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Werbung und Ethik

Implementierung werbeethischer Grundsätze durch Selbstregulierung in Großbritannien

©2006 Examensarbeit 85 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Viele Arbeiten zum Thema Werbung beginnen mit dem Hinweis auf die Allgegenwärtigkeit und Unausweichlichkeit der Werbung. Es ist nicht möglich, eine Zeitung zu lesen, fernzusehen oder durch die Straßen zu gehen, ohne in irgendeiner Weise mit Werbung konfrontiert zu werden.
Werbung kann kreativ und unterhaltend sein, zum Lachen oder Nachdenken anregen. Sie bietet auch Informationen, die bei Kaufentscheidungen hilfreich sein können. Mit dem Stichwort Werbung werden aber auch negative Empfindungen verknüpft. So sind Übertreibungen und Unwahrheiten am meisten ausschlaggebend für Beanstandungen und Kritik, direkt gefolgt von Verstößen gegen den guten Geschmack, dauernder Wiederholung, Anstößigkeit und Benutzung von Stereotypen oder Themen wie Gewalt und Sex. In diesem Zusammenhang taucht auch der Vorwurf der Manipulation immer wieder auf.
Die Diskussion des Beeinflussungspotenzials von Werbung ist in werbebezogener Literatur ein wichtiges Thema. Menschen sind sich oft nicht einig darüber, welche Werbemaßnahmen akzeptierbar sind und welche nicht. Werbung versucht immer, in Entscheidungsspielräume von Personen zu Gunsten einer beworbenen Option einzugreifen, und als Eingriff muss sie sich auch einer ethischen Bewertung stellen. Dies belegt in sehr allgemeiner Form, dass Werbung ein Thema der Ethik ist.
Problemstellung:
Werbung ist ein notwendiges und unentbehrliches Instrument für den wirtschaftlichen Wettbewerb. Ohne Werbung gibt es keinen wirksamen Wettbewerb, und ohne Wettbewerb ist eine marktwirtschaftliche Ordnung nicht denkbar. Werbung ist ein Ausdruck von und ein Beweis für Freiheit in einer Gesellschaft. Diese Freiheit kann jedoch nicht schrankenlos sein. Sie findet ihre Grenzen in den allgemeinen Gesetzen und den schutzwürdigen Belangen von Konsumenten und Mitbewerbern.
In Großbritannien legen Gesetze gewisse Rahmenbedingungen fest, innerhalb derer sich die Werbung bewegen darf, hauptsächlich reguliert die Werbebranche sich jedoch selbst. Dies ist sinnvoll, da Fragen der Ethik und der Moral im Wege staatlicher Regelungen nur schwer erfassbar sind. Darüber hinaus unterliegen sie angesichts ihrer Subjektivität auch einem ständigen Wandel und eignen sich daher eher für ein flexibles Selbstkontrollsystem, dessen Aufgabe es ist, die Balance zwischen der Wahrung des „Commercial Freedom of Speech“ auf der einen Seite und der Sicherstellung des Schutzes der Rezipienten und der Mitbewerber auf der anderen Seite zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kerstin Gehmlich
Werbung und Ethik
Implementierung werbeethischer Grundsätze durch Selbstregulierung in Großbritannien
ISBN: 978-3-8366-0139-9
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Staatsexamensarbeit, 2006
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis Seite
III
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...VII
TABELLENVERZEICHNIS ...VII
1 EINFÜHRUNG ... 1
1.1 Problemstellung und Abgrenzung... 1
1.2 Vorgehensweise ... 3
2 DAS WESEN DER WERBUNG ... 5
2.1 Werbung ­ Begriffsbestimmung und Einordnung ... 5
2.2 Ziele und Funktionen der Werbung... 7
2.3 Werbung ­ Beeinflussung oder Manipulation? ... 9
2.3.1 Abgrenzung von Beeinflussung und Manipulation ... 10
2.3.2 Werbung weckt Konsumentenwünsche ­ der Dependence Effect... 11
2.4 Wahrnehmung und Wirkung von Werbung ... 12
2.4.1 Modelle für die Wahrnehmung von Werbung ... 13
2.4.2 Strategische Optionen und Implikationen für die Gestaltung von
Werbung... 16
2.4.3 Werbewirkung und Werbeerfolgskontrolle... 18
2.5 Exkurs: Werbung als Spiegel der Gesellschaft ­ eine Metapher ... 19
2.6 Zwischenfazit: Werbung ­ in Grenzen! ... 20
3 ETHIK ... 23
3.1 Basistheorien der allgemeinen Ethik... 25
3.1.1 Der ,,kategorische Imperativ" als Basis für moralisch richtiges
Handeln... 26
3.1.2 Utilitarismus als Grundlage für moralisch richtiges Handeln ... 27
3.1.3 Tugendethik nach Aristoteles ... 29
3.2 Angewandte Ethik... 31
3.2.1 Medienethik als Bereichsethik... 31
3.2.2 Medienethik als Institutionen-, Berufs- oder Individualethik... 33
4 WERBUNG UND ETHIK ... 35
4.1 Begründung einer Werbeethik ... 35
4.2 Implikationen der ethischen Basistheorien für eine Ethik der Werbung .. 36
4.3 Moralische Aspekte ethischer Diskurse ... 38
4.3.1 Freiheit und Verantwortung ... 38
4.3.2 Recht und Gerechtigkeit... 40
4.4 Zwischenfazit: Ethische Prinzipien der Werbung ... 41

