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Flimmerndes Labyrinth - Das Fernsehen in Europa

Regulierungspolitik, Fördermaßnahmen und die Frage nach den heutigen Chancen eines paneuropäisch konzipierten Fernsehkanals

©2009 Masterarbeit 145 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Einheit Europas war ein Traum weniger.
Sie wurde eine Hoffnung für viele.
Heute ist sie eine Notwendigkeit für alle.
Konrad Adenauer
zitiert in: Weidenfeld, W. (2007, 13)
Es scheint, als stünde es nicht gut um Europa.
Insbesondere scheint es, als stünde es nicht gut um die Institution EU. Die Wahlen zum Europaparlament sind in den Köpfen der Menschen als diejenigen Wahlen verhaftet, denen man traditionell die geringste Aufmerksamkeit schenkt. Ja, sie werden mitunter sogar als Wahlen zweiter Klasse bezeichnet. Dementsprechend schien es kaum möglich, die immer schon niedrige Wahlbeteiligung noch einmal zu unterbieten. Doch genau das ist geschehen: im Jahr 2009 machte nicht einmal mehr jeder zweite EU-Bürger von seinem Recht gebrauch, für die Abstimmung über die zukünftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments an die Urne gehen zu können.
Bedeutet nun eine Wahlbeteiligung von nur 43 %, dass die Menschen in der EU, ja vielleicht in ganz Europa, nichts von ihren Nachbarn wissen wollen? Dass sie die Europäische Union tatsächlich nur noch als lästige Notwendigkeit betrachten? Dass sie das Leben, die Kultur, ja schlicht der Alltag der anderen Europäer nicht im Geringsten interessiert? Umfragen zufolge ist genau das Gegenteil der Fall, was bedeutet, dass es zwar kein Desinteresse an Europa, wohl aber an seinen Institutionen geben muss.
Gerade ‘die EU’ hat bei ihren Bürgern einen denkbar schlechten Ruf. Zu kompliziert sind die Entscheidungsprozesse, zu wenig nachvollziehbar so manche Vorschrift. Warum der Krümmungsgrad einer Gurke im exakt definierten Rahmen liegen muss, damit sie innerhalb der Europäischen Union im Laden verkauft werden darf, wollte so manchem einfach nicht einleuchten. Doch obwohl die legendäre ‘Gurkenrichtlinie’ 2008 nach zwei Jahrzehnten abgeschafft wurde, bleibt die EU in den Köpfen der Bürger ein bürokratisches Monster, das zu ergründen schier unmöglich scheint. Vielleicht, so spekuliert Weidenfeld, ‘fehlt uns einfach der überzeugende Zugang zur Erklärung von Europa, weil wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. (…) Wir tun uns schwer, Vertrauen zu solch einem System zu entwickeln, weil uns eine Beurteilungsgrundlage fehlt’.
Das Fernsehen könnte vielleicht dabei helfen, durch entsprechende nachhaltige Berichterstattung eine solche Beurteilungsgrundlage zu schaffen und den Bürgern eine Orientierung in diesem Wald voller Bäume zu geben. Dazu bräuchte es einen Fernsehsender, der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Eva Ingold
Flimmerndes Labyrinth - Das Fernsehen in Europa
Regulierungspolitik, Fördermaßnahmen und die Frage nach den heutigen Chancen eines
paneuropäisch konzipierten Fernsehkanals
ISBN: 978-3-8366-4163-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Abbildungsverzeichnis
In den Fließtext sind lediglich ausgewählte Diagramme eingefügt.
Eine vollständige Übersicht über alle Diagramme und Tabellen befindet sich im Anhang.
Nr.
Titel
Seite
D1-1
Fremdsprachenkenntnisse Englisch, allgemein
73
D2-2
Bereitschaft, TV auf Englisch anzusehen,
nach Nationalität
75
D2-3
Bereitschaft, TV auf Englisch anzusehen,
nach Alter
75
D3-1
Präferierte Methode der Übersetzung bei fremdsprachigen Sendungen,
allgemein
76
D4-1
Wissen über die und Interesse an den Ländern Europas,
allgemein
77
D4-5
Interesse an den Ländern Europas,
nach Bildungsstand
78
D4-11 Beurteilung des Zusammenwachsen Europas und Beurteilung der Arbeit der
europäischen Institutionen
78
D4-13 Interesse an Förderprogrammen, die die EU für ihre Bürger anbietet,
nach Alter
79
D5-1
Welche europäischen TV-Sender die Zuschauer kennen/empfangen/regelmäßig
sehen, allgemein
80
D5-6
Hauptgrund für die TV-Nutzung,
nach Alter
82
D5-7
Sendungsarten, die die Zuschauer gerne bei einem paneuropäischen TV-Sender im
Programm hätten, allgemein (Mehrfachnennungen möglich)
83
D5-9
Sendungsart, die die Zuschauer bei einem paneuropäischen TV-Sender am liebsten
im Programm hätten, nach Alter
84
D5-12 Sendungsart, die die Zuschauer bei einem paneuropäischen TV-Sender ansehen
würden, auch wenn sie nicht alles wortwörtlich verstehen könnten
85
D6-1
Wie die Zuschauer einen paneuropäischen TV-Sender in ihre Sehgewohnheiten
integrieren würden, allgemein
86
D6-4
Bereitschaft, einen paneuropäischen TV-Kanal auch über das Internet anzusehen,
allgemein
88
Bildnachweise Titelbild
Bild
Herkunft/Rechte
Bearbeitung
Nachrichtenstudio
ZDF Bilderdienst/ZDF
Eva Ingold
Nachrichtenregie
ZDF Bilderdienst/ZDF
Eva Ingold
sonstige Bilder
Eva Ingold, privat
Eva Ingold

Abkürzungsverzeichnis
AblEU
Amtsblatt der Europäischen Union
ADAM
Alternative Dual Anticyclic Model
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der
Bundesrepublik Deutschland
AVMRL
Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste
BBC
British Broadcasting Corporation
CNN
Cable News Network
DLRL
Dienstleistungsrichtlinie
DVB
Digital Video Broadcasting
EAG
Europäische Atomgemeinschaft (,,Euratom")
EBS
Europe by Satellite
EBU
European Broadcasting Union (Europäische Rundfunkunion)
EG
Europäischen Gemeinschaft
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EKGS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (,,Montanunion")
EMRK
Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(,,Europäische Menschenrechtskonvention")
EP
Europäisches Parlament
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EVE
Eurovision Experiment
EVN
Eurovision News Exchange
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
FsÜ
Fernsehübereinkommen = Fernsehkonvention = Europäisches Übereinkommen über
das grenzüberschreitende Fernsehen des Europarats
GATS
General Agreement on Trade and Services
GeI
Gericht erster Instanz
IBA
Independent Broadcasting Authority
IPTV
Internet Protocol Television
ITU
International Telecommunication Union
KSZE
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
MEDIA
Mesures pour encourager le développement de l'industrie audiovisuelle
MEP
Member of the European Parliament
NOS
Nederlandse Omroep Stichting
OmoU
Original mit originalen Untertiteln
OmU
Original mit Untertiteln
ORF
Österreichischer Rundfunk
ÖVP
Österreichische Volkspartei
PSB
Public Service Broadcasting (Öffentlich-rechtlicher Rundfunk/Staatsfernsehen)
RAI
Radiotelevisione Italiana (früher: Radio Audizione Italiana)
RTÉ
Radio-Telefis Éireann
RTP
Rádiotelevisão Portuguesa
SF
Schweizer Fernsehen
STER
Stichting Etherreclame
UN/UNO
United Nations/United Nations Organisazion
UNESCO
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
(Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur)
VPRT
Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V.
WTO
World Trade Union (Welthandelsorganisation)
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen

1 Flimmerndes Labyrinth
...4
2 Einordnung der Arbeit und derzeitiger Forschungsstand
...6
2.1 Einordnung ...6
2.2 Forschungsstand zum Thema Fernsehen in Europa ...6
3 Was heißt hier ,,Europa"? - Relevante Organe für die Regulierung des
Fernsehens in Europa
...10
3.1 Der Europarat ...10
3.2 Die Europäische Union ...12
3.2.1 Das Europäische Parlament...14
3.2.2 Die EU-Kommission ...16
3.2.3 Der Rat der Europäischen Union (,,Ministerrat")...18
3.2.4 Der Europäische Rat...19
3.2.5 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ...19
3.3 Die einzelnen Staaten Europas ...21
3.4 Die European Broadcasting Union (EBU) ...21
3.5 Außereuropäische Institutionen...23
4 Hier regelt Europa - Relevante Vorgaben für das Fernsehen auf
europäischer Ebene
...25
4.1 Regelungen des Europarates ...25
4.1.1 Die Europäische Konvention für Menschenrechte (EMRK) ...25
4.1.2 Die Fernsehkonvention (FsÜ) ...28
4.2 Regelungen der Europäischen Union ­ im Rundfunkbereich überhaupt legitim?...31
4.2.1 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und Fernsehen als Kulturgut ...31
4.2.2 Fernsehen als Dienstleistung...32
4.2.3 Problematik der Kompetenzabgrenzung ...33
4.2.4 Doppelnatur des Fernsehens als Kulturgut und Dienstleistung ...37
4.3 Regelungen der Europäischen Union ...38
4.3.1 Der EU-Vertrag (EUV) ...39
4.3.2 Die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMRL)...42
4.3.3 Europa- bzw. Assoziierungsabkommen mit Beitrittskandidaten ...43
4.4 Die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste unter der Lupe ...44
4.4.1 Grundlage: Das Sendestaatsprinzip...44
4.4.2 Schwerpunkt Quotenregelung ...45
4.4.3 Schwerpunkt Jugendschutz ...46
4.4.4 Schwerpunkt Werbung und Sponsoring...47
4.4.5 Schwerpunkt Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung...48
4.4.6 Überwachung der Einhaltung und Konsequenzen bei Verstoß...50

5 Hier spricht Europa! ­ Die aktive Seite des Fernsehens in Europa
...52
5.1 Unterstützung für Film- und Fernsehschaffende sowie Journalisten ...53
5.1.1 Fördermaßnahmen europäischer Institutionen in der Film- und
TV-Produktion ...53
5.1.2 Unterstützung von Journalisten bei ihrer täglichen Arbeit...54
5.2 Europäische Fernsehinitiativen in der Vergangenheit und ihre Probleme ...55
5.2.1 ADAM und EVE ...55
5.2.2 Eurikon ...56
5.2.3 Europa TV ...57
5.3 Die Situation heute: Fernsehen der EU für die Bürger Europas ...60
5.3.1 Euronews ...60
5.3.2 Europarltv...62
5.3.3 EUtube...63
5.3.4 Zukünftiges Engagement im ,,Plan D"...64
5.4 Fernsehen für Europa ­ grenzüberschreitend angelegte Programme
anderer Initiatoren ...64
5.5 Die Probleme paneuropäischen Fernsehens im Überblick...66
6 Chancen für ein europäisches Fernsehen? ­ Untersuchungsanlage
...70
6.1 Fragestellung ...70
6.2 Methodik ...70
6.3 Grundgesamtheit, Stichprobe und Rücklauf ...71
7 Chancen für ein europäisches Fernsehen? ­ Ergebnisse und Interpretation
...73
7.1 Die Frage nach der Sprache für einen paneuropäischen Fernsehsender ...73
7.2 Die Frage nach dem Interesse an einem paneuropäischen Fernsehsender...77
7.3 Die Frage nach den gewünschten Inhalten bei einem paneuropäischen
Fernsehsender...80
7.4 Die Frage nach den Chancen eines paneuropäischen Fernsehsenders
auf dem Markt ...86
8 Wenn man es nur wagte. Ein Weg aus dem Labyrinth?
...89
Anhang
Quellenverzeichnis ...93
Fragebogen (deutsche Version)...103
Diagrammverzeichnis...110
Tabellenverzeichnis...131

