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Lebenszyklusorientierte Personalentwicklung in Zeiten des demografischen Wandels

Eine empirische Untersuchung mit dem Ziel, das Konzept zu validieren und Zusammenhänge mit personalstrategisch relevanten Variablen aufzuzeigen

©2008 Diplomarbeit 156 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Für die Einführung in das Thema sind zwei Haupttendenzen von Bedeutung, die sich in ihrem Zusammenspiel gegenseitig beschleunigen und verstärken: die gesamtwirtschaftlichen Veränderungen und die demografische Entwicklung.
In einer durch ständigen technologischen Fortschritt gekennzeichneten Zeit, muss sich unsere Gesellschaft auch in wirtschaftlicher Hinsicht den veränderten Rahmen- und Marktbedingungen stellen. Die Automatisierung von Produktionsprozessen, die Vernetzung von modernen Informations- und Kommunikationstechniken, die Einführung dezentralisierter und gruppenorientierter Arbeits- und Organisationsformen sowie verkürzte Innovationszyklen stellen neuartige Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter. Merkmale einer sich daraufhin beständig anpassenden Unternehmensrealität sind die Verflachung von Hierarchien, Lean Management, verstärkte Kundenorientierung, zunehmende Teamarbeit, aber auch Rationalisierungsprozesse.
Diese Entwicklungen bewirken hinsichtlich der Anforderungen an die Arbeitsplätze, dass die Arbeitsaufgaben immer vielfältiger, komplizierter, weniger planbar und verantwortungsvoller werden. Nicht nur bei Führungs-, Entwicklungs- und Planungstätigkeiten nimmt die Komplexität zu, sondern auch im Bereich der operativen Aufgaben im Produktions-, Verkaufs- und Verwaltungsbereich. Je vielfältiger, problemhaltiger, neuartiger und abstimmungsbedürftiger demzufolge die Arbeitsaufgaben sind, desto wichtiger werden für deren erfolgreiche Bewältigung ausgeprägte kognitive, soziale und personale Kompetenzen seitens der Beschäftigten.
Eine diesen Trend weiter verschärfende Parallelentwicklung ist die Verkürzung der Lebenszyklen beruflichen und fachlichen Wissens. Ein einmal erlernter Beruf ist nicht mehr tragfähig für die gesamte Berufstätigkeit. So wird vom Einzelnen neben der kontinuierlichen fachbezogenen Weiterbildung insbesondere eine fachübergreifende Qualifizierungs- und Veränderungsbereitschaft erwartet und gefordert. Schlüsselkompetenzen, wie z.B. Problemlöse-, Team- und Selbstorganisationsfähigkeit gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Demzufolge wirken sich diese Entwicklungen auch auf die Ausrichtung der Personalentwicklung eines Unternehmens aus, die hauptsächlich in der vorausschauenden und kontinuierlichen Entdeckung und Förderung der Potenziale ihrer Mitarbeiter bestehen sollte. So versteht z.B. Laske unter Personalentwicklung alle Aktivitäten, ‘ (...) die der Vermittlung und Verwertung vorwiegend […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Aufbau der Arbeit

Einleitung

Teil A – Demografischer Wandel

1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt
1.1 Allgemeine Arbeitskräfteverknappung
1.2 Demografische Alterung des Erwerbspersonenpotenzials

2 Ältere Mitarbeiter – die Kompetenz der Erfahrung
2.1 Altersbedingte Veränderungen der Leistungs- und Lernfähigkeit
2.2 Schlussfolgerungen für die Personalentwicklung

Teil B – Theoretischer Hintergrund

3 Entwicklungs- und lebensspannenpsychologische Grundlagen
3.1 Entwicklungsaufgaben nach Havighurst
3.2 Das entwicklungstheoretische Modell von Erikson
3.3 Erweiterung des traditionellen Entwicklungsbegriffs
3.3.1 Lebensspannenpsychologische Grundannahmen
3.3.2 Entwicklungsaufgaben in der Lebensspannenpsychologie
3.4 Entwicklung als Austauschprozess mit der Umwelt

4 Lebenszykluskonzepte
4.1 Biosozialer Lebenszyklus
4.2 Familiärer Lebenszyklus
4.3 Beruflicher Lebenszyklus
4.4 Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der Teillebenszyklen

5 Berufliches Lebenszykluskonzept nach Graf
5.1 Betrieblicher Lebenszyklus
5.2 Stellenbezogener Lebenszyklus
Leistung
5.3 Zyklusübergreifende Zusammenhänge

6 Lebenszyklusorientierte Personalentwicklung
6.1 Begriffsbestimmung
6.2 Nutzen und Notwendigkeit
6.2.1 Vorherrschendes Verständnis von Personalentwicklung
6.2.2 Plädoyer für eine lebenszyklusorientierte Personalentwicklung

Teil C – Forschungsleitende Fragestellungen und Hypothesen

7 Validierung des Konzeptes der beruflichen Lebenszyklen
7.1 Qualitative Validierung der Phasen im Lebenszyklus
7.2 Quantitative Validierung der Phasen im Lebenszyklus
7.2.1 Verteilung der Mitarbeiter über die Phasen
7.2.2 Zusammenhang mit dem Alter der Mitarbeiter
7.2.3 Zusammenhang mit der Betriebszugehörigkeit
7.2.4 Zusammenhang mit der Zeit in der derzeitigen Position
7.2.5 Zusammenhang mit Hinderungsgründen an der berufliche Entwicklung

8 Zusammenhänge mit personalstrategisch relevanten Variablen

8.1 Phasen im Lebenszyklus und Fluktuation

8.2 Phasen im Lebenszyklus und Arbeitszufriedenheit

8.3 Phasen im Lebenszyklus und Führung

8.4 Phasen im Lebenszyklus und Personalentwicklung

Teil D – Methodische Umsetzung

9 Allgemeine Überlegungen zum methodischen Vorgehen
9.1 Aufbau des Fragebogens
9.2 Operationalisierung der Phasen im Lebenszyklus
9.3 Darstellung der Erhebungsinstrumente
9.3.1 Soziodemografische Variablen und Angaben zur beruflichen Situation
9.3.2 Fluktuation
9.3.3 Arbeitszufriedenheit
9.3.4 Hinderungsgründe für die berufliche Entwicklung
9.3.5 Führungsverhalten
9.3.6 Aspekte der Personalentwicklung im Unternehmen
9.3.7 Hinderungsgründe für die Teilnahme an PE-Maßnahmen
9.3.8 Einschätzung der einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen

10 Durchführung der Untersuchung
10.1 Pretest
10.2 Auswahl der Mitarbeiter
10.3 Hauptbefragung und Nachfassaktion
10.4 Rücklaufquote

11 Das Unternehmen
11.1 Kontakt und Gestaltung der Zusammenarbeit

Teil E – Ergebnisse

12 Vorbereitung der Datenauswertung
12.1 Datenbereinigung
12.2 Stichprobenbeschreibung
12.3 Überprüfung der Skalengüte der verwendeten Messinstrumente
12.4 Voraussetzungen der Auswertungsverfahren

