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Internet- und Computerspielabhängigkeit

©2010 Diplomarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Circa 1,5 Milliarden Menschen sind weltweit online, in Deutschland sind es in etwa 54 Millionen Menschen. Bei einer Bevölkerung von ca. 82 Millionen Menschen, entspricht das 66 % der deutschen Bevölkerung – Tendenz steigend.
Das Medium Internet ist seit Mitte der neunziger Jahre im stetigen Aufschwung. Immer mehr Menschen, vor allem die jüngeren Generationen, verfügen über einen Internetzugang in ihren Haushalten und wissen auch damit umzugehen. Die Nutzung ist vielschichtig und multidimensional. Ob auf der Arbeitsstelle oder zu Hause, der Computer ist allgegenwärtig und ohne Internetanschluss kaum noch vorstellbar.
Diese Ausbreitung wird durch stetige Weiterentwicklung der Handhabung von Personal Computern und durch die rasche Verbreitung und Verbesserung der Onlineanschlüsse (Breitbandanschlüsse) gefördert. Wurde in den 90er Jahren hauptsächlich auf statischen Internetseiten des World Wide Webs gesurft und Mailing betrieben, ist das Internet durch das Wachsen der Übertragungsraten, im wahrsten Sinne des Wortes, multimedial geworden.
‘Multimedia’ – das Wort des Jahres 1995, erfährt erst im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends seine wahre Bedeutung, insbesondere das Web 2.0 mit all seinen multimedialen Facetten bannt Millionen von Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, vor den Monitoren. So konnte die JIM-Studie (Jugend, Information, Media) aus dem Jahr 2008 erstmals feststellen, dass in deutschen Jugendzimmern eher ein Computer, als ein Fernsehgerät vorzufinden sei. Hält man sich diese Zahlen vor Augen, kann man nicht abstreiten, dass eine wissenschaftliche Annäherung an die Folgen / Gefahren / Chancen dieses Mediums unerlässlich ist.
Mit dem Aufschwung des neuen Mediums ‘Internet’ haben sich Mitte der neunziger Jahre auch einige Wissenschaftler mit dem Thema beschäftigt. So hat Ivan Goldberg, ein Psychologe aus New York 1995 einen satirischen Beitrag verfasst, in dem er erläuterte, dass sich eine neue Form der ‘Sucht’ verbreite und zwar die ‘Onlinesucht’ (internet addiction disorder, oder auch IAD). Eigentlich als Scherz gedacht, verbreitete sich diese Nachricht im noch recht jungen World Wide Web und leitete einen wissenschaftlichen Diskus ein. Eine neue Form der Sucht war geboren.
Ivan Goldberg hierzu: ‘I don’t think Internet addiction disorder exists any more than tennis addictive disorder, bingo addictive disorder, and TV addictive disorder exist. People can overdo anything. To call it a disorder is an […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Einleitung

2. Feststellung und Terminologie
2.1 Exzessives, aber normales Internetverhalten
2.1.1 Euphorie der Anfangsphase
2.1.2 Phänomen im Jugendalter / in der Adoleszenz
2.1.3 Persönlichkeitsmerkmale
2.1.4 Ausweichverhalten
2.2 Pathologisches Internetverhalten
2.2.1 Pathologischer Internetgebrauch als Störung der Impulskontrolle
2.2.2 Pathologischer Internetgebrauch als stoffungebundene Abhängigkeit
2.2.3 Pathologischer Internetgebrauch als Begleiterscheinung psychischer Störungen

3. Ergebnisse quantitativer Forschung
3.1 Studie Hahn und Jerusalem 2001
3.2 Studie Lin und Tsai 2002
3.3 Studie Rehbein, Kleimann und Mößle 2009
3.4 Weitere Forschungsergebnisse

4. Nutzung und Verbreitung des Internets in Deutschland
4.1 KIM-Studie 2008
4.2 JIM-Studie 2009
4.2.1 JIMplus 2009
4.3 Vergleich KIM und JIM-Studie
4.4 ARD und ZDF Onlinestudie
4.5 Zusammenfassung KIM, JIM und ARD/ZDF Onlinestudie

