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Arbeitgebermarke als Rekrutierungs- und Commitmentinstrument

©2008 Diplomarbeit 105 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Jedes Jahr stehen etwa 200 000 Absolventen in Deutschland vor einem neuen Lebensabschnitt. Der Schonraum, die Universität bzw. Fachhochschule, entlässt sie in eine neue Sphäre. Diese Sphäre ist die fragile Welt der Arbeit und das Behaupten auf ihrem Markt, auf dem Arbeitsmarkt. Das lange Vorbereiten auf diesen Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt, welches gegenwärtig in der Vorschule bereits beginnt, soll nun eine aktive und sichtbare Rolle annehmen. Nicht nur mit den Abschlussnoten bewaffnet sollen die Absolventen den Kampf beginnen, vielmehr ist derzeit eine einzigartig „perfekte“ Persönlichkeit gefragt. Adjektive die das gewünschte Persönlichkeitsprofil beschreiben sind dieselben wie in den Kommentaren zu moderner Kunst: Dynamisch, offen, kreativ, innovativ, mutig, konsequent soll sein, wer eine Position anstrebt, mit der Macht verbunden ist. Den Stellenanzeigen ist oft eine Suche nach einer Persönlichkeit mit hohen Maß an emotionaler Intelligenz zu entnehmen. Die Persönlichkeit ist ein unergründliches Konstrukt und lässt sich kaum messen bzw. normieren. Ihre Ambiguität vor allem in der Interdependenz mit der Arbeit bleibt trotz zahlreicher psychologischer Versuche unerfassbar und undefinierbar. Andere soziale Wissenschaften, neben der Psychologie, scheinen kaum einen Versuch zu unternehmen um sich in den Ansätzen mit dem Konstrukt der Persönlichkeit zu beschäftigen. So wird dem Faktor Mensch in der klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Lehre lediglich eine statische Größe verliehen. Damit wiederum wird die Persönlichkeit mit ihrer Subjektivität, in einer Gestalt eines Homo-Oeconomicus, in die Rationalität verbannt. Hier stellt sich die erste wichtige Frage, welcher im Verlauf dieser Diplomarbeit nachgegangen werden soll. Wenn Persönlichkeit in der wissenschaftlichen Theorie häufig mit Rationalität gleichgesetzt wird, wovon ist dann in den Stellenanzeigen die Rede und was ist der Mensch in Organisationen? Stellt er tatsächlich einen rein rationalen Produktionsfaktor dar?
Gerade in der menschlichen Interaktion erweist sich die bloße Rationalität, falls diese alleine existieren kann, jedoch als unzureichend und in einer sozialen zwischenmenschlichen Kommunikation im Grunde als unmenschlich. Eine solche Kommunikation bleibt aber bereits beim Einstieg auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise nicht aus. Es kann daher nicht nur von Rationalität gesprochen werden. Darüber hinaus stellt die Fähigkeit des Vertrauens einen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Der Kampf um die Talente
1.2 Fragestellung und Arbeitshypothese
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Person und Organisation aus der Perspektive der Sozioanalyse
2.2 Organisationsschatten

3 Schöne neue Arbeitswelt
3.1 Paradigmawechsel in der Arbeitswelt
3.2 Entgrenzung der Arbeitszeit und Freizeit
3.3 Der Mensch als Intrapreneur in Organisationen

4 Der „kreative“ Arbeitgeber
4.1 Was ist eine „kreative“ Organisation?
4.2 Identifikation oder Mutation
4.3 Die Angst der Organisation

5 Fliegen fangen – Personalmarketing
5.1 Employer Branding
5.2 Die „Coolness-Falle“

6 Schlussbetrachtung

Literaturliste

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Rekursive Verbindung zwischen Organisation und Organisationsmitglied

Abbildung 2: Durchschnittliche Wochenarbeitszeiten 2007

Abbildung 3: Die beliebtesten Arbeitgeber

Abbildung 4: Ebenen der Kultur nach Schein

Abbildung 5: Erwartungen an einen „idealen“ Arbeitgeber Teil I

Abbildung 6: Erwartungen an einen „idealen“ Arbeitgeber Teil II

Abbildung 7: Aufbau einer Employer Brand

Abbildung 8: Der Mitarbeiter im Mittelpunkt

1 Einleitung

Jedes Jahr stehen etwa 200 000[1] Absolventen in Deutschland vor einem neuen Lebensabschnitt. Der Schonraum, die Universität bzw. Fachhochschule, entlässt sie in eine neue Sphäre. Diese Sphäre ist die fragile Welt der Arbeit und das Behaupten auf ihrem Markt, auf dem Arbeitsmarkt. Das lange Vorbereiten auf diesen Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt, welches gegenwärtig in der Vorschule bereits beginnt, soll nun eine aktive und sichtbare Rolle annehmen. Nicht nur mit den Abschlussnoten bewaffnet sollen die Absolventen den Kampf beginnen, vielmehr ist derzeit eine einzigartig „perfekte“ Persönlichkeit gefragt. Adjektive die das gewünschte Persönlichkeitsprofil beschreiben sind dieselben wie in den Kommentaren zu moderner Kunst: Dynamisch, offen, kreativ, innovativ, mutig, konsequent soll sein, wer eine Position anstrebt, mit der Macht verbunden ist. Den Stellenanzeigen ist oft eine Suche nach einer Persönlichkeit mit hohen Maß an emotionaler Intelligenz zu entnehmen[2]. Die Persönlichkeit ist ein unergründliches Konstrukt und lässt sich kaum messen bzw. normieren. Ihre Ambiguität vor allem in der Interdependenz mit der Arbeit bleibt trotz zahlreicher psychologischer Versuche unerfassbar und undefinierbar. Andere soziale Wissenschaften, neben der Psychologie, scheinen kaum einen Versuch zu unternehmen um sich in den Ansätzen mit dem Konstrukt der Persönlichkeit zu beschäftigen. So wird dem Faktor Mensch in der klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Lehre lediglich eine statische Größe verliehen. Damit wiederum wird die Persönlichkeit mit ihrer Subjektivität, in einer Gestalt eines Homo-Oeconomicus, in die Rationalität verbannt. Hier stellt sich die erste wichtige Frage, welcher im Verlauf dieser Diplomarbeit nachgegangen werden soll. Wenn Persönlichkeit in der wissenschaftlichen Theorie häufig mit Rationalität gleichgesetzt wird, wovon ist dann in den Stellenanzeigen die Rede und was ist der Mensch in Organisationen? Stellt er tatsächlich einen rein rationalen Produktionsfaktor dar?

