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Zum anstehenden Wandel der beruflichen Bildung Älterer

©2009 Magisterarbeit 82 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die japanische Gesellschaft ist vertikal gegliedert und durch die Beziehungen von rangungleichen Personen gekennzeichnet. Entscheidend sind in diesen Beziehungen weniger Kriterien der Leistung als vielmehr Merkmale wie Alter und Dauer der Mitgliedschaft. ‚Senpai’ und ‚Kohai’ sind in der japanischen Gesellschaft ein unterweisender Senior und ein anzuleitender Junior. Das gesamte gesellschaftliche und betriebliche System Japans zerfällt daher in unzählige Senpai-Kohai-Beziehungen. Der Ältere ist dabei eine Art Mentor des Jüngeren und gibt ihm seine gemachten Erfahrungen und sein Wissen weiter. Vertieft sich die Beziehung zwischen Senpai und Kohai auf emotionaler Ebene, spricht man von einer ‚Oyabun-Kobun’, einer Vater-Kind-Beziehung. Japanische Großbetriebe fußen auf drei Faktoren: der Gewerkschaft im Unternehmen, auf einem Senioritätsprinzip, das Lohn und Aufstieg reguliert und auf der Anstellung auf Lebenszeit.
Auch wenn dieses positive Altersbild und die betrieblichen Prinzipien nicht mehr uneingeschränkt gelten, zeigt sich dennoch ein anderes Verhältnis zum Alter als in westlichen Industrienationen. Im Verständnis eines Mitteleuropäers erscheinen die in Gesellschaft und Unternehmen vorherrschenden teils emotionalen Beziehungen auf den ersten Blick sehr fremd. Älteren Menschen kommt ein anderer Status zu und ihren Erfahrungen und ihrem Wissen scheint ein größerer Stellenwert zugeschrieben zu werden. Das betriebliche System Japans unterscheidet sich gravierend von westlichen Ordnungen der Organisation menschlicher Arbeitskraft. Während es in letztgenannten Systemen zur Normalität geworden ist, dass Unterbrechungen und Neuorientierungen den Berufsverlauf bestimmen, zeigt sich in Japan ein Bild vom Alter, dass ältere Generationen in Gesellschaft und Betrieb integriert.
Diese kurze Einführung in japanische Gesellschaftsbeziehungen – die auch in Betrieben Gültigkeit haben – soll verdeutlichen, was unter anderem zunehmend auch in westlichen Industrienationen versucht wird. Diese bei uns unter dem Namen Mentoring bekannten Methoden sollen eine Antwort auf die strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft und Bevölkerung und den damit verbundenen Schwierigkeiten der modernen Arbeitswelt sein. Ein neuer Umgang mit dem Alter in Unternehmen und Gesellschaft scheint einer der wichtigsten Aufgaben zu sein, die die Zukunft von uns fordert.
Es herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass es der demografische Wandel, der teilweise […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Sebastian Thiele
Zum anstehenden Wandel der beruflichen Bildung Älterer
ISBN: 978-3-8366-4489-1
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, Deutschland, Magisterarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

2
1. AKTUELLE SITUATION EINER ÜBERALTERTEN GESELLSCHAFT IN
BEZUG ZUR BERUFLICHEN BILDUNG
4
1.1
Abgrenzung verschiedener relevanter Begrifflichkeiten
6
1.2
Gesellschaftliche Trends und ältere Erwerbsbevölkerung
10
1.2.1
Demografische Bestandsaufnahme
13
1.2.2
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials
15
1.2.3
Bildungsbeteiligung Älterer
16
1.2.4
Ältere Arbeitnehmer im Unternehmen ­ Weiterbildungsangebot und Einstellungen
19
1.2.5
Defizittheorie ­ Durch die Unternehmen produzierte Altersbilder
21
2. LERNTHEORETISCHE, PHYSISCHE UND PSYCHISCHE ASPEKTE DES
ALTERS 24
2.1
Angepasste, sinnvolle Lernumgebungen und ­prozesse für Ältere
24
2.1.1
Spezifik des Lernens Älterer
26
2.1.2
Sinngehalt spezieller Angebote für die berufliche Bildung Älterer
28
2.2
Gesundheit und Alter
29
2.2.1
Das neue Verständnis von Gesundheit
30
2.2.2
Gesundheitsprävention bei älteren Menschen
32
3. ERFAHRUNGS- UND WISSENSTRANSFER IN DER BERUFLICHEN
BILDUNG ÄLTERER
35
3.1
Formen des intergenerationellen Lernens
36
3.2
Didaktische Grundzüge intergenerationeller Lernprozesse
38
3.3
Lernen im Tandem
42
3.4
Erfolgreicher Einsatzes von Lerntandems am Beispiel der Bochumer Verein Verkehrstechnik
GmbH
44
3.4.1
Grundstruktur des Lerntandems
45
3.4.2
Lernverhalten Älterer im Lerntandem
48
3.5
Konsequenzen des Erfahrungstransfers in der beruflichen Bildung
48

3
4. SELBSTORGANISIERTES LERNEN UND NEUE LERNKULTUR
50
4.1
Erfolgsfördernde didaktische Gestaltungsoptionen selbstgesteuerter Lernprozesse
52
4.1.1
Anforderungen an die Lernenden
52
4.1.2
Anforderungen an den Betrieb und das Lernumfeld
55
4.2
Selbstorganisiertes Lernen am Beispiel des Projektes ,Arbeitsplatzreife'
57
4.2.1
Grundstruktur des Projektes
57
4.2.2
Lernverhalten Älterer und die Bedeutung des Projektes
60
4.3
Konsequenzen für den selbstgesteuerten Lernprozess in der beruflichen Bildung
62
5. PERSONALPOLITIK UND PERSONALENTWICKLUNG
64
5.1
Lebensphasenorientierte Personalpolitik
64
5.2
Standortbestimmungs- und Potenzialentwicklungsseminare 66
5.3
Beispiel eines Standortbestimmungsprogramms bei der Fluggesellschaft ,Lufthansa'
68
6. ABSCHLIEßENDE ARGUMENTATION ZUR BERUFLICHEN BILDUNG IM
DEMOGRAFISCHEN WANDEL
70
7. LITERATURVERZEICHNIS 77