5. Vergleich Verbreitung und mögliche Abhängigkeit

6. Formen der Abhängigkeit
6.1 Computer- und Videospielabhängigkeit
6.1.1 Counterstrike und World of Warcraft
6.1.1.1 Beschreibung World of Warcraft
6.1.1.2 Faszination und Auswirkung World of Warcraft
6.1.1.3 Verbreitung und Beschreibung - Counterstrike
6.1.1.4 eSport als Motivation
6.1.2 Faszinationskraft Computer- und Videospiele
6.1.3 Kriterien zur Feststellung der Computerspielabhängigkeit
6.1.4 Studie zur Computerspielabhängigkeit in Deutschland
6.1.5 Auswirkungen der Computerspielabhängigkeit
6.2 Online-Glücksspielsucht
6.3 Onlinesexsucht
6.4 Online-Kommunikationssucht
6.4.1 Soziale Netzwerke
6.4.2.1 Soziale Netzwerke und Computerspiele
6.4.2 Onlinechat, Knuddels und ICQ
6.4.3 Auswirkungen der Onlinekommunikationssucht
6.5 Andere Formen der Onlinesucht
6.5.1 Onlinekaufsucht
6.5.2 Ebay Addiction

7. Handlungsmöglichkeiten zur Anerkennung und Prävention von Internet- und Computerspielabhängigkeit
7.1 Jugendmedienschutz und Altersfreigabe
7.2 Reale Wirklichkeit und Ersatzbefriedigungen
7.3 Sicherheits- und Warnsysteme
7.4 Sonstige Handlungsmöglichkeiten

8. Fazit, Diskussion und Ausblick

Literaturverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung

Zusammenfassung

In der vorliegenden Diplomarbeit zum Thema Internet- und Computerspiel-abhängigkeit wird der Versuch einer begrifflichen und inhaltlichen Charakterisierung von exzessivem Medienkonsum und Medienabhängigkeit unternommen. Anhand aktueller nationaler und internationaler Studien wird das Ausmaß der Betroffenheit vorgestellt. Außerdem wird auf die Verbreitung der relevanten Medien in Deutschland allgemein eingegangen. Darüber hinaus werden die spezifischen Formen von Internetabhängigkeit differenziert. Auf die Form der Computerspielabhängigkeit wird aufgrund ihrer Bedeutung besonders eingegangen. Abschließend werden Handlungsmöglichkeiten zur Anerkennung und Prävention von Internet- und Computerspielabhängigkeit erläutert.

Abstract

This diploma thesis is concerned with the phenomenon of internet and computer game dependency. It attemps to characterize excessive media consumption and media dependency by offering a conceptual framework. Based on recent results from national and international studies, the magnitude of this phenomenon is explored. Furthermore, the extent to which Germans are familiar with the discussed media is investigated. The thesis will deliver a differentiated picture of the varieties of internet and computer game dependency with a special focus on the latter one. To conclude, perspectives for treatment and prevention are discussed.

1. Einleitung

Circa 1,5 Milliarden Menschen sind weltweit online, in Deutschland sind es in etwa 54 Millionen Menschen. Bei einer Bevölkerung von ca. 82 Millionen Menschen, entspricht das 66 % der deutschen Bevölkerung – Tendenz steigend. (Internetworldstats, 2010)

Das Medium Internet ist seit Mitte der neunziger Jahre im stetigen Aufschwung. Immer mehr Menschen, vor allem die jüngeren Generationen, verfügen über einen Internetzugang in ihren Haushalten und wissen auch damit umzugehen. Die Nutzung ist vielschichtig und multidimensional. Ob auf der Arbeitsstelle oder zu Hause, der Computer ist allgegenwärtig und ohne Internetanschluss kaum noch vorstellbar.

Diese Ausbreitung wird durch stetige Weiterentwicklung der Handhabung von Personal Computern und durch die rasche Verbreitung und Verbesserung der Onlineanschlüsse (Breitbandanschlüsse) gefördert. Wurde in den 90er Jahren hauptsächlich auf statischen Internetseiten des World Wide Webs gesurft und Mailing betrieben, ist das Internet durch das Wachsen der Übertragungsraten, im wahrsten Sinne des Wortes, multimedial geworden.

„Multimedia“ – das Wort des Jahres 1995, erfährt erst im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends seine wahre Bedeutung, insbesondere das Web 2.0 mit all seinen multimedialen Facetten bannt Millionen von Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, vor den Monitoren.

