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Betriebliche Sozialarbeit - Theorie und ausgewählte Praxis

©2011 Bachelorarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Eine häufige Frage an (angehende) Sozialarbeiter lautet: Soziale Arbeit, was ist das überhaupt?
Menschen, die aufgrund ihrer sozialen und privaten Lebenslage nie mit Sozialer Arbeit in Berührung gekommen sind, können sich unter diesem Berufsfeld oft nichts Genaues vorstellen. So versucht man es ihnen an Hand von Methoden- oder Arbeitsfeldbeispielen zu erklären. Oft genannte Beispiele sind in diesem Zusammenhang die Arbeit beim Jugendamt, der Familienhilfe, die Arbeit mit Suchtmittelabhängigen oder Streetwork. Allgemein kann man auch sagen, dass es um die Unterstützung von Personen geht, die aufgrund unterschiedlicher Problematiken Hilfe benötigen, um ihr Leben unter Rückgriff auf die eigenen Potenziale, wieder in geregelte Bahnen zu lenken. So lässt sich Soziale Arbeit kurz und knapp umschreiben.
Aber was ist dann Betriebliche Sozialarbeit? Wenn man überhaupt eine Antwort auf diese Frage erhält, so lautet diese häufig: Ach, Betriebliche Sozialarbeit, das ist doch Suchtberatung!?! Aber, Streetwork, so was gibt es doch nicht in einem Unternehmen!
Streetwork vielleicht nicht, aber ist Betriebliche Sozialarbeit wirklich nur Suchtberatung? Gibt es nicht vielleicht viel mehr Aufgaben- und Arbeitsfelder, mit denen sich Sozialarbeiter in einem Unternehmen beschäftigen? Immerhin lässt sich Soziale Arbeit auch nicht auf die wenigen oben genannten Beispiele reduzieren. Welche Methoden und Arbeitsfelder aus der klassischen Sozialen Arbeit lassen sich in einen Betrieb übertragen und welche Aufgaben können sich aus dem Fachwissen und der Professionalität eines betrieblichen Sozialarbeiters heraus noch ergeben? Wer profitiert davon? Nur das Unternehmen oder nur die Mitarbeiter? Oder nützt Betriebliche Sozialarbeit sowohl dem Arbeitgeber wie auch dem Arbeitnehmer? All dies sind Fragen, denen in dieser Bachelorarbeit nachgegangen werden soll.
In der heutigen globalisierten Arbeitswelt, in der die Anforderungen in Bezug auf Zeitmanagement, Flexibilität und Fähigkeiten immer größer werden, lastet ein enormer Druck auf der Industrie und den Beschäftigten. Die Industrie, also die Unternehmen, befinden sich in einem ständigen Konkurrenzkampf mit anderen Leistungsanbietern. Mit immer geringerem Aufwand das Bestmögliche zu leisten, um den Gewinn zu optimieren, ist ein Vorgehen, das negative Auswirkungen auf die Angestellten haben kann. Reduzierungen auf dem personellen Sektor zur Kosteneinsparung, daraus resultierende immer größer werdende […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Betriebliche Sozialarbeit | Begriffsklärung
2.1 Betriebliche Sozialarbeit versus „klassische“ Soziale Arbeit

3. Die geschichtliche Entwicklung der Betrieblichen Sozialarbeit in Deutschland
3.1 Beginn des 20. Jahrhunderts und der 1. Weltkrieg
3.2 Die Weimarer Republik
3.3 Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
3.4 1960 bis Heute

4. Rechtliche Grundlagen der Betrieblichen Sozialarbeit

5. Anbindung und Positionierung der Betrieblichen Sozialarbeit in einem Unternehmen
5.1 Personalabteilung
5.2 Geschäftsleitung
5.3 Betriebsrat / Personalrat
5.4 Betriebsärztlicher Dienst
5.5 Externe Betriebliche Sozialarbeit

6. Methoden, ausgewählte Arbeitsfelder und Instrumente der Betrieblichen Sozialarbeit
6.1 Einzelfallarbeit
6.1.1 Suchtberatung
6.1.2 Schuldnerberatung
6.1.3 Psychische Erkrankungen
6.1.4 Beratung von Führungskräften
6.1.5 BEM | Teil 1
6.2 Gemeinwesen- und Gruppenarbeit
6.2.1 Betriebliche Gesundheitsförderung
6.2.1.1 Arbeitskreis Gesundheit
6.2.1.2 Gesundheitszirkel
6.2.2 BEM | Teil 2

7. Ausgewählte Praxis: INTERVIEWS
7.1 Bogestra | Bochum
7.2 Henkel | Düsseldorf
7.3 Suchtberatungsstelle Pavillion | Bochum
7.4 Fazit

8. Die Wirksamkeit der Betrieblichen Sozialarbeit
8.1 Kosten-Nutzen-Rechnung
8.2 Break-Even-Analyse

9. Resümee

10. Literaturverzeichnis

11. Abbildungsverzeichnis

12. Anhang
12.1 Interviewleitfaden „Unternehmen“
12.2 Interviewleitfaden „Suchtberatungsstelle“
12.3 Dienstvereinbarung Sucht
12.4 Anlage zur Dienstvereinbarung
12.5 Henkel, Soziale Dienste ‚Aktionsfelder‘

1. Einleitung

Eine häufige Frage an (angehende) Sozialarbeiter lautet: Soziale Arbeit, was ist das überhaupt?

