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Neuromarketing - Wie das Neuromarketing das Konsumentenverhalten transparenter macht und wo es in der Markenführung eingesetzt werden kann

©2008 Diplomarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Dynamisch“ ist wohl die beste Beschreibung für die Entwicklung der derzeit am stärksten ins Kreuzfeuer der Verbraucherschützer und Marketingexperten geratenen neuen Wissenschaftsdisziplin des Marketing, das „Neuromarketing“.
Als 2003 Untersuchungen, wie der „Cola- Test“ des Forschers Samuel McClure am Baylor College of Medicine in Houston oder die Entdeckung der „kortikalen Entlastung“ von Dr. Peter Kenning an der Universität Münster öffentlich bekannt wurden, war das Interesse an dieser Wissenschaft, welche scheinbar die Pforten zu den wahren Gedanken des Menschen öffnen solle, geweckt.
Manager namhafter Konzerne sahen das Zeitalter des gläsernen Kunden angebrochen und für die Öffentlichkeit schien es nur ein Frage der Zeit, bis Gehirnforscher zusammen mit findigen Marketingwissenschaftlern das Rätsel um den „Buy-Button“ im Konsumentenhirn zu lösen vermochten.
Mit Überschriften wie „Die geheimen Tricks der Konsumenten-Manipulation“ oder „A probe inside the mind of the shopper“ heizten „Science“ oder „Financial Times“ und internationale Verbraucherschutzverbände zusätzlich die Diskussion um den neuen Stern am Marketinghorizont an. Sogar die „Bild-Zeitung“ propagierte mit „Das ist ein Gehirn im Kaufrausch“, das Neuromarketing über die Fachkomune hinaus, auf der breiten Bühne der Öffentlichkeit.
Die Erwartungen an diese neue Forschungsrichtung waren plötzlich immens und resultierten allzu oft in der weit übertriebenen Vorstellung, den Konsumenten von nun an vollständig beeinflussen zu können und zu willenlosen Kaufmaschinen zu wandeln.
Viele Marketingforscher wollten fortan neueste Hirnscannertechnologie in der Käuferverhaltensforschung einsetzen und sich fachfremder Wissenschaften bedienen, um den wahren Treibern des Konsumentenverhaltens mit direktem Blick ins Gehirn auf die Spur zu kommen. Denn nicht mehr auf veraltete Befragungsergebnisse zurückgreifen zu müssen und die erzeugten Emotionen beim Konsumenten der subjektiven Interpretation von Marktforschern zu überlassen, sondern die Wirkung von Maßnahmen zeitgleich und über das Bewusstsein hinaus, auch im Unterbewusstsein messen zu können, galt vielen als Hoffnungsträger für Wettbewerbsvorteile in einer dynamischen Wirtschaft.
Gang der Untersuchung:
Generell erfolgt die Untersuchung aus Sicht des B2C Bereichs produzierender Unternehmen. Die einzelnen Aspekte können aber analog auch auf die B2B Beziehungen transferiert werden, da im gewichtigsten Unterschied von […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Neurorevolution ohne „Buy Button“
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Neuroökonomie und Neuromarketing
2.1 Begriffliche und theoretische Grundlagen
2.2 Technische und methodische Grundlagen
2.2.1 Die Magnetenzephalografie (MEG)
2.2.2 Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET)
2.2.3 Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT)
2.3 Biologische Grundlagen – das Gehirn
2.3.1 Vereinfachter physiologischer Aufbau
2.3.2 Verhaltenssteuernde neuronale Zentren und Arbeitsweise
2.4 Aktueller Forschungsstand und Grenzen

3. Abgrenzung des Begriffs Markenführung und neuartigeTransparenz in der Käuferverhaltens-
forschung mittels Neuromarketing
3.1 Begriffsklärung von Markenführung
3.2 Das S-R und das S-I-R Paradigma und ihre Schwachstellen
3.3 Die Limbic Map - Ein evolutionsbiologischer Ansatz zum Käuferverhalten
3.3.1 Wissenschaftliche Grundlage und Kerngedanke
3.3.2 Aufbau und ableitbare Empfehlungen an die Markenführung
3.3.3 Wie der Blick in das limbische System das Käuferverhalten erklärt

4. Einsatzmöglichkeiten des Neuromarketings in der strategischen Markenführung
4.1 Neuronale prototypische Zielgruppensegmentierung mit Limbic Type Scan
4.1.1 Gehirntypen
4.1.2 Neuronale Geschlechtsunterschiede
4.1.3 Neuronale Altersunterschiede
4.2 Marken hirngerecht positionieren durch neuronale Positionierungsanalysen
4.3 Markenpotential an der Gehirnaktivität abschätzen
4.4 Markenrevitalisierung anhand bildgebender Verfahren entscheiden
4.5 Markentransfer hirngerecht planen
4.6 Co-Branding vom Gehirntyp abhängig machen

5. Einsatzmöglichkeiten des Neuromarketings in der operativen Markenführung
5.1 Kommunikationspolitik an der Hirnaktivität ausrichten
5.1.1 Gehirngerechte Werbewirkungskontrolle
5.1.2 Richtlinien für neuronal wirkende Werbegestaltung
5.2 Produktpolitik mit fMRT-Scanner
5.3 Preispolitik nach Gehirnbild
5.4 Distributionspolitik mit Hirn

6. Kontrolle in der Markenführung mit Neuromarketing

7. Momentaner Stellenwert des Neuromarketing aus Sicht großer deutscher Unternehmen –

eine empirische Untersuchung

8. Zusammenfassung und Fazit

Abbildungsverzeichnis II

Abbildungen

Abbildung 1: Wissenschaftliche Eingliederung von Neuroökonomie und Neuromarketing..14

Abbildung 2: Überblick über neuroökonomische Methoden.17

Abbildung 3: Das Großhirn und der präfrontale Kortex21

Abbildung 4: Das limbische System.22

Abbildung 5: Zielpyramide der Markenführung30

Abbildung 6: Bestimmungsfaktoren des Käuferverhaltens..32

Abbildung 7: Die Limbic Map...36

Abbildung 8: Limbic Types (erhoben mit Burda TdWI 2006/2007)..45

Abbildung 9: Die Limbic Types von Frau und Mann48

Abbildung 10: Neuronales Marktmodell.56

Abbildung 11: Unterschiedliche Werte von Weihenstephan Landliebe und ihre Zielgruppen62