So konnte die JIM-Studie (Jugend, Information, Media) aus dem Jahr 2008 erstmals feststellen, dass in deutschen Jugendzimmern eher ein Computer, als ein Fernsehgerät vorzufinden sei. (Info Sozial, 2008)

Hält man sich diese Zahlen vor Augen, kann man nicht abstreiten, dass eine wissenschaftliche Annäherung an die Folgen / Gefahren / Chancen dieses Mediums unerlässlich ist.

Mit dem Aufschwung des neuen Mediums „Internet“ haben sich Mitte der neunziger Jahre auch einige Wissenschaftler mit dem Thema beschäftigt. So hat Ivan Goldberg, ein Psychologe aus New York 1995 einen satirischen Beitrag verfasst, in dem er erläuterte, dass sich eine neue Form der „Sucht“ verbreite und zwar die „Onlinesucht“ (internet addiction disorder, oder auch IAD). Eigentlich als Scherz gedacht, verbreitete sich diese Nachricht im noch recht jungen World Wide Web und leitete einen wissenschaftlichen Diskus ein. Eine neue Form der Sucht war geboren.

Ivan Goldberg hierzu: „ I don’t think Internet addiction disorder exists any more than tennis addictive disorder, bingo addictive disorder, and TV addictive disorder exist. People can overdo anything. To call it a disorder is an error.“

Einige Wissenschaftler wollten dieses Thema jedoch nicht so einfach ad acta legen und begannen einen Diskurs, der bis Dato anhält und bei wachsender Verbreitung des Internets und dessen User (Anwender) auch immer wichtiger erscheint.

Kimberly Young, Psychologin, widmete sich zunehmend dem Thema, für sie stand fest, „pathologischer Internetgebrauch“ ist nicht nur ein Spaß ihres Kollegen, sondern ein ernst zu nehmendes Phänomen. (vgl. Federwisch, 1997)

In dieser Arbeit wird hauptsächlich der Begriff „Sucht“ benutzt, dieser wird zwar auch in öffentlichen Diskussionen immer wieder gebraucht und hat somit eine gewisse Popularität erreicht, spiegelt aber nicht den wissenschaftlich korrekten Begriff wieder.

Laut dem Zwischenbericht an das Bundesministerium für Gesundheit zum Projekt „Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in Deutschland“, publiziert durch das Deutsche Zentrum für Suchtfragen, entspricht der Begriff „pathologischer Internetgebrauch“, ähnlich dem Begriff „pathologisches Spielen“ den internationalen wissenschaftlichen Konventionen für diagnostische Begriffe und ist somit wissenschaftlich korrekter als andere. (vgl. Petersen, Weymann, Schelb, Thiel, & Thomasius, 2009, S. 8)

Diese Arbeit soll den wissenschaftlichen Stand des Themas Onlinesucht / pathologischer Internetgebrauch darstellen. Dazu gehört eine Aufzählung und Erklärung der verschiedenen Formen dieser „Sucht“.

Außerdem soll geklärt werden, welchen Handlungsbedarf es gibt und wie man als Betroffener oder als Angehöriger mit dem Phänomen umgehen kann. Denn eines steht jetzt schon fest, das Thema Internetkonsum wird bei der Wachstumsrate des Internets in Zukunft immer mehr von Bedeutung sein. Hier ist es wichtig die fließenden Übergänge von normalem Konsum, exzessiven Konsum und einer vorhandenen Onlinesucht wahrzunehmen und richtig einzuschätzen.

Im ersten Teil dieser Arbeit soll die Frage geklärt werden, wie man Onlinesucht überhaupt feststellt. Welche Kriterien gibt es und sind diese überhaupt sinnvoll? Kann man behaupten, dass es so etwas wie eine Onlinesucht gibt? Ist es eine eigenständige Krankheit oder nur eine Unterform anderer, bereits bekannter Süchte (Glücksspielsucht/Sexsucht usw.)? Gibt es eine internationale Anerkennung dieser Krankheit?

