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Weblogs vs. Journalismus

Konkurrenzkampf oder Symbiose?

©2010 Bachelorarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit dem Aufkommen des so genannten Web 2.0 und der Entwicklung einfacher Content-Management-Systemen sowie leicht handhabarer Social Software, entstand in den letzten Jahren ein enormes Potenzial einer Neustrukturierung der gesellschaftlichen Kommunikationswege- und Formen. Der partizipative Journalism ,auch Grassroots Journalism genannt, erlebte einen regelrechten Boom, währenddessen der traditionelle Journalismus immer mehr sein Monopol, Informationen für die breite Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, verlor. Längst sind Journalisten nicht mehr als alleinige Gatekeeper zu betrachten, sondern stehen viel mehr einem Publikum gegenüber, welches eigenständig und individuell seine Informationen sondiert und sich vom Rezipienten zum Produzenten entwickelt. ‘Das Internet hat nicht nur neugierige Surfer hervorgebracht, sondern auch die historische versunkene Gestalt eines egalitären Publikums von schreibenden und lesenden Konversationsteilnehmern [...] wiederbelebt’. ‘Neue globale und netzwerkorientierte Kommunikationsmedien ermöglichen Formen der organisierten und strukturierten Berichterstattung, die nicht mehr an Institutionen oder Medienunternehmen gekoppelt sind’. Neben Wikis, Podcasts und Communities geraten besonders Weblogs immer wieder ins Auge des öffentlichen Interesses. Durch geringere technische, ökonomische, kognitive und rechtliche Barrieren bietet Weblogs jedem die Möglichkeit des Publizierens. Laien versuchen sich als Journalisten, um unter anderem von den Massenmedien nicht bedachte Nischen zu füllen. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch eine aufkommende Unzufriedenheit mit der Insuffizienz der klassischen Medienkommunikation unter globalen Kommunikationsbedingungen im Zusammenhang mit einer oft kritisierten Kommerzialisierung oder Medialisierung des traditionellen Journalismus. So sehen viele in Weblogs das Potenzial einer unabhängigen Gegenöffentlichkeit, und eine neue Form der Berichterstattung, andere wiederum den ‘Sargnagel’ des traditionellen Journalismus oder nicht viel mehr als einen ‘privaten tabledance’. Viele Journalisten ‘are dissmissive of bloggers, describing them as self-interested or unskilled amateurs’. Andere Berufspublizisten wiederum genießen die neu erlangte Freiheit, die ihnen Weblogs bieten.
Im Folgenden soll die forschungsleitende Frage geklärt werden, in wie weit Weblogs als Journalismus betrachtet werden können, in welchen Punkten die Blogosphäre als Konkurrenz zu […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Stefanie Stradmann
Weblogs vs. Journalismus
Konkurrenzkampf oder Symbiose?
ISBN: 978-3-8366-4584-3
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, Standort Wilhelmshafen,
Wilhelmshaven, Deutschland, Bachelorarbeit, 2010
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
II
Abbildungsverzeichnis
IV
1 Einleitung... 1
2 Weblogs = Journalismus? ... 2
2.1 Abgrenzung... 2
2.1.1 Definition Weblogs... 2
2.1.3 Definition Journalismus... 6
2.1.3 Exkurs: Journalisten Blogs ... 7
2.3 Selbst- und Fremdbild... 8
2.3 Strukturen und Merkmale ... 13
2.3.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Kontext mit
Kommunikationsstrukturen ... 13
2.3.2 Öffentliche Aufgaben und rechtliche Stellung ... 17
2.3.3 Zielgruppen und Publikum ... 20
2.3.4
Qualitätssicherung und Glaubwürdigkeit... 21
3.
Inhaltsanalyse... 24
3.1 Operationalisierung... 24
3.1.1 Stichprobenbildung... 24
3.1.2 Kategorisierung und Hypothesenbildung ... 24
3.2 Testgütekriterien ... 27
3.2.1 Reliabilität... 27
3.2.2 Validität ... 27
3.2.3 Objektivität ... 27
3.2.4 Repräsentativität ... 28
3.3 Ergebnisse... 28
3.3.1 Aktualität ... 28
3.3.2 Publizität ... 29
3.3.3 Objektivität ... 29
3.3.4 Thematische Breite, Analysetiefe und somit Sachkompetenz... 30
3.3.4 Verständlichkeit ... 33

III
3.3.5 Trennung von Nachricht und Werbung ... 34
3.4 Interpretation... 35
4. Fazit ... 37
4.1 Ausblick ... 40
Glossar ... 42
Literaturverzeichnis ... 45
Anhang... A
Eidesstattliche Erklärung

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Sprachverteilung von Weblogs 2006... 5
Abbildung 2: Struktur Blogosphäre ... 16
Abbildung 3: Publizität... 29
Abbildung 4: Objektivität ... 30
Abbildung 5: Informationsgehalt... 31
Abbildung 6: Recherchetiefe und Transparenz ... 32
Abbildung 7: Durchschnittlicher Umfang der Artikel... 33
Abbildung 8: Trennung von Nachricht und Werbung ... 34
Abbildung 9: Vergleich ,,Die Welt" vs. ,,Netzwertig") ... 36
Abbildung 10: Informationskreislauf) ... 39