13 Validierung des Konzeptes der beruflichen Lebenszyklen
13.1 Qualitative Validierung der Phasen im Lebenszyklus
13.1.1 Zusammenhang von Phase im Lebenszyklus und Führungskraft
13.2 Quantitative Validierung der Phasen im Lebenszyklus
13.2.1 Verteilung der Mitarbeiter über die Phasen
13.2.2 Zusammenhang mit dem Alter der Mitarbeiter
13.2.3 Zusammenhang mit der Betriebszugehörigkeit
13.2.4 Zusammenhang mit der Zeit in der derzeitigen Position
13.2.5 Hinderungsgründe am beruflichen Weiterkommen

14 Zusammenhänge mit personalstrategisch relevanten Variablen
14.1 Phasen im Lebenszyklus und Fluktuation
14.2 Phasen im Lebenszyklus und Arbeitszufriedenheit
14.3 Phasen im Lebenszyklus und Führung
14.4 Phasen im Lebenszyklus und Personalentwicklung

15 Methodenkritik

Teil F – Diskussion

16 Diskussion der Ergebnisse zur Validierung des Konzeptes Lebenszyklusorientierte Personalentwicklung
16.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse
16.2 Hinderungsgründe für die berufliche Entwicklung

17 Diskussion der Zusammenhänge mit personalstrategischen Variablen
17.1 Phasen im Lebenszyklus und Fluktuation
17.2 Phasen im Lebenszyklus und Arbeitszufriedenheit
17.3 Phasen im Lebenszyklus und Führung
17.4 Phasen im Lebenszyklus und Personalentwicklung
17.5 Phasenmodell versus Lebensalter als Prädiktor

18 Ausblick
18.1 Handlungsfelder einer lebenszyklusorientierten Personalentwicklung
18.2 Implikationen für die Forschung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhang

Lebenszyklusorientierte Personalentwicklungin Zeiten des demografischen Wandels

Eine empirische Untersuchung mit dem Ziel, das Konzept zu validieren und Zusammenhänge mit personalstrategisch relevanten Variablen aufzuzeigen

Eine indische Legende erzählt von einem Mann, der jeden Tag einen Liter Wasser in zwei großen Krügen in sein Dorf schaffte. Die Krüge hatte er an den Enden einer Stange befestigt, welche er über der Schulter trug. Einer der Krüge war älter als der andere und hatte viele kleine Risse . Daher ging auf jedem Weg nach Hause die Hälfte des Wassers daraus verloren. Der ältere Krug schämte sich, weil er seine Aufgabe nur zur Hälfte erfüllte. Auch wenn er wusste, dass die Risse auf viele Jahre harter Arbeit zurückzuführen waren. Eines Tages, als der Mann gerade Wasser aus dem Brunnen schöpfen wollte, schämte sich der Krug so sehr, dass er zu dem Mann sagte: „Ich wollte dich bitten, mir zu vergeben, denn, da ich schon so lange gebraucht werde, kann ich nur die Hälfte meiner Ladung ans Ziel bringen und nur die Hälfte des Durstes stillen, der dich zu Hause erwartet.“ Der Mann lächelte und antwortete: „Beachte auf unserem Heimweg den Boden, über den wir gehen.“ Der Krug tat dies und sah, dass auf seiner Seite viele Blumen und Pflanzen wuchsen. „Kannst du sehen, wie viel schöner die Natur auf deiner Seite ist?“ meinte da der Mann. „Ich wusste längst, dass du diese Risse hast, daher beschloss ich sie zu nutzen. Ich habe Pflanzen, Gemüse und Blumen gesät, und du hast sie jeden Tag begossen. Ich konnte viele Rosen pflücken und mein Haus damit schmücken. Ich habe meine Kinder mit Salate, Kohl und Zwiebeln ernähren können. Wärest du nicht, wie du bist, wie hätte ich es dann tun können? Und alles ist bestimmt alt zu werden und dann andere Eigenschaften zu erwerben. Es ist immer möglich, jede dieser neuen Eigenschaften zu unserem Vorteil zu nutzen.“[1]

Zusammenfassung

Ausgehend von den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt, steht in dieser Arbeit das Konzept der Lebenszyklusorientierten Personalentwicklung im Mittelpunkt. Die einzelnen Phasen (Einführungs-, Wachstum-, Reife- und Sättigungsphase) werden vor dem Hintergrund der aus der Entwicklungs- und Lebensspannenpsychologie stammenden Zykluskonzepte detailliert beschrieben und mittels verschiedener (Außen-) Kriterien validiert. Dafür werden neben den deskriptiven Merkmalen vor allem personalstrategisch relevante Variablen, wie z.B. Fluktuation, Arbeitszufriedenheit sowie Aspekte von Führung und Personalentwicklung herangezogen. Die repräsentative Stichprobe umfasst 151 Mitarbeiter eines großen Rückversicherungsunternehmens. Die Ergebnisse der varianz- und regressions-analytischen Untersuchungen zeigen theoriekonforme und signifikante Zusammenhänge der einzelnen Phasen mit den untersuchten Variablen. Eine am Lebenszyklus des Mitarbeiters orientierte Personalentwicklung stellt somit im Rahmen der demografischen Problemstellung einen vorausschauenden und praktikablen Ansatz dar. Konkrete Handlungsempfehlungen für die Führungskräfte und die Personalentwicklung eines Unternehmens können abgeleitet werden.

Aufbau der Arbeit

Ausgehend von einer Beschreibung der Ausgangslage der derzeitigen demografischen Entwicklung (Kap. 1), wird verstärkt auf die damit verbundenen Konsequenzen für Unternehmen und Mitarbeiter eingegangen. Im Verlauf der Argumentation soll deutlich werden, inwiefern diese Entwicklung Anstöße für eine an nachhaltigen Zielen orientierte Personalentwicklung gibt. Bezug nehmend auf das veränderte Fähigkeits- und Leistungsprofil einer zunehmend alternden Belegschaft, wird die Zuschreibung von Leistungs- und Motivationsmerkmalen aufgrund von Alterskategorien und unter Berücksichtigung der dazu vorliegenden empirischen Erkenntnisse hinterfragt.

Kapitel 3 umfasst den für die Arbeit relevanten theoretischen Überblick über das grundlegende Konzept der Entwicklungsaufgaben, die entwicklungspsychologischen Reifekonzepte nach Havighurst (1956) und Erikson (1959), sowie die ergänzenden und für das Verständnis der heute gültigen Lebenszykluskonzepte notwendigen Erweiterungen des lebensspannenpsychologischen Ansatzes.

Nach der daran anschließenden Darstellung des für den beruflichen Kontext relevanten Entwicklungskonzeptes nach Schein (1978), wird in Anlehnung an Sattelberger (1995, 1996) und Graf (2002) der Ansatz einer „Lebenszyklusorientierten Personalentwicklung“ als eine mögliche Antwort auf die in Kapitel 1 beschriebenen Anforderungen an Unternehmen eingeführt. Die aus den Überlegungen resultierenden Fragestellungen werden in den Kapiteln 7 und 8 dargestellt.

Die in einem international agierenden Rückversicherungsunternehmen durchgeführte empirische Untersuchung zum Thema „Personalentwicklung in Zeiten des demografischen Wandels“ liefert Hinweise auf die Eignung dieses Ansatzes in der betrieblichen Praxis. Im Fokus der Konzeptvalidierung stehen personalstrategisch relevante Kriterien, wie z.B. Fluktuation, Arbeitszufriedenheit und Aspekte von Führung und Personalentwicklung (Kap. 16).

Nach der Darstellung und abschließenden Diskussion der Ergebnisse wird in Kapitel 20 ein Ausblick für weitere Forschungsfelder gegeben.