4
1 Flimmerndes Labyrinth
Die Einheit Europas war ein Traum weniger.
Sie wurde eine Hoffnung für viele.
Heute ist sie eine Notwendigkeit für alle.
Konrad Adenauer
zitiert in: Weidenfeld, W. (2007, 13)
Es scheint, als stünde es nicht gut um Europa.
Insbesondere scheint es, als stünde es nicht gut um die Institution EU. Die Wahlen zum
Europaparlament sind in den Köpfen der Menschen als diejenigen Wahlen verhaftet,
denen man traditionell die geringste Aufmerksamkeit schenkt. Ja, sie werden mitunter
sogar als Wahlen zweiter Klasse bezeichnet (vgl. de Vreese et al., 2006, 480).
Dementsprechend schien es kaum möglich, die immer schon niedrige Wahlbeteiligung
noch einmal zu unterbieten. Doch genau das ist geschehen: im Jahr 2009 machte nicht
einmal mehr jeder zweite EU-Bürger von seinem Recht gebrauch, für die Abstimmung
über die zukünftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments an die Urne gehen
zu können.
Bedeutet nun eine Wahlbeteiligung von nur 43 %, dass die Menschen in der EU, ja
vielleicht in ganz Europa, nichts von ihren Nachbarn wissen wollen? Dass sie die
Europäische Union tatsächlich nur noch als lästige Notwendigkeit betrachten? Dass sie
das Leben, die Kultur, ja schlicht der Alltag der anderen Europäer nicht im Geringsten
interessiert? Umfragen zufolge ist genau das Gegenteil der Fall, was bedeutet, dass es
zwar kein Desinteresse an Europa, wohl aber an seinen Institutionen geben muss
(vgl. Eurobarometer, 2009, 4f).
Gerade ,,die EU" hat bei ihren Bürgern einen denkbar schlechten Ruf. Zu kompliziert
sind die Entscheidungsprozesse, zu wenig nachvollziehbar so manche Vorschrift.
Warum der Krümmungsgrad einer Gurke im exakt definierten Rahmen liegen muss,
damit sie innerhalb der Europäischen Union im Laden verkauft werden darf, wollte so
manchem einfach nicht einleuchten. Doch obwohl die legendäre ,,Gurkenrichtlinie"
2008 nach zwei Jahrzehnten abgeschafft wurde (vgl. Kafsack/Strabenow, 2008), bleibt
die EU in den Köpfen der Bürger ein bürokratisches Monster, das zu ergründen schier
unmöglich scheint. Vielleicht, so spekuliert Weidenfeld (2007, 7f), ,,fehlt uns einfach
der überzeugende Zugang zur Erklärung von Europa, weil wir den Wald vor lauter
Bäumen nicht mehr sehen. (...) Wir tun uns schwer, Vertrauen zu solch einem System
zu entwickeln, weil uns eine Beurteilungsgrundlage fehlt."
Das Fernsehen könnte vielleicht dabei helfen, durch entsprechende nachhaltige
Berichterstattung eine solche Beurteilungsgrundlage zu schaffen und den Bürgern eine
Orientierung in diesem Wald voller Bäume zu geben (vgl. Chill/Meyn, 1998a, 3-10).
Dazu bräuchte es einen Fernsehsender, der nicht überwiegend national ausgerichtet ist,
sondern den Anspruch hat, mit einem von vornherein paneuropäisch angelegten
Konzept an den Start zu gehen. Doch auch das Fernsehen in Europa ist einer Vielzahl
von Regelungen der europäischen Institutionen unterworfen. Die legislative Umgebung,

5
in der sich ein paneuropäisch ausgerichteter TV-Kanal bewegen müsste, gleicht einem
Labyrinth, in dem sich zurechtzufinden nicht einfach ist.
In einem ersten Schritt versucht die vorliegende Arbeit daher, die einzelnen
Vorschriften europäischer Regulierungspolitik im Bereich des Fernsehens zu ordnen.
Danach folgt ein Überblick über die aktive Seite Europas in diesem Metier ­ von
Fördermaßnahmen für audiovisuelle Medien über europaweite Fernsehinitiativen der
Vergangenheit bis hin zu heute existierenden Sendern mit nicht rein nationaler
Ausrichtung. Der sich anschließende empirische Teil soll die Frage erörtern, ob ein
paneuropäisch konzipiertes Vollprogramm vom Publikum überhaupt gewünscht wäre
und wenn ja, wie ein solcher Kanal inhaltlich aussehen müsste, um für den Zuschauer
attraktiv zu sein.

6
2 Einordnung der Arbeit und derzeitiger Forschungsstand
2.1 Einordnung
Die vorliegende Arbeit berührt mehrere Disziplinen. Sie ist daher aus
kommunikationswissenschaftlicher Sicht nicht klassisch anhand der Laswell-Formel
Who says what in which channel to whom with what effect?
(Lasswell, 1948) einem
Forschungsbereich zuzuordnen.
Aufgrund der von Zimmer (1993, 8) problematisierten Komplexität des Mediums
Fernsehen und der damit verbundenen Vielzahl an Forschungsinteressen gebietet eine
Betrachtung des Themas ,,Fernsehen in Europa" interdisziplinäre Offenheit.
Insbesondere
Bereiche
der
Kommunikations-,
Rechts-,
Politik-
und
Wirtschaftswissenschaft spielen hier eine Rolle.
In erster Linie geht es zunächst darum, auf einer medienrechtlichen Metaebene zu
erläutern, wie das ,,Who" in der Laswell-Formel durch Vorgaben verschiedener
europäischer Institutionen berührt wird, wie also Bestimmungen auf supranationaler
Ebene die Kommunikatoren in Gestalt der Rundfunkunternehmen tangieren. Dieser
erste Teil der Arbeit hat also ihren Schwerpunkt ganz eindeutig auf dem Gebiet des
Medienrechts.
Der zweite Abschnitt, in dem die aktive Seite Europas hinsichtlich des Fernsehens im
Mittelpunkt steht, ist dann gemäß Laswell neben der Kommunikatorforschung dem
,,says what"
, also der Inhaltsforschung zuzuordnen.
Der Praxisteil, der nach den Chancen eines von vornherein paneuropäisch konzipierten
Fernsehens in verschiedenen Ländern des Kontinents fragt, ist dann schließlich in die
Rezipientenforschung (,,to whom") einzureihen. Möglicherweise festzustellende
Auswirkungen eines regelmäßigen Konsums des potentiellen europäischen TV-Kanals
wären für die Medienwirkungsforschung (,,with what effect") von Interesse. Allerdings
steht dies nicht im Mittelpunkt dieser Untersuchung, und dahingehende Ergebnisse
könnten höchstens spekulativen Charakter besitzen.
In allen Phasen der Arbeit werden darüber hinaus immer auch Aspekte der
Politikwissenschaft, insbesondere hinsichtlich europäischer Politik, mit in die
Überlegungen
einfließen.
Ebenso
werden
in
kleinerem
Maße
auch
wirtschaftswissenschaftliche Gesichtspunkte in Zusammenhang mit unterschiedlichen
Vorgaben und deren Umsetzung eine Rolle spielen.
2.2 Forschungsstand zum Thema Fernsehen in Europa
Untersuchungen zum Fernsehen in Europa gibt es mittlerweile in unüberschaubarer
Zahl. Dabei ist zu beachten, dass sich die meisten Abhandlungen aufgrund der
immensen Dynamik, der das Rundfunkwesen weltweit unterliegt, schon wenige Jahre
nach ihrer Veröffentlichung wieder veraltet sind. Dies gilt vor allen Dingen für Studien,
die sich mit technischen Gegebenheiten auseinandersetzen, da hier die Verfallszeit für
neue Technologien besonders kurz ist. Doch auch die europäische Gesetzgebung ist
ständig in Bewegung, so dass auch hier viele Momentaufnahmen nicht mehr dem
neuesten Stand entsprechen (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 13).

7
Im Laufe der Zeit haben sich die Schwerpunkte der Forschungsinteressen hinsichtlich
des Fernsehens in Europa deutlich verlagert. Es ist festzustellen, dass vor allem
vorausgehende Entwicklungen neuer Technologien sowie politische Veränderungen den
Fokus der Untersuchungen in immer wieder neue Richtungen getrieben haben.
Die europäische Medienpolitik nahm ihren Anfang in den 80er Jahren. Damals gab es
viele technische Neuerungen im Fernsehsektor, zu nennen sind hier insbesondere die
fortschreitende Verkabelung der Ballungsräume und die zunehmende Ausstattung
privater Haushalte mit Satellitenempfangsanlagen. Vor allem letzteres führte dazu, dass
das grenzüberschreitende Fernsehen an Bedeutung gewann und die Politik reagierte,
indem im Jahr 1989 gleich zwei Regelungen auf europäischer Ebene entstanden, die
sich der Thematik annahmen: das Übereinkommen über das grenzüberschreitende
Fernsehen (Fernsehkonvention) des Europarats sowie die so genannte Fernsehrichtlinie
der Europäischen Union (vgl. Europarat, 1989 und Rat der Europäischen Union, 1989).
In der Folge beschäftigte sich die einschlägige Forschung zunächst grundlegend mit den
Rechtsfragen grenzüberschreitender Rundfunksendungen (vgl. Gulich, 1990) und
konkreten Fragen zur Auslegung von Fernsehkonvention und Fernsehrichtlinie. Bald
schon ging man dazu über, die Auswirkungen und Probleme dieser Europäisierung der
Ordnungspolitik im Rundfunkbereich zu thematisieren (vgl. Zimmer, 1993).
Mitte der Neunziger Jahre, als sich das duale Rundfunksystem aus öffentlich-
rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern etabliert hatte, wechselte das Zentrum
des Interesses vor allem in Deutschland zu einer ganz anderen Frage, nämlich der nach
der Vereinbarkeit der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit
dem europäischen Wettbewerbs- und Beihilferecht. Die Ergebnisse dahingehender
Untersuchungen variieren stark in Abhängigkeit davon, wer sie in wessen Namen und
mit wessen Geldern durchgeführt hat. Ein Gutachten im Auftrag des VPRT (Verband
Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V.) konstatierte die verheerenden
Auswirkungen der Rundfunkgebühren auf private Anbieter, die sich durch die im
Gutachten festgestellte Verzerrung des Wettbewerbs gegenüber ARD und ZDF stark
benachteiligt sahen (vgl. VPRT, 1996). Ganz anders die Einschätzung bei den
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie in einigen anderen unabhängigen
Studien, die die Gebührenfinanzierung anhand verschiedener Vorgaben und
Ausnahmeregelungen im EU-Recht als legitim einstuften (vgl. Sanftenberg, 1998).
In der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre wandte man sich dann verstärkt der
Medienentwicklung in den postsozialistischen Staaten Osteuropas zu. Es interessierte
vor allem, wie sich der Rundfunk nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in den noch
jungen Demokratien entwickelte. Wo zunächst nur deskriptive Erkenntnisse im
Vordergrund standen, wurden bald Studien wichtig, die einen analytisch-erklärenden
Ansatz
verfolgten.
Im
Mittelpunkt
der
Betrachtung
standen
hier
Demokratisierungsfragen sowie die grundsätzliche Rolle der Medien in
Umbruchsprozessen (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 241). Zentrales Ergebnis der meisten
dieser Studien ist bis heute, dass in vielen Ländern des ehemaligen Ostblocks ein
erhebliches Demokratiedefizit im Fernsehbereich besteht, da politische Parteien
traditionell immer noch Einfluss auf Personal und Inhalte nehmen. Auch haben einige