1
1 Einleitung
Mit dem Aufkommen des so genannten Web 2.0 und der Entwicklung einfacher
Content-Management-Systemen sowie leicht handhabarer Social Software, entstand
in den letzten Jahren ein enormes Potenzial einer Neustrukturierung der
gesellschaftlichen Kommunikationswege- und Formen. Der partizipative Journalism
,auch Grassroots Journalism genannt, erlebte einen regelrechten Boom,
währenddessen der traditionelle Journalismus
1
immer mehr sein Monopol,
Informationen für die breite Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, verlor. Längst
sind Journalisten nicht mehr als alleinige Gatekeeper zu betrachten, sondern stehen
viel mehr einem Publikum gegenüber, welches eigenständig und individuell seine
Informationen sondiert und sich vom Rezipienten zum Produzenten entwickelt. ,,Das
Internet hat nicht nur neugierige Surfer hervorgebracht, sondern auch die historische
versunkene Gestalt eines egalitären Publikums von schreibenden und lesenden
Konversationsteilnehmern [...] wiederbelebt" (Neuberger 2009, S.19). ,,Neue globale
und netzwerkorientierte Kommunikationsmedien ermöglichen Formen der
organisierten und strukturierten Berichterstattung, die nicht mehr an Institutionen
oder Medienunternehmen gekoppelt sind" (Bucher/Büffel 2005, S.86). Neben Wikis,
Podcasts und Communities geraten besonders Weblogs immer wieder ins Auge des
öffentlichen Interesses. Durch geringere technische, ökonomische, kognitive und
rechtliche Barrieren bietet Weblogs jedem die Möglichkeit des Publizierens (vgl.
Neuberger 2009, S. 37). Laien versuchen sich als Journalisten, um unter anderem
von den Massenmedien nicht bedachte Nischen zu füllen. Unterstützt wurde diese
Entwicklung durch eine aufkommende Unzufriedenheit mit der Insuffizienz der
klassischen Medienkommunikation unter globalen Kommunikationsbedingungen im
Zusammenhang mit einer oft kritisierten Kommerzialisierung oder Medialisierung
des traditionellen Journalismus (vgl. Bucher / Büffel 2005, S.89). So sehen viele in
Weblogs das Potenzial einer unabhängigen Gegenöffentlichkeit (vgl. u.a. Bucher/
Büffel 2005/ Seeber 2008), und eine neue Form der Berichterstattung, andere
wiederum den ,,Sargnagel" des traditionellen Journalismus (vgl.
Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009, S. 138; Zit. Alphonso 2004) oder nicht viel
1
Die Begrifflichkeit des ,,traditionelle Journalismus" bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit auf
professionell-redaktionell organisierte Medien des Hörfunks, Rundfunks und Printmedien.

2
mehr als einen ,,privaten tabledance" (Eberwein 2005, S. 13; Zit. Wenland 2006).
Viele Journalisten ,,are dissmissive of bloggers, describing them as self-interested or
unskilled amateurs" (Lasica 2003, S.). Andere Berufspublizisten wiederum genießen
die neu erlangte Freiheit, die ihnen Weblogs bieten (vgl. Fengler / Kretschmar 2009).
Im Folgenden soll die forschungsleitende Frage geklärt werden, in wie weit Weblogs
als Journalismus betrachtet werden können, in welchen Punkten die Blogosphäre als
Konkurrenz zu traditionellen Massenmedien angesehen bzw. ob sie als Konkurrenz
angesehen werden kann oder ob beide Kommunikations- und Informationsformen
durch gegenseitig Ergänzung eine Symbiose eingehen können. Verglichen werden
dazu zum einen die wesentlichen Merkmale und Strukturen beider Medienformate
sowie deren jeweilige Position im wirtschaftlichen Kontext. Zur
Qualitätsuntersuchung der publizierten Inhalte dient eine empirisch überprüfbare
Inhaltsanalyse.
2 Weblogs = Journalismus?
2.1 Abgrenzung
2.1.1 Definition Weblogs
Der Begriff Weblog wurde erstmals 1997 von dem Amerikaner Jon Barger im
Zusammenhang mit seinem Netztagebuch zu verschiedenen Themen verwendet (vgl.
Zerfaß /Boelter 2005, S.20; Zit. N. Koch/Haarland 2004, S.73 ff.) und ist ein
Neologismus aus den Wörtern ,,Web" als Synonym für das Internet und ,,Log", dem
englischen Wort für ,,Tagebuch" oder ,,Fahrtenbuch". Weblogs werden
umgangssprachlich als Blog bezeichnet und ,,sind Online-Publikationen, die sich
durch kurze, umgekehrt chronologisch angeordnete Einträge sowie eine starke
Dialogorientierung auszeichnen und besonders expressive, authentische
Ausdrucksformen ermöglichen" (Zerfaß /Boelter 2005, S.20). Der Weblog bildet ein
für Autor und Leser einfach zu handhabendes Medium, welches durch Content-
Management-Systeme, ohne technisches Vorwissen, realisierbar ist und somit die
vielleicht Barriere freiste Möglichkeit des Publizierens darstellt (vgl. Zerfaß /Boelter