4
1.
Aktuelle Situation einer überalterten Gesellschaft in Bezug zur
beruflichen Bildung
Die japanische Gesellschaft ist vertikal gegliedert und durch die Beziehungen von rangunglei-
chen Personen gekennzeichnet. Entscheidend sind in diesen Beziehungen weniger Kriterien
der Leistung als vielmehr Merkmale wie Alter und Dauer der Mitgliedschaft. ,Senpai' und
,Kohai' sind in der japanischen Gesellschaft ein unterweisender Senior und ein anzuleitender
Junior. Das gesamte gesellschaftliche und betriebliche System Japans zerfällt daher in unzäh-
lige Senpai-Kohai-Beziehungen. Der Ältere ist dabei eine Art Mentor des Jüngeren und gibt
ihm seine gemachten Erfahrungen und sein Wissen weiter. Vertieft sich die Beziehung zwi-
schen Senpai und Kohai auf emotionaler Ebene, spricht man von einer ,Oyabun-Kobun',
einer Vater-Kind-Beziehung.
1
Japanische Großbetriebe fußen auf drei Faktoren: der Gewerk-
schaft im Unternehmen, auf einem Senioritätsprinzip, das Lohn und Aufstieg reguliert und auf
der Anstellung auf Lebenszeit.
2
Auch wenn dieses positive Altersbild und die betrieblichen Prinzipien nicht mehr uneinge-
schränkt gelten, zeigt sich dennoch ein anderes Verhältnis zum Alter als in westlichen Indust-
rienationen. Im Verständnis eines Mitteleuropäers erscheinen die in Gesellschaft und Unter-
nehmen vorherrschenden teils emotionalen Beziehungen auf den ersten Blick sehr fremd.
Älteren Menschen kommt ein anderer Status zu und ihren Erfahrungen und ihrem Wissen
scheint ein größerer Stellenwert zugeschrieben zu werden.
3
Das betriebliche System Japans
unterscheidet sich gravierend von westlichen Ordnungen der Organisation menschlicher
Arbeitskraft. Während es in letztgenannten Systemen zur Normalität geworden ist, dass Un-
terbrechungen und Neuorientierungen den Berufsverlauf bestimmen, zeigt sich in Japan ein
Bild vom Alter, dass ältere Generationen in Gesellschaft und Betrieb integriert.
4
Diese kurze Einführung in japanische Gesellschaftsbeziehungen ­ die auch in Betrieben
Gültigkeit haben ­ soll verdeutlichen, was unter anderem zunehmend auch in westlichen
Industrienationen versucht wird. Diese bei uns unter dem Namen Mentoring bekannten Me-
thoden sollen eine Antwort auf die strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft und Be-
1
Vgl. Mikl-Horke, Gertraude: Industrie und Arbeitssoziologie, München 2000, S.207-209.
2
Vgl. ders.: ebd. S.212.
3
Vgl. Otto, Jeannette: Die Alten richten sich auf, wenn sie die Kinder sehen, in: Die Zeit vom 16.07.2009,
S.62.
4
Vgl. Formanek, Susanne: Alterbilder im traditionellen und im gegenwärtigen Japan, in: Ehmer, Josef/Höffe,
Otfried (Hrsg.): Bilder des Alterns im Wandel. Historische, interkulturelle, theoretische und aktuelle Perspek-
tiven, Wien 2009, S. 59-85, hier S.83.

5
völkerung und den damit verbundenen Schwierigkeiten der modernen Arbeitswelt sein. Ein
neuer Umgang mit dem Alter in Unternehmen und Gesellschaft scheint einer der wichtigsten
Aufgaben zu sein, die die Zukunft von uns fordert.
Es herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass es der demografische Wandel, der teilweise
sehr überspitzt betrachtet wird, notwendig macht, bestimmte gesellschaftliche Veränderungen
herbeizuführen. Da sich die deutsche Gesellschaft auf dem Weg der Schrumpfung und Alte-
rung befindet, rücken ältere Menschen mehr und mehr in das Blickfeld wissenschaftlicher
Betrachtung. Nicht nur weil ihr Anteil an der Bevölkerung zunimmt, sondern auch weil sich
die Wirtschaft einem zunehmenden Arbeitskräftemangel gegenübersieht, werden neue For-
men der Qualifizierung älterer Erwerbstätiger immer dringlicher. Auch die Unternehmen
erkennen besser die Notwendigkeit, Kompetenzen und Erfahrungen älterer Personen im Be-
trieb aufrecht zu erhalten, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Will man die berufliche Bil-
dung Älterer in ihrer Gesamtheit betrachten, ist es notwendig, eine systemische Perspektive
zu entwickeln. Die Problematiken und Herausforderungen unserer Zeit können nur im Zu-
sammenhang verschiedener Ebenen betrachtet werden. So spielen gleichermaßen die Gesell-
schaft als Ganzes, das Bildungssystem, die Betriebe und das Individuum eine wichtige Rolle.
5
Der demografische Wandel und die sich ständig ändernde Arbeitswelt sind höchst aktuelle
Themen, denen sich unzählige Autoren gewidmet haben.
6
In nahezu allen gesellschaftswis-
senschaftlichen Fachrichtungen ist die Beachtung für diese Themen groß. Auch die Disziplin
der Berufs- und Wirtschaftspädagogik weitet ihr Interesse in diese Richtung aus. Die berufli-
che Bildung bleibt nicht mehr länger auf das Jugendalter begrenzt, sie erweitert sich auf das
Erwerbsleben und damit zunehmend auch auf ältere Menschen.
7
Diese Arbeit versucht unter den Voraussetzungen dieser gesellschaftlichen Entwicklungen die
berufliche Bildung Älterer zu betrachten und die Notwendigkeit eines Wandels im Umgang
mit der Arbeitskraft Älterer herauszuarbeiten. Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse,
welche Entwicklungen sich in der Gesellschaft bzw. Bevölkerung vollziehen und was eine
altersgerechte berufliche Bildung zur Lösung beitragen kann. Fragen, die sich unter anderem
stellen: Wie muss eine altersgerechte berufliche Bildung gestaltet sein, um der Spezifik des
Lernens im Alter zu entsprechen? Welche Methoden der beruflichen Bildung bieten sich für
5
Staudinger, Ursula/Heidemeier, Heike: Altern, Bildung und lebenslanges Lernen, Halle (Saale) 2009, S.269.
6
Erinnert sei hier an den Bestseller ,,Das Methusalem-Komplott" von Frank Schirrmacher.
7
Vgl. Bohlinger, Sandra: Lebenslanges Lernen bei älteren Arbeitskräften: Zwischen dem Erhalt der Beschäfti-
gungsfähigkeit und der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirt-
schaftspädagogik, Wiesbaden 105/2009, S.97.