Gerade in der menschlichen Interaktion erweist sich die bloße Rationalität, falls diese alleine existieren kann, jedoch als unzureichend und in einer sozialen zwischenmenschlichen Kommunikation im Grunde als unmenschlich. Eine solche Kommunikation bleibt aber bereits beim Einstieg auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise nicht aus. Es kann daher nicht nur von Rationalität gesprochen werden. Darüber hinaus stellt die Fähigkeit des Vertrauens einen Grundpfeiler der Persönlichkeit dar, welcher zunächst ein stabiles Selbstvertrauen voraussetzt. Dieses schafft erst die Basis für das Vertrauen in Andere und damit auch für die Interaktion mit anderen Menschen und Organisationen. Der Absolvent, der Bewerber, steht somit vor der Frage welcher Organisation er sein Vertrauen entgegenbringen kann und welcher nicht. Freilich war eine solche Wahl historisch gesehen nicht immer gegeben. Doch zumindest gegenwärtig stehen dem Menschen verschiedene Optionen, das heißt alternative Organisationen, zur Auswahl. Auch wenn diese Wahlfreiheit, wie jede andere Art von Freiheit, mit einer Unsicherheit und Komplexität einhergeht, gilt es sich ihrer bewusst zu werden und vor allem eine sinnbehaftete Entscheidung zu treffen. Denn die Entscheidung für oder gegen eine Organisation berührt nicht nur das Arbeitsleben, gleichzeitig wird die Rolle des Menschen bei der Arbeit in das private Leben projiziert und wird zum Teil des Lebens als Ganzes. Letztlich vollzieht sich diese Projektion, die Wahl eines Arbeitsplatzes, auf alle drei Aufgabengebiete des Lebens: auf Liebe, Beruf und Gesellschaft[3].

1.1 Der Kampf um die Talente

Nicht nur aus dem Grunde eines derzeitigen Fachkräftemangels konkurrieren Organisationen verstärkt um geeignete Personen zur Einstellung als Arbeitnehmer. Vielmehr könnte man annehmen, sie konkurrieren um ihr Vertrauen. Mit dem gewonnen Vertrauen soll die Zukunft der Organisationen gesichert werden, möglichst langfristig wenn nicht ewig. Der Begriff der „Corporate-Identity“ ist mittlerweile Gegenstand eines jeden industriellen Lehrberufs und darüber hinaus vor allem in wirtschaftsbezogenen Studiengängen. Das Streben der Organisationen nach solch einer ewigen Identifikation, geradezu einer Unsterblichkeit, wird vor allem in der Identifizierung eines oberen Managements mit dem jeweiligen Unternehmen deutlich[4]. Um die geradezu utopische Omnipotenz einer ewigen Verbundenheit mit einer Organisation zu realisieren, versuchen viele große globale Unternehmen sich einen permanenten Nachschub an neuen jungen Arbeitnehmern, d.h. an neuem Vertrauen, zu verschaffen.

Derzeit werden seitens der Managementlehre neue Methoden und Strategien entwickelt um neue Menschen für die Unternehmen anzuwerben und zu binden. Die demographische Entwicklung in der kapitalistischen Welt und der damit eingehende Fachkräftemangel gepaart mit dem Streben nach Unsterblichkeit führen jedoch geradezu zu Angstzuständen in verschiedenen Organisationen. Daher werden alle Versuche unternommen diesen Zustand abzuwehren. Es ist somit nicht verwunderlich das der Begriff „War for Talents“ zunehmend in den Fachzeitschriften des Personalmanagements auftaucht. „Für die Unternehmen gehört der „War for Talent “ schon bald wieder zu den Top-Themen: Eine bereits Ende 2002 durchgeführte Studie des Beratungsunternehmens Cap Gemini Ernst & Young ergab, dass High Potential Recruiting im Jahr 2005 zu den wichtigsten Aufgaben des Personalman a gements zählen wird “ [5] . Der Krieg um Menschen, der Krieg um Vertrauen, hat somit auf dem Arbeitsmarkt des Abendlandes längst Einzug gehalten.

Der Versuch vieler Großunternehmen, Menschen mit der gewünschten Qualifikation und emotionalen Intelligenz zu gewinnen und an sich zu binden, richtet sich derzeit auf die Bildung und Verbreitung eines kreativen Images. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung einer geeigneten und anziehenden Arbeitgebermarke. Ansprechen soll diese Marke eben jene Absolventen und alle anderen potenziellen Mitarbeiter sowie bereits im Unternehmen beschäftige Menschen. Darüber hinaus soll das neu entwickelte Image positiv und effektiv die nationale sowie internationale Öffentlichkeit erreichen. Der gesellschaftliche Status einer Organisation ist entscheidend für die nachhaltige Wirkung einer solchen Markenbildung. Somit könnte der dynamische Bedarf an neuen „Talenten“ jederzeit auf globaler Ebene gewährleistet werden. Es ist also insgesamt nicht verwunderlich, dass der so genannte „Talentmangel“ derzeit, das Kernthema zahlreicher Fachzeitschriften als die größte Herausforderung für alle Personalmanager weltweit darstellt[6].

„Die Profilierung als Arbeitgeber ist heute ein Muss. Denn ein positives Image strahlt auf den Bewerber aus, der sich auch in seinem privaten Umfeld profilieren kann. Wer arbeitet schon gern bei einem weitgehend unbekannten Arbeitgeber? Machen sie aus ihren Unternehmen eine Marke, so gewinnen und binden Sie interessante Mitarbeiter“ [7] .Quelle