Abbildung 12: Multisensuale Verstärkung.68

Abbildung 13: Begriffe der Werbebotschaft auf der Limbic Map...69

Abbildung 14: Empfehlungen an die gehirngerechte POS/POP Gestaltung.83

Abbildung 15: Der Markeneisberg.84

Management-Summary lll

Was Sie in dieser Arbeit erwartet

Zunächst wird die Wissenschaft Neuromarketing erklärt, die sich im Kern damit beschäftigt Erkenntnisse verschiedenster klassischer Verhaltenswissenschaften mit denen der Neuroökonomie zu verbinden und modernste Hirnforschungsapparate ein-zusetzen, um absatzwirtschaftliche Fragestellungen zu klären. Dabei entpuppt sich Neuromarketing als eine Art „revolutionäre Komplementärwissenschaft“, die nur in Verbindung mit klassischer Marktforschung aussagekräftig ist.

Anschließend wird eine neuartige Transparenz in der Beschreibung des Konsu-mentenverhaltens aufgezeigt, indem mit der Limbic Map ein neuroökonomischer Ver-haltensansatz vorgestellt wird, der sich den bisherigen Schwachstellen klassischer Verhaltensforschung entzieht, Emotionen in den Vordergrund stellt, erstmals das Unterbewusstsein in den Fokus der Untersuchung rückt und als „Multi-Science“ Ansatz jegliches menschliches Verhalten auf die interdependente Interaktion dreier im limbischen System vorhandener Systeme zurückführt. Mit ihr wird erstmals die auf-klaffende Lücke zwischen Reizaufnahme und Verhaltensäußerung geschlossen und die Kernaussage des ökonomischen „homo oeconomicus“ als Mythos entlarvt.

Aufbauend darauf werden Einsatzmöglichkeiten von Neuromarketing in die Marken-führung erarbeitet. Die Segmentierung erfährt dabei ein noch nie dagewesenes zusätzliches Kriterium, den Gehirntyp, welcher nicht nur eine prototypische Ziel-gruppenbestimmung ermöglicht, sondern auch ein eindeutiges Persönlichkeitsprofil beim Kunden erkennbar werden lässt. Die Positionierung profitiert von einem neuen neuronalen Marktmodell, welches bei der Erfassung der subjektiven Markenwahr-nehmung des Kunden nicht mehr auf fehleranfällige Befragung angewiesen ist. Ebenso werden Markenpotential, Markenrevitalisierung und vor allem Co-Branding erstmals anhand von Gehirnaktivitäten präzise erkannt und bestimmbar. Die stra-tegische Markenführung erhält so insgesamt die neue Erfolgsformel: „limbische Kon-gruenz“ zwischen Markenidentität und Konsumentenpersönlichkeit schaffen!

In der operativen Markenführung wird die Forderung nach Multisensualität laut. Hinzu kommen erstmalig wissenschaftlich validierte Richtlinien für vorher intuitiv eingesetzte Kommunikationsmaßnahmen und POS/POP Gestaltungen. Preissetzungsspielräume sind von nun an neuronal auslotbar und die Produktpolitik kann sich mithilfe der Gehirnbilder an den emotionalen Wünschen der Konsumenten orientieren. Die ab-schließende Umfrage zeigt: Neuromarketing boomt und die Unternehmen fiebern!

Neurorevolution ohne „Buy Button“

1. Einleitung

1.1 Neurorevolution ohne „Buy Button“

„Dynamisch“ ist wohl die beste Beschreibung für die Entwicklung der derzeit am stärksten ins Kreuzfeuer der Verbraucherschützer und Marketingexperten geratenen neuen Wissenschaftsdisziplin des Marketing, das „Neuromarketing“.

Als 2003 Untersuchungen, wie der „Cola- Test“ des Forschers Samuel McClure am Baylor College of Medicine in Houston oder die Entdeckung der „kortikalen Ent-lastung“ von Dr. Peter Kenning an der Universität Münster öffentlich bekannt wurden, war das Interesse an dieser Wissenschaft, welche scheinbar die Pforten zu den wahren Gedanken des Menschen öffnen solle, geweckt.

Manager namhafter Konzerne sahen das Zeitalter des gläsernen Kunden an-gebrochen und für die Öffentlichkeit schien es nur ein Frage der Zeit, bis Gehirn-forscher zusammen mit findigen Marketingwissenschaftlern das Rätsel um den „Buy-Button“ im Konsumentenhirn zu lösen vermochten.

Mit Überschriften wie „Die geheimen Tricks der Konsumenten-Manipulation“ oder „A probe inside the mind of the shopper“ heizten „Science“ oder „Financial Times“ und internationale Verbraucherschutzverbände zusätzlich die Diskussion um den neuen Stern am Marketinghorizont an.[1] Sogar die „Bild-Zeitung“ propagierte mit „Das ist ein Gehirn im Kaufrausch“, das Neuromarketing über die Fachkomune hinaus, auf der breiten Bühne der Öffentlichkeit.[2]

Die Erwartungen an diese neue Forschungsrichtung waren plötzlich immens und re-sultierten allzu oft in der weit übertriebenen Vorstellung, den Konsumenten von nun an vollständig beeinflussen zu können und zu willenlosen Kaufmaschinen zu wandeln.

Viele Marketingforscher wollten fortan neueste Hirnscannertechnologie in der Käufer-verhaltensforschung einsetzen und sich fachfremder Wissenschaften bedienen, um den wahren Treibern des Konsumentenverhaltens mit direktem Blick ins Gehirn auf die Spur zu kommen. Denn nicht mehr auf veraltete Befragungsergebnisse zurück-greifen zu müssen und die erzeugten Emotionen beim Konsumenten der subjektiven Interpretation von Marktforschern zu überlassen, sondern die Wirkung von Maß-nahmen zeitgleich und über das Bewusstsein hinaus, auch im Unterbewusstsein messen zu können, galt vielen als Hoffnungsträger für Wettbewerbsvorteile in einer

Neurorevolution ohne „Buy Button“

dynamischen Wirtschaft.

Aber was fanden Forscher zu diesem Zeitpunkt (2003) tatsächlich heraus?