6
ältere Erwerbstätige an, um ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen an die aktuell am
Arbeitsmarkt geforderten Bedingungen anzupassen? Wie muss sich die berufliche Bildung
wandeln, um den gesellschaftlichen Veränderungen sinnvoll begegnen zu können?
Diesen Grundfragen folgend, wird im ersten einleitenden Kapitel eine Betrachtung der Bevöl-
kerungsentwicklung Deutschlands, eine Analyse der Erwerbsbevölkerung sowie die Beteili-
gung Älterer an beruflicher Bildung dargestellt, um die gesellschaftlichen Veränderungspro-
zesse bewerten zu können. Da diese Arbeit die Gruppe der Älteren in den Fokus nimmt, ist es
weiterführend sinnvoll, dass spezifische Lernverhalten sowie die gesundheitlichen Verände-
rungen des Alters in den Blick zu nehmen. Die Kernfrage der Darstellungen betrifft die Frage
des Wandels der beruflichen Bildung Älterer. Dazu folgt in den nächsten Kapiteln eine Be-
trachtung geeigneter Methoden, um die Bildung älterer Mitarbeiter
8
unter den sich entwi-
ckelnden gesellschaftlichen Herausforderungen zu gestalten. Im Einzelnen werden Erfah-
rungs- und Wissenstransfer in der beruflichen Bildung, selbstgesteuerte Lernprozesse Älterer
und spezifische personalpolitische Entwicklungsprozesse in den Kapiteln drei, vier und fünf
behandelt. Flankiert geschieht das durch erfolgreiche Modellprojekte, die sich diesen Voraus-
setzungen verschrieben haben. Den Abschluss der Ausführungen bildet eine abschließende
Argumentation zur beruflichen Bildung im demografischen Wandel.
1.1
Abgrenzung verschiedener relevanter Begrifflichkeiten
Im Rahmen dieser Arbeit werden Begrifflichkeiten verwendet, die einer genauen Spezifizie-
rung und Abgrenzung bedürfen, um eventuelle Unklarheiten und Überschneidungen zu ver-
meiden. Hierzu sollen im Folgenden elementare Termini wie ,Alter', ,(berufliche-) Bildung'
und ,lebenslanges Lernen' definiert und voneinander abgegrenzt werden, da sie immer wieder
benutzt werden.
Die Gruppe der Älteren, die bereits im Titel der vorliegenden Arbeit angeführt wird, stellt
eine erste Schwierigkeit im Hinblick einer klaren Definition dar. So ist keineswegs klar be-
stimmt, ab wann ein Mensch als ,alt' bezeichnet wird. Die klare Differenzierung eines Le-
bensabschnittes Alter ist in diesem Sinn auch nicht möglich, da es sich um einen fortlaufen-
den Alterungsprozess handelt, der nicht schlagartig mit einem bestimmten kalendarischen
Lebensalter eintritt. Es muss von einem kontinuierlichen Prozess ausgegangen werden, der
sich über einen Großteil der individuellen Lebensspanne erstreckt und als ein stufenloser und
8
Ist in den folgenden Ausführungen immer nur die männliche Form bestimmter Begriffe aufgeführt und lässt
die weibliche außer Acht, geschieht das aus dem Grund der besserern Lesbarkeit und damit der besseren Ver-
ständlichkeit.

7
andauernder Verlauf verstanden werden muss.
9
,Alt sein' ist somit weniger ein biologischer
Tatbestand als vielmehr ein von den gesellschaftlichen Verhältnissen konstruiertes Einver-
nehmen, was auch schon aus umgangssprachlichen Redewendungen deutlich wird. Mit der
Volksweisheit ,Man ist so alt, wie man sich fühlt' ist dieser Umstand auf den Punkt ge-
bracht.
10
Oft wird deshalb das Erreichen des Renteneintrittsalters in der Gesellschaft als der
Zeitpunkt veranschlagt, ab dem eine Person als alt gilt. In der Gerontologie wird oft von dem
,dritten und vierten Lebensalter' gesprochen, um ein gewisses Ordnungsprinzip zu haben,
nachdem verschiedene Altersphasen klassifiziert werden können.
11
Das ,dritte Lebensalter'
beginnt in dieser Einteilung mit dem 60. Lebensjahr und umfasst damit das siebte und achte
Lebensjahrzehnt. Das ,vierte Lebensalter' ist mit der Zeit ab dem 75.-80. Lebensjahr erklärt.
12
Fokussiert man den Blick auf die Zielgruppe der Erwerbsbevölkerung, ist die Abgrenzung
abweichend von der Betrachtung in der Altersforschung zu setzen. Spricht man von älteren
Beschäftigten, so kann damit durchaus schon ein 40-45 Jahre alter Erwerbstätiger gemeint
sein. Im internationalen Vergleich lassen sich noch immer unterschiedliche Altersgrenzen
verorten nach denen eine Person zur Zielgruppe der älterer Beschäftigten gezählt wird. So
ziehen sowohl die ,Europäische Kommission', ,Die Organisation für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (OECD)' und das ,US Department of Labor' die Grenze bei
einem Alter von 55 Jahren.
13
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initi-
ierte ,Berichtssystem Weiterbildung' spricht bereits ab einem Alter von 50 Jahren von ,älte-
ren Beschäftigten'.
14
Eine klare Einteilung ist hier nicht erkennbar. Lediglich der Umstand,
dass sich die Beschäftigten in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens befinden, kann als Ge-
meinsamkeit festgestellt werden. Es gibt hier immer wieder Neuorientierungen und Verände-
rungen der Altersgrenzen. Die Bundesagentur für Arbeit sprach noch in den achtziger Jahren
ab einem Alter von 45 Jahren von ,Älterer', während neuerdings eher das 50. Lebensjahr in
den Fokus rückt, was mit der Initiative ,,Perspektive 50plus"
15
deutlich wird.
16
Wenn in den
9
Vgl. Kruse, Andreas (Hrsg.): Weiterbildung in der zweiten Lebenshälfte. Multidiziplinäre Antworten auf
Herausforderungen des demografischen Wandels, Bielefeld 2008, S.21.
10
Vgl. Neidhardt, Heike: Wenn Jüngere und Ältere Erwachsene gemeinsam lernen...Altersintegrative Erwach-
senenbildung, Bonn 2008, in: http://www.die-bonn.de/doks/neidhardt0801.pdf 30.07.2009, S.4.
11
Vgl. Kruse, Andreas: Was stimmt? Alter. Die wichtigsten Antworten, Freiburg im Breisgau 2007, S.7ff.
12
Vgl. Baltes, Paul B.: Alter und Altern als unvollendete Architektur der Humanontogenese, in: Zeitschrift für
Gerontologie und Geriatrie, H.6, Heidelberg 1999, S.433-448, hier S.433.
13
Vgl. Bohlinger, Sandra: Lebenslanges Lernen bei älteren Arbeitskräften: Zwischen dem Erhalt der Beschäfti-
gungsfähigkeit und der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirt-
schaftspädagogik, Wiesbaden 105/2009, S.94f.
14
Vgl. Kuwan, Helmut/Bilger, Frauke u.a.: Berichtssystem Weiterbildung IX. Integrieter Gesamtbericht zur
Weiterbildungssituation in Deutschland, Bonn 2006, S.90.
15
Für nähere Information siehe im Internetseite www.perspektive50plus.de.