Aus diesem Aufruf, einer bekannten Unternehmensberaterin, lässt sich ein starker Einzug des Marketings in die Personalgewinnung ableiten. In der Fachliteratur des Personalmanagements finden sich neue Begrifflichkeiten. Vor allem der des Personalmarketings hat sich seit einigen Jahren fest etabliert. Des Weiteren werden die Unternehmen zu einem „Talentmanagement“ aufgefordert. Diese Marketingaktivitäten haben sich jahrelang auf Kunden und Produkte konzentriert, da in Bezug auf die Personalbeschaffung kein Engpass vorlag. Inzwischen hat sich dieses Bild gewandelt, gutes Personal wird zunehmend schwerer zu beschaffen. Die neuen Maßnahmen des Marketings sind nun sichtbar und finden daher auch auf diesem Gebiet Anwendung. In aller Deutlichkeit spiegeln dies die Arbeitsannoncen wieder, mit ihnen steigt der Trend den Bewerber mit Image und „Duftmarken“ anzuwerben. Die Anzeigen sehen aus wie Reklame, in der es ja darum geht, Gefühle und Bedürfnisse zu wecken und somit Handlungen zu beeinflussen. Angaben über die Anzahl der Mitarbeiter, die Höhe des Umsatzes und Ähnliches sind in Stellenannoncen eher selten, stattdessen beschreibt die Organisation in vielen Worten, Metaphern und Bildern ihre Vision und ihre Mission auf dem jeweiligen Markt, ihren so genannten Employer Brand. Oft gleichen die Anzeigen der Reklame der Touristik-Unternehmen für fremde, exotische Welten. Der Bewerber wird dabei in eine andere Welt gelockt, wo der Mensch ganz bei sich ist und seine Träume und Ideen verfolgen kann, um sie in eine eigene Wirklichkeit zu transformieren. Das zentrale Phänomen der neuen eigenen Wirklichkeit ist die Einheit von Privatleben und Arbeit. Doch welche Bedeutung und welche Folgen hat die Bildung einer solchen neuen Einheit? Wie ist die Reaktion der Bewerber auf die „Duftmarken“ der Unternehmen? Zudem soll im Rahmen dieser Arbeit die Frage nach dem Konsequenzen der Marketinganwendung im Gebiet des Personalmanagements nachgegangen werden. Denn für einen langen Zeitraum wurden ausschließlich Waren im weitesten Sinne über das Marketing beworben und vertrieben. Welche Auswirkung hat nun die Übertragung des Warencharakters auf Menschen?

Gerade bei Absolventen ist ein neuer Trend zu beobachten, so genannte „hippe“ und kreative Unternehmen werden zunehmend bevorzugt. Immer mehr Absolventen wollen, ein Teil einer Welt von „coolen“ Kreativen, deren ganzes Leben sich in den trendigen Büros abspielt, werden. Sie streben ein Berufsleben in besonders „angesagten“ und bekannten Unternehmen an, unter der Vorstellung dass dies ihren Lebensstiel widerspiegelt. Nicht nur in kreativen Bereichen spielen Kultur und Image des Arbeitgebers dabei für die Selbstverwirklichung eine große Rolle. Personalchefs und Karriereberater berichten einstimmig, wie gierig Absolventen auf so genannte „hippe“ Unternehmen sind – auch außerhalb des kreativen Bereiches. Die Posten gelten dabei nicht mehr als Arbeitsplätze, sondern als Statussymbole. Hierbei ist oft ist die Rede von Arbeit als Lifestyle. Der Versuch der Organisationen auf diesem Wege neue Mitarbeiter anzuwerben, scheint gegenwärtig zumindest bei einem großen Teil der Absolventen auf Anklang zu stoßen.

Doch es existiert sprichwörtlich auch eine Kehrseite der Medaille eines „hippen“ Unternehmens. Diese andere Seite des Kreativen ist als Schatten oft nicht sichtbar. Vor allem sind junge Absolventen zunächst von der kreativen Aura geblendet und tappen oft in eine „Coolness-Falle“. Denn für einen schicken Arbeitgeber seien die Absolventen bereit, sich oft völlig aufzuopfern und fühlen sich sogar schuldig, wenn sie mal einen Sonntag den Computer ausschalten. Sie sind vielfach bereit, weite Teile ihrs Privatlebens völlig zu vernachlässigen, sie opfern sich regelrecht für das Unternehmen auf. Für das Unternehmen selbst, ist die Marketingstrategie in diesem Moment vollständig aufgegangen. Doch wo bleibt das Individuum? Der Arbeitnehmer ist nun ein sehr produktiver Faktor, der das Unternehmen höchst wahrscheinlich nach außen vollständig im Sinne der Marketingstrategie abbildet. Er ist über einen i. d. R. langen Zeitraum selbst davon überzeugt und stolz, dass die entsprechende Arbeitsstelle seinen Lebensstil widerspiegelt. Nach den Stellungnahmen von Christian Scholz, Personalexperte an der Uni Saarbrücken, taugt das Coole einer lockeren Firma fürs Marketing, zieht die Bewerber an und nimmt sie dann in die Pflicht. Somit existieren die ersten, wenn auch seltenen, Warnzeichen seitens der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung für junge Bewerber sich nicht blenden zu lassen und später im Rahmen der Berufstätigkeit Warnzeichen nicht außer Acht zu lassen. Auch der junge Autor und Soziologe Jakob Schrenk („Die Kunst der Selbstausbeutung“) warnt:

„Der Wunsch, einen trendigen Arbeitgeber zu haben, der das eigene Sozialprestige aufwertet, ist nichts anderes als emotionaler Kapitalismus.“quelle

Bei den Recherchen zu seinem Buch hat Schrenk festgestellt, dass mit der so genannten New-Economy-Blase Ende der 1990 Jahre ein neues Arbeitsmuster entstanden ist. Gerade bei den kreativen Unternehmen sei der Arbeitnehmer immer mehr zum „Künstler“ mutiert, der seinen genialen Kopf rund um die Uhr in den Dienst des Unternehmens stellt.

1.2 Fragestellung und Arbeitshypothese

Diese Arbeit hat zunächst das Ziel die gegenwärtige psychosoziale Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere auf dem Bewerbermarkt in ihren wesentlichen Zügen vorzustellen. Ferner wird der Versuch unternommen beide Seiten, die der Organisationen als Arbeitgeber sowie die der Arbeitnehmer als Individuen in Organisationen, in ihrer Interaktion zu betrachten. Hierbei gilt es primär das Bewusstwerden für eine solche Dynamik zu erwecken. Dieses Erwecken richtet sich an die Unternehmen, an die Forschung und vor allem auch an alle Bewerber und agierende Menschen in Organisationen.

Folgende Kernfragen sollen die Thematik der Arbeit umschreiben;

Wie und oder w w arum versuchen die Unternehmen eine kreative Aura sowie ein anziehendes Image zu schaffen? Die zweite Frage lautet warum werden die Menschen von diesem Schein angezogen? Des Weiteren sollen die Folgen dieser Interdependenz betrachtet werden.

Dieser Ausarbeitung wird daher die folgende zentrale Arbeitshypothese zugrunde gelegt:

Zunehmend werden Absolventen und andere Bewerber von einer scheinbaren kreativen Aura eines Unternehmens zunächst angelockt, bevor sie schließlich ihre Freizeit und somit sich selbst in der neuen kreativen Arbeitswelt aufopfern. Es soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen werden, dass der Grund für diese Beobachtungen bei einigen Unternehmen in ihrem Streben nach Omnipotenz und nach Unsterblichkeit liegt. Zugleich soll eine notwendige Anzahl an Talenten der Organisation helfen sich in ihren immer stärkeren Konkurrenzkampf behaupten zu können und somit die wachsende Angst vor einem Verlust abzuwehren.

