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Die besondere Haftung des Insolvenzverwalters nach den §§ 60, 61 Insolvenzordnung

©2010 Diplomarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Jahr 2009 haben rund 33.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz anmelden müssen, dies sind im Vergleich zum Vorjahr 11,6 Prozent mehr. Diese steigende Tendenz ist schon über die letzten Jahrzehnte zu beobachten; nur kurzzeitig unterbrochen durch konjunkturelle Erholungsphasen.
Die Hauptursachen, die zu einer Insolvenz führen, liegen im Wesentlichen bei den betroffenen Unternehmen selbst. War es in der Vergangenheit hauptsächlich der Mittelstand, der von den Insolvenzen betroffen war, so mussten in den letzten Jahren zunehmend auch Großbetriebe sowie ganze Konzerne einen Insolvenzantrag stellen.
Die Gründe liegen häufig in der mangelnden Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, dem wenig sparsamen Umgang mit Krediten oder öffentlichen Fördermitteln, dem unflexibles Handeln, in einem unzureichenden Debitoren- bzw. Inkassowesen und nicht zuletzt in der schlechten Zahlungsmoral der Kunden, die auch immer wieder dazu führt, dass Betriebe in finanzielle Schieflagen geraten. Weiterhin spielen risikobehaftete Unternehmensübernahmen eine immer größere Rolle, wie das aktuelle Beispiel der Übernahme der Versandhauskette Quelle durch den Karstadt-Konzern zeigt.
All diese Einflussfaktoren verschärfen die Situation besonders in der aktuellen Wirtschaftskrise und führen immer häufiger zu einer Insolvenzantragspflicht der betroffenen Unternehmen.
Nach Eröffnung des Verfahrens übernimmt der dann eingesetzte Insolvenzverwalter eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe im Unternehmen. Er soll das betroffene Unternehmen möglichst mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus dieser Schieflage befreien und im Idealfall wieder in den Wirtschaftskreislauf einbinden.
Seit der Neugestaltung der Insolvenzordnung aus dem Jahr 1999 ist das Insolvenzverfahren wesentlich sanierungsfreundlicher geworden und eröffnet dem Insolvenzverwalter weitgehende Gestaltungsspielräume zur Unternehmenssanierung.
Der Insolvenzverwalter hält ab dem Eröffnungszeitpunkt des Verfahrens alle Fäden zur Zukunftsgestaltung des Unternehmens in seiner Hand und muss alle relevanten Entscheidungen sowohl auf rechtlicher und als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene treffen. Dabei muss er die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten sowie Dritten, nicht unmittelbar am Verfahren Beteiligten, berücksichtigen. Das erreicht er nur, indem er die Insolvenzmasse zusammenhält und die Kosten der Betriebsfortführung und Verfahrensdurchführung so gering wie möglich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen der Haftung
2.1 Grundlagen der Haftung gemäß § 60 S. 1 InsO
2.2 Grundlagen der Haftung gemäß § 61 InsO bei der Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten
2.3 Das Verhältnis von § 61 zu § 60 InsO
2.4 Abgrenzung der Haftung der Insolvenzmasse und der persönlichen Haftung des Verwalters
2.4.1 Abgrenzung der Haftung nach § 60 InsO von der Haftung nach den allgemeinen Regeln
2.4.2 Differenzierung zwischen Einzel- und Gesamtschaden
2.4.3 Schaden bei Massegläubigern
2.5 Interne und externe Haftung des Insolvenzverwalters
2.5.1 Interne Haftung
2.5.2 Externe Haftung
2.6 Inwieweit ist dem Verwalter ein Verschulden zuzurechnen?
2.7 Verschulden und Zustimmung eines Gläubigerorgans

3 Haftung des Verwalters wegen insolvenzspezifischer Pflichten
3.1 Pflichten des Verwalters gegenüber den Beteiligten
3.1.1 Pflichten gegenüber dem Insolvenzschuldner
3.1.2 Pflichten gegenüber den Insolvenzgläubigern
3.1.3 Pflichten gegenüber aus- und absonderungsberechtigten Gläubigern
3.1.3.1 Aussonderungsberechtigte gemäß § 47 InsO
3.1.3.2 Absonderungsberechtigte gemäß §§ 49 ff. InsO
3.1.4 Pflichten und Haftung gegenüber den Massegläubigern
3.1.5 Besonderheiten bei Erklärung der Masseunzulänglichkeit
3.1.6 Pflichten bei der Prozessführung
3.1.7 Haftung des Verwalters im Zusammenhang mit dem Planverfahren
3.1.8 Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Vergütung des Verwalters
3.1.9 Pflichten aus steuerrechtlicher Sicht gemäß § 155 Abs. 1 InsO
3.2 Pflichten, die sich aus der Verwertung der Masse ergeben
3.2.1 Pflicht zur Löschung eines Insolvenzvermerkes aus dem Grundbuch
3.2.2 Pflichten und Haftung bei der Freigabe von Vermögenswerten
3.3 Pflichten aus Anfechtungs- und Haftungsansprüchen
3.4 Die Begründung neuer Masseverbindlichkeiten und die Haftung wegen Eingehung neuer Verbindlichkeiten gemäß § 61 InsO
3.4.1 Erfordernis der Begründung einer Masseverbindlichkeit durch Rechtshandlung
3.4.2 Masseverbindlichkeiten durch Prozesskosten
3.4.3 Entlastungsbeweis nach § 61 S. 2 InsO
3.4.4 Haftung aus dem Widerruf von Lastschriften zur Massemehrung
3.4.5 Pflicht zur zeitnahen Beendigung des Verfahrens

4 Die Unternehmensfortführung und die Anforderungen an den Verwalter
4.1 Haftungstatbestände und Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Unternehmensfortführung
4.2 Haftungstatbestände bei andauernd beschlossener Fortführung
4.3 Sonstige Haftungstatbestände aus der Unternehmensfortführung

