Lade Inhalt...

Die Erklärung der Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls durch die Bush-Administration in liberaler Perspektive

©2006 Magisterarbeit 145 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Der Liberalismus identifiziert Interessen als determinierende Faktoren für jegliches Verhalten von Individuen oder Gruppen. Für die Richtungsbestimmung der Außenpolitik eines Staates sind demzufolge die Interessen von denjenigen Akteuren entscheidend, welche mittels finanzieller oder struktureller Überlegenheit oder aufgrund anderer Vorteile ihr Nutzen maximierendes Interesse gegenüber anderen im Gesellschaftssystem existierenden Positionen durchsetzen können.
Vorliegende Arbeit verfolgt die These, dass sich der liberale Ansatz am besten dazu eignet, um die Gestaltung der US-amerikanischen Außenpolitik im Allgemeinen, und im Speziellen die Weigerung des amtierenden Präsidenten George W. Bush, das Zusatzprotokoll von Kyoto mit dem Ziel der Verringerung der globalen THG-Emissionen zur Ratifizierung im Senat vorzulegen, zu erklären. Im Unterschied zu Theorien, in welchen allgemeine gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen im Mittelpunkt stehen, berücksichtigt der Liberalismus die Gegebenheit, dass nur die strukturell mächtigsten organisierten Interessensgruppen ihre Vorstellungen in der Gestaltung der Umweltaußenpolitik durchzusetzen vermögen, wohingegen andere, weniger stark organisierte Gruppen keinen nachhaltigen Einfluss ausüben können. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt daher auf der Bestimmung der relevanten Akteure und ihrer grundsätzlichen Positionen.
Zur Untermauerung der Anwendbarkeit der liberalen Theorie und zum generellen Verständnis des Zustandekommens der US-amerikanischen Umweltaußenpolitik werden die verschiedenen Maßnahmen des Kyoto-Protokolls erläutert, ebenso wie die Haltung der USA zu den jeweils daraus resultierenden nationalen Auflagen, welche auf der Basis der Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro zur Eindämmung der weltweiten Emissionen von CO2 und anderer THG entwickelt wurden.
Anhand einer interpretierenden Auswertung von Stellungnahmen der in die Klimaschutzverhandlungen involvierten Akteure, ihrer vorrangigen Ziele sowie ihrem jeweiligen Gewicht in den Verhandlungen zur Erarbeitung von nationalen und internationalen Klimaschutzmaßnahmen, werden primäre Grundinteressen erörtert sowie die Art und Weise, mittels derer die jeweiligen Interessensgruppen ihren umweltpolitischen Standpunkt zu verbreiten und in Verhandlungen einzubringen suchen.
In einer abschließenden Zeitreihenanalyse von Debatten und Kontroversen zwischen den beiden Häusern des Kongresses und der Regierung werden die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Julia Mai
Die Erklärung der Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls durch die Bush-
Administration in liberaler Perspektive
ISBN: 978-3-8366-0097-2
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland, Magisterarbeit,
2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

1
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung... 3
1.1
Aufbau der Arbeit und angewandte Methode... 6
1.2
Datengrundlage...
12
1.3
Zu erwartende Ergebnisse und Relevanz meiner Arbeit für die
Internationalen Beziehungen ...
12
2 Die Grundkontroverse: Die Ausgangspositionen von Industrieländern und
Entwicklungsländern in der Debatte über das Klimaschutzprotokoll von Kyoto
und die diesem zugrunde liegende Klimarahmenkonvention... 15
3 Funktionsweise des Kyoto-Protokolls: Maßnahmen zur Begrenzung der
globalen CO
2
-Emissionen... 31
3.1
Bubble (Artikel 4 des Kyoto-Protokolls)...
32
3.2
Joint Implementation (Artikel 6 des Kyoto-Protokolls) ...
33
3.3
Clean Development Mechanism (Artikel 12 des Kyoto-Protokolls) ...
37
3.4
Emissionsrechtehandel (Artikel 17 des Kyoto-Protokolls)...
39
4 Der utilitaristische Liberalismus: Der Einfluss gesellschaftlicher Grundinteressen
auf das politische Handeln eines Staates ... 41
5 Die beteiligten Akteure im Prozess umweltpolitischer Entscheidungen... 45
5.1
Politische Akteure...
45
5.1.1
Der Präsident ...
45
5.1.1.1
Allgemeines zum Präsidialsystem der USA...
46
5.1.1.2
Die umweltpolitische Haltung des Präsidenten George W. Bush ...
50
5.1.1.3
Verhalten im und vor dem Wahlkampf...
52
5.1.2
Das Parlament...
56
5.1.3
Der informelle internationale Zusammenschluss JUSSCANNZ ...
61
5.2
Gesellschaftliche Akteure ...
63
5.2.1
Umweltgruppen ...
64
5.2.1.1
Das Climate Action Network ...
64
Sierra
Club ...
65
Greenpeace...
69

2
Friends of the Earth ...
71
5.2.1.2
Fazit: Die Einflussmacht der im CAN agierenden Umweltorganisationen ...
72
5.2.1.3
Verschiedene umweltpolitisch engagierte Organisationen im Vergleich...
75
5.2.2
Wirtschafts-NGOs ...
78
5.2.2.1
Die Global Climate Coalition (GCC) ...
78
5.2.2.2
Der World Business Council for Sustainable Development (WBCSD)...
82
5.2.3
Die konservative Gegenbewegung...
86
6 Die Unterstützung eines umweltpolitisch konservativen Präsidenten
durch Bevölkerung und Parlament... 93
7 Längsschnittbetrachtung von Debatten in den beiden Häusern des Parlamentes ... 101
8 Fazit und Prognose... 113
9 Zusammenfassung... 115
10 Abstract: The Non-Ratification of the Kyoto Protocol by the Administration
of George W. Bush. An Explanation from a Liberal Perspective... 117
11 Abkürzungen... 119
12 Anhänge ... 123
12.1
Kategorisierung von JI-Projekten ...
123
12.2
AIJ-Projekte in CEIT-Ländern...
124
12.3
Ausgewählte, die Umwelt negativ beeinträchtigende Handlungen der
Regierung unter George W. Bush ...
125
12.4
Langzeittrend von Parteispenden der Öl- und Gasindustrie...
126
12.5
Einschätzung der Umweltgesetzgebung in den USA seitens der
US-amerikanischen Bevölkerung...
128
12.6
Selbsteinschätzung der US-amerikanischen Bevölkerung bezüglich der
Bedeutsamkeit umweltfreundlichen Verhaltens...
129
12.7
Bewertung der umweltpolitischen Aktivitäten verschiedener Akteure
durch die US-amerikanische Bevölkerung...
129
12.8
In der Bevölkerung herrschende Priorität der Preisstabilität respektive
des Umwelterhaltes ...
130
13 Literaturverzeichnis ... 131

3
1 Einleitung
Die Wiederwahl George Walker Bushs im November 2004 verursachte nicht nur im Ausland,
sondern auch bei einem Großteil der US-amerikanischen Bevölkerung Erstaunen und Aufre-
gung. Nach seinem umstrittenen Wahlsieg im Jahre 2000, welcher erst durch ein Urteil des
obersten Gerichtshofes der USA, des Supreme Courts, rechtskräftig entschieden wurde, hatte
der US-Präsident bereits in seiner ersten Amtszeit binnen vier Jahren durch seine radikal-
konservative Politik liberale Zugeständnisse und relative umweltpolitische Errungenschaften
seines Vorgängers William Jefferson Clinton revidiert
1
, Wahlaussagen zu seinem Vorteil neu
ausgelegt und die internationale Gemeinschaft mit dem amerikanischen exceptionalism brüs-
kiert.
So verfolgt Bush trotz seiner expliziten Wahrnehmung und Besorgnis angesichts menschlich
verursachter Umweltprobleme statt aktiver Gegenmaßnahmen eine Strategie der verstärkten
wissenschaftlichen Forschung, da Umweltphänomene und deren mögliche Bekämpfungswei-
sen angeblich nicht hinreichend erforscht, Zukunftsszenarien allenfalls hypothetisch und
wirksame Gegenmaßnahmen daher nicht möglich seien.
2
Bereits ein Jahr nach der erstmaligen Wahl Bushs zum Präsidenten konstatierte Philip Shabe-
coff (2003: 244), dass das umweltpolitische Verhalten des Präsidenten nicht seiner ,,grünen"
Rhetorik entspreche.
,,[...] [T]he layers of environmental protection built up over recent decades are, in
the early years of the twenty-first century, being torn systematically away by the
Bush administration and its allies in the Congress"
(Shabecoff 2003: 274).
1 So verhinderte laut Shabecoff (2003: 274f) George W. Bush unmittelbar nach Beginn seiner Amtszeit die
Implementation einer Reihe von umweltpolitischen Aktionen, welche Präsident Clinton in den letzten Monaten
seiner Amtszeit unterstützt hatte, unter anderem striktere Regelungen gegen Luftverschmutzung. Darüber hinaus
habe er massive Streichungen in den Budgets für Umweltprogramme vorgenommen, wohingegen Strafen und
Sanktionen für umweltschädigendes Verhalten und die Missachtung von Antiverschmutzungsgesetzen gemildert
worden seien.
Dass die Umweltpolitik der Clinton-Regierung, welche besonders in den letzten Monaten seiner Amtszeit ein-
setzte und dagegen in der Mitte der Wahlperiode kaum erwähnenswerte Ergebnisse hervorbrachte, keineswegs
unumstritten war und sogar den Interessen von Umweltschützern zuwiderlaufende Gesetze unterstützte, betonen
Dilworth (1996) sowie Hove (1997). So habe Clinton beispielsweise den Vorschlag einer bundesweiten Ben-
zinsteuer ebenso fallen gelassen wie die Erhöhung des vorgeschriebenen Standards für fossile Brennstoffe (Dil-
worth 1996, siehe auch CAN 1997b).
2 Eine Übersicht der von George W. Bush im Jahre 2002 proklamierten Strategie zur Bekämpfung der globalen
Erwärmung bietet die Webseite des Weißen Hauses (The White House 2002) sowie Bushs Aussage zur Ein-
schätzung der Klimaproblematik (Bush 2001a).