1.3 Aufbau der Arbeit

Nach diesen einleitenden Überlegungen soll im zweiten Kapitel dieser Arbeit zunächst die theoretische Grundlage in ihren wesentlichen Zügen zu Sprache kommen. Dabei handelt es sich um Sozioanalyse, eine wissenschaftliche Disziplin die ihren Ursprung in der Psychoanalyse nach Freud findet. Hierbei werden Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen der Sphäre des Sozialen und der Sphäre des Psychischen in einer Organisation untersucht. Das Ziel dieser Disziplin kann, als die Notwendigkeit der Irrationalität Bedeutung zu verleihen und die unbewusste Logik in Organisationen aufzudecken, verstanden werden. Zudem wird der Begriff der psychosozialen Dynamik vorgestellt, in welchem diese Wechselwirkungen und Interdependenzen in einer Organisation ihren Ausdruck finden.

Das dritte Kapitel versucht das Thema vor dem Hintergrund der aktuellen Transformationen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sowie im Arbeitsleben zu reflektieren um sich so der Kernthematik anzunähern . Unter dem Titel „schöne neue Arbeitswelt“ wird zunächst der Paradigmenwechsel im Arbeitsleben im Hinblick auf die historische Entwicklung aufgezeigt. Die gegenwärtige Verschmelzung von Arbeitszeit und Freizeit sowie die damit einhergehenden Folgen für die Menschen in Organisationen fordern hierbei eine besondere Beachtung. Schließlich wird der Wunscharbeitnehmer in Gestalt eines „Intrapreneurs“, welcher zunehmend in Mode zu kommen scheint, vorgestellt.

Das vierte Kapitel setzt den Fokus auf die propagierte „kreative“ Organisation, welche als Arbeitgeber möglichst talentierte Bewerber anziehen und binden soll. Dabei werden der Begriff der Unternehmenskultur sowie der Begriff des Images näher betrachtet. Unter Punkt Zwei, mit dem Titel „Identifikation oder Mutation“, wird der Versuch unternommen Identifikationsverläufe der Personen mit der Organisation darzustellen. In diesem Zusammenhang soll die authentische, individuelle Identifikation von der mutierten, manipulierten Identifikation abgegrenzt werden. Zudem wird im letzten Punkt auf die Ängste einer „kreativen“ Organisation eingegangen, welche mit den Versuchen, die Identifikation der Individuen zu instrumentalisieren, einhergehen.

Das fünfte Kapitel widmet sich gegenwärtigen Beobachtungen im Hinblick auf die Entwicklung einer geeigneten Arbeitgebermarke oder der Bildung eines Employer Brandings. Diese Entwicklung zeigt jedoch meist zu stark die Muster traditioneller Produktwerbung. Hierbei kann die Übertragung des Warencharakters auf die Menschen in Organisationen nicht außer Acht gelassen werden. Ebenso wird der Weg aufgezeigt, wie insbesondere für junge Bewerber, sich die scheinbare kreative Aura eines Unternehmens als eine Falle erweisen kann.

Unter Kapitel Sechs sollen die gewonnen Erkenntnisse zusammenfassend dargestellt und noch einmal abschließend hinterfragt werden. Hierbei soll die eingangs vorgestellte Arbeitshypothese im Hinblick auf ihre Bestätigung oder gar Verwerfung zur Sprache kommen. In Anlehnung an die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit, soll im Bezug auf die Entscheidung für oder gegen eine Organisation, soll ein persönliches Fazit Schlussbetrachtung des Autorsden Abschluss das Ende der Arbeit bilden.

2 Theoretische Grundlagen

Wettbewerbsdruck, Globalisierung und Arbeitslosigkeit sind Oberbegriffe die zunehmend unsere Tageszeitungen, Nachrichtensendungen und schließlich die Gedanken der Menschen beherrschen. Vor allem in beruflichen Kontext haben diese Begriffe ein dauerhaftes „zu Hause“ gefunden. Die, damit zu verbindenden negativen Assoziationen, wie Ungewissheit und Angst, bleiben in Organisationen bei den Mitarbeitern, wie Führungskräften (Managern) nicht ohne Auswirkung. Die Auswirkung vollzieht sich auf die Personen selbst wie auch auf die Organisation. Um diese Auswirkung zu verstehen bedarf es einer engeren Erläuterung der Organisation bzw. der Personen in der Organisation.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird für diese Ausarbeitung die Sozioanalyse als die geeignete theoretische Grundlage herangezogen. Somit soll diesem Kapitel zunächst die Sichtweise der Sozioanalyse in ihren wesentlichen Zügen präsentiert werden.

2.1 Person und Organisation aus der Perspektive der Sozioanalyse

Trotz einigen neueren Einsichten, vor allem seit der Begründung der Bounded Rationality[8] durch Herbert A. Simon, werden Organisationen in den Wirtschaftswissenschaften lediglich als ökonomisches Instrument gesehen, die dem Ziel der Gewinnmaximierung entgegenstreben. Die Wirklichkeit und der Sinn der Organisation werden somit auf die finanziellen und ökonomischen Aspekte reduziert. Rationalität und rationales Handeln des Homo-Oeconomikus nach Adam Smith sind die Meta-Begriffe die z.B. der Student der Wirtschaftswissenschaften bereits anfangs seines Studiums als Zielrichtungen kennen lernt. Die Funktion der Organisation beruht demnach alleine auf der Basis des rationalen Handelns der Personen. Die Dominanz des Ökonomismus (Wirtschaftsgläubigkeit) und die damit eingehende funktionale Rationalität beschreibt M. Bowles in seinem Beitrag zum Management-Mythos, als eine der zwei Dogmen des Mythos[9]. Dieses setzt ein völliges objektives Verhalten der Personen voraus, ihre Subjektivität wird „verbannt“! Es wird vorausgesetzt, dass das einzelne Individuum vor beginn seiner Arbeitnehmertätigkeit in eine Rolle schlüpft, die von seiner Persönlichkeit völlig abgenabelt i i st. D er „Rest“ der Person, insbesondere persönliche Vorlieben, Stimmungen oder Animositäten sollen „ draußen “ bleiben. Jedoch entspricht diese Annahme aus der Perspektive der Sozioanalyse nicht der Wirklichkeit, die Ökonomie entzieht sich in dieser Annahme immer noch der Wirklichkeit. Die Rolle in der Organisation ist stark verknüpf mit der Persönlichkeit und umgekehrt die Persönlichkeit mit der Rolle. Ebenso ist die Rolle ein Teil der Organisation, die Organisation und das einzelne Organisationsmitglied sind rekursiv miteinander verknüpft (vgl. Abbildung 1Abbildung 1 ).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Rekursive Verbindung zwischen Organisation und Organisationsmitglied