5 Haftung aus dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht
5.1 Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen
5.2 Pflichten aus der Fortführung von Arbeitsverhältnissen
5.3 Massenentlassungen
5.4 Möglichkeit der Freistellung
5.5 Haftung aus der Beschäftigung von Hilfspersonen
5.6 Rechtsweg bei der Haftung aus §§ 60, 61 InsO im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht

6 Anspruchskonkurrenzen

7 Umfang des Schadenersatzes aus §§ 60, 61 InsO

8 Durchsetzung und Geltendmachung des Schadenersatzes aus §§ 60, 61 InsO gegen den Verwalter
8.1 Anspruchshäufung aus §§ 60, 61 InsO
8.2 Haftpflichtversicherung

9 Verjährung der Ansprüche aus §§ 60, 61 InsO

10 Haftungsfreies wirtschaftliches Ermessen

11 Entwicklung und Vertretung von Gläubigerrechten und dahingehende Maßnahmen der Bundesregierung

12 Fazit

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Im Jahr 2009 haben rund 33.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz anmelden müssen, dies sind im Vergleich zum Vorjahr 11,6 Prozent mehr.[1] Diese steigende Tendenz ist schon über die letzten Jahrzehnte zu beobachten; nur kurzzeitig unterbrochen durch konjunkturelle Erholungsphasen (siehe Abb. 1).

Die Hauptursachen, die zu einer Insolvenz führen, liegen im Wesentlichen bei den betroffenen Unternehmen selbst. War es in der Vergangenheit hauptsächlich der Mittelstand, der von den Insolvenzen betroffen war, so mussten in den letzten Jahren zunehmend auch Großbetriebe sowie ganze Konzerne einen Insolvenzantrag stellen.

Die Gründe liegen häufig in der mangelnden Eigenkapitalausstattung der Unternehmen, dem wenig sparsamen Umgang mit Krediten oder öffentlichen Fördermitteln, dem unflexibles Handeln, in einem unzureichenden Debitoren- bzw. Inkassowesen und nicht zuletzt in der schlechten Zahlungsmoral der Kunden, die auch immer wieder dazu führt, dass Betriebe in finanzielle Schieflagen geraten. Weiterhin spielen risikobehaftete Unternehmensübernahmen eine immer größere Rolle, wie das aktuelle Beispiel der Übernahme der Versandhauskette Quelle durch den Karstadt-Konzern zeigt.

All diese Einflussfaktoren verschärfen die Situation besonders in der aktuellen Wirtschaftskrise und führen immer häufiger zu einer Insolvenzantragspflicht der betroffenen Unternehmen.[2]

Nach Eröffnung des Verfahrens übernimmt der dann eingesetzte Insolvenzverwalter eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe im Unternehmen. Er soll das betroffene Unternehmen möglichst mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus dieser Schieflage befreien und im Idealfall wieder in den Wirtschaftskreislauf einbinden.

Seit der Neugestaltung der Insolvenzordnung aus dem Jahr 1999 ist das Insolvenzverfahren wesentlich sanierungsfreundlicher geworden und eröffnet dem Insolvenzverwalter weitgehende Gestaltungsspielräume zur Unternehmenssanierung.[3]

Der Insolvenzverwalter[4] hält ab dem Eröffnungszeitpunkt des Verfahrens alle Fäden zur Zukunftsgestaltung des Unternehmens in seiner Hand und muss alle relevanten Entscheidungen sowohl auf rechtlicher und als auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene treffen. Dabei muss er die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten sowie Dritten, nicht unmittelbar am Verfahren Beteiligten, berücksichtigen. Das erreicht er nur, indem er die Insolvenzmasse zusammenhält und die Kosten der Betriebsfortführung und Verfahrensdurchführung so gering wie möglich bleiben.

Gleichzeitig werden ihm zahlreiche öffentlich-rechtliche, privatrechtliche und steuerrechtliche Pflichten, die i. E. noch genannt werden, auferlegt, die zum Teil mit erheblichen Kosten verbunden sind und die Insolvenzmasse wiederum schmälern.

Der Verwalter soll hier im Verfahren für einen gerechten Ausgleich zwischen überschuldeten bzw. zahlungsunfähigen Schuldnern und ihren Gläubigern sorgen. Bei allen zu treffenden Entscheidungen muss er immer das eigene Haftungsrisiko mit in seine Überlegungen einbeziehen. Diese Risiken sind umfangreich und entstehen auf unterschiedlichen Ebenen und verschiedenen Zeitpunkten im Ablauf des Verfahrens.

Bis in die 70er-Jahre tendierte die Rechtsprechung zu einer weiten Auslegung der Haftung des Insolvenzverwalters, was als Konsequenz eher die haftungsextensive Variante der Zerschlagung der Unternehmen als die risikobehaftete Fortführung nach sich zog. Bemühungen diese Tendenz zu korrigieren, ergaben sich erstmals im Jahr 1987 in einem Urteil des BGH,[5] welches die Haftung auf „konkursspezifische Verwalterpflichten“ beschränkte wonach der Verwalter nur gegenüber den am Verfahren Beteiligten haftbar zu machen ist.[6]

Weiterhin wurde in einem anderen Urteil des BGH[7] die analoge Anwendung des § 852 a. F. BGB als rechtens anerkannt. Das bedeutete, dass die Verjährung für eine Pflichtverletzung des Verwalters in drei Jahren ab Kenntniserlangung eintritt. Nach Einführung der InsO am 01.01.1999 wurde dann der § 62 InsO gültig, der sinngemäß gleich dem Wortlaut des § 852 a. F. BGB ist und auf die allgemeinen Verjährungsregeln §§ 119 ff. BGB verweist.

