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Mass Customization - Möglichkeiten und Grenzen kundenindividueller Massenproduktion im Rahmen von Internetgeschäftsmodellen

©2009 Diplomarbeit 99 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Um im Umfeld der heutigen Marktanforderungen mit einem gesteigerten Wettbewerbsdruck und einer zunehmenden Segmentierung der Märkte mithalten zu können, sehen sich Unternehmen gezwungen, neue Geschäftsstrategien zu verfolgen. Gründe auf der Nachfragerseite liegen hierfür in der zunehmenden Tendenz zur Informationsgesellschaft, die dem Kunden zu einer umfassenden Transparenz bei Preisvergleichen und einer starken Käuferposition verhilft. Damit die Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibt, rücken die Kundenbedürfnisse an erste Stelle der Überlegungen im Unternehmen. Reaktionen auf ein gestiegenes Anspruchsniveau der Kunden, bei gleichzeitiger Preissensibilität, machen neue Produktionsstrategien notwendig. Der Wunsch der Konsumenten nach Individualisierung in der persönlichen Lebensgestaltung wird immer stärker. An dieser Stelle setzt das Konzept der massenhaften Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen, im Folgenden Mass Customization genannt, an. Die Bedienung einer Vielzahl von Kundensegmenten mit einem Produktpreis, der einem Standardprodukt nahe kommt, wird durch individuelle Massenherstellung möglich. Mass Customization reagiert auf die neuen Ansprüche der Konsumenten und stellt jedem Kunden genau das Produkt zur Verfügung, welches er sich wünscht.
Eine kostengünstige Massenproduktion sowie kundenspezifische Leistungsangebote werden simultan verfolgt, Produktionsansätze, die noch bis in jüngere Zeit als nicht vereinbar galten. Der Einsatz von Kostenführerschaft oder Differenzierung als Geschäftsstrategie stellt im Allgemeinen unterschiedliche Anforderungen an die Produktionsverfahren sowie auch an die einzusetzenden Ressourcen. Nach Porter ist aus diesem Grund eine simultane Verfolgung ausgeschlossen. Die hybride Mass-Customization-Strategie wird dennoch möglich durch den weitreichenden Fortschritt im Technologiebereich. Moderne, flexible Produktionsverfahren und der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichen Zielsetzungen um Kosten- und Differenzierungsvorteile gleichzeitig zu verfolgen.
Eine besondere Unterstützung erfährt das Konzept der Mass Customization durch das Aufkommen des Electronic Business (E-Business), welches ‘durch informationstechnologische und organisatorische Vernetzung Prozesse entlang der Wertschöpfungskette unterstützt, optimiert und rekonfiguriert’. Das Erstellen einer großen Variantenvielfalt mit einem individuellen Produkt für jeden einzelnen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Corinna Hussmann
Mass Customization - Möglichkeiten und Grenzen kundenindividueller
Massenproduktion im Rahmen von Internetgeschäftsmodellen
ISBN: 978-3-8366-4146-3
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Siegen, Siegen, Deutschland, Diplomarbeit, 2009
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Abbildungsverzeichnis ... III
Abkürzungsverzeichnis ... III
1.
Einleitung ... 1
2.
Grundlagen der Mass Customization ... 3
2.1 Begriff und Merkmale der Mass Customization ... 3
2.2 Entwicklung des Mass-Customization-Konzeptes: Gesellschaftlicher
und technischer Hintergrund ... 6
2.3 Abgrenzung des Produktionskonzeptes zur Einzel-, Varianten- und
Massenfertigung ... 8
2.4 Abgrenzung zu anderen kundenindividuellen Produktionskonzepten ... 10
2.5 Mass-Customization-Abgrenzung im engeren und weiteren Sinne ... 12
2.6 Produktspezifikation bei Mass Customization ... 16
2.6.1 Produktkategorien bei individuellen Massenanfertigungen ... 16
2.6.2 Eignung von Produkten für den Verkauf im E-Commerce vor
dem Hintergrund des Dot-Com Retail Continuum nach de Figueiredo ... 19
2.7 Stand der Literatur zum Konzept der individuellen Massenproduktion ... 23
2.7.1 Literaturüberblick zum Mass-Customization-Konzept ... 23
2.7.2 Stand der Forschung zu Untersuchungen hinsichtlich Erfolgs-
wirksamkeit und Bedarf nach individuellen Produktions-
konzepten aus Konsumentensicht ... 25
3.
Umsetzung der Mass Customization und daraus resultierende
Möglichkeiten und Grenzen ... 30
3.1 Begriff und Merkmale von Internet- und Mass-Customization-
Geschäftsmodellen ... 30
3.1.1 Besonderheiten der Internetgeschäftsmodelle ... 30
3.1.2 Geschäftsmodelle von Mass Customization ... 32

II
Inhaltsverzeichnis
3.2 Mass Customization als hybride Wettbewerbsstrategie ... 37
3.2.1 Die generischen Wettbewerbsstrategien nach Porter ... 37
3.2.2 Entwicklung hybrider Wettbewerbsstrategien ... 41
3.3 Leistungserstellungsbezogene Aspekte der individuellen Massenproduktion ... 44
3.3.1 Integrierte Wertschöpfungskette und Prozessflexibilität ... 44
3.3.2 Datenerhebung und Informationsmanagement ... 47
3.3.3 Produktion ... 50
3.3.4 Distribution ... 54
3.4 Produktbezogene Aspekte der individuellen Massenproduktion ... 56
3.4.1 Technische Umsetzung und Konfigurationssysteme ... 56
3.4.1.1 Flexible Fertigungstechnologien ... 56
3.4.1.2 Modulare Organisationsprinzipien ... 61
3.4.2 Wertzuwachs von Mass Customization in Abhängigkeit vom
Individualisierungsgrad ... 63
3.5 Absatzbezogene Aspekte der individuellen Massenproduktion ... 65
3.5.1 Absatzplanung ... 65
3.5.1.1 Kommunikationspolitik und Konfigurationspolitik ... 65
3.5.1.2 Preispolitik ... 70
3.5.2 Potenziale der Kundenbindung und Learning Relationships ... 73
3.5.3 Aufbau von Kundenvertrauen ... 78
3.5.4 Eignung von Mass Customization in Abhängigkeit von der
Art der Produktkategorie ... 82
4.
Fazit und Ausblick auf zukünftige Entwicklungen ... 85
Literaturverzeichnis ... 89

III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Konzeptionen der Mass Customization ...
Abbildung 2: Mass-Customization-Strategien im E-Business ...
Abbildung 3: Abgrenzung von Mass-Customization-Geschäftsmodellen im Internet ...
Abbildung 4: Beispiele für Mass-Customization-Geschäftsmodelle ...
Abbildung 5: Modell einer Wertkette ...
Abbildung 6: Die Mass-Customization-Wertkette ...
Abbildung 7: Der Informationskreis der Mass Customization ...
Abbildung 8: Ausprägungen der X-to-order Leistungserstellung ...
Abbildung 9: Komponenten eines CIM-Systems ...
Abbildung 10: Konfigurationsvorgang bei der Bestellung einer Bluse im Dolzer-Online-Shop ...
Abbildung 11: Der Mass-Customization-Marketing-Mix ...
Abbildung 12: Kundenbindungsmatrix...
Abbildung 13: Phasen des Mass-Customization-Kaufvorgangs ...
Abkürzungsverzeichnis
AWF
Ausschuss für Wirtschaftliche Fertigung e.V.
bzgl.
bezüglich
CAC
Computer Aided Communication (computergestützte Kommunikationsprozes-
se; Modul des CIM-Konzepts)*
CAD
Computer Aided Design (computergestützte Entwicklung; Modul des CIM-
Konzepts) *
CAM
Computer Aided Manufacturing (computergestützte Fertigung; Modul des
CIM-Konzepts) *
CAP
Computer Aided Planning (computergestützte Arbeitsplanerstellung/ Ferti-
gungsprogrammierung; Modul des CIM-Konzepts) *
CAQ
Computer Aided Quality Assurance (computergestützte Qualitätsüberwachung;
Modul des CIM-Konzepts) *
CAS
Computer Aided Selling (computergestützter Verkauf; Modul des CIM-
Konzepts) *
CIM
Computer Integrated Manufacturing (computerintegrierte Fertigung) *
CNC
Computerized Numerical Controlled (computergestützte Steuerung von Ferti-
gungssystemen) *