Menschen, die aufgrund ihrer sozialen und privaten Lebenslage nie mit Sozialer Arbeit in Berührung gekommen sind, können sich unter diesem Berufsfeld oft nichts Genaues vorstellen. So versucht man es ihnen an Hand von Methoden- oder Arbeitsfeldbeispielen zu erklären. Oft genannte Beispiele sind in diesem Zusammenhang die Arbeit beim Jugendamt, der Familienhilfe, die Arbeit mit Suchtmittelabhängigen oder Streetwork. Allgemein kann man auch sagen, dass es um die Unterstützung von Personen geht, die aufgrund unterschiedlicher Problematiken Hilfe benötigen, um ihr Leben unter Rückgriff auf die eigenen Potenziale, wieder in geregelte Bahnen zu lenken. So lässt sich Soziale Arbeit kurz und knapp umschreiben.

Aber was ist dann Betriebliche Sozialarbeit?

Wenn man überhaupt eine Antwort auf diese Frage erhält, so lautet diese häufig : Ach, Betriebliche Sozialarbeit, das ist doch Suchtberatung!?! Aber, Streetwork, so was gibt es doch nicht in einem Unternehmen!

Streetwork vielleicht nicht, aber ist Betriebliche Sozialarbeit wirklich nur Suchtberatung? Gibt es nicht vielleicht viel mehr Aufgaben- und Arbeitsfelder, mit denen sich Sozialarbeiter in einem Unternehmen beschäftigen? Immerhin lässt sich Soziale Arbeit auch nicht auf die wenigen oben genannten Beispiele reduzieren. Welche Methoden und Arbeitsfelder aus der klassischen Sozialen Arbeit lassen sich in einen Betrieb übertragen und welche Aufgaben können sich aus dem Fachwissen und der Professionalität eines betrieblichen Sozialarbeiters heraus noch ergeben? Wer profitiert davon? Nur das Unternehmen oder nur die Mitarbeiter? Oder nützt Betriebliche Sozialarbeit sowohl dem Arbeitgeber wie auch dem Arbeitnehmer?

All dies sind Fragen, denen in dieser Bachelorarbeit nachgegangen werden soll.

In der heutigen globalisierten Arbeitswelt, in der die Anforderungen in Bezug auf Zeitmanagement, Flexibilität und Fähigkeiten immer größer werden, lastet ein enormer Druck auf der Industrie und den Beschäftigten. Die Industrie, also die Unternehmen, befinden sich in einem ständigen Konkurrenzkampf mit anderen Leistungsanbietern. Mit immer geringerem Aufwand das Bestmögliche zu leisten, um den Gewinn zu optimieren, ist ein Vorgehen, das negative Auswirkungen auf die Angestellten haben kann. Reduzierungen auf dem personellen Sektor zur Kosteneinsparung, daraus resultierende immer größer werdende Leistungserwartungen an die verbleibenden Mitarbeiter, Zeitdruck, Änderungen der Arbeitsstrukturen und die Erwartung immer und überall verfügbar sein zu müssen, sind nur wenige Faktoren, die sich auf das persönliche Wohlbefinden und somit auch auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auswirken. Die Folgen können physische und psychische Belastungen sein, die unbeachtet und unbehandelt früher oder später zu schweren Erkrankungen führen können. Auch der demographische Wandel ist ein entscheidender Faktor. Neben den hohen Leistungserwartungen werden die Angestellten immer älter. Zum Arbeitsdruck gesellen sich eventuell private Probleme hinzu, etwa ein pflegebedürftiger Angehöriger oder altersbedingte gesundheitliche Beschwerden. Aber nicht nur ältere Arbeitnehmer stehen privat wie beruflich vor Herausforderungen, bei deren Bewältigung sie manchmal Unterstützung benötigen. Auszubildende erleben den Konsumwahn der heutigen Gesellschaft, sobald sie ihr erstes Geld verdienen haben sie das Gefühl, sich plötzlich alles leisten zu können. Für viele junge Berufstätige kann dies der Weg in eine Schuldenfalle sein, aus der allein kein Entrinnen mehr ist. Je größer die Probleme, Herausforderungen und Anspannungen werden, umso schwieriger ist es, sich allein oder ‚lediglich‘ mit Unterstützung der Familie daraus zu befreien. In vielen Fällen nützt nur noch professionelle Hilfe, um die eigenen Kräfte wieder zu stärken oder um mit nötigem Fachwissen wieder auf die Beine zu kommen. Ein belasteter und nicht leistungsfähiger Mitarbeiter steht dem Betrieb häufig im Weg, im schlimmsten Falle droht ihm die Kündigung. Diese nützt vielleicht dem Unternehmen, den Menschen zieht dies unter Umständen nur weiter hinunter. Oft ließen sich schwerwiegende und belastende Probleme schon frühzeitig vermeiden, aber wer kümmert sich darum?

Hier kann die Betriebliche Sozialarbeit ansetzen. Wie und mit welchen Mitteln und Möglichkeiten soll in dieser Arbeit vertieft werden.