4
Spätestens mit seiner Bestätigung der Absage an das Klimaschutzprotokoll von Kyoto
3
, wel-
ches die Rahmenkonvention vom Klimagipfel in Rio de Janeiro 1992 präzisiert und dessen
mehrheitliche Ratifizierung ihre Implementierung einleitet, zeigte sich die starke Position,
welche den Präsidenten dazu befähigt, seine Politik auch gegen den Willen eines Großteils
der Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen. So bemerkte German-
watch im Kontext des G8-Gipfeltreffens im Jahre 2005:
,,Nach wie vor ist es [...] immer wieder die amerikanische Bundesregierung unter
George W. Bush, die gemeinsame internationale Vereinbarungen zu effektivem
Klimaschutz in Frage stellt. Bekanntlich lehnt sie das Kyoto-Protokoll ab. In der
Vorbereitung des G8-Gipfels sickerte in den letzten Wochen durch, dass auf
Drängen der USA der Verhandlungstext zumindest zwischenzeitlich deutlich
verwässert wurde"
(Germanwatch 2005).
Doch angesichts der weltweiten Konsequenzen des Klimawandels in Form der globalen Er-
wärmung und daraus resultierender Implikationen für ein erfolgreiches Gegensteuern durch
die internationale Gemeinschaft stellt sich die Frage, inwieweit ein autarkes Handeln der Ver-
einigten Staaten ­ und parallel dazu eine effiziente internationale Klimapolitik ohne die USA
- möglich ist. Darüber hinaus ist zu ergründen, welche Motive eine von Erdöl und anderen
natürlichen Rohstoffen abhängige Nation wie die USA dazu bewegen, einen solch rigorosen
Widerstandskurs gegen das internationale Abkommen zu verfolgen, das den langfristigen Er-
halt nicht erneuerbarer Energiequellen für Nachfolgegenerationen ­ auch die der USA - si-
chern soll (Vgl. Armitage 2005: 423).
Auswirkungen von Naturkatastrophen, welche in Gestalt von extremen Überschwemmungen,
Verwüstungen und damit einer generellen Verarmung der Bevölkerung bereits durch gering-
fügige Veränderungen der globalen Durchschnittstemperatur auftreten können, beträfen ins-
besondere die finanziell und materiell kaum abgesicherten Bevölkerung der Entwicklungslän-
der. Denn verheerende Konsequenzen verursachte eine Erwärmung des globales Klimas und
das daraus resultierende Abschmelzen der Polkappen insbesondere in den zahlreichen tiefer
gelegenen Küstenländern, da ein damit verbundener Anstieg des Meeresspiegels den Bewoh-
nern zahlreicher Meeresanrainerstaaten Lebensgrundlage entzöge und sie materiell und men-
tal in großes Elend stürzte.
4
3 Anmerkung: Der japanische Ort Kyoto wird in einigen deutschsprachigen Literaturquellen ,,Kioto" geschrie-
ben. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird in dieser Arbeit durchgehend die englische Schreibweise ver-
wendet und bei Abweichungen in der deutschsprachigen Literatur die Schreibweise der englischen angepasst.
4
Prognosen zu erwartender Umweltkonsequenzen angesichts verschiedener theoretischer Erwärmungsszenarien
bietet das Climate Action Network (CAN 2002).

5
Aus diesem Grunde teilen 42 zur Gruppe der 1990 gegründeten Alliance of Small Island Sta-
tes (AOSIS) zusammengeschlossene Entwicklungsländer
5
die Haltung derjenigen an binden-
den Klimaschutzmaßnahmen interessierten Staaten, welche sich für verschärfte, zeitlich de-
terminierte Emissionsbegrenzungsverpflichtungen einsetzen.
Damit stehen sie den wirtschaftswachstumsorientierten Interessen der zu Beginn geschilderten
Entwicklungsländer ebenso abgeneigt gegenüber wie diejenigen Industrieländer, welche die
menschliche Verantwortung gegenüber den Folgegenerationen anzunehmen bereit sind. Auch
angesichts der Gefahr anfänglicher wirtschaftlicher Rückschläge beabsichtigen sie konkrete
Schritte hin zu einem Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe, zu umweltfreundli-
chen Produktionsweisen, zu freiwilligen internen Umweltstandards wirtschaftlicher Unter-
nehmen, zu grenzübergreifenden Verpflichtungen und in Richtung des Endziels der nachhal-
tigen Entwicklung zu unternehmen. Dabei verfolgen sie insbesondere die Erarbeitung und
Implementierung definitiver, zeitlich festgelegter bi- oder multilateraler Abkommen über Re-
gelungen zur Emissionsverminderung.
Doch ohne die Teilnahme eines der größten Emittenten von Treibhausgasen (THG) an einem
verbindlichen Abkommen erschien eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Erwärmung
lange Zeit als unmöglich.
6
Der gegenwärtige Stand der Literatur weist größtenteils eine Konzentration auf den naturwis-
senschaftlichen Aspekt der Auswirkungen von THG in der Atmosphäre auf und untersucht
mögliche Zukunftsszenarien unter Einhaltung der Prämissen des Kyoto-Protokolls, ohne hin-
reichend auf die Beweggründe der einzelnen nationalen und internationalen Akteure einzuge-
hen.
Daher soll meine Arbeit aufzeigen, welche Motive die Akteure im internationalen Klima-
schutz zu ihren Entscheidungen für oder gegen eine nationale Verpflichtung zu determinierten
Emissionsreduktionen bewegt haben, insbesondere, weshalb die Regierung der von den Im-
porten fossiler Brennstoffe abhängige Wirtschaftsnation der Vereinigten Staaten verbindliche
Reduktionszusagen und eine Ratifizierung des diese festlegenden Kyoto-Protokolls konse-
quent verweigert.
5
Nach Oberthür und Ott (2000: 54) besteht die Gruppe der AOSIS-Staaten aus folgenden Staaten:
Amerikanisch-Samoa, Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Cook-Inseln, Dominica, Fidschi,
Föderierte Staaten von Mikronesien, Grenada, Guam, Guinea-Bissau, Guyana, Jamaika, Kap Verde, Kiribati,
Komoren, Kuba, Malediven, Malta, Marshall-Inseln, Mauritius, Nauru, Niederländische Antillen, Niue, Palau-
Inseln, Papua-Neuguinea, Samoa, Saint Christopher and Nevis, Saint Lucia, Saint Vincent and the Grenadines,
São Tomé und Príncipe, Salomon-Inseln, Seychellen, Singapur, Surinam, Tongo, Trinidad und Tobago, Tuvalu,
Vanuatu, Virgin Islands of the United States, Zypern.
6
Die Bedeutsamkeit einer Beteiligung der USA an verbindlichen Reduzierungsverpflichtungen bestätigt die
Analyse verschiedener Studien hinsichtlich eines Klimaschutzabkommens mit respektive ohne die USA (Buch-
ner et al. 2002: 9f).

6
Dabei verfolge ich die These, dass die Position der USA am plausibelsten mit Hilfe der libera-
len Theorie interessengeleiteten Verhaltens erklärt werden kann. Meiner Annahme zufolge
sind diejenigen Interessen für die nationale umweltpolitische Richtungsbestimmung aus-
schlaggebend, welche sich im US-amerikanischen Gesellschaftssystem aufgrund besonderer
Charakteristiken wie große personelle Ressourcen, Finanzmittel, oder einen hohen Organisa-
tionsgrad, gegen alternativ existierende Positionen zu behaupten vermögen.
1.1 Aufbau der Arbeit und angewandte Methode
Da die Privilegierung der Entwicklungsländer hinsichtlich bindender Verpflichtungen aus
oben angeführten Gründen unabdingbar ist, untersuche ich als abhängige Variable mittels
einer interpretativen Analyse ausgewählter Publikationen und Äußerungen der entscheiden-
den Akteure die unnachgiebige Haltung des amtierenden US-Präsidenten George W. Bushs
hinsichtlich einer Verpflichtung der USA zu festgelegten Emissionsreduktionen und generell
einer engagierten Teilnahme der USA an einem verbindlichen internationalen Klimaschutz-
abkommen.
7
Zunächst gebe ich einen kurzen Überblick über den Inhalt des Klimaschutzregimes von Rio
de Janeiro aus dem Jahre 1992, welches als Grundlage für die folgenden Klimaschutzverhand-
lungen dient und mehr oder minder verbindliche Richtlinien für mögliche Handlungsoptionen
der beteiligten Staaten vorgibt. Darauf aufbauend erläutere ich im zweiten Kapitel die Grund-
problematik, welche sich aus der US-amerikanischen Verweigerungshaltung zum internatio-
nalen Klimaschutzprotokoll von Kyoto ergibt. Da die USA nicht nur hinsichtlich des Ener-
gieverbrauchs, sondern auch hinsichtlich ihrer CO
2
-Emissionen eine Führungsposition ein-
nehmen, schien deren Teilnahme für die effiziente Umsetzung einer globalen klimapolitischen
Strategie lange Zeit unabdingbar.
Daran anschließend skizziere ich in Kapitel drei die möglichen Handlungsalternativen, welche
das Kyoto-Protokoll zur Verbesserung der Emissionswerte der teilnehmenden Staaten vor-
sieht. Da ihre Ausgestaltung maßgeblich ein eventuelles Einlenken der USA beeinflusst, gehe
7
Die Unterzeichnung des Rahmenübereinkommens zum Klimaschutz werte ich nicht als Zugeständnis der USA
an den internationalen Klimaschutz, da dieses zwar allgemeine Richtlinien setzte und durch Artikel 4.5 die Ver-
tragsparteien von Annex II zur Unterstützung von Entwicklungsländern in Gestalt von Technologie- und Wis-
senstransfers aufforderte, jedoch keinerlei verbindliche präzise Aussagen zu nationalen Aufgaben und Pflichten
festsetzte. Vielmehr wurde lediglich der später noch zu präzisierende Handlungsbedarf festgestellt, die Bekämp-
fung der konstatierten Probleme jedoch auf später folgende, von den beteiligten Ländern separat zu ratifizierende
Protokolle verschoben ­ wie das Abkommen von Kyoto, dessen Ratifizierung die USA bis heute verweigern.

7
ich dabei ebenfalls auf die jeweilige Haltung und die Erwartungen ein, welche die Vereinigten
Staaten zu den einzelnen Bestimmungen einnehmen.
Im Anschluss daran skizziere ich im vierten Kapitel die Grundannahmen und grundlegende
Aussagen des utilitaristischen Liberalismus, welcher nationale und supranationale Grundinte-
ressen als determinierende Faktoren für jegliches Handeln identifiziert und demzufolge auch
außenpolitisches Agieren auf das Verfolgen dieser jeweiligen Interessen zurückführt. Des
Weiteren prüfe ich, inwieweit die Unterstellung des politischen Liberalismus eines rein ratio-
nalen Verhaltens von Staaten und eine ausschließlich von nationalen Interessen geleitete Poli-
tikgestaltung auf die Problematik des internationalen Klimaregimes zutreffen. Ich verfolge die
These, dass sich diese Theorie besonders zur Interpretation der US-amerikanischen Verweige-
rungshaltung im Klimaschutzbereich eignet, da im Bereich des Umweltschutzes die grundle-
gende Ausgangspositionen von Wirtschaft und Umwelt - trotz gegenteiliger Ausnahmen -
besonders deutlich divergieren. Darüber hinaus kann das Zusammenspiel der unterschiedlich
zu verortenden Interessen von wirtschaftspolitischen im Vergleich zu umweltpolitisch enga-
gierten Akteuren sowie die aus diesem Interessenskonflikt resultierende Problematik mittels
der liberalen Grundannahme von die Handlungen egozentrischer Akteure leitenden Interessen
erklärt werden.
Die Klimaschutzpolitik ist angesichts der drohenden globalen Erwärmung und deren Auswir-
kungen sowie der Notwendigkeit international koordinierter Gegenmaßnahmen ein Bereich
der internationalen Beziehungen, in welchem die Interessen der an den Klimaschutzverhand-
lungen maßgeblich beteiligten Akteure hinsichtlich nationaler ökonomischer Auswirkungen
eine ebenso tragende Rolle spielen wie die ­ berechtigte - Furcht vor negativen lokalen, regi-
onalen und globalen Konsequenzen bei einer Fortsetzung unzureichend geregelter Umwelt-
auflagen.
Um das klimapolitische Verhalten der USA zu verstehen und die ablehnende Haltung der US-
Administration unter dem republikanischen Präsidenten Bush nachzuvollziehen ­ welche sich
teilweise mit derjenigen seines demokratischen Vorgängers Clinton
8
und sogar der von Bush
8
Trotz einer Haltung, die Umweltthemen gegenüber aufgeschlossen und eine aktive Umweltpolitik befür-
wortend gilt, bezweifelte Clinton während seiner Amtszeit als Präsident die Korrektheit wissenschaftlicher Erk-
enntnisse zum Klimaschutz und unternahm auch nach dem zweiten IPCC-Bericht des Jahres 1995, welcher den
1992 erschienenen Appell von 1700 prominenten Wissenschaftlern zu dringendem Handlungsbedarf bestätigte,
wenig auf dem Gebiet des Klimaschutzes (Vgl. Armitage 2005: 423; Dilworth 1996; Hove 1997).
,,During their 1996 reelection campaign, President Clinton and Vice President Gore repeated the mantra `Medi-
care, education, and the environment´ in virtually every speech, seeming to elevate the environment to the top of
their national agenda. Yet their administration was criticized sharply for lack of courage and initiative on the
environmental front" (Shabecoff 2000: 112).
Ebenso wie sein Nachfolger George W. Bush verwendete Clinton die für den Klimaschutz bereitgestellten Mittel
insbesondere zur wissenschaftlichen Forschung durch diverse eigens gegründete Gremien, ohne dass den er-