IV
Abkürzungsverzeichnis
CRM
Customer Relationship Management (Beziehungs- bzw. Kundenbindungsma-
nagement) *
DEPV
Design for Product Variation (Verfahren zur Unterstützung der Entwicklung
und Bewertung von Produktvarianten) *
DFMC
Design for Mass Customization (Verfahren zur Unterstützung der Entwicklung
und Bewertung von Produktvarianten im Rahmen der kundenindividuellen
Massenproduktion) *
E-Business
Electronic Business
E-Commerce Electronic Commerce
E-Customer Electronic Customer
E-Logistik
Electronic Logistik
IuK
Information- und Kommunikation
MC
Mass Customization
OES
Open Engineering System (Verfahren zur Unterstützung der Entwicklung und
Bewertung von Produktvarianten) *
PPS
Produktionsplanung und ­steuerung
u.a.
unter anderem
USP
Unique Selling Proposition
vgl.
vergleiche
VMEA
Variant Mode and Effects Analysis (Verfahren zur Unterstützung der Entwick-
lung und Bewertung von Produktvarianten) *
z.B.
zum Beispiel
(* Entnommen aus Piller 2006,
XXIII/XXIIV)

1
1. Einleitung
Um im Umfeld der heutigen Marktanforderungen mit einem gesteigerten Wettbewerbsdruck
und einer zunehmenden Segmentierung der Märkte mithalten zu können, sehen sich Unter-
nehmen gezwungen, neue Geschäftsstrategien zu verfolgen. Gründe auf der Nachfragerseite
liegen hierfür in der zunehmenden Tendenz zur Informationsgesellschaft, die dem Kunden zu
einer umfassenden Transparenz bei Preisvergleichen und einer starken Käuferposition ver-
hilft. Damit die Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibt, rücken die Kundenbedürfnisse an erste
Stelle der Überlegungen im Unternehmen. Reaktionen auf ein gestiegenes Anspruchsniveau
der Kunden, bei gleichzeitiger Preissensibilität, machen neue Produktionsstrategien notwen-
dig. Der Wunsch der Konsumenten nach Individualisierung in der persönlichen Lebensgestal-
tung wird immer stärker. An dieser Stelle setzt das Konzept der massenhaften Individualisie-
rung von Produkten und Dienstleistungen, im Folgenden Mass Customization genannt, an.
Die Bedienung einer Vielzahl von Kundensegmenten mit einem Produktpreis, der einem
Standardprodukt nahe kommt, wird durch individuelle Massenherstellung möglich. Mass
Customization reagiert auf die neuen Ansprüche der Konsumenten und stellt jedem Kunden
genau das Produkt zur Verfügung, welches er sich wünscht.
Eine kostengünstige Massenproduktion sowie kundenspezifische Leistungsangebote werden
simultan verfolgt, Produktionsansätze, die noch bis in jüngere Zeit als nicht vereinbar galten.
Der Einsatz von Kostenführerschaft oder Differenzierung als Geschäftsstrategie stellt im
Allgemeinen unterschiedliche Anforderungen an die Produktionsverfahren sowie auch an die
einzusetzenden Ressourcen. Nach Porter ist aus diesem Grund eine simultane Verfolgung
ausgeschlossen (vgl. 2000, 44). Die hybride Mass-Customization-Strategie wird dennoch
möglich durch den weitreichenden Fortschritt im Technologiebereich. Moderne, flexible
Produktionsverfahren und der verstärkte Einsatz von Informations- und Kommunikations-
technologie ermöglichen Zielsetzungen um Kosten- und Differenzierungsvorteile gleichzeitig
zu verfolgen.
Eine besondere Unterstützung erfährt das Konzept der Mass Customization durch das Auf-
kommen des Electronic Business (E-Business), welches ,,durch informationstechnologische
und organisatorische Vernetzung Prozesse entlang der Wertschöpfungskette unterstützt,
optimiert und rekonfiguriert" (Grasmugg 2006, 2). Das Erstellen einer großen Variantenviel-
falt mit einem individuellen Produkt für jeden einzelnen Abnehmer, macht eine starke Inter-
aktion zwischen Abnehmer und Anbieter unerlässlich. Nur durch die Verbindung des E-
Business mit dem World Wide Web (im folgenden Internet genannt) kann die erhebliche
Informationsdichte kosteneffizient verarbeitet werden (vgl. Grasmugg 2006, 2).

2
Vor dem Hintergrund des dargestellten Produktionskonzeptes sind in der jüngeren Vergan-
genheit viele attraktive Geschäftsmodelle im Internet entstanden. Mass-Customization-
Produkte werden teilweise oder ausschließlich über elektronische Netzwerke (Verbindung mit
dem World Wide Web, nach Wirtz ,,handelt es sich um die Kombination und Agglomeration
physischer Verbindungen, durch welche elektronische Impuls- und Datentransfers vollzogen
werden können" (2000, 29)) vermarktet. Pioniere im Mass-Customization-Geschäft waren
u.a. große Markenunternehmen wie adidas mit individuellen Schuhen unter dem Label mi
adidas oder Dell mit der Vermarktung von individuell zusammengesetzten Computern. Aber
seit einigen Jahren kommen vor allem unbekannte Anbieter mit Mass-Customization-
Produkten auf den Markt. Sie sehen Mass Customization nicht als Absatzkanal für ein zusätz-
liches Produkt, sondern als Möglichkeit, eine einzelne Leistung zielgerichtet und ausschließ-
lich über das Internet an den Kunden zu vermarkten. Ein Besuch in einer Filiale ist nicht mehr
nötig. Vor allem letztere Geschäftsmodelle sind im Folgenden relevant.
Die Zusammenführung von Massenfertigung und Individualisierung stellt eine vielverspre-
chende Option auf dem Weg zur Generierung neuer Wettbewerbsvorteile für Unternehmen
dar. Aus diesem Grund bekommt das Mass-Customization-Konzept seit einiger Zeit große
Aufmerksamkeit und wird in der Literatur vielfach diskutiert. Doch die meisten der Beiträge
konzentrieren sich vornehmlich auf die Erfolgspotenziale, suggerieren eine einfache Umset-
zung und die Eignung des Konzeptes für jede Produktkategorie. Vor diesem Hintergrund geht
die folgende Untersuchung, neben der Potenzialentdeckung, der Frage nach, welchen Heraus-
forderungen ein Unternehmen bei der Entwicklung und Vermarktung eines Mass-
Customization-Produktes ausgesetzt ist. Die notwendigen, weitreichenden organisatorischen
Veränderungen im Unternehmen werden genauso aufgeführt wie entstehende Implementie-
rungs- und Komplexitätskosten. Abgewägt werden die zusätzlichen Investitionen gegen die
erfolgversprechenden Bestandteile, welche kundenindividuelle Massenproduktion (deutsche
Übersetzung nach Piller 1997, 16) für Unternehmen bürgen. Dies geschieht stets vor dem
Hintergrund der Bedarfsfrage der Konsumenten nach individuellen Produkten. Die besonde-
ren Eigenschaften individueller Massenprodukte werden mit den Anforderungen der Abneh-
mer verglichen. Auch zusätzlich anfallende Belastungen, die für den Abnehmer anfallen, wie
der aufwändige Konfigurationsvorgang zur Erfassung der Wünsche und die länger Wartezeit,
bis das Produkt zur Verfügung steht, werden ermessen.
Ein weiteres zentrales Ziel dieser Arbeit ist, nicht nur die Möglichkeiten und Grenzen der
Mass Customization aufzuzeigen, sondern herauszuarbeiten in welchen Produktsegmenten
eine Einführung sinnvoll ist. Durchgeführt wird diese Untersuchung vor dem Hintergrund,
dass nicht jedes Produkt für die individuelle Massenproduktion geeignet ist. Aus diesem