8
weiterführenden Gedanken von ,Älterer' und ,Jüngeren' gesprochen wird, soll keine strikte
quantitative Abgrenzung im Sinne von genauen Altersangaben erfolgen. Es interessiert viel-
mehr die Relation zueinander, um die spezifischen Kennzeichen und Problemlagen verschie-
dener Generationen, Kohorten oder auch Menschen mit unterschiedlichem kalendarischem
Lebensalter herauszuarbeiten.
17
Folgt man der Analyse des Titels dieser Ausführungen weiter, fällt der nächste elementare
Begriff auf, der eine klare Abgrenzung erfordert. Der Begriff der ,beruflichen Bildung' lässt
im allgemeinen Verständnis viel Raum für Unklarheiten. Das Berufbildungsgesetz (BBiG)
definiert die Berufsbildung in § 1 ,Ziele und Begriffe der Berufsbildung' wie folgt: ,,Berufs-
bildung im Sinne dieses Gesetzes sind die Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbil-
dung, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung."
18
Die Fokussierung der
Thematik auf ältere Menschen lässt die berufliche Fortbildung und Umschulung in den Blick-
punkt treten. Soll eine detailliertere Betrachtung der beruflichen Bildung erfolgen, kann neben
der Umschulung die berufliche Fortbildung in die Anpassungs- und Aufstiegsweiterbildung
aufgeschlüsselt werden. Da auch zwischen betrieblicher und nicht-betrieblicher Bildung zu
unterscheiden ist, wurde in den Ausführungen auf diese Differenzierung geachtet.
19
Um den Blick auf das zu schärfen, was mit ,beruflicher Bildung' umrissen wird, hilft eine
erste Betrachtung auf die Grundkategorie ,Beruf'. Max Weber definierte den Beruf als Spezi-
alisierung, Spezifizierung und Kombination von Leistungen einer Person, die Grundlage
kontinuierlicher Versorgungs- und Erwerbschancen sind. Wesentlich dabei ist, dass kontinu-
ierliche Erwerbschancen bestehen und ein Mindestmaß an Schulung oder Ausbildung als
Voraussetzung gilt.
20
Berufliche Bildung kann in diesem Sinne als die Vermittlung oder
Aneignung von Fähigkeiten, Kenntnissen, Wissen und Kompetenzen verstanden werden, die
auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ausgerichtet sind
21
und ­ vermittelt oder ange-
eignet ­ auf Lernprozesse, die durch formales, non-formales oder informelles Lernen auf eine
16
Vgl. Geldermann, Brigitte: Fachkräftelücke ­ Migration ­ Rente mit 67: Welche Bildungsdienstleistungen
sind künftig gefragt? in: Streich, Derky/Wahl, Dorothee(Hrsg.): Moderne Dienstleistungen - Impulse für In-
novation, Wachstum und Beschäftigung, Frankfurt 2006, S. 419-425, hier S. 420.
17
Vgl. Neidhardt, Heike: Wenn Jüngere und Ältere Erwachsene gemeinsam lernen...Altersintegrative Erwach-
senenbildung, Bonn 2008, in: http://www.die-bonn.de/doks/neidhardt0801.pdf 30.07.2009, S.6.
18
Richardi, Reinhard: Arbeitsgesetze, München 2005, S.494.
19
Vgl. Bank, Volker/Nenniger, Peter: Was ist Weiterbildung? Zur Problematik der definitorischen Abgrenzung
von Weiterbildung und ihrer begrifflichen Segmentation, in: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft und Pädagogik,
Köln 10/1995, S.81-105, hier S.102f.
20
Weber, Max zitiert nach: Mikl-Horke, Gertraude: Industrie und Arbeitssoziologie, München 2000, S. 266f.
21
Vgl. Walden, Günter: Berufsausbildung und berufliche Weiterbildung, in: Kaiser, Franz-Josef/Pätzold,
Günter (Hrsg.): Wörterbuch der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Bad Heilbrunn 2006, S.97-99, hier S.97.

9
berufliche Tätigkeit abzielen. Des Weiteren beinhaltet der Begriff einen komplexen individu-
ellen oder gesellschaftlichen Entwicklungsprozess, der emanzipatorische und identitätsstif-
tende Zwecke verfolgt.
Ist in der vorliegenden Arbeit von beruflicher Bildung die Rede, ist diese von der Erwachse-
nenbildung abzugrenzen, die sich beispielsweise auf die politische und die allgemeine (Wei-
ter-) Bildung bezieht und damit nicht auf eine berufliche Verwertbarkeit abhebt.
22
Dabei muss beachtet werden, dass eine klare Grenzziehung zum ­ in aller Munde befindli-
chen ­ Terminus des lebenslangen Lernens besteht. Das Lernen erweitert sich auf die gesamte
Lebensspanne und ist nicht ausschließlich auf eine berufliche Verwertbarkeit ausgerichtet.
,Lebenslanges Lernen' umfasst damit sowohl allgemeine und berufliche Lernprozesse, die
den Menschen als ein dauerhaft ,unfertiges' Wesen und damit als permanent defizitär
23
er-
scheinen lassen. Verbunden ist hiermit eine Verschiebung der Verantwortung der Lernprozes-
se von gesellschaftlicher auf individuelle Ebene. Lebenslanges Lernen entwickelt in gleichem
Maße die Persönlichkeit, stellt die gesellschaftliche Teilhabe sicher und bewahrt die Beschäf-
tigungsfähigkeit jedes Einzelnen.
24
Die bereits genannten Lernformen, die allgemeine Kategorien menschlicher Lernprozesse
darstellen, bedürfen ebenfalls einer klaren Verortung und Abgrenzung zueinander. Die Fähig-
keit des Menschen, im Gegensatz zum Tier, grundsätzlich offen und somit sozial und kulturell
beeinflussbar zu sein
25
, macht es ihm möglich, Prozesse, die den Erwerb oder die Verände-
rung von Wissen oder Fertigkeiten mit dem Ziel der Kompetenzsteigerung haben, zu vollzie-
hen.
26
In welchem Kontext dies geschieht und die in Verbindung mit der vorliegenden The-
matik wichtig sind, beschreiben die Begrifflichkeiten: formales Lernen, non-formales Lernen
und informelles Lernen. Das formale Lernen findet in meist abstrakter und institutionalisierter
Form statt, das kann durch Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen geschehen. Nach Ab-
schluss des Lernprozesses führt das formale Lernen zu anerkannten Qualifikationen und
22
Vgl. Bank, Volker/Nenniger, Peter: Was ist Weiterbildung? Zur Problematik der definitorischen Abgrenzung
von Weiterbildung und ihrer begrifflichen Segmentation, in: Kölner Zeitschrift für Wirtschaft und Pädagogik,
Köln 10/1995, S.81-105, hier S.102f.
23
Vgl. Geißler, Karlheiz A./Orthey, Frank Michael: Der große Zwang zur kleinen Freiheit. Berufliche Bildung
im Modernisierungsprozeß, Stuttgart 1998, S.41.
24
Vgl. Bohlinger, Sandra: Lebenslanges Lernen bei älteren Arbeitskräften: Zwischen dem Erhalt der Beschäfti-
gungsfähigkeit und der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, in: Zeitschrift für Berufs- und Wirt-
schaftspädagogik, Wiesbaden 105/2009, S.97-99.
25
Vgl. Kron, Friedrich W.: Grundwissen Didaktik, München 2004, S.71.
26
Vgl. Dress, Gerhard: Lernen, in: Kaiser, Franz-Josef/Pätzold, Günter (Hrsg.): Wörterbuch der Berufs- und
Wirtschaftspädagogik, Bad Heilbrunn 2006, S.344-346, hier S.344.

