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Funktionen der Filmmusik

Dargestellt anhand eigener Filmmusik zum Film 'Wölfe in B.'

©2007 Diplomarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Diplomarbeit entstand im Winter- und Sommersemester 2006/2007 und setzt sich aus einem praktischen und theoretischen Teil zusammen. Zum besseren Verständnis sollte sich der Leser den Kurzfilm ‘Wölfe in B.’ anschauen, der sich auf DVD im Anhang befindet. Der vorliegende theoretische Teil gliedert sich in zwei Abschnitte: der erste behandelt Modelle zu den Funktionen der Filmmusik; im zweiten Teil wird die Filmmusik zu ‘Wölfe in B.’ in Hinblick auf ihre Funktionen analysiert.
Da ich seit 2001 Schauspiel- und Filmmusik komponiere, war für mich eine Beschäftigung mit der Theorie im Bezug auf eigene Werke im Rahmen der Diplomarbeit selbstverständlich. Mein Interesse an dem Erkenntnisgewinn ist demnach persönlich, da ich meine Reflexion auf theoretischer Ebene wiederum in die praktische Arbeit einließen lassen kann. Gleichwohl gibt die Theorie für Interessierte einen Einblick in den wissenschaftlichen Diskurs zu den Funktionen der Filmmusik (Stand 2007).
Die Grundfrage dieser Arbeit lautet: welche Funktionen kann Filmmusik in Spielfilmen im Allgemeinen übernehmen und welche Funktionen übernimmt Musik konkret im Film ‘Wölfe in B.’ ?
An dieser Stelle ist es wichtig zwischen Funktionen und Wirkungen zu differenzieren, denn beide Begriffe unterscheiden sich darin, was Filmmusik leisten soll und was sie letztendlich beim Zuschauer auslöst.
Mit dem Begriff Funktion werden alle Aufgabenstellungen beschrieben, die im weitesten Sinn der Filmdramaturgie sowie der Filmvermarktung zugedacht sind. Die Entscheidungen für den Musikeinsatz werden in der Regel vom Regisseur, Produzenten, Komponisten, Cutter und Tonmeister gefällt, die bestimmte Vorstellungen von Wirkungsweisen der Musik verfolgen. Die Wirkung bezieht sich auf den Zuschauer, der die eigentlichen dramaturgischen und kommerziellen Absichten der Filmemacher nicht kennt und daher die Bild-Ton-Kombination auf subjektive Weise erlebt. Somit können Unterschiede auftreten zwischen den von Filmschaffenden angedachten Funktionen und den tatsächlich erlebten Wirkungen auf den Rezipienten. So hat beispielsweise die Musik von 1930 (z.B. Duke Ellington) heute eine andere Wirkung als auf das damalige Filmpublikum. Um verlässliche Aussagen zur Wirkung von Filmmusik zu treffen, sind Datenerhebungen in Form von Besucherbefragungen und Tests notwendig, die Gegenstand der Psychologie sind. Bei meinen Betrachtungen konzentriere ich mich auf die Funktionen der Filmmusik. Das geschieht in […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Thomas Seher
Funktionen der Filmmusik
Dargestellt anhand eigener Filmmusik zum Film 'Wölfe in B.'
ISBN: 978-3-8366-3819-7
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2010
Zugl. Universität Hildesheim, Hildesheim, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2010

Wer über Filmmusik schreibt, muss seinen Lesern
und was vielleicht noch schwieriger ist: sich
selber, vorweg klarmachen, dass, was er da
treibt, mit Wissenschaft nicht viel zu tun hat. Wer
über Filmmusik schreibt, stellt eine höchst
private Konstruktion zur Schau. Nicht mehr.
Hansjörg Pauli