Sie belegten, dass starke Marken zu einer verminderten Aktivität des Großhirns führten und unterschiedliche Marken in unterschiedlichen Gehirnregionen verarbeitet werden - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Im Stande zu sein die innersten Ge-danken und Emotionen erkennen zu können, wies jeder Forscher von sich. Auch der Mythos des „Buy-Button“ wurde ebenso schnell widerlegt, wie er auftrat, als sich zeigte, dass Marken in ganzen Netzwerken im Gehirn abgespeichert werden und somit eine gezielte Ansprache nur eines einzigen Gehirnareals, in welcher die Marke als abgespeichert angenommen wurde, nicht in fundamentalen Absatzzahlen re-sultieren kann.

Die Konsequenz die Forscher aus dieser öffentlichen Aufregung zogen, war, Neuro-marketing unter den erweiterten Begriff „Neuroökonomie“ zu stellen und die Ergebnis-darstellung in der Öffentlichkeit einzuschränken, um in naher Zukunft der öffentlichen Diskussion etwas das Kielwasser zu nehmen und derartige Mythen zu reduzieren.

Trotz, oder gerade wegen dieser reduzierten Darstellungen in der Presse, wurde Neuromarketing zu „Der“ geheimnisvollen Wissenschaft, die sie heute ist und sie zieht momentan mehr denn je, die Managementebenen großer Konzerne in ihren Bann. Millionen an Forschungsgeldern fliessen jährlich von internationalen Unternehmen in die Erforschung, was den Konsumenten wirklich bewegt. Auch die Öffentlichkeit schreit nach den neuesten Entwicklungen des Neuromarketing. Sei es um sich besser gegen die „drohende Beeinflussung des eigenen Willens“ zu wappnen oder aus bloßer Neugier. Ganz deutlich zeigt sich dies im Internet. Waren es noch vor vier Jahren gerade mal 100 Beiträge, so steigt die Anzahl der Treffer bei Google heute auf über 450.000.[3]

Doch welche gehaltvollen Ergebnisse hält das Neuromarketing nun wirklich bereit und vor allem, wie lassen sich diese in die Marketingpraxis integrieren, ist die prag-matische Frage, welche Unternehmer aktuell in zwei Klassen aufteilt. Skeptiker ver-weisen darauf, dass Neuromarketing nur bereits „Bestehendes“, wissenschaftlich belegt und von „revolutionären Erkenntnissen“ nicht die Rede sein kann. Anhänger hingegen verteidigen den „revolutionären Charakter“ dieser Disziplin und verweisen

Neurorevolution ohne „Buy Button“

auf gewinnbringende, grundlegende Veränderungen für die Marketingmaßnahmen.

Um an dieser Stelle etwas vorzugreifen, es gibt revolutionäre Erkenntnisse!

Zwar liefert ein Großteil neuroökonomischer Erkenntnisse tatsächlich nur einen wissenschaftlichen Beweis für vorher rein intuitiv richtig gestaltete Marketing-maßnahmen, doch allein das Erarbeiten dieser Beweise ist auf wissenschaftliche Methoden zurückzuführen, die so vorher nicht möglich waren und aus welchen schließlich viele Empfehlungen an das Marketing ableitbar sind, die die Bezeichnung „revolutionär“ auf jeden Fall verdienen.

Zum einen ist es möglich, Emotionen als die wichtigsten Treiber bei Kaufent-scheidungen nun wissenschaftlich zu belegen und erstmals durch bildgebende Verfahren im Gehirn zu lokalisieren. Zum anderen, besteht die überraschende und gleichermaßen schwer eingestehbare Erkenntnis, dass wir zu 70% von unserem Unterbewusstsein durch den Tag gesteuert werden und folglich Abstand vom jahrelang geltenden „homo oeconomicus“ nehmen müssen. Denn unser Unterbewusstsein lässt sich nicht abschalten und zwingt uns allzu oft ein Verhalten auf, welches wir nicht bewusst steuern können.

Wie Stark dieser Einfluss unseres Unterbewusstseins dabei ist, lässt sich an folgendem Experiment leicht nachvollziehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Experiment: Gehen Sie die folgende Tabelle spaltenweise durch und nennen Sie dabei so schnell wie möglich, die Farbe der Wörter. Lesen Sie also nicht die Wörter selbst, sondern nennen Sie die Farbe, in der sie geschrieben sind. (Sie beginnen also links oben mit „grün“, dann „blau“, dann „gelb“ usw.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Nennen der Farben benötigt unsere komplette Konzentration, während das Aufnehmen einfacher Farbwörter automatisch und unbewusst abläuft und nicht unterdrückt werden kann. Obwohl uns fast zeitgleich bewusst wird, dass wir gerade einen Fehler aussprechen, können wir ihn nicht unterdrücken. Das Unterbewusstsein gewinnt an dieser Stelle die Oberhand.

Zielsetzung der Arbeit

Allein dieses Experiment sollte es für Anhänger und Skeptiker gleichermaßen interes-sant erscheinen lassen, sich weiterhin mit Neuromarketing zu beschäftigen. Denn sein Forschungsfokus liegt auf unserem Unterbewusstsein und dieses hat enormen Ein-fluß, ob wir etwas tun oder mögen oder nicht. Das Beispiel von Coca Cola in den USA zeigt diese Berücksichtigung bereits für die Marketingpraxis. Das Unternehmen hat, um den „Super Bowl – Werbespot“ zu optimieren, neuroökonomische Untersuchungen durchgeführt. Die Musik aus dem „It’s mine“- Spot wurde daraufhin zu einem Crescendo ausgebaut, weil damit ein positiveres Gefühl beim Probanden erzeugt wurde. Das Ergebnis: Der Coca Cola Spot wurde zum absoluten Publikumsliebling.[4]

Trotz des offensichtlichen Potentials schrecken viele Unternehmen noch davon zurück die Neuroökonomie mit einzubeziehen, weil diese junge Disziplin sehr komplex, dynamisch und neuroökonomische Untersuchungen sehr kostspielig sind. Oftmals fehlen den Unternehmen also Zeit oder erforderliche Mittel und Experten, um relevante Erkenntnisse zusammen zu tragen oder gar zu verwenden.

Folglich könnte also ein großes unternehmerisches Interesse daran bestehen, einen umfassenden Überblick zusammengeführter, aktueller Neuromarketing-Erkenntnisse und ihrer Einsatzmöglichkeiten in der Marketingpraxis zu erhalten.

