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Die Entwicklung von Postponement - Rückblick, Gegenwart und Ausblick

©2011 Bachelorarbeit 58 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im ersten Kapitel erfolgt eine kurze Einführung in die Thematik. Zunächst wird die allgemeine Problemstellung, die dem Thema zugrunde liegt, erörtert, anschließend wichtige Begriffe und Basiskonzepte definiert, die dem Verständnis dienen sollen und schließlich das Thema und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit konkretisiert.
Problemstellung:
Die Situation auf heutigen Märkten unterscheidet sich sehr stark von jener auf den Märkten der Vergangenheit. Es ist zu erwarten, dass die Märkte in einigen Jahrzehnten zum Teil wiederum andere Charakteristika aufweisen werden verglichen mit den gegenwärtigen Bedingungen. Offensichtlich unterliegen Märkte einem kontinuierlichen Wandlungsprozess, der von den unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst und in bestimmte Entwicklungsrichtungen gelenkt wird. Dieses Phänomen des stetigen Wandels mag zwar nicht auf sämtliche Branchen im gleichen Ausmaß zutreffen, jedoch lässt eine aggregierte Betrachtungsweise hinsichtlich der Entwicklungen in der Weltwirtschaft den Schluss zu, dass der Wandel, den Märkte erfahren, doch allgegenwärtig ist. Zu den angesprochenen Einflussfaktoren zählen beispielsweise wissenschaftlicher Fortschritt, sowohl auf technologischer als auch auf theoretischer Ebene, Globalisierungseffekte, politische Entwicklungen, konjunkturbedingte Änderungen in der Weltwirtschaft, volkswirtschaftliche Wohlstandsniveaus in verschiedenen Teilen der Welt, sich ändernde Kundenpräferenzen, geänderte Angebots- und Nachfragestrukturen, etc.
Heutzutage sind Unternehmen mehr denn je gezwungen sich in ihrem turbulenten Umfeld einer Vielzahl von Herausforderungen zu stellen und diese auch zu meistern, wenn sie erfolgreich und konkurrenzfähig werden oder bleiben wollen. Immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, zunehmend variable und individuelle Kundenanforderungen, steigende Produkt- und Variantenvielfalt, Schwierigkeiten bei der Erstellung qualitativ hochwertiger und akkurater Nachfrageprognosen sowie Innovations- und Kostendruck seitens der Kunden und der Konkurrenz sind nur einige wenige dieser oftmals divergierenden Sachverhalte für die Manager von heute. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Supply Chains einerseits an Flexibilität und andererseits an Komplexität gewonnen haben. Das bedeutet wiederum, dass das Risiko und der nötige Koordinationsaufwand entlang der Supply Chains generell zugenommen haben, auch wenn der Fortschritt im Bereich der EDV und Informationstechnik dem […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Definition und Begriffsabgrenzung
1.3 Zielsetzung und Methodik
1.4 Anfänge aus dem Marketing

2. Klassifikation von Postponement
2.1 Kategorisierung nach Zinn und Bowersox
2.1.1 Labeling Postponement
2.1.2 Packaging Postponement
2.1.3 Assembly Postponement
2.1.4 Manufacturing Postponement
2.1.5 Time Postponement
2.2 Alternative Systematiken
2.2.1 Price Postponement
2.2.2 Upstream, Downstream und Distribution Postponement

3. Nutzen und Kosten von Postponement
3.1 Reduktion der Lagerbestände
3.2 Verbesserung der Prognosegenauigkeit
3.3 Reduktion der Transportkosten
3.4 Positive Skaleneffekte
3.5 Steigerung der Kundenzufriedenheit
3.6 Nachteile von Postponement

4. Bewertung von Postponement

5. Ganzheitliche Modelle für Postponementstrategien
5.1 Generische Strategien innerhalb der Supply Chain
5.1.1 Full Speculation Strategy
5.1.2 Manufacturing Postponement Strategy
5.1.3 Logistics Postponement Strategy
5.1.4 Full Postponement Strategy
5.2 Supply Chain Strukturen im Kontext von Postponement und Modularisierung
5.2.1 Starre Struktur („rigid”)
5.2.2 Modularisierte Struktur („modularized”)
5.2.3 Verzögerte Struktur („postponed”)
5.2.4 Flexible Struktur („flexible”)
5.3 Supply Chain Strategie versus Supply Chain Struktur