Einleitung

Für die Einführung in das Thema sind zwei Haupttendenzen von Bedeutung, die sich in ihrem Zusammenspiel gegenseitig beschleunigen und verstärken: die gesamtwirtschaftlichen Veränderungen und die demografische Entwicklung.

In einer durch ständigen technologischen Fortschritt gekennzeichneten Zeit, muss sich unsere Gesellschaft auch in wirtschaftlicher Hinsicht den veränderten Rahmen- und Marktbedingungen stellen. Die Automatisierung von Produktionsprozessen, die Vernetzung von modernen Informations- und Kommunikationstechniken, die Einführung dezentralisierter und gruppenorientierter Arbeits- und Organisationsformen sowie verkürzte Innovationszyklen stellen neuartige Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter. Merkmale einer sich daraufhin beständig anpassenden Unternehmensrealität sind die Verflachung von Hierarchien, Lean Management, verstärkte Kundenorientierung, zunehmende Teamarbeit, aber auch Rationalisierungsprozesse (Ernst, 1997; Hoff, 2005; Schaper Sonntag, 1999).

Diese Entwicklungen bewirken hinsichtlich der Anforderungen an die Arbeitsplätze, dass die Arbeitsaufgaben immer vielfältiger, komplizierter, weniger planbar und verantwortungsvoller werden. Nicht nur bei Führungs-, Entwicklungs- und Planungstätigkeiten nimmt die Komplexität zu, sondern auch im Bereich der operativen Aufgaben im Produktions-, Verkaufs- und Verwaltungsbereich (Schaper Sonntag, 1999). Je vielfältiger, problemhaltiger, neuartiger und abstimmungsbedürftiger demzufolge die Arbeitsaufgaben sind, desto wichtiger werden für deren erfolgreiche Bewältigung ausgeprägte kognitive, soziale und personale Kompetenzen seitens der Beschäftigten.

Eine diesen Trend weiter verschärfende Parallelentwicklung ist die Verkürzung der Lebenszyklen beruflichen und fachlichen Wissens (Schräder-Naef, 1999, S. 117). Ein einmal erlernter Beruf ist nicht mehr tragfähig für die gesamte Berufstätigkeit. So wird vom Einzelnen neben der kontinuierlichen fachbezogenen Weiterbildung insbesondere eine fach übergreifende Qualifizierungs- und Veränderungsbereitschaft erwartet und gefordert. Schlüsselkompetenzen, wie z.B. Problemlöse-, Team- und Selbstorganisationsfähigkeit gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Demzufolge wirken sich diese Entwicklungen auch auf die Ausrichtung der Personalentwicklung eines Unternehmens aus, die hauptsächlich in der vorausschauenden und kontinuierlichen Entdeckung und Förderung der Potenziale ihrer Mitarbeiter bestehen sollte. So versteht z.B. Laske (1987, S. 165, zitiert nach Rosenstiel, 2006, S. 108) unter Personalentwicklung alle Aktivitäten, „ (...) die der Vermittlung und Verwertung vorwiegend solcher Qualifikationen dienen, welche den Mitarbeitern die berufliche Aneignung sich verändernder betrieblicher und gesellschaftlicher Wirklichkeit erleichtert.“

Schlussfolgernd kann für die Aufgaben der Personalentwicklung in Unternehmen festgestellt werden: die wettbewerbsbedingten, technischen und organisatorischen Veränderungen im Umfeld von und innerhalb von Unternehmen erfordern eine strategisch ausgerichtete, systematische und potenzialorientierte Förderung der Mitarbeiter, die diesen beschriebenen Veränderungen ganzheitlich gerecht wird (Sonntag, 1999, S. 253). Ausgehend von diesem Verständnis steht der Ansatz der Lebenszyklusorientierten Personalentwicklung im Mittelpunkt dieser Arbeit. Diese langfristig und nachhaltig orientierte Konzeption stellt im Rahmen der demografischen Problemstellung, mit der sich unsere Arbeitsgesellschaft heute und in naher Zukunft konfrontiert sieht, einen vorausschauenden und praktikablen Ansatz dar.

Teil A – Demografischer Wandel

Die demografische Entwicklung betrifft sämtliche Lebensbereiche und steht für markante Veränderungen, neue Regeln des Zusammenlebens und besondere Herausforderungen im beruflichen und alltäglichen Umfeld.

Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen in Deutschland wird sich in den nächsten Jahrzehnten erheblich verschieben: Im Jahr 2050 wird die Hälfte der Bevölkerung älter als 48 Jahre und ein Drittel 60 Jahre oder älter sein (Statistisches Bundesamt, 2003). Grund dafür sind vor allem die niedrigere Geburtenrate und die aufgrund des medizinischen Fortschritts höhere durchschnittliche Lebenserwartung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur in Deutschland(Statistisches Bundesamt, 2003)

Die älteren Menschen sind heute das einzig wachsende Segment der europäischen Bevölkerung, wobei Deutschland neben Italien zu den am schnellsten alternden Gesellschaften der Welt gehört (Adecco-Studie, 2006). Von diesem Prozess ist natürlich auch die Erwerbsbevölkerung betroffen.

1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt

Im Folgenden werden die beiden wichtigsten Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt von heute dargestellt: die allgemeine Verknappung der qualifizierten Arbeitskräfte und die demografische Alterung des Erwerbspersonenpotenzials.

1.1 Allgemeine Arbeitskräfteverknappung

Ab dem Jahre 2010 wird Prognosen zufolge (Regnet, 2004, S.14; Adecco-Studie, 2006) eine allgemeine Arbeitskräfteverknappung einsetzen. Durch die sinkende Anzahl an Jugendlichen wird es weniger Auszubildende und Hochschulabsolventen geben. So kommt es insbesondere bei den bisher noch großzügig verfügbaren jungen und gut ausgebildeten Nachwuchskräften zu Engpässen. Der bereits in der Vergangenheit in einigen Wirtschaftszweigen beobachtbare Mangel an Arbeitskräften mit speziellen beruflichen Qualifikationen wird sich noch weiter verschärfen (Lange, 1996, S. 39). „Qualifizierte Mitarbeiter sind demographisch gesehen der entscheidende Engpassfaktor der Zukunft“ (Kobi, 1999, S. 26). Somit verfügen die Unternehmen, die sich im „war for talents“[2] behaupten können und attraktiv genug sind, um die Bestqualifizierten zu gewinnen, zukünftig über entscheidende Wettbewerbsvorteile (Naegele, 1993, S. 19; Ridder, 1997, S. 46).

Als eine weitere Konsequenz der Arbeitskräfteverknappung kann die Aktualisierung der Qualifikationsbasis im Unternehmen nicht mehr hauptsächlich durch Nachwuchskräfte realisiert werden, sondern muss durch die langfristige Bindung und Weiterqualifizierung des bestehenden und älteren Personals sichergestellt werden (Lange, 1996, S. 105). Die anstehenden technologischen Veränderungen, die betriebsorganisatorischen Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse sowie die innovativen Neuentwicklungen müssen demzufolge zukünftig deutlich mehr als bisher

von den älteren Arbeitnehmern[3] getragen und gestaltet werden (Wenke, 1996, S. 9; Wollert, 1997, S. 3). Diese Zielgruppe – und prospektiv betrachtet die heute 35-45jährigen – gilt es, durch Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der dafür benötigten Kompetenzen angemessen und rechtzeitig auf diese vielfältigen Anforderungen vorzubereiten.