8
senior deckt - ist es somit nötig, die relevanten an politischen Entscheidungen beteiligten Ak-
teure im politischen System der USA zu identifizieren. Diese nationalen und internationalen
Akteure und ihre jeweilige Prioritäten sind mitbestimmend für die Entscheidungen der US-
Regierung und werden ihrerseits von Interessensgruppen und Lobbys beeinflusst.
Daher untersuche ich im fünften Kapitel diese Akteure, ihre Interessen, Grundpositionen und
Argumentationsmuster, sowie ihr machtpolitisches Gewicht bei der nationalen Gesetzgebung
und der Teilnahme an internationalen Verträgen.
Darüber hinaus sollen deren Grundinteressen und Motivationen aufgezeigt werden, um eine
realistisch-rationale oder eine vom US-amerikanischen Selbstbild als souveräne Großmacht
im Sinne des American exceptionalism geprägte Handlungserklärung auszuschließen.
Der erste Teil des fünften Kapitels beschäftigt sich mit den richtungsbestimmenden politi-
schen Akteuren in der Klimaschutzgesetzgebung (Kapitel 5.1). Ich befasse mich mit allge-
meinen Eigenschaften des US-amerikanischen Präsidentenamte, der Funktion des Präsidenten
bei der Gesetzgebung sowie mit seiner generellen politischen Macht im amerikanischen Sys-
tem der Gesetzesgestaltung und in der allgemeinen Richtungsbestimmung der Politik. Vor
diesem Hintergrund betrachte ich dann die Position von George W. Bush und seine klimapoli-
tische Haltung. Besondere Aufmerksamkeit widme ich dabei dem Ablauf US-amerikanischer
Wahlkämpfe und deren Finanzierung.
Daran anknüpfend untersuche ich den Einfluss des US-amerikanischen Parlamentes, der Prob-
lematik eines split government sowie der generellen Fragmentierung amerikanischer politi-
scher Institutionen auf die Richtungsbestimmung der Umweltpolitik.
Dabei prüfe ich die klimapolitische Stimmungslage im Kongress, dessen allgemeine Abhän-
gigkeiten und Vetomöglichkeiten gegenüber präsidialen Beschlüssen und Erlässen, sowie die
Interessen und Motive, welche die politischen Entscheidungen der Kongressabgeordneten
determinieren. Meiner These zufolge sind besonders die alle zwei Jahre stattfindenden Wah-
len zum Repräsentantenhaus sowie der zweijährlich per Wahl durch die amerikanische Be-
völkerung stattfindende Austausch eines Drittels der Senatoren maßgeblich verantwortlich für
die jeweilige Entscheidungsfindung der Abgeordneten als einzelne Akteure, welche aus eben-
brachten Resultaten und klimawissenschaftlichen Fakten eine Erarbeitung entsprechender Aktionspläne folgte
(Holtrup o.J.: 204).
Bereits vor den Klimaverhandlungen in Kyoto hatte der Senat mit 95 zu null gegen jeglichen Vertrag, welcher
nicht auch von den Entwicklungsländern signifikante Emissionsreduktionen verlangt, gestimmt. Dies signalis-
ierte Clinton die Unmöglichkeit, im Senat einen zustimmenden Konsens zum Kyoto-Protokoll zu erreichen,
weshalb er diesem den Kontrakt nie zur Ratifizierung vorlegte.
Ein US-amerikanisches Engagement in der internationalen Klimapolitik ist demzufolge nicht erst mit der Am-
tsübernahme George W. Bushs in den USA von der politischen Agenda weitgehend verschwunden, obgleich
dieser den Kurs seiner Amtsvorgänger fortsetzt.

9
diesem Grund ,,alle ausgeprägte Individualisten" mit eher lokalpolitischer Orientierung und
an guten Wählerbeziehungen interessiert sind (Lösche o.J.d: 31f). Für die Annahme des Kyo-
to-Protokolls in den USA ist eine Zweidrittelmehrheit im Senat, welche durch den Widerstand
der größtenteils regionalpolitisch orientierten Senatoren verweigert wurde, aber zwingend
erforderlich.
Die Einstellung entgegen den Interessen klimapolitisch engagierter Staaten wurde in den Ver-
handlungen insbesondere durch den informellen Zusammenschluss mehrerer Länder zur
Gruppe JUSSCANNZ
9
vertreten. Daher wird dieser wichtigste Antagonist eines internationa-
len Klimaschutzabkommens (Oberthür/Ott 2000: 44) als weiterer bedeutender politischer Ak-
teur untersucht, ebenso wie die verschiedenen Motive der anderen JUSSCANNZ-Staaten für
eine Mitgliedschaft in der Oppositionsgruppe zu den klimaschutzpolitisch engagierten Län-
dern.
Anschließend widme ich mich im zweiten Teil des fünften Kapitels verschiedenen nationalen
und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), welchen in den Kyoto-Verhand-
lungen und im Umfeld derselben eine bedeutende Rolle bei der Meinungsbildung und Kon-
sensfindung sowie bei der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Daten zukommt
und die somit ebenfalls zu den unabhängigen Variablen meiner Analyse zählen. Gleichzeitig
zählen NGOs als direktes Lobbying betreibende Gruppen durch ihre Mitwirkung an der Mei-
nungsbildung in der Bevölkerung auch zu den intervenierenden Variablen.
Neben Umweltorganisationen konzentriert sich meine Untersuchung insbesondere auf wirt-
schaftliche Organisationen und dem nicht zu unterschätzenden Einfluss konservativer Think
Tanks, welche mittels eigener Studien und Wissenschaftsexperten kontinuierlich die Erkennt-
nisse der Klima- und Umweltforschung zu untergraben suchen.
Zunächst prüfe ich die Motivationen und Interessen von größtenteils non-profit orientierten
NGOs außerhalb der Wirtschaft, namentlich Greenpeace, Friends of the Earth (FoE), Sierra
Club und Climate Action Network (CAN).
Anschließend untersuche ich die Positionen verschiedener wirtschaftlicher Akteure, sowohl
ausschließlich amerikanischer Wirtschaftsgruppen als auch transnational operierender Kon-
zerne und Unternehmen. Darüber hinaus beurteile ich den Einfluss der - eigens aufgrund der
Klimaproblematik und der damit verbundenen zu befürchtenden wirtschaftlichen Einbußen
und Souveränitätsverluste gegründeten - Global Climate Coalition (GCC). Dieser internatio-
nale Zusammenschluss von Befürwortern eines freien, sich selbst regulierenden Marktes mit
9
Der Umweltschutzmaßnahmen opponierende Zusammenschluss JUSSCANNZ besteht aus den Ländern Austra-
lien, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, und den USA, und wird in Kapitel 5.1.3 detaillierter dar-
gestellt.

10
geringstmöglichen Staatsinterventionen löste sich 2002 auf. Gemäß meiner These der Hand-
lungsbestimmung durch Interessen fand die Auflösung mutmaßlich vor dem Hintergrund
statt, dass die Forderungen der GCC durch die Haltung der Bush-Regierung und die von die-
ser verfolgten Strategie des relativen Laisser-faire im klimaschutzpolitischen Bereich weitge-
hend erfüllt waren, und den GCC-Mitgliederstaaten damit ihre gemeinsame Interessensbasis
entzogen worden war.
Diese den Klimaschutz größtenteils ablehnende Gruppe konterkariere ich mit der Darstellung
des World Business Council on Sustainable Development (WBCSD), einer ebenfalls im Wirt-
schaftsbereich zu verortenden Gruppe, deren Mitglieder jedoch Unternehmen sind, welche
sich für umweltverträgliche Produktions- und Arbeitsmethoden einsetzen. Im Unterschied zur
GCC sind die beteiligten Unternehmen zwar ebenfalls wachstums- und profitorientiert, ver-
folgen dabei aber eine Strategie der Nachhaltigkeit und der maximalen Substitution fossiler
Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen.
Zum Abschluss des fünften Kapitels erfolgt eine Prüfung der Einflussmacht der konservativen
Gegenbewegung, welche mit Hilfe organisationsinterner Wissenschaftler, Studien und Publi-
kationen rechtskonservativer Think Tanks sowie mittels finanzieller Unterstützung insbeson-
dere republikanischer Politiker ihre Interessen im Parlament durchzusetzen und die Bevölke-
rung zu beeinflussen sucht.
Des Weiteren ist das Meinungsklima innerhalb der Bevölkerung und deren Beurteilung der
umweltpolitischen Richtungsbestimmung der Regierung in der Präsidialdemokratie der Ver-
einigten Staaten ein möglicher, die Klimaschutzverhandlungen beeinflussender Faktor. Da
insbesondere die Wahrnehmung des Präsidenten nachhaltig von der tagesaktuellen Medienbe-
richterstattung beeinflusst und mitbestimmt wird, beschäftige ich mich im sechsten Kapitel
mit dem Einfluss und dem Inhalt von in der US-amerikanischen Bevölkerung bestehenden
Meinungen und Wertesystemen, erschaffen und verstärkt durch die amerikanischen Medien.
Dabei gehe ich auf das Verhalten der Wahlbevölkerung bei den Präsidentschaftswahlen 2000
und 2004 ein und widme mich dem Paradoxon, dass der republikanische, strikte umweltpoliti-
sche Maßnahmen weitgehend ablehnende Präsident Bush trotz steigenden Umweltbewusst-
seins innerhalb der US-amerikanischen Bevölkerung seine Präsidentschaft in einer zweiten
Amtsperiode fortsetzen kann.
10
10
So erkenne die allgemeine Öffentlichkeit in den USA die Dringlichkeit des Problems globaler Erwärmung und
die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen an und sei sogar zu Verhaltensänderungen hin zu einem umwelt-
freundlicheren Lebensstil bereit ­ auch angesichts damit möglicherweise verbundener Einbußen ihrer persönli-
chen Lebensqualität (Brechin/Freeman 2004: 18).