Im weiteren Verlauf gab es Vorschläge der Insolvenzrechtskommission zur Verbesserung der Voraussetzungen zur Unternehmenssanierung. Diese Vorschläge wurden im Jahr 1999 Bestandteil der neuen Insolvenzordnung. Dazu zählen im Wesentlichen die dreijährige Verjährungsfrist, eine Planungsverpflichtung bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten sowie die Möglichkeit, den Pflichtenumfang des Insolvenzverwalters einzuschränken. Zahlreiche kontroverse Urteile[8],[9],[10] verschiedener Gerichte spiegeln die relative, rechtliche Unsicherheit auf diesem Gebiet wider.

Mit Einführung der Insolvenzordnung erfolgte des Weiteren eine eindeutige Ausrichtung zugunsten der Interessen der Gläubiger. Als wesentliches Merkmal ist in diesem Zusammenhang die Gleichbehandlung aller Gläubiger im Verfahren zu nennen. Aus dieser geänderten Zielsetzung ergeben sich umfangreiche Haftungsrisiken für den Insolvenzverwalter, aber gleichzeitig auch zahlreiche Möglichkeiten für die Gläubiger, ihre Rechte und Ansprüche durchzusetzen. Der Haftung des Verwalters und somit einer Verletzung seiner Pflichten gehen immer neben dem Verschulden als Voraussetzung, Rechtshandlungen bzw. Unterlassungen seinerseits voraus.

Im Folgenden wird untersucht, welche wesentlichen Tatbestände aus Sicht des Gläubigers oder Dritten zu einer Haftung des Verwalters führen können. Die entsprechende Rechtsprechung, die derzeit herrschende Rechtsauffassung sowie Beispiele aus der Praxis untermauern diese Untersuchung. Im Anschluss erfolgt eine Darstellung der Durchsetzung der Haftungsansprüche durch den Gläubiger und im Weiteren die Erarbeitung sinnvoller Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Reduzierung von Haftungsansprüchen gegenüber dem Verwalter.

Zum Abschluss erfolgt ein Ausblick über die zu erwartenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Vertretung von Gläubigerrechten, auch in Bezug auf die Bemühungen der Bundesregierung.

In dieser Arbeit wird im Wesentlichen nur die Haftung des Verwalters im eröffneten Verfahren dargestellt, da die Haftungsvoraussetzungen in den meisten Fällen mit denen des vorläufigen Verwalters gemäß § 21 InsO deckungsgleich sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Entwicklung der Insolvenzzahlen in Deutschland und die jeweiligen Änderungen jeweils im Vergleich zum Vorjahr (Quelle: Creditreform)

2 Grundlagen der Haftung

Die Grundlagen ergeben sich aus den §§ 60, 61 Insolvenzordnung, wodurch der Verwalter dazu angehalten werden soll, die ihm obliegenden Pflichten einzuhalten. Des Weiteren sollen die am Verfahren Beteiligten vor pflichtwidrigem Verhalten des Verwalters geschützt werden. Weiterhin stellen diese Normen sicher, dass bestimmte Rechtshandlungen, die die Aufgaben des Verwalters, in Bezug auf die Masse, überschreiten nichtig sind.

2.1 Grundlagen der Haftung gemäß § 60 S. 1 InsO

„Der Insolvenzverwalter ist allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.“

Durch den § 60 InsO soll die ordnungsgemäße Amtsführung des Verwalters durch seine persönliche Haftung im Falle der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten sichergestellt werden.[11] Zur Begründung einer Haftung muss der Verwalter Pflichten verletzt haben, die sich aus diesem Gesetz ergeben.[12] Pflichten gegenüber Dritten sind dort nicht inbegriffen, was auch die allgemeinen Pflichten des Verwalters gegenüber Verhandlungs- und Vertragspartnern betrifft. Eine schematische Darstellung der persönlichen Haftung zeigt die Tabelle 1 auf Seite 7.

Angelehnt an den früheren § 82 KO soll die Haftung des Insolvenzverwalters als Gegengewicht zu seiner ihm übertragenen Verwaltungs- und Verfügungsmacht über das Vermögen des Schuldners dienen. Sie bietet den Beteiligten des Verfahrens Schutz vor den Risiken dieser Fremdverwaltung. In erster Linie sollte zwar das Gericht als Kontrollorgan tätig sein, da es den staatlichen Auftrag zur Zwangsverwaltung gestellt hat. In der Praxis ist es dem Gericht jedoch aus Zeitmangel und zu geringen Kapazitäten zumeist unmöglich, eine sachgerechte Aufsicht zu führen.

Weiter werden von den aufsichtführenden Rechtspflegern bzw. Richtern Konflikte mit dem Insolvenzverwalter gescheut. Somit kommen als zweite Gruppe der Kontrollorgane die Gläubiger selbst in Betracht, was aber ein aktives Handeln und Investieren von Zeit voraussetzt. Da i. d. R. die Aussicht der Gläubiger auf eine angemessene Befriedigung eher als marginal eingestuft werden kann, ist die Bereitschaft zur Bildung eines Gläubigerausschusses auch eher gering und in vielen Fällen kommt es aus den genannten Gründen erst gar nicht zur Bildung eines solchen Ausschusses.

Somit bleibt die persönliche Haftung die wirksamste Art der Beeinflussung des Verwalterhandelns. Die Norm ist hierbei so gestaltet, dass der Verwalter, wenn er pflichtgemäß handelt, die Haftung ohne Weiteres vermeiden kann. Auf der anderen Seite müssen die Gläubiger sicher sein können, dass sie bei Pflichtverletzungen seitens des Insolvenzverwalters ein wirksames Mittel in der Hand haben, um sich schadlos zu halten. Eine zu streng angelegte Haftung allerdings kann jede Risikobereitschaft des Verwalters ersticken und eine effektive Verfahrensabwicklung unterbinden. Somit soll der § 60 InsO ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem Verwalter und den Gläubigern herstellen.