Die Personen, die in einer Organisation arbeiten nehmen also ihre Persönlichkeit und damit ihre Subjektivität mit an ihren Arbeitsplatz. So ist die Organisation per Definition immer auch Träger der menschlichen Kulturgeschichte und die Orte „Gesellschaftlicher Produktion von Unbewußtheit “, wie Erdheim es formulierte [10] . Das bedeutet die Subjektivität einer Vielzahl an psychischen Einheiten, wirken direkt auf Organisation, genauso wirkt die Organisation auf das Individuum und somit auf seine Psyche. Das Leben während der Arbeit beeinflusst das Leben nach der Arbeit und umgekehrt. Somit entsteht eine durch die Organisation verursachte soziale Dynamik, die einen starken Einfluss auf die Person ausübt und schließlich oft eine neue Subjektivität der Personen formt. Es geht also um die Frage nach der Beziehung der Einzelnen zu Ihren Organisationen – und umgekehrt[11]. Diese Erkenntnis stellt die zentrale Grundlage der Arbeit dar und verleiht ihr zugleich einen theoretischenRahmen Bezugspunkt . Zudem soll die Sozio a na l yse als theoretische Basis zum Verstehen der inneren Dynamik von Individuen, Gruppen und Organisationen dienen .

Die Person lebt und erlebt in der Organisation. Dieser Prozess wird deutlich in der Dimensionsbeschreibung des Lebens einer Organisation nach Lawrence[12]. Lawrence stellt drei Prozesse dar:

1. Das als Prozess erlebte Leben und die Arbeit
2. Das in Prozesse des Trauens erlebte Leben und die Arbeit
3. Das in Prozess des Entstehens erlebte Leben und die Arbeit

Diese erlebten Prozesse und soziale Erfahrungen müssen von der Personen verarbeiten werden. Eine Möglichkeit dazu bietet das von Lawrence entwickelte "Soziale Träumen". Die erlebten Prozesse (psycho-soziale Erfahrungen) bedürfen dazu einer hohen Bedeutung. Obwohl der Annahme, dass Organisationen soziale Gebilde sind, gegenwärtig zugestimmt werden kann, findet jedoch keine Beachtung der psycho-sozialen Erfahrungen statt. Diese Erfahrungen finden lediglich in dem unbewussten einer Organisation einen Platz.

Das Unbewusste vollzieht sich und wird auf alle Ebenen einer Organisation projiziert, auf die intra- und interorganisatorische wie auch auf die globale Ebene. Ideen, Wahrnehmungen, Beziehungen und Gefühle entziehen sich dem Bewussten, dem Rationalen[13]. Dieser unbewusste Bereich wird schließlich durch das irrationale Verhalten geprägt. Daher ist es notwendig der Irrationalität Bedeutung zu verleihen und die unbewusste Logik aufzudecken. Dies ist das Ziel der Sozioanalyse, einer wissenschaftlichen Disziplin, die ihren Ursprung in der Psychoanalyse nach Freud findet. Es werden Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen der Sphäre des Sozialen und der Sphäre des Psychischen in einer Organisation untersucht. Diese Wechselwirkungen und Interdependenzen finden ihren Ausdruck in dem Begriff der psychosozialen Dynamik . Die psychosoziale Dynamik basiert somit auf den psychischen Einflüssen sowie auf den sozialen Einflüssen.

Grundlage für die Sozioanalyse bilden die Northfield Experimente, die Bion und Rickamnn 1943 ausführten[14]. Während der Behandlung von Soldaten mit psychotischen Problemen in einem Militärkrankenhaus, wendete Bion eine neue Form von Therapie an. Er entwickelte ein Konzept der „Person in einer Gruppe“, wobei er das Hauptaugenmerk auf die Eigenschaft der Gruppe als Ganzes setzte und dann den Einfluss dieser Eigenschaft auf die einzelne Person auszuwerten. Hieraus enwickelte sich die "Therapie durch Aktionsgruppen". Aus der Sicht nach Bion ist in jedem Menschen eine spezifische Funktion der Persönlichkeit wirksam, die seine Sinneseindrücke und emotionalen Erfahrungen in psychische Elemente transformiert, die dann der psychischen Arbeit zur Verfügung stehen, also unter anderem dem Denken, Träumen, Phantasieren und Erinnern dienen. Diesem Element der Transformation hat Bion die willkürliche Bezeichnung Alpha-Funktion gegeben [15] . Zudem existieren gleichwohl nicht transformierte Sinneseindrücke und emotionale Erfahrungen, welche als die Beta-Elemente bezeichnet werden[16]. Diese, für die Menschen nicht erkennbare Prozesse, gehen auch in Organisationen häufig mit einer Unterdrückung und Unfähigkeit diese zu zulassen einher. Die Alpha-Funktion sowie die Beachtung der Beta-Elemente bilden die Grundlage, auf welcher die Sicht der Sozioanalyse für die Menschen in Gruppen oder Organisationen baut.

Der weitere Verlauf der Sozioanalyse projizierte neue Methoden, Ideen, Konzepte und Theorien, die wichtigsten sind das Soziale Träumen und die Methode der Supervision, welche in Rahmen dieser Arbeit nicht näher vorgestellt werden.

Einen großen Beitrag zur Entwicklung neuer Methoden und Theorien trugen und tragen die Tavistock-Konferenzen. In den seit 1979 stattfindenden Konferenzen haben die Teilnehmer die Gelegenheit etwas über Organisationen und die in Organisationen ablaufenden psychodynamischen Prozesse sowie über das Selbstmanagement in beruflichen Rollen zu lernen. Im Vordergrund steht das Konzept des Lernens aus Erfahrung, das Lernen aus Auseinandersetzungen mit unmittelbaren Erfahrungen und deren Exploration und Reflexion. Die Sozioanalyse ist auf der Suche nach Erkenntnissen nicht nach Wissen. Sie basiert auf der Annahme des „Sokratischen Dialogs“. „Erkenntnis kann nur im Dialog erlangt werden" (Sokrates).

