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'Die Partei hat immer Recht!'

Herrschaft und Machtausübung in der sowjetisch besetzten Zone am Beispiel der Herrschaftskonsolidierung der SED

©2009 Masterarbeit 42 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das ‘Lied der Partei’ von Louis Fürnberg, welches er anlässlich des III. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) 1950 dichtete, wurde in der gesanglichen Interpretation von Ernst Busch berühmt. Musikalisch im Stil klassischer Arbeiterkampflieder und des Agitprop gehalten, spiegelte es unverblümt, direkt und offen den totalen bzw. totalitären Herrschafts-, Gestaltungs- und Machtanspruch der SED in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) und der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wieder. Die aus heutiger (unbedarfterer) Sicht ironisch anmutende Aussage des Textes ist keineswegs im übertragenen Sinne, sondern direkt und klar zu verstehen: ‘Die Partei’ – und damit eindeutig die SED – duldete keinen Widerspruch, sie hatte in mehrfacher Hinsicht immer recht. Sowohl in politischen, ideologischen, organisatorischen, philosophischen, künstlerischen, militärischen, ökonomischen, sicherheitspolitischen, juristischen, gesellschaftlichen, öffentlichen, staatlichen Angelegenheiten, sowie auch in allen übrigen relevanten Bereichen beanspruchte und übte sie das alleinige Entscheidungs- und Anleitungsmonopol in der sich formierenden bzw. durch ‘die Partei’ formierten Gesellschaft der frühen DDR und der vorangegangen Jahre der SBZ aus. Einzige grundlegende Einschränkungen zu dieser Feststellung müssen im Bereich der direkten administrativen und anleitenden Entscheidungsbefugnisse der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), bzw. ab der Staatsgründung der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK) und im Bereich der einzigen gesellschaftlich- teilautonomen Großorganisation in der SBZ/DDR – der Evangelischen Kirche – gemacht werden.
Die Herrschaft in der DDR beruhte auf der Herrschaft der ‘Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei’ der SED. Ein wesentliches Element dieser Herrschaft beruhte auf der Macht der Roten Armee in Ostdeutschland und des SMAD:
‘Das politische System der SBZ und frühen DDR stellt sich im Ergebnis der Untersuchungen zur politischen Praxis und zu konkreteren Entscheidungsprozessen als eine besondere Form der Synthese aus sowjetischer Besatzungspraxis und deutscher Parteiherrschaft dar. Unter dem Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht vollzog sich die Machtübernahme der SED als ein allmählicher, schleichender Prozess, sozusagen als geordnete Übertragung der Verantwortlichkeit von der SMAD/SKK auf die SED’.
Oder mit den Worten von Hans-Ulrich […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Gliederung:

1. Vorwort

2. Einleitung: Herrschaft Macht und Ideologie

3. „Genossen, es muss nur demokratisch aussehen“: Der Stalinismus und die Durchsetzung der Parteiherrschaft
3.1. „So aus Leninschem Geist, wächst von Stalin geschweißt die Partei!“: Von SPD und KPD zur SED
3.2. Die Transformation und der Stalinismus der SED
3.3. Demokratischer Zentralismus, Kaderpolitik und Nomenklatur

4. „Unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“
4.1. Die Transmission in den politischen Raum
4.2. „Das Bündnis aller Kräfte des Volkes findet in der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik ihren Ausdruck“: Vom Antifaschistisch-Demokratischen Block zur Nationalen Front
4.3. Die Parteien in der SBZ
4.4. NDPD und DBD

5. Transmission in alle gesellschaftlichen Bereiche am Beispiel des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes mit weitergehenden Überlegungen zur entstehenden sozialistischen Gesellschaftsordnung

6. Schlussbetrachtung

7. Quellen- und Literaturverzeichnis

8. Anhang mit Bildquellen

Das Lied der Partei:

„Sie hat uns alles gegeben.

Sonne und Wind. Und sie geizte nie.