8
neue EU-Mitgliedsstaaten die Vorgaben der Fernsehrichtlinie noch nicht ausreichend
umgesetzt (vgl. Voß, 2008, 159).
Zu den verschiedenen Mediensystemen in Europa lagen lange Zeit nur additive
Darstellungen vor (vgl. Thomaß, 2007, 223). Das Internationale Handbuch Medien des
Hans-Bredow-Instituts (zuletzt erschienen 2004) ist eine solche Sammlung, in der die
Mediensysteme in Europa getrennt voneinander betrachtet werden. In jüngerer
Vergangenheit gab es dagegen mehrere Vergleichsstudien. Die umfangreichste
Untersuchung dieser Art wurde vom Open Society Institute in Zusammenarbeit mit dem
EU Monitoring and Advocacy Program durchgeführt. Der entstandene Report
,,Television across Europe: Regulation, Policy and Independence"
analysiert den
Rundfunk in 20 Europäischen Staaten und spricht Handlungsempfehlungen für
nationale wie internationale Entscheidungsträger aus. EU-Mitgliedsstaaten wurden
dabei genauso mit eingeschlossen wie Beitrittskandidaten oder potentielle Kandidaten
für Beitrittsverhandlungen (vgl. Open Society Institute & EU Monitoring and Advocacy
Program, 2005).
Ganz aktuell untersuchte Jörg Voß 2008 die Rundfunksysteme der 27 EU-
Mitgliedstaaten und fragte nach den Chancen einer einheitlichen Medienordnung für
ganz Europa, welche er aber letzten Endes als problematisch in ihrer Umsetzung
einstuft, da sie der Souveränität der einzelnen Länder widerspräche (vgl. Voß,
2008, 381).
Die Auswirkungen europäischer Medienpolitik im digitalen Zeitalter sind Gegenstand
der Forschung der letzten Jahre. In einem Vergleich mehrerer Staaten des Kontinents
kommt Iosifidis (2007) zu dem Schluss, dass gerade Public Service Television in der
neuen, unüberschaubaren Vielfalt digitaler Fernsehangebote nicht wegzudenken ist, da
der Markt zwar offen für viele Stimmen ist, was aber nicht zwangsläufig auch zu
Pluralität führen muss. Public Service Television kann hier der Garant für
Ausgewogenheit und ein Forum für Demokratie und Kultur sein, da solche TV-
Stationen unabhängig von finanziellen Interessen handeln können (vgl. Iosifidis,
2007, 178).
Hinsichtlich eines Fernsehkanals mit gesamteuropäischer Konzeption gibt es bisher nur
wenige Erkenntnisse was dessen Chancen auf dem Markt, inhaltliche Präferenzen
möglicher Zuschauer sowie Zielgruppen allgemein betrifft. Eine solche Erhebung über
Publikumswünsche fehlte bereits in den 80er Jahren beim ersten größeren Versuch, mit
Europa TV
einen paneuropäischen Kanal zu etablieren. ,,Es blieb also offen, wie
europäischer Journalismus aussehen sollte und ob ein solcher auch ein europäisches
Publikum konstituieren könnte." (Holtz-Bacha, 2006, 304) Europa TV wurde wenige
Monate nach seinem Sendestart unter anderem aufgrund fehlender Resonanz wieder
eingestellt.
In den Jahren 2004 und 2007 hat die Kommission der Europäischen Union selbst zwei
qualitative Studien durchführen lassen, deren Ziel es war, die Erwartungen von
Zuschauern an Fernsehprogramme mit europäischen Inhalten zu eruieren
(vgl. Europäische Kommission, 2004 sowie Europäische Kommission, 2007). In
Gruppendiskussionen ging es dabei um die Rolle des Fernsehens im Leben der

9
Teilnehmer, um ihr Nutzungsverhalten und darum, was sie bezüglich ,,Europa"
inhaltlich gerne im TV sehen würden. Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass
die Bürger Europas großes Interesse daran hätten, mehr über ihren Kontinent und ihre
Nachbarländer zu erfahren, vor allem in Form klassischer Nachrichten oder Reportagen.
Auch ist festzustellen, dass gerade hinsichtlich der Institution ,,Europäische Union" und
ihrer Funktionsweise viele Unklarheiten bestehen und die Befragten dementsprechend
durch das Fernsehen informiert werden möchten. Weniger von Interesse waren den
Studien zufolge Unterhaltungsformate wie Filme oder Quizsendungen mit
europäischem Schwerpunkt. Gerade dies scheint verwunderlich, da Fernsehen von
einem Großteil der Zuschauer definitiv auch als Unterhaltungsmedium angesehen und
genutzt wird. Dieser Umstand wird in den beiden Studien der EU-Kommission auch
dargelegt, die Diskrepanz mit diesem speziellen Teilbereich des Ergebnisses wird aber
nicht thematisiert.
Hasebrink und Herzog (2000, 152) führen dagegen vor allem die Unterhaltung als
Möglichkeit an, die ein paneuropäisch konzipiertes Programm auch für ein größeres
Publikum interessant machen könnte. Derzeit gibt es noch keine quantitative
Untersuchung zu den Chancen eines paneuropäischen Vollprogramms.
Die vorliegende Arbeit soll in ihrem empirischen Teil dazu beitragen, diese noch
bestehende Lücke zu schließen und wird der Frage nachgehen, ob Europa TV heute eine
Chance hätte und wenn ja, wie es konzipiert sein müsste, um ein staatenübergreifendes
Publikum anzusprechen. Zusätzlich soll sie einen Überblick über den derzeitigen Stand
europäischer Regulierungs- und Förderpolitik geben.

10
3 Was heißt hier ,,Europa"? - Relevante Organe für die Regulierung des
Fernsehens in Europa
Zunächst scheint es angebracht, genauer zu definieren, was denn eigentlich gemeint ist,
wenn von ,,Europa" die Rede ist. In dieser Arbeit soll Europa nicht nur rein
geographisch als Kontinent definiert sein, sondern es ist sinnvoll, einer politischen
Einteilung zu folgen. Sich nur auf die inzwischen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union zu beziehen, würde dagegen zu kurz greifen, da beispielsweise an Regelungen
des Europarates viel mehr Länder gebunden sind, die man im erweiterten Sinne als Teil
Europas betrachten kann, beispielsweise Staaten der ehemaligen Sowjetunion, wie
Russland und die Ukraine, oder Staaten des Nahen Ostens, wie die Türkei. Deshalb
scheint es zweckmäßig, den Europabegriff je nach Diskussionsgegenstand anzusehen.
Bei Regelungen der Europäischen Union soll Europa daher auf die EU-27 beschränkt
bleiben, geht es um andere internationale Zusammenschlüsse wie den Europarat oder
die Welthandelsorganisation, ist es erforderlich, Europa in einer erweiterten Form zu
definieren.
Wie eingangs bereits erwähnt, bedingten technische Entwicklungen gerade im Bereich
des Satellitenfernsehens, dass Regelungen auf nationaler Ebene nicht mehr ausreichten,
um die ganze Palette möglicher Konflikte zu regeln. So stellt auch Zimmer (1993, 7)
fest, dass ,,vor dem Hintergrund europaweiter Programme eine rein nationale Kontrolle
des Fernsehsektors zu kurz greift und europäische Organisationen als mögliche
Ordnungsinstanzen ins Spiel kommen." Der Kompetenztransfer auf eine übergeordnete
Ebene ist da also nur eine logische Konsequenz. In Europa sind gleich mehrere
Institutionen an der staatenübergreifenden Regulierung des Fernsehens beteiligt ­ eine
Zusammenarbeit unter ihnen findet allerdings kaum statt. In einem kurzen Überblick
sollen nun zunächst die relevanten Organisationen vorgestellt werden.
Es versteht sich von selbst, dass es nur bei diesem kurzen Überblick bleiben kann, der
sich darauf beschränkt, neben den Grundzügen nur dasjenige über die jeweilige
Institution zu erläutern, was notwendig ist, um ihre Vorgehensweise hinsichtlich der
Regulierung des europäischen Fernsehens nachvollziehen zu können.
3.1 Der Europarat
Wo das Wort ,,Europa" fällt, denkt man heutzutage in erster Linie an die Europäische
Union. Der Europarat dagegen wird in der Öffentlichkeit eher selten wahrgenommen.
Dabei ist er ,,die älteste europäische Nachkriegsorganisation, die auf Frieden und
Zusammenarbeit ausgerichtet ist." (Zandonella, 2007, 42) Er ist eine völlig
eigenständige Organisation und nicht, wie fälschlicherweise oft angenommen,
institutionell mit der EU verbunden. Ja mehr noch, er verfügt ,,in geographischer
Hinsicht über einen Einfluss (...), der über den der Europäischen Union hinausreicht"
(Dörr 2004, 42). Denn gegenwärtig umfasst er 47 Staaten, also beinahe doppelt so viele
wie die EU.
Gegründet wurde der Europarat schon 1949. Laut Art. 1 seiner Satzung ist seine
Aufgabe die Herstellung ,,einer engeren Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum

11
Schutze und zur Förderung der Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe
bilden." Weiterhin soll durch das Wirken des Europarats der wirtschaftliche und soziale
Fortschritt in seinen Mitgliedsstaaten unterstützt werden. Ein Schwerpunkt liegt auch
bei der Bewahrung der kulturellen Einheit und Vielfalt in Europa (vgl. Zandonella,
2007, 42).
Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Europarat auf gemeinschaftliches Vorgehen im
sozialen, kulturellen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und administrativen Bereich
sowie allem voran auf den Schutz und die Weiterentwicklung der Menschenrechte,
Grundfreiheiten und rechtstaatlicher Grundsätze in Europa (vgl. Gimbal, 2007a, 239)
Grundlegend dafür ist seine 1953 in Kraft getretene Europäische Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, meist kurz als Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) bezeichnet (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 42).
Innerhalb des Europarats gibt es zwei Hauptorgane: das Ministerkomitee und die
Parlamentarische Versammlung. Beide werden von einem Generalsekretariat in ihrer
Arbeit unterstützt.
Im Ministerkomitee, dem eigentlichen Entscheidungsgremium, sitzen die
Außenminister aller Mitgliedstaaten. Die Parlamentarische Versammlung besteht aus
Abgeordneten, die aus den jeweiligen nationalen Parlamenten entsandt werden. Sie hat
vorwiegend beratende Funktion (Gimbal, 2007a, 240).
Als Judikative angegliedert ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR), der über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht.
(vgl. Zandonella, 2007, 28).
Besonders wichtig im Hinblick auf das Fernsehen und die Medien allgemein ist die
kulturorientierte Herangehensweise des Europarats an die Thematik. Denn im
Gegensatz zur EU ,,interessieren den Europarat stärker die kulturellen, inhaltlichen
Aspekte des Problemfeldes, wobei internationales Fernsehen eher aus der Perspektive
der zu bewahrenden nationalen Kulturen und Fernsehsysteme gesehen wird" (Zimmer,
1993, 86).
Dass man sich insbesondere auch für die Medien in Europa verantwortlich fühlt, zeigt
die Einrichtung einer eigenen Behörde, der Europäischen Audiovisuellen
Informationsstelle. Ihre Aufgabe ist es, die Transparenz des Informationsflusses
innerhalb der audiovisuellen Industrie zu verbessern. Dazu greift sie auf ein
europaweites Netzwerk aus Korrespondenten und Partnern unterschiedlichster
Industriezweige zurück, um nicht zuletzt Entscheidungsträgern der Politik einen
Informationsüberblick zu verschiedensten Teilgebieten der Medienlandschaft geben zu
können (vgl. Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, 2004, 45)