6. Postponement in der Praxis: Reebok NFL-Trikots
6.1 Hintergründe
6.2 Nachfragesituation für NFL-Trikots in den USA
6.3 Aufbau der Supply Chain

7. Trends
7.1 Bedeutung der Logistikdienstleistungsbranche
7.2 Märkte, Kundenanforderungen und Produktdesign
7.3 Volkswirtschaftliche Implikationen von Outsourcing und Offshoring
7.4 Postponement im Dienstleistungssektor

8. Conclusio

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im ersten Kapitel erfolgt eine kurze Einführung in die Thematik. Zunächst wird die allgemeine Problemstellung, die dem Thema zugrunde liegt, erörtert, anschließend wichtige Begriffe und Basiskonzepte definiert, die dem Verständnis dienen sollen und schließlich das Thema und die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit konkretisiert.

1.1 Problemstellung

Die Situation auf heutigen Märkten unterscheidet sich sehr stark von jener auf den Märkten der Vergangenheit. Es ist zu erwarten, dass die Märkte in einigen Jahrzehnten zum Teil wiederum andere Charakteristika aufweisen werden verglichen mit den gegenwärtigen Bedingungen. Offensichtlich unterliegen Märkte einem kontinuierlichen Wandlungsprozess, der von den unterschiedlichsten Faktoren beeinflusst und in bestimmte Entwicklungsrichtungen gelenkt wird. Dieses Phänomen des stetigen Wandels mag zwar nicht auf sämtliche Branchen im gleichen Ausmaß zutreffen, jedoch lässt eine aggregierte Betrachtungsweise hinsichtlich der Entwicklungen in der Weltwirtschaft den Schluss zu, dass der Wandel, den Märkte erfahren, doch allgegenwärtig ist. Zu den angesprochenen Einflussfaktoren zählen beispielsweise wissenschaftlicher Fortschritt, sowohl auf technologischer als auch auf theoretischer Ebene, Globalisierungseffekte, politische Entwicklungen, konjunkturbedingte Änderungen in der Weltwirtschaft, volkswirtschaftliche Wohlstandsniveaus in verschiedenen Teilen der Welt, sich ändernde Kundenpräferenzen, geänderte Angebots- und Nachfragestrukturen, etc.

Heutzutage sind Unternehmen mehr denn je gezwungen sich in ihrem turbulenten Umfeld einer Vielzahl von Herausforderungen zu stellen und diese auch zu meistern, wenn sie erfolgreich und konkurrenzfähig werden oder bleiben wollen. Immer kürzer werdende Produktlebenszyklen, zunehmend variable und individuelle Kundenanforderungen, steigende Produkt- und Variantenvielfalt, Schwierigkeiten bei der Erstellung qualitativ hochwertiger und akkurater Nachfrageprognosen sowie Innovations- und Kostendruck seitens der Kunden und der Konkurrenz sind nur einige wenige dieser oftmals divergierenden Sachverhalte für die Manager von heute. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Supply Chains einerseits an Flexibilität und andererseits an Komplexität gewonnen haben. Das bedeutet wiederum, dass das Risiko und der nötige Koordinationsaufwand entlang der Supply Chains generell zugenommen haben, auch wenn der Fortschritt im Bereich der EDV und Informationstechnik dem teilweise entgegengewirkt hat.

Welchen Beitrag kann das in der Literatur bereits seit den 50er Jahren bekannte Prinzip von Postponement leisten, um Unternehmen bei der Bewältigung der heutigen und zukünftigen Herausforderungen ihres Umfelds zu helfen?

1.2 Definition und Begriffsabgrenzung

Blecker und Abdelkafi [2006, S. 2] weisen darauf hin, dass in der Idee hinter „Mass Customization“ zwei auf den ersten Blick konträre Konzepte miteinander vereint werden, nämlich „Mass Production“ und „Customization“. Pine [1993] gehört zu den ersten, die sich mit diesem hybriden Produktionskonzept anhand von empirischen Fallstudien auseinandergesetzt haben.