1.2 Demografische Alterung des Erwerbspersonenpotenzials

Bedingt durch die demografische Entwicklung kommt es nicht nur zu einer Verknappung der jungen Arbeitskräfte, sondern langfristig auch zu einer gravierenden Umschichtung innerhalb der Alterstruktur der Erwerbstätigen (Naegele, 1993, S. 11; Lehr, 1997, S. 70). Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen wird massiv ansteigen. Abbildung 2 verdeutlicht diesen Trend (Fuchs Dörfler, 2005):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Veränderung der Altersstruktur der Erwerbstätigen

Die heute ca. 40-jährigen bilden, resultierend aus den geburtenstarken Jahrgängen der 1950er und 1960er Jahre, die derzeit am stärksten besetzte Altersgruppe unter den Erwerbstätigen. Dieser Prozess verschärft sich ab 2010 weiterhin, die Älteren machen dann mehr als ein Drittel der Erwerbspersonen aus (Thon, 1991, S. 710). Ab dem Jahr 2020 werden über 40 Prozent des Arbeitskräftepotenzials von den 50–64jährigen gestellt (Bosch 2005).

Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, führt diese demografische Entwicklung zur Verlagerung der Leistungsgruppen in den Unternehmen. Der in vielen Betrieben anteilig stark vertretene Mittelbau wird „in die Jahre kommen“ und nur schwerlich in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu ersetzen sein (Huber, 2000, S. 83).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Veränderung der Altersstruktur der Erwerbstätigen

(Uepping, 1997, S. 169)

Ist die Altersstruktur der Erwerbstätigen in einem Unternehmen nicht mehr ausgewogen, entstehen nach Nienhüser (2000, S. 60ff) verschiedene Probleme für die betriebliche Personalwirtschaft. Diese können einerseits auf den mit den stark ausgeprägten Altersdifferenzen verbundenen Kommunikations- und Akzeptanzproblemen beruhen. Andererseits kann es bei einem großen Anteil älterer Arbeitnehmer verstärkt zu Konkurrenzsituationen und einer Ungleichverteilung von Aufstiegschancen und beruflichen Verwirklichungsmöglichkeiten kommen. Daraus resultierende Beförderungsstaus können Konflikte, Unzufriedenheit, Demotivation und Fluktuation begünstigen (Nienhüser, 2000, S. 55). Für den sich evtl. im Anschluss ergebenden Beförderungssog müssen ebenfalls personalstrategische Vorkehrungen getroffen werden.

Zusammenfassend können weit reichende Folgen des demografischen Wandels für die Arbeitswelt festgestellt werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund empirischer Untersuchungen, die zeigen, dass viele Unternehmen angesichts der bevorstehenden Veränderungen vorerst keinen oder nur geringen Handlungsbedarf sehen und in der Regel eher kurzfristigen Planungszeiträumen folgend handeln (Huber, 2000, S. 75, Adecco-Studie, 2006).

Aufgrund der langfristigen Rekrutierungsprobleme von gut qualifizierten Nachwuchskräften und den sich verändernden Altersstrukturen der Erwerbstätigen stehen die Unternehmen vor der Herausforderung einer kontinuierlichen Integration neuer und aktueller Qualifikationen, um weiterhin anpassungs- und innovationsfähig zu bleiben. Daher wird es zukünftig notwendig sein, insbesondere die Potenziale der älteren Mitarbeiter zu erkennen und zu nutzen. Unter ihnen finden sich bedeutende Know-How-Träger, deren Verlust für ein Unternehmen schwere Einschnitte mit sich bringt, insbesondere dann, wenn es auf Erfahrungswissen ankommt, das nur durch eine lange Betriebszugehörigkeit erworben werden kann (Nienhüser, 2000, S. 58; Huber, 2000, S. 76).

Darüber hinaus ist es ebenso wichtig, bereits bei den heute 35-45jährigen anzusetzen. Diese Mitarbeitergruppen gilt es langfristig an das Unternehmen zu binden und im Sinne des zukünftigen Kompetenzbedarfs und der sich individuell verändernden Leistungs- und Lernpotenziale zielgerichtet und kontinuierlich zu entwickeln.

2 Ältere Mitarbeiter – die Kompetenz der Erfahrung

Da der Anteil Älterer unter den Erwerbstätigen rapide ansteigt, müssen die Erfahrungen und Potenziale dieser Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihres veränderten Fähigkeits- und Leistungsprofils intensiver und systematischer für das Unternehmen nutzbar gemacht werden.

2.1 Altersbedingte Veränderungen der Leistungs- und Lernfähigkeit

Die empirischen Befunde zu diesem, in entwicklungspsychologischen, gerontologischen und arbeitswissenschaftlichen Studien untersuchten, Forschungsgebiet zeigen uneinheitliche Ergebnisse.

Dem Defizitmodell folgend werden ältere Beschäftigte vielfach als Problemgruppe angesehen. Man unterstellt dabei, dass Leistungsvermögen, Belastbarkeit, Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft zurückgehen (Regnet, 2004; Naegele, 1988; Bungard Fischer, 1983). Dass solche Einschätzungen vielfach nicht den Tatsachen entsprechen, konnte wiederum in anderen Studien belegt werden (Lehr, 1987, 1997; Avolio, Waldmann McDaniel, 1990; Naegele, 1993; Gaugler, 1989; Türk, 1981). Insbesondere konnten keine generalisierbaren Effekte des Alters auf die Leistungsvariablen ermittelt werden (Jordan, 1996). Im Folgenden soll aus der umfänglichen Literatur nur auf die für diese Arbeit bedeutsamen Ergebnisse eingegangen werden.

Festgestellt werden kann, dass die Leistungsfähigkeit individuell höchst unterschiedlich ausfällt, wobei mit zunehmendem Alter – abhängig von der individuellen Lern- und Berufsbiografie – größere Leistungsunterschiede innerhalb einer Altersgruppe als zwischen verschiedenen Altersgruppen festzustellen sind (Wenke, 1996, S. 48; Lehr, 1997, S. 73). Die berufliche Leistungsfähigkeit ist weniger vom kalendarischen Alter, als von der Arbeitsaufgabe, den Arbeitsbedingungen, der Qualifikation und der inneren Einstellung abhängig. Besonders für die Einschätzung der beruflichen Leistungs- und Lernfähigkeit ist das funktionale Altern von Bedeutung, dass sich in seinen Ausprägungen (physiologisches, als auch soziales, kognitives, gefühlsmäßiges Altern) sehr vielfältig darstellt (Lange, 1996, S. 128). Es kann demzufolge nicht allein vom chronologischen Alter ausgegangen werden, wenn es um die Beurteilung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten geht. Dieser Annahme folgend wird in der Psychologie auch von Alternsformen anstatt von Altersnormen gesprochen.

Lehr (1997) stellt zusammenfassend fest: „Altern ist stets das Ergebnis einer individuellen Entwicklung, eines lebenslangen Geschicks mit ureigensten lebenslangen Erfahrungen und Auseinandersetzungen“ (Lehr, 1997, S. 68).

Fähigkeits- und Leistungsprofil

Bei den altersspezifischen Unterschieden im Leistungsverhalten handelt es sich nicht um eine allgemeine Leistungsverringerung, sondern vielmehr um eine Umschichtung innerhalb des Fähigkeits- und Leistungsprofils (Uepping, 1997, S. 173; Lange, 1996, S. 131).