3
Grund werden im Folgenden ausschließlich Sachgüter untersucht und keine Dienstleistungen.
Des Weiteren beziehen sich die Ausführungen ausschließlich auf Business-to-Consumer-
Märkte.
Zu Beginn der Arbeit wird zunächst ein Überblick über konzeptionelle Grundlagen der Mass
Customization geschaffen und Abgrenzungen zu anderen Fertigungsmethoden gegeben. Des
Weiteren werden Produkte, welche individuell abgesetzt werden, definiert, Eigenschaften, die
sie zum Verkauf im Internet qualifizieren, sowie ein Überblick der aktuellen und länger
zurückliegenden Literatur gegeben.
Auf dieser Basis werden in Kapitel 3 Besonderheiten des Mass Customization als Form
unternehmerischer Wertschöpfung in den Bereichen Leistungserstellung, Produkt und Absatz
betrachtet. Eine Reihe von praktischen Beispielen aus verschiedenen Produktbranchen ergän-
zen die theoretischen Ausführungen.
Das Konzept der kundenindividuellen Massenfertigung wird im Folgenden als Geschäftsmo-
dell betrachtet, welches einen Großteil der Geschäftsprozesse elektronisch über das Internet
abwickelt. Aus diesem Grund stellt der Beginn des dritten Kapitels zunächst die Besonderhei-
ten von Internet- und Mass-Customization-Geschäftsmodellen dar. Darauf folgen eine Be-
schreibung und kritische Betrachtung der generischen Wettbewerbsstrategien von Porter. Aus
der gemeinsamen Verfolgung von Porters Strategietypen sind hybride Strategien entstanden,
die Grundlage jedes Mass-Customization-Geschäftsmodells. Infolgedessen werden die neuen
hybriden Wettbewerbsstrategien im Anschluss an die generischen Strategien vorgestellt.
Das Abschlusskapitel setzt sich aus einer Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse
sowie einer Zukunftsprognose für zukünftige Entwicklungen zusammen.
2. Grundlagen der Mass Customization
2.1 Begriff und Grundlagen der Mass Customization
Der Begriff Mass Customization bedeutet nach Piller ins Deutsche übersetzt ,,kundenindivi-
duelle Massenfertigung" (1997,16) und stellt ein Oxymoron dar. Die Begriffsbildung geht auf
Davis (1987) zurück, der feststellte, dass es durch Innovationen in der Technologie wie
Computer, Telekommunikation und flexible Fertigungstechnologien möglich ist, Massenpro-
duktion (,,Mass Production") ­ die Produktion großer Stückzahlen von standardisierten
Produkten bei geringen Stückkosten ­ und Produktindividualisierung (,,Customization") ­ die

4
Produktion geringer Stückzahlen individualisierter Produkte bei hohen Stückkosten ­ zu
verbinden (vgl. Grasmugg 2006, 9). Davis wählte aus diesem Grund für den Begriff ein
Oxymoron aus beiden Produktionssystemen.
Weiterentwickelt wurde das Konzept durch Pine, einer der Hauptbegründer des Mass-
Customization-Begriffs (1993). Er betrachtet Mass Customization als eine Reaktion auf
veränderte Marktbedingungen wie Marktsättigung, steigende Käufermacht und innovative
Technologien. Vor allem die steigende Variantenvielfalt zwang Firmen, neu zu agieren und
das Paradigma der Massenfertigung hinter sich zu lassen, ,,in dem sie Vielfalt und Kundenbe-
zogenheit durch Flexibilität sowie rasche Reaktionsbereitschaft schaffen" (Pine 1994, 78).
Nur so sollte auf Dauer für Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil erreicht werden.
In Deutschland wurde das Konzept vor allem durch Hildebrand (1997), Schnäbele (1997) und
Piller (1998; 2000) vorangetrieben, sowohl aus produktionswirtschaftlicher wie auch aus
marktorientierter Sicht. Piller definiert Mass Customization als ,,die Produktion von Gütern
und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, welche die unterschiedlichen Bedürf-
nisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen. (...) Die Produkte werden dabei zu
Preisen angeboten, die der Zahlungsbereitschaft von Käufern vergleichbarer massenhafter
Standardprodukte entsprechen, d.h. die Individualsierung impliziert keinen Wechsel des
Marktsegments in exklusive Nischen, wie dies bei einer klassischen Einzelfertigung der Fall
ist" (2006, 160).
Piller stellt eine sehr weit gefasste Definition des Mass-Customization-Begriffs auf, die viele
Aspekte der folgenden Definitionen zu speziellen Bereichen vereint. Pine grenzt den Begriff
Mass Customization aus Kundensicht ein, als die Produktion von Gütern oder Leistungen
,,with enough variety and customization that nearly everyone finds exactly what they want"
(1993, 44). Auf die produktionswirtschaftliche Seite geht Hart ein. Er sieht Mass Customiza-
tion ,,als die Nutzung flexibler Prozesse und Organisationsstrukturen zur Produktion varian-
tenreicher und oft individueller Produkte und Leistungen zu nahezu den Kosten einer standar-
disierten Massenproduktion" (1995, 36). Schnäbele betrachtet den Begriff aus marketing-
orientierter Sicht und stellt seine Ausführungen einer Individualisierungsstrategie im Zusam-
menhang mit dem Mass Customized Marketing dar (1997).
Eine Definition, die alle Aspekte vereint, ähnlich der von Piller, ist bei Grasmugg zu finden:
,,Mass Customization hat die kundenindividuelle Bedienung einer Vielzahl von Kundenseg-
menten mit Informationen, Produkten und Dienstleistungen zum Ziel. Die hierzu erforderli-
chen Kommunikations- und Leistungserstellungsprozesse werden nahezu zu Kosten ver-
gleichbarer, massenproduzierter Standardleistungen realisiert" (2006, 15).