11
Um die Annahme zu untermauern, dass die umweltpolitische Position einer Regierung im
Allgemeinen und speziell die klimaschutzpolitische Haltung der Bush-Administration auf
deren Interesse an Wiederwahl und Machterhalt und ­ausbau zurückzuführen ist, prüfe ich
anhand diverser Studien die Meinungslage bezüglich umweltpolitischer Maßnahmen, welche
innerhalb der Bevölkerung festzustellen ist.
Diese vergleiche ich im siebten Kapitel mit Reaktionen in Parlament und Regierung, indem
ich mich mit Debatten und Kontroversen in den beiden Häusern des US-amerikanischen Par-
lamentes sowie zwischen den verschiedenen Regierungsbehörden beschäftige. Anhand einer
Zeitreihenanalyse verbinde ich die jeweilige Position verschiedener Abgeordneter und Regie-
rungsmitglieder mit deren dominierenden Interessen und Forderungen, um die liberale These
interessendeterminierten Verhaltens anhand konkreter Beispiele zu untermauern.
Der Zeitraum meiner Arbeit ist aufgrund aktueller Ereignisse - unter anderem die Klimakon-
ferenz von Montreal im November 2005 mit beobachtender Teilnahme der USA - nicht ein-
deutig auf die Verhandlungen in Kyoto und die unmittelbar vorhergegangenen Aktivitäten der
beteiligten Akteure zu begrenzen, der Schwerpunkt liegt jedoch dennoch auf den Geschehnis-
sen im Zusammenhang mit dem Kyoto-Prozess 1997.
Für die Prognose hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens ­ und eines eventuellen Einlenkens
- der USA in den internationalen Klimaschutzverhandlungen sind aktuelle Daten und nationa-
le Vorgänge unabdingbar. So beeinflussten beispielsweise die Terroranschläge des 11. Sep-
tember 2001 sowie die damit verbundenen militärischen Aktionen gegen Afghanistan und den
Irak das Meinungsbild in den USA bezüglich der Wichtigkeit klimapolitischer Handlungen
und die Unterstützung der aktuellen Regierung wesentlich.
Daher werden in die Untersuchung der Stimmungslage in den USA neben langfristig vorherr-
schenden Interessen und Meinungen auch Daten und Ereignisse bis einschließlich 2004 sowie
Berichte und Stellungnahmen bis 2006 einbezogen.
11
11
Zwar deutet die Öffentlichkeit häufig den Irak-Krieg und die Prioritätensetzung US-amerikanischer Außenpoli-
tik als Begründung für die Verweigerungshaltung Bushs. Aufgrund der zeitlichen Unstimmigkeiten ­ das Kyoto-
Protokoll datiert von 1997, der Kampf gegen den internationalen Terrorismus hingegen begann erst mit den
Ereignissen des 11. September 2001 ­ kann diese Rechtfertigung der amerikanischen ablehnenden Haltung al-
lenthalben als nachträgliche Legitimierung betrachtet werden, indem sich Bush als machtvolle Führungsfigur
profilieren konnte. Die Befürwortung seiner Politik angesichts des internationalen Terrorismus seitens der Be-
völkerung bewirkte eine generelle Aufwertung seines Ansehens, so dass auch unliebsame Entscheidungen in der
Klimapolitik vom amerikanischen Volk im Nachhinein in Kauf genommen wurden. Die Bedeutsamkeit der An-
schläge am 11. September 2001 für die Beurteilung des US-amerikanischen Präsidenten und seiner Politikgestal-
tung betont Petra Holtrup (o.J.: 211-215). So sei George W. Bush noch im Sommer 2001 angesichts des wach-
senden Unmutes in der Bevölkerung und im Kongress zu diversen umweltschutzpolitischen Schritten bewegt
worden. Das Verantwortungsbewusstsein hinsichtlich umweltpolitischer Maßnahmen erlitt jedoch nach den
Ereignissen des 11. Septembers ,,einen jähen Rückschritt" und ließ das Interesse der US-amerikanischen Bevöl-
kerung beispielsweise an der 2002 stattfindenden Conference of the Parties (COP) in Marrakesch rapide abneh-
men (Holtrup o.J.: 211).

12
1.2 Datengrundlage
Im empirischen Teil meiner Untersuchungen stütze ich mich auf Daten und Publikationen der
an den Klimaschutzverhandlungen beteiligten Akteure. Neben den Webseiten der betreffen-
den US-amerikanischen politischen Institutionen sowie derer verschiedener NGOs verwende
ich Materialien wie Broschüren, Artikel und Presseerklärungen, die diese NGOs im Umfeld
der Klimaschutzkonferenz in Kyoto und nachfolgender Klimaschutzverhandlungen publizier-
ten.
Des Weiteren interpretiere ich diverse Studien über die amerikanische Bevölkerung, welche
den Stellenwert einer amerikanischen Beteiligung an internationalen Klimaschutzmaßnahmen
sowie den generellen Stellenwert des Umweltschutzes in der US-amerikanischen Bevölkerung
und die Veränderung der Bedeutsamkeit desselben im Zeitverlauf untersuchten.
1.3 Zu erwartende Ergebnisse und Relevanz meiner Arbeit für die Inter-
nationalen Beziehungen
Die internationalen Beziehungen werden zunehmend von ökologischen Problemen überschat-
tet, deren Ausmaß und Gewichtigkeit internationale Abkommen und Kooperationen unab-
dingbar machen. Offensichtlich wird dieser Handlungsdruck im Bereich der drohenden globa-
len Erwärmung, verursacht durch menschliche Eingriffe in natürliche Reproduktionsprozesse,
den übermäßigen Verbrauch nicht erneuerbarer Energiequellen in Gestalt fossiler Brennstoffe,
und die damit verbundene Überlastung der natürlichen Reproduktionsfähigkeit. Wie Ken
Conca und Geoffrey D. Dabelko (1998a: 3) feststellten, laut denen die menschliche Verände-
rung der Umwelt als weltweites Problem generell akzeptiert werde, spielen sich die ,,Dramen
der Umweltpolitik" zunehmend auf einer globalen Bühne ab. An anderer Stelle bemerken
Conca und Dabelko (1998c: 75):
,,Most large-scale environmental problems cross national borders; many are tied
to global systems, such as the atmosphere and oceans, that are beyond the control
of individual states".
In meinen Untersuchungen komme ich zu dem Schluss, dass Umweltschutz im Allgemeinen
und insbesondere die Beteiligung an internationalen Klimaschutzmaßnahmen trotz zuneh-
mender Befürwortung seitens der amerikanischen Bevölkerung von der US-amerikanischen
Regierung als politisch dringlicher Handlungsbereich weitgehend vernachlässigt wird. Auf-

13
grund des bedeutenden finanziellen und politischen Einflusses wirtschaftlicher Akteure wer-
den die Prioritäten des US-Präsidenten weitgehend von ökonomischen Interessen geleitet.
Eventuell auftretendem und wachsendem Unmut in der Bevölkerung wird dabei mit einer
veränderten Schwerpunktsetzung auf andere, die Klimaschutzthematik in den Hintergrund
drängende sicherheits- und wirtschaftspolitische Themen und Maßnahmen begegnet.
Solange Korporatismus und Lobbying in den USA auf dem momentan vorliegenden hohen
Niveau andauern, wird es Großkonzernen, Wirtschaftsgruppen und anderen industriellen or-
ganisierten Interessen weiterhin gelingen, großen Einfluss auf politische Institutionen und
Entscheidungsträger auszuüben, ihre wachstumsorientierten Interessen durchzusetzen und in
der Folge die Beteiligung der USA an einem effizienten internationalen Klimaschutz zu ver-
hindern. Eine erfolgreiche internationale Klimaschutzpolitik mit Beteiligung der USA kann
nur erfolgen, wenn sich die verschiedenen Ströme der US-amerikanischen Umweltbewegung
unter Beteiligung anderer sozialer Bewegungen organisiert und eine den wirtschaftlichen Inte-
ressengruppen vergleichbare Machtposition einnimmt. Als positiver Aspekt der Klimaschutz-
verhandlungen ist neben der zunehmenden veränderten Wertorientierung zugunsten des Um-
weltschutzes ­ auch aufgrund der Wahrnehmung einer nationalen und persönlichen Betrof-
fenheit ­ der wachsende Druck zu deuten, den die internationale Gemeinschaft wegen der
zunehmenden Isolierung der USA in den internationalen Klimaschutzverhandlungen ein-
nimmt.
12
Je geschlossener die internationale Gemeinschaft die Bekämpfung der globalen Er-
wärmung durch Eindämmung der weltweiten Emissionen von THG verfolgt, und je mehr von
den ehemals mit den USA in ihren Bemühungen um eine Liberalisierung des Welthandels
und eine Lockerung von Umweltschutzauflagen verbündeten Ländern dem Klimaschutzpro-
tokoll von Kyoto und dessen Implikationen zustimmen, desto schwieriger wird es für die
USA, ihre nationalstaatszentrierte Position aufrechtzuerhalten.
12
Zwar hatten sich die USA schlussendlich zur Wiederaufnahme von Klimaschutzverhandlungen bereit erklärt
und an der COP 11 in Montreal im November 2005 teilgenommen. Dies geschah jedoch nicht mit der Absicht,
das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren, sondern um separate Konditionen und Abkommen für die USA auszuhan-
deln. Wie Mathias Duwe, Direktor des europäischen CAN, betonte, verfolge ,,[the EU presidency] a fairy tale
ending with the Bush administration that does not exist." (zitiert nach CAN Europe 2005).
Das CAN zeigte sich besorgt angesichts der Tatsache, dass die USA durch ihr Beharren auf einem Abkommen
außerhalb des Kyoto-Protokolls jegliche Art von tatsächlichem Fortschritt behindern könnten und ihre dies-
bezüglichen Absichten explizit verkündet habe (CAN Europe 2005 sowie CAN o.J.).
Wie bei der COP 10 in Buenos Aires im Dezember 2004 beschlossen, waren die USA bei den Verhandlungen in
Montreal darüber hinaus lediglich als Beobachter anwesend und nicht als teilnehmende Gruppe, so dass eine
verpflichtende Einbeziehung der USA in den internationalen Klimaschutz in absehbarer Zeit nicht zu erwarten
ist (Ott et al. 2005: 91).