Das Ziel von Mass Customization ist es Produkte anzubieten, die möglichst den individuellen Präferenzen verschiedener Kundensegmente bzw. einzelner Kunden gerecht werden können, jedoch zu einem Preis, der den eines traditionellen und standardisierten Massenproduktes nur unwesentlich übersteigt. Dies lässt sich durch die erfolgreiche Kombination der jeweiligen Vorteile der beiden zugrundeliegenden Basisstrategien erreichen [vgl. van Hoek (1999), S. 355]. Im Falle der Massenfertigung sind dies zweifellos die durch große Stückzahlen und Möglichkeiten der Automatisierung bedingten Skaleneffekte und Effizienzvorteile. Hingegen besteht der Vorzug der Individualisierung in einem zusätzlich wahrgenommenen Kundennutzen dank einer höheren Übereinstimmung zwischen den Produktattributen mit den Kundenpräferenzen. Außerdem sinkt das Risiko der Überalterung gelagerter Produkte deutlich, wenn diese individuell auf Kunden und deren Wünsche zugeschnitten anstatt spekulativ im Vorhinein zur Bedienung von Massenmärkten hergestellt werden.

Mit anderen Worten geht es schlussendlich darum, dass der Zusatznutzen, den der Kunde durch die Möglichkeit der Individualisierung erfährt, den etwas höheren Preis deutlich wettmacht. Auf diese Weise lässt sich ein höheres Niveau an Kundenzufriedenheit erzielen und in weiterer Folge wird die Beziehung des Kunden zum Unternehmen bzw. zum Produkt gefestigt.

In der deutschsprachigen Literatur ist häufig von „kundenindividueller Massenproduktion“ [vgl. Piller (2006)] die Rede, daher wird dies im weiteren Verlauf dieser Arbeit synonym zum englischen Pendant „Mass Customization“ verwendet. Generell sei an dieser Stelle erwähnt, dass aufgrund der Fülle des Angebots an englischsprachiger Literatur zu den Themen Mass Customization und Postponement bevorzugt Begriffe in der Originalsprache für diese Arbeit verwendet werden.

Es gibt verschiedene Ansätze und Konzepte, die geeignet sind, ein Unternehmen bei der erfolgreichen Implementierung einer Mass Customization Strategie zu unterstützen. Eines der mit Abstand bedeutendsten Puzzlestücke für ein derartiges Unterfangen stellt die Methode des Postponement dar. Van Hoek [1999, S. 354] stellt folgendes fest:

„Postponement aims at delaying certain activities in the supply chain until customer orders are received; one decides which activities will be order driven and customized and which activities will be planned and standardized.”

Es handelt sich somit wieder um eine Art Verschmelzung von Vorteilen der Standardisierung und Individualisierung, wobei dem definitiven Auftrag durch den Kunden eine besondere Rolle zukommt. Der Zeitpunkt des Auftragseingangs spaltet den Produktionsprozess in eine Standardisierungs- und eine Individualisierungsphase.

Auf die unterschiedlichen Arten von Postponement, wie diese in modernen Supply Chains eingesetzt werden und welche Vor- und Nachteile die einzelnen Varianten mit sich bringen können, wird im weiteren Verlauf noch im Detail eingegangen.

1.3 Zielsetzung und Methodik

Ziel dieser Arbeit ist es die Entwicklung von Postponement von einem anfangs in der Praxis kaum beachteten Konzept zu einem heutzutage in der Produktion und Logistik kaum mehr wegzudenkenden und vermehrt eingesetztem Prinzip zu beschreiben.

Diese Untersuchung erfolgt anhand einer fundierten Literaturrecherche relevanter, wissenschaftlicher Artikel und anderer Publikationen. Die beschriebene Theorie wird zusätzlich am Beispiel von realen Unternehmen diverser Branchen praktisch veranschaulicht. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Überblick über mögliche neue Herausforderungen und Trends im Bereich von Postponementstrategien.

1.4 Anfänge aus dem Marketing

Bereits in den 50er Jahren erkannte Alderson:

„Marketing ef fi ciency within a complete system of distribution can be promoted through application of the principle of postponement.” [Alderson (1957) zitiert in Wooliscroft et al. (2006), S. 109]