Wo sie war, war das Leben.

Was wir sind, sind wir durch sie.

Sie hat uns niemals verlassen.

Fror auch die Welt, uns war warm.

Uns schützt die Mutter der Massen,

Uns trägt ihr mächtiger Arm.

Die Partei,

Die Partei, die hat immer recht!

Und, Genossen es bleibe dabei;

Denn wer kämpft für das Recht,

Der hat immer recht

Gegen Lüge und Ausbeuterei.

Wer das Leben beleidigt ist dumm oder schlecht.

Wer die Menschheit verteidigt,

Hat immer recht.

So, aus Leninschem Geist,

Wächst, von Stalin geschweißt,

Die Partei – die Partei – die Partei.

Sie hat uns niemals geschmeichelt.

Sank uns im Kampfe auch mal der Mut,

So hat sie uns leis´ nur gestreichelt:

Zagt nicht! Und gleich war uns gut,

Zählt denn auch Schmerz und Beschwerde,

Wenn uns das Gute gelingt,

Wenn man den Ärmsten der Erde

Freiheit und Frieden erzwingt?

[Refrain]

Sie hat uns alles gegeben,

Ziegel zum Bau und den großen Plan,

und sprach: jetzt baut euch das Leben!

Vorwärts, Genossen! Packt an!

Hetzen Hyänen zum Kriege,

bricht euer Bau ihre Macht!

Zimmert das Haus und die Wiege!

Bauleute, seid auf der Wacht!

[Refrain][1]

1. Vorwort

Die nachstehende Masterarbeit „Die Partei hat immer recht! - Herrschaft und Machtausübung in der Sowjetisch Besetzten Zone am Beispiel der Herrschaftskonsolidierung der SED.“, gliedert sich in drei größere Abschnitte (siehe Gliederung). Nach diesem Vorwort folgt eine Einleitung in das Thema. Im Anschluss daran sollen Anmerkungen zum Stalinismus und zur Durchsetzung der Parteiherrschaft in der SBZ folgen. Dies schließt den Prozess des „Zusammenschlusses“ der „Einheitspartei“, die Transformation der SED zu einer „Partei neuen Typs“ und die Durchsetzung sowjetischer bzw. stalinistischer Herrschaftsinstrumente mit ein. Daraufhin soll es in Kapitel 4 um die Transmission der Parteiherrschaft in den politischen Raum der SBZ und um den Zusammenschluss der Parteien und der s.g. „Massenorganisationen“ zum „Antifaschistisch-Demokratischen Block“ gehen. Ein wichtiger Abschnitt dabei ist der Entwicklung und Einbindung der vier Parteien jenseits „ der“ Partei in die spätere „Nationale Front“ vorbehalten. Die Ausführungen sollen mit Überlegungen zur „Transmission“ in die gesamte Gesellschaft, nach marxistisch-leninistischem Herrschaftsverständnis, abgerundet werden. Als Beispiel für diese „Transmission“ soll die Entstehung und Einbindung des FDGB dienen. Den Abschluss dieser Masterarbeit bilden einige wenige Schlussbetrachtungen, die obligatorische Quellen- und Literaturliste, sowie einige Bildquellen im Anhang.

Persönlich markiert die Fertigstellung dieser Arbeit für mich den Abschluss meines Studiums der Germanistik, Erziehungswissenschaften und der Geschichtswissenschaften an der Universität Bielefeld. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Herrn PD Dr. Christopher Kopper für die Annahme und Betreuung dieser Arbeit als Erstkorrektor und Herrn Dr. Johannes Altenberend (Studienrat im Hochschuldienst) als Zweitkorrektor zu danken. Darüber hinaus gilt mein Dank der Universität und der Fakultät, sowie deren gegenwärtigen und früheren Dozenten und Professoren, ohne deren fundierte und gründliche allgemein-akademische, (fach-)wissenschaftliche und fachdidaktische Ausbildung diese Arbeit niemals hätte geschrieben werden können. Mein noch größerer Dank gilt meinen lieben Eltern, ohne deren großzügige und langjährige Unterstützung diese Ausarbeitung ebenso wenig denkbar gewesen wäre, wie ohne die liebende und geduldige Unterstützung meiner M.