5
Einige Merkmale der individuellen Massenproduktion, wie Mass Customization auch genannt
wird, werden in dieser Definition aufgegriffen. Produkte werden hergestellt, indem bei jedem
einzelnen Kunden die individuellen Wünsche abgefragt werden, auf Basis derer ein einzigar-
tiges, passgenaues Produkt gefertigt wird. Die Kosten liegen meistens etwas über denen eines
Standardproduktes. Durch die Einzigartigkeit der Produkte bekommt der Anbieter den Status
eines Quasi-Monopolisten, welcher den höheren Preis für die Konsumenten rechtfertigt (vgl.
Piller/Ihl 2002, 6). Ein Wechsel in ein höherwertiges Luxussegment ist jedoch nicht erforder-
lich, da die hohen fertigungsbedingten Kosten, wie sie in der klassischen Einzelfertigung
vorkommen, wegfallen (vgl. Huber et al. 2008, 6).
Mass Customization vereint die Vorteile eines Kostenwettbewerbs sowie einer Differenzie-
rungsstrategie. Durch die Zusammenführung dieser beiden Strategietypen handelt es sich bei
der individuellen Massenproduktion um eine hybride Strategie (vgl. Grasmugg/Schoder 2002,
2). Die beiden nach Porter (2000) unvereinbaren Produktionskonzepte Differenzierung und
Kostenführerschaft werden simultan verfolgt. Möglich wird dies durch weitreichende Ent-
wicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK-Technologie) und die
Verbreitung des Internets. IuK-Systeme sind nach Picot und Reichwald ,,aufeinander abge-
stimmte Arrangements personeller (Qualifikation, Motivation), Informationsorganisatorischer
(Aufbau-, Ablaufregeln) und technischer (Hardware, Software) Elemente, die der Deckung
des Informationsbedarfs dienen" (Picot/Reichwald, 1991, 267). Sie durchdringen alle Funkti-
onsbereiche eines Unternehmens (vgl. Picot/Reichwald, 1991, 246)
und bewirken vor allem
im Bereich der Produktion einen effizienteren Herstellungsprozess mit Kostenvorteilen in
allen Teilen des Unternehmens. Aber auch die Verlagerung der Geschäftsprozesse auf die
Onlineabwicklung trägt erheblich zur Umsetzung der produktspezifischen Massenherstellung
bei. Für Grasmugg werden durch eine Mass-Customization-Strategie ,,konsequent die Poten-
ziale des Electronic Business zur Verwirklichung nachhaltiger, komparativer Wettbewerbs-
vorteile" genutzt (2006, 32). E-Business in Online-Medien (Medien, die elektronisch übermit-
telt werden, z.B. das Internet) ermöglicht nach Reichwald und Piller erst die nötige Ansprache
relativ großer Kundengruppen und die Verarbeitung des wichtigen Faktors Information, der
medienbruchfrei in die Systeme von Herstellern und anderen Prozess-Akteuren überliefert
werden kann (vgl. 2002, 475). Daten aus Kundenprofilen können genutzt werden, um Trends
zu erforschen und Marketing sowie Inhaltsangebote auf den Verbraucher abzustimmen (vgl.
Reichwald/Piller 2002, 476). Durch die Integration des Kunden in den Design-Prozess und
die Entwicklung auf der Basis von Kundeninformationen ist eine hohe Interaktion zwischen
Anbieter und Abnehmer nötig. Im Laufe der Kundenbeziehung lernt das Unternehmen aus
den Informationen des Abnehmers und stimmt Produkte und Kommunikation effizient auf

6
diese ab. Der genannte Faktor Information spielt eine große Rolle im Mass-Customization-
Konzept (vgl. Grasmugg/Schoder 2002, 5). Um ein erfolgreiches kundenindividuelles Mas-
senkonzept zu führen, müssen nach Zipkin die drei Kernfähigkeiten für eine produktspezifi-
sche Herstellung im Unternehmen vorliegen: Die Fähigkeit, kundenindividuelle Information
zu gewinnen und zu verarbeiten, Prozesse durch neue Technologien zu flexibilisieren und die
logistischen Anforderungen durch die entstandenen Komplexität zu bewältigen (vgl. 2001, 1).
Mit diesen Voraussetzungen kann ein Mass-Customization-Konzept einen dauerhaften Wett-
bewerbsvorteil erbringen.
2.2
Entwicklung des Mass-Customization-Konzeptes: Gesellschaftlicher und
technischer Hintergrund
Pine entwickelte das System der maßgeschneiderten Massenfertigung, wie er es nannte, 1993
als Antwort auf die Veränderungen der Wettbewerbslandschaft in den 80er Jahren (vgl. Pine
1994, 66). Nach Pine bedarf es eines neuen Managementparadigmas, ,,bei dem Vielfalt und
Kundenbezogenheit die standardisierten Produkte ersetzen, bei dem aus den einstmals homo-
genen Märkten heterogene und aufgesplitterte Märkte entstehen und die Produkt- und Pro-
duktentwicklungszyklen verkürzt werden" (Pine 1994, 66). Schuld an dieser Entwicklung
sind veränderte Rahmenbedingungen wie Sättigung der Märkte, steigende Käufermacht,
Verkürzung der Produktlebenszyklen und gesteigerter Bedarf an individuellen Produkten (vgl.
Schnäbele 1997, 19; Grasmugg, 2006, 9).
Die gesteigerte Nachfrage nach individuellen Produkten entwickelt sich durch einen Werte-
wandel in der Gesellschaft. Gerade im Konsumgüterbereich sollen durch Produkte und
Serviceleistungen Bedürfnisse wie Selbstverwirklichung und Erlebnisorientierung befriedigt
werden (vgl. Hildebrand 1997, 13). Die individuellen Produkte dienen der Abgrenzung zur
Masse. In Folge dessen stellt Hildebrand in den letzten zwei Jahrzenten eine zunehmend
heterogene Nachfrage und einen steigenden Wunsch nach Individualisierung der Endkonsu-
menten fest (vgl. 1997,2). Je nachdem, wie bedeutsam das Produkt für den Konsumenten ist
und mit welchem Risiko ein Kauf verbunden ist, handelt der Käufer hybride (vgl. Hildebrand
1997, 13). Er kauft morgens im Discounter ein und geht abends in die Nobelboutique. Das
bedeutet für die Unternehmen eine immer schwierigere Einschätzung der Bedürfnisse und als
Konsequenz eine immer stärkere Ausrichtung aller Prozesse auf den Kunden.
Zusätzlich zwingt die durch Sättigung der Märkte zunehmende Verhandlungsmacht der
Konsumenten die Unternehmen, mehr auf die individuellen Bedürfnisse aller Abnehmer

