Qualitätsmanagement am Beispiel der stationären Hospizarbeit
©2006
Diplomarbeit
167 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Tod stellt unvermeidlich das Ende des Lebens eines jeden Menschen dar. Der Dichter Johann Gottfried von Herder verdeutlicht mit seinem Zitat, der Faden des Lebens hängt stets am Faden des Todes Verknüpfung zwischen Leben und Sterben.
Im privaten Bereich, durch das Begleiten meines Vaters im Sterbeprozess wurde ich das erste Mal mit dieser Thematik konfrontiert und erlebte das Sterben und den Tod unter den strukturellen und ideellen Rahmenbedingungen eines Krankenhauses.
Der Tod, so war mein Eindruck, gehörte nicht zum Krankenhausalltag. Der sterbende Patient wurde zwar behandelt, aber das Recht auf Sterben wurde letztlich missachtet, ebenfalls auch seine Menschenwürde: Zeitmangel, schnelles Abfertigen des Patienten, das Vermeiden von Kontakten und ein kalter und unfreundlicher Umgang mit dem sterbenden Patienten waren Ausdrucksformen der überforderten und überlasteten Mitarbeiter und prägten das Bild des Krankenhausalltages. Der qualitative Umgang mit dem Patienten war der Situation nicht angemessen, es wurde kein Wert auf die Zufriedenheit der Patienten oder der Angehörigen gelegt. Darüber hinaus klagte, z.B. eine Krankenschwester über den Krankenhauszustand und berichtete von der desolaten Situation auf dieser Station. Sie sprach unter anderem von psychischen und physischen Überforderungselementen, dem akuten Zeitdruck und ihrem Gefühl, als Mitarbeiterin nicht gehört und ernst genommen zu werden. Diese belastenden und negativen Erfahrungen gaben mir Anlass dazu, intensiver über eine würdige Unterstützung des betroffenen Menschen auf seiner letzten Reise nachzudenken. Um meinen eigenen Standpunkt zu finden, beschäftigte ich mich eingehend mit der Literatur zu dem Thema Sterben und Tod. Mir wurde deutlich, dass das einsame Sterben im Krankenhaus nicht untypisch ist, allerdings nicht sein muss, da andere Institutionen wie beispielsweise das Hospiz, eine gute Alternative des würdevollen Sterbens bieten. Die Hospizidee legt Wert auf die Achtung der Wünsche und Bedürfnisse sterbender Menschen und schlägt eine Brücke zum gesellschaftlichen System. Das rasante Entwicklungstempo der Hospizbewegung macht deutlich, wie wichtig ein menschenwürdiger Ort des Sterbens in unserer Gesellschaft ist.
Jedoch auch im Hospizbereich ist der ganzheitliche und humanitäre Umgang mit den Patienten nicht selbstverständlich und auch vor dem Hintergrund des knapper werdenden Budgets, beschäftigt man sich immer häufiger mit der Frage, wie […]
Der Tod stellt unvermeidlich das Ende des Lebens eines jeden Menschen dar. Der Dichter Johann Gottfried von Herder verdeutlicht mit seinem Zitat, der Faden des Lebens hängt stets am Faden des Todes Verknüpfung zwischen Leben und Sterben.
Im privaten Bereich, durch das Begleiten meines Vaters im Sterbeprozess wurde ich das erste Mal mit dieser Thematik konfrontiert und erlebte das Sterben und den Tod unter den strukturellen und ideellen Rahmenbedingungen eines Krankenhauses.
Der Tod, so war mein Eindruck, gehörte nicht zum Krankenhausalltag. Der sterbende Patient wurde zwar behandelt, aber das Recht auf Sterben wurde letztlich missachtet, ebenfalls auch seine Menschenwürde: Zeitmangel, schnelles Abfertigen des Patienten, das Vermeiden von Kontakten und ein kalter und unfreundlicher Umgang mit dem sterbenden Patienten waren Ausdrucksformen der überforderten und überlasteten Mitarbeiter und prägten das Bild des Krankenhausalltages. Der qualitative Umgang mit dem Patienten war der Situation nicht angemessen, es wurde kein Wert auf die Zufriedenheit der Patienten oder der Angehörigen gelegt. Darüber hinaus klagte, z.B. eine Krankenschwester über den Krankenhauszustand und berichtete von der desolaten Situation auf dieser Station. Sie sprach unter anderem von psychischen und physischen Überforderungselementen, dem akuten Zeitdruck und ihrem Gefühl, als Mitarbeiterin nicht gehört und ernst genommen zu werden. Diese belastenden und negativen Erfahrungen gaben mir Anlass dazu, intensiver über eine würdige Unterstützung des betroffenen Menschen auf seiner letzten Reise nachzudenken. Um meinen eigenen Standpunkt zu finden, beschäftigte ich mich eingehend mit der Literatur zu dem Thema Sterben und Tod. Mir wurde deutlich, dass das einsame Sterben im Krankenhaus nicht untypisch ist, allerdings nicht sein muss, da andere Institutionen wie beispielsweise das Hospiz, eine gute Alternative des würdevollen Sterbens bieten. Die Hospizidee legt Wert auf die Achtung der Wünsche und Bedürfnisse sterbender Menschen und schlägt eine Brücke zum gesellschaftlichen System. Das rasante Entwicklungstempo der Hospizbewegung macht deutlich, wie wichtig ein menschenwürdiger Ort des Sterbens in unserer Gesellschaft ist.
Jedoch auch im Hospizbereich ist der ganzheitliche und humanitäre Umgang mit den Patienten nicht selbstverständlich und auch vor dem Hintergrund des knapper werdenden Budgets, beschäftigt man sich immer häufiger mit der Frage, wie […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Susanne Arzinger
Qualitätsmanagement am Beispiel der stationären Hospizarbeit
ISBN: 978-3-8366-3483-0
Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009
Zugl. Fachhochschule Kiel, Kiel, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder
Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl.
verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2009
Wenn du Schiffe bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Pläne zu
machen, Arbeit zu verteilen, Werkzeuge zu holen und Holz zu schlagen, sondern
lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.
(Antoine de Saint-Exupéry)
Gliederung
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1
E
INLEITUNG
1
2.
D
IE
B
EDINGUNGEN VON
T
OD UND
S
TERBEN IN UNSERER
G
ESELLSCHAFT
4
2.1 Demographische Entwicklung von Tod und Sterben
4
2.2 Medikalisierung und Institutionalisierung des Sterbens
6
2.3 Veränderungen von Tod und Sterben im gesellschaftlichen Wandel
8
2.4 Zusammenfassung und Fazit
11
3.
D
IE
I
NSTITUTION
H
OSPIZ ALS
S
TERBEORT
13
3.1 Begriffsbestimmung Hospiz
13
3.2 Der Ursprung der Hospizbewegung
13
3.3 Übersicht und Struktur der deutschen Hospizlandschaft
16
3.4 Grundprinzipien und Qualitätsmerkmale des Hospizes
18
3.5 Rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierung von Hospizen
20
3.6 Zusammenfassung und Fazit
21
4.
G
RUNDSÄTZLICHE
A
SPEKTE DES
Q
UALITÄTSMANAGEMENTS
23
4.1.Definitionen und Begriffe
23
4.1.1
Qualität
23
4.1.2 Das Qualitätsmanagement (QM)
25
4.1.3 Das Total Quality Management (TQM)
25
4.1.4
Qualitätssicherung
26
4.1.5
Qualitätsstandards
26
4.2.Qualitätsmanagementkonzepte
27
4.2.1 DIN EN ISO 9001:2000
27
4.2.2 EFQM Modell
28
Gliederung
5.
S
PEZIELLE
A
SPEKTE DES
Q
UALITÄTSMANAGEMENT IN DER STATIONÄREN
H
OSPIZ
-
ARBEIT
32
5.1 Gesetzliche Grundlagen
32
5.2 Der aktuelle Stand des Qualitätsmanagements in der Hospizarbeit
34
5.3 Qualitätsdimensionen in der Hospizarbeit
36
5.4 Vorbehalte, Vor- und Nachteile des Qualitätsmanagements im Hospizbereich
40
5.5 Ehrenamtliches Engagement und professionelle Anforderung - ein Widerspruch in der
Hospizarbeit?
42
5.6 Perspektiven der Umsetzung von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement im
Hospizbereich
46
5.7 Zusammenfassung und Fazit
48
6.
D
AS
Q
UALITÄTSHANDBUCH
,,S
ORGSAM
"
51
6.1 Hintergründe des Qualitätshandbuches ,,Sorgsam"
51
6.2 Erfahrungen mit dem Qualitätshandbuches aus der Praxis
52
6.3 Die Bewertung des Qualitätshandbuches ,,Sorgsam" -Vor- und Nachteile bei der
Umsetzung
53
6.4 Zusammenfassung und Fazit
57
7.
I
MPLEMENTIERUNG EINES
Q
UALITÄTSMANAGEMENTSYSTEM IN DER STATIONÄREN
H
OSPIZARBEIT IN
A
NLEHNUNG AN DAS
EFQM-M
ODELL
60
7.1 Grundlagen des EFQM-Modells
60
7.2 Der inhaltliche Aufbau des EFQM-Modells
60
7.3. Die Anwendung der Grundelemente des EFQM im stationären Hospizbereich
66
7.3.1 Voraussetzungen und Vorlaufphase der Implementierung eines QM-Systems
67
7.3.2. Die Anwendung der EFQM-Kriterien im stationären Hospizbereich
69
7.3.2.1 Kriterium 1: Führung
70
7.3.2.2 Kriterium 2: Politik und Strategie
77
7.3.2.3 Kriterium 3: Mitarbeiterorientierung
82
7.3.2.4 Kriterium 4: Partnerschaften und Ressourcen
87
Gliederung
7.3.3.5 Kriterien 5. Prozesse
92
7.3.3.6 Kriterium 6: Kundenbezogene Ergebnisse
96
7.3.3.7 Kriterium 7: Mitarbeiterbezogene Ergebnisse
100
7.3.3.8 Kriterium 8: Gesellschaftsbezogene Ergebnisse
102
7.3.3.9 Kriterium 9: Schlüsselergebnisse
103
7.3.3 Der Bewertungsprozess im stationären Hospizbereich
105
7.4 Zusammenfassung und Fazit
107
8
S
CHLUSSBEMERKUNG
109
L
ITERATURVERZEICHNIS
113
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
I
G
LOSSAR
III
A
NHANG
VII
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis:
a.a.O.
am
angeführten
(angegebenen)
Ort
Abb.
Abbildung
Abs.
Absatz
Adj.
Adjektiv
Aufl.
Auflage
AWO
Arbeiterwohlfahrt
BAG
Bundesarbeitsgemeinschaft
Hospiz
Bd.