Bielefeld, im März 2009

2. Einleitung: Herrschaft Macht und Ideologie

Das voranstehende „Lied der Partei“ von Louis Fürnberg, welches er anlässlich des III. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) 1950 dichtete, wurde in der gesanglichen Interpretation von Ernst Busch berühmt. Musikalisch im Stil klassischer Arbeiterkampflieder und des Agitprop gehalten, spiegelte es unverblümt, direkt und offen den totalen bzw. totalitären[2] Herrschafts-, Gestaltungs- und Machtanspruch der SED[3] in der Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ)[4] und der 1949 gegründeten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wieder[5]. Die aus heutiger (unbedarfterer) Sicht ironisch anmutende Aussage des Textes ist keineswegs im übertragenen Sinne, sondern direkt und klar zu verstehen: „Die Partei“ – und damit eindeutig die SED – duldete keinen Widerspruch, sie hatte in mehrfacher Hinsicht immer recht[6]. Sowohl in politischen, ideologischen, organisatorischen, philosophischen, künstlerischen, militärischen, ökonomischen, sicherheitspolitischen, juristischen, gesellschaftlichen, öffentlichen, staatlichen Angelegenheiten, sowie auch in allen übrigen relevanten Bereichen beanspruchte und übte sie das alleinige Entscheidungs- und Anleitungsmonopol[7] in der sich formierenden bzw. durch „die Partei“ formierten Gesellschaft der frühen DDR und der vorangegangen Jahre der SBZ aus[8]. Einzige grundlegende Einschränkungen zu dieser Feststellung müssen im Bereich der direkten administrativen und anleitenden Entscheidungsbefugnisse der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD)[9], bzw. ab der Staatsgründung der Sowjetischen Kontrollkommission (SKK)[10] und im Bereich der einzigen gesellschaftlich- teilautonomen Großorganisation in der SBZ/DDR – der Evangelischen Kirche[11] – gemacht werden.

Die Herrschaft in der DDR beruhte auf der Herrschaft der „Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei“ der SED. Ein wesentliches Element dieser Herrschaft beruhte auf der Macht der Roten Armee in Ostdeutschland und des SMAD:

„Das politische System der SBZ und frühen DDR stellt sich im Ergebnis der Untersuchungen zur politischen Praxis und zu konkreteren Entscheidungsprozessen als eine besondere Form der Synthese aus sowjetischer Besatzungspraxis und deutscher Parteiherrschaft dar. Unter dem Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht vollzog sich die Machtübernahme der SED als ein allmählicher, schleichender Prozess, sozusagen als geordnete Übertragung der Verantwortlichkeit von der SMAD/SKK auf die SED.“[12]

Oder mit den Worten von Hans-Ulrich Wehler formuliert: „Der Einfluss aller politischen Kräfte, die außerhalb der SED und ihrer alliierten Massenorganisationen bestanden, war rigoros zurückgedrängt worden, um die aus der Fusion aus KPD und SPD hervorgegangene „Sozialistische Einheitspartei“ (SED) als unangefochtene Hegemonialpartei unter dem Kuratel der deutschen Bolschewiki durchzusetzen. Als ´Kaderpartei neuen Typs´ passte sie sich beflissen dem sowjetischen Modell an.“[13]

Die SED[14] übte die uneingeschränkte Macht neben und parallel zur staatlichen Ordnung aus. Mit der Durchsetzung der sozialistischen Gesellschaftsordnung und der stalinistischen Herrschaft (in Partei und Gesellschaft) in der frühen DDR sicherte, stabilisierte und übte die SED-Leitung die Macht in der SBZ und dem neuen Staat aus[15]. Mit der Transmission in alle gesellschaftlichen Bereiche setzte sie ihren ideologisch begründeten Allmachts- und Gestaltungsanspruch durch und sicherte ihn ab[16]. Diese Transmission ist im marxistisch-leninistischem Staatverständnis nach Lenin, Stalin u.a. das wichtigste und entscheidendste Instrument zur gesellschaftlichen Anleitung und zur Durchsetzung der Macht[17].