Inhaltsverzeichnis
Teil I
1.
Einleitung
Seite 1
2.
Bedeutung der Musik im Kontext filmästhetischer Mittel
4
3.
Funktionen der Filmmusik
7
3.1
Funktionen der Stummfilmmusik
7
3.2
Funktionen der Tonfilmmusik
11
3.2.1 Filmmusik soll nicht bemerkt werden
11
3.3
Systematik nach Zofia Lissa
14
3.4
Modell nach Hansjörg Pauli
16
3.5
Dramaturgische Funktionen nach Norbert Jürgen Schneider 17
3.6
Modell nach Georg Maas
18
3.7
Modell nach Claudia Bullerjahn
20
3.8
Modell nach Wolfgang Löffler und Lars Wittershagen
23
3.9
Versuch eines eigenen Modells
24
Teil II
4.
Zur Analyse der Filmmusik zu ,,Wölfe in B."
31
4.1
Vorgehensweise
31
4.2
Analyse
33
5.
Fazit
45
6.
Schlussbetrachtung
47
7.
Literatur- und Quellennachweis
49
8.
Anhang
52
Anhang:
Kurzinformation zum Film ,,Wölfe in B."
DVD ,,Wölfe in B."

Teil I
1. Einleitung
Die Diplomarbeit entstand im Winter- und Sommersemester 2006/2007 und setzt
sich aus einer praktischen Arbeit und einem theoretischen Teil zusammen. Zum
besseren Verständnis sollte sich der Kurzfilm ,,Wölfe in B." vor dem Lesen dieser
Arbeit angeschaut werden (DVD im Anhang). Der theoretische Teil gliedert sich in
zwei Abschnitte: der erste behandelt Modelle aus der Literatur zu den Funktionen
der Filmmusik; im zweiten Teil wird die Filmmusik zu ,,Wölfe in B." in Hinblick
auf ihre Funktion analysiert.
Da ich seit 2001 Schauspiel- und Filmmusik komponiere, war für mich eine
Beschäftigung mit der Theorie der Filmmusik in Bezug auf eigene Werke im
Rahmen der Diplomarbeit selbstverständlich. Der daraus resultierende
Erkenntnisgewinn ist demnach persönlich, da die Reflexion wiederum in die
praktische Arbeit einfließen kann. Gleichwohl gibt die hier dargestellte Theorie der
Filmmusik für Interessierte einen Einblick in den wissenschaftlichen Diskurs zu den
Funktionen der Filmmusik (Stand 2007).
Die Grundfrage lautet: welche allgemeinen Funktionen übernimmt Filmmusik in
Spielfilmen und darauf basierend welche konkreten Funktionen übernimmt sie im
Film ,,Wölfe in B."?
An dieser Stelle ist es wichtig zwischen Funktionen und Wirkungen zu
differenzieren, denn beide Begriffe unterscheiden sich darin, was Filmmusik leisten
soll und was sie letztendlich beim Zuschauer auslöst.
1
Mit dem Begriff Funktion werden alle Aufgabenstellungen beschrieben, die im
weitesten Sinn der Filmdramaturgie sowie der Filmvermarktung zugedacht sind.
Die Entscheidungen für den Musikeinsatz werden in der Regel vom Regisseur,
1 In ihrer Dissertation entwickelt Claudia Bullerjahn ein Modell zu den Grundlagen der
Wirkungen von Filmmusik. ( Bullerjahn, Claudia, ,,Grundlagen der Wirkung von Filmmusik",
Augsburg 2001).
1