Dies ist der Grund, warum diese Arbeit geschrieben wurde. Sie soll Überblick über diese Forschungsrichtung verschaffen, mehr Licht ins Dunkel des Konsumentenver-haltens bringen und vor allem aufzeigen, wo Neuromarketing bislang in der Marken-führung eingesetzt werden kann.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Ziel dieser Arbeit soll also sein, aufzuzeigen

„Wie das Neuromarketing das Konsumentenverhalten transparenter macht und wo es in der Markenführung eingesetzt werden kann.“

Da dabei auf die bisher erbrachten Ergebnisse neuroökonomischer Forschung zurück-gegriffen wird, werden von allen Prozesspunkten in der Markenführung nur diejenigen herausgegriffen und betrachtet, für die bereits wissenschaftlich verifizierte Ansätze für Einsatzmöglichkeiten des Neuromarketings in unterschiedlichsten Studien und Publi-kationen vorliegen.

Aufbau der Arbeit

Deswegen und wegen der Dynamik in dieser momentan intensiv diskutierten Forschungsdisziplin, erheben die nachfolgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellen vielmehr die bislang verifizierten Neuromarketing-Antworten auf die Kernfragen der Markenführung dar.

Zusätzlich werden durch den Gang der Untersuchung, sämtliche aktuelle Forschungs-ergebnisse beschrieben, aufgezeigt was das Neuromarketing wirklich im Stande ist zu leisten, also worin seine allseits propagierten „revolutionären“ Erkenntnisse aber auch seine Grenzen liegen, und ein grundlegendes Verständnis zum Thema Neuro-marketing vermittelt.

Das Resultat dieser Betrachtung könnte dann den Markenmanagern als eine Art un-verbindlicher, indirekter Leitfaden für eine gehirngerechte und damit effektivere Markenführung dienen. Die abschließende Umfrage soll zeigen, welchen Stellenwert Neuromarketing gegenwärtig in großen Unternehmen einnimmt.

1.3 Aufbau der Arbeit

Generell erfolgt die Untersuchung aus Sicht des B2C Bereichs produzierender Unter-nehmen. Die einzelnen Aspekte können aber analog auch auf die B2B Beziehungen transferiert werden, da im gewichtigsten Unterschied von B2C und B2B, dem Buying-Center, schließlich auch Personen, und damit Kunden, die Entscheidungen fällen.

Im ersten Teil dieser Arbeit (Kapitel 2) wird Neuromarketing als Wissenschaftsdisziplin vorgestellt. Hierzu wird es zunächst unter dem erst zeitlich später von Dr. Peter Kenning eingeführten Begriff „Neuroökonomie“ wissenschaftlich eingeordnet und be-grifflich erklärt. Dabei zeigt sich, gemäß der in der Literatur weit verbreiteten Definition von Neuromarketing, dass der wesentliche Interessensgegenstand darin besteht, mit modernsten Hirnforschungsapparaten und durch Zusammenführung verschiedenster Kenntnisse der Gehirnforschung und benachbarter Wissenschaftsdisziplinen, einen Mehrwert für die Marketingtheorie und –praxis zu schaffen.

Anschließend folgt ein Blick auf die technologischen Grundlagen, wie das fMRT-Ver-fahren, aus denen diese Forschungsrichtung erstmals entstand und deren Methoden sie sich heute bedient. Danach werden einige biologische Grundlagen des Gehirns erklärt, die für das Verständnis der weiteren Ausführungen sehr hilfreich sind. Darin sollen vor allem die, für das Neuromarketing wichtigen, verhaltenssteuernden Zentren und die Arbeitsweise des Gehirns betrachtet werden. Dies geschieht nicht nur um

Aufbau der Arbeit

einen logischen Ablauf zu gewährleisten, sondern auch, um bereits an dieser Stelle erstmals auf den intuitiv erkennbaren Erkenntnisbeitrag für das Marketing hin-zuweisen, welcher sich bereits aus bloßer Verbindung der Ergebnisse moderner Hirn-forschungsmethodiken und der Disziplin Marketing ergibt, ohne auf bewusst er-arbeitete Korrelationen einzugehen.

Denn die wichtigste Erkenntnis dieses biologischen Abschnitts besagt, dass Emotionen im Unterbewusstsein entstehen und die wesentlichen Treiber mensch-lichen Verhaltens sind.

Darauf aufbauend wird im letzten Kapitel des ersten Teils ein Überblick über die bis heute verifizierten Forschungsergebnisse im Neuromarketing und die damit ver-bundenen Grenzen verschafft. Bei genauerer Betrachtung des aktuellen Forschungs-standes stellt sich dann heraus, dass Neuromarketing mehr bislang intuitiv als für richtig Angenommenes auf wissenschaftliche Basis stellt, als Neues hervorzubringen. Des Weiteren zeigt sich, dass Neuromarketing ohne die bisherigen Marketingmaß-nahmen, wie z.B. Marktforschung, nur wenig aussagekräftig ist. Somit kann es nicht als avantgardistische Wissenschaft gesehen werden, die viele der bisherigen Kenntnisse des Marketing völlig neu ausrichtet, sondern eher als revolutionäres Komplementärgut, um Marketing noch effektiver und effizienter zu gestalten. Die aktuellen Forschungsbereiche konzentrieren sich dabei in der Werbewirkungs-forschung, der Markenforschung und der Käuferverhaltensforschung.

Im zweiten Teil (Kapitel 3) erfolgt zunächst die Begriffsklärung von Markenführung und die Erläuterung, womit sich diese im Kern beschäftigt. Darauf aufbauend, wird auf die Notwendigkeit genauer Kenntnisse über das Käuferverhalten zur effektiveren Gestal-tung der Markenführung hingewiesen, weshalb anschließend die klassischen Er-klärungsansätze des Käuferverhaltens angeführt werden. Bei genauerer Betrachtung dieser klassischen Erklärungsansätze werden ihre Schwächen aufgezeigt, die sie vor allem zur Beschreibung impliziter Vorgänge, also unbewusster Komponenten und emotionaler Aspekte, die das Verhalten hauptsächlich beeinflussen, als ungeeignet er-scheinen lassen.