Diese Feststellung stützt sich in erster Linie auf eine wichtige Säule, nämlich Postponement im Rahmen der Produktdifferenzierung. Am Beginn jedes Produktionsprozesses steht ein Bündel von bestimmten Rohstoffen. Mit jedem erfolgten Schritt in der Produktionskette werden diese Rohstoffe auf eine Art und Weise miteinander kombiniert und in ihrer Gestalt verändert, sodass am Ende ein fertiges Produkt entsteht, das geeignet ist die Anforderungen des Kunden zu erfüllen und Nutzen zu stiften. Somit nimmt auch der Differenzierungsgrad mit jedem Produktionsschritt zu, was jedoch mit einem Anstieg der Unsicherheitskosten einhergeht. Jeder Individualisierungsschritt in der Prozesskette, den ein Produkt erfährt, führt dazu, dass das besagte Produkt auf ein immer kleineres Marktsegment zugeschnitten wird. Gleichzeitig bedeutet das, dass das Produkt für andere Segmente immer weniger geeignet ist, da unter den Segmenten keine hundertprozentige Kongruenz in Bezug auf die erwünschten Produktattribute besteht [vgl. Alderson (1957) zitiert in Wooliscroft et al. (2006), S. 110].

Mit Hilfe einer Verzögerung bzw. Verschiebung von Differenzierungsmaßnahmen möglichst an das Ende des Gesamtprozesses und damit näher zum Kaufzeitpunkt können derartige Unsicherheitsfaktoren reduziert werden. Schließlich wird jeder einzelne Differenzierungsschritt basierend auf einer Vorhersage in Bezug auf die Nachfrage für eine gewisse Art der Differenzierung zu einem zukünftigen Zeitpunkt durchgeführt [vgl. Alderson (1957) zitiert in Wooliscroft et al. (2006), S. 110]. Diese zukunftsgerichtete Spekulation hinsichtlich des Absatzes beinhaltet ihrerseits wiederum ein Risiko. Je kürzer somit die Zeitspanne zwischen endgültiger Produktdifferenzierung und Kaufzeitpunkt ist, desto exaktere Vorhersagen können in Bezug auf die tatsächliche Nachfrage gemacht werden.

Zu beachten ist hierbei, dass die Nachfrage selbst mehrere Dimensionen besitzen kann. Am Beispiel eines fabrikneuen PKW lässt sich das recht abstrakte Konzept einer mehrdimensionalen Nachfrage etwas verständlicher erläutern. Die Nachfrage nach einem derart individualisierbaren Produkt weist zahlreiche Facetten auf. Die relevanten Dimensionen können beispielsweise konkrete Produkteigenschaften (Lackfarbe, Materialien in der Innenausstattung, technische Extras, Motorisierung, etc.), bestimmte Serviceleistungen (erweiterte Garantien gegen Aufpreis, Wahl zwischen Servicepaketen unterschiedlichen Umfangs, etc.) oder verfügbare Optionen bei der Finanzierung betreffen. Anhand dieses einfachen Beispiels lässt sich erahnen wie wichtig es für produzierende Unternehmen ist auf möglichst exakte Informationen hinsichtlich der erwarteten Nachfrage zurückgreifen zu können.

Weiteres Kostensenkungspotential in Form von Skaleneffekten bietet sich beim Transport, indem man Produkte in großen Losen und in einem relativ generischen, also möglichst undifferenzierten, Zustand befördert [vgl. Alderson (1950) zitiert in Bucklin (1965), S. 27].

Bucklin identifiziert das Konzept der Spekulation als direkten Gegenspieler von Postponement und definiert in weiterer Folge das „principle of postponement-speculation“ [vgl. Bucklin (1965), S. 28]. Während man beim Postponement bestrebt ist den Differenzierungspunkt möglichst weit an das Ende des „marketing flows“ zu verschieben, wird im Rahmen der Spekulationsstrategie in entgegengesetzter Richtung argumentiert.

„The principle of speculation holds that changes in form, and the movement of goods to forward inventories, should be made at the earliest possible time in the marketing flow in order to reduce the costs of the marketing system.” [Bucklin (1965), S. 27]

Beide Strategien bringen jeweils unterschiedliche Vorteile mit sich. Postponement ermöglicht eine besser an die tatsächlichen Nachfrageverhältnisse angepasste Produktion und führt so zu einer Reduktion von Unsicherheitskosten wie z.B.: sehr hohe Sicherheitsbestände sowie Überalterung von gelagerten Fertigprodukten. Hingegen erlauben die mit Hilfe der antizipativen, spekulativen Produktion und Lagerung erzielbaren Skaleneffekte durch das Arbeiten mit großen Stückzahlen einerseits Einsparungen bei Transport- und Handhabungskosten und andererseits geringere Fehlmengenkosten dank tendenziell mehr Lagerstufen mit ausreichend hohem Bestand im Distributionskanal. Je nachdem welche Art von Kosten im betreffenden Distributionskanal überwiegt, bedeutet dies eine Bevorzugung von Postponement oder Spekulation. Bucklin [1965, S. 28] fasst die Erkenntnis seines erweiterten Prinzips wie folgt zusammen:

„A speculative inventory will appear at each point in a distribution channel whenever its costs are less than the net savings to both buyer and seller from postponement.”