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einzugehen. Standardisierte Massenprodukte entsprechen nicht mehr den Anforderungen der
Konsumenten (vgl. Wüntsch 2000, 13). Gleichzeitig ist der Konsument immer mehr bereit für
seine gesteigerten Ansprüche einen Aufpreis zu zahlen (vgl. Piller/Ihl 2002, 6). Die höhere
Zahlungsbereitschaft ist eine wichtige Voraussetzung im Entstehungsprozess individueller
Massenleistungen, da die Produkte trotz Kostenvorteilen in der Produktion immer etwas über
denen eines Standardproduktes liegen.
Die fortschreitende Globalisierung führt zu schnellen Substitutionsmöglichkeiten der Produk-
te, welche damit verkürzten Produktlebenszyklen ausgesetzt sind. Die Unternehmen müssen
aus diesem Grund ihre Strukturen so ausrichten, dass sie flexibel und unabhängig reagieren
können (vgl. Grasmugg 2006, 9). Gezielte und individualisierte Produktstrategien sind nötig,
um als Unternehmen im Wettbewerb zu überleben. Aus diesen Hintergründen werden Maß-
nahmen der engen Kundenintegration aufgebaut und letztendlich die produktspezifischen
Massenleistungen geboren.
Die Heterogenisierung der Nachfrage und die steigende Wettbewerbsintensität sind die eine
Säule, auf der die Entstehung des Mass-Customization-Konzeptes beruht. Die zweite Kraft ist
der Fortschritt in der technologischen Entwicklung. Vor allem die Potenziale der IuK-
Technologien haben geholfen, die individuelle Massenproduktion voranzutreiben. Heutzutage
eröffnen Innovationen in den IuK-Technologien neue Potenziale und schaffen strategische
und operationale Wettbewerbsvorteile (vgl. Piller 2006, 39). IuK-Technologien werden im
Mass-Customization-Konzept insbesondere zur elektronischen Unterstützung von Geschäfts-
beziehungen herangezogen sowie in neuen Technologien der Produktion. Die Informations-
und Kommunikationstechnologie bezieht sich auf ,,alle Technologien im Bereich der Hardwa-
re, Software und Netztechnologie" (Piller 2006, 25). Die größten Verbesserungen im Bereich
der Kapazitäts- und Leistungssteigerung sind speziell für einen der wichtigsten Faktoren des
Mass Customization von Bedeutung: der Informationsgewinnung und -verarbeitung (vgl.
Wüntsch 2000, 56; Grasmugg 2002, 5; Reichwald/Piller 2002, 474). ,,Unter Einsatz neuerer
Technologien können Informationen in wesentlich umfangreicherem Ausmaß, zu deutlich
geringeren Kosten, bei gesteigerter Informationsqualität und in erheblich kürzerer Zeit ge-
sammelt, ausgewertet und nutzenbringend eingesetzt werden" (Weiber 2002, 145). Individua-
lisierte Produktionskonzepte gehen mit einer Fülle von Konsumentendaten einher, welche
abgespeichert und neu aufbereitet werden müssen. Nur mit Hilfe dieser Informationen ist es
möglich, eine starke Kundenbeziehung aufzubauen. IuK-Technologien ermöglichen den
schnellen und einfachen Umgang mit der umfangreichen Datenmenge und machen den
größten Wettbewerbsvorteil des Mass Customization möglich: die dauerhafte Kundenbin-

8
dung. Link und Schackmann zeigen auf, dass durch die neuen IuK-Technologien erst eine
hybride Strategie ermöglicht wird (vgl. 2000, 3). Sie sehen im Einsatz von neuen Fertigungs-
technologien in Verbindung mit dem Internet den eigentlichen Fortschritt, um eine Differen-
zierungs- und Kostenstrategie zusammenzulegen. Diese These unterstützt auch Grasmugg,
der das ,,Electronic Business als Wegbereiter der Mass Customization" sieht (2006, 14).
Electronic Business bedeutet nach Wirtz, ,,die teilweise respektive vollständige Unterstüt-
zung, Abwicklung und Aufrechterhaltung von Leistungsaustauschprozessen mittels elektroni-
scher Netzte" (2000, 29). Durch den Verkauf der Güter über das Internet und die Abwicklung
der Geschäftsprozesse über elektronische Netzte, sind erhebliche Kosteneinsparungen mög-
lich. Außerdem ermöglicht der konsequente Einsatz der elektronischen Prozessabwicklung in
allen Stufen der Wertschöpfungskette flexible Produktionsverfahren und einen effizienteren
Leistungserstellungsprozess. Durch das Medium Internet können Informationen ohne Me-
dienbruch schnell und flexibel übermittelt und verarbeitet werden (vgl. Lee et al. 2000, 82).
2.3 Abgrenzung des Produktionskonzeptes zur Einzel-, Varianten- und Massenfertigung
Die wichtigsten Abgrenzungskriterien der Mass Customization sind die kundenindividuelle
Marktbearbeitung und der gleichzeitige Effizienzfokus in der Massenproduktion. Die beiden
Definitionsmerkmale einer kundenindividuellen Massenproduktion sind gleichzeitig die
wesentlichen Unterschiede zu der einer Einzelfertigung. Zwar werden bei der Einzelfertigung
dem Kunden auch Produkte angeboten, die seinen persönlichen Bedürfnissen entsprechen,
allerdings werden nicht, wie im Konzept der Mass Customization, gleichzeitig eine Vielzahl
von Kundensegmenten angesprochen (vgl. Piller 2006, 176). Auch entspricht die Einzelferti-
gung oft der Sonderanfertigung eines vollkommen neuen Produktes oder einer Produktanpas-
sung, wie z. B. einer Spezialmaschine (vgl. Piller 2006, 176). Im Mass-Customization-
Konzept werden vielmehr bestimmte Produkteigenschaften, wie beispielsweise das Design
oder Geschmacksvorlieben, auf die spezifischen Bedürfnisse abgestimmt. Zu den Haupt-
merkmalen der traditionellen Einzelfertigung gehört, dass Produkte erst nach Vorliegen eines
Kundenauftrags erstellt werden. Demzufolge wird die Kalkulation auftragsbezogen berechnet,
es ist eine hohe Flexibilität in den Produktionsstufen gefordert und die Fertigungsunterlagen
für jedes Produkt müssen spezifisch erstellt werden (vgl. Piller 2006, 176). Einige der Merk-
male überschneiden sich stark mit denen der Mass Customization. Doch diese arbeitet mit
Prozessen, die, weitestgehend durch neuere Technologien standardisiert werden, um gerade
die hohen Kosten der Einzelfertigung zu vermeiden, die mit einem eigenen Prozess für jedes

9
individualisierte Produkt arbeitet. Dies hat zur Folge, dass für die individuellen Massenpro-
dukte einheitliche Preise festgesetzt werden können, im Gegensatz zur Einzelfertigung, bei
der das jeweilige individuelle Produkt den Preis immer neu bestimmt (vgl. Link/Schackmann
2000, 5-6).
Individuelle Massenproduktion wird fälschlicherweise oft mit der Variantenfertigung gleich-
gesetzt. Variantenfertigung unterscheidet sich aber im Wesentlichen dadurch, dass der Kunde
aus vorgefertigten Produkten auswählt und nicht, wie bei der individuellen Marktbearbeitung,
das Produkt nach Auftragseingang aus den individuellen Präferenzen des Käufers zusammen-
gestellt wird. Der Kunde muss eine Auswahl treffen, oft aus komplexen Angeboten, was die
Entscheidung schwierig macht und selten zur gezielten Bedürfnisbefriedigung führt (vgl.
Piller 2006, 177). Die Variantenfertigung gibt dem Kunden die Möglichkeit, aus verschiede-
nen Produkten, bei denen einzelne Eigenschaften variieren, das für ihn passendste Produkt zu
wählen. Anbieter bilden Produktvarianten, ,,die Clustern von ,,Idealpunkten" (d.h. Teilseg-
menten von Kunden) im gesamten Eigenschaftsraum entsprechen" (Reichwald/Piller 2006,
194). Oft versuchen die Anbieter durch ein modifiziertes Produktangebot möglichst viele
verschiedene Kundensegmente zu bedienen.
Die Variantenfertigung ist eine Möglichkeit, auf verschiedene Nachfragen zu reagieren und
gleichzeitig Kostenvorteile zu realisieren (vgl. Piller 2006, 177). Viele Beispiele aus der
Automobilindustrie werden für Mass-Customization-Produktionen gehalten, gehören aber
eigentlich in die Kategorie der Variantenfertigung (vgl. Piller 2006, 177).
Ein weiterer abzugrenzender Begriff zum Mass-Customization-Konzept ist die Massenferti-
gung, welche einen Teil der produktspezifischen Fertigung (Produktion innerhalb des Mass-
Customization-Konzeptes) ausmacht. ,,Bei einer Massenfertigung wird während des Entwick-
lungsprozesses versucht, mittels Marktforschung die Präferenzen aller potenzieller Kunden
des angestrebten Marktsegments zu antizipieren und zu einem gemeinsamen Mittelwert zu
vereinen, der möglichst nahe an der Wunschvorstellung möglichst vieler Nachfrager liegt"
(Reichwald/Piller 2006, 194).
Mass Customization übernimmt den Vorteil der Massenproduktion, viele Produkte standardi-
siert herzustellen und daraus Kostenvorteile zu schöpfen. Der Unterschied liegt jedoch darin,
Kundensegmente einzeln anzusprechen und nicht der breiten Masse ein standardisiertes
Produkt anzubieten. Nach Hildebrand ,,steht der Begriff der Standardisierung für eine einheit-
liche Ausrichtung der Absatzbestrebungen an den ,,durchschnittlichen" Anforderungen einer
Vielzahl (unbekannter) Abnehmer." (1997, 23). Mass Customization richtet sich im Vergleich