Inhaltsverzeichnis Seite
IV
5 REGULIERUNG DER WERBUNG IN GROSSBRITANNIEN ... 45
5.1 Staatliche Richtlinien und Gesetze zur Regulierung der Werbung ... 45
5.2 Selbstregulierung der Werbung in Großbritannien... 46
5.2.1 Geschichte der Werbeselbstregulierung ... 47
5.2.2 Aufbau des Systems der Werbeselbstregulierung ... 49
5.2.2.1 Einzelunternehmen und Verbände ... 50
5.2.2.2 Die CAP-Organisation ... 50
5.2.2.2.1 Advertising Standards Authority (ASA)... 50
5.2.2.2.2 Committee of Advertising Practice (CAP)... 52
5.2.2.2.3 Die Finanzierung des Selbstregulierungssystems:
Das Advertising Standards Board of Finance (ASBoF) ... 52
5.2.3 Struktur und Anwendung des CAP-Codes ... 54
5.2.3.1 Aufbau und inhaltliche Kernaussagen des Codes ... 54
5.2.3.2 Anwendung auf Beschwerden und Sanktionsmöglichkeiten
der ASA ... 55
5.2.3.2.1 Informale Untersuchung der Beschwerden ... 56
5.2.3.2.2 Formale Untersuchung der Beschwerden ... 57
5.2.3.2.3 Sanktionsmöglichkeiten... 57
6 ETHISCHE WERBUNG DURCH SELBSTREGULIERUNG ... 59
6.1 Werbeethische Grundsätze im CAP-Code... 59
6.2 Fallstudien ausgewählter Entscheidungen der ASA ... 60
6.2.1 Danone Shape Yoghurt und McDonald's Fries ... 61
6.2.2 Mazda MX-5... 62
6.2.3 Austravel ... 63
6.3 Slimming Survey der ASA... 64
7 KRITISCHE WÜRDIGUNG UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN... 67
LITERATURVERZEICHNIS ...IX
VERZEICHNIS ELEKTRONISCHER QUELLEN...XI
ANHANG ... XIX

Abkürzungsverzeichnis Seite
V
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AA
Advertising
Association
a.a.O.
am angegebenen Ort
AID
Advertising Investigation Department
ASA
Advertising Standards Authority
ASBoF
Advertising Standards Board of Finance
ASH
Action on Smoking and Health
Aufl.
Auflage
BASBoF
Broadcast Advertising Standards Board of Finance
BCAP
Broadcast Committee of Advertising Practice
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CAP
Committee of Advertising Practice
d.h.
das
heißt
ebd.
Ebenda
ELM
Elaboration Likelihood Model
etc.
et
cetera
evtl.
eventuell
f folgende
ff fortfolgende
grch.
griechisch
Hrsg.
Herausgeber
IAS
Institute of Alcohol Studies
i.d.R.
in der Regel
lat.
lateinisch
Ltd.
Limited
MPS
Mailing Preference Service
Mrd.
Milliarden
Ofcom
Office of Communications
OFT
Office of Fair Trading
PAGB
Proprietary
Association of Great Britain
S. Seite
TV
Television

Abkürzungsverzeichnis Seite
VI
u.a.
unter
anderem
usw.
und so weiter
v. Chr.
vor Christus
vgl.
vergleiche
z.B.
zum
Beispiel
z.T.
zum
Teil
z.Zt.
zur
Zeit

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Seite VII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Einordnung der Werbung in den Marketing-Mix ... 6
Abbildung 2: Das Elaboration Likelihood Model ... 14
Abbildung 3: Stufen der Reizaufnahme... 14
Abbildung 4: Empfänger-Involvement und Arten der Reizverarbeitung... 15
Abbildung 5: Wahrnehmungsbedingungen und Strategien ... 16
Abbildung 6: Struktur des Selbstregulierungssystems in Großbritannien... 49
Abbildung 7: Beschwerdeeingang und betroffene Werbungen aus dem
Jahr 2005 ... 56
Abbildung 8: Danone Shape Yoghurt Werbung... 61
Abbildung 9: McDonald's Fries Werbung ... 62
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Übertragung der Kommunikationsformel von Lasswell auf die
Werbung... 9
Tabelle 2: Erweiterte Kommunikationsformel ... 9
Tabelle 3: Die moralische Beurteilung im Utilitarismus... 28
Tabelle 4: Gegenüberstellung werbeethischer Prinzipien und Regeln des
CAP-Code ... 60