Wie viele Fälle der Onlinesucht sind bekannt? Gibt es aussagekräftige und seriöse Studien? Dies soll im zweiten Teil dieser Arbeit anhand nationaler und internationaler Studien bearbeitet werden. Hier ist vor allem interessant zu beobachten, inwiefern die Verbreitung bei den jüngeren Generationen vorangeschritten ist. Um dies beurteilen zu können, wird versucht die Internetverbreitung bei Kindern und Jugendlichen, vor allem in Deutschland, zu analysieren.

Im nächsten Teil dieser Arbeit wird dargestellt, welche Unterformen es bei einer Onlinesucht gibt und wie sich diese hauptsächlich unterscheiden. Welche spezifischen Gefahren bestehen bei diesen unterschiedlichen Formen der Onlinesucht und wie machen sich diese bemerkbar. Inwiefern unterscheidet sich der Anteil von Jungen und Mädchen bzw. Männern und Frauen bei diesen Formen.

Zum Abschluss soll geklärt werden, ob ein sozialpädagogischer Handlungsbedarf vorliegt und auf welche Art und Weise man als Elternteil oder auch als Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge aktiv werden kann. Es werden Vorschläge zu präventiven Maßnahmen gemacht. Es soll aufgezeigt werden, welche Behandlungsmöglichkeiten es schon gibt und welche gegebenenfalls noch in Betracht gezogen werden müssen.

2. Feststellung und Terminologie

Die Zahl der Menschen mit einem Internetanschluss nimmt immer weiter zu, egal für was das Internet genutzt wird, ob Onlinegaming, Onlinechats, Onlinepornografie oder andere Bereiche, einige Nutzer haben ihren Onlinegebrauch nicht mehr unter Kontrolle. Ihre Onlinezeiten sind überdurchschnittlich hoch und die verschiedensten negativen Folgen können auftreten.

2.1 Exzessives, aber normales Internetverhalten

Doch wo ist der Unterschied zwischen exzessiven Gebrauch und einer „Sucht“? Kann man das überhaupt allgemeingültig beantworten?

Frau Silvia Kratzer hat versucht diese Frage unter der Betrachtung der verschiedensten (internationalen) Forschungsergebnisse im Rahmen eines Promotionsvorhabens an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München zu beantworten.

Als exzessives, aber durchaus als normales Verhalten, zieht sie folgende Beweggründe in Betracht:

2.1.1 Euphorie der Anfangsphase

Diese Form des Verhaltens in Bezug auf die Internetnutzung (exzessiv) beschreibt das Phänomen der Begeisterung in der Anfangsphase. Der Betroffene lernt das Internet und seine Möglichkeiten von Grund auf kennen und entwickelt eine gewisse Obsession für das Medium. Diese anfängliche Euphorie, die sich in einer exzessiven Nutzung des Mediums Internet und den spezifischen Möglichkeiten (Onlinechats, Gaming usw.) äußern kann, verläuft nach einer gewissen Zeit durch das Aufkommen von Enttäuschungen bzw. Desillusionen in eine normale und somit nicht mehr exzessive Nutzung des Internets über. Diese Enttäuschungen können jeweils unterschiedlich und Nutzerspezifisch sein. Ein Beispiel ist das Überangebot von fragwürdigen Informationen oder auch Enttäuschungen mit Onlinebekanntschaften. Aber auch das eigene Feststellen von fehlender realer, sozialer Interaktion mit der Umwelt, kann das Verhalten in Bezug auf den Gebrauch und der Nutzungszeit des Mediums Internet wieder normalisieren (vgl. Kratzer, 2006, S. 17-18).

2.1.2 Phänomen im Jugendalter / in der Adoleszenz

Jugendliche und junge Erwachsene sind laut Kratzer, die sich auf verschiedenste internationale, sowie nationale Studien bezieht, eher auffälliger in ihrem Onlineverhalten, als die älteren Teilnehmer dieser Befragungen. Dies sei auffällig, da die Ergebnisse von Studien, die an Hochschulen durchgeführt wurden, signifikantere Zahlen aufweisen als andere, vom Alter her breiter gefächerte Umfragen. Im Idealfall handele es sich jedoch nur um ein vorübergehendes Problem und wird somit nicht als Störung diagnostiziert. Man kann dies also als zwar zeitlich beschränktes, exzessives Nutzen des Internets sehen, jedoch wird die Balance zum Normalgebrauch nach einer gewissen Lebensphase wieder hergestellt, wodurch dieses Phänomen nicht als zu problematisch angesehen wird. (vgl. Kratzer, 2006, S. 18-19)

Trotzdem muss darauf hingewiesen werden, dass dieses Verhalten zwar ein Instrument der Identitätsfindung, jedoch auch schon Vorreiter zu einem krankhaft pathologischen Internetgebrauch sein kann. Hier verlaufen die Grenzen zwischen exzessiven, normalen Gebrauch und pathologischer Nutzung des Internets wie so oft ineinander.