Band
bearb.
bearbeitete
BMFSFJ
Bundesministerium
für
Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
bearb.
bearbeitet
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
DGEM
Deutsche Gesellschaft für
Ernährungsmedizin
DGP
Deutsche
Gesellschaft
für
DHS
Deutsche
Hospiz
Stiftung
Diss.
Dissertation
dt.
deutsch
e.V.
eingetragener
Verein
ebd.
ebenda
EFQM
European Foundation for Quality
Management
EQA
European
Quality
Award
erg.
ergänzend
Abkürzungsverzeichnis
erw.
erweiterte
et
al.
et
alii,
lat.
für
,,und
andere"
etc.
et
cetera,
lat.
für
,,und
Übrige"
HeimG
Heimgesetz
Hrsg.
Herausgeber
i.d.F.
in
der
Form
IGSL
Internationale
Gesellschaft
für
Kap.
Kapitel
LAG
Landesarbeitsgemeinschaften
lfd.
laufend
lat.
lateinisch
LEP
Ludwig
Erhard
Preis
MDK
Medizinischen
Dienst
der
Krankenkasse
o.
ohne
od.
oder
PQsG
Pflege-Qualitätssicherungsgesetz
QM
Qualitätsmanagement
resp.
respektiv
S.
Seite
SGB
Sozialgesetzbuch
Steig.
Steigerung
TQM
Total
Quality
Management
u.
und
vgl.
vergleiche
z.B.
zum Beispiel
1 Einleitung
1
1
E
INLEITUNG
Der Tod stellt unvermeidlich das Ende des Lebens eines jeden Menschen dar. Der Dichter
Johann Gottfried von Herder verdeutlicht mit seinem Zitat, ,, der Faden des Lebens hängt stets
am Faden des Todes" Verknüpfung zwischen Leben und Sterben.
Im privaten Bereich, durch das Begleiten meines Vaters im Sterbeprozess wurde ich das erste
Mal mit dieser Thematik konfrontiert und erlebte das Sterben und den Tod unter den
strukturellen und ideellen Rahmenbedingungen eines Krankenhauses.
Der Tod, so war mein Eindruck, gehörte nicht zum Krankenhausalltag. Der sterbende Patient
wurde zwar behandelt, aber das Recht auf Sterben wurde letztlich missachtet, ebenfalls auch
seine Menschenwürde: Zeitmangel, schnelles Abfertigen des Patienten, das Vermeiden von
Kontakten und ein kalter und unfreundlicher Umgang mit dem sterbenden Patienten waren
Ausdrucksformen der überforderten und überlasteten Mitarbeiter und prägten das Bild des
Krankenhausalltages. Der qualitative Umgang mit dem Patienten war der Situation nicht
angemessen, es wurde kein Wert auf die Zufriedenheit der Patienten oder der Angehörigen
gelegt. Darüber hinaus klagte, z.B. eine Krankenschwester über den Krankenhauszustand und
berichtete von der desolaten Situation auf dieser Station. Sie sprach unter anderem von
psychischen und physischen Überforderungselementen, dem akuten Zeitdruck und ihrem
Gefühl, als Mitarbeiterin nicht gehört und ernst genommen zu werden. Diese belastenden und
negativen Erfahrungen gaben mir Anlass dazu, intensiver über eine würdige Unterstützung
des betroffenen Menschen auf seiner letzten Reise nachzudenken. Um meinen eigenen
Standpunkt zu finden, beschäftigte ich mich eingehend mit der Literatur zu dem Thema
Sterben und Tod. Mir wurde deutlich, dass das einsame Sterben im Krankenhaus nicht
untypisch ist, allerdings nicht sein muss, da andere Institutionen wie beispielsweise das
Hospiz, eine gute Alternative des würdevollen Sterbens bieten. Die Hospizidee legt Wert auf
die Achtung der Wünsche und Bedürfnisse sterbender Menschen und schlägt eine Brücke
zum gesellschaftlichen System. Das rasante Entwicklungstempo der Hospizbewegung macht
deutlich, wie wichtig ein menschenwürdiger Ort des Sterbens in unserer Gesellschaft ist.
Jedoch auch im Hospizbereich ist der ganzheitliche und humanitäre Umgang mit den
Patienten nicht selbstverständlich und auch vor dem Hintergrund des knapper werdenden
Budgets, beschäftigt man sich immer häufiger mit der Frage, wie sich eine gute, allerdings
auch zeitaufwendige Betreuungsqualität herstellen und rechtfertigen lässt. Das im
vergangenen Jahr veröffentlichte Qualitätshandbuch ,,Sorgsam", das in erster Linie für den
1 Einleitung
2
stationären Hospizbereich entwickelt wurde, lässt erkennen, dass auch dieses Arbeitsfeld sich
vermehrt mit diesem Thema auseinandersetzt und das Qualitätsmanagement in diesem
Bereich der sozialen Arbeit kein Fremdwort mehr ist. Erste Schritte in Richtung
Qualitätsmanagement werden unternommen, nicht allein um dem Legitimationsdruck, den
Neuerungen des Heimgesetzes, dem SGB XI und dem Pflegeversicherungsgesetz
nachzukommen. Allerdings stehen die gesetzlichen Rahmenvereinbarungen und der
Kostendruck häufig im Mittelpunkt aller Diskussionen. Es geht weniger darum, die
Behandlung und Versorgung des Patienten zu optimieren und die Erfahrungen des
Hospizalltages zu nutzen, um eine qualitative Verbesserung zu erreichen. Darüber hinaus
erschweren Vorbehalte aus den Reihen der dort Tätigen die Implementierung und häufig fehlt
eine einheitliche Kultur des Qualitätsmanagements in der Hospizeinrichtung. Ziel dieser
Arbeit ist es, den aktuellen Stand des Qualitätsmanagements im stationären Hospizbereich zu
ermitteln, um die Frage zu klären, welche Schwierigkeiten bei der Umsetzung vorherrschen
und welche Möglichkeiten es gibt, Qualitätsmanagement und stationäre Sterbebegleitung zu
vereinen.
Als Einstieg in das Thema werde ich die gesellschaftlichen Bedingungen von Tod und
Sterben deutlich machen. Die demographischen Fakten und Entwicklungen werden
aufgezeigt, sowie auf Medikalisierungs- und Institutionalisierungstendenzen des Sterbens
hingewiesen, um den Wandel von Tod und Sterben im gesellschaftlichen Kontext deutlich zu
machen und Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass der Tod aus unserer Gesellschaft verdrängt
wird. Im dritten Kapitel dieser Arbeit werde ich die Institution Hospiz als Sterbeort
beschreiben. Nachdem die Klärung des Begriffes Hospiz vorgenommen wird, werde ich auf
den Ursprung der Hospizbewegung eingehen und eine Übersicht über die deutsche
Hospizlandschaft geben. Auch werden die wichtigsten Prinzipien und Qualitätsmerkmale von
Hospizen verdeutlicht und der rechtliche Rahmen sowie die Finanzierung von Hospizen
veranschaulicht. In Kapitel 4 mache ich die grundsätzlichen Aspekte des
Qualitätsmanagements zum Thema. Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen und einen
Überblick zu geben, werden zunächst die Begrifflichkeiten Qualität, Qualitätsmanagement,
Qualitätsstandard, Qualitätssicherung und das Total Quality Management erklärt, um folgend
auf die speziellen Aspekte des Qualitätsmanagements in der stationären Hospizarbeit
einzugehen. Hier werden die gesetzlichen Grundlagen, die stationäre Hospize zum QM
verpflichten aufgezeigt, der aktuelle Stand veranschaulicht und die bestehenden Vorbehalte
sowie die Vor- und Nachteile des Qualitätsmanagements aufgezeigt. In diesem Rahmen wird
1 Einleitung
3
auch darüber diskutiert, ob es sich beim ehrenamtlichen Engagement und dem Thema
Qualitätsmanagement um einen Widerspruch handelt und welche Perspektiven und
Möglichkeiten dieses Arbeitsfeld mit sich bringt, um das Qualitätsmanagement umzusetzen.
Ein erster Versuch sich den Herausforderungen des Themas Qualitätsmanagement im
stationären Hospizbereich zu stellen, veranlasste einige stationäre Hospize, ein eigenes
Handbuch zu entwickeln. Im Kapitel 6 soll dieses Qualitätshandbuch vorgestellt, die
bisherigen Erfahrungen aus der Praxis beschrieben und im Anschluss daran eine eigene
Bewertung dieses Werkes vorgenommen werden.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet die Vorstellung eines Qualitätsmanagementsystems im
stationären Hospizbereich. Hierfür wird das EFQM-Modell hinzugezogen und die Umsetzung
anhand dieser Kriterien fiktiv dargestellt.
Die eigenen aus der Hospizarbeit gewählten Beispiele sollen der Nachvollziehbarkeit dienen
und stellen einen beispielhaften Verlauf dar.
Ich weise darauf hin, dass ich aus Gründen der Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit am
Ende jedes Kapitels eine Zusammenfassung vorgenommen und ein Fazit gezogen habe. Die
Schlussbetrachtung dient dazu Rückschlüsse zu ziehen und die Leistungskraft des QM in
stationären Hospizbereich deutlich zu machen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nur die maskuline Form verwendet.
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
4
2.
D
IE
B
EDINGUNGEN VON
S
TERBEN UND
T
OD IN UNSERER
G
ESELLSCHAFT
Durch die demographische Entwicklung
1
wird die aktuelle Situation von Tod und
Sterben in unserer heutigen Gesellschaft veranschaulicht. Fortschritte in der Medizin
und die immer besser werdenden medizinischen Interventionsmöglichkeiten haben den
Sterbeort aus dem familiären Umfeld, das lange Zeit die soziale Funktion der
Sterbebegleitung übernommen hat, in Institutionen verlagert. Man spricht in diesem
Zusammenhang von der ,,Medikalisierung und Institutionalisierung" von Tod und
Sterben. Einhergehend mit den demographischen Veränderungen und den Erneuerungen
in der Medizin hat sich die Einstellung der Menschen in unserer Gesellschaft im
Hinblick auf Sterben, Tod und Trauer gewandelt. In diesem Kapitel wird die Relevanz
der hospizlichen Versorgung deutlich, die für die Sicherung der Lebensqualität eines
sterbenden Menschen eine wichtige Rolle spielt.
2.1 Demographische Entwicklung von Tod und Sterben
Die kulturelle und soziale Einstellung zum Sterben, Tod und zur Trauer wird durch die
demographischen Entwicklungen einer Gesellschaft beeinflusst (vgl. C
ANINE
, 1996, S.
56)
2
.