Diese durch Bucklin erfolgte Weiterentwicklung des Konzepts stellt in gewisser Weise die Initialzündung für andere Autoren dar, um sich näher mit dem Thema Postponement zu befassen. In erster Linie begann man sich allmählich von einer rein marketing- bzw. distributionsorientieren Sichtweise abzuwenden und versuchte neue Zusammenhänge vor allem im Licht von produktionstechnischen und logistischen Fragestellungen aufzuzeigen. Trotz all dieser Bemühungen auf theoretischer und forschungsorientierter Basis dauerte es bis zum Anfang der 90er Jahre bis erste Postponementpraktiken in einzelnen Unternehmen und Prozessen erfolgreich implementiert wurden. Mit der zunehmenden Etablierung von Postponementstrategien in der Praxis, begann auch die Forschung auf dem Gebiet neue Entwicklungen und zu erwartende Trends in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Vor dem Hintergrund eines strategischen Supply Chain Managements erkannte man die Notwendigkeit Postponement mehr und mehr als ganzheitliches, organisationsübergreifendes Konzept zu verstehen, um dem Paradigma der kundenindividuellen Massenproduktion gerecht werden zu können.

2. Klassifikation von Postponement

Dieses Kapitel soll einen Überblick über einige in der Literatur vorgeschlagene Möglichkeiten zur Kategorisierung von Postponement liefern. Die vorgestellten Systematiken ähneln einander in vielen Punkten und überlappen sich somit thematisch zu einem gewissen Grad. Dessen ungeachtet lassen sich auch deutliche Unterschiede und variierende Schwerpunkte feststellen, auf die die jeweiligen Autoren in ihren Publikationen besonderen Fokus legen.

2.1 Kategorisierung nach Zinn und Bowersox

[vgl. Zinn und Bowersox (1988), S. 117 ff]

Hierbei handelt es sich um die erste ausführliche Gliederung von Postponementarten. Es werden grundsätzlich fünf Varianten unterschieden: Labeling, Packaging, Assembly, Manufacturing und Time Postponement. Dabei können die ersten vier zur Gruppe „Form Postponement“ zusammengefasst werden, da sie zumindest indirekten Einfluss auf Merkmale haben, die Gestalt und Funktionen des fertigen Produkts betreffen.

2.1.1 Labeling Postponement

Hier liegt die Annahme zugrunde, dass an sich idente Produkte unter unterschiedlichen Markennamen vertrieben werden können. Man denke beispielsweise an die bekannte Herrenkosmetikserie von Unilever. Während man die Produktpalette in Europa, Amerika und Asien unter dem Namen „Axe“ anbietet, ist diese im Vereinigten Königreich, Irland, Australien und Neuseeland als Marke „Lynx“ etabliert. Des Weiteren erfordert die gleichzeitige Bedienung mehrerer Märkte unter Umständen, dass Produkte mit jeweils anderen Etiketten zu versehen sind. Dies lässt sich sowohl auf die Vielzahl an Sprachen in den internationalen Teilmärkten, als auch auf zum Teil unterschiedliche Etikettierungsvorschriften zurückführen. Dem versucht man jedoch mit der gleichzeitigen Verwendung mehrerer Sprachen auf einem Etikett zu begegnen, um die Variantenvielfalt nicht unnötigerweise ausarten zu lassen.

Eine bestimmte Sorte Duschgel kann wie gewohnt am zentralen Produktionsstandort hergestellt und in Flaschen abgefüllt werden, wobei man zunächst auf eine Etikettierung verzichtet. Die noch undifferenzierten Produkte können anschließend an ein Zentrallager gesendet werden. Erst wenn definitive Kundenbestellungen aus den einzelnen Segmenten eingelangt sind, werden die Flaschen der nachgefragten Menge entsprechend mit dem passenden Label versehen bzw. der jeweiligen Marke zugeordnet.