Entsprechend des Themas dieser Bachelorarbeit, Betriebliche Sozialarbeit-Theorie und ausgewählte Praxis, werden zunächst die theoretischen Grundlagen erläutert. Zu Beginn geht es um die Begriffsklärung der Betrieblichen Sozialarbeit und ihre Abgrenzung von der klassischen Sozialen Arbeit sowie um ihre geschichtliche Entwicklung vom Beginn des 20. bis ins 21. Jahrhundert. In Kapitel 3.3 und 3.4 wird lediglich die Situation in der Bundesrepublik nach 1949 dargestellt, nicht die in der DDR. Die Darstellung beider Entwicklungen wäre für diese Arbeit zu umfangreich und zudem für die eigentliche Thematik nicht von großem Belang. Im weiteren Verlauf werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der Betrieblichen Sozialarbeit kurz erläutert. Im Anschluss geht es um die internen Anbindungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit im Betrieb. Dabei werden die Vor- und Nachteile der jeweiligen Anbindungsform erwähnt, eine endgültige Bewertung, welche Art der Verortung der Betrieblichen Sozialarbeit die beste sein könnte, wird nicht getroffen. Im darauffolgenden Kapitel werden die Methoden sowie ausgewählte Arbeitsfelder und Instrumente der Betrieblichen Sozialarbeit aufgezeigt. Aufgrund der umfangreichen Thematik werden an dieser Stelle einige Punkte reduziert, aber dennoch so ausführlich wie möglich und für diese Arbeit notwendig dargestellt. Das Arbeitsfeld des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist thematisch in zwei Teile unterteilt. Dies erschien sinnvoll, da hier einerseits die Einzelfallarbeit, wie auch die Prävention im Rahmen der Gemeinwesen- und Gruppenarbeit eine große Rolle spielt. Der besagte zweite Teil zum betrieblichen Eingliederungsmanagement bildet den Abschluss des theoretischen Teils dieser Arbeit.

Für den praktischen Teil wurden drei Interviews geführt, um ausgewählte Praxisbeispiele für die Betriebliche Sozialarbeit aufzeigen zu können. Hierfür wurden zunächst Interviewleitfäden entwickelt, die im Anhang zu finden sind (siehe 12.1 und 12.2). Die Interviews erfolgten Ende Februar 2011 mit der Sozialberaterin der BOGESTRA in Bochum, einer Mitarbeiterin der Sozialen Dienste bei Henkel Standort Düsseldorf und mit der Leiterin des Kontakt- und Beratungszentrums Pavillon in Bochum. Alle Interviewpartnerinnen gaben mündlich die Erlaubnis, die Gespräche aufzuzeichnen. In Kapitel 7 werden die Interviews inhaltlich, unter Berücksichtigung der Ton- und Schriftaufzeichnungen sowie erhaltener Materialien (siehe 12.3 – 12.5) wiedergegeben. Die Gesprächspartnerinnen werden nach Absprache in dieser Arbeit weder namentlich erwähnt, noch wörtlich zitiert. Bei dem Interview mit der Leiterin des Beratungszentrums steht ein Stufenplan des Trägers zur internen Mitarbeiterberatung bei Suchtproblemen im Vordergrund. Dieser ist in ausführlicher Form auch im Anhang zu finden. Eine kurze bewertende Anmerkung zu den Interviews erfolgt im Fazit. Außerdem soll mit Hilfe der Interviews die Frage geklärt werden, wie es um die Zukunftsperspektiven der Betrieblichen Sozialarbeit bestellt ist. Eine diesbezügliche Schlussfolgerung erfolgt im Resümee.

In dem anschließenden Kapitel über die Wirksamkeit Betrieblicher Sozialarbeit werden zwei Untersuchungsmethoden zur Nutzenberechnung sozialarbeiterischer Leistungen im Betrieb kurz vorgestellt. Es schien an dieser Stelle sinnvoll aufzuzeigen, dass Unternehmen die Möglichkeit haben, bei Bedarf den monetären Nutzen Betrieblicher Sozialarbeit zu errechnen, besonders in Bezug zu den oben erwähnten Kosteneinsparungen im Rahmen von Gewinnoptimierung und Konkurrenzfähigkeit. Schließlich sind Unternehmen wirtschaftlich denkende und handelnde Institutionen, in denen Kosten-Nutzen-Rechnungen eine Selbstverständlichkeit sind.

2. Betriebliche Sozialarbeit | Begriffsklärung

Wie kann der Begriff Betriebliche Sozialarbeit (BSA) erklärt oder definiert werden? Im ‚Wörterbuch Soziale Arbeit‘ von Kreft und Mielenz (Hrsg.) findet man Folgendes:

„Betriebliche Sozialarbeit (BSA) ist SozArb in (i.d.R. Groß-) Unternehmen, Behörden/Verwaltungen und vergleichbar strukturierten Organisationen. Ihr umfangreicher Katalog von Aufgaben und Maßnahmen wird den Beschäftigten als freiwillige, betriebsinterne oder extern eingekaufte Sozialleistung angeboten. […] Aufgabe der BSA ist es, mittels geeigneter Maßnahmen die durch persönliche Belastung gebundenen, den Unternehmensprozess und das Betriebsergebnis beeinträchtigenden Mitarbeiterpotenziale wieder verfügbar zu machen bzw. zu verbessern. Folgerichtig überwiegen lösungsorientierte Ansätze gegenüber analytischen.“[1] Zu den Aufgaben der BSA zählen demnach die Beratung bei unterschiedlichen Konflikt- oder Problemsituationen, bei Suchtverhalten, Überschuldung, Wiedereingliederung, Rehabilitation und der Vorbereitung auf den Ruhestand. Außerdem Maßnahmen der Personalentwicklung, zum Beispiel Aufklärung und Schulungen zu bestimmten Themen, wie etwa Suchtprävention und organisationsbezogene Maßnahmen, wie die Begleitung von Organisationsentwicklungs- und Qualitätsmanagementprozessen. In der heutigen Zeit machen auch Projekte zur Gesundheitsförderung einen Großteil der BSA aus.[2]