3
2005). ,,Weblogs sind sowohl persönliche Online-Tagebücher wie auch
professionelle Publikationen von Journalisten zu Themen breiter gesellschaftlicher
Relevanz" (Katzenbach 2008, S.28). In der Regel können die Einträge der Blogger
2
von den Nutzern kommentiert und durch ,,normierte Technologien in Echtzeit in
andere Weblogs bzw. Internetangebote eingebunden werden"(Zerfaß /Boelter 2005,
S.20). Mit Hilfe von Hyperlinks, Permalink, Trackbacks und der dichten
Verknüpfung einzelner Blogeinträge und Kommentare, entsteht ein globales,
dezentralisiertes, asynchrones und vor allem selbst organisiertes Netzwerk aus
Weblogs, welches eine Kommunikation zwischen Personen und Gruppen
ermöglichet und als Blogosphäre bezeichnet wird (vgl. Nehrenberg 2007,
Zerfaß/Boelter 2005). Für Katzenbach bilden Weblogs somit eine ,,Schnittstelle
zwischen der Mikro-Ebene der persönlichen Gespräche, in denen gesellschaftlichen
Fragen Relevanz zugewiesen und mit der individuellen Lebenswelt in Verbindung
gebracht wird, und der Makro-Ebene der (gesamt) gesellschaftlichen
Kommunikation" (Katzenbach 2007, S.27). Auch Neuberger (2007, S. 109) bestätigt,
dass in Weblogs oft die Anschlusskommunikation des Publikums der Massenmedien
stattfindet. Weblogs vereinen zudem ,,die Vorzüge vieler bekannter
Kommunikationsdienste im Internet (z.B. mailinglisten, Newsgroups,
Diskussionforen auf Websites, Online-Datenbanken)" (Zerfaß/Boelter 2005, S.22).
Gemessen an den Ergebnisse einer Studie von Zerfaß (2007), lässt sich die
Gesamtheit der Weblogs in fünf Kernbereiche kategorisieren: Fachblogs,
journalistische Blogs, Medienblogs, private Blogs und so genannte Corporate Blogs
(vgl. Petermann 2007). Würde man eine Typologisierung nach inhaltlicher Gattung
vornehmen wollen, wäre diese zwangsläufig unvollständig, da alle Gegenständen des
gesellschaftlichen Lebens in Weblogs thematisiert sind
3
. Als Beispiel seien dennoch
Watchblogs, Warblogs, Lawblogs, Bildungsblogs und Artblogs angeführt. Um den
direkten Vergleich zum Journalismus herstellen zu können, beschränkt sich diese
Arbeit auf Weblogs, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen,
welche unter anderem auch in den traditionellen Massenmedien Berücksichtigung
finden. Insbesondere zählen hierzu Fachblogs, Journalisten Blogs (J-Blogs) und
private Weblogs, welche durchaus journalistischen Anspruch erheben könnten.
2
Als Blogger werden die Autoren der einzelnen Blogeinträge bezeichnet.
3
Beispiel Themengebiete: Politik, Unterhaltung, Sport, Nachrichten, Technik, Religion, Hobbys,
Gesundheit (vgl. Neuberger/Nuernbergk /Rischke 2007)

4
Etablierung und Status Quo
Die Entwicklung hin zu einer neuen Öffentlichkeit, bildete sich erstmals nach den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 heraus, welche von vielen Experten als
essentieller, kulturgesellschaftlicher Faktor hinsichtlich des enormen exponentiellen
Wachstums der Blogosphäre angesehen werden (vgl. u.a. Nehrenberg 2007 ,
Neuberger 2009, Seeber 2008, Katzenbach 2008). Das Publikum der traditionellen
Medien wollte nicht länger nur als Rezipienten fungieren, sondern selbst Teil des
Gespräches über diese Ereignisse sein und eigene Eindrücke schildern (vgl.
Nehrenberg 2007). Augenzeugen veröffentlichten in Weblogs ihre Erfahrungen,
Berichte, Bilder und Videosequenzen und boten somit viel mehr Informationen als
alle Mainstream-Medien je offerieren hätten können (vgl. Katzenbach 2008). Hinzu
kam eine wachsende Unzufriedenheit mit immer zentralisierteren
4
bzw.
kommerzialisierten Medien und unzulänglichen Berichterstattungen
5
(vgl.
Nehrenberg 2007). 1999 verzeichnete CamWorld.com
6
nicht mehr 30 Weblogs. Im
Jahre 2006 war die Zahl bereits auf 50 Millionen registrierte Weblogs angestiegen,
mit einer Wachstumsrate von rund 175.000 neuen Weblogs pro Tag (vgl.
technorati.com
7
). Die letzten aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2008 geben weltweit 120
Millionen Weblogs an
8
. In Deutschland wurde erst 2003 eine breite Öffentlichkeit,
unter anderem durch so genannte Warblogs und den Wahlkampf um die US-
amerikanische Präsidentschaft
9
, auf das Weblogphänomen aufmerksam. (vgl.
Eberwein 2007). Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verbreitung
von Weblogs in Deutschland deutlich geringer ist, als in anderen Nationen mit einer
vergleichbaren Infrastruktur (Abb.1). Obwohl auf Grund dessen ein stetiges
Wachstum der Blogosphäre zu erwarten ist, verzeichnet die Online Studie von ARD
und ZDF, erhoben in den Jahren 2007-2009, einen Rückgang der Blognutzung in
4
Vgl. Kapitel 2.3.1
5
,,Many, too, were unsatisfied with what they read and saw in the mainstream media" (Nehrenberg
2007, S. 44 ff; Zit. Welch 2003)
6
Pionier Blog von Cameron Barrett
7
Technorati.com ist unter anderem eine Suchmaschine für Weblogs und bietet umfangreiche
Informationen zur Erstellung und Führung von Weblogs an.
8
In wie weit all diese Weblogs noch aktiv genutzt und aktualisiert werden, kann auf Grund der
großen Anzahl nicht bestimmt werden (vgl. Technorati.com/Zerfaß/Boelter 2005)
9
Erstmals erkannten die Präsidentschaftswahl-Kandidaten Blogs als Instrument zur direkten
Kommunikation und der Sammlung von Spenden. Genauso wurden in vielen privaten Blogs genau
dieses Vorgehen und die Wahlen an sich kritisch beobachtet.