Tab. 1 Die persönliche Haftung des Verwalters in einer kurzen Übersicht (Quelle: Lüke, Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, S. 69)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Grundlagen der Haftung gemäß § 61 InsO bei der Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten

„Kann eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden, so ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadenersatz verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Verwalter bei der Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde.“

Hiermit hat der Gesetzgeber – unabhängig von der früheren KO – eine neue Bestimmung geschaffen, die die Fortführung insolventer Unternehmen fördern soll. Laut dem Gesetzgeber soll diese Norm verhindern, dass Betriebsfortführungen auf Kosten der Massegläubiger durchgeführt werden, dessen sich der Verwalter bedient.[13]

Nach dem alten § 82 KO gab es keine Unterscheidung zwischen Alt- und Neugläubigern. Der Verwalter war grundsätzlich allen Beteiligten – schon aufgrund ihrer Stellung zu Beginn des Verfahrens – zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er den Zweck des Insolvenzverfahrens missachtete, der der Liquidation und der Befriedigung diente.[14]

In den 80er-Jahren ging die Rechtsprechung immer weiter hin zu einer Einschränkung der persönlichen Haftung des Verwalters. In einem Urteil des BGH[15] erfolgte zunächst die Beschränkung auf „konkursspezifische Pflichten“, später wurde eine weitere Eingrenzung der Rechtsprechungsgrundsätze auf die unzulässige Betriebsfortführung und die sogenannte Liquidationsverschleppung vorgenommen. Dazu musste der Verwalter zu Beginn des Verfahrens eine Einschätzung abgeben, ob Aussicht auf Erhalt des insolventen Unternehmens besteht und wenn ja, sollte sich im Laufe des Verfahrens die Erkenntnis ergeben, dass die Fortführung nicht einmal den Aufwand deckt, sofort liquidieren. Dabei oblag die Darlegungs- und Beweislast dem Massegläubiger, woran diese regelmäßig scheiterten.[16]

Der § 61 InsO stellt somit eine sinnvolle Ergänzung zum § 60 InsO dar, der im Interesse aller Beteiligten (Verwalter, Schuldner und Massegläubiger) die Rahmenbedingungen zur Sanierung des betroffenen Unternehmens vorgibt und einen wirksamen Interessenausgleich herstellt.

Aus Sicht des Verwalters hat der § 61 InsO sicherlich häufig den Charakter einer Gratwanderung, denn, führt er ein Unternehmen fort, er ist zwangsläufig in der Lage, neue Verbindlichkeiten eingehen zu müssen und die Insolvenzmasse weiter zu belasten. Sollte er dabei – durch eine von ihm veranlasste Rechtshandlung – eine Fehleinschätzung getroffen haben und die Neuverbindlichkeiten anschließend nicht befriedigen können, tritt er möglicherweise in die persönliche Haftungsfalle.

Rechtshandlungen i. S. v. § 61 InsO sind beispielsweise der Abschluss eines Vertrages mit einem Gläubiger und die Begründung von Neuverbindlichkeiten, die Erfüllung des dem Verwalter obliegenden Wahlrechtes gemäß § 103 InsO zur Übernahme weiterer Verbindlichkeiten, aber auch ein Unterlassen durch die Nichtkündigung bestehender Verträge, die ein Dauerschuldverhältnis fortführen.

Geht der Verwalter in dem Wissen, sie voraussichtlich nicht befriedigen zu können, eine Masseverbindlichkeit ein, zeigt anschließend die Masseunzulänglichkeit an und hat der sogenannte Altmassegläubiger die Befriedigung in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so wird der Verwalter für diesen Ausfallschaden haftbar gemacht.[17] Entlasten kann er sich nur, wenn er im Vorfeld einen sorgfältig ausgearbeiteten Liquiditätsplan erstellt hat, an den er angeknüpft hat und der die Erfüllung der eingegangenen Masseverbindlichkeit erwarten ließ.[18]

Weiterhin sind vom § 61 InsO alle Rechtshandlungen des Verwalters i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2 InsO erfasst. Sollte eine Bereicherung der Masse seitens des Verwalters begründet worden sein, gilt § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO entsprechend. In diesem Fall stellen die nicht vorweg befriedigten Ansprüche gemäß § 53 InsO und die Nichtbeachtung der Reihenfolge gemäß § 209 InsO den Pflichtverstoß dar.[19]

2.3 Das Verhältnis von § 61 zu § 60 InsO

Die Begründung einer Masseverbindlichkeit durch den Insolvenzverwalter, deren Erfüllung nicht oder nicht in vollem Umfang möglich ist, löst eine Haftung des Verwalters gegenüber den Gläubigern auf Ersatz des Ausfallschadens aus, sofern der Verwalter dies bei der Begründung der Neuverbindlichkeit erkennen konnte. Das hat der Verwalter zur Vermeidung der Haftung durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Liquiditätsprüfung zu widerlegen. Nach der KO wurde die Beweislast nach der Rechtsprechung[20],[21],[22],[23] den Massegläubigern auferlegt und zielt somit nur auf das negative Interesse, um die Gläubiger so zu stellen, wie sie ohne die haftungsbegründende Rechtshandlung stünden.[24]

Es hätte nahegelegen, den § 61 InsO als dritten Absatz dem § 60 InsO anzufügen. Jedoch wurde mit dem § 61 InsO eine eigene Anspruchsgrundlage geschaffen, da sich die Verpflichtung zum Schadenersatz gegenüber Massegläubigern eben erst aus dieser Norm ergibt und nicht aus dem § 60 InsO, der ausschließlich die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten sanktioniert. Die allgemeine Sorgfaltspflicht eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters i. S. v. § 60 Abs. 2 InsO kommt insofern aber auch für den § 61 InsO zum Tragen, denn in einem Urteil des BGH[25] wird auch bei der Begründung von Neuverbindlichkeiten zulasten der Masse das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Verwalter und Vertragspartner als Maßstab für den Umfang des Schadenersatzes einbezogen.