10
Abschlüssen. So ist zum Beispiel eine betriebliche Weiterbildungsmaßnahme, um den Um-
gang mit einer neuen Maschine zu lernen, eine Form des formalen Lernens.
27
Das non-formale Lernen findet nicht in den eigentlichen Bildungs- und Ausbildungseinrich-
tungen der allgemeinen und beruflichen Bildung statt, wie dies beim formalen Lernen der Fall
ist. Es ist aber dennoch zielgerichtet und problemorientiert und erfolgt im Arbeitsprozess oder
in einem anderen sozialen Umfeld, wobei es nicht gezwungener Maßen zu zertifizierten Ab-
schlüssen oder Qualifikationen führt. Die Aneignung einer handwerklichen Fähigkeit durch
Vormachen, Nachmachen, Üben und Kontrollieren kann als eine praktische Anwendung des
non-formalen Lernens angesehen werden.
28
Das informelle Lernen schließlich findet weitgehend unreflektiert statt und muss keine direkte
Intention beinhalten. Es ist eine natürliche Begleiterscheinung des Alltags und wird womög-
lich nicht als eine Vertiefung oder Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten oder Kenntnis-
se wahrgenommen. So ist beispielsweise die Erkenntnis im Supermarkt, dass man einen
Einkaufskorb nicht mit einer zwanzig Centmünze von seinem Platz bekommt, informelles
Lernen.
29
1.2
Gesellschaftliche Trends und ältere Erwerbsbevölkerung
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Prozessen und dem Er-
werbssystem. Gerade unsere Zeit ist geprägt von tief greifenden gesellschaftlichen, sozialen
und wirtschaftlichen Veränderungen, die für die Erwerbsbevölkerung und vor allem für die
Gruppe der älteren Erwerbstätigen eine gewichtige Rolle spielen. Sei es der demografische
Wandel, der negativ besetzt mit dem Wort ,Überalterung' umschrieben wird, die Internationa-
lisierung der Wirtschaft, das Wachsen des Dienstleistungssektors, die systemische Rationali-
sierung mit der damit verbundenen Abflachung hierarchischer Strukturen in immer globaler
agierenden Unternehmen oder die Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft.
All diese ,,Megatrends"
30
sind auf Grund der weltweiten Verflechtung schwer zu durchdrin-
gen und ebenso schwer zu beschreiben bzw. deren Folgen abzuschätzen. Trotz alle dem sind
vordergründig gesellschaftliche Tendenzen erkennbar, die die berufliche Arbeit und damit
27
Vgl. Büchel, Felix/Pannenberg, Markus: Berufliche Weiterbildung in West- und Ostdeutschland. Teilnehmer,
Struktur und individueller Ertrag, in: Zeitschrift für ArbeitsmarktForschung, Jg. 37 H. 2, Nürnberg 2004,
S.73-126, hier S.76f.
28
Vgl. Abicht, Lothar: Noch lange nicht Methusalem! Warum es sich lohnt, ständig zu lernen, Bielefeld 2007,
S.152.
29
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Memorandum über Lebenslanges Lernen, Brüssel
2000, in: http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc/policy/memo_de.pdf 6.6.2009 , S.9f.
30
Pätzold, Günter/Wahle, Manfred: Beruf und Arbeit als konstituierende Elemente menschlicher Existenz, in:
Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Wiesbaden 96/2000, S.524-539, hier S.530.

11
auch die berufliche Bildung bedingen und in ihren Grundfesten herausfordern.
31
Verschärft
stellt sich die Situation für Menschen dar, die bereits aus einem vorherrschenden Karriere-
muster herausfallen und insbesondere durch ihr Alter ein Merkmal innehaben, das es ihnen
zusätzlich erschwert, mit diesen Entwicklungslinien Schritt zu halten.
Auch der Nationalstaat sieht sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend derartigen Herausfor-
derungen ausgesetzt. Nicht zuletzt die weltweite Verflechtung der Kapital- und Geldmärkte
erhöht den Druck auf den Staat, sich an veränderte weltwirtschaftliche Bedingungen anzupas-
sen. Im Zuge der Industrialisierung von Schwellenländern und dem damit verbundenen Kon-
kurrenzdruck, nicht nur von den etablierten Volkswirtschaften, erfordert einen ständigen
Rationalisierungsprozess, um mit der Weltwirtschaft Schritt halten zu können. Gerade dieser
Umstand, dass auf der einen Seite eine maximale Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen auf
dem Weltmarkt erhalten bleiben muss und diese auf der anderen Seite durch die Lohnneben-
kosten, die ja die Grundlage wohlfahrtsstaatlicher Politik bilden, belastet werden, macht es
enorm schwierig, die gegenwärtige Sozialpolitik aufrecht zu erhalten. Der Nationalstaat ver-
liert durch die sich verstärkende Integration in größere politische Einheiten die Kontrolle über
die Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung. Nicht nur die Europäische Union bildet
solch eine supranationale politische Einheit, auch in anderen Teilen der Welt sind vor allem
auf dem Wirtschaftssektor derartige Verflechtungen zu beobachten.
32
Individualisierung und Entkollektivierung umschreiben die derzeitige Situation der ,Erwerbs-
arbeitsgesellschaft', die den Zuwachs der Unsicherheit vorantreibt. Die homogenen Berufs-
gruppen, die sich in der Vergangenheit herausbildeten und durch ihre kollektive Organisation
in Gewerkschaften und Berufsverbänden ein Gegengewicht zu den Arbeitgebern darstellten,
beginnen zu zerfallen.
33
Die ehemalige Solidarität innerhalb bestimmter Berufsgruppen zeigt
mehr und mehr eine Konkurrenzsituation unter Gleichen. Es reicht heute nicht mehr, Einer
unter Vielen zu sein, es muss vielmehr ständig darauf geachtet werden, dass die eigene Indi-
vidualität in Qualifikation, Wissen, sozialen Kompetenzen und Flexibilität hervorgehoben
wird, damit man sich von der Masse abhebt und seine Lebens- und Arbeitsbedingung sichert.
Gegenwärtig werden neue Anforderungen an die Arbeitenden gestellt. Die Flexibilisierung
der Arbeit bedeutet dabei eine ständige Fluktuation der Arbeitnehmer innerhalb der Unter-
nehmen, die Unterbrechung des Erwerbslebens durch Arbeitslosigkeit und Umschulung, das
31
Vgl. Pätzold, Günter/Wahle, Manfred: Beruf und Arbeit als konstituierende Elemente menschlicher Existenz,
in: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Wiesbaden 96/2000, S.524-539, hier S.530.
32
Vgl. Kaufmann, Frank- Xaver: Herausforderungen des Sozialstaates, Frankfurt am Main 1997, S.56f.
33
Vgl. Lerch, Sebastian: Beschäftigungsfähigkeit ist heute, Beruflichkeit war gestern?, in: Zeitschrift für
Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Wiesbaden 104/2008, S. 611-615, hier S.611.