12
3.2 Die Europäische Union
Die Europäische Union ist ein komplexes System, das über die Jahre hinweg immer
weiter gewachsen ist. Blickt man zurück, so nimmt ihre Geschichte im Jahr 1951 mit
der Unterzeichnung der Gründungsverträge für die Europäische Gemeinschaft für Kohle
und
Stahl
(EKGS,
auch
als
,,Montanunion"
bekannt)
ihren
Anfang
(vgl. Diedrichs/Wessels, 2007, 186). Ziel der Gründungsmitglieder Deutschland,
Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und der Niederlande war es, den Markt dieser
Schlüsselindustrien einer supranationalen Regelung zu unterwerfen. Die Errichtung der
EKGS war also sowohl Instrument einer dauerhaften Friedenssicherung als auch das
Produkt wirtschaftlicher Erwägungen (vgl. Schmuck, 2006, 15). Mit den Römischen
Verträgen von 1957, mit denen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) sowie
die Europäische Atomgemeinschaft (EAG, auch als ,,Euratom" bekannt) ins Leben
gerufen wurden, bestärkte man zusätzlich den Willen nach anhaltendem Frieden, aber
auch nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit (vgl. Diedrichs/Wessels, 2007, 186). Vor
allem die EWG hatte genau dies im Blick, denn ihr Ziel war bereits die Schaffung eines
gemeinsamen Marktes, in dem Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital frei
zirkulieren sollten (vgl. Schmuck, 2006, 15). Gefestigt wurde das Bestreben nach
einem gemeinsamen Binnenmarkt 1967, als diese drei bis dahin bestehenden Verträge
zu EKGS, EWG und EAG zu einer großen Einheit, der Europäischen Gemeinschaft
(EG) zusammengefasst wurden (vgl. Rudzio, 2006, 26), sowie durch die einheitliche
Europäische Akte zur Vollendung des Binnenmarktes (vgl. Zandonella, 2007, 43). Mit
dem Vertrag von Maastricht wiederum ging die EG in der heutigen Europäischen Union
(EU) auf, die gegenüber der EG noch erheblich mehr Felder der Zusammenarbeit ihrer
Mitglieder aufweist. Unter dem Dach der EU existieren nun neben den Vereinbarungen
der EG auch Übereinkünfte zur währungspolitischen Zusammenarbeit (der Euro als
gemeinsame Währung) sowie zur Kooperation in der Außen- und Sicherheitspolitik
sowie in der Innen- und Justizpolitik (vgl. Schmuck, 2006, 16). Mit den Verträgen von
Amsterdam 1997 und Nizza 2000 wurden vor allem organisatorische Neuerungen sowie
Ausweitungen der Kompetenzen der Union beschlossen; auch wurde die EU darin auf
ihre Osterweiterung vorbereitet. Die Einführung einer einheitlichen Verfassung für die
gesamte, inzwischen auf 27 Mitgliedstaaten angewachsene EU war jedoch nicht von
Erfolg gekrönt, da sich die Bürger Frankreichs und der Niederlande in
Volksentscheiden gegen sie entschieden. Daher beschlossen die Mitgliedstaaten, die
schon existierenden EU-Verträge lediglich zu verändern, statt sie durch eine Verfassung
zu ersetzen. In den Vertrag von Lissabon wurde ein Großteil der Inhalte des
Verfassungsvertrages in die grundlegenden Verträge eingearbeitet. Alle Mitgliedsländer
haben diesen Lissabon-Vertrag unterzeichnet (vgl. Europäische Union, 2009a).
Ratifiziert wurde er aber noch nicht überall: in Irland, wo eine Volksabstimmung über
den Vertrag von Lissabon verfassungsrechtlich vorgeschrieben war, scheiterte diese und
wird nun Anfang Oktober 2009 wiederholt ­ mit ungewissem Ausgang. In Deutschland
wurde eine Verfassungsbeschwerde am 30. Juni 2009 vom Bundesverfassungsgericht in
großen Teilen zwar zurückgewiesen. Das Gericht legte jedoch fest, dass das
Begleitgesetz zum EU-Vertrag, das die Parlamentsbeteiligung beim Erlass europäischer
Vorschriften regelt, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei und nachgebessert werden
müsse. Erst wenn dies geschehen ist, kann die Bundesrepublik ihre

13
Ratifizierungsurkunde ausstellen (vgl. Bundesverfassungsgericht, 2009a). Daneben
fehlen derzeit auch noch die Ratifizierungen von Polen und der Tschechischen
Republik, so dass nun auch dieser Reformvertrag vorerst nicht in Kraft treten kann
(vgl. Bundesverfassungsgericht, 2009b).
Während das institutionelle Zusammenwachsen zu einer Einheit in den Köpfen der
Bürger Europas noch ein wenig Zeit zu brauchen scheint, hat die EU ihr ursprüngliches
Ziel, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen, in weiten Teilen des Marktes
verwirklicht (vgl. Zandonella, 2007, 16). Um dies zu erreichen, setzt sie auf die
Harmonisierung, das heißt Vereinheitlichung von Regelungen in all ihren
Mitgliedstaaten. Dazu hat sie mehrere Möglichkeiten.
Zu unterschieden ist zunächst einmal in Primär- uns Sekundärrecht. Das Primärrecht
wird auch als Vertragsrecht bezeichnet und beinhaltet ,,alle völkerrechtlichen Verträge,
die die Gründerstaaten miteinander geschlossen haben, oder ihre grundlegenden
Reformen" (Zandonella, 2007, 43). Zum Primärrecht gehören konkret also die schon
erwähnten Verträge über die EKGS, die EWS, die EAG, die Einheitliche Europäische
Akte sowie der Vertrag von Maastricht über die EU samt der Reformverträge von
Amsterdam, Nizza und in Zukunft vermutlich auch Lissabon. Das Primärrecht bildet die
,,Grundlage für die Organe und Einrichtungen der EU, deren Kompetenz, Rolle und
Zuständigkeit in den Beschlussfassungsverfahren sowie die Legislativ-, Exekutiv- und
Rechtsprechungsverfahren des Gemeinschaftsrechts" (Höffner, 2004).
Das Primärrecht steht insbesondere über dem Sekundärrecht, dem Gemeinschaftsrecht,
über das das Europäische Parlament und der Ministerrat gemeinsam entscheiden
(vgl. Zandonella, 2007, 44).
Es gibt im Wesentlichen vier unterschiedliche Arten von Gesetzesnormen im
Sekundärrecht:
§
Verordnungen
gelten unionsweit unmittelbar, sie sind in allen Teilen verbindlich und stehen
über nationalem Recht.
§
Richtlinien
gelten zwar nicht unmittelbar, ihre Ziele sind aber verbindlich. Innerhalb einer
vorgegebenen Frist müssen Richtlinien von allen Mitgliedstaaten in nationales
Recht umgesetzt werden.
§
Entscheidungen
sind in allen Teilen verbindlich, gelten aber nur für die benannten Empfänger,
beispielsweise einen Staat oder ein Unternehmen
§
Empfehlungen
sind dagegen, wie das Wort schon sagt, unverbindliche Ratschläge. Ebenfalls
unverbindlich sind Stellungnahmen, die die Organe der EU bei Bedarf zu
verschiedenen Thematiken abgeben.
(vgl. Piepenschneider, 2006, 19)

14
In den Bereichen, die die Regulierung des Fernsehens in Europa tangieren, sind neben
dem Primärrecht, das den einheitlichen Binnenmarkt und seit dem Vertrag von Lissabon
auch die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit garantiert, vor allem
Richtlinien von Bedeutung. In Kapitel 4.3 wird näher auf den Inhalt der relevanten
Richtlinien, aber auch auf die für die Thematik wesentlichen Stellen des Primärrechts
eingegangen werden.
Dabei ist zu erwähnen, dass sich die verschiedenen Organe der EU unabhängig
voneinander kontinuierlich mit dem Fernsehen in Europa beschäftigt haben, allerdings
mit teilweise sehr unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie bestimmte Bereiche zu
regeln seien (vgl. Voß, 2008, 46f.)
3.2.1 Das Europäische Parlament
Das Europäische Parlament ist das einzige von den Bürgern direkt gewählte und somit
unmittelbar legitimierte Organ der EU. Die Wahlen finden alle fünf Jahre in allen
Mitgliedstaaten statt, zum ersten Mal 1979 und aktuell im Juni 2009. Die dabei
gewählten Abgeordneten aller EU-Staaten finden sich im Parlament gemäß ihrer
politischen Ausrichtung zu multinationalen Fraktionen zusammen (vgl. Maurer,
2007, 229f.).
Dafür, dass es das einzige wirklich durch die Bevölkerung legitimierte EU-Organ ist,
hat das Europäische Parlament relativ wenig Gewicht. Zwar haben sich seine Rechte
durch die Vertragsänderungen im Laufe der Jahre immer mehr ausgeweitet, doch
hinsichtlich seiner Kompetenzen kommt ihm eine schwache Stellung gegenüber den
anderen Organen der EU zu. Dies ist vermutlich auch ein Grund für das geringe
Interesse der Bürger und die schlechte Beteiligung an den Europawahlen, die immer
schon niedrig war und von Mal zu Mal noch weiter zurückging. Dazu kommt, dass die
Abgeordneten wenig bekannt sind und es anders als in der nationalen Politik kein
Spannungsverhältnis zwischen Regierung und Opposition im Parlament gibt
(vgl. Holtz-Bacha, 2006, 36f.).
Heute entscheidet das Europäische Parlament in der Gesetzgebung der EU in allen
Bereichen außer der Agrarpolitik gleichberechtigt mit dem Ministerrat. Es hat zwar kein
Initiativrecht, darf also selbst keine Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vorlegen, kann
aber die Kommission dazu auffordern, Vorschläge für Gesetze auszuarbeiten
(vgl. Zandonella, 2007, 32). Ob diese der Forderung dann auch nachkommt, bleibt
allerdings ihr überlassen. Zustimmen muss das Parlament bei der Verabschiedung des
Haushalts der EU, bei der Ernennung der Kommission mitsamt des
Kommissionspräsidenten sowie bei einer anstehenden Änderung der völkerrechtlichen
Verträge (vgl. Maurer, 2007, 233f). Darüber hinaus hat das Parlament verschiedene
Kontrollrechte. ,,Dazu gehören Fragestunden, Anfragen und die Debatten des
Tätigkeitsberichts der Kommission. Außerdem kann es Untersuchungsausschüsse
einsetzen oder der Kommission das Misstrauen aussprechen" (Zandonella, 2007, 33).
Besonders wichtig für eine effektive Arbeit sind die ständigen Ausschüsse zu insgesamt
20 Sachbereichen, die zur fachlichen Vorbereitung der Tätigkeit des Parlaments
gebildet wurden. Sie beraten bei Gesetzgebungsverfahren die Positionen gegenüber dem
Ministerrat und der Kommission. Darüber hinaus entwickeln sie aber auch eigene

15
Initiativen und Ideen, mit denen sie auf den europäischen Politikgestaltungsprozess
einwirken können, indem sie beispielsweise auf Grundlage ihrer Ausarbeitungen die
Kommission zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs auffordern.
Dies hat das Europäische Parlament hinsichtlich des Fernsehens in Europa bereits
Anfang der 80er Jahren getan und war damit das erste Organ der Europäischen Union,
das sich mit der Thematik befasste. Holtz-Bacha (2006, 68) führt dies auf das auch
damals herrschende Desinteresse der Bürger an der Gemeinschaft zurück. Das
Parlament habe dieses Imageproblem erkannt und daher begonnen, sich über die
Möglichkeit des Einsatzes der neuen grenzüberschreitenden Kommunikationstechniken
zur Verbesserung des Verständnisses von und für die Gemeinschaft nachzudenken. Man
betraute den Abgeordneten Hahn mit der Ausarbeitung eines Berichts, der die
Möglichkeiten einer eigenen europäischen Rundfunkanstalt eruieren sollte. In seinem
Bericht, der 1982 als ,,Hahn-Bericht" bekannt wurde (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 71), hält
er ein derartiges Vorhaben aber nicht für realistisch und plädiert stattdessen für die
Errichtung eines gemeinsamen europäischen Programms durch die bestehenden
Fernsehanstalten. Auch in weiteren Entschließungen greift das Parlament schon früh
Thematiken rund um das Fernsehen auf, beispielsweise in der in der ,,Entschließung zu
Rundfunk und Fernsehen in der EG" aus dem Jahr 1984 (vgl. Europäisches Parlament,
1984a). Daraufhin wurde mit Eurikon ein erstes Experiment hinsichtlich eines
europäischen Fernsehens gestartet, dem 1985 das Projekt Europa TV folgte. In zwei
weiteren Entschließungen ,,forderten die Parlamentarier während der nur einjährigen
Laufzeit von Europa TV Kommission und Ministerrat eindringlich zur (finanziellen)
Unterstützung des Programms auf, damit ein ,qualitativ hochwertiges und von den
Bürgern akzeptiertes Programm' erstellt (...) werden könne" (Zimmer, 1993, 118). In
diesem Fall aber wird auch die begrenzte Macht des Parlaments deutlich, denn die
Kommission verweigerte trotz der Aufforderung eine eigentlich schon zugesagte
Zahlung, was letztlich das Aus für das Projekt Europa TV bedeutete (vgl. Zimmer,
1993, 129).
Immer wieder forderte das Europäische Parlament in der Folge die Kommission zum
Handeln in verschiedenen Bereichen des europäischen Fernsehens auf. Doch verlagerte
sich der Schwerpunkt weg von einer aktiven hin zu einer regulativen Perspektive. Mit
der ,,Entschließung zu einer Politik im Sinne der neuen Trends im Fernsehen" forderte
das Parlament (1984b) die Kommission und den Ministerrat dazu auf, ein Grünbuch
vorzulegen, das ,,die Etablierung eines gemeinsamen Marktes für das Fernsehen
vorbereiten sollte" (Holtz-Bacha, 2006, 85). Grünbücher sind Dokumente zu
bestimmten Themen, die von der Europäischen Kommission herausgegeben werden, um
auf europäischer Ebene zu Diskussionen anzuregen. Damit sollen möglichst alle von der
Thematik Betroffenen ihre Ideen und Bedenken vorbringen können. Solche Grünbücher
sollen die legislative Entwicklung lenken (vgl. Europäische Union, 2009b). Im Falle des
Grünbuches ,,Fernsehen ohne Grenzen ­ Grünbuch über die Errichtung des
Gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel", das
die Kommission auf Betreiben des Europäischen Parlaments schließlich veröffentlichte,
führte die angestoßene Diskussion nach einigen Jahren tatsächlich zu einem Rechtsakt.
Denn 1989 wurde die ,,Richtlinie zur Koordinierung bestimmter Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit",
kurz ,,Fernsehrichtlinie" genannt, erlassen. Sie wurde bis heute zweimal geändert, ist