Ebenso findet der § 60 Abs. 2 InsO Anwendung, wenn sich der Insolvenzverwalter bei der Begründung von Masseverbindlichkeiten und deren Beurteilung und Erfüllbarkeit der Angestellten des Schuldners bedient, für deren Verschulden er nicht nach § 278 BGB einstehen muss.[26]

2.4 Abgrenzung der Haftung der Insolvenzmasse und der persönlichen Haftung des Verwalters

Zwischen der Haftung der Insolvenzmasse und der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters ist zu differenzieren. Der Gläubiger muss sich im Rechtsstreit immer entscheiden, ob er den Verwalter persönlich, die Insolvenzmasse oder beides gesamtschuldnerisch, in Anspruch nehmen will, da der handelnde Verwalter prozessual jeweils eine eigene Partei darstellt. Hat der Gläubiger sich einmal entschieden, kann er die Klage nur durch Erweiterung oder durch einen Parteiwechsel auf der Beklagtenseite ändern. Klagt der Anspruchsteller beispielsweise auf die Erfüllung einer Masseverbindlichkeit und der Verwalter erklärt die Masseunzulänglichkeit, so kann der Kläger im Rahmen der genannten Möglichkeiten den Verwalter, wenn die Voraussetzungen des § 61 S. 1 InsO gegeben sind, persönlich in Anspruch nehmen.[27]

2.4.1 Abgrenzung der Haftung nach § 60 InsO von der Haftung nach den allgemeinen Regeln

Mit seiner Bestellung und Annahme des Amtes tritt der Verwalter in die Pflichten des Schuldners ein, die er ab diesem Zeitpunkt mit den Mitteln der ihm zur Verfügung stehenden Masse zu erfüllen hat, es sei denn die übernommenen Pflichten unterliegen der insolvenzmäßigen Befriedigung.

Zu seinen Pflichten gehören auch diverse öffentlich-rechtliche Aufgaben, deren Erfüllungsmodalitäten in anderen Gesetzen Niederschlag finden, z. B. solche nach dem SGB III wie die Errechnung des Insolvenzgeldes oder die Pflicht zur Ausstellung von Arbeitsbescheinigungen.

In diesen Fällen gelten besondere Haftungsvorschriften wie § 69 AO aus dem Steuerrecht oder § 321 SGB III aus dem Sozialrecht, die der Verwalter beachten muss. Daneben haftet er für deliktisches Handeln nach dem § 823 Abs. 2 BGB.

Da sich aus diesen Pflichten keine Zusammenhänge mit dem eigentlichen Insolvenzverfahren herstellen lassen, treten diese allgemeinen Vorschriften neben die zivilrechtliche Haftung aus § 60 InsO. Diese Norm ahndet ausschließlich die Verletzung „insolvenzspezifischer Pflichten durch den Verwalter.[28] Auf diese Pflichten wird im weiteren Verlauf der Arbeit detailliert eingegangen.

2.4.2 Differenzierung zwischen Einzel- und Gesamtschaden

Zwischen einem Einzelschaden und einem die gesamte Masse betreffenden Gesamtschaden ist grundsätzlich zu unterscheiden.[29] Ein Gesamtschaden liegt vor, wenn eine Verletzung des gemeinschaftlichen Verwertungsrechts gegeben ist und eine Verkürzung der zur Befriedigung der Gläubigergemeinschaft gedachten Masse begründet wurde. Das ist der Fall, wenn beispielsweise ein einzelner Gläubiger bevorzugt befriedigt wurde oder der Verwalter eine andere masseschmälernde Handlung vorgenommen hat, z. B. die Veräußerung von Massegegenständen unter Wert oder das Unterlassen der Verfolgung von werthaltigen Ansprüchen. Die Geltendmachung kann nur gemäß § 92 InsO durch den Insolvenzverwalter erfolgen, da eine Durchsetzung durch die Gläubiger mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller an der Verteilung der Masse Beteiligten nicht zu vereinbaren ist.[30] Das Insolvenzgericht erhält durch den § 92 S. 2 InsO die Ermächtigung, komplementär zu §§ 56, 59 InsO in die Rechtsstellung des Verwalters einzugreifen und einen neuen Insolvenzverwalter bzw. Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen, um die Rechte der Gläubiger durchzusetzen.[31]

Ein Einzelschaden (Quotenschaden) hingegen kann von jedem Gläubiger einzeln geltend gemacht werden und unterscheidet sich nach der Rechtsprechung des BGH[32] insofern vom Gesamtschaden, als das er eben nicht die Gesamtheit aller Gläubiger betrifft, sondern ausschließlich einen einzelnen Gläubiger. Dazu gehört z. B. die Nichtannahme einer ordnungsgemäß angemeldeten Forderung zur Tabelle, was dem § 175 Abs. 1 S. 1 InsO entgegensteht, oder die Nichtbeachtung einer Forderung bei der Schlussverteilung. Weiterhin gehören Sondervereinbarungen mit einzelnen Gläubigern dazu, die später vom Verwalter durch die Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht nicht eingehalten werden, was zu einem entgangenen Erlös für den Gläubiger führt. Liegt ein solcher Schaden vor, ist er nicht von dem § 92 S. 2 InsO gesperrt und kann in einer Einzelklage gegen den Verwalter vom Gläubiger schon während des Verfahrens geltend gemacht werden.