Produzenten, Komponisten, Cutter und Tonmeister gefällt, die bestimmte
Vorstellungen von Wirkungsweisen der Musik verfolgen.
2
Die Wirkung bezieht
sich auf den Zuschauer, der die eigentlichen dramaturgischen und kommerziellen
Absichten der Filmemacher nicht kennt und daher die Bild-Ton-Kombination auf
subjektive Weise erlebt. Somit können Unterschiede auftreten zwischen den von
Filmschaffenden angedachten Funktionen und den tatsächlich erlebten Wirkungen
auf den Rezipienten. So hat beispielsweise die Musik von 1930 (z.B. Duke
Ellington) heute eine andere Wirkung als auf das damalige Filmpublikum.
3
Um
verlässliche Aussagen zur Wirkung von Filmmusik zu treffen, sind
Datenerhebungen in Form von Besucherbefragungen und Tests notwendig, die
Gegenstand der Psychologie sind. Bei meinen Betrachtungen konzentriere ich mich
auf die Funktionen der Filmmusik. Das geschieht in folgenden Schritten.
Bei der Darstellung der Modelle wird der Schwerpunkt auf die Musik in Tonfilmen
gelegt. Die Funktionen der Stummfilmmusik werden nur der Vollständigkeit halber
in einer Übersicht vorgestellt. Darüber hinaus versuche ich ein Modell zu den
Funktionen der Filmmusik zu entwerfen, welches eine umfassende Katalogisierung
ermöglicht, ohne dabei eine simple Auflistung der Funktionen vorzunehmen, wie es
einige Autoren bereits getan haben (z.B. Norbert Jürgen Schneider 1986).
Anschließend wird dieses Modell zur Analyse der Filmmusik zum Film ,,Wölfe in
B." angewendet.
Es ist bemerkenswert, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit Filmmusik eine
junge Tradition hat. Es liegt eine Menge von Veröffentlichungen vor, die sich um
das Wesen der Filmmusik bemüht, doch umfassende systematische Beschreibungen
unter dem Aspekt der Funktion sind die Ausnahme (z.B. Zofia Lissa 1965).
Wie bei jedem Versuch, Dinge der gelebten Wirklichkeit (hier das Schaffen des
Filmmusikkomponisten) in ein System zu zwängen, fallen vereinzelte Aspekte
durch das 'Raster'. Wolfgang Thiel weist zurecht darauf hin, dass jede
Systembildung die Gefahr birgt ,,die innere Dynamik der beschriebenen Objekte
2 Vgl. Bullerjahn, Claudia, ,,Grundlagen der Wirkung von Filmmusik", Augsburg 2001, S. 11f.
3 Ebenda, S. 59.
2

aus den Augen zu verlieren." So sei eine genrespezifische Differenzierung
erforderlich, da in jedem Filmgenre andere Funktionen an Bedeutung gewinnen.
4
Diese Grundspannung lässt sich auch in dieser Arbeit nicht auflösen.
Neben der Literatur, waren persönliche Gespräche mit dem Regisseur Jonas Projer,
dem Schauspiel- und Filmmusiker Biber Gullatz und Prof. Dr. Wolfgang Löffler,
im Institut für Musikwissenschaft und Musik der Universität Hildesheim, für mich
wertvolle Quellen, da ich genaue Vorstellung von dem bekam, was Musik, aus
Sicht der Film- und Musikschaffenden, leisten soll und kann. An sie geht mein
Dank.
4 Vgl. Thiel, Wolfgang, ,,Filmmusik in Geschichte und Gegenwart", Berlin 1981, S. 62.
3

2. Bedeutung der Musik im Kontext filmästhetischer Mittel
Vorweggenommen werden muss, dass Filmmusik nur eine Gestaltungsebene im
Film ist, die sich neben anderen Gestaltungsebenen eingliedert wie beispielsweise
Sounddesign, Kameraführung, Farb- , Licht- und Dialogdramaturgie.
5
Dass Musik
physiologische und psychologische Effekte beim Zuschauer erzeugen kann, ist
allgemein bekannt, dennoch ist ihr Wirkungsbereich begrenzt: Musik kann z.B.
nicht erzählen, dass eine junge Mutter mit schwarzem Haar beim Betrachten ihres
Spiegelbildes den Entschluss fasst von ihrer Familie zu flüchten, um in Europa ihr
Glück zu suchen. Diese konkrete Situation mit all ihren Details kann erst im
Zusammenhang mit Bildern geschehen, da nur sie zur Darstellung des Äußeren des
Menschen und seiner Handlungen fähig sind, während Musik sich ergänzend für die
Darstellung innerer, allgemeiner psychologischer Vorgänge wie Stimmungen und
Gefühle eignet.
6
Hierzu Zofia Lissa:
,,Wenn das Bild einen konkreten einzelnen Inhalt gibt, so gibt die Musik dessen
allgemeinen Untergrund: Das Bild vereinzelt, konkretisiert, die Musik verallgemeinert, gibt
allgemeine Ausdrucksqualitäten oder Charakteristiken und dehnt damit den
Wirkungsbereich des Bildes aus. Darin besteht dem Wesen nach das ergänzende
Zusammenwirken beider."
7
Andere Autoren
8
sehen den Film als eine Symbiose, bei der die Vereinigung von
Bild und Musik zu beidseitigem Nutzen sei. Lissa jedoch kritisiert, dass durch das
Zusammenspiel die einzelnen Künste ihre Autonomie verlieren. Sie bezeichnet den
Film als eine synthetische Kunstgattung, bei der eine Gattung dominiert; so ist im
Film die Musik der visuellen Ebene unterworfen, während der Film als Ganzes eine
Einheit höheren Ranges darstellt.
9
5 Maas, Georg & Schuhdack, Achim, ,,Musik und Film- Filmmusik", Mainz 1994, S. 31.
6 Schneider, Norbert Jürgen ,,Handbuch Filmmusik", München 1986, S. 69.
7 Lissa, Zofia ,,Ästhetik der Filmmusik", Berlin 1965, S. 20.
8 Dazu gehören z.B. Maas (vgl. Maas, Georg und Schudack, Achim ,,Musik und Film ­
Filmmusik", Mainz 1994, S. 9) und Schneider (vgl. Schneider, Norbert Jürgen 1990, S. 239).
9 Vgl. Lissa (1965), S. 20.
4