2.1.3 Persönlichkeitsmerkmale

Als dritten Punkt nennt Kratzer verschiedene Persönlichkeitsmerkmale, die einen exzessiven Gebrauch des Internets begünstigen. Dazu gehört unter anderem das „Sensation Seeking“, was bedeutet, dass der Betroffene immer auf der Suche nach neuen Erlebnissen und Erfahrungen ist. Diesen „Zwang“ kann der Nutzer im heutzutage sehr facettenreichen Internet ausleben.

Ein anderer Faktor um dieses Phänomen (Persönlichkeitsmerkmale als Grund für exzessiven Internetgebrauch) zu beschreiben, bezeichnet man als Impulsivität. Impulsive Menschen handeln meist spontan, oft ohne die Konsequenzen für ihr Handeln zu hinterfragen. Bestimmte Entscheidungsfindungen werden verinnerlicht und nicht modifiziert. So kann das Surfen im Internet (oder auch andere Aktivitäten) nicht mehr kontrolliert durchgeführt werden. Eine hohe Impulsivität stellt jedoch noch keine klinische Störung dar. Die Form der Impulskontrollstörung wird im Verlauf dieser Arbeit noch näher beschrieben.

Das Persönlichkeitsmerkmal der Selbstwirksamkeit ist ein weiterer Begriff, den Kratzer hinsichtlich der pathologischen Internetnutzung untersucht. Die Selbstwirksamkeit, oder auch Selbstwirksamkeitserwartung des Nutzers beschreibt den eigenen Anspruch an sich selbst in Bezug auf bestimmte Herausforderungen im Leben. So nutzen Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung das Internet dafür, bestimmte Informationen zum Lösen eines Problems, wie zum Beispiel im Beruf oder im Studium zu finden. Auch wird das Internet dazu genutzt neue Menschen kennenzulernen, die den persönlichen Erfolg im Leben, auch auf Sozialer Ebene, „garantieren“.

Die genannten Persönlichkeitsmerkmale werden durch Kratzer als Begünstigung für die exzessive Nutzung des Internets angesehen. Diese Nutzung müsse jedoch keine pathologischen Züge annehmen. (vgl. Kratzer, 2006, S. 20-22)

2.1.4 Ausweichverhalten

Als weiteren und letzten Punkt, der unter exzessiven Internetgebrauch als normales Verhalten fällt, wird das Ausweichverhalten genannt. Hier ist jedoch anzumerken, dass dieses Verhalten leicht in den pathologischen Gebrauch übergehen kann.

Der Internetgebrauch als Ausweichverhalten ist als sehr problematisch anzusehen. Hier nutzen die Betroffenen das Internet um ihren persönlichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Es ist zu unterscheiden, ob sich der Nutzer nach dem kurzzeitigen Aufenthalt im Internet wieder seinen Problemen widmet, das Medium also nur als kurzfristige Ablenkung nutzt oder aber dauerhaft zur Ablenkung genutzt wird. Sollte das Internet als langfristiger Stressbewältiger dienen, kann daraus resultieren, dass eine Konditionierung vorliegt. Dies erklärt sich beispielhaft folgendermaßen. Der Nutzer hat die Erfahrung gemacht, dass der Aufenthalt im Internet die Stressgefühle, die er aufgrund vorliegender Arbeitslosigkeit hat, kurzfristig beseitigt. Dieses „befreiende“ Gefühl möchte er bei dem nächsten Stressaufkommen wieder herstellen, also nutzt er erneut das Internet als Ablenkung. Dass er dadurch unter Umständen seine Probleme im realen Leben vergrößert, wird in diesem Moment nicht beachtet, beziehungsweise realisiert. Durch die fehlende Bewältigung der realen Probleme können diese immer schwerwiegender werden, was ein erneutes Stressaufkommen beim Nutzer generieren kann. Als Ablenkung nutzt er das Internet erneut exzessiv, was sich letztendlich zu einem „Teufelskreis“ entwickelt. (vgl. Kratzer, 2006, S. 22-23)