Dabei zeigen sich die von Baltes et al. im SOK-Modell[4] formulierten Entwicklungsmechanismen des „erfolgreichen Alterns“: die Optimierung der Leistungsfähigkeit durch Selektion und Kompensation mittels bestimmter motivationaler und kognitiver Fähigkeiten bzw. Ressourcen (Baltes, 1999; vgl. auch Kap. 3.3.2). Altersbedingte Verzögerungen des Reaktionsvermögens und der Informationsverarbeitung können z.B. durch die größere Arbeits- und Berufserfahrung Älterer und durch ihre Geübtheit in speziellen beruflichen Fähigkeiten kompensiert werden (Lange, 1996, S. 131); eine langsamere Arbeitsgeschwindigkeit kann durch erfahrungsmäßig eingespielte Routinen ausgeglichen werden (Wenke, 1996, S. 49).

In Tabelle 1 werden die aktuellen Erkenntnisse der gerontologischen und arbeitswissenschaftlichen Psychologie zum Leistungsbild älterer Menschen im Allgemeinen und älterer Arbeitnehmer im Besonderen zusammenfassend dargestellt. Quintessenz ist, das sich viele Kompetenzen mit zunehmendem Alter (weiter-) entwickeln und in ihrer Gesamtheit ein neuartiges Kompetenzprofil bilden, welches eher den geforderten Schlüsselqualifikationen entspricht (vgl. Einleitung).

Tabelle 1: Umschichtung innerhalb des Fähigkeits- und Leistungsprofils Älterer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quellen: Baltes et al., 1984; Baltes Baltes, 1989; Dittmann-Kohli van der Heijden, 1996; Lange, 1996; Lehr, 1991, 1997; Naegele, 1994, 1988; Regnet, 2004; Steiner, 1997; Uepping, 1997; Wenke, 1996)

2.2 Schlussfolgerungen für die Personalentwicklung

Aus dem Gesamtzusammenhang der bisherigen Ausführungen ergeben sich nicht nur interessante und als Chance begreifbare Gestaltungsmöglichkeiten für die Entwicklung von älteren und betriebsälteren[5] Mitarbeitern, sondern auch ein neues Verständnis ihres Potenzials unter Berücksichtigung des veränderten Fähigkeits- und Leistungsprofils. Grund dafür ist der technologisch-organisatorische Wandel, der kontinuierliche Anpassungsqualifikationen erfordert, die kaum durch die einmalige Erstausbildung oder sporadische berufliche Fortbildungen abzudecken sind. Die zunehmend benötigten überfachlichen Schlüsselqualifikationen, wie das Denken in betrieblichen Zusammenhängen, die Fähigkeit, selbständig Entscheidungen zu treffen, das Wissen um interne Strukturen und Entscheidungskompetenz sind oftmals „(…) das Resultat von langjähriger Berufserfahrung, der Kenntnis unternehmensinterner Prozesse und des erprobten Umgangs mit Problemsituationen. Deswegen sind es gerade die älteren und betriebsälteren, schon berufserfahrenen Mitarbeiter, die die notwendigen Voraussetzungen für die Bewältigung der neuen Anforderungen mitbringen“ (Wenke, 1996, S. 10f). Neben dieser Zielgruppe müssen vorausschauend betrachtet, die heute erst 35-45jährigen durch entsprechende Qualifizierung und Weiterentwicklung von betriebsspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen rechtzeitig und angemessen auf die sich verändernden Anforderungen vorbereitet werden (Wollert, 1997, S, 13).

Nur mit gut und richtig qualifizierten Mitarbeitern ist ein Unternehmen für den Wettbewerb gerüstet, denn „ (...) die Fähigkeit, schneller zu lernen als die Konkurrenz, ist vielleicht der einzig wirklich dauerhafte Wettbewerbsvorteil“ (Senge, 1998).

Als modernes und aufgrund flacher Hierarchien durch begrenzte Aufstiegschancen gekennzeichnetes Unternehmen für die hoch qualifizierten Mitarbeiter auf Dauer attraktiv zu bleiben, stellt hohe Anforderungen an die Personalentwicklung. Hier können nur langfristig orientierte und an alle Altergruppen gleichermaßen gerichtete Ansätze Erfolg versprechend sein.

Teil B – Theoretischer Hintergrund

Ausgehend von den einleitenden Überlegungen zum demografischen Wandel und den damit verbundenen Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter müssen personalstrategische Handlungsempfehlungen zur Vorbereitung von Unternehmen auf diese Entwicklungen abgeleitet werden.

Dazu soll im Folgenden, aufbauend auf den Erkenntnissen aus verschiedenen psychologischen Teildisziplinen (Entwicklungs-, Lebensspannen-, Arbeits- und Organisationspsychologie) ein personalstrategisches Konzept vorgestellt werden, welches als ganzheitlicher Ansatz zur Erhaltung und Förderung von Leistungsfähigkeit und -bereitschaft von Arbeitnehmern während ihrer gesamten betrieblichen Zugehörigkeit verstanden werden kann.

Es handelt sich dabei um den Ansatz der „Lebenszyklusorientierten Personalentwicklung“.

3 Entwicklungs- und lebensspannenpsychologische Grundlagen

Um den Ansatz einer am Lebenszyklus der Mitarbeiter orientierten Personalentwicklung einzuführen, werden vorerst die relevanten grundlegenden Annahmen aus der Entwicklungspsychologie erläutert. Diese Teildisziplin der Psychologie widmet sich der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage menschlichen Erlebens und Verhaltens unter dem Aspekt der Veränderung. Im Folgenden werden das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst (1956) und das entwicklungstheoretische Modell von Erikson (1959) vorgestellt, wobei aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit jeweils nur auf die Entwicklungsschritte im Erwachsenenalter und Alter vertieft eingegangen wird.

3.1 Entwicklungsaufgaben nach Havighurst

Entwicklungsaufgaben sind nach Havighurst (1956) Aufgaben, die sich aus dem Zusammenspiel von biologischen, gesellschaftlichen und persönlichen Einflussfaktoren ergeben. Bestimmten sozial geteilten und meist altersgebundenen Erwartungen entsprechend, unterscheiden sie sich in ihrer Struktur und in ihrem Anforderungsniveau.

Erwähnenswert ist, dass Neugarten bereits 1968 Beispiele für die zunehmende Entkopplung der Entwicklungsaufgaben vom kalendarischen Alter nennt, wie z.B. die 37jährige Großmutter, der 57jährige Student, welche sich auf den Bereich der beruflichen Entwicklungsaufgaben (z.B. die 30jährige Führungskraft) übertragen lassen (Neugarten, 1968 zitiert nach Haeberlin, 1986a, S. 48).

Tabelle 2 gibt Aufschluss über die für Erwachsene im beruflichen Umfeld bedeutsamen Entwicklungsaufgaben.

Tabelle 2: Ausgewählte Entwicklungsaufgaben im mittleren Erwachsenalter

nach Havighurst (1956, 1972)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bewältigung der jeweils anstehenden Entwicklungsaufgabe ist nicht nur Voraussetzung für den erfolgreichen Umgang mit nachfolgenden Aufgaben, sondern auch für die Zufriedenheit und das Wohlbefinden des Individuums bedeutsam. Ein Scheitern bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgabe kann hingegen zu Problemen mit späteren Aufgaben, zu Unzufriedenheit oder auch zu mangelnder Anerkennung seitens der Gesellschaft führen. Gründe, die der Bewältigung einer (z.B. beruflichen) Entwicklungsaufgabe entgegenstehen, können in der Person, aber auch in beschränkenden (z.B. organisationalen) Umweltbedingungen liegen.