Ziel dieser Masterarbeit soll es sein, der Fragestellung nachzugehen, wie und auf welche Weise es „der Partei“ gelang ihre exponierte Stellung einzunehmen. Wie gelang es ihr, die führende Rolle in Staat und Gesellschaft nicht nur zu beanspruchen, diese effektiv auszuüben, sondern auch Staat, Gesellschaft und die s.g. „Massenorganisationen“ nach ihren Anforderungen anzuleiten, umzugestalten und politisch zu nutzen[18]. Wie setzte und die SED im Verbund mit der Besatzungsmacht mit diesen Mittel ihre Macht durch und sicherte sie ab? Hauptaugenmerk soll dabei auf die politisch-organisatorische und administrative Machtausübung gelegt werden. Neben dieser politik- und organisationsgeschichtlichen Perspektive, werden ideologie-, und sozialgeschichtliche Aspekte, wenn es nötig erscheint, eingeflochten werden. Alltagshistorische, kunstgeschichtliche, vom künstlerischen Gehalt der vorangegangenen Quelle einmal abgesehen, geschlechtergeschichtliche, körpergeschichtliche, umweltgeschichtliche, militärgeschichtliche, und wirtschaftshistorische Perspektiven, gerichtet und angewendet auf den zugrundeliegenden Betrachtungszeitraum, wären wünschenswert und würden das Bild sicherlich vervollständigen, allerdings würden sie auf Grund der gebotenen Kürze eindeutig den Rahmen dieser Masterarbeit sprengen.

3. „Genossen, es muss nur demokratisch aussehen“: Der Stalinismus und die Durchsetzung der Parteiherrschaft

Am Ende des Zweiten Weltkrieges und mit dem Beginn der Aufteilung der territorialen Reste des Deutschen Reiches[19] setzt die Herrschaftsgeschichte der SBZ/DDR und der SED mit dem „Demokratischen Block“ bzw. der späteren „Nationalen Front“ ein[20]. Diese Herrschaft ist ohne die machtpolitischen, ökonomischen und ideologischen Umstände der sich vertiefenden und voranschreitenden Spaltung Deutschlands nicht zu erfassen[21]. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, der Blockbildung in Ost und West und der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen, beginnt die Geschichte der Herrschaft der SED. Bis zu ihrer Gründung allerdings erst in Form und Gestalt der beiden sich neugründenden und formierenden Teilparteien: der Kommunistischen Partei Deutschlands[22] (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands[23] (SPD) in der SBZ.

3.1. „So aus Leninschem Geist, wächst von Stalin geschweißt die Partei!“: Von SPD und KPD zur SED

Am 21. und 22. April 1946 tagte in Berlin der Vereinigungsparteitag auf dem sich die Sozialistische Einheitspartei konstituierte. Der SED-Parteitag nahm die Grundsätze und Ziele mit gemäßigten Gegenwartsforderungen und dem Sozialismus als Ziel an.“[24]

Ausgehend von einer in beiden Parteimitgliedschaften vorhandenen Stimmung hin zu einer möglichen Einheit der parteipolitisch organisierten Deutschen Arbeiterschaft, entwickelten sich ab Mai 1945 auf lokaler Ebene Antifa-Kollektive und antifaschistische Arbeitsgemeinschaften[25], getragen von Mitgliedern beider Parteien. Es ist davon auszugehen, dass an der Basis beider Arbeiterparteien eine weit verbreitete Stimmung geherrscht haben muss, dass ein „Wiederholen der Schrecken der Vergangenheit[26] “ nur durch eine Aktionseinheit beider Seiten auszuschließen sein könnte[27]. Der öffentlich propagierte Ausdruck dieser Geisteshaltung in Kombination mit (im positivistischen Sinne) klar benannten politischen Zielen, spiegelt sich in den „Grundsätzen und Ziele(n) der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“[28] wieder. Im Ton taktisch und moderat, demonstriert sie noch den gesellschaftspolitischen Konsens zwischen den meisten Sozialdemokraten und Kommunisten in der SBZ wieder:

„Das Ziel der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ist die Befreiung von jeder Ausbeutung und Unterdrückung, von Wirtschaftskrisen, Armut, Arbeitslosigkeit und imperialistischer Kriegsdrohung. Dieses Ziel, die Lösung der nationalen und sozialen Lebensfragen unseres Volkes, kann nur durch den Sozialismus erreicht werden. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands kämpft für die Verwandlung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum, für die Verwandlung der kapitalistischen Warenproduktion in eine sozialistische, für und durch die Gesellschaft betrieben Produktion. In der bürgerlichen Gesellschaft ist die Arbeiterklasse die ausgebeutete und unterdrückte Klasse. Sie kann sich von Ausbeutung und Unterdrückung nur befreien, indem sie zugleich die ganze Gesellschaft für immer von Ausbeutung und Unterdrückung befreit und die sozialistische Gesellschaft errichtet. Der Sozialismus sichert allen Nationen, allen Menschen die freie Ausübung ihrer Rechte und die Entfaltung ihrer Fähigkeiten. Erst mit dem Sozialismus tritt die Menschheit in das Reich der Freiheit und des allgemeinen Wohlergehens ein. Die grundlegende Voraussetzung zur Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Dabei verbündet sie sich mit den übrigen Werktätigen. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erkämpft diesen neuen Staat auf dem Boden der demokratischen Republik. Die gegenwärtig besondere Lage in Deutschland, die mit der Zerbrechung des reaktionären staatlichen Gewaltapparates und dem Aufbau eines demokratischen Staates auf neuer wirtschaftlicher Grundlage entstanden ist, schließt die Möglichkeit ein, die reaktionären Kräfte daran zu hindern, mit dem Mittel der Gewalt und des Bürgerkrieges der endgültigen Befreiung der Arbeiterklasse in den Weg zu treten. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erstrebt den demokratischen Weg zum Sozialismus; sie wird aber zu revolutionären Mitteln greifen, wenn die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verlässt.[29]

Die an der sozialdemokratischen Basis weit verbreiteten, zwar ökonomisch-sozialistischen, aber gesellschaftspolitisch parlamentarisch-demokratisch ausgerichteten Ansichten[30] und Vorstellungen kollidierten rasch mit der autoritär-volksdemokratischen Sichtweise der meisten KPD-Mitglieder[31]. Die Traditionen der parlamentarisch-reformistisch eingestellten sozialdemokratischen Mitgliedschaft traf oftmals unvermittelt auf eine stalinistische Kaderpolitik in der Tradition des „Demokratischen Zentralismus“ sowjetischer Prägung. Eine oft vorgetragene Verkürzung auf Bebel/Bernstein auf der einen, und Lenin/Stalin auf der anderen ideologischen Seite, trifft es m.E. nicht ganz, allerdings ist diese knappe Richtungsbestimmung nützlich in dem Sinne, dass sie die „Sollbruchstelle“ und die ideologisch-politischen Differenzen zwischen SPD und KPD in der SBZ 1945/1946, klar bezeichnet.