10
auch an einen großen Absatzmarkt, geht aber auf die variierenden Wünsche der Konsumenten
ein. Das Konzept der individuellen Massenproduktion ist als eigenständiger Fertigungstyp
neben Einzel-, Varianten- und Massenfertigung zu sehen (vgl. Thomas 2008, 71).
2.4 Abgrenzung zu anderen kundenindividuellen Produktionskonzepten
Neben den verschiedenen Fertigungstypen existieren zwei Managementansätze, welche dem
Konzept der Mass Customization ähneln: Das Lean Management und das Agile Manufactu-
ring.
Der Ansatz des Lean Management, auch Lean Production genannt, versucht alle Prozesse der
Wertschöpfungskette aufeinander abzustimmen, um so Ressourcenvergeudung vorzubeugen
(vgl. Pfeiffer/Weiß 1993, 18). Die Herangehensweise erfolgt von zwei Seiten: Die interne
Seite, bei der das Unternehmen selbst versucht, alle Ressourcen so einzusetzen, dass es
profitabel und wettbewerbsfähig bleibt. Auf der anderen Seite werden die Ressourcen und
Produkte auf den Kunden abgestimmt, um möglichst effizient auf seine Wünsche eingehen zu
können (vgl. Pfeiffer/Weiß 1993, 21 f.). Die optimale Gestaltung der Produkte nach den
Wünschen der Kunden ist in weiten Teilen mit dem Mass-Customization-Konzept vergleich-
bar. Individuelle Massenproduktion setzt voraus, dass die Bedürfnisse der Kunden abgefragt
und daraus entsprechende Produkte kreiert werden. Um die Preise eines Standardproduktes
halten und eine hohe Kundenorientierung bieten zu können, müssen alle Prozesse von der
Datenerhebung bis zur Auslieferung stabil und effizient gestaltet werden. Der Management-
ansatz des Lean Production stimmt in der Kundenorientierung und konsequenten Ressourcen-
vermeidung in der Wertschöpfungskette mit dem Mass-Customization-Ansatz überein.
Gerade für die Umsetzung von Kostenoptionen kann das Lean Management der individuellen
Massenproduktion Vorteile aufzeigen (vgl. Thomas 2008, 72).
Der Unterschied in den Ansätzen liegt darin, dass sich Mass-Customization-Unternehmen
nicht auf die Optimierung der Ressourcenverwendung beschränken, sondern alle Prozesse des
Unternehmens auf eine Individualisierung einstellen. Zudem beschränkt sich das Lean Pro-
duction auf die Verbesserung der bestehenden Wertkette (vgl. Thomas 2008, 72). Das Mass-
Customization-System hingegen setzt an einer vollkommen neuen individualisierten Wert-
schöpfung an. Nur so kann gewährleistet werden, dass flexibel auf individuelle Kundenwün-
sche reagiert wird (vgl. Piller 2006, 178/179). Gerade die schnellen Reaktionen auf turbulente
Marktumfelder und veränderte Konsumentenanforderungen sind wesentliche Vorteile, die das

11
Mass-Customization-Konzept bietet. Diese sind jedoch nur nachzuverfolgen, wenn alle
Prozessstufen individualisiert werden.
Der zweite Ansatz, Agile Manufacturing, ähnelt dem Konzept des Mass Customization in
weiten Teilen. Unternehmen sollen durch agiles Handeln schnell auf turbulente Geschäftsum-
felder reagieren können, um weiterhin Gewinne zu erzielen (vgl. Piller 2006, 179). Moderne
Entwicklungen sorgen in den verschiedenen Wertschöpfungsstufen für die entsprechende
Flexibilität. Neue Technologien, wie z. B. IuK-Technologien, werden zum Einsatz in Produk-
tion und Kommunikation empfohlen. Des Weiteren werden Organisationsstrukturen verbes-
sert, indem Unternehmen zu virtuellen Netzwerken zusammenschmelzen sowie Durchführung
von Schulungen gewährleisten, um hoch qualifizierte Mitarbeiter auszubilden (vgl. Thomas
2008, 73).
Es ist schwierig, Mass Customization vom Ansatz des Agile Manufacturing zu unterscheiden,
da auch die individuelle Massenproduktion als Reaktion auf veränderte Wettbewerbsbedin-
gungen und schnelle Marktumfelder entstanden ist (vgl. Pine 1994,147). Im Rahmen dieser
Arbeit wird Mass Customization jedoch nicht dem Agile Manufacturing gleichgesetzt, son-
dern als eine Weiterentwicklung gesehen, wie sie auch Da Silveira et al. unterstützen (vgl.
2001, 5). Die Autoren unterscheiden zwischen der internen und externen Agilität. Die interne
Seite fordert eine schnelle Reaktion auf Markt- und Konsumenten-Nachfragen, was eine
Lernende Organisation voraussetzt (vgl. Da Silveira et al. 2001, 5). Der externe Bereich geht
auf den Zusammenschluss zu einem virtuellen Unternehmen ein, bestehend aus mehreren
individuellen Unternehmen. Die resultierenden Vorteile aus dem virtuellen Netzwerk führen
zu einem hohen Qualitäts- und Individualisierungsgrad der Produkte und werden nur möglich
durch eine sehr gut entwickelte und implementierte Informations- und Kommunikationstech-
nologie (vgl. Da Silveira et al. 2001, 5). Agile Manufacturing vereint viele aktuelle Manage-
menttrends wie das der virtuellen Unternehmung, Netzwerkstrukturen oder Wissensmanage-
ment. Der Unterschied beider Konzepte liegt darin, dass Mass Customization ein in sich
geschlossenes Konzept darstellt, welches die Individualisierungsprinzipen auf allen Stufen der
Wertschöpfungskette erschließt (vgl. Thomas 2008, 73). Dem Agile Manufacturing fehlt
insbesondere die Betrachtung der zu reduzierenden Komplexitätsstrukturen im individuellen
Herstellungsprozess (vgl. Piller 2006, 180). Das Mass-Customization-Konzept hingegen
vereint eine konsequente Umsetzung der Komplexitätsreduzierung in allen Unternehmensbe-
reichen mit gleichzeitiger Qualitätssteigerung.