3.2 Das entwicklungstheoretische Modell von Erikson

In einem der bekanntesten und grundlegendsten Ansätze geht Erikson (1959, 1988) mit seinem an den psychoanalytischen Überlegungen von Freud und Jung anknüpfenden Entwicklungskonzept ebenfalls von einer durch die erfolgreiche Bewältigung altersbezogener Anforderungen (Krisen) gekennzeichneten Persönlichkeitsentwicklung aus. Der Reifeprozess im Erwachsenenalter ist durch die Stadien VI bis VIII gekennzeichnet (vgl. Abb. 4), wobei auch hier die erfolgreiche Bewältigung einer Krise und die daraus resultierende persönliche Reifung die Voraussetzungen für ein Aufsteigen zur nächsthöheren Stufe darstellen (Erikson, 1959, 1988).

Während Havighurst die Entwicklungsaufgaben explizit als vom kulturellen Kontext abhängig konzipiert hat, geht Erikson von einer universalen Gültigkeit der psychosozialen Krisen aus, die in Abbildung 4 dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zeit

Abbildung 4: Das entwicklungstheoretische Modell von Erikson

(Graf, 2003, S. 50 in Anlehnung an Erikson, 1988, S. 72)

Während Stufe VI durch den Konflikt von Intimität und Solidarität (im Sinne eines Aufbaus tragfähiger Beziehungen) versus Isolierung geprägt ist, ist bei Stufe VII das Spannungsfeld zwischen Generativität (als Synonym für Produktivität und Fortpflanzungsfähigkeit bzw. der Schaffung überdauernder Beiträge für die eigene Lebenswelt und die nachkommende Generation) und Selbstabsorption bzw. Stagnation (verbunden mit Niedergeschlagenheit und Isolation) das zentrale Thema. Die letzte Phase im Modell nach Erikson und gleichzeitig verbindendes Element zum Beginn des Lebenszyklus, kann einerseits bestimmt sein durch Integrität als „ (...) erfüllte und gelöste Anteilnahme am Leben im Angesicht des Todes“, oder durch Verzweiflung als Reaktion „ (...) auf das Gefühl (...), immer mehr am Ende, verwirrt und hilflos zu sein“ (Erikson, 1988, S. 78ff). Durch das positive Annehmen der individuellen irreversiblen Lebensgeschichte und der Vergänglichkeit kann diese Krise bewältigt werden. Im Allgemeinen wird die Lösung einer Krise und die damit verbundene erfolgreiche persönliche Weiterentwicklung durch die jeweilige Synthese der beiden entgegengesetzten Pole ermöglicht (Erikson, 1959). Viele in anderen Disziplinen entwickelte Konzepte bauen auf dem Ansatz von Erikson auf (z.B. Schein, 1978, Sheehy, 1978, Lievegoed, 1979).

Stellvertretend für das traditionelle entwicklungspsychologische Verständnis gehen die beiden beschriebenen Ansätzen von einer unidirektionalen Entwicklung aus, die mittels hierarchisch aufeinander aufbauenden und in einer unumkehrbaren Folge zu durchlaufenden Entwicklungsstufen erschöpfend beschrieben werden kann.

3.3 Erweiterung des traditionellen Entwicklungsbegriffs

Seit Ende der 60iger Jahre ist in der Entwicklungspsychologie eine Hinwendung zu einer das gesamte Leben überspannenden Perspektive zu verzeichnen. Forschungsleitend ist die Annahme, dass Entwicklung nicht nur auf einen bestimmten Lebensabschnitt beschränkt ist, sondern über die gesamte Lebensspanne hinweg erfolgt, wobei neben biologischen, physiologischen und psychologischen auch soziale und historische Einflussfaktoren eine Rolle spielen.

Innerhalb der Lebensspannenpsychologie, deren Schwerpunkt die Erforschung und Theoriebildung des Erwachsenenalters darstellt, ist die Kritik an den traditionellen Entwicklungsmodellen angesiedelt. Im Fokus dieser Kritik stehen die Annahmen einer universal gültigen, unumkehrbaren, unidirektionalen und streng altersgebundenen Entwicklung (Montada Schmitt, 1982; Featherman, 1983).

Die Erweiterung des den traditionellen Konzepten zugrunde liegenden Verständnisses von Entwicklung um neuere Erkenntnisse aus der Lebensspannenpsychologie, ist aus Sicht der Autorin für die Anwendung von beruflichen Zykluskonzepten unabdingbar.

3.3.1 Lebensspannenpsychologische Grundannahmen

Das im Lebensspannenansatz vertretene breitere Verständnis von Entwicklung gestaltet sich vor allem durch die folgenden vier Komponenten dynamischer und komplexer als die universalistischen und unidirektionalen Stufenmodelle es sein können (Baltes, Lindenberger Staudinger, 1998; Montada, 2002):

1. Kontextualismus

Entwicklungsverläufe können in Abhängigkeit des gesellschaftshistorischen und kulturellen Kontextes variieren. Der Lebensverlauf (allgemein und beruflich) ist heute weniger stark strukturiert und von außen vorgegeben als noch vor wenigen Jahren, was sich auch in der stärkeren Variation und geringeren Bindung der altersbezogenen Erwartungen und Normen zeigt (Freund Baltes, 2005, S. 49).

2. Plastizität

Entwicklung als Prozess der Ressourcenbildung oder -verschiebung findet in jeder Lebensphase und in jedem Alter statt. In Studien wurde eine bis ins hohe Alter bestehende kognitive Plastizität (Modifizierbarkeit zum Besseren) belegt (Oswald et al., 1998). Diese wurde nicht nur im Bereich der fluiden Intelligenz sondern auch bei dem Erwerb und der Nutzung von Gedächtnistechniken nachgewiesen (Lindenberger, 2002, S. 372).

3. Multidirektionalität

Es handelt sich nicht nur um eine auf Fortschritt und Ziel ausgerichtete Entwicklung, sondern es sind gleichzeitig Gewinne und Verluste möglich. So kann z.B. ein höheres Funktionsniveau (Gewinn) durch eine Spezialisierung (z.B. durch berufliche Aus- und Weiterbildung) erreicht werden, wobei dies gleichzeitig den Wegfall anderer beruflicher Alternativen (Verlust) bedeuten kann (Freund Baltes, 2005).

4. Multifunktionalität

Das Konzept der Multifunktionalität besagt, dass das gleiche Verhalten mehrere, unter Umständen auch entgegen gesetzte Funktionen haben kann (Freund Baltes, 2005, S. 48).

Ein um diese Aspekte erweitertes Verständnis von Entwicklung wird sich für die Übertragung auf berufliche Entwicklungskonzepte als sehr fruchtbar erweisen.