Der Weg zur Einheit und zur Einheitspartei[32] ist verwunden, komplex und bis zum heutigen Tag ideologisch und politisch hart umkämpft[33]. War es eine Zwangsvereinigung in der die Sozialdemokraten Opfer und die Kommunisten Täter waren? War es eine anfangs weitgehend freiwillige Initiative der Parteibasis beider Arbeiterparteien? Wurde der Weg zur Einheitspartei freiwillig und aus Einsicht beschritten, oder unter Zwang, Terror und begleitet von totalitärer Ausgrenzung? Diese Frage ist m.E. nur salomonisch zu beantworten: beide Sichtweisen scheinen richtig zu sein, beide Zugangsweisen scheinen sich überlagert und verschränkt zu haben. Einsicht und Freiwilligkeit wurden durch Zwang „ergänzt“, Winkelzüge und einseitige Bevorzugung der KPD durch die SMAD verband sich mit Behinderungen und Benachteiligungen der SPD, gespeist aus Vorurteilen seitens der sowjetischen Verwaltung und aus strategischen und ideologischen Erwägungen[34].

[...]


[1] Lied der Partei von Louis Fürnberg: Die Partei, in: Weber 1968, S.56f., zitiert nach: Judt, Mathias (Hrsg.), DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 350, Bonn 1998, S.47; sowie: Ernst Busch (Hrsg.), Internationale Arbeiterlieder, Berlin 1950, S.115, zitiert nach: Kowalczuk, Ilko-Sascha, Das bewegte Jahrzehnt, Geschichte der DDR von 1949 bis 1961, S. 28.

[2] Weber, Jürgen, (Hrsg.), Der SED-Staat. Neues über eine vergangene Diktatur, Akademiebeiträge zur politischen Bildung, München 1994, darin: Weber, Jürgen, Die DDR- eine totalitäre Diktatur von Anfang an: Zur Einleitung, S.1-5; Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV München 2008, „Der kurze Weg in die SED-Diktatur“, S.23ff.

[3] Ihme-Tuchel, Beate, Die DDR. Kontroversen um die Geschichte, hg. v. Arnd Bauerkämper, Peter Steinbach und Edgar Wolfrun, Darmstadt 2002, darin: „6. Interpretationen der DDR-Geschichte. Die DDR als Diktatur“, S.89-94; Neumann, Thomas, Die Maßnahme. Eine Herrschaftsgeschichte der SED, Hamburg 1991, darin: „Die Diktatur in der Partei“, S.55-60; Weber, Hermann, Die DDR 1945-1990, in: Oldenbourg Grundriss der Geschichte Bd. 20, hg. v. Jochen Bleicken, Lothar Gall und Hermann Jakobs, 2.üb.u.erw.Aufl. München 1993, darin: „Aufstieg der SED zur bestimmenden Partei“, S.11ff.

[4] Broszat, Martin, Weber, Hermann (Hrsg.), SBZ-Handbuch, Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, hg. im Auftrag des Arbeitsbereiches Geschichte und Politik der DDR an der Universität Mannheim und des Instituts für Zeitgeschichte München, München 1990, S.2.

[5] Winkler, Heinrich August, Der lange Weg nach Westen, 2. Bd. „Deutsche Geschichte vom Dritten Reich bis zur Wiedervereinigung“, München 2000, darin: „Stalins Deutschlandpolitik und die Gründung der DDR“, S.138-142.

[6] Judt, S.32.

[7] Erbe, Günter, Glaeßner, Gert-Joachim, Lambrecht, Horst, u.a. (Hrsg.), Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der DDR. Studientexte für die politische Bildung, Opladen 1979, darin: „Die SED“ von Walter Völkel, S.83-91, sowie: „Der Staatsapparat“ von Gero Neugebauer, S.92-99.

[8] Judt, „Konstituierung und Festigung der SED-Herrschaft“, S.28-32; Wolle, Stefan, Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971-1989, Schriftenreihe der BPB Bd. 349, 2.üb.Aufl., Bonn 1999, darin: „Stalinismus in den Farben der DDR“, S.87f., sowie: „Die Partei als Mutter der Massen“, S.97f.