5
Deutschland (vgl. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=165).
Fischer/Gscheidle (2008, S.363) erklären dieses Phänomen mit ,,zahlreichen
Funktionsüberschneidungen" von Communitys und Weblogs. In anderen Ländern,
insbesondere denen mit subjektiven Massenmedien oder eingeschränkter Presse- und
Meinungsfreiheit
10
, ist ein Wachstum immer noch registrierbar.
Abbildung 1: Sprachverteilung von Weblogs 2006 (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von
Technorati (http://www.sifry.com/alerts/archives/000443.html)
Betrachten man die Verbreitung und die rückläufigen Zahlen von Weblogs in
Deutschland, scheint das Blogphänomen keine ernste Gefahr und somit keine
Konkurrenz für den Journalismus darzustellen. Da es aber keine adäquate Prognose
über die weitere Entwicklung der Blogosphäre gibt und gerade am Beispiel der
USA
11
die Macht von Weblogs deutlich wird, ist eine nähere Analyse des Potentials
von Weblogs epochal.
10
Z.B. China, Russland, Singapur (vgl. Eberwein. 2005)
11
Einige Weblogs besitzen in den USA bereits Massenmedien-Status und tragen zur öffentlichen
Meinungsbildung bis hin zur Beeinflussung von Politik und Wirtschaft bei (vgl. u.a.
Quandt/Schweiger 2008)

6
2.1.3 Definition Journalismus
Die Entwicklung innovativer Technologien bedeutet vor allem für die bereits
etablierten klassischen Medien eine grundlegende Veränderung sowie
Herausforderung. Durch die ,,journalistischen" Tätigkeiten in Weblogs ist es
besonders für den klassischen Journalismus wichtig, sich mit den aktuellen
Entwicklungen auseinanderzusetzen. Es stellt sich immer häufiger die Frage, ob und
welche Unterschiede sich bezüglich journalistischer Arbeit und dem so genannten
Bloggen bestehen. Um diese und weitere Fragen beantworten zu können, muss
zunächst geklärt werden, wie sich Journalismus definiert. Mittels neuer Technologien
und Medien sowie dem damit einhergehenden Wandel der Gesellschaft, hat sich in
den letzten Jahren auch das Verständnis des Begriffes ,,Journalismus" geändert.
Längst kann man nicht mehr den Journalismus als ,,Pressewesen" oder
,,schriftstellirische Tätigkeit für Zeitungen", wie der Duden (vgl.
http://www.duden.de/suche/?suchwort=journalismus&suchbereich=mixed&btnSearc
h.x=0&btnSearch.y=0#inhalte) ihn definiert, beschreiben. Trotz diverser,
wissenschaftlicher Untersuchungen und Abhandlungen über genau diesen Begriff,
gibt es keine gängige und allgemeingültige Definition. So sieht zum Beispiel Prutz
den Journalismus als ,,Selbstgespräch [.] welches die Zeit über sich selber führt"
(Weischenberg 2004, S.38; Zit. Prutz 1854). Leonhardt als ,,Handwerk betriebener
Kunst, Ereignisse des Tages einem großes Kreis von Interessierten bekannt zu
machen und zu erklären" ( Weischenberg 2004, S.40; Zit. Leonhardt 1967) und
Neuberger (2004, S. 298 f) als ,,Leistungssystem innerhalb des funktional
ausdifferenzierten gesellschaftlichen Teilsystems der Öffentlichkeit". Viele Experten
jedoch versuchen den Journalismus über seine Funktion im Kontext mit der
Gesellschaft zu fassen. Der Journalismus ist Informationsspeicher, spiegelt die
öffentliche Meinung der Gesellschaft wider, ist Träger demokratischer Funktionen
und erfüllt zudem gesellschaftliche und politische Ordnungsfunktionen (vgl. Conter
2003
).
Nach Weischenberg (2004) charakterisiert sich der Journalismus des Weiteren
durch professionelle Fremdbeobachtung verschiedener Gesellschaftsbereiche. Er
stellt Themen anhand von Kriterien wie Aktualität, Faktizität und Relevanz durch
Publikation für die öffentliche Kommunikation zur Verfügung und fungiert zudem
als 4. Gewalt im Staat. All diese Definitionen und Funktionen lassen jedoch noch

7
keinen deutlichen Unterschied zu Weblogs zu. Vielmehr könnten Weblogs
vorschnell als Journalismus verstanden werden, da sie durchaus das Potential
besitzen oben angeführte Funktionen zu erfüllen. In diesem Fall könnten Weblogs als
Konkurrenz bezeichnet werden. Um dies zu verifizieren oder falsifizieren werden
deshalb im Verlauf dieser Arbeit gezielt die Merkmale, das Selbstverständnis sowie
die Qualität beider Medientypen kontrastiert um die tatsächliche Fähigkeit bezüglich
journalistischer Arbeit von Bloggern zu generieren.
2.1.3 Exkurs: Journalisten Blogs
Viele Weblogs in Deutschland werden von ausgebildeten Journalisten unter
Einhaltung journalistischer Standards betrieben. Das Spektrum reicht von
persönlichen Belangen über Spezialthemen bis hin zur kritischen
Auseinandersetzung mit der Arbeit von Kollegen (Watchblogs z.B. Bildblog).
Oftmals werden Weblogs auch in das Online-Angebot etablierter Medien
eingebunden, umso unter anderem bei Krisen, Wahlen oder Katastrophen direkt von
den Geschehnissen berichten zu können. Eine große Reichweite erzielt zum Beispiel
der Weblog von ,,Der Zeit" und dem ,, ARD und ZDF" (vgl. Zerfaß/Boelter 2005).
Als Anschlusskommunikation der traditionellen Medien werden diese Weblogs
oftmals für Kommentare und Anregungen genutzt, und dienen zum Austausch
zwischen Journalisten und Publikum. Viele der bloggende Journalisten sehen gerade
hier das Potential der Weblogs und bedienen sich ihrer als uneingeschränkte
Publikationsform sowie Quelle neuer Informationen und Inspiration gleichermaßen.
(vgl. Wendland 2003, S. 94f; Zit.Welker 2008). ,,The format opens us up to greater
connections with readers, enabling us to better reflect our community. Second, it's a
way for us to demystify what we do and how we do it." (Willey 2003, S. 88).
Allerdings deferieren die Meinungen unter den Journalisten erheblich. So sieht Maier
(2008) die bloggende Zunft der Journalisten eher umstritten. Er glaubt, dass ein
Journalismus, der zu einer informierten Gesellschaft beitragen möchte, dieser kritisch
gegenüberstehen muss und sich nicht völlig mit seinem Publikum identifizieren darf.
Ferner gibt es Fälle, in denen Journalisten auf Grund ihrer privaten Bloggeraktivität
ihrer Arbeit verloren bzw. vom Arbeitgeber dazu affektiert wurden, ihren Weblog zu