2.2 Pathologisches Internetverhalten

Für exzessives und durchaus pathologisches Verhalten in Bezug auf das Onlineverhalten, führen Kratzer und auch andere Forscher folgende wissenschaftliche Erkenntnisse an, die hier weiter erläutert werden sollen:

1. Pathologische Internetnutzung als Störung der Impulskontrolle
2. Pathologische Internetnutzung als nicht-stoffliche Abhängigkeit
3. Pathologische Internetnutzung als Begleiterscheinung psychischer Störungen

Einige Wissenschaftler streben an, das Phänomen „pathologischer Internetgebrauch“ als eigenständige Krankheit zu etablieren. Um dies zu gewährleisten, müsste eine Eintragung in den Klassifikationen psychischer Störungen, also ICD 10 ( International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, herausgegeben durch die Weltgesundheitsorganisation) und DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, herausgegeben durch die Amerikanische Psychiatrische Vereinigung) erfolgen. Hier gibt es einen wissenschaftlichen Diskurs, der noch anhält.

2.2.1 Pathologischer Internetgebrauch als Störung der Impulskontrolle

Zum einen wird die Aufnahme des pathologischen Internetgebrauchs unter die Störungen der Impulskontrolle nach ICD 10 diskutiert. In diesem Bereich finden sich zurzeit folgende Störungen:

- Pathologisches Spielen (Glücksspiel)
- Pathologische Brandstiftung
- Pathologisches Stehlen
- Pathologisches Haarezupfen

Die Kategorisierung dieser verschiedenen Krankheiten unter der Impulskontrollstörung ist jedoch fraglich, da vor allem bei der Brandstiftung, bei der Kleptomanie und beim Haarezupfen anderweitige psychologische Störungen vorliegen und sie somit nicht als eigenständige Krankheiten unter der Impulskontrollstörung zusammengefasst werden können, sondern als Symptome bereits vorgängiger Störungen angesehen werden sollten. (vgl. te Wildt, 2008).

Die Referenzstörung der Impulskontrollstörungen des ICD 10 ist das pathologische Spielen. Einige Untersuchungen zur Onlinesucht beziehen sich sehr stark auf die Symptome der Glücksspielsucht und haben deswegen ähnliche Abfragekriterien bei diversen Umfragen. Hier ist unter anderem die bereits zuvor erwähnte Kimberly Young zu nennen, die auf dem Gebiet der Forschung über eine eventuelle pathologische Internetnutzung in den neunziger Jahren Pionierarbeit geleistet hat.

Te Wildt stellt die Impulskontrollstörung nach ICD 10 als eigenständige Erkrankung in Frage und weist darauf hin, dass eine Störung der Impulskontrolle eher als Symptom für andere Krankheiten (Persönlichkeitsstörungen) zu verstehen sei. Außerdem stünden die Störungen, die unter der Impulskontrollstörung aufgeführt sind, in zu stark differierenden Kontexten.

2.2.2 Pathologischer Internetgebrauch als stoffungebundene Abhängigkeit

Auch die Anerkennung der pathologischen Internetnutzung als stoffungebundene Abhängigkeit ist durchaus umstritten. Hier werden folgende Faktoren besonders stark bei Befragungen berücksichtigt:

1. Verlangen / Zwang zum Internetgebrauch
2. Verlust des Zeitgefühls
3. Entzugserscheinungen
4. Rückzug aus dem direkten sozialen Leben
5. Probleme mit der sozialen Umwelt (Arbeitsplatz, Schule, Eltern, Partner)
6. Fortführung des Verhaltens trotz Bewusstsein negativer Konsequenzen

(vgl. Kratzer, 2006, S. 29-30)

Bei Betrachtung dieser Punkte und des Phänomens der Internetabhängigkeit an sich, lässt sich feststellen, dass die vorhandene Kategorisierung gegenüber dem Medium Internet und seinen Möglichkeiten gerecht wird. Entscheidend ist nicht nur die Frage nach der Quantität, sondern auch nach den Anwendungsgebieten. Warum bleibt welcher Mensch aufgrund welcher Motivation dementsprechend „lang“ vor dem Rechner? Womit verbringt er seine Zeit und warum verzichtet er freiwillig auf real bestehende Sozialkontakte, bzw. hat er diese überhaupt?