[9] Damit sind sowohl die militärisch Leitung der gesamten Besatzungszone, der SMAD-Zentrale in Karlshorst, der fünf Landesverwaltungen, als auch die örtlichen Kreis- Gemeinde- und Stadtkommandanturen gemeint; vgl. dazu: Kaiser, Monika, „Das Zusammenwirken sowjetischer und deutscher Partei- und Staatinstanzen vor und nach der Gründung der DDR“, S.190-231, in: Sowjetisierung und Eigenständigkeit in der SBZ/DDR (1945-1953), hg. v. Michael Lemke, in: Historische Studien, Bd.13. Herrschaftsstrukturen. Forschungsdimensionen der DDR Geschichte Bd.2, Wien 1998; sowie: SBZ-Handbuch, S.13ff, 16f. und 19ff.

[10] Kaiser, „Disput über Befugnisse und Zuständigkeit der SKK“, in: Lemke, Stalinisierung und Eigenständigkeit, S.204ff.

[11] Die Katholische Kirche ist hierbei mitgemeint. Auch wenn hier seitens des Verf. selbstverständlich keine ökumenisch-konfessionelle Vereinnahmung beabsichtigt ist, so ist doch die Katholische Kirche in der SBZ/DDR insgesamt als klein, im Sinne einer Einfluss-, und Mitgliederschwäche, anzusehen; vgl. dazu: Wolle, „Die Kirche in der DDR“, S.247-250; Henkys, Reinhard, „Die Evangelische Kirche in der DDR“, in: Weidenfeld, Werner und Zimmermann, Hartmut (Hrsg.), Deutschland-Handbuch. Eine doppelte Bilanz 1949-1989, Schriftenreihe Bd.275, Studien zur Geschichte und Politik, Bonn 1998, S.193-201.

[12] Kaiser, S.230.

[13] Wehler, Hans- Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. IV., Bundesrepublik und DDR 1949 – 1990, München 2008, S.24.

[14] Kowalczuk, Ilko-Sascha, Das bewegt Jahrzehnt, Geschichte der DDR von 1946 bis 1961, Bonn 2003, darin: „Die ´führende Partei´: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“, S.23-36.

[15] SBZ-Handbuch, S.481ff.

[16] Neugebauer, Gero, Partei und Staatsapparat in der DDR. Aspekte der Instrumentalisierung des Staatsapparates durch die SED. Schriftenreihe des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. Ehemals Schriften des Instituts für politische Wissenschaften, Bd.29, Opladen 1978, darin: „Die ideologische Begründung der führenden Rolle der kommunistischen Partei“, S.18-26.

[17] Ebd. S.19: „Nach dem Verständnis der SED ist der Führungsanspruch der Arbeiterklasse ´nur dann theoretisch richtig zu erfassen und praktisch zu realisieren, wenn unter Führungsanspruch der Arbeiterklasse implizit die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei verstanden wird´. Die Auffassung geht davon aus, dass die Arbeiterklasse auch dann Führungsfunktionen ausübt, wenn diese tatsächlich von der Partei wahrgenommen werden.“, sowie ebd. S.24: „Die Führungsfunktion der Partei kann sich nur in einer konkreten historischen Situation erweisen. Die Fähigkeit zur Erkenntnis der objektiven Gesetzmäßigkeiten und ihrer Wirkungsbedingungen und die Umsetzung dieser Erkenntnisse in die konkrete Politik bedeutet allein noch gar nichts. Die Partei kann ihre führende Rolle nur dadurch verwirklichen, dass sie die politischen, organisatorischen und institutionellen Bedingungen, die die Entscheidungsprozesse in der Partei und in den Organisationen und Institutionen des politischen Systems beeinflussen, so zu gestalten versucht, dass die Partei in der Lage ist, Entscheidungen zu fällen und in die politische Praxis umzusetzen.“