16
aber immer noch die maßgebliche Rechtsvorschrift der EU im Fernsehbereich. Der
ursprüngliche Anstoß dafür kam vom Europäischen Parlament, das damit eine
europäische Medienpolitik überhaupt erst begründete.
In jüngerer Vergangenheit hat sich das Parlament vor allem für die öffentlich-
rechtlichen Sendeanstalten Europas eingesetzt, indem es in mehreren Entschließungen
wiederholt auf ihre Bedeutung ,,für den kulturellen und gesellschaftspolitischen Bereich
der Mitgliedstaaten und auf ihre Funktion für die europäische Integration hingewiesen
und die Entwicklung einer positiven Gemeinschaftspolitik gegenüber dem öffentlich-
rechtlichen Rundfunk" gefordert hat (Voß, 2008, 47). Dass diese Haltung nicht immer
alle Organe der Europäischen Union vertreten, wird mit einem Blick auf die EU-
Kommission deutlich.
3.2.2 Die EU-Kommission
Die Kommission der Europäischen besteht aus derzeit 27 Kommissaren, wobei einer
von ihnen als Kommissionspräsident den Vorsitz innehat. Um die Arbeitsfähigkeit
aufrechtzuerhalten, soll ab November 2009 nicht mehr wie bisher jeder Mitgliedstaat je
einen Kommissar stellen, sondern ein Rotationsprinzip eingeführt werden
(vgl. Europäische Kommission, 2009a).
Jeder der Kommissare ist für ein bestimmtes Sachgebiet zuständig, vergleichbar mit
einem Ministerium auf nationaler Ebene. Bei Entscheidungen sollen die Kommissare
die Interessen der EU in ihrer Gesamtheit verfolgen. Deshalb dürfen sie nach der
Ernennung durch ihre jeweiligen Mitgliedstaaten ,,keine Weisungen von nationalen
Regierungen oder sonstigen Institutionen entgegennehmen" (Zandonella, 2007, 63).
Innerhalb der EU ist die Kommission sicherlich das Organ, das den größten Einfluss
besitzt. Nicht allein deshalb, weil sie als einzige befugt ist, gegenüber Drittstaaten in
den Außenbeziehungen der EU als Verhandlungspartner aufzutreten (vgl. Weidenfeld,
2007, 47). Auch EU-intern hat die Kommission großes Gewicht, da sie in alle Phasen
eines Entscheidungsprozesses eingebunden ist.
Bei der Entscheidungsvorbereitung steht die Kommission ,,in der Regel am Anfang
eines gemeinschaftlichen Rechtsetzungsverfahrens, indem sie einen Vorschlag
unterbreitet, der dann (...) im Wechselspiel mit anderen Organen weiterbehandelt und
zum Abschluss in Form eines Rechtsakts gebracht wird" (Diedrichs, 2007, 156). Sie ist
das einzige Organ, das Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vorlegen kann, hat also das
so genannte Initiativmonopol in der EU. Darüber hinaus hat die Kommission die
Möglichkeit, durch Empfehlungen, Stellungnahmen, Berichte und andere Mitteilungen
wie Grünbücher auf die politische Diskussion in der Europäischen Union einzuwirken.
Im Zuge der Entscheidungsfindung wirkt die Kommission zusammen mit dem
Ministerrat und dem Parlament mit, wobei das Gewicht ihrer Stimmen je nach
Verfahren variiert. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sie in Entscheidungsvorbereitung
und Entscheidungsfindung wesentlichen Anteil an der Legislative der EU hat.
Bei der Entscheidungsdurchführung nimmt sie außerdem die Rolle der Exekutive ein,
da sie für die Umsetzung der gemeinsamen Politik in den Mitgliedstaaten sorgt, indem
sie die Durchführung von Rechtsakten auf Gemeinschaftsebene überwacht und ihr auch
die Verwaltung des Haushalts anvertraut ist (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 36). Auch in der

17
Entscheidungskontrolle ist die Kommission Exekutivorgan. Als ,,Hüterin der Verträge"
kontrolliert sie nicht nur die ordnungsgemäße Umsetzung des Gemeinschaftsrechts,
sondern kann bei einem vermeintlichen Verstoß den betreffenden Staat zu einer
Stellungnahme auffordern und notfalls auch den Europäischen Gerichtshof anrufen ­
die meisten seiner Urteile in solchen Vertragsverletzungsverfahren entsprechen dem
Antrag der Kommission (vgl. Diedrichs, 2007, 158).
Unter anderem aufgrund dieser weit reichenden Kompetenzen der Kommission wird der
EU oftmals ein Demokratiedefizit nachgesagt (vgl. Ukrow, 1997, 99). Denn anders als
das kompetenzschwache Europäische Parlament ist die Kommission nicht direkt von
der Bevölkerung gewählt. Allenfalls kann eine indirekte Legitimation attestiert werden,
da die Kommissare von ihren nationalen Regierungen ernannt werden, und zumindest
diese Regierungen durch die Bürger gewählt wurden.
Die Kommissare werden in ihren jeweiligen Ressorts von insgesamt etwa 25000
Mitarbeitern unterstützt. Diese arbeiten in 37 Generaldirektionen und Dienststellen, die
den jeweiligen Fachbereichen, zugeordnet sind (vgl. Zandonella, 2007, 63). Seit 1981
gibt es speziell für die Medien den Fachbereich ,,Informationsgesellschaft und Medien"
sowie eine gleichnamige Generaldirektion. In Bezug auf die Regulierung des
Rundfunks war dieser Fachbereich vor allem bei der Ausarbeitung und Umsetzung der
Fernsehrichtlinie von 1989 sowie deren Novellierungen 1997 und 2007 tätig
(vgl. Europäische Kommission, 2009b).
Aber auch schon zuvor hat die Kommission ­ nach mehrmaliger Aufforderung durch
das Europäische Parlament ­ entscheidend dazu beigetragen, diese Richtlinie auf den
Weg zu bringen, indem sie 1984 das Grünbuch ,,Fernsehen ohne Grenzen"
veröffentlichte und damit eine europaweite Diskussion über die Thematik anstieß.
Dieses Grünbuch kann als der erste Schritt hin zu einer einheitlichen Rahmenordnung
für den Rundfunk in Europa angesehen werden (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 77).
In den vergangenen Jahren hat es die Kommission vor allem dem öffentlich-rechtlichen
Rundfunk in Europa schwer gemacht. Dazu muss gesagt werden, dass die Kommission
den Rundfunk generell weniger als Beitrag zur Kultur, sondern vielmehr als
Dienstleistung ansieht ­ würde sie dies nicht tun, hätte sie keinerlei Befugnis, auf dem
Gebiet Fernsehen überhaupt tätig zu werden, da Kultur in den Kompetenzbereich der
einzelnen Mitgliedstaaten fällt (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 86). In der Konsequenz
bedeutet dies aber, dass die Kommission im Dienstleistungssektor Fernsehen, auch
beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die Einhaltung der Regelungen der EU-
Dienstleistungsrichtlinie anmahnen muss. Dies hat sie in der jüngeren Vergangenheit
mehrfach getan. Unter anderem hat sie die Gebührenfinanzierung solcher Public-
Service-Broadcaster (PSB) als Beihilfe im Sinne des Wettbewerbsrechts eingestuft, was
weit reichende Konsequenzen nach sich zog. Unter anderem öffnete diese Einstufung
der privaten Konkurrenz Tür und Tor, die Beihilfen als unangemessen und
wettbewerbsverzerrend zu bezeichnen und starke Einschnitte in die Tätigkeitsbereiche
der PSB zu verlangen. Weiterhin stellte die Kommission in Bezug auf Onlineangebote
der Öffentlich-Rechtlichen Forderungen, die die Sender nicht ohne Weiteres erfüllen
wollten. Unter anderem die Frage danach, ob Public-Service-Veranstalter mit den
Mitteln, die sie vom Staat erhalten, auch Onlineangebote bereitstellen dürfen, erhitzt
immer noch die Gemüter. Diskutiert wird vor allem, ob ein Engagement der Öffentlich-

18
Rechtlichen in den neuen Medien noch zu ihrem Auftrag gehört. Private Mitstreiter
verneinen dies und konstatieren, dadurch werde der Wettbewerb verzerrt (vgl. VPRT,
2009). Die Kommission hat in der Folge festgelegt, dass zum einen der Auftrag auf
nationaler Ebene so präzise definiert sein muss, dass auch Onlinedienste inbegriffen
sind, damit die öffentlich-rechtlichen Anstalten diese auch legitim bereitstellen dürfen.
Zum anderen hat die Kommission auch noch genaue Vorgaben gemacht, wie diese
Angebote der Öffentlich-Rechtlichen inhaltlich aussehen dürfen, um nicht zu sehr in
den Wettbewerb mit den Privaten zu treten (vgl. Eberle, 2008). In ihrer neuesten
Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vgl. Europäische Kommission, 2009c) stellt die
Kommission aber klar, dass gegen Onlineaktivitäten der PSB nichts einzuwenden ist,
auch dann nicht, wenn diese aus Gebühren finanziert sind. Dennoch garantiert sie laut
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes eine fairen Wettbewerb: ,,Die öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten können auf der Grundlage der Digitaltechnologie und
des Internets hochwertige Dienste über jegliche Plattformen anbieten, ohne dass sich für
die anderen Medienakteure unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen ergeben"
(Kroes, zitiert in: Europäische Kommission, 2009d)
Es kann also festgehalten werden, dass die Kommission, anders als das Europäische
Parlament, nicht etwa die kulturelle Komponente des Fernsehens in den Vordergrund
stellt. Ihre Aktivitäten sind in erster Linie auf das Funktionieren des Binnenmarktes
ausgerichtet. Dabei erkennt sie zwar grundsätzlich die besondere Bedeutung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks an, ihre Forderungen scheinen jedoch den
privatwirtschaftlichen Rundfunk als Ausgangspunkt zu nehmen und für den öffentlich-
rechtlichen Rundfunk besondere Rechtfertigungen zu suchen." (Voß, 2008, 49).
3.2.3 Der Rat der Europäischen Union (,,Ministerrat")
Der Rat der Europäischen Union ­ nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat -
wird auch als Ministerrat bezeichnet. Dieser Ministerrat ist formal das wichtigste
gesetzgebende Organ der EU (vgl. Zandonella, 2007, 75). Er besteht aus je einem
Vertreter eines jeden Mitgliedstaates auf Ministerebene, das bedeutet, dass er je nach zu
behandelndem Sachgebiet in unterschiedlicher Zusammensetzung tagt. Bekannt sind
hier vor allem der Rat der Wirtschaftsminister oder der Rat der Außenminister. Jeder
der im Rat vertretenen Minister handelt verbindlich für seine nationale Regierung.
Damit repräsentiert der Ministerrat also die Vertretung der Mitgliedstaaten im
politischen System der Europäischen Union (vgl. Weidenfeld, 2007, 46).
Im Bereich des Fernsehens in Europa ist der Ministerrat nur spärlich in Erscheinung
getreten. Lediglich bei Entscheidungen zu Gunsten von Fördermaßnahmen und bei der
Verabschiedung der Fernsehrichtlinie von 1989 sowie ihren Novellierungen war er
gesetzgeberisch tätig (vgl. Zimmer, 1993, 138-144). In jüngerer Vergangenheit
konzentrierten sich seine Aktivitäten eher auf technische Fragen, insbesondere auf den
Übergang vom analogen zum digitalen Sendestandard (vgl. Europäische Union, 2006).
Dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen stärkte der Ministerrat den Rücken, indem er in
einer Entschließung im Jahre 1999 die Kompetenz der Mitliedstaaten für dessen