2.4.3 Schaden bei Massegläubigern

Eine weitere Differenzierung ist in Bezug zu den Massegläubigern herzustellen. Diese Gruppe stellt – anders als die Insolvenzgläubiger – keine Gemeinschaft dar, da sie einzeln ihre Ansprüche, nötigenfalls durch Einzelzwangsvollstreckung, und ohne Einschränkungen gegen die Masse verfolgen können.[33] Dies gilt allerdings nur so lange, bis der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit erklärt. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich die Rechtsposition dieser Gläubiger und sie sind ähnlich den Insolvenzgläubigern gemeinschaftlich gebunden und grundsätzlich dem § 209 Abs. 2, 3 InsO unterworfen.

2.5 Interne und externe Haftung des Insolvenzverwalters

Der Insolvenzverwalter haftet für schuldhafte Pflichtverletzungen gemäß § 60 InsO. Daraus resultiert zum einen die interne Haftung gegenüber dem Schuldner, zum anderen die externe Haftung gegenüber einzelnen Verfahrensbeteiligten bzw. Dritten.[34]

2.5.1 Interne Haftung

Die interne Haftung begründet sich durch das Sonderrechtsverhältnis des Verwalters zwischen ihm und dem Schuldner als Träger der Masse. Durch die interne Verantwortlichkeit des Verwalters für die Masse ergibt sich bei einer Pflichtverletzung bei der Inbesitznahme, Verwaltung, Erhaltung und Verwertung der Insolvenzmasse der Anspruch des Schuldners gegen den Verwalter. Ansprüche können sich insbesondere aus der Pflicht des Verwalters ergeben, dass er alles Erforderliche zu tun hat, um dem redlichen Schuldner einen Neustart zu ermöglichen und ihm den Weg zur Restschuldbefreiung zu ebnen.[35]

2.5.2 Externe Haftung

Eine externe Haftung des Verwalters gemäß § 60 Abs. 1 InsO kann sich aus der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten gegenüber Verfahrensbeteiligten ergeben.[36] Die sich aus § 38 InsO ergebende wohl wichtigste Pflicht ist die möglichst umfassende Befriedigung der Insolvenzgläubiger und somit die Erfüllung des Liquidationszwecks. Eine Verletzung dieser Pflicht kann sich aus verschiedenen Tatbeständen ergeben, z. B. die nicht ordnungsgemäße Verwertung der Masse durch Veräußerung unter Wert oder eine vorschnelle Unternehmensveräußerung.[37] Weitere Haftungsgründe können aus der Verantwortlichkeit gegenüber abgabenberechtigten Instituten, aus Arbeitsverhältnissen oder gegenüber öffentlich-rechtlichen Einrichtungen entstehen.[38]

2.6 Inwieweit ist dem Verwalter ein Verschulden zuzurechnen?

Ein Verschulden des Verwalters ergibt sich immer aus einer vorwerfbaren, schuldhaften Pflichtenverletzung in Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter. Ein nur unvorteilhaftes oder nachteiliges Handeln führt allerdings nicht zu einer Ersatzpflicht.[39] Der Verwalter hat immer mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmannes zu handeln. Analog dazu haftet er nicht nur für Vorsatz, sondern auch für leichte Fahrlässigkeit. Grundsätzlich ergibt sich der Haftungsmaßstab aus § 276 BGB. Einschränkungen ergeben sich jedoch aus der besonderen Rechtsstellung des Verwalters und aus den Umständen der Amtsübernahme. Da bei der Übernahme eines insolventen Unternehmens unvorhersehbare Schwierigkeiten auftreten können, z. B. durch eine nicht oder nicht vollständig vorhandene Buchführung, ist dem Verwalter eine angemessene Zeit der Einarbeitung zuzugestehen.[40] Überschreitet der Verwalter den dem Sachstand angemessenen Einarbeitungszeitraum oder trifft er Entscheidungen aufgrund von Aussagen oder vorgelegter Unterlagen des Schuldners, obwohl er hätte erkennen müssen, dass die Entscheidungsgrundlage mangelhaft war, muss er sich dieses Verhalten zurechnen lassen.[41] Auf mangelnde Kenntnisse und fehlende Erfahrung kann der Verwalter sich ebenfalls nicht berufen, denn maßgebend für seine Tätigkeit sind die Fähigkeiten eines durchschnittlichen Insolvenzverwalters und zu diesen Fähigkeiten zählt unter anderem, dass er die erforderlichen Kenntnisse in betriebswirtschaftlicher Hinsicht mitbringt.[42]

2.7 Verschulden und Zustimmung eines Gläubigerorgans

Die Gläubigerversammlung gilt als zentrales Organ der Gläubigerautonomie. Gemäß §§ 100 Abs. 1, 157 S. 1, 162 Abs. 1, 163 Abs. 1 InsO und §§ 100 Abs. 2, 160 Abs. 1 InsO muss der Gläubigerausschuss bzw. die Gläubigerversammlung bei bestimmten Rechtshandlungen des Verwalters zustimmen. Sollte der Verwalter diese Vorschriften missachten, bleibt die Rechtshandlung an sich – gemäß § 164 InsO – gültig.[43]

Somit hat der Verwalter für seine Handlungen die alleinige Verantwortung, welche auch durch die Zustimmung der Gläubigergemeinschaft nicht entfällt.[44]

Der Sinn und Zweck der Zustimmungsvorschriften ist die Unterstützung des Verwalters durch sachkundige Personen aus dem Gläubigerkreis, die ihm bei besonders wichtigen Entscheidungen zur Seite stehen. Dafür können auch Dritte, aufgrund ihrer Sachkunde, besonders kompetente, nicht am Insolvenzverfahren Beteiligte, in den Gläubigerausschuss gewählt werden. Sollte durch den ausgewählten Kreis an Personen eine besondere Sachkunde herrschen, kann es in bestimmten Fällen zum Haftungsausschluss für den Verwalter kommen.