Der Bundesfachverband Betriebliche Sozialarbeit e.V. (bbs), in dem Beschäftigte der BSA seit 1994 organisiert sind, definiert in seiner Rahmenkonzeption Betriebliche Sozialarbeit verbindlich.[3]

„Betriebliche Sozialarbeit begründet ihren Bedarf mit der Interessenparallelität von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern und Unternehmen an Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit. […] Betriebliche Sozialarbeit leistet im reaktiven wie im präventiven Bereich einen wesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung, Stabilisierung und Förderung von psychosozialer Gesundheit und somit zum Erreichen der Unternehmensziele. […] Je nach Zielgruppe innerhalb des Betriebes bietet die Betriebliche Sozialarbeit aus ihrer Fachlichkeit heraus spezielle (Dienst-) Leistungen an, die das Ziel haben, Problemlösungs- und Entwicklungsprozesse zu initiieren und zu fördern.“[4] Auch der bbs gibt als Hauptaufgabenfelder der BSA Beratung, Information, Prävention, Training und organisationsbezogene Maßnahmen an. Als zusätzlichen wichtigen Punkt wird hier auch die Netzwerkarbeit mit externen Anbietern sozialer Hilfen genannt, außerdem die Netzwerkarbeit innerhalb des bbs, wo sich Sozialberater unterschiedlicher Firmen oder Organisationen untereinander austauschen können.[5]

In beiden Definitionen wird zudem klargestellt, dass die Fachkräfte der BSA neben ihrem entsprechenden Studium (Sozialarbeit-/pädagogik, Soziale Arbeit oder ein sozialwissenschaftliches Fach) vorzugsweise eine mehrjährige Berufserfahrung in verschiedenen Tätigkeitsfeldern wie auch qualifizierende Fortbildungen vorweisen können. Zudem wird persönliche Belastbarkeit, psychische Stabilität und Eigeninitiative von ihnen erwartet.[6]

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Betriebliche Sozialarbeit mit Hilfe geschulter Fachkräfte durch beratende, informative und organisationsbezogene Tätigkeiten, die Ressourcen der Mitarbeiter, im Sinne des Unternehmens, versucht zu stärken und zu mobilisieren. Somit nutzt sie gleichwohl dem Arbeitnehmer wie auch dem Arbeitgeber.

2.1 Betriebliche Sozialarbeit versus „klassische“ Soziale Arbeit

In einschlägiger Fachliteratur findet man häufig noch die Unterscheidung und Abgrenzung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Dabei beinhaltet die Sozialarbeit eher die materiellen Leistungen der sozialen Politik. Die Sozialpädagogik ist für die personenbezogenen Dienstleistungen zuständig, wie zum Beispiel Erziehung, Beratung, Bildung und andere. Mittlerweile werden beide Arbeits- und Aufgabenbereiche unter dem Oberbegriff Soziale Arbeit zusammengefasst.[7] Aus diesem Grund wird in den folgenden Kapiteln ausschließlich der Begriff (klassische) Soziale Arbeit verwendet. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll nicht weiter auf die Differenzen dieser Begrifflichkeiten eingegangen werden, sondern darauf, welcher Unterschied zwischen der Betrieblichen Sozialarbeit und der „klassischen“Sozialen Arbeit bestehen könnte. Betriebliche Sozialarbeit ist ein sehr großes Arbeitsfeld, in dem, wie schon in Kapitel 2 erwähnt, ausgebildete Sozialarbeiter tätig sein können. Die grundsätzlichen Arbeitsmethoden wie Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit entstammen der Sozialen Arbeit, ebenso wie ein Großteil der Arbeitsfelder und Verfahren: Beratung von Menschen in unterschiedlichen Problemsituationen, Mediation, Supervision, Qualitätsmanagement, Organisationsentwicklung und viele weitere.

Ein entscheidender Unterschied zwischen BSA und Sozialer Arbeit ist das Setting, in dem die Methoden und Arbeitsinstrumente umgesetzt werden. Die klassische Soziale Arbeit findet zum Großteil im Sozialraum der Menschen statt. Es gibt verschiedene Träger und Organisationen die vor Ort ihre Leistungen anbieten. Sozialarbeiter und Klienten haben meist keine Gemeinsamkeiten, abgesehen von ihrem Betreuungsverhältnis, welches vertraglich geregelt ist. Betriebliche Sozialarbeit findet, wie der Name bereits sagt, in Unternehmen statt. Ist die Sozialberatung im Betrieb angesiedelt, sind sowohl die Sozialberater, als auch die Klienten bei dem gleichen Arbeitgeber angestellt. Sie arbeiten für das gleiche und in dem gleichen Unternehmen, sind in diesem Sinne Arbeitskollegen. Dies kann zu Problemen führen, wenn die Mitarbeiter des Unternehmens befürchten, dass die Sozialberatung vertrauliche Dinge nicht für sich behält, sondern diese an die Führungskräfte weiterträgt. Deswegen ist es für die BSA, beziehungsweise für die betriebsinterne Sozialberatung sehr wichtig, wo sie im Unternehmen angesiedelt ist und dass es klare Rahmenbedingungen gibt, durch die sowohl die Mitarbeiter als auch die Sozialberater abgesichert sind. Auf diesen Punkt wird in den folgenden Kapiteln vertiefender eingegangen.