Einführung
Seite 1
1 EINFÜHRUNG
Viele Arbeiten zum Thema Werbung beginnen mit dem Hinweis auf die Allge-
genwärtigkeit und Unausweichlichkeit der Werbung. Es ist nicht möglich, eine
Zeitung zu lesen, fernzusehen oder durch die Straßen zu gehen, ohne in ir-
gendeiner Weise mit Werbung konfrontiert zu werden.
Werbung kann kreativ und unterhaltend sein, zum Lachen oder Nachdenken
anregen. Sie bietet auch Informationen, die bei Kaufentscheidungen hilfreich
sein können. Mit dem Stichwort Werbung werden aber auch negative Empfin-
dungen verknüpft. So sind Übertreibungen und Unwahrheiten am meisten aus-
schlaggebend für Beanstandungen und Kritik, direkt gefolgt von Verstößen ge-
gen den guten Geschmack, dauernder Wiederholung, Anstößigkeit und Benut-
zung von Stereotypen oder Themen wie Gewalt und Sex. In diesem Zusam-
menhang taucht auch der Vorwurf der Manipulation immer wieder auf.
1
Die Diskussion des Beeinflussungspotenzials von Werbung ist in werbebezo-
gener Literatur ein wichtiges Thema.
2
Menschen sind sich oft nicht einig dar-
über, welche Werbemaßnahmen akzeptierbar sind und welche nicht. Werbung
versucht immer, in Entscheidungsspielräume von Personen zu Gunsten einer
beworbenen Option einzugreifen, und als Eingriff muss sie sich auch einer ethi-
schen Bewertung stellen. Dies belegt in sehr allgemeiner Form, dass Werbung
ein Thema der Ethik ist.
3
1.1 Problemstellung und Abgrenzung
Werbung ist ein notwendiges und unentbehrliches Instrument für den wirtschaft-
lichen Wettbewerb. Ohne Werbung gibt es keinen wirksamen Wettbewerb, und
ohne Wettbewerb ist eine marktwirtschaftliche Ordnung nicht denkbar. Werbung
ist ein Ausdruck von und ein Beweis für Freiheit in einer Gesellschaft. Diese
Freiheit kann jedoch nicht schrankenlos sein. Sie findet ihre Grenzen in den
1
Vgl. Boatright, John R.: Ethics and the Conduct of Business. 2. Aufl., Upper Saddle River, NJ
1997, S. 260 ff, vgl. auch Zurstiege, Guido: Zwischen Kritik und Faszination ­ Was wir beo-
bachten, wenn wir die Werbung beobachten wie sie uns beobachtet. Köln 2005, S. 9 ff.
2
Vgl. Zurstiege, a.a.O., S. 9 ff.
3
Vgl. Felser, Georg: Werbung und die Beeinflussung der Meinung ­ Wie funktioniert politi-
sche Werbung psychologisch? In: Koziol, Klaus; Hunold, Gerfried (Hrsg.): Forum Medien-
ethik: Kommunikationsmacht Marketing ­ Markenpolitik als Prinzip öffentlicher Medienkom-
munikation. München 2003, S. 38 f.

Einführung
Seite 2
allgemeinen Gesetzen und den schutzwürdigen Belangen von Konsumenten
und Mitbewerbern.
4
In Großbritannien legen Gesetze gewisse Rahmenbedingungen fest, innerhalb
derer sich die Werbung bewegen darf, hauptsächlich reguliert die Werbebran-
che sich jedoch selbst. Dies ist sinnvoll, da Fragen der Ethik und der Moral im
Wege staatlicher Regelungen nur schwer erfassbar sind. Darüber hinaus unter-
liegen sie angesichts ihrer Subjektivität auch einem ständigen Wandel und eig-
nen sich daher eher für ein flexibles Selbstkontrollsystem
5
, dessen Aufgabe es
ist, die Balance zwischen der Wahrung des ,,Commercial Freedom of Speech"
auf der einen Seite und der Sicherstellung des Schutzes der Rezipienten und
der Mitbewerber auf der anderen Seite zu halten.
6
Die meisten TV- und Radiowerbungen werden bereits vor ihrer Ausstrahlung
kontrolliert (pre-cleared). Dieses ist jedoch für die ca. 30 Millionen Print-Wer-
bungen, die jährlich in Großbritannien produziert werden, nicht zu realisieren.
Um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können, erfordert Selbstregulierung daher
eine Selbstverpflichtung der gesamten Werbebranche und ist angewiesen auf
die Unterstützung der Bevölkerung.
7
Trotz des bestehenden Systems der Wer-
beregulierung passiert es immer wieder, dass Werbemaßnahmen veröffentlicht
werden, die Grund zu Beanstandungen liefern.
Hieraus ergeben sich Fragestellungen, die diese Arbeit beantworten möchte:
· Anhand welcher Kriterien lässt sich eine Werbeethik begründen und welche
werbeethischen Prinzipien muss sie fordern?
· Welche Gründe rechtfertigen eine Regulierung der Werbung?
· Ist durch die bestehende Ausgestaltung der Selbstregulierung der Werbung,
insbesondere der Print-Werbung, der Implementierung werbeethischer
Grundsätze in Großbritannien genüge getan?
4
Vgl. Golser, Karl: Ethik der Werbung. www.unibz.it/web4archiv/objects/inf_downloads/I7-
ethik_der_Werbung.pdf, S. 57.
5
Vgl. Gottzmann, Nicole: Möglichkeiten und Grenzen der freiwilligen Selbstkontrolle in der
Presse und in der Werbung. München 2005, S. 2.
6
Vgl. ASA: Annual Report 2000. http://www.asa.org.uk/NR/rdonlyres/45D4AEDD-EB9E-4531-
B465-1B972D4C7A4D/0/ASA_Annual_Report_2000.pdf.
7
Vgl. ASA: Controlling Advertising. http://www.asa.org.uk/NR/rdonlyres/D88C7D32-2234-
4B78-BB26-42291A9F43B2/0/controlling_20050928.pdf, S. 36.