19
Finanzierung anerkennt und darauf hinweist, dass für die Erfüllung des Auftrags auch
der technologische Fortschritt genutzt werden müsse (vgl. Voß, 2008, 47).
3.2.4 Der Europäische Rat
Der Europäische Rat ist das oberste Entscheidungsgremium der EU. Er setzt sich aus
den
Staats-
und
Regierungschefs
aller
Mitgliedstaaten
sowie
dem
Kommissionspräsidenten zusammen. Er tagt mindestens zweimal, in der Regel aber drei
bis viermal im Jahr (vgl. Wessels, 2007, 207). Dem Europäischen Rat obliegt die
politische Führung, er legt also die allgemeinen politischen Leitlinien fest und
entscheidet, welche Projekte die EU in Zukunft angehen will (vgl. Weidenfeld,
2007, 45). Damit gibt er wichtige Impulse zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft.
Der Europäische Rat hat also in der EU die Richtlinienkompetenz inne, aber im
Gegensatz zum Ministerrat entscheidet er keine Einzelheiten im Rahmen der
europäischen Gesetzgebung (vgl. Zandonella, 2007, 29). Aus diesem Grund tritt er auch
nicht in Erscheinung, wenn es um Detailfragen wie das Fernsehen in Europa geht.
3.2.5 Der Europäische Gerichtshof (EuGH)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH, nicht zu verwechseln mit dem EGMR des
Europarats) ist die Judikative im System der Europäischen Union. Er ist Verfassungs-,
Verwaltungs-, Zivil- und Schiedsgericht in einem und setzt sich aus derzeit 27 Richtern
(einer je Mitgliedstaat) zusammen (vgl. Zandonella, 2007, 53f).
Die Aufgabe des EuGH ist die Wahrung des primären und sekundären Rechts bei der
Anwendung und Auslegung der Gemeinschaftsverträge, einschließlich der von der
Union abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (vgl. Magiera/Trautmann,
2007, 197f). Dazu gehört auch die Feststellung möglicher Verstöße von Mitgliedstaaten
oder EU-Organen gegen das EU-Recht (vgl. Weidenfeld, 2007, 49).
Im Laufe der Geschichte hat der EuGH des Öfteren eine aktive Rolle bei der Bewertung
von Fragen rund um das Fernsehen in Europa eingenommen und war damit vor allem in
seinen Urteilsbegründungen wegweisend für so manche Entwicklung auf diesem
Gebiet. Bis hinein in die 80er Jahre, als das Engagement der Gemeinschaft für eine
gemeinsame Medienpolitik bestenfalls in den Kinderschuhen steckte, war der EuGH die
einzige Instanz, die in Fernsehfragen wenigstens schlichten konnte (vgl. Zimmer,
1993, 150).
Schon 1974 fällte er im so genannten Sacchi-Urteil eine Entscheidung, die ganz
essentiell war: ganz nebenbei erklärte er dabei nämlich in seiner Urteilsbegründung den
Rundfunk zu einer Dienstleistung (vgl. EuGH, 1974) und ebnete damit den Weg dafür,
dass sich die Europäische Union dem Fernsehen überhaupt erst annehmen konnte.
Ausgehend von dieser Qualifikation des Fernsehens als Dienstleistung entstanden
weitere Diskussionen, wie beispielsweise die Anwendung des Wettbewerbsrechts,
Beihilfebestimmungen oder des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf öffentlich-
rechtliche Sendeanstalten in Europa.

20
Dem Sacchi-Urteil folgten weitere Entscheidungen, die das Fernsehen vor allem in
wettbewerbs-
und
urheberrechtlichen
Aspekten
tangierten
(vgl. Höfling/Möwes/Pechstein,
1991,
220-229).
Die
ersten
Fragen
des
grenzüberschreitenden Fernsehens klärte der EuGH 1980, indem er in seinem Debauve-
Urteil erklärte, es sei rechtmäßig, Rundfunksendungen mit darin enthaltener Werbung
von einem Mitgliedstaat in einen anderen auszustrahlen, auch wenn im Empfangsstaat
schärfere Werberegeln gelten und die dort ansässigen Fernsehveranstalter diese Regeln
befolgen müssen. Eine Diskriminierung im Sinne des EWG-Vertrages liege hier nicht
vor. Außerdem bekräftige der EuGH im Debauve-Urteil noch einmal den
Dienstleistungscharakter des Rundfunks (vgl. EuGH, 1980).
Als Mitte der 80er Jahre in vielen Ländern der EU ein duales Rundfunksystem aus
öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern entstand, verlagerte sich der Schwerpunkt
der Rechtsprechung des EuGH in diese Richtung. Als sich einige private Veranstalter
bei der Kommission über Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der Öffentlich-
Rechtlichen beschwert hatten, die Kommission aber keinerlei Anstalten machte, sich der
Sache anzunehmen, reichten der spanische Privatsender Telecino eine Untätigkeitsklage
gegen die Kommission ein. Die Spanier bekamen recht, woraufhin die Kommission erst
begann, sich mit der Problematik Gebührenfinanzierung und daraus möglicherweise
entstehenden Wettbewerbsverzerrungen zu beschäftigen (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 233f).
Allerdings war das Urteil nicht ausnahmslos nach dem Geschmack der ursprünglichen
Kläger. Denn der ,,EuGH stellte klar, dass ein Fernsehen mit pluralistischen und nicht
kommerziellen Inhalten ein anerkennenswertes Ziel nationaler Rundfunkpolitik sei und
als solches Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann"
(Voß, 2008, 47).
Darüber hinaus musste sich der EuGH in mehreren Vertragsverletzungsverfahren mit
der Umsetzung der Fernsehrichtlinie in einigen Mitgliedstaaten befassen (vgl. Holtz-
Bacha, 2007, 115).
Bei allen rundfunkpolitischen Entscheidungen bleibt für die Richter des Europäischen
Gerichtshofes grundsätzlich immer das Dilemma der Diskrepanz zwischen dem rein
wirtschaftlichen Ansatz, den die EU verfolgen muss, um überhaupt zuständig zu sein,
und dem kulturell bedeutsamen Gegenstand Fernsehen, dem man mit einer
ausschließlich wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht gerecht werden kann
(vgl. Zimmer, 1993, 150f). In letzter Zeit hat sich hier allerdings auch ein Wandel
vollzogen, der EuGH erkennt nun stärker den kulturellen Aspekt und die Bedeutung
insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den Pluralismus an. ,,Bisher hatte
der EuGH bei Kompetenzkonflikten eine allgemeine Kompetenzvermutung zugunsten
der Gemeinschaft angenommen. Inzwischen ist er stärker bemüht, auch Grenzen der
Gemeinschaftskompetenzen festzulegen" (Dörr, 1997, 10).

21
3.3 Die einzelnen Staaten Europas
Natürlich haben auch die einzelnen Staaten Europas Einfluss auf die europäische
Medienpolitik. Allerdings mussten sie im Laufe der Zeit ­ ob freiwillig oder nicht ­
immer mehr Kompetenzen an übergeordnete Institutionen abgeben. Trotzdem
verbleiben bestimmte Rechte auf nationaler Ebene. Eine völlige Harmonisierung der
Gesetzgebung, beispielsweise durch eine allumfassende Regelung der EU, wäre weder
rechtlich noch praktisch denkbar. Aus rechtlicher Sicht spricht dagegen, dass Fernsehen
als Kulturgut definiert ist und die Kulturhoheit bei den Mitgliedstaaten liegt. Darüber
hinaus ließe sich eine derartige Harmonisierung auch praktisch sehr schwer lösen, da
die jeweiligen nationalen medienrechtlichen Vorschriften untereinander äußerst stark
abweichen, was vor allem auf die großen Unterschiede in Geschichte und Tradition der
einzelnen Staaten zurückzuführen ist (vgl. Ukrow, 1997, 99). Die Europäische Union
hat sich in Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union
(vgl. Europäische Union, 2008) verpflichtet, diesen Reichtum ihrer kulturellen und
sprachlichen Vielfalt zu wahren.
Neben dieser Möglichkeit, auf nationaler Ebene Regelungen im Bereich des Fernsehens
festzusetzen, haben die Staaten Europas aber auch Gelegenheit, sich durch ihre
Vertretungen in den supranationalen Organisationen in den Gesetzgebungsprozess
einzubringen und so die Medienpolitik auf europäischer Ebene aktiv zu beeinflussen.
3.4 Die European Broadcasting Union (EBU)
Noch bevor sich Europarat und Europäische Gemeinschaft über das Fernsehen in
Europa Gedanken machten, kam in diesem Bereich großes Gewicht der European
Broadcasting Union (EBU) zu, ,,die als nichtgouvernementale Organisation ob ihres
,gebündelten
Sachverstands'
wesentlichen
Anteil
am
Zustandekommen
fernsehrelevanter Regelungen hat" (Zimmer, 1993, 69f). Für technische Entwicklungen
und Normierungen gilt das noch heute, in Bezug auf Regulierungsmaßnahmen hat die
EBU aber inzwischen an direktem Einfluss verloren. Dennoch setzt sie sich in ihren
Positionspapieren nachhaltig für die öffentlich-rechtlichen Anstalten ein und betont
gegenüber Entscheidungsträgern der europäischen Politik immer wieder deren wichtige
Rolle für die Vielfalt in der europäischen Medienlandschaft (vgl. European
Broadcasting Union, 2009a und 2009b).
Die EBU ist die weltweit größte Vereinigung nationaler Rundfunkanstalten. Seit ihrer
Gründung im Jahre 1950 hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, Kooperationen zwischen
Rundfunkanbietern zu fördern und den staatenübergreifenden Austausch von
Produktionen und audiovisuellem Rohmaterial zu vereinfachen (vgl. European
Broadcasting Union, 2009a).
Aktuell sind der EBU heute 75 aktive Mitglieder aus 56 Staaten in und um Europa
angeschlossen, dazu gehören auch Stationen aus Nordafrika, dem Nahen Osten und der
ehemaligen Sowjetunion (vgl. Bourdon, 2007, 264). Hinzu kommen noch 43 so
genannte assoziierte Mitglieder aus der ganzen Welt.