Für Norbert Jürgen Schneider verkörpert der Film, vor allem der Hollywood-
Spielfilm, alles das, was Richard Wagner als Gesamtkunstwerk in Form des
Musikdramas forderte. In seiner Schrift ,,Kunstwerk der Zukunft" schreibt Wagner:
,,Das große Gesamtkunstwerk müsse alle Gattungen der Kunst umfassen, um jede
einzelne dieser Gattungen als Mittel gewissermaßen zu verbrauchen, zu vernichten zu
Gunsten der Erreichung des Gesamtzwecks aller der unbedingten, unmittelbaren
Darstellung der vollendeten menschlichen Natur."
10
Die Ansicht, den Film als Kunstform zu betrachten, war seit seiner Entstehung
keineswegs selbstverständlich. Schon in der Frühzeit des Stummfilms war strittig,
ob der Film ein einfaches Unterhaltungsmedium oder eine neue Kunstform sei.
Fragen nach den Funktionen des Films gehören in den Bereich der Filmtheorie und
sind für ein Verständnis des Zusammenhangs von Film und Musik notwendig.
Für James Monaco ist der Film nicht nur eine Kunstform, die sich als begrenzendes
Phänomen versteht, sondern ein System, das in die Gesellschaft hineinwirkt:
,,Film ist ein expansives und weitreichendes System wechselseitiger Gegensätze:
zwischen Filmemacher und Thema, Film und Betrachter, Establishment und
Avantgarde, konservativen und progressiven Zielen, Psychologie und Politik, Bild und
Ton, Dialog und Musik, Montage und Mis en Scéne, Genre und Autor, literarischer
Sensibilität und filmischer Sensibilität, Syntagmen und Paradigmen, Bild und Ereignis,
Realismus und Expressionismus, Zeichen und Bedeutung, Sinn und Unsinn [...] eine
endlose Reihe von Codes und Subcodes, die grundlegende Fragen zum Leben und seiner
Beziehung zur Kunst, zur Realität und zur Sprache stellen."
11
Filmmusik hat demnach die Funktion, als ein Teilsystem zu funktionieren und
neben anderen Teilsystemen ihr multiples Potential als Kunstform, als
Massenmedium und als Wirtschaftszweig zu nutzen.
12
Sie ist somit funktional und
10 Wagner, Richard ,,Kunstwerk der Zukunft", in: ,,Gesammelte Schriften und Dichtungen Bd. 3,
Leipzig 1849, S. 78.
11 Monaco, James, ,,Film Verstehen", Reinbeck 2001, S. 454.
5