Einführung
Seite 3
1.2 Vorgehensweise
Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wird zunächst die Besonderheiten der Kom-
munikationsform Werbung mit ihren Zielen und Funktionen darstellen und auf
die Wahrnehmung und Wirkung von Werbung eingehen. Besondere Berück-
sichtigung findet hierbei die Tatsache, dass die Werbung Massen erreichen und
beeinflussen kann und ihr somit eine gewisse Machtstellung zugeschrieben
wird.
Kapitel 3 beschäftigt sich mit Theorien der allgemeinen und angewandten Ethik.
Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse werden in Kapitel 4 als Grundlage für
die Begründung einer Werbeethik und deren Einordnung in die allgemeine ethi-
sche Diskussion dienen. Dieses Kapitel schließt mit dem Entwurf eines Kernbe-
stands werbeethischer Prinzipien.
Die Machtposition der Werbung erfordert, dass sich die Werbeinhalte in gewis-
sen Grenzen bewegen müssen. Hierzu wird in Kapitel 5 herausgearbeitet, wel-
che Kontrollmechanismen sich in Großbritannien etabliert haben. Zum einen
wird auf vorherrschende gesetzliche Bestimmungen eingegangen, zum anderen
wird die Selbstkontrollorganisation mit ihren beteiligten Organen vorgestellt.
Besonderes Interesse wird dem British Code of Advertising, Sales Promotion
and Direct Marketing gelten, der die Grundlage der Werbeselbstregulierung
darstellt und für die gesamte Werbebranche Großbritanniens verpflichtend ist.
In Kapitel 6 wird analysiert, inwiefern sich die herausgearbeiteten werbeethi-
schen Grundsätze in dem Code der Selbstkontrollorganisation wiederfinden,
bzw. wie diese bei der Urteilssprechung in ausgewählten Fällen umgesetzt
werden. Eine kritische Würdigung erfolgt in Kapitel 7.

Das Wesen der Werbung
Seite 5
2 DAS WESEN DER WERBUNG
Grundlage für eine ethische Auseinandersetzung mit Werbung ist ein umfas-
sendes Verständnis darüber, was Werbung ist, was sie erreichen soll und kann.
Diese Fragen werden im Folgenden geklärt.
Zunächst wird Werbung als Kommunikationsform charakterisiert und mit ihren
Zielen und Funktionen in den marktwirtschaftlichen Prozess eingeordnet. Da
der Werbung oft vorgeworfen wird, sie sei manipulierend, wird eine Abgrenzung
von Manipulation und Beeinflussung vorgenommen.
Essentiell für jede Form der Kommunikation ist, dass gesendete Botschaften
beim Rezipienten ankommen. Für die Werbung bedeutet dies, dass sie in der
Flut von Werbebotschaften wahrgenommen wird. Hierzu wird eine Auswahl an
Wahrnehmungsmodellen vorgestellt, aus denen sich Strategien und Gestal-
tungsempfehlungen für Werbetreibende ableiten lassen. Schließlich erfolgt Be-
trachtung der tatsächlichen Werbewirkung. In diesem Zusammenhang werden
auch Möglichkeiten der Werbeerfolgskontrolle diskutiert.
2.1 Werbung ­ Begriffsbestimmung und Einordnung
Die Literatur stellt verschiedene Definitionen des Begriffs Werbung zur Verfü-
gung. So bestimmt Bohrmann Werbung als den ,,geplanten Versuch, die Mei-
nung und das Verhalten von Menschen durch spezielle Kommunikationsmedien
öffentlich zu beeinflussen, um ökonomische Ziele zu erreichen".
8
Kassebohm formuliert etwas präziser, ,,dass mit Werbung angestrebt wird, den
Warenabsatz zu fördern und dass dieser Effekt durch eine Kontaktaufnahme
mit Verbrauchern bewirkt werden soll".
9
Die Elemente obiger Definitionen aufgreifend bestimmt Boatright die Werbung
als eine bezahlte Form unpersönlicher Kommunikation über eine Organisation
und / oder deren Produkte, die einem Zielpublikum über ein Massenmedium
übermittelt wird. Dabei unterscheidet er zwischen kommerzieller Werbung und
Werbung für politische oder wohltätige Zwecke.
10
8
Bohrmann, Thomas: Ethik ­ Werbung ­ Mediengewalt. München 1997, S. 37.
9
Kassebohm, Kristian: Grenzen schockierender Werbung. Berlin 1995, S.12.
10
Vgl. Boatright, a.a.O., S. 260.