Im Anschluss wird ein neuer Erklärungsansatz beschrieben, welcher aus dem Neuro-marketing resultiert und sich genau dieser Schwachstellen enthält. Er ist das Ergebnis einer Zusammenführung verschiedener Erkenntnisse fachfremder Wissenschafts-disziplinen und wird als „Limbic Map“-Ansatz bezeichnet. In ihm wird jegliches

Aufbau der Arbeit

menschliches Verhalten auf ein interdependentes Zusammenspiel individuell stark ausgeprägter Motiv- und Emotionssysteme im limbischen System zurückgeführt.

Sein Aufbau und seine Erläuterung des Konsumentenverhaltens werden anschließend umfassend dargestellt, da auf seiner Basis die nachfolgenden Einsatzmöglichkeiten von Neuromarketing im Markenführungsprozess erarbeitet werden.

Die folgenden Ausführungen von Teil 3 (Kapitel 4,5,6) beschreiben somit alle er-arbeiteten Einsatzmöglichkeiten. Dies kann insofern, zusätzlich zur durchgeführten Umfrage im vierten Teil (Kapitel 7), als praktischer Teil dieser Arbeit angesehen werden, da in der vorhandenen Fachliteratur bislang keine ganzheitliche und detaillierte Darstellung der Einsatzmöglichkeiten in die Markenführung existiert.

Vielmehr existieren Beiträge zu vereinzelten Prozesspunkten der Markenführung in verschiedensten Büchern und Studien, welche jedoch unterschiedliche Unter-suchungsziele zu Grunde legten.

Mit dieser Arbeit werden also erstmals die gesamten aktuellen Einsatzmöglichkeiten von Neuromarketing in den Markenführungsprozess betrachtet.

Die Ergebnisse verschiedener Studien der Neurowissenschaft und Beiträge aus der Fachliteratur wurden hierzu in einen logisch etwas abgeänderten chronologischen Markenführungsprozess integriert, welcher als eine Art Richtlinie oder Leitfaden für Aufbau und Pflege neuronal starker Marken verwendet werden könnte. Dabei bleibt nochmals darauf hinzuweisen, dass bislang nicht zu allen Prozesspunkten der stra-tegischen und operativen Markenführung wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Einsatzmöglichkeiten von Neuromarketing möglich sind, wie etwa bei der Ziel-planung, den markt- bzw. unternehmensbezogenen Rahmenbedingungen oder aber der grundlegenden Strategiewahl von Dachmarke, Familienmarke oder Einzelmarke. Ihre Aufnahme in diese Arbeit hätte folglich rein hypothetischen Charakter und wurde aus diesem Grund nicht weiter verfolgt.

Die aufgeführten Prozesspunkte erheben also keinesfalls Anspruch auf Vollständig-keit, sondern stellen die einzig bislang neurowissenschaftlich untersuchten Aspekte der Markenführung dar. Besonderes Augenmerk erfahren hierbei die Kernbereiche der Markenführung - Segmentierung, Positionierung und Kommunikation - in welchen die Einsatzmöglichkeiten des Neuromarketings sehr detailliert beschrieben werden, da auf diesen Erkenntnissen weitere Einsatzmöglichkeiten aufbauen. Um hierfür einen lo-gischen Aufbau zu gewährleisten, wurde in der Chronologie die Zielgruppenbe-

Aufbau der Arbeitstimmung vor der Positionierung genannt, da aus der Segmentierung wichtige neuro-ökonomische Ergebnisse resultieren, die für die Positionierung von Bedeutung sind. Analog gilt dies in der operativen Markenführung, in welcher die Kommunikation vor der Produktpolitik betrachtet wird.

Insgesamt soll also ein umfassender Überblick über potentielle Einsatzmöglichkeiten des Neuromarketings in der Markenführung geliefert werden, der so in der Literatur noch nicht existiert.

Die Umfrage in Teil 4 (Kapitel 7) soll anschließend die unternehmerische Akzeptanz neuroökonomischer Erkenntnisse für die Markenführung und die Bereitschaft diese in die Praxis umzusetzen, offen legen. Hierzu wurden 50 große Unternehmen in Deutschland mit einem Fragebogen konfrontiert und die Ergebnisse aus 38 erhaltenen Antworten zusammengefasst.

Kapitel 8 fasst nochmals kurz die wichtigsten erarbeiteten Ergebnisse zusammen und zieht in kurzen Sätzen ein pragmatisches Fazit.

Begriffliche und theoretische Grundlagen

2. Neuroökonomie und Neuromarketing

2.1 Begriffliche und theoretische Grundlagen

Das Neuromarketing wird in der Literatur vom übergeordneten Begriff „Neuroökonomie“ abgegrenzt. Wissenschaftlich (theoretisch) wird darunter vor allem ein interdisziplinäres Vorgehen verstanden, das die Disziplinen Marketing (allgemeiner: Wirtschaftswissenschaften), Psychologie und Neurowissenschaften miteinander vernetzt (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wissenschaftliche Eingliederung von Neuroökonomie und Neuromarketing Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung an Bauer, Exler, Höhner, 2006, S. 4)

Die wissenschaftliche Vorgehensweise erfolgt dabei arbeitsteilig.

Wirtschaftswissenschaften und Psychologie definieren das theoretische Problem und helfen bei der Interpretation. Die Neurowissenschaften sorgen für den empirischen Lösungsansatz. In allen Disziplinen sind Informationsverarbeitung und menschliches Verhalten wesentlicher Interessensgegenstand.[5] Da menschliches Verhalten vom Ge-hirn gesteuert wird, kann die Neurowissenschaft hierin als Bindeglied zwischen den genannten Disziplinen fungieren.[6]

Inhaltlich beschreiben Neuroökonomie bzw. Neuromarketing den Versuch, ökonomische bzw. absatzwirtschaftliche Fragestellungen, durch die Nutzung neuro-wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, besser zu verstehen.[7]

Wissenschaftlich gegliedert, erfolgt die Untersuchung übergeordnet in der Neuro-ökonomie im weiteren Sinne. In ihr werden mit Hilfe neurowissenschaftlicher

Begriffliche und theoretische Grundlagen

Methoden neuronale Grundlagen von generell ökonomisch relevantem Verhalten, also Grundlagen in mikroökonomischen, marketingbezogenen und finanzwirtschaftlichen Fragestellungen untersucht.