22
Die Voraussetzungen für eine Vollmitgliedschaft sind streng und vor allem so definiert,
dass sie nur auf Public-Service-Broadcaster zutreffen. Um Vollmitglied sein zu können,
muss ein Fernsehveranstalter
§
in einem Mitgliedstaat der International Telecommunication Union (ITU, eine
Organisation der Vereinten Nationen) oder einem Mitgliedstaat des Europarates
beheimatet sein und dort Programm mit nationalem Charakter bereitstellen
§
von praktisch allen nationalen Haushalten empfangen werden können
§
Programm für alle Gesellschaftsschichten anbieten, also auch für Minderheiten
§
den Programminhalt größtenteils aus Eigenproduktionen bestücken
§
frei von jeglichen Verbindungen zu Sportrechteagenturen sein, die beim Erwerb
solcher Rechte mit der EBU konkurrieren
(vgl. Europan Broadcasting Union, 2007)
Diese Kriterien schließen eine Vollmitgliedschaft privater Anbieter praktisch aus. Sie
wurden aber erst 1988 in dieser Form in die Statuten aufgenommen, so dass es heute
durchaus vereinzelte private Anbieter in der EBU gibt, die noch vor 1988 beigetreten
sind. Diese erfüllen zwar nicht die heuten Eintrittsvoraussetzungen, können nachträglich
aber nicht gekündigt werden (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 47).
Bekannt ist die EBU vor allem durch ihre so genannten Eurovisionssendungen. Die
allererste dieser Sendungen fand 1953 statt, als die Zeremonie zur Krönung von Queen
Elizabeth II. in London live in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden
ausgestrahlt wurde (vgl. Flowers, 2007, 2).
Die meisten Zuschauer generiert jedes Jahr der ,,Eurovision Song Contest", der
zeitgleich in vielen europäischen Ländern live ausgestrahlt wird. Auch die Sendung
,,Wetten, dass...?" ist eine solche Koproduktion mehrerer europäischer
Rundfunkanstalten (in diesem Fall ZDF, SF und ORF), die von der EBU technisch und
organisatorisch unterstützt wird. Im Mittelpunkt dieser Kooperationen steht aber nach
wie vor die Organisation und Zusammenarbeit bei Sportereignissen, wie zum Beispiel
Fußball-Weltmeisterschaften (vgl. Hasebrink/Herzog, 2000, 116). In diesem
Zusammenhang ist auch anzumerken, dass es insbesondere die EBU war, die im Jahr
1989 den Spartensender Eurosport ins Leben rief (vgl. Gripsrud, 2007, 485f).
Was dem Zuschauer in der Regel verborgen bleibt, ist das eigentliche Herzstück der
EBU, nämlich der Programm- und Materialaustausch, der unter dem Namen
,,Eurovision News Exchange" (EVN) zur Verfügung gestellt wird. Ursprünglich als eine
Art europäische Nachrichtenagentur geplant, die ganze Beiträge im Angebot hat,
entwickelte sich dieser Service bald zu einem täglich neu bestückten Pool aus
Rohmaterial, aus dem sich alle Vollmitglieder kostenlos bedienen dürfen (vgl. Bourdon,
2007, 267). Dies geschieht nach dem Prinzip ,,do ut des" zur gemeinsamen
Nutzenmaximierung. Die Kooperation basiert also auf dem Einvernehmen, dass
Mitglieder anderen Mitgliedern auf der Grundlage der Gegenseitigkeit einen Überblick
der wichtigsten Ereignisse in ihrem Land, die auch von Interesse für andere Länder
sind, zur Verfügung stellen. Auf diese Weise gelangen alle EBU-Vollmitglieder günstig
an audiovisuelles Rohmaterial aus dem Ausland, das sie in Eigenregie nur unter

23
erheblichem Kostenaufwand bekommen hätten (vgl. Zimmer, 1993, 219). Das heißt
also, dass ein Großteil der Nachrichtenfilme über Auslandsereignisse, die die
Mitgliedsstationen in ihren jeweiligen nationalen Nachrichtensendungen anbieten, auf
identischem Ausgangsmaterial basiert und vieles, was wir im nationalen Fernsehen
sehen, ist europäischer, als wir glauben (vgl. Gripsrud, 2007, 485).
Im Gegensatz zu den Vollmitgliedern haben assoziierte Mitglieder keinen
unentgeltlichen Zugang zum EVN-Material (vgl. European Broadcasting Union, 2007).
Ordnungspolitisch ist die EBU heute nicht mehr von großer Bedeutung. Ihre starke
Stellung auf diesem Gebiet in den 80er Jahren bezog sie im Wesentlichen ,,aus der
Abwesenheit bzw. den Verzögerungen entsprechender Initiativen durch den Europarat
und der EG. Als Zusammenschluss vornehmlich öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten
in Europa konnte sie relativ schnell Lösungsvorschläge in verschiedenen
neuentstandenen Problemfeldern ausarbeiten. Allerdings offenbarten sich bereits in
diesem Kreis kaum zu vereinbarende Interessensdivergenzen und eine nur geringe
normative Kraft der Beschlüsse, die über den Organisationsrahmen hinaus keinerlei
Wirkung entfalteten" (Zimmer, 1993, 81).
3.5 Außereuropäische Institutionen
Neben offiziellen Akteuren auf europäischer Ebene gibt es natürlich noch eine ganze
Reihe weiterer Organisationen, die ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung des
Fernsehens in Europa hatten oder noch haben.
Die Welthandelsorganisation (WTO) hat den audiovisuellen Sektor in den allgemeinen
Liberalisierungsrahmen einbezogen. In ihrer Übereinkunft GATS (,,General Agreement
on Trade and Services" wird der Rundfunk als ganz normale Dienstleistung eingestuft
(vgl. Pauwels/Loisen, 2004, 489). Dies geschah insbesondere auf Betreiben der USA,
die die europäischen Fördermaßnahmen traditionell als Ausdruck einer überholten
protektionistischen Politik ansehen, ,,die am Ende den Konsumenten eine echte
Wahlfreiheit vorenthält" (Pauwels/Loisen, 2004, 490). Europäische Institutionen, unter
anderem die Kommission der EU, vertreten auf internationaler Ebene aber den
Standpunkt, dass der Wert von Kultur über den reinen Marktwert hinaus geht. Daher
versuchten sie lange Zeit, für den Rundfunksektor eine so genannte ,,exception
culturelle" zu erwirken (vgl. Bourdon, 2007, 269). Dies war nicht von Erfolg gekrönt.
Mit ihrer Unterschrift unter GATS unterwerfen sich die Unterzeichnerstaaten dem
Prinzip des ,,universal coverage", das bedeutet, dass ,,das Übereinkommen (...)
grundsätzlich in allen Dienstleistungssektoren gültig [ist]. Solange es keine spezifischen
Vereinbarungen über den kulturellen Status audiovisueller Dienstleistungen gibt, fällt
dieser Bereich (...) ebenfalls unter die Mechanismen und Prinzipien der GATS-
Vereinbarung" (Pauwels/Loisen, 2004, 491). Dies bedeutet, dass alle Unterzeichner
daran arbeiten müssen, den Wettbewerb auch auf dem Gebiet des Fernsehens weiter zu
liberalisieren. Die Mehrzahl der an GATS beteiligten Länder machen derzeit noch
Gebrauch von einigen Einschränkungen, die GATS erlaubt. Unter anderem sind viele,
auch die EU, ,,noch keinerlei Verpflichtungen eingegangen, was die Liberalisierung des

24
Marktzugangs und der nationalen Regelungen im audiovisuellen Bereich betrifft"
(Pauwels/Loisen, 2004, 491).
In den Vereinten Nationen (UNO) ,,werden rechts- und gesellschaftspolitisch Fragen der
Informationsordnung in erster Linie im Wirtschafts- und Sozialrat behandelt
(vgl. Tietje, 2004, 18). Einen allerersten Schritt in Richtung einer internationalen
Medienpolitik legte die UNO bereits 1948 mit der ,,Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte", die in ihrem Artikel 19 die Meinungs- und Informationsfreiheit
anerkennt. Informationen und Gedanken dürfen demnach über Medien jeder Art ohne
Rücksicht auf Grenzen gesucht, empfangen und verbreitet werden (vgl. Vereinte
Nationen, 1948).
Die UNESCO ist eine rechtlich selbstständige Sonderorganisation der UNO. Sie
beschäftigt sich unter anderem intensiv mit Fragen der Informationsordnung und
unterhält seit 1990 das Sonderprogramm ,,Communication and Information". Sie wurde
gegründet, um gemäß dem Artikel 19 der UNO-Menschenrechtserklärung Meinungs-
und Informationsfreiheit zu unterstützen. Weiterhin soll sie dabei helfen, Vielfalt und
kulturelle Unterschiede in den Medien zu erhalten und als es als langfristiges Ziel allen
Menschen ermöglichen, Zugang zu Informationstechnologien zu bekommen
(vgl. UNESCO, 2009). Zum GATS-Abkommen der WTO nimmt die UNESCO eine
kritische Haltung ein, da sie auf die Doppelnatur des Rundfunks als Dienstleistung und
Kulturgut abstellt (vgl. Hesse, 2006, 41).
In Zeiten des Kalten Krieges spielte darüber hinaus auch die KSZE, die Konferenz über
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, eine Rolle. Diese staatenübergreifende
internationale Konferenz behandelte zwar in erster Linie Fragen der Sicherheitspolitik,
nahm sich aber auch Aspekten des Austauschs im Bereich Kultur an (vgl. Zimmer,
1993, 70). Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stand der Beitritt ehemaliger
Ostblockstaaten zur Europäischen Union zur Diskussion. Hier wurde in so genannten
Assoziierungsabkommen die Bedingungen festgehalten, die die in Frage kommenden
Staaten zu erfüllen hätten. In diesen Assoziierungsabkommen waren auch Forderungen
hinsichtlich einer zu garantierenden Informations- und Meinungsfreiheit enthalten.
Darüber hinaus verpflichteten sich diese Staaten, eine Medienpolitik zu betreiben, die
mit den Grundsätzen der EU vereinbar ist. Ausdrücklich wurde auch die Regulierung
des Rundfunksystems genannt (vgl. Europäische Kommission, 2005). Dadurch wurde
gewährleistet, dass in den Staaten, die der EU beigetreten sind, die Medienfreiheiten
verfassungsrechtlich abgesichert sind (vgl. Thomaß, 2007, 233). Allerdings muss
eingeräumt werden, dass ,,prägend für die Mediensysteme in Osteuropa ist, dass sie
vom Erbe der sozialistischen Ära belastet sind, welches sie mehr oder minder
erfolgreich überwunden haben oder noch dabei sind zu überwinden (Thomaß,
2007, 239). Dies gilt vor allem für den Rundfunksektor. Die öffentlich-rechtlichen
Veranstalter in solchen Ländern unterliegen oft nach wie vor gezielter staatlicher
Einflussnahme und sind finanziell von ihrer Regierung abhängig. Der private Sektor
dagegen wird von starken Konzentrationstendenzen geprägt, ,,was allein schon die
vollumfängliche Erfüllung der Anforderungen einer pluralen, demokratischen
Rundfunkordnung ausschließt" (Voß, 2008, 171).

25
4 Hier regelt Europa - Relevante Vorgaben für das Fernsehen auf
europäischer Ebene
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben die vorgestellten Einrichtungen auf europäischer
Ebene eine ganze Reihe von Vorgaben erarbeitet, so dass das europäische Medienrecht
mittlerweile nachhaltig in die jeweiligen nationalen Mediensysteme eingreift.
,,Aktivitäten europäischer Institutionen im Medienbereich sind vielfältig und
einschneidend. Sie beziehen sich vornehmlich auf den Rundfunk" (Thomaß, 2007, 219).
Leider waren die Anstrengungen, die dabei das Fernsehen tangierten, oftmals nicht
aufeinander abgeglichen, fragmentiert, unspezifisch und für die Entscheidungsträger in
den Rundfunkanstalten auch unberechenbar (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 315). Denn
relevant sind in diesem Bereich eine ganze Reihe von Gesetzen und Vorschriften. Auf
den folgenden Seiten soll daher auf die wichtigsten dieser Vorgaben näher eingegangen
werden.
4.1 Regelungen des Europarates
Verglichen mit den Aktivitäten der Europäischen Union ist auf Ebene des Europarates
eine relativ langsame Rechtsentwicklung festzustellen. Dennoch sind seine Regelungen
von großer Bedeutung, da er in geographischer Hinsicht über einen Einfluss verfügt, der
weit über den der EU hinausreicht (vgl. Dörr, 2004, 42). Für das Fernsehen sind vor
allem zwei seiner Übereinkommen von Interesse, nämlich die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie das Europäische Übereinkommen über das
grenzüberschreitende Fernsehen, das meist kurz als Fernsehkonvention oder auch
Fernsehübereinkommen (FsÜ) bezeichnet wird.
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Europarat keine unmittelbar geltenden
Rechtsakte erlässt. Die Mitgliedstaaten können jeweils entscheiden, ob sie einem
Abkommen beitreten wollen oder nicht (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 51).
4.1.1 Die Europäische Konvention für Menschenrechte (EMRK)
Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
kurz Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist das erste Übereinkommen,
das je vom Europarat erarbeitet wurde. Bereits seit 1950 garantiert diese Konvention die
darin niedergeschriebenen Rechte allen Menschen, die sich im Hoheitsgebiet aller
Mitgliedstaaten des Europarats aufhalten. Es handelt sich dabei vor allem um die
klassischen Freiheitsrechte, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
(vgl. Gimbal, 2007b, 160-162).
Über die Einhaltung dieser Rechte wacht der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte
(EGMR).
Gimbal
(2007b,
160)
bezeichnet
den
Durchsetzungsmechanismus der EMRK als ,,einzigartig", denn die Bürger haben auf
dem Weg der so genannten Individualbeschwerde einen direkten Zugang zum Ständigen
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der von nationalen Instanzen unabhängig
ist. Damit verfügt die EMRK im Vergleich zu anderen internationalen