Das Wesen der Werbung
Seite 6
Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die kommerzielle
Werbung oder auch Wirtschaftswerbung ­ die Werbung, die sich auf Produkte
oder Dienstleistungen bezieht.
Kommerzielle Werbung kann definiert werden als eine bestimmte Form der
Kommunikation zwischen Verkäufern und potenziellen Käufern. Sie lässt sich
durch zwei Eigenschaften von anderen Formen der Kommunikation unterschei-
den:
1. Sie ist öffentlich an ein Massenpublikum gerichtet (im Gegensatz zu pri-
vaten Nachrichten, die an bestimmte Individuen gerichtet sind).
2. Sie beabsichtigt, Teile dieses Massenpublikums dazu zu veranlassen,
die Produkte des Verkäufers zu kaufen.
Werbung ist in dieser Hinsicht erfolgreich, wenn sie in den Konsumenten
1. Bedürfnisse wecken kann und
2. die Überzeugung, dass das beworbene Produkt diese Bedürfnisse be-
friedigen kann.
11
Die Nachfrage nach bestimmten Gütern ist nicht allein abhängig von der Wer-
bung. Ökonomischer Erfolg basiert auf verschiedenen absatzpolitischen Ent-
scheidungen der Unternehmen, die im Rahmen des Marketing getroffen wer-
den. Marketing lässt sich definieren als Erschließung und Schaffung von Märk-
ten im Rahmen und mit Hilfe einer absatzorientierten Führungskonzeption.
Werbung ist Teil des absatzpolitischen Instruments der Kommunikationspolitik,
das zusammen mit Produktpolitik, Preispolitik und Distributionspolitik den sog.
Marketing-Mix ergibt.
12
Instrumente des Marketing-Mix
Produktpolitik
Distributions-
politik
Preispolitik
Kommunikations-
politik
- Qualität
- Funktion
- Design
- Kundendienst
- Sortiment
- Absatzkanal
- Transportmittel
- Lagerhaltung
- Lieferfrist
- Preis
- Rabatte
- Zahlungs- und
Lieferbedingungen
- Kreditpolitik
- Werbung
- Persönlicher
Verkauf
- Verkaufsförderung
- Public Relations
Abbildung 1: Einordnung der Werbung in den Marketing-Mix
13
11
Vgl. Velasquez, Manuel G.: Business Ethics. 4. Aufl., New Jersey, NJ 1998, S. 343.
12
Vgl. Bohrmann, a.a.O., S. 39.
13
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bohrmann, a.a.O., S. 40.

Das Wesen der Werbung
Seite 7
Die Kommunikationspolitik umfasst neben der Werbung auch andere kommuni-
kative Beeinflussungsinstrumente, dazu gehören u.a. Verkaufsförderung und
Public Relations. Generell hat die Kommunikationspolitik die Aufgabe, den
Markt und die Öffentlichkeit mit allen notwendigen Informationen über Produkt
und Produzenten zu beliefern. Ihr Ziel ist es, Meinungen, Einstellungen, Erwar-
tungen, Denk- und Verhaltensweisen zu beeinflussen.
14
Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die einseitige
15
,,klassische Werbung" ­ der
Teil der Wirtschaftswerbung, der zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager
vor dem Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung erfolgt. Die klassische
Werbung ist abzugrenzen von der zweiseitigen Dialog-Kommunikation, zu der
z.B. Sales Promotion, Verkaufsgespräche oder Serviceleistungen im Sinne der
Nach-Kauf-Kommunikation zählen.
16
An dieser Stelle werden zwei weitere Begriffe bezüglich des Transportmediums
von Werbung eingeführt: Broadcast-Werbung und Non-Broadcast-Werbung.
Broadcast-Werbung bezieht sich auf TV- und Radiowerbung, Non-Broadcast-
Werbung umfasst Print-, Poster- und Kinowerbung, Werbung in den neuen Me-
dien, Verkaufsförderung und Direktmarketing. Diese Unterscheidung wird so
auch von den Werbeselbstregulierungsorganen
17
Großbritanniens vorgenom-
men.
2.2 Ziele und Funktionen der Werbung
Die Wirtschaftswerbung verfolgt hauptsächlich zwei Ziele:
1. ökonomisches Werbeziel,
2. kommunikatives Werbeziel.
Das ökonomische Werbeziel beinhaltet die Kundenakquisition und damit ver-
bundene kurzfristige Umsatzsteigerung. Durch Beeinflussung der Massen soll
der potenzielle Kunde dazu veranlasst werden, bestimmte Produkte und Dienst-
leistungen eines Herstellers zu kaufen. Bestandskunden sollen zu einem Wie-
derkauf, d.h. zu einem Mehrfachkauf angeregt werden, denn im ökonomischen
Sinne sind gerade Wiederkäufer die Garanten eines konstanten bzw. eines
wachsenden Umsatzanstiegs.
14
Vgl. Schmidt, Siegfried J.: Handbuch Werbung. Münster 2004, S. 31 ff, vgl. auch Bohrmann,
a.a.O., S. 39 f.
15
ohne Dialog oder Interaktion
16
Vgl. Lachmann, Ullrich: Wahrnehmung und Gestaltung von Werbung. Hamburg 2002, S. 10.
17
Auf die Werbeselbstregulierungsorganisation wird in Kapitel 5 eingegangen.