Ein weiterer Unterschied zwischen Betrieblicher Sozialarbeit und der klassischen Sozialen Arbeit, über den wenig geredet wird, der aber dennoch sehr entscheidend ist: Die Vergütung. Arbeitet man für ein Industrieunternehmen, auch als Sozialarbeiter, ist man finanziell deutlich besser gestellt, als wenn man zum Beispiel für einen freien Träger der Jugendhilfe arbeitet. Ein Fakt, der nicht außer Acht gelassen werden darf.

Was die theoretische Arbeitsmethodik angeht, unterscheidet sich die BSA nicht sonderlich von der klassischen Sozialen Arbeit. In der praktischen Umsetzung zeigen sich dann aber deutliche Unterschiede, deren Auswirkungen für die Tätigkeit in dem jeweiligen Arbeitsfeld entscheidend sind.

3. Die geschichtliche Entwicklung der Betrieblichen Sozialarbeit in Deutschland

3.1 Beginn des 20. Jahrhunderts und der 1. Weltkrieg

Die Ursprünge der Betrieblichen Sozialarbeit finden sich bereits im Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1900 vermittelte Friedrich Zimmer (1855-1919), Begründer des evangelischen Diakonievereins, eine Krankenschwester an eine Textilfabrik in Gummersbach. Die Krankenschwester wurde zusätzlich zu ihrem Fachwissen in der Technik der Fabrikarbeit und im Umgang mit Maschinen ausgebildet und sollte in der Fabrik andere Arbeiterinnen beaufsichtigen und auch anlernen. Da der Begriff Krankenpflege für dieses Aufgabenspektrum nicht ausreichte, entstand die Tätigkeitsbezeichnung Fabrikpflege. Im gleichen Jahr wurde im Kabelwerk Oberspree der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) eine Fabrikpflegerin angestellt.[8] Welche nun die Erste in diesem Tätigkeitsbereich war, ist schwer zu klären. In den kommenden Jahren folgten unter anderem große Firmen wie Bayer, Krupp und Siemens.[9]

Die Fabrikpflege wurde als Stabsstelle unter der Betriebsleitung angesiedelt. Berufsorganisationen der Krankenpflege und kirchliche Organisationen waren für die Ausbildung der Fabrikpflegerinnen verantwortlich. Die Berufsanwärterinnen, meist Krankenschwestern, erhielten einen vierwöchigen Theoriekurs mit anschließender einjähriger Lehrzeit in einer Fabrik. So sollten sie lernen, erzieherische Aufgaben auf sozialer als auch auf technischer Ebene auszuüben. Praktisch war die soziale Ebene aber relevanter, der Einsatz bezog sich hauptsächlich auf die Beratung in Fragen zur Gesundheit, Versorgung der Kinder, Mutterschutz, Unterkunft oder Ernährung.[10]

Mit der Anstellung der Fabrikpflegerinnen verfolgten die Unternehmen die Zielsetzung, „die Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen, mit einer höheren Leistungsmotivation einerseits und andererseits – nach heutigen Begrifflichkeiten – Gesundheitsprävention für die Belegschaft.“[11] Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges wurden ca. 200 Fabrikpflegerinnen in deutschen Unternehmen angestellt und beschäftigt.[12]

In den Jahren während des 1. Weltkrieges 1914-1918 stieg die Zahl der Fabrikpflegerinnen auf fast 800 an, die in ca. 1260 Betrieben angestellt waren. Grund dafür war das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst vom 05.12.1916, welches Frauen dazu verpflichtete, in den Waffen- und Munitionsfabriken zu arbeiten. Die Frauen hatten dadurch mit einer extremen Doppelbelastung zu leben, Haushaltsführung und Kindererziehung/ -versorgung, dazu die harte Arbeit in einer Fabrik. Hinzu kam die psychische Belastung, der Gedanke daran, dass der Mann an der Front war, dort sterben könnte oder vielleicht schon gefallen war. Im Jahr 1917 wurde sogar in einem preußischen Kriegsministerialerlass verfügt, dass Unternehmen vermehrt Fabrikpflegerinnen einstellen sollten, um insbesondere Arbeitsausfällen vorzubeugen.[13] Folgende Tätigkeiten gehörten zu dem Aufgabenbereich der Fabrikpflegerinnen:

„Unterbringung der Kinder während der Abwesenheit der Mütter, Schlichtung bei Streitigkeiten, Beratung bei Alimentationsproblemen, Finanzplanung, Überwachung von vorgeschriebenen Schonzeiten, Pflege der Geselligkeit und Unterhaltungsabende“.[14] Überträgt man diese Aufgaben in die jetzige Zeit, lassen sich Parallelen zu heutigen Tätigkeiten in diesem Arbeitsbereich finden:

„Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung, Mediation/Konfliktberatung, Kindesunterhalt, Schuldenberatung, Mutterschutzfristen/Elternzeit“.[15]

Dennoch wurden die Fabrikpflegerinnen nicht immer unbedingt gern im Unternehmen aufgenommen. Die Vorgesetzten fühlten sich oft kontrolliert, die Arbeiterschaft unterstellte ihnen häufig Parteilichkeit, durch die finanzielle Abhängigkeit der Pflegerinnen vom Arbeitgeber.[16]

3.2 Die Weimarer Republik

Nach Kriegsende 1918 ging die Zahl der Fabrikpflegerinnen stark zurück, von ungefähr 800 waren im Jahr 1925 nur noch etwa 110 übrig. Für die Unternehmer stand nun die Optimierung der Produktionsprozesse im Vordergrund, das Befinden der Mitarbeiter oder soziale Probleme interessierten wenig. Das Aufgabenfeld der Fabrikpflegerinnen änderte sich. Sie sollten nun in der Familienfürsorge arbeiten, was zu der Umbenennung von Fabrikpflegerin in Werksfürsorgerin führte. Sie sollten weiterhin beratend tätig sein und den Frauen der Fabrikarbeiter zeigen, wie sie ihren Ehemännern ein ruhiges und erholsames zu Hause bieten konnten.[17]