In den letzten Jahrhunderten hat sich das Krankheitsspektrum (Morbidität), das
Spektrum der Todesursachen sowie das Sterbealter der Menschen (Mortalität) verändert
(vgl. R.
S
PREE
, 1994, S. 101f; F
ELDMANN
, 1990, S. 25f).
Die Veränderungen der Morbidität und der Mortalität in der Bevölkerung erfolgten
aufgrund von Verbesserungen und Fortschritten in der Medizin, des Ausbaus des
Gesundheitssystems, der Zunahme des Lebensstandards, der geringeren Geburtenrate,
der verbesserten Ernährung, Hygiene und Arbeitsbedingungen (vgl. F
ELDMANN
, 1990,
S. 25f, S
TANJEK
, 2001, S. 185f;
M
AI
, 2003, S- 26f).
1
,,Demographie ist eine Bevölkerungswissenschaft...", ,,...die sich mit der Beschreibung der
Bevölkerungsstruktur einer Gesellschaft befasst" (vgl. S
TANJEK
, 2001, S. 184).
2
Um eine eindeutige und übersichtliche Zuordnung der Literaturquellen für die einzelnen Zitate zu
gewährleisten, werde ich nach dem Harvard-Verfahren bei Zitaten jeweils einen vollständigen Beleg
anführen. Angaben wie ,,ebd." oder ,,a.a.O." werden nicht benutzt.
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
5
Prävention und medizinische Behandlung ist in unserer Zeit besser als je zuvor, sodass
ein großes Spektrum an Krankheiten -besonders jener, die einst zu einer Epidemie
führten, wie Pest, Cholera, Fleckfieber, Malaria und Pocken- in den westlichen
Industrieländern nicht mehr auftritt (vgl. E
LIAS
, 2002, S. 14f). Andere Krankheiten
haben sich in ihrer Eigenschaft modifiziert. An Krankheiten wie Masern, Röteln
Diphtherie und Keuchhusten, die sonst in allen Altersschichten zu finden waren,
erkranken heutzutage überwiegend Kinder. Stattdessen treten Krebs- und Herz-
Kreislauferkrankungen seit Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt auf (vgl.
S
TATISTISCHES
B
UNDESAMT
, 2004, S. 10ff; S
PREE
, 1994, S. 101f; S
CHIPPERGES
, 1982,
S. 19;
I
MHOF
, 1981, S. 14).
I
MHOF
, der erste Historiker, der sich mit den aus Frankreich stammenden Methoden der
historischen Demographie wissenschaftlich auseinandersetzte, betonte schon Anfang
der 80er Jahre, dass die moderne, hoch entwickelte Medizin dazu führe, dass die
Menschen in einem immer höheren Alter sterben (vgl. I
MHOF
, 1981, S. 14).
S
TANJEK
(2001, S.185) und der Medizinhistoriker W
INAU
(1984,
S. 202) untermauern
diese These und fügen darüber hinaus noch an, dass einhergehend mit der Veränderung
der Mortalität sich auch die Altersschichten verschoben haben (vgl. S
PREE
, 1994, S.
101ff). S
TANJEK
bestärkt diese These anhand einer Tabelle, woran deutlich wird, dass
der Anteil, der immer älter werdenden Bevölkerung in Deutschland ansteigt, während
der Anteil der Alterklassen unter 20 Jahren eine abnehmende Tendenz aufzeigt.
Tab. 1: Anteile an der Bevölkerung [%] (nach K.
S
TANJEK
2001, S.185, verändert)
Altersklassen 1950
1998
2040
60 Jahre und älter
15
22
34
20 bis 59 Jahre
54
56
50
unter 20 Jahre
31
22
16
Tod und Sterben haben sich weitestgehend aus dem Kindheits- und Jugendalter und aus
den Altersstufen bis zum 70. Lebensjahr zurückgezogen, während sich die
durchschnittliche Lebenserwartung in den westlichen Industrieländern in den letzten
hundert Jahren verdoppelt hat
3
(vgl. H
ÖHN
/
S
CHWARZ
, 1994, S. 183; S
PREE
, 1994,
S. 101). M
AI
(2003, S. 11) prognostiziert in seiner vom BMFSFJ in Auftrag gegebenen
3
Der enorme Rückgang der Sterblichkeit wurde als epidemiologischer Übergang bezeichnet, weil er
begleitet war von massiven Veränderungen der Krankheitsformen und Todesursachen.
http://www.bbr.bund.de/raumordnung/bevoelkerung/lebenserwartung.htm
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
6
bevölkerungsstatistischen Datenanalyse, dass der Prozentanteil von 23% (1999) der
über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung auf 36% im Jahre 2050 ansteigen wird.
Augenmerkliche Wandlungen gibt es außerdem im sozialen Familiensystem. Die Zahl
der Menschen, die nicht mehr über ein familiäres Netzwerk verfügen, steigt, die Familie
wird immer kleiner und besteht im Alter häufig nur noch aus einem Mitglied (vgl.
F
ELDMANN
, 1990, S.49; BMFSFJ, 2003, S. 33f; I
MHOF
, 1994, S. 15f; Z
ULEHNER
et al.,
1991, 22f; G
RONEMEYER
, 2002, S. 4). Der Wandel der Familienstrukturen wird
deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Haushalte mit einer Person im Westen
Deutschlands seit den 70er Jahren mit über 30 Prozent den größten Anteil der
Bevölkerung bilden (vgl. Abb.1 im Anhang) (vgl. M
AI
, 2003, S. 125ff).
Die Begleitung von Sterbenden im häuslichen Umfeld ist durch die sozialen
Veränderungen in der Gesellschaft für Verwandte und Angehörige zunehmend
schwieriger geworden. Angesichts der Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit, der
gesellschaftlichen Individualisierungstendenzen, der gestiegenen
Mobilitätsanforderungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich, hat sich
das Sterben zunehmend in Institutionen verlagert (vgl. Z
ULEHNER
, et al., 1991, S. 22f.).
In diesem Zusammenhang wird auch von einer Institutionalisierung des Sterbens
gesprochen, was im folgenden Kapitel näher dargestellt wird.
2.2
Medikalisierung und Institutionalisierung des Sterbens
Wie bereits erwähnt, hat sich mit den Fortschritten und den Wandlungsprozessen in der
Medizin zugleich die gesundheitliche Versorgung in unserer Gesellschaft modifiziert
(vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 5; S
CHMITZ
- S
CHERZER
, 1992, S. 29; Z
ULEHNER
et al., 1991, S. 24). Man spricht in Hinsicht darauf von der Medikalisierung der
Medizin.
Dem Arzt wurde zu Beginn der Medizin bis ins ausgehende Mittelalter eine gewichtige
und priesterliche, nahezu dämonische Rolle beigemessen und die Bevölkerung nahm an,
dass er durch allmächtige und übernatürliche Kräfte auf Erkrankungen und auf
Heilungsprozesse einwirken könne. Die Menschen akzeptierten Krankheiten und Leiden
und nahmen die begrenzte Lebensdauer schicksalhaft hin. Gleichwohl einer Erfolg
versprechenden Medizin ermöglichten die Ärzte in dieser Zeit, dem kranken, alten und
sterbenden Menschen eine Anteil nehmende Begleitung, wobei die Beziehungsarbeit
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
7
von großer Wichtigkeit war. In der Zeit der Aufklärung erhielt der Heilauftrag einen
neuen Inhalt und eine andere Bedeutung. Es entstand eine zunehmend kritische Haltung
in Hinblick auf Unerklärbares und Unbegreifliches und die Anspruchshaltung der
Menschen gegenüber der Medizin stieg an (vgl. B
ECKER
, 1992, S. 30; S
ILOMON
, 1983,
S. 9f; S
CHIPPERGES
, 1982, 39ff; F
REWER
, 2002, S. 25). Sie wurde verwissenschaftlicht
und schulmedizinische Methoden wurden etabliert; Krankheiten bekam man in den
Griff oder sie wurden ausgerottet und das Lebensalter der Menschen nahm zu (vgl.
B
ECKER
, 1992, S.30f; Z
ULEHNER
et al., 1991, S. 24).
Der schulmedizinische, kurative
4
Therapieansatz fokussiert die Zielsetzung, eine
Krankheit zu heilen, wobei das Wohlergehen und die Befindlichkeit des Patienten eine
untergeordnete Rolle spielt (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 5). Z
ULEHNER
(1991, S. 25) stellt diesen Sachverhalt überspitzt dar, indem er behauptet, dass das
Krankenhauspersonal nur noch ,,...für die Bedienung der medizinisch-technischen
Apparate hochkompetent...", aber für die Sterbebegleitung unvorbereitet sei und er geht
sogar soweit zu behaupten, dass der Mensch hinter den Apparaten verschwindet und es
in erster Linie um die Behandlung einer Krankheit geht. In den Grundsätzen der
Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung von 1998, wird die Rolle des
Mediziners zwar neu definiert, indem es heißt, dass es die Aufgabe eines Arztes sei,
,,unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten,
Gesundheit zu schützen und wieder herzustellen sowie Leiden zu lindern und
Sterbenden bis zum Tod beizustehen", doch von diesen theoretischen Ansprüchen und
Forderungen weicht der praktische Krankenhausalltag häufig ab (D
EUTSCHES
Ä
RZTEBLATT
, 2004, S. 1; D
EUTSCHES
Ä
RZTEBLATT
, 1998, S. 17). Der
Krankenhausauftrag, nämlich Gesundheit wieder herzustellen, steht im Widerspruch mit
der Sterbebegleitung und oft wird der Tod eines Patienten vom Mediziner wie eine
,,...verlorene Schlacht..." angesehen (vgl. S
CHWEIDTMANN
, 1991, S. 22, 33;
F
ELDMANN
, 1997, S. 67; W
EINGARTEN
, 1984, S.351).
Zugleich führt die zunehmende Differenzierung und Segmentierung der Medizin dazu,
dass der ganzheitliche Umgang mit Kranken und Sterbenden immer schwerer wird. Der
Körper wird in Bereiche aufgeteilt, die von eigenständigen Professionen behandelt
werden (vgl. F
ELDMANN
, 1997, S. 63; B
ECKER
, 1992, S. 32). Der Mensch wird nicht
4
Kurativ, [lat.] curare = heilen, kurieren (vgl. D
UDEN
, 2000, S. 774
).
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
8
mehr als Ganzes gesehen und ,,...Teile des Körpergeschehens werden voneinander
abgeschieden und speziellen Professionen zugeordnet" (F
ELDMANN
, 1997, S. 63). Die
Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen ist oftmals mühselig, weil die
gemeinsame Sprache fehlt (vgl. B
ECKER
, 1992, S. 32).