Das Wesen der Werbung
Seite 8
Das zweite Ziel der Massenbeeinflussung durch Werbung dient langfristig dem
Imageaufbau bzw. der Imagepflege oder -veränderung des entsprechenden
Kommunikationsobjektes. Durch den Imageaufbau soll es gelingen, im Be-
wusstsein der Zielpersonen Marken zu institutionalisieren. Konsumenten sollen
durch Werbung an Marken herangeführt und dauerhaft an diese Marken ge-
bunden werden, die dann als ein Art Wegweiser für zukünftiges Konsumverhal-
ten dienen sollen.
18
Aus diesen Zielen können verschiedene elementare Funktionen der Werbung
abgeleitet werden, von denen hier die wichtigsten dargestellt werden:
· Bekanntmachungsfunktion: Produkte oder Dienstleistungen sollen dem
Verbraucher durch Werbung bekannt gemacht werden, dies ist insbesonde-
re bei neuen Produkten oder Produktveränderungen von Bedeutung. Die
Bekanntheit eines Werbeobjekts spielt eine wesentliche Rolle für das Kon-
sumentenverhalten.
· Erinnerungs- und Erhaltungsfunktion: Ein Produkt muss immer wieder er-
neut präsentiert werden, damit sich Verbraucher an dessen Existenz und
Leistung erinnern.
· Informierende Funktion: Werbung kann Auskünfte über Leistung und Nutzen
eines Produkts geben, und somit Wissen der Konsumenten über dieses
Produkt aufbauen, erhalten oder ausbauen.
· Erlebnisfunktion der Werbung: Häufig spricht Werbung emotionale Empfin-
dungen und Gefühle der Konsumenten an. In einer Erlebnisgesellschaft
werden Güter nicht allein nach ihrem Gebrauchswert, sondern nach ihrer Er-
lebnisqualität beurteilt. Der Konsum soll zu einem individuellen, schönen Er-
lebnis führen. Besonders bei homogenen Konsumartikeln sollen sich durch
Werbung implizierte, emotional besetzte Zusatzerlebnisse kaufentscheidend
auswirken.
19
Diese Funktionen können in zwei Cluster von Werten zusammengefasst wer-
den. Zum einen soll Werbung über Produkte und Dienstleistungen informieren
(informativer Wert), zum anderen soll sie Konsumenten dazu verleiten, diese
Produkte und Dienstleistungen auch zu kaufen (persuasiver Wert).
18
Vgl. Pflaum, Dieter: Werbung und die Beeinflussung der Massen. In Koziol / Hunold, a.a.O.,
S. 26 f, vgl. auch Lachmann, a.a.O., S. 11.
19
Vgl. Bohrmann, a.a.O., S. 38.

Das Wesen der Werbung
Seite 9
Hierbei kommt jedoch dem persuasiven Wert mehr Bedeutung zu ­ Werbung
will schließlich Meinungen und (Kauf-)Verhaltensweisen beeinflussen. Welche
Information auch immer unterschwellig mitschwimmt, sie ist diesem Wert unter-
geordnet und meistens auch von ihm determiniert.
20
Vorgenannte Ausführungen können mit der Übertragung der Kommunikations-
formel von Lasswell auf die Werbung zusammengefasst werden:
Kommunikationsformel
von Lasswell
Elemente im Kommunikationsprozess
der Wirtschaftswerbung
Wer
Werbetreibender
sagt was
Produktinformationen
in welchem Medium
Werbeträger (Broadcast, Non-Broadcast)
zu wem
Verbraucher
mit welchem Effekt?
Konsum, Markenloyalität.
Tabelle 1: Übertragung der Kommunikationsformel von Lasswell auf die Werbung
21
Dabei wird jedoch deutlich, dass Lasswell ein Element der Kommunikation nicht
berücksichtigt, welches jedoch für die Werbung von entscheidender Bedeutung
ist: das wie. Der vorher angesprochene persuasive Wert der Werbung erfordert
eine Berücksichtigung der Methoden, die eine Beeinflussung erst möglich ma-
chen. Daher erweitere ich die Kommunikationsformel:
Kommunikationsformel
von Lasswell
Elemente im Kommunikationsprozess
der Wirtschaftswerbung
Wer
Werbetreibender
sagt was
Produktinformationen
in welchem Medium
Werbeträger (Broadcast, Non-Broadcast)
wie
Methoden der Persuasion
zu wem
Verbraucher
mit welchem Effekt
Konsum, Markenloyalität.
Tabelle 2: Erweiterte Kommunikationsformel
22
2.3 Werbung ­ Beeinflussung oder Manipulation?
Jede Werbung hat das Ziel, die Adressaten zu beeinflussen. Werbung be-
schneidet jedoch eine in Freiheit
23
getroffene Entscheidung, wenn sie manipu-
20
Vgl. Velasquez, a.a.O., S. 342.
21
Quelle: Eigene erweiterte Darstellung in Anlehnung an Lasswell, Harold D.: The Structure
and Function of Communication in Society. Zitiert in: Bohrmann, a.a.O., S. 35.
22
Quelle: Eigene Darstellung.
23
Auf den Begriff Freiheit werde ich im Rahmen der Diskussion ethischer Aspekte der Wer-
bung genauer eingehen (vgl. Kapitel 4.3.1).