8
schließen.
12
Gleichzeitig gibt es wiederum Berichte, in denen Privatpersonen auf
Grunde ihrer Weblogs von Zeitungen übernommen wurden.
13
In Fällen von J-Blogs kann davon ausgegangen werden, dass diese die
journalistischen Standards erfüllen und eine vergleichbare Qualität zu traditionell
journalistischen Inhalten besitzen. Somit geht von Weblogs (ehemaliger) Journalisten
die größte Konkurrenzgefahr aus, da diese über die Professionalität und durch die
Publikationsform auch über die Freiheit
14
verfügen, eine breite Öffentlichkeit mit
selbst gewählten und durch aus kritisch betrachteten Themen anzusprechen
15
. Die
wenigsten J-Blogs treten jedoch in direkte Konkurrenz mit dem traditionellen
Journalismus. Vielmehr dienen sie zur Ergänzung, da die meisten Journalisten ihre
Weblogs als weiterführendes Angebot ihrer Arbeit sowie als Hilfsmittel zur
Interkation mit ihrem Publikum nutzen.
2.3 Selbst- und Fremdbild
So vielfältig wie die Themenbehandlung in den Weblogs sind auch die
Vorstellungen und Meinung über sie. Zwischen Extrembildern wie z.B. dem
,,Sargnagel" des Journalismus (vgl. Neuberger 2009, S. 138; Zit. Alphonso 2004),
oder dem Vergleich mit einem ,,privaten tabledance" (Eberwein 2005, S. 13; Zit.
Weiland 2006), ist dennoch in den letzten Jahren ein gewisser Konsens entstanden,
wenn es um das Selbst- und Fremdbild von Bloggern geht. Nach einer nicht
repräsentativen Studie deutschsprachiger Blogger von Schmidt und Wilber im
Oktober 2005, sehen die meisten Bloggern in Weblogs eine Darstellungsmöglichkeit
von Aspekten des eigenen Lebens und von Meinungen zu oft speziellen Themen. So
werden als Gründe der Blogbetreibung oft selbstbezogene Motive wie ,,Spaß" (71%),
,,Freude am Schreiben" (63%), ,,eigene Ideen für sich selbst festzuhalten" (62%)
oder das ,,von der Seele Schreiben von eigenen Gefühlen" (45%) angeführt. 27%
nutzen ihre Weblogs zudem ,,um Kontakte zu knüpfen" und 33% um solche
12
Beispiel: CNN Nachrichtenchef Eason Jordan (vgl. Fengler 2008, S.157 ), CNN Korrespondent
Kevin Sites (vgl. Bücher/ Büffel 2005 S. 98)
13
Beispiel: Annika Rubens alias Larissa Vassilian wurde vom Barischen Rundfunk engagiert (vgl.
Knüwer 2006)
14
Vgl. Kapitel 2.3.1
15
Beispiel: stefan-niggemeier.de, huffingtonpost.de

9
wiederum ,,aufrecht zu erhalten". ,,Um Wissen in einem Themengebiete anderen
zugänglich zu machen" bloggen lediglich 33% (vgl. Neuberger/Nuernbergk/Rischke
2007, S.102). Blogger sehen, gemessen an den Ergebnissen von Schmidt und Wilber,
demnach in ihrem Publizieren keine journalistische Tätigkeit, sondern vielmehr das
Potenzial Informationen, Gedanken und Erfahrungen auszutauschen und eine
Kommunikation zwischen Bloggern und Lesern zu implizieren. ,,Weblogs lassen
sich folglich [...] als ein Format beschreiben, das das [.] Beziehungs- und
Informationsmanagement der Nutzer unterstützt" und sich als Publikationspraxis am
Autor als Subjekt und seinem sozialen Umfeld orientiert (vgl. Katzenbach 2008,
S.89). Die im Vordergrund stehende persönliche Relevanz zeigt erstmals einen
klaren Unterschied zum klassischen Journalismus auf. Ferner scheinen Blogger sich
selbst eher selten als Journalisten wahrzunehmen und reagieren mitunter sogar
irritiert, wenn sie als ,,Pseudojournalisten" bezeichnet bzw. kritisiert werden (vgl.
Katzenbach 2008). Gleichzeitig aber finden sich Hinweise in anderen Erhebungen,
dass nicht alle Blogger private Motive verfolgen. Manche Weblogpublizisten
betrachten ihre Tätigkeit durchaus als eine Form des Journalismus
16
. In einer
Befragung von Armbrost im Oktober 2007 gaben mehr als die Hälfte (51%) der
befragten Blogger an, dass sie ,, Diskussionen anregen" möchten, 47% würden gerne
,,ihre persönliche Meinung verbreiten" sowie ,,das eigene Wissen mit möglichst
vielen teilen". Etwa ein Drittel (35%) bloggt sogar um ,,Themen aufzugreifen, die in
traditionellen Medien zu kurz kommen" (vgl. Neuberger 2007, S.103). Somit
scheinen einige Blogger primär Publikationsmotive zu verfolgen, die Parallelen und
Anknüpfungspunkte zum traditionellen Journalismus aufweisen. Eine ähnliche
Selbstverständnis ließ sich bereits 2003 in einer Untersuchung von Neuberger
aufdecken. 64% der befragten Blogger sahen dabei Weblogs als ,,neue Form des
Journalismus". Gerade einmal 19 % glaubten, dass Weblogs ,,nichts mit dem
traditionellen Journalismus zu tun haben (Neuberger 2007, S. 103)
17
. So ist den
meisten Bloggern, auch wenn sie selbst die Publikationsform für private Zwecke
nutzen, durchaus bewusst, dass Weblogs ,,eine neue Form der Information" (bluejax
2006) darstellen und sogar in der Lage sind, durch ,,Meinungsvielfalt eine
16
In den meisten Fällen trifft vor allem dies auf bloggende Journalisten zu.
17
Keine der Studien kann einen Anspruch auf Repräsentativität erheben, da alle drei mit einem
speziellen Blick auf einen bestimmten Ausschnitt der Weblog-Öffentlichkeiten schauen. Dennoch
veranschaulichen die Befragungen das zwiegespaltenen Selbstbild der Blogger welches sich aus den
Verwendungsmöglichkeiten von Weblogs unwillkürlich ergibt.