„Sie sollten auf die Männer ausgleichend wirken, sie von Alkohol und Fehlschichten abhalten, ihren Sparsinn wecken und sie zum Erwerb von Eigenheimen drängen, dabei aber ‚frohe und heitere‘ Menschen sein, deren Wesen abfärbt, auf ihre Familie und ihren Mann, wenn er abends müde heimkehrt und der Erholung bedarf.“[18] Die Familien der Fabrikarbeiter wurden mehr oder weniger instrumentalisiert, sie sollten dafür sorgen, dass es den Männern gut ging, damit diese gute Arbeit leisten konnten. Nur so waren sie dem Unternehmen von Nutzen.

So stand zu dieser Zeit weniger die Betriebswohlfahrtspflege oder Fabrikwohlfahrtspflege, also die Arbeit mit direktem Bezug zum Unternehmen im Mittelpunkt, sondern die kommunale Familienfürsorge. Man kann also auch schon hier von inner- und außerbetrieblicher Fürsorge sprechen, oder von betrieblicher und kommunaler Sozialarbeit.[19] Auch hier zeigen sich demnach wieder Parallelen zur heutigen Situation. Dennoch wurde Mitte der 1920er Jahre für das Wiederbeleben und das Fortbestehen der Fabrikpflege gekämpft, Alice Salomon und Frieda Wunderlich setzten sich für die Wichtigkeit der Rolle der Fabrikpflegerinnen ein.[20]

„Ein Schema für ihre Arbeit kann der Fabrikpflegerin nicht gegeben werden. Ist es ihre Aufgabe, sich dem Arbeiter als Menschen zuzuwenden, in den Betrieb, der nur Rücksicht auf die höchstmögliche Produktion kennt, die Rücksicht auf den Menschen hineinzutragen und allmählich das ganze Werk mit dieser Gesinnung zu durchdringen, so muss sie andererseits Verständnis für die Notwendigkeiten des Betriebes besitzen und für die Anforderungen, die die Produktion an den Menschen stellt.“[21] Die Vereinbarkeit von menschlichen und sozialen Interessen, mit denen eines Unternehmens, nämlich der Produktions- und Gewinnsteigerung, war Mittel- und gleichzeitig Streitpunkt in der Diskussion um die Rolle Fabrikpflegerinnen.[22]

3.3 Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 musste sich auch die Fabrikpflege oder Betriebswohlfahrtspflege ihren Einflüssen beugen.

Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) führte im Jahr 1935 den Begriff Soziale Betriebsarbeit ein, da so genannte Betriebspflegerinnen nun nicht mehr ausschließlich in Unternehmen, sondern auch in Verwaltungen tätig waren. Die Berufsbezeichnung für die Arbeit in diesem Berufsfeld lautete von da an Volkspflegerin. In einer Verfügung dazu hieß es: „Sie hat in ihrem Arbeitsgebiet durch helfende Tat und kräftige Anleitung zu Selbsthilfe und zu Nächstenliebe ein frohes Bewusstsein zu erwecken, dass alle Deutschen nunmehr in einer echten Volks- und Schicksalsgemeinschaft zusammenstehen.“[23] Die Arbeit der Volkspflegerinnen und somit auch die Soziale Betriebsarbeit sollten demnach ganz im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und nach dem Führerprinzip geschehen. Im Endeffekt richtete sich die Arbeit wieder mehr an Frauen, die sich durch die erzieherischen Maßnahmen der Volkspflegerinnen zu „arbeitenden, nationalsozialistisch-selbstbewussten Frauen entwickeln“ sollten, „die ihre Männer unterstützen und für Kinder im Sinne eines erbbiologisch gesunden deutschen Nachwuchses“[24] sorgten.

Nach einer Aussage zweier Vertreter der DAF unterstand die Sozialpolitik der damaligen Zeit der allgemeinen Staatspolitik: „Nationalsozialistisches Denken verlangt, […] ein Umlernen auf allen Gebieten des nationalen und sozialen Lebens; es ist so auch notwendig den Begriff der Sozialpolitik aus unserem Denken heraus neu zu bestimmen. Sozialpolitik muss der allgemeinen Staatspolitik dienbar sein. Denn noch so berechtigte, sozialpolitische Bedürfnisse eines Teil des Volkes können nicht erfüllt werden, wenn diese Erfüllung gegen das Gesamtwohl des Volkes verstoßen würde.“[25] Auf Geheiß der DAF wurden zudem die Richtlinien für die Ausbildung der Volkspflegerinnen geändert. Eine fünfjährige Tätigkeit in einer Fabrik und diverse Praktika waren nun Voraussetzung für die Ausübung dieses Berufes. Da zu dem damaligen Zeitpunkt die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) Trägerin der öffentlichen fürsorgerischen Aufgaben war, erlangten die Nationalsozialisten über die Soziale Betriebsarbeit einen immer größeren politischen Einfluss auf die Unternehmen, was deren politische Unabhängigkeit stark gefährdete.[26]

Wie man feststellen kann, wurde so ein weiteres Mal die damalige Form der Betrieblichen Sozialarbeit zu einem Instrument, welches dazu dienen sollte, bestimmte Personengruppen zu beeinflussen. In der Zeit der Weimarer Republik geschah dies mehr im Interesse der Unternehmen, in der Zeit des Nationalsozialismus im Sinne der Politik.