26
Menschenrechtspakten über einen wirksameren Mechanismus zur Durchsetzung der
gewährleisteten Rechte. Das Urteil des EGMR ist endgültig und für die betroffenen
Mitgliedstaaten bindend (vgl. Gimbal, 2007b, 161f).
Zu den Grundrechten, die die EMRK gewährt, gehören auch solche, die den
Fernsehbereich tangieren. Konkret sind dies vor allem das Recht auf freie
Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) sowie das Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens (Art. 8 EMRK).
Der Art. 10 EMRK betont inhaltlich in allererster Linie das Recht jeder Person auf freie
Meinungsäußerung, welches auch die Freiheit mit einschließt, ,,Informationen und
Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen
und weiterzugeben" (Art. 10, Abs. 1). Allerdings gesteht die EMRK im gleichen Absatz
den Staaten zu, für Radio-, Fernseh- und Kinounternehmen eine Genehmigung
vorzuschreiben. Auch werden in Abs. 2 des Artikel 10 weitere Einschränkungen der
Medienfreiheit genannt. Insbesondere wird die Tatsache betont, dass diese Freiheit ,,mit
Pflichten und Verantwortung verbunden" ist und daher weiteren Formvorschriften und
Bedingungen unterworfen werden kann. Dies wirkt problematisch, denn einerseits
garantiert Art. 10 Abs. 1 jedem Bürger das Recht, sich seine Meinung frei zu bilden,
was für die Rundfunkfreiheit in der Konsequenz bedeuten müsste, dass staatliche
Indoktrinierung unzulässig ist (vgl. Klein, 2006, 14). Andererseits überlässt Art. 10 Abs.
2 den Staaten die Kontrolle über die Ordnung des Rundfunkwesens. Vor allem das
Beispiel Russlands zeigt, welche negativen Auswirkungen diese möglichen Einschnitte
des Staates auf Pluralität und Rundfunkfreiheit haben können (vgl. Klein, 2006, 14 und
Voß, 2008, 171). Grundsätzlich geht der Europarat aber davon aus, dass dem Staat
durch eben diesen Abs. 2 des Art. 10 eine Schutzpflicht zuteil wird, so dass er dadurch
nicht nur berechtigt, sondern sogar dazu verpflichtet wird, ,,ein Ordnungsgerüst für die
Veranstaltung von Rundfunk zu etablieren und dessen Beachtung zu überwachen"
(Klein, 2006, 15). Die Rechtsprechung des EGMR hat außerdem mehrfach gezeigt, dass
er in seiner Auslegung des Art. 10 vor allem zwei Aufgaben der Medien schützt. Zum
einen sichert er ihre Informationsaufgabe im Dienste der politischen Meinungs- und
Willensbildung, zum anderen stärkt er sie in ihrer Kommentierungs- und
Kontrollfunktion gegenüber Staat und Wirtschaft (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 61).
Insgesamt kann also festgehalten werden, dass Art. 10 der EMRK die Doppelnatur des
Staates einkalkuliert, der Gefährder und Garant der Rundfunkfreiheit zugleich sein
kann (vgl. Klein, 2006, 15).
Art. 10 zielt insbesondere auf den Schutz der individuellen Meinungsfreiheit des
Einzelnen ab (vgl. Voß, 2008, 280). Dies beinhaltet natürlich auch die Freiheit eines
Medienschaffenden, seine Meinung durch die Medien frei zu äußern. In dieser Hinsicht
sind mehrere Urteile des EGMR interessant, in denen jeweils der österreichische
Journalist Gerhard Oberschlick im Mittelpunkt stand. Oberschlick war von 1986 bis
1995 Herausgeber der Zeitung FORVM und hatte darin mehrfach in deutlichen Worten
Politiker der rechtpopulistischen ÖVP aufgrund ihrer rassistischen Äußerungen
angeprangert.
Konkret ging es im ersten Oberschlick-Fall um die Veröffentlichung einer Strafanzeige
gegen einen ÖVPler wegen Volksverhetzung. Oberschlick hatte diese Strafanzeige

27
selbst gestellt und daraufhin im FORVM veröffentlicht, obwohl es nicht zu einer
strafrechtlichen Verurteilung des Politikers gekommen war (vgl. Bröhmer, 1997, 86).
Dennoch entscheid der EGMR zu Gunsten Oberschlicks. In seiner Begründung führte
das Gericht aus, dass die Freiheit der Meinungsäußerung wegen des bestehenden
öffentlichen Interesses an einer freien politischen Diskussion dem Schutz des guten
Rufes eines Politikers vorgehen müsse (vgl. EGMR, 1991).
Mit Urteilen wie diesem stellte der EGMR immer wieder klar, dass ,,die Schutzwirkung
des Art. 10 EMRK (...) umso weitreichender [ist], je näher die zu schützende
Kommunikation Teil des politischen Diskurses ist" (Bröhmer,1997, 89), so dass dann
andere Rechtsgüter unter Umständen zurücktreten müssen.
Hinsichtlich der Rundfunkfreiheit stellt Dörr (2004, 42) vor allem heraus, dass der Art.
10 EMRK diese nicht direkt erwähnt, sondern dass eine Rundfunkfreiheit lediglich
indirekt aus dem Recht auf individuelle Meinungs- und Informationsfreiheit abgeleitet
werden kann. Das ist Dörr zufolge der Grund dafür, dass der EGMR diesen Artikel
zunächst auch individualrechtlich ausgelegt hat und die Rundfunkfreiheit als eine Art
Unternehmerfreiheit ansieht. Damit erkennt er auch die Freiheit an, privaten Rundfunk
veranstalten zu dürfen.
Das bekannteste Urteil des EGMR in diesem Zusammenhang ist dasjenige im Fall
Informationsverein Lentia aus dem Jahr 1994, in dem es um das österreichische
Rundfunkmonopol ging. Die verschiedenen Beschwerdeführer, unter anderem der
Informationsverein Lentia, machten geltend, dass die damals noch pauschal geltende
Unmöglichkeit für Dritte, in Österreich Rundfunk zu veranstalten, gegen den Art. 10
EMRK verstoße. Das Gericht gab den Klägern recht und stellte klar, dass der Staat zwar
ein Genehmigungsverfahren vorschreiben könne, sich dieses aber auf technische
Bereiche zu beschränken hat. Sofern ein potentieller privater Rundfunkveranstalter
inhaltlich nicht gegen geltende Rechte verstößt und die nationale Sicherheit und
Demokratie des Landes nicht bedroht, ist es laut EGMR nicht zulässig, ihm pauschal die
Verbreitung seines Programms zu verbieten (vgl. Bröhmer, 1997, 89). Damit garantiert
der Art. 10 EMRK also auch das subjektive Recht auf Veranstaltung von privatem
Rundfunk.
In Artikel 8 der EMRK wird jeder Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und
Familienlebens einschließlich ihrer Wohnung und Korrespondenz zugeschrieben. Auch
in diesem Zusammenhang wurde der EGMR mehrfach angerufen. Der prominenteste
Fall der letzten Jahre war das so genannte Caroline-Urteil von 2004. Seit den 90er
Jahren war Caroline Prinzessin von Hannover, damals noch Caroline von Monaco,
konsequent mit Hilfe von Anwälten gegen die Veröffentlichung von Paparazzi-
Aufnahmen, die sie in ihrem Privatleben zeigten, vorgegangen. Es kam zu mehreren
Prozessen, die sich durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof, dem
Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
zogen. Der EGMR entschied schließlich in letzter Instanz, dass durch die
Veröffentlichung der Bilder Carolines Recht auf Achtung des Privatlebens und damit
Art. 8 EMRK verletzt worden sei (vgl. Voß, 2008, 282). Dieses Urteil wurde zum
Präzedenzfall und hat bis heute zur Folge, dass die europäische Presse mit nicht

28
unerheblichen Einschränkungen bei der Berichterstattung über das Privatleben von
Prominenten zurechtkommen muss.
Seiner Menschenrechtskonvention räumt der Europarat den allerhöchsten Stellenwert
ein, so dass die Bereitschaft zur Unterzeichnung und Ratifikation der EMRK
inzwischen ­ anders als bei allen anderen Konventionen - eine feste Beitrittsbedingung
für Staaten ist, die dem Europarat angehören möchten (vgl. Holtz-Bacha, 2006, 59).
4.1.2 Die Fernsehkonvention (FsÜ)
Im Vergleich zur EU begann der Europarat ziemlich früh, sich mit Fragen rund um den
grenzüberschreitenden Rundfunk zu beschäftigen. Seit dem Jahr 1981 hatte die
Parlamentarische Versammlung des Europarates mehrere Empfehlungen veröffentlicht,
die Regelungen im Medien- und insbesondere im Fernsehbereich vorschlugen.
Kulturelle Aspekte des Rundfunks fanden bei diesen Überlegungen besondere
Berücksichtigung. Aufbauend auf den Schriften der Parlamentarischen Versammlung
formulierte Mitte der 80er auch das Ministerkomitee mehrere Empfehlungen den
grenzüberschreitenden Rundfunk betreffend. Diese sollten schnellstmöglich zu einem
verbindlichen Rechtsinstrument verarbeitet werden (vgl. Zimmer, 1993, 87-89). Der
Grund für diesen selbst auferlegten Zeitdruck war in erster Linie die Tatsache, dass
inzwischen auch die Europäische Gemeinschaft an einer Regelung des
grenzüberschreitenden Fernsehens arbeitete, wobei ihr aber viele Staaten eine
Zuständigkeit auf diesem Gebiet absprechen wollten (vgl. Dörr, 2004, 73). Gerade mit
Blick auf das Fernsehen als Kulturgut hielten sie den Europarat als das bessere Forum
für eine solche Regelung und hofften, mit einer Europaratskonvention die
gesetzgeberische Aktivitäten der EG zu dieser Thematik überflüssig zu machen
(vgl. Zimmer, 1993, 99). Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt, auch die Europäische
Gemeinschaft hielt an ihrem Vorhaben fest, eine Richtlinie über den
grenzüberschreitenden Rundfunk einzuführen, die später als Fernsehrichtlinie bekannt
wurde. Da allerdings viele Staaten Europas in beiden Institutionen, Europarat und EG,
an der Ausarbeitung dieser Regelungen beteiligt waren und darüber hinaus auch vor der
Aufgabe standen, alle beide in ihren jeweiligen nationalen Rechtskanon übernehmen zu
müssen, war man gezwungen, einen Mittelweg zu finden, mit dem beide Gremien leben
konnten (vgl. Ukrow, 1997, 110). Das Ergebnis war dementsprechend ein Kompromiss,
,,die tatsächlich im März 1989 verabschiedete Konvention wurde letztendlich der
entsprechenden EG-Richtlinie weitgehend angepaßt" (Zimmer, 1993, 89). Der
Europarat erreichte zwar sein Ziel, im Jahr 1989 ,seine' Regelung vor derjenigen der
Europäischen Gemeinschaft fertig zu stellen (vgl. Zimmer, 1993, 104). Das Resultat
erntete aber einige Kritik, da der beschrittene Weg viel von seiner ursprünglichen
Stringenz verloren hatte.
,,Die Konvention in der vorliegenden Form kann relativ leicht die Zustimmung auch
unterschiedlicher politischer Richtungen finden, weil sie nichts verbaut, niemandem
wirklich durch Einschränkungen oder Auflagen wehtut, weil sie parallele abweichende
Regelungen in großer Liberalität (besser: Unverbindlichkeit) ausdrücklich zuläßt, und
weil sie ­ dies ist ausschlaggebend in einer ökonomisch ausgelegten Medienpolitik (...)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836641630
DOI
10.3239/9783836641630
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Wirtschafts und Sozialwissenschaften, Medien und Kommunikation
Erscheinungsdatum
2010 (Januar)
Note
1,3
Schlagworte
fernsehen medien europa europapolitik
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Titel: Flimmerndes Labyrinth - Das Fernsehen in Europa
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