3.3.2 Entwicklungsaufgaben in der Lebensspannenpsychologie

Während von Havighurst und Erikson eher die Inhalte der altersbezogenen Anforderungen beschrieben wurden, stellen die neueren Entwicklungsmodelle des Lebensspannenansatzes die der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben zugrunde liegenden Prozesse in den Vordergrund. Dabei handelt es sich um entwicklungs- und selbstregulative Prozesse, die die Ziele, Einstellungen und Verhaltensweisen in Auseinandersetzung mit der Bewältigung der jeweiligen (zum Teil altersbezogenen) Entwicklungsaufgabe beeinflussen und steuern. Baltes et al. bezeichnen diese im Rahmen der SOK-Theorie ausführlich beschriebenen Prozesse als Selektion, Optimierung und Kompensation (Baltes et al., 1999; Baltes, 1987; Freund Baltes, 2000, vgl. Kap. 2.1)

Entwicklungsaufgaben stellen damit einen wichtigen Orientierungsrahmen für die Entwicklung und Auswahl altersangemessener persönlicher Ziele (Selektion) dar. Indem Entwicklungsaufgaben auf altersgebundene Opportunitätsstrukturen und damit auf das Vorhandensein bzw. die Verfeinerung von zielrelevanten Ressourcen verweisen, unterstützen sie auch die Verfolgung von persönlichen Zielen (Optimierung). Wenn im Entwicklungsverlauf Verluste auftreten, dann können Entwicklungs-aufgaben darauf hinweisen, in welchen Lebensbereichen kompensatorische Bemühungen zum Entgegenwirken der Verluste besondere Priorität haben und damit zur Aufrechterhaltung des Entwicklungsniveaus in bestimmten Lebensbereichen beitragen (Kompensation). (Freund Baltes, 2005, S. 39)

Aus lebensspannenpsychologischer Sicht fördern Entwicklungsaufgaben das Verständnis entwicklungsregulativer Prozesse im mittleren und höheren Erwachsenenalter, unterstützen bei der Strukturierung des Lebenslaufes oder der Gestaltung von Zielsetzungsprozessen (Freund Baltes, 2005, S. 35).

3.4 Entwicklung als Austauschprozess mit der Umwelt

Bei der Bewältigung der jeweiligen Entwicklungsaufgaben werden bestimmte Fähigkeiten und Verhaltensweisen in adaptiver Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen gefördert bzw. verringert (Lang, Neyer Asendorp, 2005). So haben Längsschnittstudien die Annahme einer wechselseitigen Interaktion und Einflussnahme von Arbeit und Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsentwicklung empirisch bestätigt (Kohn Schooler, 1983, zitiert nach Hoff, 2005, S. 525). Personen beeinflussen ihre Arbeitsumwelten nicht nur, indem sie sich aktiv mit ihnen auseinandersetzen, sondern sie gestalten ihre beruflichen Biografien, die wiederum zur Verfestigung oder Veränderung bestimmter Persönlichkeitsdispositionen führen können (Hoff, 2005, S. 526; Schallberger, 2000). Diesem Wechselwirkungsparadigma entsprechend steht z.B. die inhaltliche Komplexität der Arbeit im Zusammenhang mit zunehmender intellektueller Flexibilität (Hoff, 2005, S. 537f).

Übertragen auf den beruflichen Kontext bedeutet dies, dass auch hier in einem interaktionalen Person-Umwelt-Adaptionsprozess bestimmte Fertigkeiten und Fähigkeiten weiterentwickelt werden (z.B. Spezialisierung), oder aber auch durch mangelnden Gebrauch stagnieren oder zurückgehen können (z.B. Lernentwöhnung). Differentielle Unterschiede und Veränderungen werden als Ergebnisse dieser komplexen Interaktionsprozesse verstanden (Montada Schmitt, 1982). Dabei gilt das Individuum als aktiver Gestalter seiner Umwelt und damit auch der Umgebungsbedingungen, die wiederum Einfluss auf die Entwicklung der anderen Beteiligten haben (Featherman, 1983, S. 40).

Zusammenfassung

Aus der erweiterten Lebensspannenperspektive ergibt sich zusammenfassend: Einflussfaktoren, die aus dem Arbeitskontext resultieren und Auseinandersetzung und Bewältigung erfordern, lösen Veränderungs- und Anpassungsprozesse aus. Dabei ist Entwicklung jedoch nicht als das vorab festgelegte Durchlaufen einer irreversiblen Stufen- oder Phasenabfolge zu verstehen, sondern kann je nach individuellen (physischen, altersbezogenen, non-normativen) und kontextbezogenen (sozialen, gesellschaftlichen) Einflussfaktoren[6] in der Abfolge variieren. Diese Variationen umfassen nicht nur eine unterschiedlich lange Aufenthaltsdauer innerhalb einer Phase, sondern können auch ein mehrmaliges Durchlaufen der Phasen, das Zurückgehen in eine vorherige Phase, oder einen endgültigen Verbleib in einer Phase bedeuten. Obwohl die Annahme von distinkten und universellen Stufen bzw. Phasen nicht gerechtfertigt erscheint, gibt es dennoch bis zu einem bestimmten Grad eine Altersgebundenheit der Entwicklung und damit eine altersbezogene und an gesellschaftlichen Normen orientierte Strukturierung des (beruflichen) Lebensverlaufes.

Bezogen auf den gesamten Lebenszyklus werden Selektions-, Optimierungs- und Kompensationsprozesse insbesondere dann erforderlich, wenn verschiedene Bereiche des Lebens (Beruf, Familie etc.) mit ihren unter Umständen konfligierenden Zielsetzungen und Ressourcenpotenzialen interagieren. So knüpft z.B. die Gegenüberstellung der verschiedenen Teillebenszyklen nach Schein (1978) an diese Vorstellung von interdependenten und sich wechselseitig beeinflussenden Entwicklungsaufgaben an (vgl. Kap. 4.4).

Letztlich sollten aus den Ausführungen die beiden Extrempole von Entwicklungskonzeptionen deutlich geworden sein. Auf der einen Seite ein universal gültiges, unumkehrbares und altersgebundenes Durchlaufen von beschriebenen Stufen, dem auf der anderen Seite die Konzeption einer lebenslangen, von Alterskategorien weitestgehend entbundenen Entwicklung gegenüber steht, deren Verlauf an dem individuell unterschiedlichen Bewältigungsgrad der Aufgaben verschiedener Lebensbereiche gemessen wird.

In diesem Spannungsfeld bewegen sich einige empirische Fragestellungen und Hypothesen dieser Arbeit. Zuvor sollen jedoch nach einer allgemeinen Einführung zu den Lebenszykluskonzepten, die relevanten Erkenntnisse auf die Betrachtung des beruflichen Lebenszyklus übertragen werden. In der wissenschaftlichen Literatur sind im Zusammenhang mit Entwicklungsaufgaben vorwiegend die Bewältigung des Eintritts ins Berufsleben (Wiese Freund, 2000) und die Etablierung und Weiterentwicklung im Beruf (Hoff, 2005) thematisiert worden.

4 Lebenszykluskonzepte

Grundgedanke der Lebenszykluskonzepte ist, dass die menschliche Entwicklung durch das Durchlaufen verschiedener Phasen gekennzeichnet ist, wobei die einzelnen Abschnitte durch kritische Übergänge (Transitionen) getrennt sind, an denen jeweils eine besondere Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit gefordert ist. Wie in Kapitel 3.2 beschrieben, kann die Bewältigung der in jeder einzelnen Phase anstehenden spezifischen Aufgaben (Krisen) zu persönlichem Wachstum und Reife führen und die Kompetenzen zur Bewältigung zukünftiger Aufgaben bereit stellen. Vor allem in der Soziologie und (Entwicklungs-) Psychologie, aber auch in den Wirtschaftswissenschaften wurde eine große Anzahl an Lebenszyklusmodellen entwickelt und beschrieben.

