionales Lernen ist für ihn Lernen, welches mit der Motivation und Absicht
geschieht, Können oder Wissen zu erlangen. Die Lernenden haben also, gleich-
gültig ob fremd- oder selbstorganisiert, ein Lernziel.
Dem stellt er das Lernen ,,en passant" gegenüber. Dieses Lernen ergibt sich ne-
benbei, der Lernende nimmt es ,,en passant" mit, es ist nicht sein Ziel oder
seine Absicht zu lernen. Reischmann wählt bewusst die Bezeichnung des Ler-
nens ,,en passant", da dieser Begriff im Gegensatz zu Begriffen wie non-formel-
les, informelles, beiläufiges, inzidentelles Lernen usw. ,,positiv formuliert (...) und
nicht aus anderen Theoriezusammenhängen bereits festgelegt ist" (Reisch-
mann 1995, S. 203).
Reischmann unterscheidet drei Unterformen des Lernens ,,en passant".
Zum einen intentionale, aber ohne die Absicht zu lernen, unternommene Aktivi-
täten, wie z.B. das Unternehmen einer Reise oder die Arbeit in Bürgerinitiativen.
Während dieser Aktivitäten sind deutliche Lerngewinne und Lernbemühungen
zu verzeichnen, auch wenn Lernen nicht das ursprüngliche Ziel dieser Aktivitä-
ten war.
Zum anderen führen unvorhersehbare Ereignisse im Leben zu einer Lernerfah-
rung, wie z.B. Krankheit, ein Unfall, Beziehungskrisen.
Des Weiteren nennt Reischmann ,,ein im Leben implizit, mosaiksteinartig einge-
bautes Lernen" (Reischmann 1995, S. 201). Durch dieses Lernen werden Kom-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836603355
DOI
10.3239/9783836603355
Dateigröße
963 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Bildungswissenschaften, Berufs- und Weiterbildung
Erscheinungsdatum
2007 (Mai)
Note
2,0
Schlagworte
informelles lernen berufspädagogik nvq-system apl-verfahren erwachsenenbildung profil pass
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Titel: Informelles Lernen
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