Durch die Hinauszögerung des Etikettierungsprozesses lassen sich somit durch Nachfragerisiken bedingte Überproduktionen oder Fehlmengen einfacher vermeiden. Generell ermöglicht die beschriebene Vorgehensweise eine beträchtliche Senkung der Lagerbestände und in weiterer Folge der Lagerhaltungskosten. Es erfolgt eine Konsolidierung der Sicherheitsbestände. Anstatt für jede mögliche Variante einen eigenen Sicherheitsbestand aufrechtzuerhalten ist ein einziger Sicherheitsbestand für diese bestimmte Duschgelsorte ausreichend. Andererseits steigen die Gesamtkosten des Etikettierungsprozesses aufgrund der kleineren Lose und des damit verbundenen Verlusts an Economies of Scale am zentralen Fertigungsstandort. Je nachdem welche Kosten schlussendlich überwiegen, kann eine Entscheidung pro oder contra Labeling Postponement getroffen werden.

2.1.2 Packaging Postponement

Hierbei geht man einen Schritt weiter als beim Labeling. Anstatt lediglich andere Markennamen und Etiketten für ein Produkt zu verwenden, wird nach der Art der Verpackung hinsichtlich Form und/oder Größe differenziert. In vielen Fällen, so auch im folgenden Beispiel, treten beide Aspekte kombiniert auf, da Etikett und Verpackung oftmals zusammenfallen.

Ein Beispiel für diese Art von Postponement könnte die Procter & Gamble-Marke Duracell sein. Es werden unter anderem Mignon AA Alkaline-Batterien hergestellt, wobei eine Vielzahl an Packungsgrößen angeboten wird (2, 4, 8, 12, 20, 24 Stück). Im Rahmen des Packaging Postponement könnte man die fertigen Batterien in großen Mengen als „Bulkware“ an ein Warenlager transportieren, anstatt diese sofort antizipativ bzw. spekulativ zu verpacken. Nach erfolgtem Auftragseingang können die Batterien dem „Bulklager“ entnommen und entsprechend der Nachfrage des Handels auf die gewünschten Packungsgrößen verteilt und ausgeliefert werden.

Auch bei dieser Variante kommt es bedingt durch den Konsolidierungseffekt zu einer Reduzierung der Lagerbestände. Ein weiterer Vorteil äußert sich in niedrigeren Transportkosten, was auf zwei Faktoren zurückzuführen ist. Zum einen ermöglicht die Beförderung in sehr großen Losen von der Fabrik zum Lager positive Skaleneffekte gegenüber der Ausgangssituation ohne Postponement. Zum anderen werden Transportkosten gespart, weil die unverpackten Batterien ein geringeres Volumen und Gewicht aufweisen. Somit findet eine Kostendegression bezogen auf jedes transportierte Stück statt. Analog ist jedoch auch hier mit einem Anstieg der Kosten des Verpackungsprozesses aufgrund des Verlustes von Skalenvorteilen zu rechnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich bei der Handhabung kleinerer Stückzahlen naturgemäß ein niedrigeres Effizienzniveau einstellt.

2.1.3 Assembly Postponement

Voraussetzung für diese Art von Postponement ist, dass Produkte aus einzelnen Baugruppen gefertigt werden, wobei die Basis der zu einer Familie gehörenden Produkte bis zu einem gewissen Grad standardisiert ist. Die Produktvarianten werden durch Hinzufügen bzw. Weglassen einzelner Komponenten von einander differenziert. Mit anderen Worten gibt es eine einzige Plattform auf der alle Produktvarianten aufbauen.

In diesem Kontext stellt Hewlett-Packard (HP) ein Paradebeispiel dar [vgl. Feitzinger und Lee (1997), S. 117 ff.]. HP stand vor der Herausforderung, dass in den internationalen Absatzmärkten (Europa und Asien) unterschiedliche Stromspannungssysteme existierten. Daher war man gezwungen die Deskjet-Drucker mit einem zum jeweiligen Markt kompatiblen Stromversorgungsmodul inklusive passendem Anschlusskabel auszustatten. Alle übrigen Baugruppen der Drucker waren ident für sämtliche Zielmärkte.

Der ursprünglich organisierte Produktionsprozess sah vor, dass diese Differenzierung bereits am zentralen Fertigungsstandort in Singapur zu erfolgen hatte mit anschließendem Transport der fertigen Drucker in die Distributionszentren für den europäischen und asiatischen Markt.