15
2
Die Grundkontroverse: Die Ausgangspositionen von Industrie-
ländern und Entwicklungsländern in der Debatte über das Kli-
maschutzprotokoll von Kyoto und die diesem zugrunde liegen-
de Klimarahmenkonvention
Seit Beginn der Arbeit des von der UN-Generalversammlung im Jahre 1990 eingesetzten In-
tergovernmental Negotiation Committee for a Framework Convention on Climate Change
(INC), welches sich mit den vermehrten Warnungen vor der Konzentration bestimmter Gase
in der Atmosphäre und einem daraus eventuell resultierenden weltweiten Anstieg der Durch-
schnittstemperatur auseinandersetzt, zeichnete sich ein Interessenkonflikt zwischen den In-
dustrieländern und den Entwicklungsländern ab. Nach Martin Khor, dem Leiter des Third
World Network, liegt die mangelnde Umsetzung der Ziele der Klimarahmenkonvention von
Rio am ,,rivalisierenden starken Paradigma der Globalisierung" (zitiert nach Speth 2005:
170). Die wirtschaftlichstarken Länder unterstützten dieses Paradigma unbegrenzten Wachs-
tums, anstelle des von Umweltschützern angestrebten konkurrierenden Paradigmas der nach-
haltigen Entwicklung. Daher liege das Hauptaugenmerk der wirtschaftsorientierten Staaten in
den Klimaschutzverhandlungen auf der gesetzlich weitgehend liberalisierten, staatsunabhän-
gigen Betreibung ihrer eigenen Privatwirtschaften. Ihr Engagement im Bereich der internatio-
nalen Verhandlungen und daraus resultierender Abkommen konzentriere sich auf eine Auf-
wertung der WTO, auf die Ausweitung von Freihandelszonen - wie beispielsweise der Aus-
bau der North Atlantic Free Trade Association (NAFTA) zu einer Transatlantic Free Trade
Association (TAFTA) - bis hin zu einer völligen Liberalisierung der Wirtschaftswelt, auch
oder gerade unter Missachtung von Umweltstandards und ökologischen Sicherheitsvorschrif-
ten (Speth 2005: 171).
Neben der grundsätzlichen Befürwortung ungebremsten Wirtschaftswachstums befürchten
einige Industrieländer, allen voran die USA unter dem amtierenden Präsidenten Bush, durch
detaillierte Vorgaben, Regelungen und Einschränkungen ihrer THG-Emissionsrechte nationa-
le Souveränitätsverluste
13
, wirtschaftliche Nachteile durch höhere Produktionskosten und Ver-
lust ihrer Vorrangstellung auf dem Weltmarkt, Verluste von Arbeitsplätzen in Energie produ-
zierenden und energieintensiven Branchen, sowie Einbußen hinsichtlich des persönlichen
Lebensstandards aufgrund steigender Lebenshaltungskosten.
Dass die Unterstützung oder zumindest ein geringer Widerstand seitens der Wirtschaft und
der Gewerkschaften für die Entwicklung und Durchführung effizienter und kontinuierlicher
13
Die Furcht verschiedener Länder vor Souveränitätsverlusten durch die Übertragung nationaler Vorrechte im
Klima- und Umweltschutz auf überstaatliche Einrichtungen konstatierten auch Conca und Dabelko (1998c: 76)
sowie Shabecoff (2000: 168).

16
umweltpolitischer Maßnahmen jedoch unabdingbar sind, betont Holtrup (o.J.: 187). Als wei-
tere Bedingungen für eine erfolgreiche Umweltpolitik nennt sie eine Erfolg versprechende
nationale Umweltpolitikstrategie, flexible und rationale Umweltschutzstrategien auf markt-
wirtschaftlicher Basis, einen wissenschaftlichen Konsens hinsichtlich des konkret zu lösenden
Problems sowie eine hohe Wahrscheinlichkeit der Funktionalität internationaler Kooperation
und diese unterstützende wirksame Implementierungs- und Verifikationsmechanismen.
Zwar sind die USA Vertragsstaat des allgemeinen Rahmenabkommens zum Klimaschutz und
unterzeichneten auch das Kyoto-Protokoll, doch der Senat ratifizierte nicht dieses präzisieren-
de und detaillierte Vorgehensweisen und Verpflichtungen beinhaltende Zusatzprotokoll aus
dem Jahre 1997.
14
Dies ist mutmaßlich darauf zurückzuführen, dass die durch das Kyoto-
Protokoll geforderten Emissionssenkungen nicht nur verschärfte Umweltauflagen für die In-
dustrie bedeuteten, sondern auch ein Umdenken im alltäglichen Leben der Bevölkerung er-
fordern und damit im Falle einer Unterzeichnung eventuelle Missstimmung gegenüber der
Bush-Administration verursachen würden. Die Haltung Bushs, trotz der Unterzeichnung
durch Clinton das Kyoto-Protokoll nicht zur Ratifikation in den Senat einzubringen, begrün-
den Steven R. Brechin und Daniel A. Freeman (2004: 9) damit, dass aus Sichtweise der am-
tierenden US-Regierung die Auflagen des Protokolls die Wirtschaftsinteressen der Vereinig-
ten Staaten zu negativ beeinträchtigen würde.
Wollte man aber weltweit den Lebensstandard der USA als Norm einführen, würde dies die
natürliche Tragfähigkeit der Erde um ein Vielfaches überschreiten. So bemerkte João Augusto
de Araujo Castro (1972: 34), dass eine Angleichung des allgemeinen Lebensstandards in den
Entwicklungsländern an das westliche Durchschnittsniveau eine 75-fache Steigerung der jähr-
lichen Eisen-, eine 100-fache Erhöhung der Kupfer-, eine 200-fache Zunahme der Blei- und
sogar eine 250-fache Steigerung der Zinnproduktion erfordern würde, um global den energie-
intensiven Lebensstil nach amerikanischem Vorbild zu ermöglichen.
14
Auf der Klimakonferenz in Buenos Aires 1998 (COP 4) paraphierten die USA als 60. Land das Kyoto-
Protokoll. Dies ist nach Brockmann, Stronzik und Bergmann (1999: 24) als Reaktion auf die Ankündigung Ar-
gentiniens zum Beitritt zu Annex B ­ und damit als ein klimapolitisches Zugeständnis eines Entwicklungs- bzw.
Schwellenlandes - zu deuten. Die Unterzeichnerstaaten des Annex B verpflichten sich zu einer Senkung ihrer
Treibhausgase zwischen 2008 und 2012 um insgesamt 5,2%.
Die scheinbare Kompromissbereitschaft der USA zog jedoch aufgrund der späteren Verweigerungshaltung keine
konkreten politischen Schritte zur Implementierung der Kyoto-Vorgaben nach sich, wie Al Gore (1998) verdeut-
lichte: ,,Signing the Protocol, while an important step forward, imposes no obligations on the United States. The
Protocol becomes binding only with the advice and consent of the U.S. Senate. As we have said before, we will
not submit the Protocol for ratification without the meaningful participation of key developing countries in ef-
forts to address climate change".

17
,,Die Industrienationen, deren Bewohner gerade ein Fünftel der Weltbevölkerung
ausmachen, verschwenden drei Viertel aller auf diesem Erdball verbrauchten E-
nergien. [...] Sie erzeugen 80 Prozent aller Treibhausgase"
(Greenpeace 1994: 6).
Dabei lässt sich gerade der Lebensstandard der US-Amerikaner bei weitem nicht durch deren
landeseigene Ressourcen decken, sondern ist im hohen Maße auf Energieimporte angewiesen,
was den Bürgern der Vereinigten Staaten durch die Ölkrise 1973 einschneidend ins Bewusst-
sein gerufen wurde.
So stellte Heideking (2002, Vgl. Lösche o.J.c: 17) fest, dass erst das Ölembargo nach dem
Oktoberkrieg 1973 im Nahen Osten den Amerikanern ihre Abhängigkeit von Rohstoffimpor-
ten aus der ,,Dritten Welt" zu Bewusstsein brachte. Den US-amerikanischen Verbrauch fossi-
ler Brennstoffe und anderer Energien weit über nationale Rohstoffreserven hinaus kritisiert
auch Schmidt (2004: 221):
,,Die USA haben einen Anteil von 28% am Weltenergieverbrauch [...]. Sie erzeu-
gen zwar noch 14% der Weltproduktion an Rohöl, doch ist der Anteil der Importe
am Verbrauch wieder gestiegen. Über 60% des Verbrauchs werden durch Netto-
importe von Rohöl gedeckt".
Diese Beispiele verdeutlichen die Unmöglichkeit, angesichts begrenzter natürlicher Ressour-
cen den westlichen Lebensstandard auf die Entwicklungsländer zu übertragen, und gleichzei-
tig die Diskriminierung der Entwicklungsländer, gegen die sich diese in den Klimaschutzver-
handlungen mit der Forderung gesonderter Bedingungen, der Berücksichtigung ihrer jeweili-
gen spezifischen Ausgangslage und Wachstumsförderung wehren.
Mit Hinweis auf ihre wirtschaftlich benachteiligte Situation aufgrund historischer, geografi-
scher, klimatischer und politischer Faktoren, und angesichts des Aufschwungs der heutigen
Industrieländer während der industriellen Revolution, der in hohem Ausmaß auf fossilen
Brennstoffen basierte
15
, fordern die Entwicklungsländer ihrerseits das Recht, die von den In-
dustrieländern absolvierten Stadien auf dem Weg zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Prosperität zu durchlaufen. Dabei insistieren sie, ungeachtet der Umweltkonsequenzen auch
intensiven Gebrauch von fossilen Brennstoffen zu machen, welche in den Industrienationen
den Grundstein des ökonomischen Wohlstandes darstellten. Bereits bei der Klimakonferenz in
Stockholm 1972 vermuteten sie hinter den klimaschutzpolitischen Anstrengungen und War-
15
Den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Wohlstand, Art und Ausmaß des Energieverbrauches und
daraus resultierender Emissionen betont auch der WBCSD (2005: 10): ,,Energy sources vary depending on deve-
lopment levels. [...] In developed countries, energy for heating largely comes from oil and gas, causing most of
today's carbon emissions from buildings".

18
nungen (vor den zu erwartenden Konsequenzen eines begrenzten Wachstums) der Industrie-
nationen des Nordens vornehmlich wirtschaftspolitische Motive, wegen der die Industrielän-
der das Erstarken der Entwicklungsländer und deren eventuelle Erfolge auf dem Weltmarkt
im Keim ersticken wollten.
,,The rich will not accept a progressive and meaningful cutback in their emissions
of carbon dioxide and other greenhouse gases because it will be a cost to them and
retard their progress.
Yet they expect the poor people of the developing countries to stifle even their
minute growth as if it will cost them nothing"
(Mohamad 1992: 326).
Dabei würden Maßnahmen zur Substitution und Verringerung des Einsatzes fossiler Brenn-
stoffe durch erneuerbare Energien und umweltverträgliche Arbeitsmethoden zwar die ökono-
mische Macht von Entwicklungsländern entscheidend beschränken, in ökologischer Hinsicht
aufgrund der Ausrichtung auf die Industrienationen in den Entwicklungsländern jedoch ihre
Wirkung verfehlen (Conca/Dabelko 1998b: 20f). Daher sind Projekte vonnöten, welche auf
die jeweiligen Umstände und Gegebenheiten jedes einzelnen Landes ausgerichtet oder sogar
von diesem initiiert sind.
Die Republik Singapur räumte 2001 ein, dass ihr gesamter täglicher Energieverbrauch auf
importierten fossilen Brennstoffen beruhe. Obwohl dies auf den ersten Blick den Anstrengun-
gen der Klimaschützer zuwider läuft, verfolgt und unterstützt die singapurische Regierung
dennoch die Entwicklung und Verbreitung alternativ betriebener Fahrzeuge und versucht auf
diese Weise, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten (Climate Change Secretariat 2005a:
10).
Andere Entwicklungsländer engagieren sich ebenfalls klimaschutzpolitisch und beabsichtigen
dabei insbesondere, ein Umdenken in der Bevölkerung anzuregen. So unterhält das tunesische
Ministerium für Agrikultur, Umwelt und Hydraulische Ressourcen in Zusammenarbeit mit
dem Ministerium für Industrie und Energie und der Nationalen Agentur für Erneuerbare E-
nergien das Information Center on Sustainable Energy and Environment (CIEDE), welches
unter anderem kostenlos Materialien speziell für Kinder publiziert. In diesen werden Wetter,
Klima, fossile Brennstoffe, THG sowie das Zusammenspiel dieser Faktoren erläutert und
Konsequenzen des drohenden Klimawandels für Kinder verständlich erklärt (Vgl. CIEDE
2003: 5-22), so dass diese bereits im jungen Alter zum verantwortungsbewusstem Umgang
mit Ressourcen angehalten werden.