Ausgehend der Tatsache, dass 70 bis 80 % der Menschen in Institutionen sterben, wird
deutlich, dass der der alltägliche Umgang und die Konfrontation mit Tod und Sterben in
unserer Gesellschaft selten geworden sind (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2002, S. 273;
S
CHMITZ
-S
CHERZER
, 1992, S.22; S
TUDENT
, 2004, S. 135)
5
. Während Anfang des 19.
Jahrhunderts noch 80 % der Menschen zu Hause in der vertrauten Umgebung starben,
sterben heute etwa 70 bis 80% der Menschen in Institutionen (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2002, S. 273; S
TUDENT
, 2004, S. 135).
2.3 Veränderungen von Tod und Sterben im gesellschaftlichen Wandel
Aus den historischen Entwicklungen und den medizinischen Errungenschaften haben
sich Veränderungen hinsichtlich der gesellschaftlichen Einstellungen und
Auseinandersetzungen bezüglich Sterben, Tod und Trauer ergeben. Näheres wird in
diesem Kapitel dargestellt.
Sterben, Tod und Trauer geschehen im kulturellen Kontext (vgl. M
ORGAN
, 2003, S. 14).
Betrachtet man die Einstellung unserer Kultur bezüglich des Todes über die
Jahrhunderte der europäischen Geschichte, so wird sichtbar, dass sich die
Entwicklungen nur sehr langsam und schleichend vollziehen, wobei sich besonders
augenfällige Veränderungen in den letzten Jahrhunderten ergeben haben (vgl. W
INAU
,
1984, S. 15). Das Ansteigen der Lebenserwartung hat das Bewusstsein gegenüber dem
Tod beeinflusst (vgl. M
ORGAN
, 2003, S. 17). Sterben, Tod und Trauer sind aus dem
gesellschaftlichen Blickwinkel und aus der Privatsphäre der Menschen verschwunden
(vgl. W
INAU
, 1984, S.15). Einst war der Tod Teil des alltäglichen Lebens der Menschen
und wurde in Form von Zeremonien und Riten ausgelebt (vgl. W
INAU
, 1984, S.15;
F
ELDMANN
, 1990, S. 35). Die Rituale hatten entlastenden Charakter, indem sie dafür
5
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht zwar jährlich Todesstatistiken, die Angaben zu den
Todesursachen und zu den demographischen Variablen enthalten, aber es gibt weder national noch
international umfassende Sterbestatistiken im Hinblick auf Sterbeorte. Statistische Belege werden aus den
Meldungen der Krankenhäuser eingesetzt, wobei es sich hier nur um Schätzungen handelt (vgl.
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2002, S.273).
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
9
sorgten, dass die trauernde Person in die Gesellschaft reintegriert wurde und auch die
Auseinandersetzung mit dem Tod war einfacher, weil die Menschen noch direkten
Kontakt zu Sterbenden und Schwerkranken hatten (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S. 35;
B
ECKER
, 1992, S. 27). In modernen Gesellschaften schwanden die Riten und
Zeremonien und sind heute nur noch ,,...periphere Ereignisse" einer
Industriegesellschaft (F
ELDMANN
, 1990, S. 73). Die traditionellen Betreuungspersonen,
wie Verwandte, Nachbarn und Priester verloren ihre Funktion (F
ELDMANN
, 1990, S. 54,
73).
Viele Autoren haben sich mit historischen Untersuchungen hinsichtlich der
Entwicklung der westlichen Geschichte des Todes beschäftigt, wobei die bekanntesten
Studien vom französischen Historiker A
RIÉS
stammen (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S. 39).
Um die historischen Veränderungen zu verdeutlichen, fasste A
RIÉS
(1980,
S.
39) seine
Erkenntnisse theoretisch in Epochen der Sterbekultur zusammen, die er ,,der gezähmte
Tod", ,,der Tod des Selbst", ,,der Tod des anderen" und ,,den verneinten Tod" betitelte
(vgl. W
INAU
, 1984, S. 16ff; M
ORGAN
, 2003, S. 21). Hier wird geschildert, wie sich der
gesellschaftliche Umgang mit Tod und Sterben vom Mittelalter bis in die Moderne
verändert hat. So gehörte der Tod im Mittelalter zum Alltag der Menschen und wurde
ausgelebt, während er sich im Laufe der Zeit zum Einzelschicksal des Menschen
entwickelte. Erst mit der zunehmenden Industrialisierung wurde die Verantwortung für
den Sterbenden oder Schwerkranken auf Professionen übertragen und in Einrichtungen
verlagert
(vgl. W
INAU
, 1984, S. 16ff; M
ORGAN
, 2003, S.21ff; F
ELDMANN
, 1990, S. 39f;
A
RIÉS
, 1980, S. 774ff). Die Aussagen A
RIÉS
werden in aktuellen Diskussionen
angeführt, um den friedlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Sterben und Tod in
der Vergangenheit zu demonstrieren und einen Vergleich zum heutigen ,,institutionellen
und kalten" Sterben der Gegenwart zu ziehen (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S. 40f; B
EDNARZ
,
2003, S. 56f).
F
ELDMANN
(1990, S. 72f) teilt diese Auffassung nicht ganz und legt hinsichtlich dieser
These treffender dar, dass der Tod in der gegenwärtigen Zeit ,,...realitätsgerechter
betrachtet und erfolgreicher ,,bearbeitet" wird, als es in traditionellen Kulturen und in
früheren Jahrhunderten der Fall war...". Zum einen weist er darauf hin, dass der
Mensch in unserer heutigen Zeit den natürlichen Tod nicht mehr als tragisches Ereignis
ansieht und dass das übertriebene Begräbnisritual und der Totenkult abgenommen
haben, weil der Tod als etwas Natürliches, weniger Illusionäres gesehen wird. Dies wird
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
10
auch durch die öffentlichen Menschenrechtsdiskussionen und den kritischen
Auseinandersetzungen mit Themen wie Sterben im Krankenhaus, Euthanasie und
Selbstmord deutlich (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S.73f).
Um das Sterberisiko zu minimieren, geben sich die Menschen im Vergleich zu
traditionellen Kulturen nicht mehr schicksalsgläubig hin, sondern sorgen vor, indem sie
zum Beispiel Versicherungen abschließen. Sinnfragen im Leben werden nicht mehr
durch die Kultur abgenommen, was einerseits zu Verunsicherungen führen kann,
andererseits jedoch auch Entscheidungsfreiheit und Verselbständigung der individuellen
Gestaltung des Todes bedeutet (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S. 73f; B
EDNARZ
, 2003, S. 55f).
So umstritten die Ergebnisse A
RIÉS
auch sein mögen, so sind doch einige genannte
Faktoren zu bestätigen. Vergleicht man die heutige mit der damaligen Sozialstruktur
(vgl. Kap. 2.1) wird deutlich, dass die Menschen heute zwar mehr Zeit haben, sich auf
den Tod einzustellen, sich darauf vorzubereiten und dass das Thema Tod und Sterben in
der Wissenschaft und in den Medien vermehrt behandelt wird, gleichwohl ist
festzuhalten, dass der Tod und das Sterben immer mehr aus unserem Alltag
verschwinden und in Krankenhäuser und Institutionen (vgl. Kap. 2.2) verlagert werden
(vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 11; I
MHOF
;
1981,
S.
25;
Z
ULEHNER
,
1991,
S.
21f;
S
CHMITZ
-
S
CHERZER
,
1992,
S.
22).
Selten hat man mit dem Tod zu tun, er ist nicht mehr
allgegenwärtig und es vergehen im Durchschnitt eines menschlichen Lebens, 10-15
Jahre, ohne dass in der Familie ein Todesfall eintritt (vgl. I
MHOF
, 191, S. 25;
S
CHMELING
, 1982, S. 7f; F
ELDMANN
, 1990, S. 46f). Diese Problematik beschreibt E
LIAS
(2002, S. 50f) wie folgt:
In einer Gesellschaft mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von fünfundsiebzig
Jahren liegt der Tod für einen zwanzigjährigen, selbst für einen dreißigjährigen Menschen
ganz erheblich ferner als in einer Gesellschaft mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung
von vierzig Jahren. Es ist leicht verständlich, daß im ersteren Falle ein Mensch den Gedanken
an den eigenen Tod für den größeren Teil seines Lebens von sich zu weisen vermag (...). Der
Tod liegt für einen beträchtlichen Sektor dieser Gesellschaft in verhältnismäßig großer Ferne.
Mit diesem Thema beschäftigt sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten die
Hospizbewegung (vgl. Kap. 3.2). Die Hospize sind bestrebt, dem gesellschaftlichen
Verdrängungsprozess invertierend entgegenzuwirken und den Patienten und seine
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
11
Angehörige im Terminalstadium
6
zu unterstützen, um somit seine letztmögliche
Lebensqualität sicherzustellen (vgl. B
ECKER
, 1994, S. 65; S
TUDENT
, 2004, S. 136;
S
TUDENT
, 1991, S. 28f).
2.4 Zusammenfassung und Fazit
Demographische Prognosen besagen, dass unsere Bevölkerung immer älter wird. Die
Lebenserwartung der Bevölkerung ist bedeutend gestiegen und die Zahl der älteren im
Vergleich zu den jüngeren Menschen hat deutlich zugenommen. Als Gründe für diese
Entwicklung werden unter anderem der medizinische Fortschritt und die
Bevölkerungsentwicklung angesehen. Infektionskrankheiten führen aufgrund der
verbesserten medizinischen Versorgung viel seltener zum Tod als in früheren Zeiten
und Menschen erkranken nunmehr vermehrt an chronisch-regenerativen Erkrankungen,
die erst nach langer Leidenszeit zum Tode führen, wie bspw. Krebs, Demenzen, Herz-
Kreislauf-Erkrankungen.
Infolge der Zunahme von Single-Haushalten, den erhöhten Mobilitätsanforderungen im
Berufsleben und der Zunahme der Erwerbstätigkeit der Frauen, wird es immer
unwahrscheinlicher, dass die Menschen künftig im Kreise ihrer Familie sterben werden.
Demnach hat sich der Sterbeort verlagert und man spricht vermehrt von einer
Institutionalisierung und Medikalisierung von Sterben und Tod. Obwohl die Mehrzahl
der Todkranken im Krankenhaus versorgt wird, widerspricht diese Aufgabe dem
Selbstverständnis der Institution, die auf Heilen und Genesung ausgerichtet ist.
Hiermit hat sich der Umgang mit Sterben und Tod nachdrücklich verändert. Der
Mensch muss sich selten mit dem Tod auseinandersetzen, Verdrängungsprozesse sind
zu verzeichnen, Menschen sammeln im Leben seltener oder immer später Erfahrungen
mit dem Tod, verbindliche Rituale und Umgangsformen mit Sterben und Tod gehen
verloren.