Bei der Implementierung von Montagepostponement ging man folgendermaßen vor. HP verlagerte den Einbau der Netzteile in die lokalen Distributionslager, sodass der Output der Fabrik in Singapur nunmehr ausschließlich aus generischen Druckern bestand. Außerdem entschied man sich auch die Bestückung der Produkte mit dem länderspezifischen Beipackmaterial wie beispielsweise Bedienungsanleitung und Gewährleistungsunterlagen in die genannten Vertriebszentren zu verlagern. Die Hinauszögerung der differenzierenden Montageschritte, die schlussendlich den Zielmarkt für die Produkte definierten, brachte in Summe eine Reihe von Vorteilen mit sich.

Obwohl die Herstellungskosten bedingt durch die Aufspaltung des Montageprozesses einen leichten Anstieg verzeichneten, konnten die erzielten Gesamteinsparungen in den Bereichen Lager, Produktion und Transport diesen negativen Effekt deutlich wettmachen.

2.1.4 Manufacturing Postponement

Ähnlich wie beim Assembly Postponement ist bei dieser Variante ebenfalls ein modularer Aufbau des Produkts vonnöten. Während im Rahmen der Assembly-Variante das Ausmaß der Wertsteigerung in Relation zum gesamten Produktionsprozess doch recht überschaubar ist, verschiebt sich dieses Verhältnis beim Manufacturing Postponement weiter zugunsten der aufgeschobenen Produktionsschritte. Das Distributionslager ist folglich deutlich stärker in die Fertigstellung des Produkts eingebunden, da die durchgeführten Aktivitäten wertmäßig höher sind. Neben der soeben genannten Möglichkeit lässt sich ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung der beiden Konzepte identifizieren. Wenn die Baugruppen mit denen das lokale Warenlager versorgt wird lediglich von einem Produktionsstandort stammen, spricht man von Assembly Postponement. Sind zwei oder mehr Standorte an der Bereitstellung von Modulen für das Distributionslager beteiligt, handelt es sich um Manufacturing Postponement [vgl. Zinn und Bowersox (1988), S. 125].

Die Herstellung von Limonaden durch Coca-Cola stellt ein typisches Einsatzgebiet für Manufacturing Postponement dar [vgl. Cheng et al. (2010), S. 7]. Üblicherweise besteht Limonade hauptsächlich aus folgenden „Modulen“: Sirup/Pulver gemäß Rezeptur, Zucker oder künstliche Süßungsmittel, Wasser und Kohlensäure. Das Pulver bzw. der konzentrierte Sirup wird an einem oder mehreren zentralen Standorten hergestellt. Von dort kann der Weitertransport in großen Mengen an einzelne Lagerstandorte auf Lokalbasis erfolgen, die die weiteren Prozessschritte und die Bedienung der Absatzmärkte vornehmen. Im weiteren Verlauf werden dem Sirup/Pulver die restlichen Bestandteile (Zucker/Süßungsmittel, Wasser und Kohlensäure) beigemischt. Das Endprodukt wird schließlich in Flaschen und/oder Dosen abgefüllt.

Der größte Vorteil sind die bei den Transport- und Lagerkosten realisierbaren Einsparungen. Aufgrund der Ergiebigkeit des Sirupkonzentrats lassen sich mit einer Lieferung verhältnismäßig große Mengen an fertiger Limonade erzeugen. Das relativ geringe Volumen und Gewicht des Sirups wirken sich ebenso positiv auf den Transport und die Lagerkosten in der gesamten Supply Chain aus. Dem stehen wiederum niedrigere Skaleneffekte in den zentralen Produktionsstandorten und somit ein Anstieg der Kosten des Produktionsprozesses entgegen.

2.1.5 Time Postponement

Diese Form des Postponement bezieht sich nicht auf den Produktionsprozess, sondern lediglich auf den Zeitpunkt an dem das Fertigprodukt an den Kunden verschickt wird. Dies geschieht nämlich erst, sobald der definitive Kundenauftrag eingegangen ist.