19
Die ablehnende Haltung gegenüber umwelt- und klimapolitischen Maßnahmen, welche sich
auf den persönlichen Lebensstil der Bevölkerung auswirken, darf folglich keineswegs auf alle
Entwicklungsländer übertragen und deren Verhalten pauschal als eigenstaatszentriert oder
Umweltprobleme ignorierend verurteilt werden. Nicht nur sehen sie sich aufgrund ihrer wirt-
schaftlich schwachen Lage
16
gegenüber den Industrieländern benachteiligt, sollten nun für alle
Länder verbindliche Emissionsbegrenzungen geschaffen werden.
Sondern sie sind es auch, die aufgrund ihrer klimatischen und geografischen Merkmale be-
sonders unter den Auswirkungen der globalen Erwärmung leiden (Vgl. Simonis 1996: 21;
Austin 2002: 2; Greenpeace 1994: 14).
Die Sorge vor den Konsequenzen des Raubbaus an natürlichen Ressourcen verdeutlicht die
Aussage Tuvalus:
,,The sea is our very close neighbour [...]. Our islands are very low
lying [...]. It is hard to describe the effects of a cyclonic storm surge when it
washes right across our islands [...]. The devastation is beyond description"
(Climate Change Secretariat 2005a: 13).
Obgleich Differenzen zwischen ökologisch engagierten und weniger interessierten Entwick-
lungsländern existierten, bestand doch bereits während der Stockholmer United Nations Con-
ference on the Human Environment im Jahre 1972 eine gewisse einheitliche Position. Darüber
hinaus erfordert das Initiieren einer erfolgreichen Klimaschutzpolitik ­ den Forderungen der
Entwicklungsländer entsprechend - die Verbindung globaler Umweltherausforderungen mit
Entwicklungsproblemen und einem ,,broader dialogue about the political and economic ´rules
of the game´" (Conca/Dabelko 1998b: 21). Ohne eine derartige Verknüpfung umweltpoliti-
scher und entwicklungspolitischer Ziele und Maßnahmen, und ohne konsequenterweise dar-
aus folgend das Einräumen eines Sonderstatus´ und gesonderter Konditionen für die wirt-
schaftlich benachteiligten Entwicklungsländer, war eine Teilnahme derselben schon zu Be-
ginn der Erarbeitung gemeinsamer Klimaschutzprogramme nicht zu erwarten.
Im Jahre 1992 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York die Uni-
ted Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) an, welche noch im sel-
ben Jahr auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro zur Unterzeichnung freigegeben wurde.
17
16
Die schwach ausgeprägte Wirtschaftsstruktur vieler Entwicklungsländer resultiert unter anderem aus früheren
Entwicklungshemmnissen durch die Abhängigkeit und Fremdausbeutung der Ressourcen seitens kolonialer
Besitzmächte, welche eine Teilnahme an der westlichen Industrialisierungswelle verhinderten.
17
Einen Überblick der Staaten, welche dem Klimarahmenschutzabkommen mittlerweile beigetreten sind, bietet
das Climate Change Secretariat (2005b: 6).

20
Trotz seiner relativen Unverbindlichkeit kann das Klimaschutzabkommen als Erfolg gewertet
werden, da die Delegierten der Kyoto-Konferenz mit dieser Rahmenkonvention konkrete Zie-
le vor Augen hatte und eine Ausgangsbasis der verschiedenen Verhandlungsinteressen besaß,
welche in den Folgekonferenzen weitgehend denjenigen bei der Diskussion um das Rahmen-
abkommen entsprachen. Darüber hinaus setzte die Rahmenkonvention erstmalig Richtlinien
bezüglich der zu ergreifenden Maßnahmen und deutete mögliche Wege aus der drohenden
Klimakatastrophe sowie die Notwendigkeit einer Einrichtung von Kontroll- und Sanktions-
mechanismen an. Allerdings konnte die dann amtierende US-Administration unter Clinton
bereits damals ihre Position gegen eine Festlegung auf genaue Reduktionsziele und Zeitpläne
durchsetzen, ebenso wie ihr Argument der Unabdingbarkeit einer Teilnahme der Entwick-
lungsländer - ohne Berücksichtigung dazu notwendiger Technologie- und Finanztransfers in
diese Länder (Vgl. Brühl 2000: 368f).
Diese unnachgiebige Haltung gegenüber den Entwicklungsländern erweist sich als paradox,
war und ist die politische Führung der USA doch der Meinung, dass Umweltpolitik ,,vorran-
gig als Kostenfaktor und als bürokratische Behinderung von Marktprozessen gesehen" (Brühl
2000: 390) werden muss, den sich nur wirtschaftlich erfolgreiche Länder leisten können. Ei-
nerseits beharren die USA zwar auf ihrem Standpunkt, dass die Verantwortung für eine ge-
sunde Umwelt und deren Erhalt von allen Ländern, auch von den Entwicklungsländern, ge-
tragen werden müsse, und dass Umweltschutzmaßnahmen nur greifen, wenn global zu ihrem
Erfolg beigetragen werde:
Andererseits jedoch verteidigen sie ihre ablehnende Haltung hinsichtlich von Programmen,
welche die eigene Wirtschaft auf dem Weltmarkt zurücksetzen könnten, mit dem Argument,
dass eine strikte Umweltgesetzgebung nur Staaten in einer wirtschaftlich erfolgreichen Lage
möglich ist (Vgl. Brühl 2000: 390). Nach diesem Verständnis von Umweltpolitik wäre das
von den USA beharrlich geforderte Engagement der Entwicklungsländer im umweltpoliti-
schen Bereich jedoch zunächst unmöglich, solange sich deren wirtschaftliche Situation nicht
erheblich verbessert hat. Zu beachten ist, dass es sich bei dem Abkommen von 1992 lediglich
um eine Rahmenkonvention ohne tatsächliche legale Verbindlichkeiten und Sanktionsmög-
lichkeiten gehandelt hatte, deren allgemeine Ziele und Grundsätze durch später zu erarbeiten-
de Protokolle und Folgeübereinkommen konkretisiert und präzisiert werden sollten (Brock-
mann et al. 1999: 3). Bedeutung erhält sie durch die in ihr enthaltene Verpflichtung der Ver-
tragsparteien zur Einrichtung nationaler Maßnahmen zur Treibhausgasemissionsreduktion, zu
nationalen Anpassungsmechanismen an den Klimawandel, zur internationalen Zusammenar-
beit in Forschung und Wissenschaft, sowie zu Berichten über neue Erkenntnisse und politi-

21
sche Maßnahmen (Vgl. Oberthür/Ott 2000: 63-65; Simonis 1996: 11). Dennoch besitzt das
Rahmenabkommen ein gewisses Maß an Verbindlichkeit, da nach Artikel 24 der Deklaration
,,Vorbehalte zu dem Übereinkommen [...] nicht zulässig" (Climate Change Secretariat 2005c:
34) und die enthaltenen Grundsätze ­ wenngleich sehr allgemein formuliert - somit unum-
stößlich sind.
Des weiteren etablierte die Klimarahmenkonvention mit Artikel 7 die Institution der in den
Folgejahren jährlich tagenden COPs, von denen besonders die Berliner Konferenz von 1995,
die Kyoto-Konferenz im Jahre 1997 sowie die Konferenz von Buenos Aires 1998 - auf wel-
cher der Buenos Aires Plan of Action zur Implementierung des Kyoto-Protokolls erarbeitet
wurde - hervorzuheben sind (Climate Change Secretariat 2005b: 5). Neben der Funktion als
Verhandlungsplattform erschaffen die Vertragsstaatenkonferenzen Möglichkeiten zur Koor-
dination und Entwicklung notwendiger Methoden und Institutionen zur Überprüfung der
Konvention und ihrer Implementierung, sowie zur Prüfung eventueller Sanktionen bei Nicht-
erfüllung der noch zu spezifizierenden nationalen Verpflichtungen (BMU o.J.: 11). Besonders
die COP in Kyoto war als Chance gesehen worden, ,,das ursprüngliche Abkommen durch
spezifische, bindende Ziele und Zeitpläne für die Reduzierung von an der globalen Erwär-
mung beteiligten THG zu stärken und zu präzisieren" (Conca/Dabelko 1998a: 9). Obwohl ein
darauf abzielender Konsens gefunden und in Gestalt des Kyoto-Protokolls schriftlich fixiert
wurde, haben sich die Ausgangspositionen und Interessen der beteiligten Länder jedoch nicht
wesentlich verändert und manifestieren noch immer den Nord-Süd-Interessenskonflikt, wel-
cher bereits auf dem Erdgipfel in Rio bestand (Conca/Dabelko 1998a: 10).
Durch ihre Möglichkeit der Errichtung eigener Institutionen und die Annahme von Protokol-
len besitzt die Institution der Vertragsstaatenkonferenzen politische Entscheidungsgewalt und
ein gewisses Maß an Verbindlichkeit. So geht die Einrichtung des 1988 gegründeten Interna-
tional Panel on Climate Change (IPCC), welches heute die wohl wichtigste Instanz auf dem
Gebiet der Klimaforschung darstellt und häufig personelle und wissenschaftliche Expertise
bei Klimaschutzverhandlungen leistet, auf den durch die Klimarahmenkonferenzen geschaf-
fenen permanenten Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) zurück.
Der Nachteil der bestehenden engmaschigen Vernetzung zwischen dem SBSTA und dem
IPCC besteht darin, dass der SBSTA mutmaßlich als ,,politischer Filter" (Oberthür/Ott 2000:
69) für die von der IPCC erarbeiteten Ergebnisse vor der Veröffentlichung und Bekanntma-
chung bei internationalen Klimaverhandlungen wirkt und die beiden klimapolitischen Institu-
tionen sich auf diese Weise gegenseitig behindern können.