Das soziale Träumen (Lawrance) beschäftigt sich mit Feld des Träumens. Primäres Ziel dieser Methode ist die soziale Bedeutung von Träumen zu finden. Es ist also eine Aktionsforschungsmethode, bei der sich eine Reihe von Menschen in einem vorgegebenen Rahmen ihre Träume mitteilen mit der Absicht darin Verknüpfungen und Assoziationen zu ihrer sozialen Umwelt zu finden. Das geschieht innerhalb einer Matrix, als einen Ort aus dem heraus etwas entstehen kann. Die Matrix stellte einen „Container“ für die Träume dar, dem sich die Trauminhalte anpassen. Wichtig ist, dass sich die Träume auf den sozialen Kontext beziehen. Bisher wurden Träume nur durch Freud als ein Feld der Therapie betrachtet. Die Methode des sozialen Träumens hat jedoch somit das Potenzial in das Repertoire der Organisationsberatung aufgenommen werden.

2.2 Organisationsschatten

Wie wichtig die Beleuchtung der unbewussten Prozesse in Organisationen ist und welche Folge deren Ignoranz dieser hat, wird explizit in dem Beitrag von Sievers „Organisationsschatten“ deutlich.

Der Begriff Organisationsschatten umschreibt jene Teile und Fakten dar, die eine Organisation über sich selbst verbergen möchte. Die Verheimlichung und Unterdrückung dieser Teile dient dem Wunsch, anderen gegenüber in einem guten Licht zu erscheinen, den gewünschten Schein zu wahren. Doch die Unterdrückung und die Profilierung des Rationalismus ist nur ein Zeichen einer „Inflation des Psychischen“ (Sievers 1991). Oft erscheint hier mir gerade die Profilierung des rationalen Handelns als eine Art Kompensation für die mangelhafte Fähigkeit mit dem Unbewussten umzugehen. Des Weiterendeute ich kann den der Rationalismus als eine Art Abwehrsystem der Ängste in Organisationen gedeutet werden . Sievers beschreibt diese Beobachtung des Kaschieren s als eine Art rationaler Verrücktheit [17] . Außer einer Fassade, einer Maske von Attraktivität und Rationalität besteht die Organisation letztlich vor allem aus Menschen und ihren psycho-sozialen Erfahrungen und Einflüssen, also aus einer anderen Realität.Sievers Nach Sievers können unterscheidet zwei Arten von Schatten unterschieden werden . Zunächst existiert der persönliche Schatten mit all seinen, als minderwertig betrachten Eigenschaften des Individuums, die das Individuum ins Unbewusste verbannt. Die frühkindliche Entwicklung übt schon einen großen Einfluss auf den persönlichen Schatten aus. Vor allem nach der Theorie von Melanie Klein wird die Erfahrung psychotischer Ängste als normaler Teil der Kindheitsentwicklung verstanden, welche wiederum die Entwicklung bis in Erwachsenenalter prägt[18]. Parallel dazu existiert der kollektive Schatten, welcher alle Werte und Verhaltensweisen die eine Gesellschaft unterdrückt, umfasst. Das Individuum ist somit zunächst Träger seines eigenen, persönlichen Schattens, zugleich aber auch Träger des kollektiven Schattens. Hierbei kann auch angemerkt werden, dass der Schatten einer Organisation, wenn auch nicht häufig und aus einer anderen Perspektive betrachtet, auch den Gegenstand der Betrachtung einiger rein ökonomischen Arbeiten darstellt. So ist zum Beispiel bei M. Hartmann von einer „Vertuschung die vertuscht wird“ die Rede[19]. In diesem Kontext wird der Schatten oder die „Vertuschung“ vorwiegend als eine Innovationsbremse gesehen und auf einen Kostenfaktor reduziert.

Was also ist die Folge der immer noch gegenwärtigen Unterdrückung des Organisationsschattens beziehungsweise der Verbergung unliebsamer Organisationseigenschaften? Je mehr der Schatten unterdrückt, je mehr die Gefühlsfunktion jedes Einzelnen vernachlässigt wird, desto weniger sind die Personen in der Lage sich mit der Organisation zu identifizieren. Die Identifikation mit der Organisation nimmt sukzessive ab, die Leistungsfähigkeit sinkt und das Management begibt sich auf der Suche nach einem Sündenbock. Einzelne Individuen innerhalb der Organisation kritisieren einander, Gruppen machen andere Gruppen verantwortlich jedoch ohne dass die Fehldarstellung der Organisation selbst als Problem erkannt wird. Das ökonomische Prinzip kollabiert und es stellt sich die Frage, ob hierbei die Ökonomie versagt?

Dass man sich der Wirklichkeit nicht entziehen kann, zeigt auch die Geschichte von der „Maske des roten Todes“ von Edgar Allan Poe (1958). Diese Geschichte wird vielfach als Meisterwerk einer Fallstudie zur psychotischen Organisation gesehen[20]. Im allgemeinem ist anzumerken, dass für die Sozionalayse sowie für die Psychoanalyse Mythologie und belletristische Literatur oft verwendete Beispiel e sind , da sie einen Rahmen schaffen, der unreflektiert erst den Boden für „freie Beweglichkeit“ bereitet [21] . Poe`s Erzählung zeigt wie die Mitglieder der Gesellschaft ihren Schatten, die Pest, auszuschließen versuchen. Dadurch dass sie sich in eins befestigtes Schloss zurückziehen, spalten sie den schrecklichen Teil der Wahrheit von ihrer Wahrnehmung ab, von dem sie fliehen wollten. Der psychotische Zustand und die Aggressivität kommen zum Ausbruch als die Figur des Prinz Prospero einen ungeladenen Eindringling mit der roten Maske, der die Pest bereits hat, töten will und dabei in seinen eigenen Dolch fällt.

Die Notwendigkeit denn Schatten eines Individuums wie auch einer Organisation zu integrieren und nicht zu unterdrücken, zeigt sich hier in aller Deutlichkeit. Auch im Verlauf dieser Arbeit wird der Organisationsschatten sowie seine Unterdrückung eine häufige Beachtung finden können.

3 Schöne neue Arbeitswelt

Seit Jahrhunderten träumen wir von selbstbestimmter Arbeit. Nun wird der Traum Wirklichkeit. Und entpuppt sich als Alptraum“[22]. (Schrenk 2007:7)

III. Schöne neue Arbeitswelt

In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen das Arbeitsleben der Menschen in Organisationen im Hinblick auf die historischen Veränderungen von der Industriellen Revolution über den Taylorismus bis hin zu Gegenwart aufzuzeigen. Besondere Beachtung wird hierbei der Verschmelzung von Arbeitszeit und Freizeit sowie den damit projizierten Folgen verliehen.