Die Untersuchung klassischer mikroökonomischer Fragestellungen erfolgt dabei, gemäß weiterer Unterteilung, in der Neuroökonomie im engeren Sinne. Hierbei sind Entscheidungen unter Unsicherheit, Interaktion zwischen Individuen im Rahmen der Spieltheorie, sowie das Verhalten in Märkten von Bedeutung.[8]

Das Neuromarketing besteht, laut dieser Unterteilung, in der Untersuchung marketing-bezogener Fragestellungen und wird von Kenning als „[…]Analyse der neuronalen Wirkung (absatz-) marktpolitischer Maßnahmen“ verstanden.[9]

Finanzwirtschaftliche Fragestellungen werden im Rahmen von Neurofinance unter-sucht, d.h. der Betrachtung neuronaler Aktivierung von Testpersonen während fiktiver Finanztransaktionen.

Da aber das Neuromarketing ebenfalls auf mikroökonomische Modelle zurückgreift, ist der Übergang zwischen Neuroökonomie i.e.S. und Neuromarketing nicht klar trennbar, sondern fließend zu betrachten. Dieser Sachverhalt soll deswegen im weiteren Verlauf unter dem Begriff Neuromarketing auch implizit verstanden werden. Somit ergibt sich die nachfolgende, von Dr. Hans Georg Häusel in der Literatur etablierte, Begriffs-klärung von Neuromarketing.[10]

Neuromarketing ist ein absatzmarktbezogener Ansatz der Neuroökonomie, welcher neurowissenschaftliche Forschung mit Marketing und verschiedenen traditionellen (Konsumenten-) Verhaltensforschungen kombiniert, um Veränderungen neuronaler Aktivität, durch Marketingstimuli, nicht nur physiologisch im Gehirn zu lokalisieren, sondern das Gehirn als Organ der Kaufentscheidung zu begreifen. So soll ein erweitertes Verständnis über das Konsumentenverhalten, die Wirkung von Marken und Kommunikation zu Marken gewonnen werden, um es auf marketingrelevante Fragestellungen anzuwenden.

- Im weiteren Sinne beschreibt Neuromarketing, die Nutzung vielfältiger Erkenntnisse der Hirnforschung und verschiedenster Wissenschaften der Verhaltensforschung für die Marketingtheorie und -praxis.

- Im engeren Sinne wird Neuromarketing mit dem Einsatz apparativer Verfahren zu Marktforschungszwecken gleichgesetzt.

Für vorliegende Arbeit soll daher die Verwendung des Begriffs „Neuroökonomie“ immer die Forschungsrichtung „Neuromarketing“ mit einschließen.

Technische und methodische Grundlagen

Um das schnelle Aufstreben dieses Forschungszweigs und das Neuromarketing an sich besser zu verstehen, muss ein Blick auf die neuroökonomischen Methoden, d.h. die bildgebenden Verfahren, geworfen werden. Denn die technologischen Inno-vationen im Bereich neuronaler Messmethoden sind nicht nur der Ursprung des Neuromarketings, sondern auch seine wichtigsten Treiber.

Sie liefern völlig neue qualitative Möglichkeiten bei der Messung intervenierender Va-riablen, werden deshalb vor allem für die Käuferverhaltensforschung eingesetzt und gelten folglich als neue Hoffnungsträger bei der Erforschung marketingrelevanter Fragestellungen.

2.2 Technische und methodische Grundlagen

Die neuroökonomischen Methoden umfassen Messverfahren, die sich mit der Unter-suchung von Aktivitäten im Nervensystem beschäftigen. Dies impliziert auch Messungen des Hautwiderstands, der Pupillenreaktion oder das Verfahren der Elektroenzephalografie.[11] Ihnen wird jedoch seitens des Neuromarketing weniger Beachtung geschenkt. Vielmehr konzentriert man sich auf die neueren Verfahren bild-gebender Hirnforschung.

Die Magnetenzephalografie (MEG), die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT).[12]

Diese Verfahren erfüllen heute weitestgehend die Güteanforderungen an empirische Messmethoden und sind weniger fehleranfällig, als Beobachtung oder Befragung. Sie erlauben eine fast zeitgleiche, zwei- bis dreidimensionale Rekonstruktion der physio-logischen Gehirnaktivitäten zum Zeitpunkt auftretender Marketingstimuli, indem die zu untersuchende Hirnregion in Form von digitalen Datensätzen aufgezeichnet und mittels statistischer Software ausgewertet wird.[13]

Das Gehirn kann dadurch erstmals zeitgleich bei seiner Aktivität beobachtet werden. D.h. intrapersonelle Zustände müssen nicht mehr aus Antworten rekonstruiert werden, sondern können direkt am Ort der Reizverarbeitung beobachtet werden. Darüber hinaus liefern neuroökonomische Messmethoden die Möglichkeit, neben bewussten auch unbewusst ablaufende Prozesse beobachten zu können.

Technische und methodische Grundlagen

Einteilen lassen sich diese Methoden gemäß ihrer untersuchten Dimension, in die in Abbildung 2 dargestellten zwei Gruppen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Überblick über neuroökonomische Methoden

Quelle: eigene Darstellung (in Anlehnung an Kenning, Plassmann, 2005, S. 344)

Einerseits existieren Methoden, die die elektrische Aktivität neuronaler Prozesse messen. Hierzu zählt vor allem die Magnetenzephalografie (MEG). Andererseits gibt es Methoden, welche die Veränderungen im Metabolismus (Stoffwechsel) des Gehirns messen. Dies sind die PET und die fMRT Methoden.

Nachfolgend werden die einzelnen Methoden kurz beschrieben:

2.2.1 Die Magnetenzephalografie (MEG)

Das MEG ist eine Weiterentwicklung der Elektroenzephalografie. Im Gegensatz zu dieser kann die MEG- Methode Aktivitäten in tiefer liegenden Regionen des Gehirns nachweisen.