Das Wesen der Werbung
Seite 10
liert. Es ist daher notwendig, herauszuarbeiten, wo eine Grenze zwischen Be-
einflussung und Manipulation zu ziehen ist.
2.3.1 Abgrenzung von Beeinflussung und Manipulation
Bohrmann definiert Manipulation in diesem Zusammenhang als gezielte und
subtile Beeinflussung des menschlichen Denkens und Handelns durch psycho-
logisch-soziologische Methoden, wobei der Empfänger nicht bewusst durch-
schaut, dass sein Verhalten gesteuert wird. Demzufolge ist Werbung, wenn sie
keine durchschaubare Werbetechnik verwendet, manipulierend.
Zur Abgrenzung von Beeinflussung und Manipulation bietet Rosenstiel folgen-
den Kriterienkatalog an:
1. Der Beeinflussende übt den Einfluss bewusst und um des eigenen Vor-
teils willen aus.
2. Der Beeinflussende übt den Einfluss ohne Rücksicht auf den Vorteil des
Beeinflussten aus.
3. Der Beeinflussende bedient sich bewusst solcher Techniken, die vom
Beeinflussten nicht oder nur teilweise durchschaut werden können.
4. Der Beeinflusste bewahrt dabei das Gefühl, über sein Urteil oder seine
Handlung frei entschieden zu haben, obwohl tatsächlich die Beeinflus-
sungstechnik des Beeinflussenden sein Verhalten determinierte.
Von Manipulation ist dann zu sprechen, wenn alle vier Kriterien erfüllt sind. Ist
auch nur eins dieser Kriterien nicht erfüllt, spricht man von Beeinflussung.
24
Folgt man diesem Manipulationsbegriff, so lassen sich für die Werbung drei
Manipulationsmöglichkeiten identifizieren: subliminale Werbung, getarnte Wer-
bung und verfälschende Werbung. Unter subliminaler Werbung werden Werbe-
techniken verstanden, die unterhalb der Wahrnehmungsgrenze des Rezipienten
liegen. Getarnte Werbung liegt bei Kommunikationsformen vor, die zwar Wer-
bemaßnahmen darstellen, jedoch nicht offensichtlich als solche gekennzeichnet
sind. Beispiele hierfür wären Product Placement (Schleichwerbung) oder redak-
tionell gestaltete Werbeanzeigen. Werbebotschaften, die entweder selektive,
falsche oder irreführende Informationen enthalten, können unter dem Begriff der
verfälschenden Werbung eingeordnet werden.
25
24
Vgl. Rosenstiel, Lutz von: Psychologie der Werbung. Rosenheim 1973, S. 284 f.
25
Vgl. Bohrmann, a.a.O., S. 50 ff.

Das Wesen der Werbung
Seite 11
2.3.2 Werbung weckt Konsumentenwünsche ­ der Dependence Effect
Die Frage, ob Werbeleute die Kunden lediglich über Produkte informieren und
sie somit bei der Befriedigung existierender Bedürfnisse unterstützen sollten,
oder ob Werbung beeinflusst und somit neue Bedürfnisse weckt oder kreiert, ist
ein Thema, das von den Volkswirten Galbraith und von Hayek diskutiert wurde.
Nach Galbraith werde in einer ärmeren Gesellschaft der größte Wert auf die
Produktion von Basisgütern gelegt und es gäbe immer noch unbefriedigte
Nachfrage nach Gütern zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse nach
Essen, Kleidung und Unterkunft. Produktion würde zu jedem Zeitpunkt auf
Nachfrage stoßen und Werbung somit überflüssig machen, da Menschen nicht
überzeugt werden müssten, ein Produkt zu kaufen.
In Überflussgesellschaften hingegen, so Galbraith, gäbe es keine Dringlichkeit
der Bedürfnisse und somit auch keine Dringlichkeit der Produktion. Auf die Si-
tuation, dass alle Grundbedürfnisse der Menschen einer Gesellschaft befriedigt
sind, könne die Industrie nur durch die Weckung von Wünschen, die auf einer
höheren Ebene angesiedelt sind, reagieren. Diese seien nicht angeboren, son-
dern zum einen durch gesellschaftlichen Druck (Neid, Geltungsbedürfnis), zum
anderen durch Werbung erlernt.
In Überflussgesellschaften übersteige die Produktion bei weitem jegliche Nach-
frage, ein Anstieg des Angebots sei jedoch nicht zurückzuführen auf eine stei-
gende Nachfrage. Diese Situation sei eher als ein spiralförmiger Prozess zu
verstehen, in dem Produzenten durch Werbung Konsumenten dazu verleiten,
mehr nachzufragen. Sobald diese Nachfrage erschöpft ist, entsteht neue Nach-
frage nach immer neueren und weniger notwendigen Produkten durch Wecken
neuer Wünsche und Bedürfnisse. Galbraith nennt dieses den Dependence Ef-
fect: die durch Werbung hervorgerufene Abhängigkeit des Konsums von der
Produktion. Werbung sei demnach verantwortlich für eine Fehlallokation von
Ressourcen, da sie hauptsächlich auf die Produktion von Konsumgütern abziele
(und damit auf Steigerung des Unternehmensprofits), jedoch keinen gesell-
schaftlichen Nutzen im Hinblick auf Gesundheit, Bildung und allgemeinem
Wohlergehen schaffe.
26
26
Vgl. Galbraith, John K.: The Dependence Effect. In: Hoffman, Michael W.; Frederick, Robert
E.: Business Ethics. 3. Aufl., New York, NY 1995, S. 405 ff, vgl. auch Chryssides, George;
Kaler, John: Essentials of Business Ethics. Berkshire 1996, S. 129 ff.