12
Des Weiteren ist das Konzept des One-to-One Marketing von dem der Mass Customization
abzugrenzen. Unter One-to-One Marketing verstehen Peppers & Rogers eine einzelkunden-
orientierte Ausrichtung aller Marktaktivitäten, deren Ziel die jeweils individuelle Ansprache
und Problemlösung für jeden einzelnen Kunden ist (vgl. 1994, 33 f.).
Die Aktivitäten des
One-to-One Marketing richten sich dabei insbesondere auf die Preis-, Produkt-, Distributions-
und Kommunikationspolitik und bedienen demnach ausschließlich den Bereich der Marke-
tingaktivitäten (vgl. Link/Schackmann 2000, 5-6).
Alle Absatzmaßnahmen werden individuell
auf den Kunden abgestimmt, nachdem eine Datenerhebung und Bedarfserfassung zu jedem
einzelnen Konsumenten erstellt wurde. Die implizierte Informationsspeicherung ist, wie bei
der individuellen Massenproduktion, nur durch die neuen IuK-Technologien möglich gewor-
den. Mit dem Begriff der neuen IuK-Technologien sind die durch den technischen Fortschritt
entwickelten Leistungssteigerungen und ihre Potenziale in diesen Systemen gemeint (vgl.
Piller 2006, 25).
Der Unterschied zur Mass Customization liegt darin, dass beim One-to-One Marketing nur
eine Individualisierung der Kommunikation stattfindet und nicht das Endprodukt oder die
Endleistung individualisiert werden (vgl. Thomas 2008, 71). Der Kunde bekommt Informa-
tionen und Werbemaßnahmen genau abgestimmt auf seine Präferenzen, welche durch Daten-
erfassung oder vorherige Käufe bekannt geworden sind. Diese individuelle Kundenansprache
senkt für den Kunden die Transaktionskosten, indem er Zeit beim Suchen von gewünschten
Produkten spart (vgl. Strauß/Schoder 2000, 111). Beispielsweise können Anbieter nach einem
Produktkauf dem Kunden weitere Angebote mit ähnlichen Themenbereichen in personalisier-
ter Form schicken.
2.5
Mass-Customization-Abgrenzung im engeren und weiteren Sinne
In der Literatur existieren viele Ausführungen zur Abgrenzung verschiedener Mass-
Customization-Konzepte. Verschiedene Kriterien werden diskutiert, um eine Klassifizierung
vorzunehmen. Gilmore und Pine unterscheiden nach den Eigenschaften der Leistung, wie
Verpackung, Lieferbedingungen oder Bestandteile des Produktes (vgl. 1997, 91 f.). Die
Autoren gehen vor allem auf die Frage ein, inwieweit das Produkt in der Fertigung oder im
Anschluss individualisiert wird. Hier unterscheiden sie vier Ansätze (vgl. Gilmore/Pine 1997,
91 f.):
1. Cosmetic approach: Es werden weiterhin Standardprodukte produziert. Diese können in
der Verpackung, im Vertriebsweg etc. individuell angepasst werden. Der Ansatz reagiert

13
darauf, dass der Kunde grundsätzlich mit dem Produkt zufrieden ist, jedoch nicht mit der
Form oder der grundsätzlichen Art und Weise.
2. Transparent approach: Leistungen und Produkte, die der Kunde in Anspruch nimmt,
werden ohne sein explizites Wissen angepasst. Meistens geschieht dies durch Dienstleis-
tungen im Zusammenhang mit dem Produkt. Ein Beispiel ist ein Hotel, das Informationen
über die präferierte Zeitung jedes Gastes abspeichert und bei kommenden Besuchen die
entsprechende Zeitung bereit legt.
3. Collaborative approach: Hier findet die eigentliche kundenspezifische Produktion nach
Wünschen des Kunden statt. Eine starke kommunikative Abstimmung zwischen Kunde
und Hersteller ist nötig.
4. Adaptive approach: Dieser Ansatz erfasst Individualisierungen nach dem Kauf eines
Standardproduktes, welches während des Gebrauchs vom Abnehmer selbst angepasst wer-
den kann. Bei Handys werden beispielweise Anpassungen wie individuelle Klingeltöne im
Nachhinein vorgenommen.
Nach Gilmore und Pine helfen diese Ansätze, genau auf die Bedürfnisse, die bei Standardpro-
dukten nicht befriedigt werden, zu reagieren (vgl. 1997, 96). Der Konsument muss nicht mehr
auf Nachfragewünsche verzichten. Der Individualisierungsgrad des Produktes ist in diesem
Ansatz immer abhängig vom Grad des Involvierens der Abnehmer.
Im Gegensatz zu Gilmore und Pine unterscheiden Lampel und Mintzberg nach der Wert-
schöpfungsstufe, auf der die Individualisierung stattfindet (vgl. 1996, 21 f.). Sie klassifizieren
fünf Levels der individuellen Herstellung mit unterschiedlichen Konfigurationsprozessen
(vgl. Lampel/Mintzberg 1996, 23 f.). Beginnend bei der reinen Standardherstellung stellt das
zweite Level die ,,Segmented Standardisation" dar, bei der die Abnehmer die Wahl zwischen
Varianten von vorgefertigten Produkten bekommen. Die nächste Stufe ,,Customized Standar-
disation" ist die Zusammenstellung von individuellen Produkten nach standardisierten Modu-
len. ,,Tailored Customization" geht noch einen Schritt weiter, die Produkte werden anhand
eines Prototyps hergestellt, der durch individuelle Eigenschaften an den Abnehmer angepasst
wird. Die höchste Stufe ist die reine Individualisierung, ,,Pure Customization". Der Kunde
wird stark in die Produktion mit einbezogen und seine Bedürfnisse in die direkte Fertigung
integriert. Lampel und Mintzberg steigern die Levels der individuellen Herstellung vom
Standardprodukt bis zur völligen Individualisierung. Die hergestellten Produkte steigern sich
in diesem Prozess von Gebrauchsgegenständen bis zum einzigartigen Produkt und die Kun-
denintegration von Nicht-Vorhanden bis zur Personalisierung (vgl. 1996, 21 f.).
Die Abgrenzung nach der Wertschöpfungsstufe, auf der die Individualisierung erfolgt, wird
auch von zahlreichen weiteren Ansätzen ausgeführt (vgl. Schnäbele 1997; Duray et al. 2000;