22
Artikel 4.1 (i), Artikel 7.2 (l) und Artikel 7.6 weisen erstmalig NGOs explizit das Recht zu,
bei Vertragsstaatenkonferenzen (COPs) Informationen und Expertise einzubringen, um die
Vertragsparteien in ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen. Dadurch erkannte die Rah-
menkonvention den bedeutenden Stellenwert von NGOs in der Meinungsbildung zum Kli-
mawandel an und lieferte diesen die notwendige Legitimationsgrundlage für eine Teilnahme
an den Klimaschutzverhandlungen (Giorgetti 1999: 212).
Zur Erfüllung der durch das Kyoto-Protokoll gesetzten Reduktionsaufgaben erschuf Artikel 8
ein eigens für die Vertragsstaatenkonferenzen eingerichtetes Sekretariat mit etwa 200 Mitar-
beitern (Climate Change Secretariat o.J.) für administrative und konsultative Zwecke. Nach
Sebastian Oberthür und Hermann E. Ott (2000: 70) verdeutliche dies die Bedeutung, die Ak-
teure aus dem Industriebereich dem Klimawandel zumessen, da andere Institutionen im Be-
reich der Klimapolitik eine weitaus geringere personelle Ausstattung aufwiesen.
Dass eine Ratifizierung
18
nicht zwangsläufig dem tatsächlichen Vermögen der Unterzeichner-
staaten entspricht, ihren Verpflichtungen nachzukommen, verdeutlichen die Formulierungen
der Klimarahmenkonvention, welche auf die unterschiedlichen Fähigkeiten der Unterzeich-
nerstaaten zur Erfüllung bestimmter Reduktionen verweisen. Nach Artikel 3.1 sollen die Teil-
nahmestaaten unter Führung der entwickelten Länder ,,entsprechend ihrer gemeinsamen, aber
unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihrer jeweiligen Fähigkeiten das Klimasystem
zum Wohl heutiger und künftiger Generationen schützen" (BMU o.J.: 7).
Auch Artikel 8 betont die Notwendigkeit der vollen Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse
und besonderer Gegebenheiten der an der Klimarahmenkonvention teilnehmenden Entwick-
lungsländer (BMU o.J.: 7).
Von Beginn an war es den Entwicklungsländern auf diese Weise gelungen, ihre benachteiligte
Position und ihre daraus resultierende eingeschränkte Fähigkeit im internationalen Kampf
gegen Klimaänderungen erfolgreich zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen und in
der Endfassung der Rahmenkonvention zu verankern.
Neben den soeben zitierten Passagen verpflichtet Artikel 4.2 die Industrieländer ­ und nur
diese - zur Übernahme ,,entsprechende Verpflichtungen" in Gestalt nationaler Maßnahmen
zur Begrenzung ihrer Emissionen, insbesondere des Ausstoßes von Kohlendioxid (CO
2)
als
Hauptfaktor der globalen Erwärmung (Climate Change Secretariat 2005c: 10-17), sowie Be-
richterstattungen über diese Maßnahmen gegenüber den Vertragsstaatenkonferenzen.
18
Eine Auflistung der Staaten, welche das Zusatzprotokoll ratifiziert oder unterzeichnet haben, findet sich auf der
Webseite des Climate Change Secretariat (2006).

23
Dennoch konnten die Industriestaaten ihrerseits gewisse Vorkehrungen treffen. So legt Artikel
3.5 der Deklaration explizit fest, dass ,,Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimaänderungen,
einschließlich einseitiger Maßnahmen, [...] weder ein Mittel willkürlicher oder ungerechtfer-
tigter Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels sein
[sollen]" (BMU o.J.: 7).
Diese Bedingung, welche ehemals als Schutz der freien Märkte die Teilnahme der Entwick-
lungsländer an den internationalen Handelsbeziehungen erleichtern und schützen sollte, konn-
te später von den Industrieländern ­ insbesondere von den USA - als Rechtfertigung des in-
nerstaatlichen Protektionismus und dem Widerstand gegen aufstrebende Entwicklungsländer
benutzt werden. Auf diese Weise war es den auf dem Markt etablierten und führenden Indust-
riestaaten möglich, ihre nationale Wirtschaft und einheimische Produkte zu fördern, den Ab-
satz von Importen aus Billiglohnländern zu behindern und sich gegen die zunehmende Kon-
kurrenz, beispielsweise aus den so genannten asiatischen Tigerländern Singapur, Hongkong,
Taiwan, Südkorea. Malaysia, Thailand und den Philippinen, zu behaupten.
19
Die Wahl Kyotos als Ort für die dritte Vertragsstaatenkonferenz im Jahre 1997 ist insofern als
symbolischer Akt zu betrachten, als das jeweilige Ausrichtungsland einer COP in der Regel
im Lichte der Öffentlichkeit steht und daher einem gewissen Handlungsdruck ausgesetzt ist.
Japan, das vormals zur Gruppe JUSSCANNZ - und damit zu den gegenüber Umweltschutz-
maßnahmen abgeneigten Ländern - gehörte, zeigte mit dem Angebot der Ausrichtung einer
COP seine Bereitschaft, Kompromisse im Bereich der Klimaschutzpolitik einzugehen und
den Standpunkten anderer Verhandlungsparteien verstärkt Bedeutung zuzumessen. Bereits im
Vorfeld von Kyoto hatten sich die Delegierten Japans mit Vertretern internationaler Umwelt-
schutzorganisationen getroffen, um weltweit bestehende Meinungen einzuholen und sich über
die Positionen der anderen Länder und deren Befürchtungen zu informieren (Oberthür/Ott
2000: 88).
Dabei war die Ausrichtung der Vertragsstaatenkonferenz innerhalb Japans keineswegs unum-
stritten gewesen. Die beiden gegensätzlichen Positionen nahmen das Ministry for Internatio-
nal Trade and Industry (MITI) und die japanische Umweltbehörde ein. Hauptstreitpunkt war
der Druck der Öffentlichkeit, der mit der Wahl Kyotos als Verhandlungsort abzusehen war,
,,da der Gastgeber den Erwartungen entsprechend mit seinem Auftreten den erfolgreichen
Abschluss der Konferenz gewährleisten sollte" (Oberthür/Ott 2000: 109). Der eine japanische
Ausrichtung einer COP befürwortenden Position der Umweltbehörde entsprach auch das 1995
19
Besonders provokant beschreibt Schmidt (2004: 219) die amerikanische Ungleichbehandlung ausländischer
Produkte auf dem eigenen Markt: ,,[Die USA] behandeln [...] die ausländische Konkurrenz auf ihrem Inlands-
markt mit oftmals unlauteren Methoden und diskriminierend".

24
gegründete Kiko-Forum
20
, unter dessen Dach sich diverse Umweltschützer sowie Repräsen-
tanten der Wirtschaft und der Verwaltung versammelten und das mithin als japanische natio-
nale Variante des CAN angesehen werden kann. Angesichts der Unterstützung für eine COP
in Japan konnte Premierminister Hashimoto gegen den Willen des MITI erfolgreich die Aus-
richtung der dritten Vertragsstaatenkonferenz durchsetzen (Oberthür/Ott 2000: 109). Dies
unterstreicht den enormen Einfluss, den entsprechendes Lobbying auf die Politikgestaltung
nehmen kann.
Die Positionsänderung Japans stellt sich im Rahmen der liberalen Theorie als durchaus ratio-
nal und folgerichtig dar. Denn im Gegensatz zu den USA, welche ihren Energiebedarf zumin-
dest zu einem Teil durch eigene Ressourcen decken können, verfügt Japan über keine eigenen
Vorkommen an fossilen Brennstoffen. Ein Ausstieg oder zumindest eine Verringerung des
Verbrauchs fossiler Brennstoffe wäre aus der Perspektive des von ausländischen Importen
abhängigen Japan somit nicht nur umweltpolitisch, sondern auch wirtschafts- und sicherheits-
politisch zu begrüßen.
Trotz der veränderten Position Japans
21
und der sich daraus ergebenden Chance auf einen
Kompromiss im Bereich des Klimaschutzes sahen sich die USA - neben dem von ihnen bean-
standeten, aus wirtschaftlichen Gründen resultierenden Unvermögen der Entwicklungsländer,
umweltpolitische Zugeständnisse vergleichbar denen der Industrieländer zu erfüllen - auch
mit generellen Problemen der internationalen Zusammenarbeit konfrontiert, insbesondere mit
dem Problem des mutwilligen Trittbrettfahrertums. Karl Ludwig Brockmann, Marcus Stron-
zik und Heidi Bergmann (1999: 27f) identifizieren die Haltung der USA als klassischen Fall
des Gefangenendilemmas, welches bei einer Verweigerung der Zusammenarbeit einerseits
den größtmöglichen Nutzen, andererseits aufgrund des Nichtwissens um das Verhalten der
anderen Beteiligten allerdings auch das größtmögliche Risiko birgt, und das nicht nur in den
internationalen Verhandlungen, sondern auch innerhalb jedes einzelnen Staates besteht:
,,Zum einen wären, da sich die Treibhausgase gleichmäßig über die Atmosphäre
verteilen, alle Nutzengewinne in Gestalt eines stabilen Klimas mit allen anderen
Staaten zu teilen [...]. Zum anderen erscheinen aber auch schon die Verhand-
lungskosten einer solchen Politik für jeden einzelnen Staat (oder Gruppe) zu hoch
[...]. Kein Bürger wird die Verhandlungs- und Kompensationskosten für ein um-
fassendes Emissionsreduktionsabkommen auf sich nehmen".
20
Kiko ist das japanische Wort für ,,Umwelt".
21
Die Haltung Japans bezüglich zu ergreifender umweltpolitischer Maßnahmen und der Widerstand von Um-
weltgruppen zu dem nicht ausreichend umfassenden Aktionsplan der japanischen Regierung erläutert das Clima-
te Action Network (CAN 1997a).

25
Dennoch sind- anders als noch beim Luftschutzprotokoll von Montreal - im Falle des Kyoto-
Protokolls nicht nur die industrialisierten, FCKW produzierenden Staaten zur Zusammenar-
beit gefordert, sondern auch die wirtschaftlich schwachen und weniger entwickelten Länder
sind im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten zur Mitarbeit aufgerufen.
Robert Paarlberg zufolge ist für eine erfolgreiche Begrenzung der globalen THG-Emissionen
nicht zuletzt aufgrund dieser Gefahr des Trittbrettfahrertums unabdingbar, dass ein Staat mit
gutem Beispiel vorangehe und mittels nationaler Besteuerungen fossiler Brennstoffe ein Ex-
empel statuiere, dem andere Staaten folgen könnten und sollten. Eine nationale Besteuerung
fossiler Brennstoffe vorerst innerhalb der USA in einem auch für den einzelnen Autofahrer
spürbaren Ausmaß sei ein wichtiger Schritt, um internationale Verhandlungen zu initiieren
und Einigungen voranzutreiben.
,,More effective international agreements on climate change policy might be the
final payoff from a unilateral fossil fuel tax at home. If the United States went
first, other states might agree to follow by phasing in comparable domestic taxes
of their own [...] to build stronger market price incentives for a gradual shift away
from fossil fuel dependence"
(Paarlberg 2002: 332).
Dem widersprechend ist laut Thomas Schelling jeglicher verpflichtender, bindende Emissi-
onsreduktionen beinhaltender Ansatz unrealistisch, da dies ein friedliches Verhandeln milliar-
denschwerer Besitztümer erfordere (Paarlberg 2002: 332). Die Unmöglichkeit einer Durch-
setzung strikter nationaler Energiesteuern in den Vereinigten Staaten bestätigt auch Stuart
Eizenstat (1998):
,,[E]nergy taxes are anathema in the United States It would be hard to find a pol-
icy that would face greater political hurdles".
Darüber hinaus zeigte die Einführung der so genannten Ökosteuer in Deutschland ab 1999,
dass eine nationale Besteuerungspolitik fossiler Brennstoffe keineswegs zwingend die er-
wünschte Beispielwirkung auf andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft oder auch
nur eine allgemeine Einschränkung des innerstaatlichen Verbrauchs nach sich zieht.
Überdies seien für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der internationalen Klimapolitik zu-
nächst entwicklungspolitische Investitionen unverzichtbar, die den Entwicklungsländern eine
zufrieden stellende Ausgangsposition für die Teilnahme am Weltmarkt ermöglichten. Ohne
finanzielle und technologische Hilfsleistungen der Industrieländer ­ und damit verbunden
auch Einbußen der heimischen Industrie der entwickelten Länder, beispielsweise in Gestalt