Allerdings kann der Verwalter sich seiner Haftung nicht entziehen, indem er für eine pflichtwidrige Rechtshandlung, etwa die Verwertung eines Gegenstandes der mit einem Recht eines Dritten belegt ist, die Zustimmung des Gläubigerausschusses herbeiführt.[45]

Eine Haftung kommt uneingeschränkt in Betracht, wenn der Verwalter seiner umfassenden Informationspflicht nicht nachkommt. Ebenso ist er voll haftbar gegenüber Gläubigern, die an der Beschlussfassung nicht mitgewirkt haben. Dazu gehören Massegläubiger und Absonderungsberechtigte.

Stellt der Verwalter bei Gericht allerdings einen Antrag auf Aufhebung eines Beschlusses und scheitert, so entfällt seine persönliche Haftung.

In Bezug auf das Verschulden und den Umfang der Haftung ist das Vorliegen einer Zustimmung allerdings streitig. Der BGH[46] hat eine Auswirkung auf den Umfang der Haftung in den Fällen abgelehnt, in denen die Zustimmungsbedürftigkeit fehlte.[47]

Kritisch anzumerken ist hier, dass die Mitwirkungs- und Angriffsmöglichkeiten durch den späten Zeitpunkt der ersten Gläubigerversammlung, nämlich meistens erst Monate nach Verfahrenseröffnung, stark eingeschränkt werden. Die Ausrichtung und der Ablauf des Verfahrens sind zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich durch den Verwalter geprägt und wichtige Entscheidungen sind bereits vorgezeichnet. Dieser Effekt verstärkt sich noch dadurch, dass der eingesetzte Verwalter in den meisten Fällen auch schon die vorläufige Verwaltung inne hatte.[48]

3 Haftung des Verwalters wegen insolvenzspezifischer Pflichten

Der § 60 Abs. 1 InsO umfasst die Haftung des Insolvenzverwalters wegen insolvenzspezifischer Pflichten. Diese Pflichten ergeben sich unmittelbar aus der InsO.

Konkret sind das die Sammlung-, die Verwaltung-, die Verwertung- und die Verteilung der Masse und somit die Befriedigung der Gläubiger. Des Weiteren ggf. die Erklärung der Masseunzulänglichkeit und diverse Begleitpflichten. Eine Haftung ergibt sich aus der Verletzung dieser Pflichten gegenüber den am Verfahren Beteiligten und denen gegenüber dem Verwalter insolvenzspezifische Pflichten obliegen. Zu den Pflichten gehören insbesondere die Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Verwalters und die Erfüllung des Liquidationszwecks. Bei einer möglicherweise zu klärenden Haftung gilt dies in Bezug auf die Verschuldensfrage als Maßstab (siehe Punkt 2.4). Für eine Verletzung dieser Pflicht reicht eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aus.[49] So hat der Verwalter gemäß § 60 Abs. 2 InsO bei der Auswahl des Personals des Schuldners, dessen er sich als Hilfspersonen bedient, darauf zu achten, dass diese geeignet sind, seine Anforderungen in Bezug auf die Unternehmensfortführung- oder Abwicklung, zu erfüllen . Ansonsten haftet er nach der Norm des § 278 BGB. Ansprüche der Gläubiger, die sich daraus ergeben, können nur gemäß § 92 Abs. 2 InsO als Gesamtschaden von einem neu bestellten Insolvenzverwalter oder einem eingesetzten Sonderinsolvenzverwalter geltend gemacht werden. Weitere Haftungsgründe können sich im Rahmen seiner Pflichten in der Beziehung zu Dritten ergeben, die nicht am Verfahren beteiligt sind. Das sind unter anderem Vertragspartner oder Lieferanten, mit denen er in Verhandlung getreten ist. Gegenüber dieser Personengruppe muss der Verwalter, um in die Haftung genommen zu werden, aber ausdrücklich sein persönliches Einstehen geäußert haben und eine Vertrauensbasis geschaffen haben, die den jeweiligen Verhandlungspartner davon ausgehen lässt, dass seine Forderung auch erfüllt wird. Ein weiterer Haftungsgrund ist der Tatbestand einer unerlaubten Handlung i. S. v. §§ 823 ff. BGB.[50]

Im Folgenden werden die Haftungstatbestände gegenüber den Beteiligten sowie gegenüber Dritten genannt und deren Durchsetzung dargelegt.

3.1 Pflichten des Verwalters gegenüber den Beteiligten

Der Umfang der Haftung des Insolvenzverwalters bei der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten ergibt sich aus dem in § 60 InsO genannten Beteiligtenbegriff. Nach der alten Norm § 82 KO ist der Verwalter nur den unmittelbar am Verfahren Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet.[51] Der Beteiligtenbegriff stellt sich heute wie folgt dar: Die nach der KO enge Auslegung dieses Begriffs wurde von der Rechtsprechung immer mehr erweitert bis zur heute h. M. des „materiellrechtlichen Beteiligtenbegriffs“,[52] wonach alle Personen inbegriffen sind, denen gegenüber der Verwalter insolvenzspezifische Pflichten hat, unabhängig von ihrer Verfahrensbeteiligung.[53] Somit können auch Gesellschafter des Schuldners als Beteiligte gelten, wenn der Verwalter ihnen gegenüber aus der Insolvenz verpflichtet ist.

Als Beteiligte i. S. v. § 60 Abs. 1 S. 1 InsO sind der Insolvenzschuldner, die Insolvenzgläubiger, Aus- und Absonderungsberechtigte und die Massegläubiger zu nennen.