10
Gegenöffentlichkeit" (Haase 2006) hinsichtlich der Presse zu bilden sowie ein
,,Stimmungsbild der Massen" (Gretus 2008) zu offenbaren. Diese Einschätzung
deckt sich mit dem gängigen Fremdbild, das Journalisten von Weblogs besitzen. So
sieht z.B. Lasica (2003) Weblogs ebenfalls als Anschlusskommunikation der
Massenmedien, in der in Form von Kommunikationsräumen, Alltägliches und
Privates öffentlich verhandelt wird (vgl. Lasica 2003). Vereinzelt räumen
Journalisten Weblogs sogar das Potenzial ein, den Journalismus zu verbessern. So
bieten Weblogs als Anschlusskommunikation die Möglichkeit Leser mit
einzubeziehen um dadurch mehr Informationen
18
zu vermitteln und die Nachrichten
besser auf die Rezipienten abstimmen zu können (vgl. Mitchel 2003). Auch bieten
,,Blogs [.] the news media a mean of re-personalizing journalism, through their
subject matter and by connecting journalist to other journalists' journals and to
expert sources" (Lasica 2001; Zit. Sears). Und Wegner ist sich gewiss, dass
,,Weblogs [.] die etablierten Medien schlauer machen (können), wenn sie schlau
genug sind, sich damit zu beschäftigen" (Zerfaß/ Boelter , S.56). Trotz aller Euphorie
und dem Zugeständnis, dass Weblogs journalistische Funktionen, nämlich Themen
für die öffentliche Kommunikation selbstbeobachtend bereit zu stellen, übernehmen
können, mögen die meisten der Journalisten Weblogs nicht als Journalismus
bezeichnen. ,,I'm not practicing journalism when I link to a news article reported by
someone else and state what I think" ( Blood 2003, S.62 ). Zwar können Weblogs
theoretisch mehr Informationen liefern, doch offerieren sie nach Meinung mancher
Journalisten nie die Qualität gut recherchierte und professionell geschriebene Artikel
(vgl. Blood 2003). Zudem werfen Journalisten Bloggern den Mangel an
journalistischen Standards vor, obwohl diese nach eigenen Aussagen, sich oftmals an
selbigen orientieren (vgl. Weischenberg /Malik/Scholl 2006). Ebenso sehen
professionelle Publizisten in Weblogs nicht mehr als ein ,,Instrument der
Selbstdarstellung und Identifikationskonstruktion" (Katzenbach 2008, S.32).
Dennoch kann man im Durchschnitt von einem hohen Konsens bezüglich der
Sichtweise beider Akteure sprechen. Dieser spiegelt sich gleichermaßen in dem
Selbst- und Fremdbild des Journalismus wider. Journalisten sehen sich als neutrale
Vermittler, die ihr Publikum schnell und präzise informieren wollen (vgl.
18
Weblogs können durch ihre netzartige Struktur mehr Informationen liefern da ,,[...] the networks
knows more than the indiviual" (Gillmor 2004)

11
Tabelle 1: Vergleich der Merkmale von Weblogs und Journalismus
(Quelle: Neuberger/Nuernbergk/Rischke 2009, S.276)
Katzenbach 2008). Die Absicht ihrer Kommunikation beruht auf wahrheitsgeprüfter
Faktenweitergabe und exakter Abbildung der Realität (vgl. Weischenberg/Scholl
1998). Dabei zählt Objektivität für den Journalisten als zentraler Maßstab seines
Handelns. Komplementär dazu schreiben Blogger dem Journalismus eine neutrale
Berichterstattung sowie eine tiefere Themenbehandlung zu. So verbinden sie
Kriterien wie Relevanz und Richtigkeit eher mit dem traditionellen Journalismus als
mit Weblogs. Folgende Ergebnisse einer von Neuberger durchgeführten Befragung
von Internet-Redaktionen (2007), Nachrichten-Redaktionen (2006) und thematischen
Weblogs (2003) konstatiert deutlich, dass traditionelle Merkmale des Journalismus
wie Neutralität, Glaubwürdigkeit, und Kontinuität von den Befragten vielmehr dem
Journalismus zugerechnet werden. Weblogs werden eher durch die persönlichen
Perspektiven, den leichten Zugang zum Autor sowie Meinungsvielfalt und intensive
Diskussionen charakterisieren (vgl. Neuberger 2009).