Durch den 2. Weltkrieg wurden wieder mehr Frauen in der Rüstungsindustrie tätig, was zu einem erneuten Anstieg der Arbeitskräfte in dem Berufsfeld der Sozialen Betriebsarbeit, später auch als Betriebsfürsorge bezeichnet, führte. „Zum Ende des 1000-jährigen Reiches walteten 3000 Betriebsfürsorgerinnen […] in den deutschen Unternehmen.“[27]

Nach dem Krieg war die Soziale Betriebsarbeit bzw. die Betriebsfürsorge mit einem recht negativen Image behaftet, was wohl an ihrer Funktion während des Krieges lag. Sie war zum Großteil zu einem Kontroll- und Beeinflussungsinstrument geworden, das nun niemand mehr haben wollte. „Unternehmen verwiesen verstärkt auf öffentliche und freie Träger der Wohlfahrtspflege, Betriebsräte betonten bei persönlichen und sozialen Problemen innerhalb des Betriebes ihre eigenen Kompetenzen, die Gewerkschaften sahen die Betriebsfürsorge hauptsächlich als rechte Hand der Arbeitgeber.“[28] Bei den Großbetrieben, in denen die interne Soziale Arbeit auch nach dem Krieg fortgeführt wurde, lagen die Aufgabenschwerpunkte in diesem Arbeitsbereich bei der Bewältigung der Kriegsfolgen. „Heimkehrerbetreuung, Unterstützung bei Behördengängen, Behebung der Wohnungsnot, Erholungsfürsorge usw. standen im Vordergrund.“[29] Ab 1948 begann ein langsamer Aufschwung für die Betriebsfürsorge, besonders durch den Einsatz verschiedener Methoden der Sozialen Arbeit, die ihren Ursprung meist in den USA hatten. Dazu zählten Einzelfallarbeit, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit. Mit den Jahren verhalf diese systematische Arbeitsweise der Betriebsfürsorge dazu, sich von ihrem Image der reinen Fürsorge- und Kontrollfunktion zu lösen. Im Mittelpunkt standen nun eine professionelle Beratungs- und Unterstützungsfunktion, die dem Arbeitsgrundsatz Hilfe zur Selbsthilfe entsprach. Ausbildungsstätten waren zur damaligen Zeit noch Wohlfahrtsschulen und höhere Fachschulen. Neben der theoretischen Ausbildung war auch ein betriebliches Praktikum in der Betriebsfürsorge obligat.[30] Im Jahr 1957 wurde die Betriebsfürsorge durch den Sozialausschuss der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie in Sozialberatung umbenannt, was diesem Arbeitsfeld ein neues, positives Gesicht geben sollte.[31] Dieser Begriff wird auch heutzutage vielfach für sozialarbeiterische Einrichtungen in Unternehmen verwendet.

3.4 1960 bis Heute

Der wirtschaftliche Aufschwung in den 1960er Jahren half der Sozialen Arbeit im Betrieb endgültig wieder auf die Beine. „Es wurden verstärkt Mittel für soziale Maßnahmen bereit gestellt, die Arbeitgeber waren aufgeschlossener und zu Versuchen der Rehabilitation und Resozialisierung bereit.“[32] In der damaligen Situation war dies sehr wichtig, denn viele Arbeiter litten immer noch unter den Spätfolgen des Krieges, psychischer oder physischer Art.

In den 1970er Jahren wurden immer mehr BetriebssozialarbeiterInnen in Unternehmen angestellt, die schwerpunktmäßig mit Hilfe der bereits erwähnten drei Methoden arbeiteten. 1977 waren es etwa 500 in der Bundesrepublik. Aufgabenbereiche waren damals wie heute die Beratung bei Problemen unterschiedlicher Ursache, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention, Rehabilitation und die ersten Suchtberatungsmaßnahmen. Das Angebot richtete sich an alle Mitarbeiter eines Unternehmens, egal welchen Geschlechts oder Postens im Betrieb, nicht mehr speziell an Frauen, wie es in den Jahren vor und im Krieg war.[33] Die Betriebliche Sozialarbeit sollte durch ihre Angebote an alle innerbetrieblichen Hierarchiestufen nicht nur Probleme beseitigen, sondern eben genau dadurch auch dem Unternehmen zu wirtschaftlichem Erfolg verhelfen.

In den 1980er Jahren rückte die Suchtkrankenhilfe oder Suchtberatung als Tätigkeitsfeld der betrieblichen SozialarbeiterInnen immer mehr in den Vordergrund. Dadurch wurde die gesamte Arbeit der SozialberaterInnen themen- und problembezogener ausgerichtet. Außerdem sollte sich nicht mehr nur auf Einzelpersonen konzentriert werden, sondern auf ganze Zielgruppen. Allgemeine Informationen, Arbeitskreise und Schulungen zu bestimmten Themen zählen seitdem, genauso wie die individuelle Beratung, zu den Hauptaufgaben in der Betrieblichen Sozialarbeit.[34] Wichtig dabei sind vor allem die ständige Weiterentwicklung der Betrieblichen Sozialarbeit und die Weiterbildung der Fachkräfte. War in den 80er Jahren die Suchtberatung das Hauptarbeitsfeld, so sind es heute ganz andere Schwerpunkte, die sich häufig allein schon aus der allgemeinen, aktuellen sozialen und politischen Situation ergeben. Darauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit vertiefender eingegangen.