3.1 1. Paradigmawechsel in der Arbeitswelt

Eine der Grunderfahrungen des Menschen war immer schon die Veränderung, panta rhei (alles fließt) lehrte Heraklit bereits ein Jahrhundert vor Sokrates. Eine der bedeutendsten Veränderung für die Arbeitswelt ging mit der industriellen Revolution einher. „Es ist die jenige Periode, die einen umfassenden technischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Prozess beschreibt “ [23] . Diese Periode, dieser Prozess, hat zuerst in Großbritannien (1783-1802) die Grundlage der modernen Wirtschaftsordnung geschaffen. Die wirkliche, die autochthone, industrielle Revolution ging zunächst von Großbritannien auf die Welt über , so dass auch Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung daraus abgeleitet werden kann [24] . Dem Durchbruch der industriellen Revolution verhalf insbesondere die wissenschaftliche Revolution , welche von Mitte des 15. Jahrhunderts bis Ende des 17. Jahrhunderts statt fand [25] . Die Wissenschaftler beg a nnen sich von ihren traditionellen Überlieferung e n abzugrenzen und ihre fest geglaubten Ansichten zu korrigieren. Es e ntstand ein Bestreben die Umwelt ohne Vorgaben irgendeiner Tradition oder Religion zu erforschen . Des Weiteren wuchs das Interesse an Produktivi t ätssteigerung , welches gepaart mit der Entfaltung der Forschung und der damit eingehenden Kombination von Wissenschaft und Praxis den t echnischen Fortschritt hervor brachte . Das Symbol für den technischen Fortschritt wurde die Dampfmaschine von James Watt (nach Marx wurde das die Werkzeugmaschine [26] ) . Die damit eingeleitete Veränderung des Produktionsprozesses durch neu entwickelte Maschinen führte zur Industrialisierung. Schließlich entstand ein neues Wirtschaftssystem, welches bis heute als „Kapitalismus“ bezeichnet wird . Z usammengefasst kann festgehalten werden, dass die Grundlagen unsere s ökonomischen Systems im V erlauf der industriellen Revolution geschaffen wurden.

Bereits 1821 gab es in der Industrie und im Bergbau mehr Beschäftigte als in der Landwirtschaft. Der Anstieg der Industrialisierung forderte also immer mehr Arbeitskräfte während die Nachfrage nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft immer weiter sank, bedingt durch den steigenden Import von Konsumgüter n wie auch durch eine technisch veränderte Massenproduktion in der Landwirtschaft. Zwischen 1750 und 1850 verdreifachte sich die Bevölkerungszahl Großbritanniens von 7,4 auf 20,8 Millionen [27] . Gleichzeitig veränderte sich ihre Verteilung im Raum . D urch die Wanderung en der Arbeiter entst and en neue Industriezentren. Während sich die Gesamtbevölkerungszahl verdreifachte, nahm die Bevölkerungszahl von Industriestädten um das Fünf- bis Zehnfache zu [28] . Es entstanden Ballungszentren. Die Wanderung der Menschen verursacht e aber auch e inen Wechsel ihrer gesellschaftlichen Position . Aus Kleinbauern wurden Landarbeiter, Landbewohner zogen in die Stadt, Selbstständige wurden Fabrikarbeiter. Die Auflösung der alten Ordnung brachte damit unvermeidbar einen Verlust an Orientierung sowie neue soziale Konflikte mit sich . Die i ndustrielle Revolution läutete somit eine neue Epoche des Arbeitslebens ein . K ennzeichnend für diese neue Epoche war insbesondere die Fremdbestimmung der Arbeit , von der die überwiegende Zahl der Menschen betroffen war . Diente die Arbeitsleistung vor der industriellen Revolution überwiegend der Selbstversorgung und erzeugte somit einen unmittelbaren Sinnbezug , trat nun durch die Frem d bestimmung auch eine Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit ein. Die En t fremdung ging mit der Verbannung des Sinns aus dem Arbeitsleben einher . Die Zeit wie „Arbeit zu einer bloßen Tätigkeit entfremdet worden ist “ begann [29] .

Das zweite h ier beschrieben Paradigma d er Arbeitswelt stellt der Taylorismus dar. Frederick W. Taylor entwickelte , vor über hundert Jahren, eine zu der Zeit neue Form von Arbei tsorganisation . Sein oberstes Axiom , wie er um die Wende des 20 . Jahrhunde r t schrieb, war: „Die Menschen sind von Natur aus ziemlich faul “ [30] . Aufbauend auf dieser Überzeugung entwickelte er das tayloristische Modell, welches hier i m folgenden Abschnitt veranschaulicht werden soll:

„In Taylors Modell funktioniert die ideale Fabrik wie eine Armee. Ganz oben, sitzen die Generäle. Ihre schriftliche n Anweisungen wandern die Stockwerke herunter, zu den Abteilungsleitern, den Offizieren, die das Pa pier mit weiteren Bemerkungen versehen. Untern wuselt ein Heer von Arbeitssoldaten in blauer Uniform und mit grauen Gesichtern, die aufs Wort gehorchen. Sie drehen an keiner Schraube, ehe der Vorarbeiter ihnen nicht den Befehl dazu ins Ohr brüllt. Die Arbeitsschritte sind kurz, einfach, standardisiert. Fällt ein Angestellter aus, kann sofort ein andere r übernehmen. Wie für einen gefallenen Infanteristen an der Front steht jederzeit humanes Ersatzmaterial bereit “ [31] .

Im Kern stellen Menschen im tayloristischen Mo dell Menschen reines Personal dar. Die Arbeit ist in festen Rollen gegliedert und weil es allen Beteiligten um die Wertschöpfung gehen soll, ist dieser Prozess möglichst Ressourcen schonend – sprich wirtschaftlich – durchzuführen [32] . Der Zweck und Ziel des Taylorismus ist die Organisation zu verbessern, zu spezialisieren , weiter perfekt zu elementarisieren und ihre Abläufe zu rationalisi e ren [33] . Demzufolge lässt sich hier das Leistungsprinzip der Organisation als ihre Existenzbasis ableiten. Indem Organisationen in diesem Modell lediglich R esultat - und Macht orientiert sind , entsteht kein Raum für die Beachtung und Integration der Menschen . Das dem Taylorismus innewohnende Menschenbild ist das des „ L`HOMME MACHINE “ , d. h. der Maschinenmenschen [34] . Die Menschen werden lediglich als technisches Gerät, als „ Betriebsinventar “ aufgefasst, das es optimal zu nutzen und zu warten gilt. Ihre deutliche Ausbeutung in diesem System wird, nach Taylor , wird bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhundert s ignoriert. G efühle und Ängste werden unterdrückt und möglichst abgewehrt, was h ierbei zähl t ist die Macht und das gewinnor ie ntierte Resultat . Denn „ wo Liebe (Eros) regiert, ist kein Wille zur Macht, und dort wo de Wille zur Macht überwiegt, fehlt die Liebe “ [35] . Zutreffenderweise beschreibt dieses Verständnis von Macht (Jung 1966) als Unterwerfung und Eliminierung von Individuen, prägnant das erlebte Arbei tsleben für die meisten Menschen während des Taylorismus.