Die benannten Motive für die Verlagerung des Sterbeortes weisen auf, dass eine
Institutionalisierung nicht ganz und gar rückgängig zu machen ist. Mit diesen
Entwicklungen verändern sich die Anforderungen an die Gesellschaft, an das
Gesundheitswesen, an das Sozialsystem, sowie an die Soziale Arbeit. Genauer gesagt
muss es darum gehen, unter den vorherrschenden Bedingungen neue Methoden und
6
Terminal [Adj., o. Steig.] ,[lat.] terminalis = die Grenze, das Ende betreffend, zum Ende gehörend (vgl. D
UDEN
, 2000, S.
1325).
2 Die Bedingungen von Sterben und Tod in unserer Gesellschaft
12
Möglichkeiten zu einem angemessenen und qualitativen Umgang mit Sterben und Tod
zu finden. Aus diesem Grund hat die Hospizbewegung das Anliegen, einen Ort zu
schaffen, an dem so gut wie möglich die letzte Phase des Lebens bewältigt werden
kann.
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
13
3. D
IE
I
NSTITUTION
H
OSPIZ ALS
S
TERBEORT
Ausgehend von den dargestellten Entwicklungen in unserer Gesellschaft will die
Hospizbewegung, als Reaktion auf die bestehenden Herausforderungen unserer
Gesellschaft, dem unheilbar Kranken und seiner Familie jeden möglichen materiellen
und ideellen Beitrag bieten, damit sich ein würdevolles Leben bis zum Tode vollziehen
kann.
Eingangs wird der Begriff ,,Hospiz" bestimmt, um anschließend auf die Ursprünge der
Hospizbewegung einzugehen. Die Betreuung von Sterbenden und deren Angehörigen
gestaltet sich in unterschiedlicher Form und deshalb wird in diesem Kapitel eine
Übersicht über die bundesdeutsche Hospizlandschaft gegeben. Nachfolgend werden
dann die Grundprinzipien des Hospizes dargestellt und abschließend beschrieben, unter
welchen rechtlichen Rahmenbedingungen die Hospize finanziert werden.
3.1 Begriffsbestimmung Hospiz
Nach der Erklärung des Fremdwörterlexikons, versteht man unter Hospiz ,,ein
großstädtisches Gasthaus od. Hotel mit christlicher Hausordnung" beziehungsweise
eine, ,,von Mönchen errichtete Unterkunft für Reisende od. wandernde Mönche im
Mittelalter" (D
UDEN
, 1982, S. 315). Das Wort Hospiz geht auf die lateinische
Wortfamilie ,,hospitium" zurück und bedeutet so viel wie Gastfreundschaft, Bewirtung
oder Herberge (vgl. D
UDEN
, 2001, S. 347).
Obwohl immer noch die Mehrheit der Menschen beim Begriff ,,Hospiz" ein Gebäude
oder ein Haus assoziiert, sind primär die Zielsetzung und das Konzept gemeint. Die
gesamte medizinische, pflegerische, soziale und spirituelle Betreuung steht im Zentrum
des Handelns (vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 86; F
LENSBURGER
H
EFTE
, 1997, S. 150;
S
KALSKY
, 1996, S. 246).
3.2 Der Ursprung der Hospizbewegung
Hospize gab es bereits zu Beginn des Christentums im Römischen Reich. Sie waren im
gesamten europäischen Raum verbreitet und verstanden sich als Zufluchtsstätte für
Menschen, die sich auf einer Reise befanden. Häufig wurden sie von Ordensmönchen
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
14
geleitet und dienten den Pilgern als Raststätte
7
. Diese erhielten an jenem Ort
Verpflegung, Hilfe und Unterkunft (vgl. F
LENSBURGER
H
EFTE
, 1997, S. 150;
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 9; A
ICHMÜLLER
-
L
IETZMANN
, 1998, S. 16; S
TUDENT
,
1996, S. 121f; G
RONEMEYER
, 2002, S. 4).
Diese Tradition aufgreifend soll das Hospiz auch in unserer Zeit dem Sterbenden auf
seiner ,,...Reise zu einem letzten Ziele Pflege, Stärkung, Herberge..."(S
TUDENT
/
B
USCHE
, 1994, S. 30) zusichern.
Die Verwendung des Wortes Hospiz wurde erstmalig in Verbindung mit der Pflege und
Begleitung Sterbender, Mitte des 19. Jahrhunderts benutzt. Im 19. Jahrhundert und in
den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich eine kleine Anzahl an
Hospizinitiativen in Deutschland, Frankreich, Irland, England und den USA. Dabei
wurden viele dieser Einrichtungen von Frauen
8
ins Leben gerufen und geführt
(D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 9f; H
OWARTH
/
L
EAMAN
, 2001, S. 245).
Das Entstehen dieser Einrichtungen kann als eine Voraussetzung für das durch C
ICELY
S
AUNDERS
gegründete ,,St. Christopher`s Hospice" in England und als Vorbild für
weitere Entwicklungen in der Hospizbewegung und Palliativmedizin
9
gesehen werden
(vgl.
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 9; F
ELDMANN
, 1997, S. 72; S
TUDENT
, 1996, S.
121). Nach langjährigen Erfahrungen in der Hospizarbeit gründete die
Krankenschwester, Sozialarbeiterin und Ärztin, S
AUNDERS
1967 das ,,St. Christopher`s
Hospice" im Londoner Randgebiet. Forschung und wissenschaftliches Arbeiten waren
neben der Betreuung Sterbender grundlegende Aufgaben des Hospizes.
Folglich setzte sich das Hospizkonzept in England durch und verbreitete sich in vielen
anderen Ländern (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 10; S
TUDENT
, 2004, S. 138;
G
ODZIK
, 1992, S.5f).
7
Hospize wurden insbesondere an Pilgerwegen errichtet, wie zum Beispiel an dem bekannten, spanischen
Pilgerweg nach ,,Santiago de Compostela".
8
1842 gründete Jeanne Garnier in Frankreich, 1879 Mary Aikenhead in Dublin und London und 1899
Rose Hawthorn in New York das erste Hospiz (vgl.
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 9f; H
OWARTH
/
L
EAMAN
, 2001, S. 245).
9
Man versteht unter Palliativmedizin (lat. pallium = Mantel) das Behandeln und Pflegen von Patienten,
die an einer unheilbaren Krankheit leiden. Angestrebt werden die Linderung der Beschwerden und das
würdevolle Weiterleben bis zum Tod. Daher steht die Linderung der Symptome, nicht die
Ursachenbekämpfung im Fokus der Palliativmedizin (vgl. D
UDEN
, 2000, S. 977)
.
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
15
Ein weiterer Impuls für die Entwicklung der Hospizbewegung kam zeitgleich von der
Schweizer Ärztin K
ÜBLER
-R
OSS
, die in Krankenhäusern und Universitäten das
Verhalten sterbender und todkranker Menschen untersuchte und mit dem 1969
veröffentlichten Buch ,,Interviews mit Sterbenden"
10
bekannt wurde (vgl. F
LENSBURGER
H
EFTE
, 1997, S. 150; S
TUDENT
, 2004, S. 138; K
ÜBLER
-R
OSS
, 1971, S. 26ff). Weitere
Veröffentlichungen folgten und bildeten den theoretischen Diskurs der deutschen
Hospizbewegung (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S.10; S
CHMITZ
-S
CHERZER
, 1992,
S. 120).
Allerdings hatte es die Hospizbewegung in Deutschland schwer und fasste, im
Vergleich zu den Entwicklungen in England, erst später Fuß. Zwar wurde bereits 1971
der unglücklich betitelte Dokumentarfilm
11
, ,,Noch 16 Tage ...- Eine Sterbeklinik in
London" im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, der Wortlaut ,,Sterbeklinik" stieß jedoch
auf Kritik und Hospize wurden mit dem geschichtlichen Hintergrund der NS-Euthanasie
von der Bevölkerung abgelehnt. ,,Gettoisierung" und ,,Institutionalisierung" der
Sterbenden waren die Befürchtungen vieler Menschen (vgl.
S
TUDENT
, 2004, S. 144;
C
ACHANDT
, 2000, S. 124; W
ERMTER
, 1997, S. 224; S
CHARA
, 1997, S. 15).
Erst 15 Jahre später wurde durch den Ordensgeistlichen T
ÜRKS
das erste Hospiz ,,Haus
Hörn" in Aachen ins Leben gerufen und weitere Hospizeröffnungen folgten in dieser
Zeit, wobei es sich vor allem um stationäre Hospize handelte (vgl. S
TUDENT
, 2004, S.
145; S
TUDENT
, 1999, S. 43; W
IEDEMANN
, 1999, S. 37ff).
In den nachfolgenden Jahren entwickelten sich weitere Hospizvereine und -initiativen
und es bildete sich ein vielfältiges Hospizangebot heraus, wobei anzumerken ist, dass
sich die Hospizbewegung und die Palliativmedizin in Deutschland, im Vergleich zu
anderen Ländern getrennt voneinander entwickelt haben (vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
,
2005, S. 9).
Grund hierfür bestand darin, dass sich die Hospizbewegung vor den
Medikalisierungstendenzen bewahren wollte. Zahlreiche Hospizinitiativen setzten den
Schwerpunkt auf die ganzheitliche, psychosoziale und spirituelle Betreuung von
Sterbenden und betrachteten das Einbeziehen von Ärzten in das Hospizgeschehen mit
Skepsis (vgl.
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S.9). Somit entwickelten sich die
10
Die Originalausgabe ist unter dem Titel ,,On Death and Dying" 1969 erschienen.
11
Der Film wurde von Iblacker und Braun im St. Christopher`s Hospice gedreht (vgl. S
TUDENT
, 2004, S.
144).
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
16
,,...ärztliche Palliativmedizin und die eher psychosoziale und spirituell ausgerichtete
und maßgeblich von Laien getragene Hospizbewegung..." getrennt voneinander
(D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S.9).
3.3 Übersicht und Struktur der deutschen Hospizlandschaft
Die Hospizbewegung in Deutschland hat zwei Dachorganisationen, einerseits die
B
UNDESARBEITSGEMEINSCHAFT
(BAG)
H
OSPIZ E
.V. und andererseits die D
EUTSCHE
H
OSPIZ
S
TIFTUNG
(DHS). Der Deutschen Hospiz Stiftung obliegt, als unabhängige,
überparteiliche und unkonfessionelle Stiftung, die Aufgabe der Spendenverteilung, der
Puplic Relations
12
und der wissenschaftlichen Forschung zu den Themen Tod, Sterben
und Trauer (vgl. DHS, Stand:09.09.2005).