unterscheidet sich von der so genannten autonomen Musik
13
dadurch, dass sie ihrem
Wesen nach ein oder mehrere Ziele verfolgt. Sie soll bewusst entschiedene
Aufgaben erfüllen.
Nach Lissa verliert Musik, die im Film eingesetzt wird, erstens: ihre geschlossene
zeitliche Form, weil sie sich den Gesetzen der visuellen Schicht unterwirft und
zweitens: die Mehrdeutigkeit ihres Ausdrucks, da Musik in Verbindung mit
konkreten Filmsituationen auftritt.
14
Verfolgt man diesen Gedanken weiter, so wird die in einem Film eingesetzte
autonome Musik zu funktionaler Musik umgedeutet, da dem Musikstück im Sinne
des Films Bedeutungen und damit Funktionen zugeordnet werden. Deshalb kann im
Prinzip jede Musik Filmmusik sein: Richard Wagners Walküre, Fugen von Johann
Sebastian Bach, Tibetischer Mönchsgesang, balinesische Gamelanmusik, ,,No
Woman No Cry" von Bob Marley & the Wailers, ,,Hey Jude" von den Beatles, die
Sinfonien von Samuel Barber. Alle diese Musikstücke und dazugehörigen
Gattungen können unter den Begriff der Filmmusik fallen, sofern sie neben ihrem
ursprünglich zugedachten Aufführungskontext in einem Film eingesetzt werden.
Doch nicht nur 'herkömmliche' Musik findet ihre Verwendung im Film. Oft
beauftragen Regisseur und Filmproduzent einen oder mehrere Komponisten, die
unter Berücksichtigung der ästhetischen, dramaturgischen, zeitlichen und
wirtschaftlichen Vorgaben einen exklusiven Soundtrack für den Film produzieren.
In der aktuellen Diskussion (Stand 2007) wird deutlich, dass alle akustischen
Ereignisse, also Geräusche wie Atmen, Wind, Donner, Schreie usw. unter den
12 Die Begriffe Kunstform, Massenmedium und Wirtschaftszweig werden ursprünglich im
Zusammenhang mit den Funktionen des Films verwendet. Vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Film
(geprüft am 19.10.2007)
Ich übertrage den Begriff hier auf
die Musik.
13 Der Begriff ,,autonome Musik" wurde seit den 1930ern diskutiert und meint die durch sich
selbst begründete künstlerische Produktionsweise, die, nach Albrecht von Massow,
,,unabhängig und frei" ist" (Massow, Albrecht von, ,,Absolute Musik" in: Terminologie der
Musik im 20. Jahrhundert, Eggebrecht, Heinrich 1995, S. 77). Heinrich Eggebrecht gib jedoch
zu bedenken, dass auch autonome Musik (a) musikimmanten Strukturen folgt sowie (b)
soziale, gesellschaftliche Funktionen erfüllt und damit nicht mehr unabhängig sein kann
(Ebenda S. 85).
14 Vgl. Lissa (1965), S. 28.
6

Begriff Filmmusik fallen sollten, da der Einsatz solch ,,konkreter" Klänge genauso
kunstvoll gestaltet werden kann, wie Filmmusik im engeren Sinne. Diese Forderung
wurde schon von Rudolf Arnheim in den 1930er Jahren angesprochen und scheint
heutzutage eine Renaissance zu erleben. So wird der Begriff Soundtrack laut Jörg
Uwe Lensing in Zukunft eine größere Bedeutung erhalten, da vor allem
Sounddesign und Musik zu einer neuen kreativen Einheit verschmelzen und dem
Film neue ästhetische Perspektiven ermöglichen.
15
Mit der vorliegenden Arbeit
gehe ich, aufgrund seiner Komplexität, auf den Bereich des Sounddesigns
16
nicht
näher ein, sondern beschränke mich auf die Musik.
3. Funktionen der Filmmusik
In diesem Kapitel werden, ausgehend von der Stummfilmzeit, verschiedene
Funktionen und Modelle vorgestellt und erläutert. Eine These, die sich in der
Literatur häufig findet, geht davon aus, dass Filmmusik vom Rezipienten nicht
bemerkt werden soll. Diesem Aspekt widme ich mich kritisch in Punkt 3.2.1.
3.1 Funktionen der Stummfilmmusik.
Filme waren schon immer Tonfilme ­ auch in der so genannten Stummfilmzeit.
Schon für die allerersten Filmvorführungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde
eine auditive Ebene in Form von klassischer Musik und Geräuschen zur visuellen
Ebene hinzugefügt.
15 Vgl. Lensing, Jörg Uwe (2006), S. 30.
16 Mit Sound-Design ist die Tongestaltung im Film gemeint und umfasst die Komposition mit
Klängen, Sprache und Geräuschen. Nach Lensing umfasst der englische Begriff ,,Sound" zwar
alle akustischen Ereignisse im Film - also auch Musik, trotzdem wird unter dem Begriff
,,Sounddesign" lediglich die Gestaltung von Geräuschen, Effekten und Atmosphären
verstanden (Vgl. Lensing, Jörg Uwe, 2006, S. 25).
7