12
Anwachsen von atypischen Beschäftigungsformen und eine steigende Anzahl selbstständig
Beschäftigter. Die Zahl der Arbeitnehmer, die über einen gesicherten Arbeitsplatz verfügen,
der auch über eine gewisse Zeit Bestand hat, ist schon lange Zeit keine Realität mehr
34
. Die
Arbeitnehmer müssen sich heute in einem fortwährenden Qualifikationsprozess befinden, um
die steigenden Anforderungen, die die Wirtschaft an die Ware Arbeitskraft stellt, zu erfüllen.
Hier ist vor allem zu beobachten, dass nicht das Fachwissen und Fähigkeiten in spezifischen
beruflichen Aufgabenbereichen über die Maßen gefordert sind, sondern allgemeine Schlüs-
selqualifikationen und extrafunktionale Handlungskompetenzen.
35
Die Tendenzen der Indivi-
dualisierung innerhalb der Gruppen der Arbeitnehmer treibt die Entkollektivierung unmittel-
bar voran, da keine geschlossenen homogenen Arbeitnehmergruppen vorhanden sind, die
gemeinsame Ziele verfolgen. Aber gerade die kollektive Verbundenheit machte es in der
Vergangenheit möglich, dass selbst die Arbeiter, die nicht auf ein umfangreiches Privateigen-
tum zurückgreifen können, eine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber ausbeuterischen Formen
der Arbeitswelt hatten. Zerfallen die kollektiven Regelungssysteme, zerfallen auch zwangs-
läufig die Möglichkeiten großer Bevölkerungsteile, ihre Interessen gegenüber der Übermacht
der Wirtschaft durchzudrücken. Daraus ergibt sich schlussendlich eine wachsende Unsicher-
heit, da die Sicherungssysteme durch die fortschreitende Entkollektivierung und Individuali-
sierung nicht mehr ausreichend Schutz bieten.
36
Allerdings schaffen die angesprochenen Veränderungen der Arbeitsaufgaben und Berufswege
nicht für jeden nur Gefahren, diese Herausforderungen können sowohl Chancen als auch
Risiken begründen. Manch einer kann die individualistischen Anforderungen der Gegenwart
für sich nutzen, er kann seine Chancen ausbauen und sich weiterentwickeln, da er vielleicht
von seinem Wesen her mit der neuen Situation bestens zurecht kommt und genau diesen
Druck braucht, um neue Wege zu gehen, kreative Ideen zu verwirklichen und unternehmeri-
sche Fähigkeiten in die Tat umzusetzen. Es sollte aber trotzdem klar sein, dass ein großer Teil
der Menschen mit derartigen Ansprüchen überfordert ist und an den neuen Lebensaufgaben
zu scheitern droht.
34
Vgl. Bosch, Gerhard: Employability, lebenslanges Lernen und die Rolle des Staates, in: Gewerkschaftliche
Monatshefte; Wiesbaden 12/2002, S.688-697, hier S.690.
35
Vgl. Mikl- Horke, Gertraude: Industrie- und Arbeitssoziologie, Oldenburg 2000, S.430ff.
36
Vgl. Castel, Robert: Die Stärkung des Sozialen. Leben im neuen Wohlfahrtsstaat, Hamburg 2005, S 63ff.

13
60000
65000
70000
75000
80000
85000
2010
2020
2030
2040
2050
Jahr
B
evö
lk
er
u
n
g
i
n
100
0
Untergrenze
Obergrenze
1.2.1
Demografische Bestandsaufnahme
Nach Schätzungen wird die Bevölkerung Deutschlands von heute 82 Millionen Menschen auf
69 bis 74 Millionen Menschen im Jahre 2050 schrumpfen
37
, wenn man davon ausgehen kann,
dass sowohl die Fertilitätsrate bei ca. 1,4 Kindern
38
pro Frau sowie das jährliche Wanderungs-
saldo in etwa konstant bleibt (siehe Abbildung 1). Kombiniert mit einer immer geringer wer-
denden Sterblichkeitsrate entfaltet die demografische Entwicklung ihre volle Wirkung. Die
Lebenserwartung für neugeborene Mädchen und Jungen nach der Sterbetafel 2004/2006 liegt
bei 82 Jahren bzw. knapp 77 Jahren.
39
Die demografische Entwicklung hängt somit im
Wesentlichen von den drei Größen Fertilität,
Mortalität und Migration ab. Das bedeutet, dass
die deutsche Gesellschaft schrumpft und immer
älter wird, sie liegt damit in einem europäischen
Trend.
Die Lebenserwartung steigt zunehmend, noch
1890 betrug sie in Deutschland 40 Jahre. Heute,
ein gutes Jahrhundert später, hat sich diese Zahl
verdoppelt. In Europa verlängert sich die
durchschnittliche Lebenserwartung gegenwärtig
von Geburtsjahrgang zu Geburtsjahrgang um
zwei bis drei Monate.
40
Das lässt sich unter anderem durch die verbesserten Lebensumstände
und die gestiegene soziale und medizinische Versorgung begründen.
Allerdings nimmt Deutschland weltweit einen traurigen Spitzenplatz bei der Betrachtung der
Geburtenrate ein
41
und ist international das einzige Land, in dem bereits seit 30 Jahren eine so
geringe Geburtenrate zu beobachten ist.
42
Um die Bevölkerung auf dem heutigen Niveau zu
37
Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2008. Für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden
2008, S.56.
38
Nachdem die Geburtenrate in den neuen Bundesländern in Folge der Wiedervereinigung rapide gesunken
war und nur noch ca. 0,8 Kinder je Frau geboren worden, erreichten die Geburtenziffern in den neuen Län-
dern und im alten Bundesgebiet wieder eine gemeinsame Zahl von 1,4 Kindern je Frau. Vgl. Pötzsch, Olga:
Geburten in Deutschland, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007, S.17.
39
Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2008. Für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden
2008, S.53.
40
Vgl. Kaufmann, Franz- Xaver: Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen,
Frankfurt am Main 2005, S.13.
41
Vgl. ders.: ebd. S.9.
42
Vgl. Pötzsch, Olga: Geburten in Deutschland, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2007, S.22.
Abbildung 1: Unter- und Obergrenze der
11.koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung;
Entwicklung der Bevölkerung 2010 bis 2050;
Quelle: Vgl. FN 39, S.56; eigene Darstellung.