Te Wildt stellt sich die Frage, was der Auslöser bei einer nicht stoffgebundenen Abhängigkeit, wie zum Beispiel der Glücksspielsucht sei, die bisher als einzige stoffungebundene Abhängigkeitserkrankung anerkannt ist. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das Substrat für diese Abhängigkeit klar zu definieren sei und benennt den Gewinn von Geld, gibt aber auch gleichzeitig zu verstehen, dass die Glücksspielabhängigkeit auch als Symptom verstanden werden könne, da es auch bei dieser Form eine hohe Anzahl an komorbiden, vor allem narzisstischen und depressiven Störungen gäbe. (vgl. te Wildt, 2008)

Stellt man nun die Internetabhängigkeit der Glücksspielsucht gegenüber, da diese von Wissenschaftlern, wie zum Beispiel Kimberly Young oft ähnlich charakterisiert wird, stellt sich die Frage, was der ausschlaggebende Auslöser bzw. auch „Kick“ für den Anwender ist, überdurchschnittlich lange vor dem Computer zu sitzen, bzw. seine Zeit im Internet zu verbringen.

Te Wildt stellt fest, dass der Auslöser im Gegensatz zur Glückspielsucht nicht pauschal benannt werden kann. Die Möglichkeiten des Internets sind zu breit gefächert, um eine klare pauschale Motivation der Nutzer festzustellen, sich diesem Medium langzeitig zu widmen. Der Reiz der Betroffenen kann jeweils stark unterschiedlich sein, so dass sich keine voreilige Erklärung nach dem „Warum“ geben lässt. „Das Spielen von Internet-Rollenspielen, wie es die meisten Internetabhängigen tun, ist allerdings viel zu komplex um darin ein eindeutiges, abhängig machendes Agens identifizieren zu können.“ (vgl. te Wildt, 2008)

2.2.3 Pathologischer Internetgebrauch als Begleiterscheinung psychischer Störungen

Als weitere Kategorisierung der Internetabhängigkeit, dient die These, dass übermäßiger Internetkonsum eine Begleiterscheinung psychischer Störungen ist. Kratzer hat in ihrer deutschen Studie zum Störungsbild „pathologische Internetabhängigkeit“ herausgefunden, dass bei 27 von 30 pathologischen Internetnutzern eine psychische Störung vorliegt, im Gegensatz dazu aber nur bei 7 von 31 Personen in der Gruppe der nicht pathologischen Nutzer. Sie kommt aufgrund ihrer durchgeführten Studie, die nicht online erhoben wurde, zu dem Entschluss, dass es sich bei der so genannten „pathologischen Internetnutzung“ mehrheitlich um eine sekundäre Störung handele, welche als Begleiterscheinung psychischer Störungen (z.B. Angststörung, Depression) zu sehen sei. (vgl. Kratzer, 2006, S. 85)

Auch te Wildt bestätigt Kratzers Schlussfolgerung, pathologischer Internetgebrauch sei eine Begleiterscheinung psychischer Störungen, in dem er angibt, dass alle Patienten seiner Untersuchung (an der medizinischen Hochschule Hannover) Kriterien für eine psychische Erkrankung erfüllt haben. So hätten seine internetabhängigen Patienten ein signifikant höheres Depressionsniveau als nicht-abhängige. Er sieht die Internetabhängigkeit nicht als eigenständige Erkrankung sondern eher als Symptom vorhandener psychischer Störungen. (vgl. te Wildt, 2008)