[18] Neugebauer, S.24ff.: “Die innere Differenzierung der Partei geht auch aus der Definition des politischen Führungstätigkeit gegenüber der Gesellschaft hervor. Sie beschränkt sich nicht nur darauf , die jeweiligen Ziele festzulegen und daraus Aufgaben abzuleiten, sondern enthält auch die Verpflichtung, diese allen Mitgliedern der Partei, der Arbeiterklasse und allen Werktätigen bewusst zu machen; sie müssen [im Politikverständnis der SED, Anm.d.V.] von deren Notwendigkeit und Richtigkeit überzeugt werden und zu deren Verwirklichung mobilisiert werden.“

[19] Winkler, S.116ff.; Weber, DDR, Grundriß der Geschichte 1945-1990, 1976/1991, Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, Hannover 1991, S.18ff.; zur weiteren Einordnung vgl.: Judt, S.10ff., Ihme-Tuchel, S.76ff., Bauerkämper, Arnd, Die Sozialgeschichte der DDR, in: Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd.76, hg. v. Lothar Gall, München 2005, S.2f.; und: Weber, DDR 1993, S.3ff.; sowie; SBZ-Handbuch, S.11-13.

[20] Staritz, Dietrich, Geschichte der DDR, Erweiterte Neuausgabe, in: Neue Historische Bibliothek, Neue Folge Bd. 260, 1985/1996, darin: „Kurs auf ganz Deutschland oder Integration in den Block?“, S.14ff.

[21] Maier, Charles S., Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, Frankfurt a.M. 1999, S.64f.

[22] Suckut, Siegfried, Parteien in der SBZ/DDR 1945-1952, Bonn 2000, S.8ff., sowie: SBZ-Handbuch, S.440ff.

[23] Ebd., S.13-16, und: SBZ-Handbuch, S.460ff.

[24] Weber, Hermann, DDR. Grundriß der Geschichte 1945-1990, 1976/1991, Sonderauflage für die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin, Hannover 1991, S.24; versinnbildlicht wurde dieser Einheitsanspruch mit dem symbolischen Händedruck im Parteiemblem der SED (vgl. Titelseite).

[25] Malycha, Andreas, Die SED. Geschichte ihrer Stalinisierung 1946-1953, darin: „Die Gründung der SED 1945/1946, S.52ff., sowie: Malycha, Andreas, „Die Illusion der Einheit – Kommunisten und Sozialdemokraten in den Landesvorständen der SED 1946-1951“, S.81-117, in: Lemke, Sowjetisierung; zur Rolle, Bedeutung und Funktion des Antifaschismus in der DDR und der SBZ vgl.: von Melia, Damian, ´Der große Freund der kleinen Nazis´, Antifaschismus in den Farben der SED, in: Die DDR- Erinnerungen an einen untergegangenen Staat, hg. v. Heiner Timmermann, Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Bd. 88, Berlin 1999, S.245-264; Kowalczuk, „Antifaschismus in der DDR“, S.37-44; Wolle, S.123f., 125 und 131ff.; sowie: Neumann, S.11.

[26] Wie es Herbert Wehner in einem anderen Zusammenhang ausdrückte.

[27] Malycha, Die SED, S.52ff.

[28] Beschluß des Vereinigungsparteitages vom 21. April 1946 in Berlin, in: DOKUMENTE 1951, S.5-10, vgl. Judt.

[29] Judt, S.51.

[30] Malycha, Die SED, S.74.

[31] Ebd., S.67/68, S.78ff.,

[32] Suckut, S.27ff.

[33] Dies kann man alleine schon an der völlig unterschiedlichen Perspektiven der heutigen politischen Parteien in Deutschland, in Bezug auf ihre Vorgängerorganisationen ablesen. CDU, FDP, SPD und die s.g. „Linke“ haben ihrem Selbstverständnis nach jeweils abweichende Sichtweisen zu diesem Thema.

[34] Malycha, Die Illusion, S.105ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783836633352
Dateigröße
877 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Geschichtswissenschaften, Theologie und Philosophie, Geschichte
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,3
Schlagworte
herrschaft macht ideologie stalinismus
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Titel: 'Die Partei hat immer Recht!'
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