Eine helmartige Anordnung von Magnetsensoren erlaubt die Aufzeichnung magnetischer Ströme im Gehirn, welche bei der neuronalen Verarbeitung von (Marketing-) Stimuli auftreten.[14] Die Sensoren sind dabei sehr reagibel und arbeiten sehr schnell. Das hat den Vorteil, dass die momentanen neuronalen Aktivitäten, bei sich schnell verändernden Stimuli, wie z. B. bei Werbespots oder Jingles, fast ohne zeitliche Verzögerung gemessen werden können.[15]

Der Nachteil dieser Methode liegt in ihrer geringen räumlichen Auflösung, d.h. die aktivierten physiologischen Regionen des Gehirns können nur auf einige Zentimeter genau lokalisiert werden, was bei den sehr dicht aneinander liegenden Gehirnwin-dungen zu erheblichen Zuordnungsproblemen führen kann.[16]

Technische und methodische Grundlagen

Für eine genauere Lokalisierung eignen sich Methoden, die die Veränderung im Stoff-wechsel des Gehirns messen besser. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Aktivierung von Hirnregionen durch (Marketing-) Stimuli einen erhöhten Energiebedarf und damit eine Steigerung der Stoffwechselaktivität nach sich zieht. Dies hat zur Folge, dass die aktivierte Region stärker mit Blut versorgt werden muss.[17]

2.2.2 Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET)

Im PET Verfahren wird nun diese Blutflussveränderung im Gehirn durch injiziertes, radioaktives Kontrastmittel angezeigt. Es gelangt über das Blut in die Hirnregionen mit hoher Stoffwechselaktivität. Am Kopf angebrachte Sensoren registrieren die Schwan-kungen der radioaktiven Konzentrationen und bringen sie auf ein Computerbild. Je nach Konzentration der gemessenen radioaktiven Teilchen, wird dann eine Unter-scheidung der Stärke neuronaler Aktivität einzelner Hirnregionen möglich.[18]

Die Nachteile dieser Methode liegen im umstrittenen Einsatz radioaktiver Kontrast-mittel und der zeitlich verzögerten Darstellung. Erst mit einer Verzögerung von bis zu 60 Sekunden, werden neuronale Aktivitäten sichtbar.[19]

2.2.3 Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT)

Wesentlich schneller arbeitet das bevorzugte Verfahren des Neuromarketings, die funktionelle Magnetresonanztomografie. Ihre Vorteile bestehen nicht nur in der gering-sten zeitlichen Verzögerung, sondern auch in der genauesten räumlichen Auflösung aller bildgebenden Verfahren und dem Verzicht radioaktiver Kontrastmittel.[20] Hier werden die unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften von oxygeniertem und desoxygeniertem Blut genutzt. Denn frühere Studien belegen, dass sauerstoffreiches (oxygeniertes) Blut, geringere magnetische Felder abstrahlt, als sauerstoffarmes (desoxygeniertes) Blut. Dies wird in der Medizin als „BOLD-Effekt“ ( b lood- o xygen- l evel- d ependent) bezeichnet.[21]

Zur Messung wird hierfür im Hirnscanner ein starkes magnetisches Feld aufgebaut, dass die Drehrichtung der Blutatome in eine Richtung ausrichtet.

_________________________________________________________ Biologische Grundlagen – das Gehirn 19

Ein kurzes Störsignal bringt diese Ordnung durcheinander, lässt dann ab und die Atome richten sich wieder in die vorherige Ordnung aus. Die dabei entstehende Ver-änderung der magnetischen Felder, wird mittels Radiosignalen vom Hirnscanner auf-genommen, durch statistische Software berechnet und als dreidimensionales Abbild der Gehirnregionen auf dem Bildschirm wiedergegeben.[22]

Da aktive Gehirnbereiche viel sauerstoffreiches Blut aufweisen, kann so identifiziert werden, welche Gehirnbereiche zum Zeitpunkt des (Marketing-) Stimulus stärker bzw. schwächer aktiv waren. Zusätzlich könnte man in einigen Fällen auch darauf schließen, was gerade im Kopf des Konsumenten abläuft, da aus der modernen Hirn-forschung eine grobe Vorstellung darüber besteht, für was bestimmte Gehirnareale zuständig sind.[23] Was Probanden jedoch wirklich fühlen oder denken, ist, wie in der Einleitung bereits erwähnt, natürlich nicht ablesbar.

Wie die weiteren Ausführungen in Kapitel 3 zeigen werden, ist eine Interpretation dieser Bilder nur in Verbindung mit verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen und Re-ferenzwerten empirischer Marktforschung möglich.

Zunächst ist dafür aber eine genauere Vorstellung über den physiologischen Aufbau, verhaltenssteuernde neuronale Zentren und die Arbeitsweise des Gehirns hilfreich.

2.3 Biologische Grundlagen – das Gehirn

2.3.1 Vereinfachter physiologischer Aufbau

Das menschliche Gehirn besteht im Wesentlichen aus vielen Milliarden Nervenzellen, die in vier morphologisch definierte Bereiche aufgegliedert werden können. Zellkörper, Dendriten, Axon und Synapsen. Der Zellkörper ist das Stoffwechselzentrum der Zelle, von welchem mehrere Dendriten und meist ein Axon entspringen. Die Dendriten umgeben den Zellkörper baumartig und stellen eine Informationsempfangsplattform dar. Sie sind für die Aufnahme neuronaler Erregung zuständig. Das Axon ist so-zusagen der Sprecher der Zelle. Es sorgt für den Informationsausgang. Als Schnitt-stelle zwischen Zellen, wandeln Synapsen die elektrischen in chemische Signale um, welche anschließend über chemische Botenstoffe, die „Neurotransmitter“, an andere Zellen weitergegeben werden.[24]

Biologische Grundlagen – das Gehirn

Auf diese Weise kommunizieren und interagieren die einzelnen Zonen des mensch-lichen Gehirns untereinander.

Diese Zonen lassen sich in die drei Hauptregionen Großhirn, Stammhirn und Kleinhirn unterteilen. Das Großhirn ist für höhere Funktionen wie abstraktes Denken und Sprache verantwortlich.[25] Der Hirnstamm übernimmt automatische, lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutkreislauf.[26] Das Kleinhirn steuert die mo-torische Koordination.[27]

Gemäß der Definition von Neuromarketing (siehe Kapitel 2.1) ist aber nicht der gesamte Hirnaufbau von Interesse, sondern speziell die verhaltenssteuernden neuro-nalen Zentren und die Arbeitsweise des Gehirns, da nur sie für das Verständnis ver-haltenssteuernder Zusammenhänge, und damit Kaufentscheidungen, bedeutsam sind. Folglich werden auch nur diese weiter betrachtet.