Erwähnenswert ist jedoch, dass die Internetabhängigen in der heutigen Zeit größtenteils im Bereich der Online-Rollenspiele vorzufinden sind. Dies wurde von Kratzer sowie te Wildt auf der Fachtagung „Clash of Realities“ 2008 in Köln unabhängig voneinander bestätigt. Mit der Verbreitung des berühmtesten Onlinerollenspiels „World of Warcraft“, auf das im Laufe dieser Arbeit noch expliziter eingegangen wird, sind auch die Fälle bekanntgewordener Internetabhängiger stark gestiegen. Dies lässt sich aufgrund verschiedener Studien nicht bestreiten und wird im Verlauf dieser Arbeit noch deutlicher aufgezeigt. Te Wildt führt aufgrund der massiven Verbreitung dieser Spiele und die damit einhergehende exzessive Internetnutzung jedoch die These an, dass es durchaus erstrebenswert sei, die Etablierung einer eigenständigen Abhängigkeit nach Onlinerollenspielen, trotz der vorliegenden Ergebnisse seiner und Kratzers Studie, zu untersuchen. (vgl. te Wildt, 2008)

Die Frage nach der Entstehung und Klassifizierung der Internet und Videospielabhängigkeit lässt sich also nicht eindeutig klären. Ob als eigenes Krankheitsbild als Unterkategorie der stoffungebundenen Abhängigkeiten, als Störung der Impulskontrolle oder als Begleiterscheinung psychischer Störungen, der Diskurs über die Einordnung der Internetabhängigkeit nach medizinischen Kriterien hält weiterhin an. Die genannte Uneinigkeit unter den Wissenschaftlern hinsichtlich der Benennung und Einordnung des Phänomens lässt sich anhand der folgenden Tabelle anschaulich darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. te Wildt, 2008)

3. Ergebnisse quantitativer Forschung

Seitdem Kimberly Young 1995 anfing im Bereich der Internetabhängigkeit zu forschen und publizieren, haben einige Wissenschaftler ebenfalls die Zielsetzung auf dem Gebiet der „neuen“ Medien, neue Erkenntnisse zu sammeln. In diesem Teil der Arbeit werden einige Studien zum Thema Onlinesucht / Internetabhängigkeit vorgestellt.

3.1 Studie Hahn und Jerusalem 2001

Als erste deutsche Studie mit dem Themenschwerpunkt Internetgebrauch unter der Betrachtung einer möglichen Internetsucht, haben André Hahn und Matthias Jerusalem im Jahr 2001 eine Studie zum Thema „Internetsucht: Jugendliche gefangen im Netz“ veröffentlicht. Die Studie wurde auf der Internetseite www.onlinesucht.de durchgeführt und deutschlandweit durch Werbung in Zeitungen und Magazinen, sowie durch viele Interviews mit anschließender Veröffentlichung in TV und Rundfunk, beworben.

Anhand von fünf Kriterien wurde ermittelt, inwiefern die Teilnehmer der Studie entweder „unauffällig“, „gefährdet“ oder „süchtig“ sind. Die fünf Kriterien setzen sich wie folgt zusammen.

1. Kontrollverlust – hier wurde u.a. gefragt, ob der Nutzer schon häufiger versucht hat, seine Onlinezeit zu verringern.
2. Entzugserscheinungen – körperliche und psychische Auffälligkeiten
3. Toleranzentwicklung – gefragt wurde nach der stetigen Steigerung des Verlangens zum Onlinesein
4. Negative Konsequenzen im Bereich der sozialen Beziehungen – zum Beispiel die Vernachlässigung der eigenen Familie oder des eigenen Freundeskreises
5. Negative Konsequenzen im Bereich Arbeit und Leistung – zum Beispiel die Vernachlässigung der Pflichten am Arbeitsplatz

Zu diesen Bereichen mussten die Partizipierenden insgesamt 158 Fragen mit den Antwortmöglichkeiten „trifft nicht zu“, „trifft eher nicht zu“, „trifft eher zu“ und „trifft zu“ beantworten. Ein Teilnehmer wurde als internetsuchtgefährdet eingestuft, wenn die durchschnittliche Antwort aller Fragen mit „trifft eher zu“ beantwortet wurde. Sollte der Durchschnitt aller Fragen mit „trifft zu“ beantwortet worden sein, so wurden diese Personen als internetsüchtig eingestuft. (vgl. Hahn & Jerusalem, 2001, S. 6)

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842815599
Dateigröße
617 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Dortmund – Angewandte Sozialwissenschaften, Soziale Arbeit
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,3
Schlagworte
internetabhängigkeit computersucht spielsucht mediensucht pathologische internetnutzung
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