4. Rechtliche Grundlagen der Betrieblichen Sozialarbeit

Betriebliche Sozialarbeit ist weder gesetzlich eindeutig geregelt, noch abgesichert. Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet ihren Mitarbeitern eine Sozialberatung anzubieten, sie ist eine freiwillige Leistung eines Unternehmens. Wird ein Sozialberater in einem Betrieb angestellt, hat er sich nach gewissen rechtlichen Pflichten zu richten. Als Arbeitnehmer unterliegt er „den normalen Arbeitnehmerpflichten, zu denen insbesondere die Weisungsabhängigkeit gehört“.[35]

Wichtig für einen Sozialberater ist es jedoch, relativ unabhängig vom Arbeitgeber arbeiten zu können, da eine Vertrauensbasis zwischen ihm und den Mitarbeitern eines Unternehmens unerlässlich ist. Dem kommt zu Gute, dass der betriebliche Sozialarbeiter/Sozialberater, ebenso wie Sozialarbeiter in anderen Tätigkeitsfeldern, der gesetzlichen Schweigepflicht gemäß §203 (1) Ziffer 5 StGB unterliegt. Auch auf Anfrage, darf ein Sozialberater nichts, was ihm im Vertrauen von einem Betriebsangestellten erzählt wird, an Dritte weiterleiten. „Das der Arbeitgeber die Berufung auf die Schweigepflicht als Verletzung des Loyalitätsgebotes betrachtet, scheint durchaus vorstellbar. […] Doch wenn es der Betrieblichen Sozialberatung gelingt, die Schweigepflicht nicht als bewusste Informationsvorenthaltung, sondern als vertrauensschaffende Maßnahme zu Gunsten aller Beteiligten darzustellen“[36] und dies von Seiten des Unternehmens akzeptiert wird, so sollte einer Vertrauensbasis von allen Seiten nichts im Wege stehen.

Eine weitere Möglichkeit, die Arbeit einer innerbetrieblichen Sozialberatung abzusichern, für die Berater, ebenso für den Betrieb und die anderen Angestellten, ist eine Betriebsvereinbarung. Diese ist im Betriebsverfassungsgesetz BetrVG verankert:

§77 Durchführung gemeinsamer Beschlüsse, Betriebsvereinbarungen

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber […] führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; […] Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) […]
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. […]
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) […]“[37]

[...]


[1] Appelt in Kreft, Mielenz 2008, 167

[2] vgl. Appelt in Kreft, Mielenz 2008, 167f.

[3] vgl. Bundesfachverband Betriebliche Sozialarbeit e.V. (bbs) 2009, Rahmenkonzeption

[4] Engler 2009

[5] vgl. Bundesfachverband Betriebliche Sozialarbeit e.V. (bbs) 2009, Rahmenkonzeption

[6] vgl. Appelt in Kreft, Mielenz 2008, 167; Bundesfachverband Betriebliche Sozialarbeit e.V. (bbs) 2009, Rahmenkonzeption 2009

[7] vgl. Kreft, Mielenz in Kreft, Mielenz 2008, 776; Stoll 2001, 23f.

[8] vgl. Stoll 2001, 26

[9] vgl. Bremmer in Klein, Appelt 2010, 10

[10] vgl. Jaeppelt, Görcke 2009, 13; Stoll 2001, 27

[11] Bremmer in Klein, Appelt 2010, 11

[12] vgl. Klinger in Jente et al. 2001, 16

[13] vgl. Jaeppelt, Görcke 2009, 14; Klinger in Jente et al. 2001, 16; Stoll 2001, 27

[14] Bremmer in Klein, Appelt 2010, 12

[15] Bremmer in Klein, Appelt 2010, 12

[16] vgl. Stoll 2001, 27

[17] vgl. Jaeppelt, Görcke 2009, 15; Stoll 2001, 28

[18] Blandow 1993, 315 zitiert in Stoll 2001, 28

[19] vgl. Jaeppelt, Görcke 2009, 15f; Stoll 2001, 28

[20] Klinger in Jente et al. 2001, 17; Stoll 2001, 28f.

[21] Wunderlich 1926 zitiert in Klinger in Jente et al. 2001, 17

[22] vgl. Stoll 2001, 29

[23] Reinicke 1988, 207 zitiert in Stoll 2001, 29

[24] Stoll 2001, 29

[25] Amendt et al. 1986, 28 zitiert in Jaeppelt, Görcke 2009, 16

[26] vgl. Stoll 2001, 30

[27] Blandow 1993, 316 zitiert in Bremmer in Klein, Appelt 2010, 13

[28] Stoll 2001, 30

[29] Stoll 2001, 31

[30] vgl. Stoll 2001, 30f.

[31] vgl. Klinger in Jente et al. 2001, 18

[32] Jaeppelt, Görcke 2009, 19f.

[33] vgl. Jaeppelt, Görcke 2009, 20; Stoll 2001, 32

[34] vgl. Stoll 2001, 31f.

[35] Judis in Jente et al. 2001, 19

[36] Meier in Jente er al. 2001, 36

[37] Bundesministerium der Justiz, §77 BetrVG

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842822191
DOI
10.3239/9783842822191
Dateigröße
3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe – Sozialarbeit, Studiengang Soziale Arbeit
Erscheinungsdatum
2011 (November)
Note
1,7
Schlagworte
betriebliche sozialarbeit sozialberatung unternehmen
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Titel: Betriebliche Sozialarbeit - Theorie und ausgewählte Praxis
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