2.3.2 Verhaltenssteuernde neuronale Zentren und Arbeitsweise

Die zwei wichtigsten neuronalen Zentren für die Steuerung des (Kauf-) Verhaltens sind vor allem das Großhirn, insbesondere der präfrontale Kortex, und ein teilweise zum Zwischenhirn und teilweise zum Großhirn gehörendes System, das limbische System.[28]

Das Großhirn (Neokortex)

Das Großhirn ist mit seinen Funktionsarealen (siehe Abbildung 3) für die kognitive Verarbeitung von Informationen zuständig. Sein wichtigstes Zentrum für die Beein-flussung von Kaufentscheidungen ist der präfrontale Kortex.[29]

Biologische Grundlagen – das Gehirn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Das Großhirn und der präfrontale Kortex

Quelle: eigene Darstellung

Prinzipiell teilt er sich in eine funktional-kognitive Einheit (dorsolateraler, ventro-lateraler, frontolateraler Kortex) und eine stark emotionale Einheit (orbitofrontaler und ventromedialer präfrontaler Kortex). Er gilt als Speicher von Lebenserfahrungen und Konsequenzen und ist die Verbindungsstelle zwischen emotionalem Wollen und der Handlungsumsetzung.[30] Denn er übernimmt bei Entscheidungen eine Beraterfunktion, in welcher er dem limbischen System (emotionales Zentrum) kognitiv verarbeitete Erfahrungen und Konsequenzen zur Beurteilung neuer Situationen auf Abruf des Hippocampus zur Verfügung stellt.[31] Dazu muss allerdings erst die Kognition, also das Bewusstsein, aktiv werden.

Das limbische System

Das limbische System wird teilweise zum Zwischenhirn und teilweise zum Großhirn gezählt und erhält durch neueste Hirnforschung auch den Zuspruch, den emotionalen orbitofrontalen Kortex, vorher ausschließlich dem Neokortex zugeordnet, zu enthalten.[32]

Abgebildet wird es durch die Areale cingulärer Kortex, orbitofrontaler und ventromedialer Kortex, Hypothalamus, Amygdala und Hippocampus, siehe Abb. 4.

Biologische Grundlagen – das Gehirn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Das limbische System

Quelle: eigene Darstellung

In ihm entstehen Konsum und Kaufwünsche auf Basis verschiedener Motiv- und Emotionssysteme, die in Kapitel 3.2 genauer dargestellt werden.[33]

Das limbische System ist das Zentrum, das wesentlich mit der Verarbeitung von Emo-tionen beschäftigt ist.[34] Hier werden neue Reize von außen, durch die Zufuhr ge-speicherter Erfahrungen aus dem Neokortex, hinsichtlich ihrer Konsistenz bewertet. Dies erfolgt durch einen unbewussten Abgleich von erwarteten positiven/negativen Konsequenzen bestimmter Handlungen mit gleichen oder ähnlichen bisher gemachten Erfahrungen, indem der Hippocampus die Erfahrungen aus dem Neokortex abruft und die Amygdala diese bewertet.

Die Amygdala ist dabei die zentrale emotionale Bewertungsinstanz, die für viele automatisch-affektive Verhaltensweisen verantwortlich ist.[35] Der Hippocampus fungiert als Schnittstelle zum Bewusstsein, indem er Erfahrungen und Inhalte aus dem Ge-dächtnis abruft und Veränderungen dort wieder speichert.[36]

[...]


[1] vgl. www.ft.com, 2003, A probe inside the mind of the shopper

[2] vgl. www.bild.de, 2003, Ein Gehirn im Kaufrausch

[3] vgl. Kenning, P., 2007, Neuromarketing: Vom Hype zur Realität, S.19

[4] Absatzwirtschaft, 05/2008, Im Kopf der Verbraucher, S. 24

[5] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 3

[6] vgl. Kenning, P., et al. 2003, Die Entdeckung der kortikalen Entlastung, S. 6

[7] vgl. Kenning, P., 2007, Neuromarketing- Vom Hype zur Realität, in: Häusel, H. G., Neuromarketing, S. 18

[8] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 3

[9] Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 3

[10] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 10 und 18 ff.

[11] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 5

[12] vgl. Kenning, P., Plassmann, H., 2005, NeuroEconomics, S. 343 ff.

[13] vgl. Herholz, K., Heindel, W., 1996, Bildgebende Verfahren, S. 635

[14] vgl. Kenning, P., Plassmann, H., 2005, NeuroEconomics, S. 344

[15] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 6

[16] vgl. Smidts, A., 2002, Blick ins Gehirn, S. 15

[17] vgl. Franzen, G., Bouwman, M., 2001, The mental world of brands, S. 32 f.

[18] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 6

[19] vgl. Kishka, U., Wallesch, C. W., Wolf, G., 1997, Methoden der Hirnforschung, S. 304

[20] vgl. Smidts, A., 2002, Blick ins Gehirn, S. 18

[21] vgl. Bauer, H. H., Exler, S., Höhner, A., 2006, Neuromarketing, S. 7

[22] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 211 ff.

[23] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 213

[24] vgl. Kandel, E. R., Schwartz, J. H., Jessell, T. M., 1996, Neurowissenschaften, S. 23 f.

[25] vgl. Anderson, J. R., 1996, Kognitive Psychologie, S. 25

[26] vgl. Springer, S. P., Deutsch, G., 1995, Linkes Rechtes Gehirn, S. 332 ff.

[27] vgl. Anderson, J. R., 1996, Kognitive Psychologie, S. 23

[28] vgl. Häusel, H. G, 2007, Neuromarketing, S. 221 ff.

[29] vgl. Kenning, P., 2007, Neuromarketing- Vom Hype zur Realität, in: Häusel, H. G., Neuromarketing, S. 26

[30] vgl. Häusel, H. G., 2005, Brain Script, S. 79

[31] vgl. Zimmermann, R., 2006, Neuromarketing und Markenwirkung, S. 18 f.

[32] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 224 ff.

[33] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 224

[34] vgl. http://www.studienseminar-koblenz.de, 2006

[35] vgl. http://www.econ.nyu.edu, 2005

[36] vgl. Häusel, H. G., 2007, Neuromarketing, S. 226

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836627726
DOI
10.3239/9783836627726
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Fulda – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (März)
Note
1,0
Schlagworte
markenführung brandmanagement neuromarketing neuroökonomie konsumentenverhalten
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Titel: Neuromarketing - Wie das Neuromarketing das Konsumentenverhalten transparenter macht und wo es in der Markenführung eingesetzt werden kann
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