Der eingetragene Verein BAG
H
OSPIZ
übernimmt die Funktion der
Interessensvertretung aller Hospize gegenüber Politik und Verbänden. Ebenso sieht die
BAG Hospiz ihre Aufgaben in der Entwicklung eines Hospiznetzwerkes, in der
Verbesserung der Lebensqualität Sterbenskranker, in der Fort- und Weiterbildung aller
maßgeblichen Berufsgruppen, in der Öffentlichkeitsarbeit, etc. (vgl. BAG H
OSPIZ
,
Stand: 30.09.2005). Weiterhin hat die BAG
H
OSPIZ
Qualitätsstandards für den Kern
hospizlichen Handelns im stationären Hospizbereich erarbeitet und im
Qualitätshandbuch ,,Sorgsam" zusammengefasst. Deutlich wird hier, dass sich die
Zuständigkeitsbereiche der DHS und der BAG Hospiz partiell überschneiden.
Der Dachverband BAG
H
OSPIZ
integriert 16 Landesarbeitsgemeinschaften (LAG), die
auf Länderebene die Weiterentwicklung der Hospizbewegung unterstützen. Zu seinen
Mitgliedern zählt die BAG Hospiz die ambulanten, teilstationären und stationären
Hospize, die Palliativstationen und ebenso überregionale Organisationen, wie die
Deutsche Aidshilfe, die Internationale Gesellschaft für Sterbebegleitung und
Lebensbeistand (IGSL Hospiz), einige Wohlfahrtsverbände und den Verein Omega
Mit dem Sterben leben e.V. (vgl.
BAG
HOSPIZ, Stand: 14.06.05; S
TUDENT
, 2004, S.
146f).
12
Public Relations [engl.] = Öffentlichkeitsarbeit (vgl. L
ANGENSCHEIDT
, 2001, S. 891).
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
17
Abb. 1: Organisation der deutschen Hospizbewegung (nach S
TUDENT
, 2004, S. 147, verändert).
Die Hospizidee hat sich in den letzten Jahren vermehrt im bundesdeutschen Raum
etabliert und unterschiedliche Betreuungs- und Organisationsformen der
Sterbebegleitung haben sich entwickelt, wobei man zwischen vier Grundformen
unterscheiden kann (vgl.
S
TUDENT
, 1999. S. 31; G
RONEMEYER
, 2002, S. 4) Hospizliche
Unterstützungsangebote organisieren sich als selbständig agierende, stationäre und
ambulante Hospize, als abhängige stationäre und ambulante Einheit eingebunden in
einer Klinik (Palliativstation), als ausschließlich ambulant arbeitende Institution und in
der Form einer Hospizinitiative bzw. eines Beratungsteams (vgl. S
TUDENT
, 1999. S. 31).
Die BAG
H
OSPIZ
registrierte im August 2004, 1320 ambulante Hospize, 112 stationäre
Hospize und 90 Palliativstationen, wobei die Angaben über die Zahl der
Hospizeinrichtungen differieren (vgl. BAG, Stand: 14.06.05; DHS, Stand: Januar 2004).
Dennoch ist festzuhalten, dass der Bedarf in Deutschland noch nicht gedeckt ist und nur
ein geringer Prozentsatz
13
der Menschen in hospizlichen Versorgungseinrichtungen
stirbt (vgl. J
ASPERS
/
S
CHINDLERS
, 2004, S. 102; BAG
H
OSPIZ
, Stand: 30.09.05;
D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 5f).
Obgleich sich das Hospizangebot in den letzten Jahren erheblich verbessert und
erweitert hat (vgl. Abb. 2, 3 im Anhang) sind auch immer noch Schwächen im
Hospizsystem zu verzeichnen. Um die Mängel in der hospizlichen Versorgungsstruktur
sichtbar zu machen, werden in der Öffentlichkeit aktuell Diskussionen geführt und neue
Ansätze und Konzepte für verschiedene hospizliche Versorgungsangebote vorgestellt
(vgl. D
EUTSCHER
B
UNDESTAG
, 2005, S. 5f).
13
Auf eine Mio. Einwohner in Deutschland kommen 17 Palliativ- und Hospizbetten. Nach Berechnungen
der BAG
H
OSPIZ
liegt der tatsächliche Bedarf im stationären Bereich bei 50 Palliativ- und Hospizbetten
pro eine Mio. Einwohner (BAG
H
OSPIZ
, Stand: 30.09.2005).
BAG Hospiz
LAG mit gewählten Vertretern in allen Bundesländern
örtlich organisierte Hospizinitiativen: ambulant, teilstationär,
stationär
überregionale o. konfessionelle Organisationen
Dt. Hospizstiftung - Förderung des Hospizgedankens
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
18
Ungeachtet konzeptioneller Veränderungen im Hospizbereich weisen verschiedene
Hospizeinrichtungen einheitliche Kennzeichen auf, die als Grundprinzipien und
Qualitätsmerkmale des Hospizes bezeichnet werden können (vgl. Kap. 3.4).
3.4 Grundprinzipien und Qualitätsmerkmale des Hospizes
Die Hospizidee impliziert weit mehr, als einen Raum und formale Strukturen für Tod
und Sterben zu schaffen. Hospize sehen es als ihre Aufgabe, dem sterbenskranken
Menschen mit physischer und psychischer Unterstützung beizustehen, um ihm in der
letzten Zeit seines Lebens höchste Zufriedenheit und Lebensqualität zukommen zu
lassen. Dabei soll der Tod weder beschleunigt, noch hinausgezögert werden. (vgl.
S
TUDENT
, 2004, S. 27; S
TUDENT
, 1999, S. 24, S
TUDENT
, 1991, S. 22). Entgegengesetzt
anderer Betreuungseinrichtungen, wie vergleichsweise dem Krankenhaus, liegt die
substantielle Arbeit primär in der intensiven und der persönlichen Begleitung des
Menschen mit progredienter
14
Erkrankung (vgl. F
ELDMANN
, 1990, S. 160).
Nicht nur S
TUDENT
(S
TUDENT
,
1999,
S.
24ff; S
TUDENT
, 2004, S. 27ff; S
TUDENT
, 1991,
S. 22ff) auch die BAG
H
OSPIZ
(Satzung der BAG Hospiz, Stand: 30.09.2005)
formulieren die besonderen inhaltlichen Kennzeichen des hospizlichen Handelns, die
sich in vielen Aspekten überschneiden. Diese Kennzeichen können auch als
,,Qualitätskriterien" gesehen werden und werden im Folgenden vorgestellt (vgl.
S
TUDENT
, 2004, S. 27; S
TUDENT
, 1999, S. 24).
1. Um das gesamte soziale Umfeld mit einzubeziehen, rechnet man zu den
Adressaten der Hospizarbeit den sterbenden Menschen, aber auch seine
Angehörigen.
2. Die Hospizbewegung berücksichtigt die ganzheitliche Betrachtungsweise des
sterbenden Menschen, vom Beginn seines Lebens bis hin zu seinem Tod.
3. Die Hospizarbeit richtet sich nach dem Prinzip ,,ambulant vor stationär", um
dem Menschen die Möglichkeit zu geben, zu Hause zu sterben. Teilstationäre
und stationäre Versorgungsstrukturen greifen nach dem Subsidiaritätsprinzip
14
Progredienz = das Fortschreiten, die zunehmende Verschlimmerung einer Krankheit, progredient [lat.]
= fortschreiten (vgl. D
UDEN
, 2000, S. 1092).
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
19
nachrangig ein, wenn die Betreuung im häuslichen Umfeld nicht mehr möglich
ist.
4. Ehrenamtlich Tätige haben für den Hospizbereich eine beachtliche Relevanz.
Indessen sollten die Ehrenamtlichen nicht dort Funktionen übernehmen, wo
professionelle Kräfte benötigt werden, sondern vielmehr über ihren eigenen
Zuständigkeitsbereich verfügen.
5. Der Sterbende und seine Familie werden durch verschiedene Fachleute eines
Hospizteams unterstützt und begleitet. Ärzte, Krankenschwestern,
Sozialarbeiter, Seelsorger, Ehrenamtliche u.a. arbeiten interdisziplinär im
Hospiz und decken somit den Anspruch des ganzheitlichen Ansatzes, da
vielfältige Lebensbedürfnisse des Patienten abgedeckt werden. Der Aus-, Fort-
und Weiterbildung kommt hierbei ein hoher Stellenwert zu.
6. Grundlegende Bedingung für die Hospizarbeit sind Fertigkeiten und Kenntnisse
in der Schmerzbehandlung und Symptomkontrolle.
7. Die Arbeit im Hospiz ist durch ein hohes Maß an Kontinuität geprägt und
schließt eine ,,Rund um die Uhr- Betreuung" ein.
8. Die Sterbebegleitung beinhaltet ebenfalls im erforderlichen Umfang eine
Trauerbegleitung der Angehörigen.
9. Dem Hospiz kommt die Möglichkeit zu, Aufgaben zu übernehmen, die andere
Dienste nicht erfüllen. Um eine konstante Betreuung zu gewährleisten, ist die
Arbeit mit anderen Institutionen jedoch vorteilhaft und zu empfehlen (vgl.
Satzung der BAG
H
OSPIZ
, Stand: 30.09.2005; S
TUDENT
,
1999,
S.
24ff; S
TUDENT
,
2004, S. 27ff; S
TUDENT
, 1991, S. 22ff; F
ELDMANN
, 1997, S. 71f).
Hier wird deutlich, dass das Handlungsziel der hospizlichen Arbeit, nämlich den
sterbenden Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und alle hospizlichen Tätigkeiten an
der Person zu orientieren, realisierbar ist, jedoch auch der sorgsamen Planung und der
Organisation bedarf. Für eine gründlich geplante Durchführung der Versorgung
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
20
unheilbar kranker Menschen ist ein angemessenes Budget erforderlich und finanzielle
Mittel müssen bereitgestellt werden.
3.5 Rechtliche Rahmenbedingungen und Finanzierung von Hospizen
Amerikanische Untersuchungen haben ergeben, dass die Kosten stationärer Hospize
trotz des erhöhten Personalaufwandes unter denen einer Pflegeeinrichtung liegen (vgl.
S
TUDENT
, 1991, S. 133f, S
TUDENT
, 2004, S. 35). Das ist darin begründet, dass die
Hospizarbeit das Augenmerk weniger auf die teure Erhaltung des Lebens durch
medizinisch-technische Geräte richtet, sondern vielmehr eine qualitative und humane
Zuwendung garantiert (vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 35).