Im Unterschied zu einer traditionellen Organisation der Wertschöpfungskette nach dem Push-Prinzip, rückt beim Time Postponement das Pull-Prinzip in den Vordergrund. Eine Push-Organisation zielt darauf ab Produkte möglichst rasch, d.h. in Antizipation basierend auf Nachfrageprognosen, durch die Stufen des Distributionskanals zu schleusen bis der Endverbraucher erreicht ist. Der Hauptbestand des Lagers befindet sich daher am Ende des Kanals in regionalen oder lokalen Standorten, um die Lieferzeit so kurz wie möglich zu halten. Im Gegensatz dazu ist man im Rahmen einer Pull-Strategie bestrebt den Transport zum Kunden erst nach Auftragseingang einzuleiten. Dies führt zu einer Reduktion der Lagerstufen im gesamten Vertriebskanal, was einer Verlagerung von eher indirektem zu zunehmend direktem Vertrieb gleichkommt. Um die Elimination einzelner Lagerstandorte im Kanal auszugleichen, werden große, zentralisierte Distributionslager geschaffen, in denen der Großteil der Produkte gelagert wird. Dies geht jedoch mit einer Verlängerung der „lead time“ bzw. einer Verringerung des Lieferservicegrads einher, da ein niedrigeres Verfügbarkeitsniveau nah beim Kunden gegeben ist.

Der größte Vorteil liegt hierbei in der Möglichkeit Lagerhaltungskosten entlang der gesamten Kette zu senken, was auf die oben beschriebene Lagerzentralisation und die damit verbundenen Skaleneffekte zurückzuführen ist. Andererseits hat man einen Anstieg der Transportkosten zu erwarten, da tendenziell mehr Einzelaufträge mit kleineren Bestellmengen über weitere Distanzen transportiert werden müssen. Darüber hinaus kann sich die Verlängerung der Lieferzeit als problematisch erweisen, je nachdem wie hoch oder niedrig die Wartebereitschaft der Kunden ist. Im günstigsten Fall wird der Kunde die längere Lieferdauer hinnehmen, im ungünstigsten wird er sich nach einem anderen Anbieter umsehen, der seinen Anforderungen eher gerecht wird.

2.2 Alternative Systematiken

Heutzutage ist es üblich Postponementaktivitäten in folgende drei Kategorien einzuordnen: Form, Time und Place. Dabei ist zu beachten, dass Place Postponement im Laufe der Zeit vom bereits erläuterten Time Postponement entkoppelt und zu einer eigenen Kategorie wurde. Außerdem lassen sich die Arten Time und Place zum übergeordneten Logistics Postponement subsummieren.

„Time and place or logistics postponement means that the forward movement of goods is delayed as long as possible in the chain of operations, and goods are kept in storage at central locations in the distribution chain.” [van Hoek et al. (1998), S. 33]

2.2.1 Price Postponement

Diese Variante des Postponement nimmt im Vergleich zu allen übrigen Postponementarten eine besondere Ausnahmestellung ein. Hinter diesem Konzept stehen nämlich Überlegungen, die weder Fragestellungen des physischen Produktionsprozesses noch der Distribution bzw. der Lagerung von Gütern behandeln. Wie der Name bereits erahnen lässt, geht es um die Hinauszögerung der Preisfestsetzung für ein bestimmtes Produkt bis die exakte Nachfrage bekannt ist [vgl. Cheng et al. (2010), S. 8]. Der Preis kann je nach Situation auch gemeinsam mit dem Kunden in Verhandlungen festgelegt werden.

Van Miegham und Dada [1999, S. 1631 f.] beschreiben zwei Szenarien in denen sich Price Postponement als äußerst vorteilhaft erweist gegenüber einer antizipativen Preisfestlegung unter Nachfrageunsicherheit. (1) In der Agrarwirtschaft werden die Kapazitäten bereits vor der Anbausaison festgelegt. Nach der Ernte wird abhängig von den Nachfragegegebenheiten am Markt und der erzielten Ernteausbeute entweder alles am Markt angeboten oder ein Teil der Ernte vernichtet, um den Preis optimierend zu beeinflussen. (2) Ein Autohändler muss im Vorhinein, d.h. ohne die genaue Nachfrage zu kennen, entscheiden wie viele Wagen er kaufen und in weiterer Folge auf seinem Betriebsgelände „lagern“ sollte. Anstatt starr exakte Preise zu fordern, wird der Verkaufspreis mit den Kunden ausverhandelt.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2011
ISBN (eBook)
9783842809727
DOI
10.3239/9783842809727
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien – Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2011 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
supply chain management mass customization produktion transport logistik
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