Für die Einführung des Lebenszyklusansatzes kommt die Autorin in Übereinstimmung mit Ernst (1997) zu dem Schluss, „ (...) dass es am sinnvollsten erscheint, das Lebenszykluskonzept als ein auf den Grundlagen der Entwicklungsbiologie aufbauendes Modell zu begreifen“ (Ernst, 1997, S. 50):

Der Lebenszyklus beschreibt die von dem betreffenden Lebewesen typischerweise durchlaufenen und somit recht genau prognostizierbaren Veränderungen qualitativer und quantitativer Natur im Zeitablauf . Dabei lassen sich in der Regel mehrere Lebensphasen unterscheiden, die durch bestimmte Merkmale oder Merkmalskombinationen charakterisiert sind. Die Reihenfolge dieser Phasen ist in den meisten Fällen determiniert. Die zeitliche Länge [alle Hervorhebungen v. Verf.] der einzelnen Phasen wie auch des Gesamtzyklus können allerdings variieren. (S. 49)

Im Gegensatz zu dieser eher deterministisch angelegten Begriffsbestimmung, betonen die im Folgenden vorgestellten Lebenszykluskonzepte die individuelle Verschränkung verschiedener Teillebenszyklen. Obwohl sie dadurch an Komplexität zunehmen und Veränderungen weniger genau prognostizierbar werden, eignen sie sich gut als heuristische Modelle.

Im Allgemeinen wird der individuelle Lebenszyklus analog zu den drei bedeutendsten Lebensbereichen in den biosozialen , den familiären und den beruflichen Lebenszyklus unterteilt, wobei letzterer den Schwerpunkt der folgenden Ausführungen bildet.

4.1 Biosozialer Lebenszyklus

Die Entwicklung und das Verhalten von Menschen wird durch biologische Einflussfaktoren bestimmt, wobei der für jeden Menschen gleichsam geltende biologische Lebenszyklus, der mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet, die Grundlage bildet (Ernst, 1997; Graf, 2002).

Biologische Einflüsse auf die Entwicklung liegen einerseits in der unterschiedlichen Ausstattung mit Ressourcen und in der unterschiedlichen Reifung im Kindesalter begründet, aber auch im erhöhten Risiko, im Alter zu erkranken. Diese Einflussfaktoren definieren Ober- und Untergrenze des physischen und kognitiven Potenzials und sind hoch mit dem chronologischen Alter korreliert (Freund Baltes, 2005, S. 50).

Die konkrete Ausgestaltung eines individuellen Lebenszyklus ist neben dem Einfluss genetischer Faktoren auch in einem hohen Ausmaß von den jeweils herrschenden gesellschaftshistorischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen abhängig (Featherman, 1983).

4.2 Familiärer Lebenszyklus

Im familiären Lebenszyklus geht es um die durch die Gründung einer eigenen Familie geprägte Entwicklung und die damit einhergehenden zu bewältigenden Aufgaben.

Aufbauend auf früheren Arbeiten von Duvall (1977) und Golan (1981) haben Carter und McGoldrick (1988) den in Tabelle 3 skizzierten normativen familiären Lebenszyklus entwickelt, der die einzelnen Phasen mit den jeweils dazu gehörenden (Familien-) Entwicklungsaufgaben beinhaltet. In Anpassung an sich verändernde Familientraditionen, Arten und Formen des familiären Zusammenlebens (Patchwork-Familie) wurden später auch für nicht-normative Zyklenverläufe entsprechende Entwicklungsaufgaben zusammengestellt, so z.B. für allein lebende Eltern nach einer Scheidung oder für den Fall einer Wiederverheiratung (für einen vertiefenden Einblick siehe Golan, 1981, Carter und McGoldrick, 1988; Schneewind, 1999).

Tabelle 3: Normative Veränderungen im Familienlebenszyklus und Familienentwicklungsaufgaben (auszugsweise), eigene Darstellung in

Anlehnung an Carter und McGoldrick, 1988

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4.3 Beruflicher Lebenszyklus

Der berufliche Lebenszyklus umfasst die gesamte Lebensarbeitszeit und beschreibt die verschiedenen Phasen der beruflichen Entwicklung.

Er beginnt mit der Entscheidung für einen beruflichen Weg und dem Eintritt in eine Organisation. Nach der Bewältigung der ersten Lernherausforderungen und des evtl. eintretenden Realitätsschocks (Kieser et al., 1990) führt die individuelle Laufbahn auf unterschiedlich gestaltbaren Karrierepfaden zu einer relativ stabilen Karriereorientierung. Nachdem eine Vielzahl von Berufserfahrungen z.B. durch den Wechsel innerhalb des gleichen oder zwischen verschiedenen Unternehmen gesammelt wurden, stellt sich in der mittleren Karrierephase (ab 35 bis 45 Jahren) oft eine berufliche Krise ein, die eine erneute Auseinandersetzung mit den beruflichen und persönlichen Zielvorstellungen erfordert. Im Anschluss ergeben sich wieder vielfältige weitere Verlaufsmöglichkeiten innerhalb des beruflichen Lebenszyklus. Es kann sich eine Weiterentwicklungs- und Wachstumsphase, ein Aufrechterhalten des Ausgangszustandes oder auch Stagnation und Leistungsabfall anschließen (Graf, 2002, S.67ff). Die individuelle Entwicklung hängt dabei von den Chancen und Herausforderungen ab, die aus dem Arbeitsumfeld resultieren und durch die notwendige Bewältigung immer wieder Veränderungs- und Anpassungsprozesse auslösen (Sattelberger, 1995a).

Der berufliche Lebenszyklus endet in der Regel mit dem Eintritt in den Ruhestand.

Eines der bedeutendsten Konzepte zur beruflichen Entwicklung, das dieses Forschungsgebiet maßgeblich beeinflusst hat, stammt von Edgar Schein (1978) und dient als theoretische Grundlage für die weiteren Ausführungen zum Ansatz der lebenszyklusorientierten Personalentwicklung nach Sattelberger (1995, 1996) und Graf (2002).

[...]


[1] aus Paulo Coelho, Wege zum Glück.

[2] die Konkurrenz unter den Unternehmen um das beschränkte Angebot an qualifizierten Fachkräften

[3] Wenn im Folgenden von älteren Arbeitnehmern oder Älteren gesprochen wird, soll dieser Begriff in Anlehnung an die OECD-Definition verstanden werden: Personen werden als „ältere Arbeitnehmer“ kategorisiert, wenn sie sich in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens befinden – meist ab dem 40. Lebensjahr (vgl. Nienhüser, 2000, S. 56)

[4] Modell der Selektion, Optimierung und Kompensation

[5] Mitarbeiter mit einer langen Betriebszugehörigkeit, was nicht automatisch mit einem hohen Alter gleichzusetzen ist

[6] z.B. Pensionierungsalter als altersbezogene soziale Struktur

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836633420
Dateigröße
942 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Erziehungswissenschaft und Psychologie, Wirtschafts- und Sozialpsychologie
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
demografiemanagement mitarbeitermotivation wachstumsphase führungsaufgabe personalstrategie
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Titel: Lebenszyklusorientierte Personalentwicklung in Zeiten des demografischen Wandels
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