Die Kosten stationärer und teilstationärer Hospize werden durch ein Konglomerat der
Sozialversicherung (SGB V), der Pflegeversicherung, des Eigenanteils der Patienten
und des Trägers, wie z. B. Spendengelder zusammengesetzt (vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 33;
K
LIE
, 1999, .204ff, 206f). In vielen Fällen werden stationäre Hospize und
Hospizinitiativen aufgrund ihres hohen Ansehens im Social Sponsoring vorrangig
begünstigt
15
(vgl. K
LIE
, 1999, S. 204). Die Mischfinanzierung stationärer Hospize,
insbesondere das des Spendenwesens, ist insofern opportun, als dass die Möglichkeit,
sich zu einem Gewinnunternehmen zu entwickeln, nicht besteht und die Einbindung in
das Gemeinwesen durch das Sicherstellen und das Sammeln von Spenden erleichtert
wird (vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 89). Deutlich wird in diesem Zusammenhang, dass den
Hospizen zur Finanzierung keine einfachen Lösungswege zur Verfügung stehen und es
sich für sie um immer wiederkehrende Aushandlungs- und Anstrengungsprozesse
handelt. Die Kostendeckung über eine Spendenfinanzierung erfordert inhaltliche
Klarheit und Zuverlässigkeit (vgl. K
LIE
, 1999, S. 207).
In welchen Dimensionen die Quellen der Sozialversicherung bzw. der öffentlichen
Mittel für die Finanzierung von Hospizen zuständig sind, ist abhängig von den
entsprechenden Gesetzen (vgl. S
CHOEPFFER
, 1991, S. 135). Die finanzielle Grundlage
für stationäre Hospize wurde erst 1997 mit der Einführung der Gesetzesgrundlage (vgl.
gesetzliche Regelungen im Anhang) des § 39 a Sozialgesetzbuch des
Krankenversicherungsrechts (SGB V) geschaffen (vgl. K
LIE
, 1999, S. 204). Allerdings
15
Daimler-Benz setzt sich seit geraumer Zeit im Rahmen des Social Sponsorings für den Hospizbereich
ein (vgl. K
LIE
, 1999, S. 204).
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
21
müssen Hospize, um anteilig sozialstaatliche Zuschüsse zu erhalten, die
,,Rahmenvereinbarungen nach § 39 a, Satz 4 SGB V zur Sicherung der Qualität der
stationären Hospizversorgung" (vgl. gesetzliche Regelungen und
Rahmenvereinbarungen im Hospiz im Anhang) erfüllen (vgl. S
TUDENT
, 2004, S. 33;
SGB V, 2002, S. 45).
Demzufolge müssen, laut Gesetzgeber, bestimmte räumliche,
personelle und sachliche Merkmale erfüllt und ebenfalls eine palliativ-medizinische
Behandlung, die Grund- und Behandlungspflege, die soziale Betreuung, die Sterbe- und
Trauerbegleitung sowie die Unterkunft und Verpflegung gewährleistet sein (vgl.
S
TUDENT
, 2004, S.33).
Der hospizliche Alltag ist, wie auch andere soziale Bereiche, durch deutliche
,,Rationalisierungs- und Rationierungstendenzen" zum Sparen gezwungen und selbst
hier ist der immer härter werdende Verteilungskampf um die Ressourcen zu
diagnostizieren (vgl. K
LIE
, 1999, S. 205). Stationäre Hospize mit ihrem hohen
Personalschlüssel und ihrem materiellen und finanziellen Mehrbedarf können nur dann
dauerhaft Anerkennung finden, wenn auch hier die Verbesserung der Qualität im Fokus
des Handelns steht. In Anbetracht dessen und aus dem Interesse des Patienten heraus,
seine Lebensqualität in den letzten Stunden zu sichern, ist auch der hospizliche Bereich
gefordert, Leistungs- und Qualitätsnachweise zu erbringen.
3.6 Zusammenfassung und Fazit
Die Bedeutung des Wortes ,, Hospiz" steht gestern wie heute dafür, dem Menschen auf
seinem letzten Lebensweg Unterstützung zukommen zu lassen und ihm eine
hochwertige Begleitung zu gewähren. Diese Idee wurde schon am Anfang der
Hospizbewegung verfolgt, und die Wegbereiterinnen und Avantgardistinnen S
AUNDERS
und K
ÜBLER
-R
OSS
verbreiteten diese Idee, indem sie Konzepte entwickelten, die in aller
Welt Anklang fanden und zum Vorbild vieler neuer Hospizeinrichtungen wurden.
Die deutsche Hospizbewegung hingegen hatte anfangs große Mühe sich zu etablieren
und erst 15 Jahre später entstanden auch in Deutschland die ersten Einrichtungen.
Mittlerweile gibt es ebenfalls bei uns ein vielfältiges Spektrum an Angebotsformen, die
von den übergeordneten Dachorganisationen B
UNDESARBEITSGEMEINSCHAFT
H
OSPIZ
(BAG
H
OSPIZ
) und D
EUTSCHE
H
OSPIZSTIFTUNG
(DHS) vertreten werden.
3 Die Institution Hospiz als Sterbeort
22
So unterschiedlich die verschiedenen Versorgungsstrukturen der Hospize auch sein
mögen, so sind dennoch immer wiederkehrende Gemeinsamkeiten zu erkennen, die
häufig auch zu Grundprinzipien und Qualitätskriterien zusammengefasst werden und
den Versorgungsauftrag ausmachen. Im Interesse des hospizlichen Handelns stehen
jedoch als oberste Priorität der sterbende Mensch und seine zu erhaltende
Lebensqualität. Aber eine qualitativ hochwertige und auf den Patienten ausgerichtete
Arbeit kostet Geld und um eine sichergestellte Finanzierung erwarten zu können,
müssen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt und - insbesondere in einer Zeit der
Rationalisierungstendenzen - die Relevanz der Einrichtung transparent gemacht werden.
Das Qualitätsmanagement ist an dieser Stelle eine geeignetes Instrument, die
Einrichtungsstrukturen sowohl nach außen, der Öffentlichkeit, als auch nach innen, den
Beteiligten der Einrichtung, durchschaubar zu machen.
4 Grundsätzliche Aspekte des Qualitätsmanagements
23
4. G
RUNDSÄTZLICHE
A
SPEKTE DES
Q
UALITÄTSMANAGE
-
MENTS
Qualitätsmanagement findet auch vermehrt in sozialen Bereichen statt und nicht zuletzt
die gesetzlichen Änderungen (vgl. Kap. 3.5, 5.2) und die in den vergangenen Jahren
immer enger werdenden finanziellen Spielräume bewegen soziale Einrichtungen
zusehends dazu, sich mit dem Qualitätsmanagement auseinanderzusetzen. Im Folgenden
werden zunächst durch eine kurze, theoretische Einführung die wesentlichen Aspekte
des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung dargestellt: Es werden die
grundlegenden Termini erklärt und die relevanten Qualitätsmanagementkonzepte
vorgestellt und verglichen.
4.1
Begriffsbestimmung
Viele Autoren haben sich mit dem Thema Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung
auseinandergesetzt und nicht selten sieht man sich aufgrund des Literaturüberflusses
und des ,,Wörterwaldes" mit der Schwierigkeit konfrontiert, eine einheitliche
Beschreibung hinsichtlich der Begriffsdefinitionen und der Erläuterungen zu finden.
Um einen Einblick zu gewähren und einen Orientierungsrahmen zu schaffen, werden im
Folgenden die wesentlichen Aspekte, die im Zusammenhang mit dem
Qualitätsmanagement und der Qualitätssicherung stehen, zusammengefasst und anhand
einiger Beispiele aus der Praxis dargestellt.
4.1.1 Qualität
Das Wort ,,Qualität" entspringt dem lateinischen Wort ,,qualitas", das für
Beschaffenheit, Verhältnis und Eigenschaft steht. Der Begriff ,,Qualität" lässt sich
allerdings nicht allgemeingültig definieren, ist vielschichtig und somit unterschiedlich
auslegbar (vgl. K
NON
, 2005, S. 13; M
ERCHEL
, 2004, S.33ff; K
NORR
/
H
ALFAR
, 2000, S.
16, E
SCHER
, 1997, S. 48). Verschiedene Beteiligte bringen unterschiedliche
Vorstellungen von Qualität in den Prozess und richten ihre Handlungsweise danach aus
(vgl. M
ERCHEL
, 2004, S. 34; K
NORR
/H
ALFAR
, 2000, S. 17). Aufgabe ist es nach
M
ERCHEL
(2004, S.34), die verschiedenen Qualitätsanforderungen zu definieren und
aufzudecken, um einen Einklang zwischen der verschiedenen Vorstellungen zu schaffen
4 Grundsätzliche Aspekte des Qualitätsmanagements
24
(vgl. K
NORR
/
H
ALFAR
, 2000, S. 17). S
CHÄDLER
(2001, S.26) formuliert Qualität in
diesem Zusammenhang auch als ,,...das Maß an Übereinstimmung zwischen den
fachlichen Anforderungen an eine Dienstleistung und ihren tatsächlichen Merkmalen".
Als Beispiel aus der hospizlichen Betreuung kann angeführt werden, dass Hospize
zumeist das Ziel verfolgen, dem sterbenden Menschen ein Gefühl des ,,Zuhauseseins"
möglich zu machen. Dagegen spricht allerdings der zeitlich strukturierte Tagesablauf
mit der durchgeplanten Handlungsreihe. In diesem Sinne ist es elementar, die
Hospizarbeit ,,vom Patienten her" auszurichten. So wird die Möglichkeit geschaffen, auf
verschiedene Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner einzugehen. Nicht mehr die
Tagesstruktur der Bewohner steht im Mittelpunkt des Tagesablaufes, sondern die
Tätigkeiten der Beteiligten werden organisiert, um den Forderungen der Patienten
nachzukommen.
Hinzuzufügen ist im Weiteren, dass gewisse Erklärungsansätze zur Qualität, zum einen
die objektiven Kriterien, also die betriebswirtschaftlichen und physikalischen Inhalte,
wie die Bettenbelegung, und zum anderen die subjektiven Kriterien wie die Kunden-
und Mitarbeiterzufriedenheit im Hospiz beschreiben (vgl. K
NON
, 2005, S. 13;
S
CHÄDLER
,
2001, S. 26). Bei hospizlichen Dienstleistungen umfasst die Qualität nicht
allein den Aspekt der Dienstleistung, z.B. dass ein Gesprächskreis für Angehörige im
Hospiz angeboten wird, sondern beinhaltet auch den Prozess, also wie das Angebot
durchgeführt wird (vgl. K
NORR
, 2000, S. 17).