14
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
2010
2020
2030
2040
2050
Jahr
A
n
tei
l an
d
er
Gesam
tb
evö
lke
rung
50 und mehr Jahre
20-50 Jahre
0-20 Jahre
halten, müsste die Geburtenrate von 1,4 auf 2,1 Kinder je Frau steigen, damit eine einfache
Reproduktion ermöglicht wird.
Das jährliche Wanderungssaldo betrug noch im Jahr 2001 272.723 Menschen zu Gunsten der
Zuwanderung und ist in den letzten Jahren kontinuierlich abgesunken. Den Tiefststand er-
reichte die Summe aus Fort- und Zuzügen im Jahr 2006 mit gerade einmal 22.791 Zuzügen.
43
Das zeigt, wie problematisch die Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung Deutsch-
lands und damit aller Prognosen ist, da die hohe Veränderlichkeit der zugrunde liegenden
Variablen in derartigen Schätzungen nur schwer abzusehen ist. Die meisten Berechnungen
gehen von einer jährlichen Zuwanderung von einhundert- bis zweihunderttausend Menschen
aus. Wird diese Marke längerfristig unterschritten, kann von einer nochmaligen Verschärfung
der demografischen Entwicklung ausgegangen werden. Damit kommt eine Eigenart demogra-
fischer Prozesse zum Tragen, denn die Entwicklung vollzieht sich nur sehr langsam und
wenig auffallend, entfaltet aber ihre volle Wirkung später umso heftiger.
Im Rahmen dieser Arbeit nimmt die demografische Entwicklung insofern eine zentrale Posi-
tion ein, da mit ihr der Anteil der älteren Bevöl-
kerung steigt, bei gleichzeitiger Abnahme der
jüngeren Kohorten. Es wird angenommen, dass
sich der Anteil der über 65-jährigen von heute
etwa 19 % auf ungefähr 33 % im Jahre 2050
steigern wird. Die unter 20-jährigen werden
dagegen im gleichen Zeitraum von 20 % auf 15
% abnehmen. Der älteren Bevölkerung kommt
somit eine immer größer werdende Bedeutung
zu. Das Verhältnis zwischen Erwerbs-
bevölkerung und Menschen im Rentenalter
verschiebt sich dramatisch in Richtung derer,
die nicht mehr im Arbeitsleben stehen. Die
Entwicklung der relativen Anteile der Altersgruppen der Bevölkerung im Zeitraum von 2010
bis 2050 wird in Abbildung 2 deutlich. Bereits 2030 ist damit zu rechnen, dass die Hälfte der
Gesamtbevölkerung Deutschlands 50 Jahre und älter sein wird.
44
43
Vgl. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2008. Für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden
2008, S.57.
44
Vgl. Eisenmenger, Matthias/Pötzsch, Olga/Sommer, Bettina: 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberech-
nung. Annahmen und Ergebnisse, Wiesbaden 2006, S.47-49.
Abbildung 2: Entwicklung der Bevölkerung
Deutschlands 2010-2050 nach Altersgruppen (Un-
tergrenze der mittleren Bevölkerung ­ Variante 1-
W1); Quelle: Vgl. FN 44, S.47-49; eigene Darstel-
lung.

15
1.2.2
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials
Einhergehend mit einer weiter steigenden Lebenserwartung und Lebensarbeitszeit werden
ältere Menschen zunehmend in den Fokus arbeitsmarktpolitischer und personalentwickleri-
scher Maßnahmen rücken, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen sicherzustel-
len. Man geht davon aus, dass sich das Durchschnittsalter in Unternehmen bis 2030 auf 50
Jahre steigern wird.
45
Hierbei werden aber höher Qualifizierte in viel stärkerem Maße betrof-
fen sein als dies auf gering Qualifizierte zutrifft. Die demografischen Prozesse der nächsten
Jahrzehnte werden wie nie zu vor auf den Arbeitsmarkt einwirken und seine Entwicklung
determinieren.
46
Die Zahl der im erwerbsfähigen Alter befindlichen Personen ist ähnlich wie
die gesamte Bevölkerung bis zum Jahr 2050 rückläufig. Geht man davon aus, dass jährlich
einhundert- bis zweihunderttausend Menschen durch Migrationsprozesse zusätzlich auf den
Arbeitsmarkt gelangen, sinkt die Zahl der Erwerbspersonen von derzeit ca. 42 Millionen
Menschen auf 34-37 Millionen ab. Bis zum Jahr 2020 ist noch einmal mit einer geringfügigen
Zunahme der Erwerbspersonen um ungefähr zwei Millionen Menschen zu rechnen, bedingt
durch die anzunehmenden höheren Beschäftigungszahlen vor allem von älteren Arbeitneh-
mern und Frauen.
47
Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass sich unsere vorherr-
schenden Arbeitsmarktprobleme durch die demografische Entwicklung kurzfristig von selbst
lösen werden, bleibt doch die Zahl der Erwerbspersonen zumindest bis 2020 in seiner Ge-
samtheit annähernd gleich oder nimmt leicht zu. Nicht zu leugnen ist jedoch, der bereits in
manchen Berufen vorherrschende Mangel an qualifizierten Fachkräften.
48
Die Dramatik der demografischen Entwicklung wird teilweise sehr überspitzt formuliert. So
kann man in der allgemeinen, aber auch in der wissenschaftlichen Diskussion den Eindruck
bekommen, dass die Schrumpfung der Bevölkerung derart dramatisch ist, dass uns ein regel-
rechter Arbeitskräftemangel bevorsteht, der die Probleme von Massenarbeitslosigkeit in weite
Ferne rücken lässt, sich quasi von selbst löst. So heißt es beispielsweise in der Broschüre
,,Ältere Mitarbeiter im Betrieb ­ ein Leitfaden für Unternehmer"
49
der Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände, dass bis 2015 mit einer Zahl von 7 Millionen fehlenden
45
Vgl. Eilers, Silke/Rump, Jutta: Employability Management ­ lebenslange Beschäftigungsfähigkeit als Ant-
wort auf den demografischen Wandel, in: Loebe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg.): Demografischer Wandel
und Weiterbildung. Strategien einer alterssensiblen Personalpolitik, Bielefeld 2007, S.39-58, hier S.48.
46
Vgl. ders.: ebd. S.39f.
47
Vgl. Weber, Alexander u.a.: Weniger Arbeitskräfte, in: iwd ­ Informationsdienst des Instituts der deutschen
Wirtschaft Köln, Jg. 35 Nr. 5, Köln 2009, S.1, hier S.1.
48
Vgl. Abicht, Lothar: Noch lange nicht Methusalem! Warum es sich lohnt, ständig zu lernen, Bielefeld 2007,
S.27.
49
Vgl. Hörder, Alexandra/Rother, Frederike u.a.: Ältere Mitarbeiter im Betrieb. Ein Leitfaden für Unterneh-
mer, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Berlin 2003, S.9f.