,,Zur ersten öffentlichen Filmvorführung, die die Brüder Lumiére am 28. Dezember 1895
im ,,Salon Indien" des Pariser ,,Grand Café" am Boulevard des Capucners Nr.14
veranstalteten, spielte nach übereinstimmenden Aussagen ein Pianist."
17
Bereits zu Beginn der Stummfilmzeit um 1900 übernahm Musik zahlreiche
Funktionen, die sich im Laufe der Jahrzehnte weiter entwickelt haben. So tritt z.B.
die Funktion der Lärmneutralisierung während der Vorführungen heute in den
Hintergrund zugunsten dramaturgischer Funktionen (z.B. Bilder kommentieren).
Anfangs wurde keine speziell für den Film komponierte Musik verwendet. Man
griff vielmehr auf präexistente Musik zurück wie: Klavier- oder Orchesterstücke
von Franz Liszt und Richard Strauss, welche zur Begleitung der bewegten Bilder
gespielt wurden. Darüber hinaus wurde versucht, den Filmen Leben einzuhauchen,
indem akustische Ereignisse während der Vorführung ergänzt wurden.
,,Ein Erzähler wandte sich direkt ans Publikum oder man synchronisierte
phonografische Platten mehr oder weniger erfolgreich mit dazugehörigen Bildern, so dass
der wohlwollende Zuschauer sich der Illusion wiegen konnte, er höre das Krähen eines
Hahns, eine Arie oder sogar Teile eines Gesprächs; und natürlich gab es von Anfang an
musikalische Untermalung.
18
Fest steht, dass Musik schon immer zum Stummfilm gehörte, auch wenn das
Gegenteil in seiner Begrifflichkeit angelegt zu sein scheint. Im Folgenden werden
Funktionen der Stummfilmmusik zusammengefasst:
(1) Neutralisierung von Lärm:
·
Überdeckung von Umweltgeräuschen (Autos,
Gespräche, Projektor)
19
17 Pauli, Hansjörg, ,,Filmmusik: Stummfilm", Stuttgart 1981, S. 39.
18 Kracauer Siegfried, ,,Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit", Frankfurt
1985, S. 185.
19 z.B. Pauli, Hansjörg (1981), S. 181.
8

(2) Erhöhung der Wirkung der stummen Bilder:
·
Die realitätsnahe Darstellung in Filmen
brauchte Geräusche und Musik, da eine
,,geräuschlose Realität" nicht zu unserer
realen Umwelt gehört. Durch
Inanspruchnahme des Gehörsinns wird ein
umfassenderes Bild von der Filmrealität
geliefert. Der Zuschauer wird dadurch
verstärkt zum Teilnehmer des
Filmgeschehens und ist nicht nur
Beobachter.
20
(3) Aufnahmefähigkeit des Zuschauers anregen:
·
,,Ein Licht leuchtet heller, wenn gleichzeitig
Summen ertönt."
21
(4) Erkennen von Strukturen:
·
Zerstreute bildliche Gegebenheiten verschmelzen
und werden als ein geschlossener Rahmen
wahrgenommen.
22
(5) Spannungsgeladene Stille:
·
Durch das Auslassen von Musik wird der Moment
der Stille zu einem wichtigen dramaturgischen
Moment.
23
20 Kracauer, Siegfried (1985) S. 186.
21 Ebenda S.186.
22 Ebenda S.186.
23 Ebenda S.188.
9

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836638197
DOI
10.3239/9783836638197
Dateigröße
4.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung) – Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis, Musikwissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (November)
Note
1,3
Schlagworte
komposition soundtrack stummfilm filmästhetik zofia lissa
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Titel: Funktionen der Filmmusik
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