12
Trotz eindeutiger Charakteristik Zuschreibungen, beeinflussen Arbeitsbedingungen
und die wirtschaftlichen Situation
19
zusehends das eigene Berufsbild der
Journalisten. Das traditionelle Rollenverständnis von Journalisten, welches auf
,,Kritik, Kontrolle und Engagement ausgerichtet ist" (Weischenberg/Malik/Scholl
2006, S. 355), hat laut Weischenberg, Malik und Scholl seit den Neunzigerjahren an
Bedeutung verloren. Entstanden ist ein Berufsverständnis, welches sich an ,,Service-,
Ratgeber- und Unterhaltungsbedürfnissen des Publikums orientiert"
(Weischenberg/Malik/Scholl 2006, S.355). Aus dieser Metamorphose wiederum
resultieren das Aufkommen der Watchblogs und das Bedürfnis der Blogger selbst
Texte mit journalistischem Anspruch zu verfassen und nicht bediente Nischen zu
versorgen. Dennoch sehen sich Blogger selbst weniger als Konkurrenz für den
Journalismus als die Journalisten. Blogger sehen die Stärken der Weblogs nicht in
der Berichterstattung, sondern in Subjektivität, Unterhaltsamkeit, Meinungsvielfalt
und Aktualität (vgl. Neuberger 2009).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich Fremd- und Selbstbild von Bloggern
und Journalisten weitestgehend übereinstimmen. Die jeweiligen Bilder sind jedoch
keines Wegs gleich, sondern unterscheiden sich in erheblichen Charakteristiken wie
Motiv und Darstellungsform der jeweiligen Publikationen. Die Fremd- und
Selbstbildanalyse gibt daher keinen hinreichenden Anhaltspunkt darauf, dass
Weblogs dem traditionellen Journalismus gleichgesetzt werden können. Wenn
überhaupt, kann von einer neuen Form des Journalismus oder einer neuen Form der
öffentlichen Informationsverbreitung die Rede sein, welche sich nur in einigen
Merkmalen mit dem traditionellen Journalismus überschneidet. Mitunter gibt es
jedoch immer wieder Fälle, in denen Weblogs schneller und besser die Aufgaben des
Journalismus erfüllen können. So wurde beispielsweise im Zusammenhang mit den
Londoner Anschlägen, in Weblogs exklusive Informationen, Ergänzungen und
Augenzeugenberichte dargeboten. Ein weiteres Beispiel stellen die so genannte
Warblogs da. Auch sie liefern zeitnahe Darstellungen der Geschehnisse.
Insbesondere der Autor des Weblog ,,Where ist Read?" konnte exklusive Berichte
aus dem irakischen Krisengebiet liefern, die der Berichterstattung professionellen
Auslandskorrespondenten in nichts nach stand (vgl. Behmer 2005, S. 97). Somit
erheben zwar nur wenige der Blogger den Anspruch journalistische Arbeit zu leisten,
19
Zur nähere Erläuterung vgl. Kapitel 2.3.
1

13
diejenigen die es jedoch tun könnten durch Exklusivberichte den traditionellen
Journalismus degradieren oder ergänzen. Somit ist eine weitere Untersuchung beider
Medien unabdingbar, um ein konkretes Konkurrenzverhältnis oder eine Symbiose zu
diagnostizieren.
2.3 Strukturen und Merkmale
2.3.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Kontext mit
Kommunikationsstrukturen
Journalismus begegnet uns in Form der Herstellung von Medientexten in den
Massenmedien als professionell-redaktionell organisierter Journalismus. Durch
hierarchische Strukturen innerhalb der Redaktionen und der klassischen Top-down-
Wertschöpfungskette (vgl. u.a. Brosda 2007, S.187) erfahren Journalisten nach
Katzenbach ,,ihr Korrektiv wesentlich stärker in der Redaktion als durch das
Publikum" (Katzenbach 2008, S. 48). Auf Grund der Orientierung an Werten der
Kollegen und anderen Medien, verfestigen sich journalistische Normen derart, dass
,,strukturelle und prozessuelle Faktoren, wie das Einhalten von Deadlines und
formalen Vorgaben" (vgl. Katzenbach 2008, S. 48) den Prozess der
Nachrichtenauswahl bestimmen. Zudem sind Medienunternehmen gleichzeitig
Produzent von meritorischen Gütern wie wirtschaftlichen Gütern, was Redaktionen
gleichsam zu Trägern öffentlicher Aufgaben sowie zu, auf Gewinn maximierend,
ausgerichteten Unternehmen macht. Die sich so stetig ausbreitenden
Ökonomisierung
20
und Institutionalisierung redaktioneller Organisationen, wirkt sich
nicht nur zusehends (negativ) auf das Rollenselbstverständnis aus
21
, sondern
gleichermaßen auf Richtlinien und Redaktionsstrukturen. So findet sich der
Journalismus in den letzten Jahren immer mehr in einer doppelten
Wettbewerbssituation wieder (vgl. Malik 2004, S.71):
20
Auch Kommerzialisierung im Sinne von Organisation nach ökonomischen Regeln
marktwirtschaftlicher Gesellschaften (Malik 2004, S. 71)
21
Vgl. Kapitel 2.3