14
Reichwald/ Piller 2002). Neben diesem Abgrenzungskriterien und den Eigenschaften der
Leistung gibt es weitere Theorien, die Mass-Customization-Konzepte nach Art der Technik
abgrenzen (vgl. Pine 1991). Auf diese wird aufgrund der fehlenden Relevanz zum Thema hier
nicht näher eingegangen.
Die unterschiedlichen Levels von Mass-Customization-Strategien, welche in der Theorie zu
finden sind, befassen sich alle mit einer sehr weit gefassten Definition. Auch Gebrauchsan-
passungen, Auswahl aus Varianten oder das Anbieten von zusätzlichen Serviceleistungen
werden in diesen Gliederungen zum Begriff der Mass Customization gezählt. In der vorlie-
genden Arbeit soll Mass Customization jedoch in einem engeren Rahmen begriffen werden.
Als individualisierte Produktangebote werden nur diejenigen gezählt, bei denen der Kunde in
jedem Fall in den Konfigurationsprozess integriert wird und einige oder alle Produkteigen-
schaften auf einer individuellen Kundenbestellung beruhen. Die Unterscheidung der verschie-
denen Levels von Mass Customization erfolgt nach dem Involvierungsgrad der Abnehmer
und danach, wie viele der Abläufe über das Internet abgewickelt werden. Letztere Abgren-
zung ist vor allem durch den hier angestrebten Vergleich von Internetgeschäftsmodellen
wichtig. Diese haben nur Aussichten, sich gegen Wettbewerber durchsetzen, indem so viele
der Geschäftsbereiche wie möglich über elektronische Prozesse abgewickelt werden.
Eine grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit der Individualisierung wird von Coates (vgl.
1995, 6 f.) eingeführt und später von Piller weiterentwickelt (vgl. 2006, 220). Mass-
Customization-Konzepte werden in diesem Ansatz unterteilt in eine offene Individualisierung,
der Soft Customization, und eine geschlossene Individualisierung, welche als Hard Customi-
zation betitelt wird, je nach Ausprägung des produktspezifischen Anteils (vgl. Piller 2006,
219). Das zweite Abgrenzungskriterium ist die Wertschöpfungsstufe, auf der die Individuali-
sierung stattfindet. Nach dieser Systematisierung ergeben sich sechs Ansätze der Mass Cus-
tomization, welche in Abbildung 1 dargestellt sind. In den folgenden Ausführungen ist nur die
Unterscheidung nach Faktoren der Hard Customization relevant.
Innerhalb der Abgrenzung nach der Soft Customization werden weiterhin Standardprodukte
mit wenigen Varianten produziert, es wird nicht in die Fertigung eingegriffen. Anschließend
wird der zugehörige Service individualisiert oder der Kunde hat die Möglichkeit, das Produkt
nach dem Kauf selber anzupassen (Selbstindividualisierung), (vgl. Piller 2006, 219). Weitere
Möglichkeiten der Soft Customization sind die individuelle Endfertigung im Handel oder
Vertrieb sowie Ergänzungen um zusätzliche individualisierte Dienstleistungen. Die Kunden
bekommen durch die Soft Customization den Eindruck eines individuellen Einkaufserlebnis-
ses, ohne dass wirklich in die Wertschöpfungskette eingegriffen wird (vgl. Piller/Ihl 2002,
14). Eine tiefergehende Kommunikation zwischen Abnehmer und Anbieter ist nicht erforder-

15
lich. Die Soft Customization fällt demnach nicht in die hier aufgefasste Definition von Mass
Customization, bei der Produkte eine grundlegend neue Eigenschaft entwickeln. Sie beinhal-
tet aber viele Möglichkeiten, ein individualisiertes Produkt zu unterstützen und als Zusatz zur
Leistung anzubieten (vgl. Piller 2006, 219).
In der enger gefassten Abgrenzung, der Hard Customization, findet die Individualisierung in
der Produktion nach Abfrage der spezifischen Wünsche statt. Eine starke Kommunikation
zwischen dem Hersteller und Endkunden ist erforderlich, um das Produkt bedarfsgerecht
herzustellen (vgl. Piller 2006, 219). Weitere Abgrenzungsmerkmale der Hard Customization
sind die Produktion ausschließlich nach Kundenauftrag und höhere Komplexität der Abläufe
und Organisationsvorgänge (vgl. Piller 2006, 219).
Hard Customization kann durch kundenspezifische End- oder Vorproduktion erfolgen, bei der
am Anfang oder Ende der Wertschöpfungskette produktindividuelle Eigenschaften montiert
werden (vgl. Wüntsch 2000, 33). Auch über eine Modularisierung von standardisierten Teilen
nach Kundenwunsch und einer massenhaften Unikatfertigung werden produktspezifische
Leistungen hergestellt (vgl. Wüntsch 2000, 34). Die Modularisierung geht nach dem Baukas-
tenprinzip vor. Ein Teil der Produkte wird als Standardware vorproduziert, und der Kunde
wählt anschließend die Bereiche, welche für ihn von Relevanz sind. Modularisierung ist vor
allem in der Computer- und Automobilindustrie weit verbreitet (vgl. Wüntsch 2000, 35).
Das Anfertigen einer massenhaften Unikatfertigung enthält den eigentlichen Kern der Mass
Customization. Produkte werden in allen Wertschöpfungsstufen kundenspezifisch zugeschnit-
ten. Diese Reinform der Individualisierung kommt sehr selten vor, da die meisten Produkte
auf mehr oder weniger vorproduzierten Eigenschaften beruhen (vgl. Wüntsch 2000, 35). Ohne
Abbildung 1: Konzeptionen der Mass Customization (Piller 2006, 220)

16
einen gewissen Standardisierungsgrad in den Prozessen der Fertigung ist ein Preis, ähnlich
eines Standardproduktes, nicht zu halten. Demzufolge haben die meisten Mass Customizer
bestimmte Einschränkungen in der Individualisierung. Mass Customizer stellen im Folgenden
Unternehmen dar, welche ein kundenindividuelles Massenprodukt ganz oder teilweise über
das Internet vermarkten. Ein solches Unternehmen ist beispielsweise der Hersteller sprd.net
AG, der unter der Internetadresse www.spreadshirt.net individuelle T-Shirts absetzt. Der
Kunde kann auf Farbe, Größe, Text und Design eigenständig Einfluss nehmen. Aber die
Auswahl ist nicht vollständig individuell, denn das Unternehmen bietet eine Auswahl von
vorproduzierten Formen an, auf denen der Kunde anschließend ein individuelles Design
kreieren kann. Auf der Internetseite der mymuesli GmbH (www.mymuesli.com) können
Abnehmer sich ihr Müsli aus einer vielfältigen Auswahl an Zutaten selber zusammenstellen.
Auch hier werden dennoch vorsortierte Inhalte verwendet und die Individualität einge-
schränkt. Durch eine gewisse Vor-Modularisierung in den Grundformen des Produktes sind
mit einem Mass-Customization-Produkt günstige Kostenstrukturen zu erreichen. Es handelt
sich jedoch auch bei Einschränkungen in der Individualisierung um ein kundenindividuelles
Massenprodukt. Insbesondere auf den letzten Abgrenzungen der Hard Customization, wie
kundenspezifische End- oder Vorproduktion, Modularisierung und massenhafte Unikatferti-
gung, beruhen die Beschreibungen im Fortlauf dieser Arbeit.
2.6
Produktspezifikation bei Mass Customization
2.6.1
Produktkategorien bei individuellen Massenanfertigungen
In vielen der neueren Beiträge der Literatur wird aufgezeigt, dass sich Mass Customization
nicht für jedes Unternehmen eignet. Die Produkte sollten einige Eigenschaften aufweisen, um
individuell abgesetzt werden zu können. Vor allem sollte für die Produkte seitens der Abneh-
mer ein Wunsch nach Varietät bestehen oder dieser geweckt werden können (vgl. Huber et al.
2008, 5). Produkte, bei denen sehr unterschiedliche Präferenzen durch die Abnehmer gegeben
sind, können in der kundenspezifischen Produktion einen echten Mehrwert bringen (vgl.
Zipkin 2001, 2). Geeignete Produkte sind vor allem unter Gebrauchsgütern zu finden. Bei-
spielsweise in der Bekleidungsindustrie, aber auch bei Produkten wie Brillen, Sportausrüstun-
gen, Bauzubehör und weiteren Segmenten besteht eine stark heterogene Nachfrage (vgl.
Zipkin 2001, 2; Huber et al. 2008, 7). Auch Informationsgüter mit einem hohen Digitalisie-
rungsgrad eignen sich besonders für die Vermarktung als Mass-Customization-Produkt (vgl.
Huber et al. 2008, 7). Durch die vollkommene Digitalisierung bei Produkten aus den Berei-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836641463
DOI
10.3239/9783836641463
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, Studiengang Medienplanung, -entwicklung und -beratung
Erscheinungsdatum
2010 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
mass customization internetgeschäftsmodell massenproduktion michael porter individualisierung
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Titel: Mass Customization - Möglichkeiten und Grenzen kundenindividueller Massenproduktion im Rahmen von Internetgeschäftsmodellen
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