26
erhöhter Steuern auf Produktionsweisen, die auf fossilen Brennstoffen beruhen - seien die
Entwicklungsländer weder willens noch in der Lage, ihren Beitrag zum internationalen Kli-
maschutz zu erbringen (Paarlberg 2002: 331f).
Und sogar wenn entsprechende Vorkehrungen und Hilfeleistungen zur Unterstützung der
Entwicklungsländer bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen getroffen werden, besteht in
Entwicklungsländern ebenso wie in Industrieländern die Gefahr einer Behinderung entspre-
chender Reduktionsprojekte durch den Widerstand organisierter industrieller Interessen.
22
Die
grundlegenden Differenzen zwischen den Positionen der entwickelten und der in der Entwick-
lung befindlichen Länder erhärteten sich im Verlauf der einzelnen Vertragsstaatenkonferen-
zen weiter.
Mehrere Energiekonzerne haben die aus der Klimaschutzproblematik resultierende Notwen-
digkeit einer Verknüpfung entwicklungspolitischer mit klimaschutzpolitischen Maßnahmen
erkannt. So betont BP als eines der ersten transnationalen Unternehmen, welches seine bedeu-
tende Rolle bei der Entstehung umweltschädigender Substanzen und deren Abgabe in die At-
mosphäre eingestanden hat und aus dieser Erkenntnis Konsequenzen für die zukünftige Un-
ternehmensstrategie bei der Erzeugung und Verbreitung von Energie zieht:
,,BP believes it has a responsibility to take a lead in finding and implementing so-
lutions to climate change"
(BP 2005: 33).
,,We have been seeking to improve our understanding of how our products can
contribute to lowering customers´ emissions"
(BP 2005: 35).
,,Education is a natural priority for a community investment programme focused
on sustainability [...] [and] contributes to sustainable societies by providing peo-
ple with skills and knowledge [...]. Education can also help people to use less en-
ergy"
(BP 2005: 46).
Aus diesem Grund fördere BP nicht nur verschiedene Universitäten und Forschungszentren
bei der Entwicklung umweltverträglicher Energieerzeugungsmöglichkeiten wie beispielswei-
se Solarenergie (BP 2005: 37), sondern sei außerdem durch Schulbau, Ausbildungsstipendien
für Kinder aus finanziell benachteiligte Entwicklungsländern und anderen Entwicklungspro-
jekten an der Bildungs- und Wirtschaftsförderung in mehreren wirtschaftlich schwächeren
Ländern beteiligt (BP 2005: 44-48). Darüber hinaus unterstützten die Präsenz des Energie-
22
Eine besondere Hürde bei der nationalen Implementierung internationaler Regelungen stellt auch nach Conca
und Dabelko (1998c: 77) der Widerstand der Industrie ­ und damit eines bedeutenden Geldgebers ­ dar: ,,Even
when governments are willing to enforce domestically the rules to which they agree internationally, they might
not be able to do so in the face of powerful transnational economic pressures".

27
konzerns und die damit verbundenen Verbesserungen der allgemeinen Lebensqualität die
Entwicklungsländer auf dem Weg hin zu mehr Prosperität:
,,We can help communities develop by providing power. Energy is a vital element
in development, providing electricity to light schools or refrigerate medicines and
vaccines"
(BP 2005: 48).
Neben dem Engagement in Entwicklungsländern betätigt sich der Energiekonzern auch in der
technologischen Entwicklung alternativer Energieerzeugung in Industrieländern. Da die Er-
zeugung erneuerbarer Energie jedoch (noch) kostspieliger sei als Energie aus Hydrokarbo-
nen
23
oder anderen umweltfreundlichen Ressourcen, müsse nicht nur die Industrie kosten-
günstige Solarenergiesysteme entwickeln, sondern auch Regierungen müssten die Verbreitung
dieser Energiequellen durch entsprechende Anreize für den Endverbraucher unterstützen.
,, The challenge for industry is to keep searching for innovations that make these
fuels and technologies economical and competitive. The challenge for govern-
ments [...] is to provide incentives that will encourage these technologies and fu-
els to be developed, taken to the market and used by customers [...].
[To create a large-scale solar industry] requires the industry to offer affordable so-
lar energy systems as mainstream products, while governments provide incentives
for buyers"
(BP 2005: 40f).
Ein solches Engagement von Regierung und Kongress besteht in den USA jedoch nicht. Noch
im Vorfeld der G8-Verhandlungen 2005 in Gleneagles, Schottland, bereitete sich die Bush-
Regierung sorgfältig darauf vor, die Wissenschaft des Klimawandels völlig zu unterminieren
und deren Ergebnisse mittels eigener Studien zu widerlegen (Vgl. Armitage 2005: 426).
Die Interessenkonstellation der Industrieländer auf der einen und der Entwicklungsländer auf
der anderen Seite stellte insofern eine große Herausforderung an die internationale Verhand-
lungsfähigkeit dar, als die Teilnahme der USA am Klimaschutz-Zusatzprotokoll durch be-
stimmte Voraussetzungen für sein Inkrafttreten von Beginn an unabdingbar schien. Erst wenn
55 Staaten, deren Gesamtmenge an Emissionen ,,mindestens 55% der 1990 von der Gesamt-
heit der Annex I-Staaten ausgestoßenen CO
2
-Emissionen entspricht" (Brockmann et al. 1999:
8), sollten die vereinbarten Verpflichtungen wirksam werden. Wegen des großen Anteils der
USA an den weltweiten CO
2
-Emissionen schien diese Voraussetzung in Artikel 25 des Proto-
23
Dieser Aussage seitens BP (2005: 41) entsprechen auch Untersuchungen des Sierra Club, dessen Position in
Kapitel 5.2.1 näher erläutert wird, und der die höheren Kosten erneuerbarer Energien auf rein wirtschaftliche
Interessen zurückführt (Sierra Club 2003)

28
kolls (Climate Change Secretariat 2005d: 30) ohne deren Ratifizierung kaum erreichbar zu
sein. Dann aber ratifizierte Island im Mai 2002 als 55. Staat, die Erfüllung der prozentualen
Bedingung gelang schließlich auch ohne die Mitwirkung der USA im November 2004 durch
die russische Ratifizierung des Kyoto-Protokolls
24
, da Russland allein beinahe 18% der zu
reduzierenden Emissionen verursacht.
,,Nachdem Russland das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat, ist endlich die 55%-Hürde
überwunden [...]. Das Kyoto-Protokoll tritt am 16.2.2005 völkerrechtlich in
Kraft, d.h. alle Staaten, die das Klimaschutzabkommen ratifiziert haben, müssen
die ihnen zugewiesenen Treibhausgas-Reduktion rechtsverbindlich bis 2012 um-
setzen"
(Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Soest 2005).
Doch trotz der Möglichkeit, das Kyoto-Protokoll dank des Einlenkens Russlands in Kraft zu
setzen, waren und bleiben die USA in ihrer internationalen Führungs- und Vorbildrolle ein
kritischer Faktor in der globalen Klimaschutzpolitik. Albert Arnold Gore, ehemals Senatsmit-
glied sowie Gegenkandidat zu George W. Bush bei den Präsidentschaftswahlen 2000, betont
in seinem ,,Marshallplan für die Erde" explizit den Handlungsdruck der USA, ,,die Führungs-
rolle zu übernehmen ­ denn niemand anderes kann oder will das tun" (Gore 1992: 318). Nicht
zuletzt aufgrund ihrer finanziellen, wirtschaftlichen und weltpolitischen Vorrangstellung
25
sei
keine Alternative für eine erfolgreiche Bekämpfung der Ursachen des Treibhauseffektes und
eine zweckmäßige Umsetzung international erreichter Übereinkommen gegeben. Denn allein
die Vereinigten Staaten seien in der Lage, das Bevölkerungswachstum wirksam zu beschrän-
ken, die erforderlichen alternativen Energiegewinnungstechnologien zu entwickeln und zu
verbreiten, und die Mechanismen der Marktwirtschaft zugunsten des Umweltschutzes einzu-
setzen (Vgl. Gore 1992: 296-366).
Da die einzelnen Akteure im Kongress sich alle zwei Jahre zur Wiederwahl stellen müssen
und dementsprechend an kurzfristigen Erfolgen und für die Öffentlichkeit erkennbar wir-
kungsvollen Projekten interessiert sind, muss das Thema der Klimaschutzpolitik im politi-
schen System der USA zumeist anderen, in Medien und Bevölkerung populäreren Themen
24
Auch
die Ratifizierung Russlands sollte jedoch eher ökonomischen als klimaschutzpolitischen Zielen dienen.
Der Beitritt zum Kyoto-Protokoll wurde zumindest teilweise als ,,diplomatisches Druckmittel" (WDR 2006)
eingesetzt und entspricht damit der anfangs aufgestellten These im Sinne der liberalen Theorie (Vgl. Lamp-
recht/Czakainski 2005).
25
Die von Gore konstatierte herausragende Rolle der USA auf den internationalen Märkten bestätigt Schmidt
(2004: 213f): ,,Die US-Wirtschaft gilt als unersetzbarer Dreh- und Angelpunkt internationaler Konjunkturverläu-
fe. Das liegt einmal daran, dass Amerika die Weltwirtschaft durchdrungen hat [...]. US-Firmen [haben] einen
Anteil von 57% an der Marktkapitalisierung der 500 größten Konzerne [...]. Die USA vereinen 25% des Weltso-
zialproduktes und drei Fünftel des Marktwertes der bedeutendsten multinationalen Konzerne auf sich [...]. Rund
60% des Welthandels wurde 2001 auf Dollarbasis abgewickelt".

29
weichen. Denn ein Dilemma globaler Umweltprobleme besteht in der Tatsache, dass Umwelt-
schäden ,,späte und teure Nachsorge (Anpassung) [sowie eine] mögliche aber verzögerte Vor-
sorge (Prävention)" erfordern (Simonis 1996: 10). Die Wirksamkeit entsprechender Maß-
nahmen ist nur schwer messbar, Erfolge nur aus langfristiger Sicht zu verzeichnen (Gore
1992: 272).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836600972
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald – Fakultät für Philosophie, Politikwissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,7
Schlagworte
regierung kyoto-protokoll ablehnung bush co2-emission umweltschutz klimaschutz
Zurück

Titel: Die Erklärung der Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls durch die Bush-Administration in liberaler Perspektive
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
book preview page numper 30
145 Seiten
Cookie-Einstellungen