14
1. Die Medienanstalten konkurrieren (auch mit Weblogs) im publizistischen
Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Rezipienten.
2. Die Medienanstalten müssen unter anderem über den Werbemarkt im
Kostenwettbewerb ihr Überleben sichern.
Nach Malik ergibt sich aus diesen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Gefahr,
dass journalistische Produkte, zunehmend auf Grund von wirtschaftlichen Kriterien
gestaltet werden. Die öffentliche Aufgabe und die tatsächlichen
Publikumserwartungen scheinen dabei nur noch zweitrangig (vgl. Malik 2004, S.76).
Mitunter werden diese Entwicklung durch die gegebenen Kommunikationsstrukturen
des Journalismus unterstütz.
Die Massenmedien als ,,jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich,
durch technische Verbreitungsmittel, indirekt und einseitig an ein disperses
Publikum gerichtet werden" (Nehrenberg 2007, S. 68; Zit. Maletzte 1976), zeichnen
sich durch die klassische one-to-many Kommunikation aus. Diese bietet zwischen
Produzent und Rezipient kaum Interaktionsmöglichkeit. Unzufriedenheit oder
Anregungen konnten vor ein paar Jahren lediglich über Leserbriefe Ausdruck
finden.
22
Nachrichten entwickelten sich zu einem Mainstreammedium (vgl.
Nehrenberg 2007) in dem Verkaufszahlen und Interessen der breiten Masse zählen.
In einer immer mehr auf Individualität ausgerichteten Gesellschaft geben sich die
Rezipienten mit dieser Insuffizienz aber nicht mehr genügsam, sondern suchen
Ausweichmöglichkeiten. So bieten Weblogs Strukturen, die das genaue Gegenteil
von redaktionellen Institutionen abbilden, den ehemaligen Rezipienten eine Stimme.
Ohne eine Verflechtung in ökonomische Wettbewerbssituationen
23
müssen Weblogs
sich an keinem Massenpublikum orientieren. Es wird auf keinem kleinsten
gemeinsamen Nenner aufgebaut (vgl. Neuberger 2009), sondern das vollständige
Spektrum an Themen und vor allem Nischenthemen, die wenig Beachtung in den
22
Erste in den letzten Jahren integrieren traditionelle Massenmedien in ihren Online-Angeboten
ebenfalls Blogs um die Interaktion mit dem Publikum zu fördern. Bsp: Blog.tageschau.de, die Zeit.
23
Diese Aussage bezieht sich lediglich auf den deutschsprachigen Raum, da in den USA Blogger
bereits Geld mit ihren Blogs verdienen. Zudem scheint es nach Armbrost und Neuberge nur noch eine
Frage der Zeit bis auch Weblogs in marktwirtschaftliche Publikationsgemeinschaften und einen auf
Weblogs ausgerichtet Werbemarkt eingebettet werden. Anzeigen die neben Weblogeinträgen zu
finden (sieh Kap. 3) sind werfen zudem nur ein sehr geringes Maß an Profit ab und können keines
Falls als Ausschlag geben für den Weblog betrachtet werden.

15
Massenmedien finden, abgedeckt. Dabei wird die oft kritisierte one-to-many
Kommunikationsstruktur durch netzwerkartige Formationen ersetzt (vgl.
Fischer/Quiring 2005). One-to-one, few-to-few und vor allem many-to-many
(Gillmore 2004, S. 13) Strukturen bieten Raum zur Diskussion und Debatte. Nach
Wijnia (vgl. Eberwein 2004, S.7) ergibt sich daraus das Habermas'sche Modell der
idealen Sprechsituation. Vergleichbar mit dem Journalismus, können so ,,Weblogs
als technische Infrastruktur, die Artikulation von individuellen und kollektiven
Meinungen in medialern Kommunikationsräumen unterstützen und damit zur
Herausbildung von einfacher sowie komplexen Öffentlichkeit beitragen"
(Katzenbach 2008, S. 141). Obwohl die Blogosphäre auf den ersten Blick eine
bottom-up
24
Struktur aufweist und somit keine klassischen hierarchischen Strukturen
erkennen lässt, ist die Netzstruktur keinesfalls völlig egalitär (vgl. Neuberger 2007).
Stattdessen herrscht unter den Weblogs eine klare Aufmerksamkeitshierachie,
welche Strukturen einer so genannte ,,power-law-Verteilung" aufweist (vgl. u.a.
Neuberger 2007/ Katzenbach 2008). Einzelne Weblogs, so genannte A-Blogs
(Abb.2), besitzen viele Verbindungen bzw. in dem Fall Verlinkungen zu anderen
Weblogs. Einige wenige verfügen über eine mittlere Anzahl an Verbindungen und
viele sind kaum bis gar nicht mit anderen Weblogs vernetzt (vgl. Katzenbach, 2008,
S.34). Dies lässt sich auf globaler Ebene der gesamten Blogosphäre sowie in
thematischen und räumlichen Teilbereichen ausmachen.
25
24
Für ein besseres Verständnis der top-down und bottom-up-Struktur vgl. Anhang 1
25
Eine mögliche Erklärung für diese Struktur ist ein Mechanismus den Barabasi als ,,preferential
attachement" bezeichnet: Ist ein Knotenpunkt in einem Netz ohnehin schon stark verknüpft, ist die
Wahrscheinlichkeit wesentlich höher, dass er auch weitere Verbindungen eingeht. (Katzenbach 2008,
S. 131f)

16
Abbildung 2: Struktur Blogosphäre (Quelle:
http://www.gallien.org/serendipity/uploads/htmlgraph-seitenstruktur-20070326090214.jpg)
Betrachtet man die Strukturen von Journalismus und Weblogs, können kaum
Gemeinsamkeiten festgemacht werden. Hinsichtlich dieser Merkmale lassen sich
Weblogs nicht als Journalismus fassen. Fraglich ist jedoch, ob Weblogs mit ihrer
Netzartigkeit die Funktionen des Journalismus durch eine größere Meinungspluralität
nicht sogar besser umsetzten können, so dass sich nicht nur eine Konkurrenz um die
Aufmerksamkeit des Publikums ergibt, sondern sich eine Rivalität um den gesamten
Nachrichtensektor entwickeln könnte. Eindeutig wird, dass Weblogs klar Publikums
orientierter sind, da die Grenzen zwischen Anbieter als Gatekeeper und Publikum
und somit zwischen Produzent und Rezipient deutlich verschwimmen. Zudem
unterliegen Weblogs in der Regel keiner Beeinflussung von wirtschaftlichen oder
kommerziellen Interessen, welches eine unabhängigere Meinungsbildung und
Nachrichtenwahl erwirken kann. Ob aber fehlende Redaktionsstrukturen und somit
eine absente redigierende Instanz nicht durchaus auch negative Auswirkungen auf
die Qualität der Publikationen haben, muss anliegend geprüft werden.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2010
ISBN (eBook)
9783836645843
DOI
10.3239/9783836645843
Dateigröße
21.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven; Standort Wilhelmshaven – Wirtschaftsingenieurwesen, Medienwirtschaft und Journalismus
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
1,3
Schlagworte
weblogs journalismus inhaltsanalyse glaubwürdigkeit qualität
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Titel: Weblogs vs. Journalismus
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