3.1.1 Pflichten gegenüber dem Insolvenzschuldner

An erster Stelle ist der Verwalter zur sorgfältigen Masseverwertung verpflichtet.[54] Der Insolvenzschuldner hat ein großes Interesse an einer möglichst umfangreichen Enthaftung, da ihn die Insolvenzgläubiger nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 201 Abs. 1 InsO für alle offen gebliebenen Forderungen unbeschränkt in Anspruch nehmen können. Sollte der Verwalter das vorhandene Vermögen nicht ordnungsgemäß, d. h. angemessen und werthaltig, verwerten, ist er dem Schuldner gegenüber für den Verwertungsausfall schadenersatzpflichtig.

[...]


[1] Vgl. www.destatis.de Pressemitteilung Nr. 085 v. 09.03.2010

[2] Vgl. www.wirtschaft-konkret.de/de/dokumente/414-ursachen-von-insolvenzen.pdf/414-ursachen-von-insolvenzen.pdf, 20.07.2010

[3] Vgl. www.existenzgruender.de/gruendermagazin/experteninterviews/insolvenz/index.php Interview mit Rolf Rattunde, Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter aus Berlin, über die Ursachen von Insolvenzen

[4] Im Folgenden nur noch als „Verwalter“ bezeichnet

[5] Vgl. BGH ZIP 1987, S. 115

[6] Vgl. www.insolvenzverein.de/archiv/veranstvorbei99/Bismarckfolien.htm

[7] Vgl. BGH ZIP 1985, S. 359

[8] Vgl. BGH, 20.01.2000 – IX ZR 58/99

[9] Vgl. BGH, 16.06.1999 – 4 AZR 191/98

[10] Vgl. Uhlenbruck, Aufsatz „Ein Jahr InsO – Ziel erreicht oder Reformbedarf ?“ DZWIR, Heft 10, 02/2000

[11] Vgl. Smid, Grundzüge des Insolvenzrechts, S. 188

[12] Vgl. BGH, 10.07.08 – IX ZR 118/07

[13] Vgl. amtliche Begründung des Gesetzgebers, vgl. Bundestagsdrucksache 12/2443, S. 129

[14] Vgl. BGH, 27.02.73 – VI ZR 118/71

[15] Vgl. BGH, 04.12.86 – IX ZR 47/86

[16] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 4, Rn. 19, S. 741

[17] Vgl. BGH, 06.05.04 – IX ZR 48/03

[18] Vgl. BGH, 12.07.04 – IX ZR 185/03

[19] Vgl. Andres/Leithaus, InsO, § 61 Rn. 27, 28

[20] Vgl. nach von Olshausen, ZIP 2002, 237 m. N. „Die Haftung des Insolvenzverwalters für Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten und das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts § 311a Abs. 2 BGB a.F.“

[21] Vgl. BGH NJW 1987, 844

[22] Vgl. BGH NJW – RR 1990,94

[23] Vgl. OLG Celle, 25.02.2003 – 16 U 204/02

[24] Vgl. BGH, Urt. V. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, BGHZ 159, 104=DZWIR 2004, S. 338

[25] Vgl. BGH, 16.11.2006 – IX ZB 57/06

[26] Vgl. Adam, DZWIR 2008, Heft 1, S. 14

[27] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3, Rn. 27, S. 156

[28] Vgl. Lüke, Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, Rn. 51-59, S. 8-9

[29] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung,Teil 3, Rn.78, S. 182

[30] Vgl. Brandes, Münchner Kommentar zur InsO, 2. Aufl., 2007, Band 1, § 61 Rn. 116

[31] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3, Rn. 1494, S. 638

[32] Vgl. BGH 05.10.89 – IX ZR 233/87

[33] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3, Rn. 1505, S. 642

[34] Vgl. Hess, Hdb. Insolvenzecht, 2. Abschn., Rn. 474, S. 131

[35] Vgl. Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln e. V., Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Teil II, Rn. 45, 46

[36] Vgl. BGH, 21.01.2010 – IX ZR 65/09

[37] Vgl. Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln e. V., Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Teil II, Rn. 35, 36

[38] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3, Rn. 31, S. 157

[39] Vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 60 Rn. 117

[40] Vgl. Brandes, Münchner Kommentar zur InsO, Band 1, § 61 Rn. 90

[41] Vgl. Brandes, Münchner Kommentar zur InsO, Band 1, § 61 Rn. 90

[42] Vgl. Braun/Kind, InsO, § 60 Rn. 15, S. 353

[43] Vgl. BGH, 05.01.95 – IX ZR 241/03

[44] Vgl. BGH, 22.01.85 – VI ZR 131/83

[45] Vgl. Pape/Graeber Hdb. Insolvenzverwalterhaftung, Teil 3, Rn. 1675 ff. S. 694 ff.

[46] Vgl. BGH, 22.01.85 – VI ZR 131/83

[47] Vgl. Lüke, Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, Rn. 194, S. 29

[48] Vgl. J. Voigt-Salus und O. Sietz Rechtsanwälte in ZInsO 2010, 2050-2055, Ausg. 44 v. 28.10.2010

[49] Vgl. BGH, 24.04.05 – IX ZR 123/04

[50] Vgl. Hess, Hdb. Insolvenzrecht, Teil 2, Rn. 476- 483, S. 132-133

[51] Vgl. RG, 12.10.1910 – III 694/09

[52] Vgl. Lücke, Persönliche Haftung des Verwalters in der Insolvenz, Rn. 32, S. 6

[53] Vgl. BGH, 05.02.09 – IX ZR 21/07

[54] Vgl. Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln e. V., Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, Teil II, Rn. 34

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783842810914
DOI
10.3239/9783842810914
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Zentrale – Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2011 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
haftung insolvenz unternehmensfortführung gläubigerrechte pflichten
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Titel: Die besondere Haftung des Insolvenzverwalters nach den §§ 60, 61 Insolvenzordnung
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