Des Weiteren handelt es sich bei der Qualität nicht um ein beständiges Element. Es
unterliegt der ständigen Veränderung der Faktoren und sollte deshalb stets geprüft und
weiterentwickelt werden (vgl. K
NON
/
H
ALFAR
, 2000, S. 17). Besonders der Hospizalltag
ist durch Qualitätsaspekte gekennzeichnet, die der ständigen Veränderung unterliegen.
Eine über längeren Zeitraum erfolgreich wirkende Therapie eines Patienten kann
innerhalb kürzester Zeit, bei Veränderung des Gesundheitszustandes nicht mehr adäquat
sein. Als gutes Beispiel sei hier die Schmerztherapie angeführt. Eine Medikation kann
über einen bestimmten Zeitraum die Symptome des Patienten lindern, bei einer
Verschlechterung des Befindens ist die medikamentöse Neueinstellung jedoch
notwendig.
4 Grundsätzliche Aspekte des Qualitätsmanagements
25
4.1.2 Das Qualitätsmanagement
16
(QM)
Die dynamischen Organisationsprozesse in ihrer Gesamtheit unter Einschluss aller
Dokumentationsverfahren und der gesamten Organisation machen das
Qualitätsmanagement aus (vgl. K
NORR
, 2000, S. 17, BAG Hospiz,
2004,
S.
12;
S
CHUBERT
/
Z
INK
, 1997, S. 239f). Qualitätsmanagement soll die Abweichungen
zwischen dem ,,angestrebten Soll" und dem ,,tatsächlichen Ist" demonstrieren, die
Ursachen untersuchen und Verbesserungsmöglichkeiten einer Qualität aufzeigen (vgl.
A
LLERT
, 2003, S. 11). Die Standards (vgl. Kap. 4.1.5) werden den Voraussetzungen der
Organisation angepasst, bei Bedarf weiterentwickelt und die Einrichtungsaktivitäten
werden so gesteuert, dass die im Voraus festgesetzten Ziele nach Möglichkeit zu
realisieren sind. Es handelt sich hierbei um einen Managementansatz, der sowohl darauf
zielt, die Zufriedenheit der Kunden und die Leistungsqualität zu verbessern, als auch
den wirtschaftlichen Rahmen zu sichern (vgl. E
SCHER
, 2000, BAG
H
OSPIZ
,
S. 18; 2004,
S. 12; S
CHUBERT
/
Z
INK
, 1997, S. 239). Das Qualitätsmanagement bezieht sich somit
nicht nur auf die Mitarbeitertätigkeit, sondern richtet den Blickwinkel auf die
Gesamtorganisation und nimmt gleichermaßen die Leitungsebene in die Verantwortung.
4.1.3 Total Quality Management
17
(TQM)
Bei dem Total Quality Management handelt es sich um eine Unternehmensphilosophie
und eine organisatorische Führungsmethode, die den Qualitätsaspekt und die stetige
Qualitätsverbesserung in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Dabei wird der Blick
nicht ausschließlich auf das Endprodukt gerichtet, sondern auch die ,,Wege" dorthin
sind ausschlaggebend. Diese Denkweise dient sowohl der Zufriedenstellung der
internen, als auch der externen ,,Kunden"
18
(vgl.S
CHUBERT
/
Z
INK
, 1997, S. 242;
E
NGELHARDT
, 2001, S. 37f). Hierbei werden die Mitarbeiter an dem
16
Beim Begriff ,,Qualitätsmanagement" (QM) handelt es sich um einen neuen Begriff, der erst im März
1992 von der International Standard Organisation (ISO) eingeführt wurde. Vorher stand der Oberbegriff
,,Qualitätssicherung" für alle Umsetzungsstrategien, um die Erhaltung und Weiterentwicklung der
Dienstleistungsqualität zu gewähren (vgl. E
NGELHARDT
,
zit. Kaminske, 2001, S. 21).
17
Total=die Berücksichtigung aller Beteiligten an der Leistungserstellung, Quality= die Orientierung an
der Qualität vor Beginn und während des Prozessablaufes einschließlich der externen und internen
Beziehungen, Management= das Management übernimmt eine Vorbildfunktion und ist auf Verbesserung
der Leistungsqualität ausgerichtet (vgl.
www.quality.de/lexikon/tqm.htm
; H
UMMEL
/ M
ALORNY
, 2002, S.
7).
18
Im Zentrum der Kundenorientierung steht in erster Linie der externe Kunde, (Patienten, Angehörige,
Kostenträger, zusammenarbeitende Institutionen) aber auch die internen Kunden (Mitarbeiter,
Verwaltung) sind an diesem Prozess beteiligt (vgl.
S
CHUBERT
/
Z
INK
, 2001, S. 185).
4 Grundsätzliche Aspekte des Qualitätsmanagements
26
Qualitätsmanagementprozess beteiligt und in den Ablauf eingebunden (vgl.
E
NGELHARDT
, 2001, S. 37). Während das Qualitätsmanagement primär die internen
Belange einer Einrichtung aufgreift, bezieht sich das TQM angesichts der
,,Umweltorientierung" auch auf den externen Kundenkreis (vgl. E
NGELHARDT
, 2001, S.
37f). In der Hospizpraxis werden demnach nicht nur die direkten Beteiligten, wie die
Patienten, deren Angehörige oder die Mitarbeiter berücksichtigt, auch der
gesellschaftliche Aspekt (vgl. Kap. 2) spielt bei der Planung und Durchführung des
Qualitätsmanagements eine maßgebliche Rolle.
4.1.4 Qualitätssicherung
Wird von der Qualitätssicherung gesprochen, dann geht es in erster Linie darum, dass
die Qualität bzw. die Qualitätsaspekte für den Kunden garantiert sind, indem die
erforderliche Dienstleistung bereitgestellt und durchgeführt wird (vgl. K
NORR
/
H
ALFAR
,
2000, S. 34). Die einzelnen Arbeitsabläufe werden standardisiert aufgeführt und dienen
als roter Faden bei der Erledigung einzelner Arbeitsleistungen. Das bedeutet für die
Hospizarbeit, dass dem Patienten die versprochene Leistung, wie die Schmerztherapie
sichergestellt wird, indem z.B. die erforderlichen Medikamente verabreicht werden.
Gegenüber dem Qualitätsmanagement ist hier die Weiterentwicklung der Standards
nicht von Relevanz, hier geht es vielmehr darum, dass die Leistung vollzogen wird. Zur
Umsetzung der Qualitätssicherung werden Methoden wie Verfahrensanweisungen,
Checklisten, Befragungen und Dokumentationen herangezogen, die nicht selten
integrierend zu einem Qualitätshandbuch zusammengefasst sind (vgl. S
CHUBERT
/Z
INK
,
1997, S. 240). Die Qualitätssicherung kann als Bestandteil des Qualitätsmanagements
gesehen werden (vgl. K
RÖNES
, 1998, S. 77; E
NGELHARDT
,
2001, S. 21).
4.1.5 Qualitätsstandards
Um sich auf verbindliche Maßstäbe zur Messung von Qualität beziehen zu können,
konkretisieren ,,Qualitätsstandards" den nötigen Orientierungsrahmen zur Umsetzung
der Arbeit (vgl.S
CHUBERT
/
Z
INK
, 1997, S. 241, S
CHÄDLER
, 2001, S. 30).
Qualitätsstandards werden eingesetzt, um den Anforderungen der
Organisationsentwicklung nachzukommen und beschäftigen sich mit dem ,,Wie" der
Dienstleistungserbringung und der Prozessgestaltung (vgl. K
NORR
/
H
ALFAR
, 2000, S.
4 Grundsätzliche Aspekte des Qualitätsmanagements
27
273; S
CHUBERT
/
Z
INK
, 1997, S. 241). Dabei ist es vorteilhaft, die Standards, statt von
externen und fachfremden Disziplinen, aus den eigenen Reihen zu entwickeln, um diese
dem individuellen Bedarf der Einrichtung anzupassen (vgl.M
AJEWSKI
/
S
EYBAND
,
2002,
S. 139).
4.2. Qualitätsmanagementkonzepte
In den unterschiedlichsten Bereichen finden verschiedene Modelle ihre Anwendung,
manchmal treten sie in Kombination auf, dennoch sind bestimmte übereinstimmende
Merkmale in jedem Modell wieder zu finden (vgl. K
NON
, 2005, S. 66).
Qualitätsmanagementsysteme richten ihre Aufmerksamkeit auf die Aufbau- und
Ablauforganisation, unterschiedliche Komponenten der Einrichtung werden miteinander
verknüpft und der Blick wird auf die gezielte Planung und die fortwährende Steuerung
gerichtet (vgl. BAG
HOSPIZ, et al., 2004, S. 11).
Die Umsetzung eines Qualitätsmanagementkonzeptes in einer Einrichtung ist durch das
Selbstbewertungsprinzip - also innerhalb einer Einrichtung - oder durch das
Fremdbewertungsprinzip - durch externe Begleiter - möglich. Wird die Qualität der
Einrichtung durch externe Gutachter zum Gegenstand gemacht, besteht die Option, ein
Zertifikat (ISO) oder eine Auszeichnung (EFQM) zu erhalten. Die bekanntesten
Modelle sind das EFQM
19
- Modell für Excellence und das DIN ISO 9000ff, welche im
Folgenden vorgestellt werden (vgl. BAG H
OSPIZ
, et al., 2004, S. 11).
4.2.1 DIN EN ISO 9000ff
In industriellen Zweigen ist das DIN EN ISO 9000ff ein anerkanntes Modell, hat sich
allerdings durch seine technische Orientierung und durch seine Ausrichtung auf
Industrieunternehmen im sozialen Bereich nicht bewährt (vgl. K
NON
, 2005, S. 27;
E
NGELHARDT
, 2001, S. 21f). Dienstleistungsprozesse werden so durchgeführt, wie es in
dem Qualitätsmanagementhandbuch beschrieben steht und dienen lediglich der
Qualitätssicherung. Bei der DIN EN ISO Normenreihe wird Wert darauf gelegt, dass die
standardisierten Handlungsabläufe durchgeführt und anhand von
Dokumentationsverfahren schriftlich erfasst werden, um somit die Fehler so weit wie
möglich zu minimieren (vgl. M
ERCHEL
, 2004, S. 61ff; S
TROTMANN
, 1998, S. 24). Will
19
European Foundation for quality Management (vgl. EFQM, 1999-2003 b, S. 2).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2006
- ISBN (eBook)
- 9783836634830
- DOI
- 10.3239/9783836634830
- Dateigröße
- 981 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Fachhochschule Kiel – Sozialwesen
- Erscheinungsdatum
- 2009 (September)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- qualitätssicherung efqm-modell sterben ehrenamt
- Produktsicherheit
- Diplom.de