Das Wesen der Werbung
Seite 12
Von Hayek stimmt dieser These zu, wenn der Dependence Effect im Sinne ei-
nes Resultats ausgelegt wird, da Menschen in der Tat in bestimmten Bereichen
mit ihren Nachbarn gleichziehen möchten oder ein beworbenes Produkt kaufen,
weil es für sie attraktiv erscheint. Wird der Dependence Effect jedoch als de-
terminierend ausgelegt (d.h. Produzenten haben eine Vorauswahl der Produkte
getroffen, und lassen durch manipulative Werbestrategien den Konsumenten
keine andere Wahl, als dieses Produkt nachzufragen) widerspricht von Hayek
vehement. Konsumenten hätten sehr wohl die Wahl. Natürlich stünde Ihnen ein
breitgefächertes Angebot zur Verfügung und damit auch die Gefahr, Geld in
einer für andere Menschen nicht sinnvoll erscheinenden Weise auszugeben.
Dieses impliziere aber nicht, dass die gekauften Güter für sie keinen Zusatznut-
zen darstellen und somit zur Befriedigung, wenn auch nicht existenzieller, so
dennoch für sie wichtiger Bedürfnisse dienen würden. Von Hayek empfindet
Werbung demnach nicht als Manipulation, sondern als positive Form der Beein-
flussung, welche die Möglichkeiten der Konsumenten, eine freie Wahl zu tref-
fen, unterstützt.
27
2.4 Wahrnehmung und Wirkung von Werbung
Nach oben angesprochener Kommunikationsformel ist der Effekt erfolgreicher
Werbung der Kauf des Produktes und / oder Markenloyalität.
Wenn aber der Empfänger aus dem Medium die Botschaft nicht entnimmt, sie
also bei ihm nicht ankommt, kommt es auch nicht zu Marketingkommunikation ­
die Ziele der Werbung werden nicht erreicht. Es ist demnach essentiell notwen-
dig, dass der Empfänger die Werbung überhaupt wahrnimmt. Zur Wahrneh-
mung gibt es eine Vielzahl von Modellen und Theorien, von denen im nachfol-
genden Abschnitt die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Werbung
Wesentlichen dargestellt werden. Aus ihnen werden in einem nächsten Schritt
strategische Optionen für Werbemaßnahmen abgeleitet, die Hinweise auf Mög-
lichkeiten der gestalterischen Umsetzung geben. Anschließend wird noch auf
die tatsächliche Wirkung von Werbung und die Möglichkeiten, diese zu messen,
eingegangen.
27
Vgl. Hayek, F. A. von: The Non Sequitur of the Dependence Effect. In: Hoffman / Frederick,
a.a.O., S. 409 ff, vgl. auch Chryssides / Kaler, a.a.O., S. 131.

Das Wesen der Werbung
Seite 13
2.4.1 Modelle für die Wahrnehmung von Werbung
Hauptursache für das Nichtankommen einer Werbebotschaft liegt in der Über-
flutung der Empfänger mit Botschaften und Signalen. Nach Schätzungen ist der
Mensch pro Sekunde mit rund 100 Mrd. Bits an Reizen über seine fünf Sinne
konfrontiert, kann davon jedoch nur ca. 100 Bits pro Sekunde bewusst verarbei-
ten. Dies führt unausweichlich dazu, dass gewisse Selektionsmechanismen
greifen.
28
Wahrnehmung sei im Weiteren verstanden als Prozess der Verarbeitung von
Reizen (oder auch Informationen) durch den Empfänger. Sie dient der Redukti-
on, Selektion, Interpretation und Organisation dieser Reize und dauert im All-
gemeinen nur Bruchteile von Sekunden.
29
Im Vordergrund stehen drei Reizkategorien:
· Emotionale Reize: Emotionale Reize sind Schlüsselreize, die üblicherweise
biologisch vorbestimmte Reaktionen im Gefühlsleben einer Person hervorru-
fen. Die Werbung appelliert häufig an Gefühle der Freude oder des Genus-
ses, aber auch der Angst, der Scham und der Schuld.
· Kognitive Reize: Durch Überraschungseffekte oder die Darstellung neuarti-
ger, komplexer, widersprüchlicher und konfliktreicher Situationen stellen
kognitive Reize die Wahrnehmung und das Verständnis des Werberezipien-
ten vor unerwartete Aufgaben oder Gegebenheiten.
· Physische Reize: Hierbei handelt es sich um formale Aspekte von Werbe-
maßnahmen wie Farbe, Größe, Kontrast etc. Bei Broadcast-Werbungen
kommen noch akustische Signale wie Sprache oder Musik dazu.
30
Die Psychologie sieht die Reizverarbeitung vor allem unter dem Gesichtspunkt
der Informationsverarbeitung. Menschen neigen dazu, Informationen eher zu
verarbeiten, wenn sie zu vorhandenen Überzeugungen, Bedürfnissen und Vor-
lieben passen (motivierte Informationsverarbeitung). Informationen beeinflus-
sen, auch wenn sie nicht aufmerksam beachtet werden (beiläufige Reizverar-
beitung).
31
Am Anfang eines Wahrnehmungsprozesses steht immer die Aufmerksamkeit,
die hier verstanden wird als Reizauswahl, also Unterbrechung des permanen-
28
Vgl. Lachmann, a.a.O., S. 11.
29
Vgl. ebd., S. 21.
30
Vgl. Kassebohm, a.a.O., S. 25 ff.
31
Vgl. Felser, a.a.O., S. 33 f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2006
ISBN (eBook)
9783836601399
DOI
10.3239/9783836601399
Dateigröße
658 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft, Anglistik und Amerikanistik
Erscheinungsdatum
2007 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
großbritannien werbung ethik selbstregulation medien kommunikation advertising standards authority
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