16
Erwerbstätigen zu rechnen sei. Wie oben aber bereits erwähnt, ist in diesem Zeitraum mit
einem Anstieg des Erwerbpersonenpotenzials zu rechnen. Verständlich werden diese ,Über-
treibungen', wenn man sich vor Augen führt, was ein Rückgang des Arbeitskräfteangebots für
Unternehmen bedeutet. Es ist sicherlich von großem Interesse für die Arbeitgeberseite sich
weiterhin aus einem großen Angebot aus Arbeitskräften bedienen zu können, bedeutet dies
doch beste Mitarbeiter bei möglichst geringer Bezahlung. Folgt man den Annahmen von
Angebot und Nachfrage.
50
Ein Sinken des Erwerbspersonenpotenzials ist auch insofern un-
günstig für die Wirtschaft, da mit sinkender Zahl auch die potenziellen Konsumenten und
Verbraucher von produzierten Waren abnehmen. Aus diesem Blickwinkel wird es verständ-
lich, warum gerade die Arbeitgeberseite eine ,tragische' Entwicklung voraussieht, höchst
wahrscheinlich, um eventuelle politische Maßnahmen zu beschleunigen.
51
1.2.3
Bildungsbeteiligung Älterer
Die Bildung, insbesondere die Aus- und Weiterbildung, wird in der allgemeinen und wissen-
schaftlichen Diskussion immer wieder als wesentliches Mittel der individuellen Verwirkli-
chung und Lebensführung, der Teilhabe an beruflichen, politischen und kulturellen Leben, der
aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft im Allgemeinen und der Existenzsicherung angeführt.
Das in den letzten Jahrzehnten dabei auch speziell die Gruppe der Älteren zunehmend in das
Blickfeld des wissenschaftlichen Interesses rückt, ist ein Umstand der fortschreitenden Ein-
sicht in die einschneidenden Herausforderungen, der sich die Gesellschaft ausgesetzt sieht.
52
Dazu ist es nötig, die Beteiligung der Älteren an Weiterbildung zu betrachten und zu analysie-
ren, um den genannten Herausforderungen, denen vor allem Ältere ausgesetzt sind, zu begeg-
nen.
Die Teilhabe an Lernaktivitäten sinkt mit zunehmendem Alter. In Zahlen ausgedrückt bedeu-
tet dies, dass Menschen zwischen 45 und 54 Jahren zu 66% und Personen in der Altersgruppe
der 55-64-Jährigen zu 54% an Lernaktivitäten teilnehmen. Im Vergleich dazu liegt die Wei-
terbildungsbeteiligung der Altersgruppe der 35-44-Jährigen bei 72%. Betrachtet man nun die
50
Vgl. Bellmann, Lutz/Hilpert, Markus u.a.: Herausforderungen des demografischen Wandels für den Arbeits-
markt und die Betriebe, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 36 H.2, Nürnberg
2003, S.133-149, hier S.133f.
51
Kistler, Ernst: Demographie und Arbeitsmarkt ­ Anforderungen an die Weiterbildung, in: Loebe, Her-
bert/Severing, Eckart (Hrsg.): Weiterbildung auf dem Prüfstand. Mehr Innovation und Integration durch neue
Wege der Qualifizierung, Bielefeld 2006, S.115-128, hier S.115-118.
52
Vgl. Kolland, Franz: Soziale Determinanten der Weiterbildungsbeteiligung Älterer in Österreich, in: Kruse,
Andreas (Hrsg.): Weiterbildung in der zweiten Lebenshälfte. Multidisziplinäre Antworten auf Herausforde-
rungen des demografischen Wandels, Bielefeld 2008, S.161-190, hier S.161.

17
Gruppe der 65-80-Jährigen wird nochmals ein Abfall der Beteiligung auf 42% sichtbar.
53
Methodisch ist hierbei anzumerken, dass die genannten Zahlen die Beteiligung aller Personen
beinhalten, die als ,lernaktiv' bezeichnet werden können. Erfasst wurden in diesem Sinne alle,
die sich sowohl an regulären Bildungsgängen, an Weiterbildungsveranstaltungen oder im
Sinne des ,Selbstlernens' in Form von informellen Aktivitäten aus beruflichem oder allge-
meinem Interesse beteiligt haben.
54
Folgt man diesen Daten, wird deutlich, dass ein generell
gravierendes Nachlassen in dem viel beschriebenen Rückgang der Weiterbildungsbeteiligung
im Lebenslauf nicht erkennbar ist. Die Abnahme der prozentualen Anteile kann vielmehr
durch die sinkende Erwerbsbeteiligung Älterer erklärt werden. Mit dieser Tatsache wird auch
eine Problematik berührt, die viele Erhebungen und Studien zu Lern- und Weiterbildungsbe-
teiligung betreffen. Allzu oft wird Älteren ,vorgeworfen' sich nur noch wenig an Bildung zu
beteiligen. Hierzu werden Zahlen herangezogen, die dies belegen sollen. So auch im Berichts-
system Weiterbildung, dass zu dem Schluss kommt, dass 2003 lediglich 31% der Menschen
zwischen 50 und 64 Jahren an Weiterbildung teilgenommen haben, dem gegenüber aber 46%
der 35-49-Jährigen. Auch im Falle der beruflichen Bildung kommt die Studie zu einer fast
doppelt so hohen Beteiligung in der jüngeren Gruppe (31% gegenüber 17%).
55
Problematisch
sind diese statistischen Daten, da hier keine Unterscheidung zwischen Erwerbstätigen und
Nichterwerbstätigen gemacht wird. Diese Effekte müssen aber im Wesentlichen auf diese
Tatsache zurückgeführt werden, denn es ist hinlänglich bekannt, dass die Zahl der Erwerbstä-
tigen mit dem Alter abnimmt.
56
Betrachtet man speziell die berufliche Weiterbildung in Form von formalisierter Weiterbil-
dung zwischen den Altersgruppen Erwerbstätiger, zeigen sich auch hier die Unterschiede
wenig dramatisch. Mit einem Rückgang um sieben Prozentpunkte bei den 35-44-Jährigen
(32%) zu den 45-64-Jährigen (22%) stellt sich die Situation als normale Anpassung an die
53
Vgl. Rosenbladt, Bernhard von/Bilger, Frauke: Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland. Eckdaten zum
BSW-AES 2007, München 2008, in: http://www.bmbf.de/pub/weiterbildungsbeteiligung_in_deutschland.pdf
16.5.2009, S.54f.
54
Die genannten Daten und die Methodik beruhen auf dem Projekt ,Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland
- Eckdaten zum BSW-AES 2007', dass vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag ge-
geben wurde. Dieses Projekt ergänzt, das seit 1979 bestehende, ,Berichtssystem Weiterbildung' um eine eu-
ropäische Variante eines Berichtssystems mit dem Namen ,Adult Education Survey (AES)'. Im Rahmen die-
ser Erhebung sollen europaweit Daten in den Mitgliedsländern der Europäischen Union entstehen, die das
Weiterbildungsverhalten international vergleichbar machen.
55
Vgl. Kuwan, Helmut/Bilger, Frauke u.a.: Berichtssystem Weiterbildung IX. Integrieter Gesamtbericht zur
Weiterbildungssituation in Deutschland, Bonn 2006, S.90.
56
Vgl. Iller, Carola: Berufliche Weiterbildung im Lebenslauf ­ bildungswissenschaftliche Perspektiven auf
Weiterbildungs- und Erwerbsbeteiligung Älterer, in: Kruse, Andreas (Hrsg.): Weiterbildung in der zweiten
Lebenshälfte. Multidisziplinäre Antworten auf Herausforderungen des demografischen Wandels, Bielefeld
2008, S.67-91, hier S.68f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836644891
DOI
10.3239/9783836644891
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Chemnitz – Philosophische Fakultät, Berufs- und Wirtschaftspädagogik
Erscheinungsdatum
2010 (April)
Note
2,0
Schlagworte
alter pädagogik demografie lernen bildung
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Titel: Zum anstehenden Wandel der beruflichen Bildung Älterer
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