Auch wenn diese Form des Arbeitsleben s der Menschen massiv kritisiert wurde, insbesondere durch die Sozialisten, allen voran durch Karl Marx, erhielt der industrielle Kapitalismus diese Form von Arbeitsorganisation bis an das Ende des zwa n zigsten Jahrhundert s. Auch gegenwärtig sind zum Teil Spuren eines solchen Systems in Organisationen sichtbar , d enn es ist durchaus anzunehmen, dass es unzählige Arbeitsplätze in unserer Gesellschaft gibt, an denen die Arbeitstätigen ständig im Schatten der Angst arbeiten und leben [36] . Insbesondere d ie Übertragung des Warencharakters auf die Menschen tritt , wenn auch in einer anderen Gestalt , weiterhin auf. In wie fern der Warencharakter auf die Menschen projiziert wird, soll unter Kapitel 5 näher untersucht werden .

Ob das Tayloristische Modell endgültig ausgedient hat und welche Kontu ren das Arbeitsleben unserer Zeit verleiht, soll in dem nächsten Abschnitt aufgezeigt werden.

3.2 Entgrenzung der Arbeit szeit und Fr ei z eit

„ Selbst in der Firma war es nicht leicht, sein Büro zu finden. Es wechselte die ganze Zeit. Oder er räumte es, um woanders zu arbeiten oder um dort zu arbeiten, wo er zuf ällig gerade war, oder um zu Hause im Nebentrakt zu arbeiten, weil er Leben und Arbeit eigentlich nicht wirklic h voneinander trennte …“

(Don DeLillo 2003:63)

Der Taylorismus ist nicht an der Kritik von Marxisten und Literaten gescheitert, sondern eher aus ökonomischen Gründen. Die Anforderung an die Organisation und ihre Mitglieder haben sich grundlegend verändert. Der radikale Wandel unserer Gesellschaft sowie seine Folgen finden derzeit nicht nur in der öffentlichen Diskussion eine große Beachtung. Globalisierung, technologischer Wandel bzw. Digitalisierung, Transformation zur Wissensökonomie, Wandel der Arbeitswelt, die demografische Entwicklung, Bedeutungszuwachs der Ästhetik und schließlich das stetig präsente Thema d er Individualisierung kennzeichnen den Umbruch und gewinnen immer mehr an Aktualität [37] .Die Folgen des Umbruchs sind vor allem neue Lebensbedingungen für die Menschen und für die Organisation en sowie die Entstehung neuer Werte in der Gesellschaft .

Ging es im 20. Jahrhundert vorwiegend noch um klassische betriebswirtschaftliche Produk tionsfaktoren wie Kapital, Betriebsstoffe und Boden , geht es heute eher um den Faktor Zeit und Wissen. Des Weiteren wird zurzeit das Vertrauen als einer der wichtigen Faktoren propagiert. Vor allem seit Management Vordenker Peter Drucker Ende der sechziger Jahre das Wissen als wichtigsten Produktionsfaktor und Wissensarbeiter als entscheidende Ressource für di e Unternehmen bezeichnet hat, wird die intellektuell fordernde Kopfarbeit für die Ökonomie immer wichtiger [38] . Während die ständigen Kontrollen und die Fremdbestimmung des Taylorismus die Kreativität der arbeitenden Menschen verkümmern ließen, fordern heute die meisten Arbeitsanzeigen ein hohes Maß an Wissbegierigkeit, Kreativität , Individualität , Flexibilität sowie ein e hohe Verantwortungsberei t schaft . Anspruchsvolle Kopfarbeit soll die Menschen anziehen, die eine ähnlich gute Ausbildung haben, einen vergleichbaren gesellschaftlichen Hintergrund und die sich intellektuell ebenbürtig sind. Somit wird der Arbeitsplatz für viele Menschen zum Zentrum ihres sozialen Lebens.

„Dort finden sie ihre besten Freunde, dort haben sie ihre anregendsten Begegnungen. Unter diesen Umständen macht es wenig Spaß, nach einem langen Arbeitstag in eine Wohnung mit leerem Kühlschrank und einem vernachlässigten, quengelnden Teenager zurückzukehren – Extremjobber n fällt es dann nicht sonderlich schwer, noch etwas länger im Büro an der Budgetplanung zu arbeiten “ [39] .

[...]


[1] Zeit Campus Juli/August 2008/ S. 53

[2] Vgl. Stotz 2007/Employee Relationship Management/S. 48

[3] Vgl. Adler 1966/Menschenkenntnis/S. 113

[4] Vgl. Sievers 2003/Geld oder Leben? in Texte 23, 2/S. 20

[5] Schmidt S. 2005/Hochschulmarketing/S. 23 in Anlehnung an Cap Gemini Ernst & Young

[6] Vgl. Personalmagazin 05.2008/ S. 14, Magazin für Personalwirtschaft 04.2008/S. 34, New Management Zeitschrift 01.2007/S. 60

[7] Ch r. Lötter s 2 008/ in Per sonalmagazin 03.2008/S. 12

[8] Vgl. Manstetten 2000/Das Menschenbild der Ökonomie/S. 22

[9] Vgl. Bowles 2003/ Management-Mythos in Das Unbewusste in Organisationen/S. 281

[10] Erdheim zitiert in: Pühl 1997/ V on der Gruppenmatrix zur Inst i t uti onsmatrix /S. 39

[11] Vgl. Hanssjörg Becker 2003/Psychoanalyse und Organisation in Das Unbewusste in Organisationen/S. 54

[12] Lawrence 2003/Soziales Träumen und Organisationsberatung in Das Unbewusste in Organisationen/S. 356

[13] Vgl. Sievers 2003/“Psychotische Organisation“ als metaphorischer Rahmen zur Sozio-Analyse/S. 167

[14] Vgl Bain 2003/Einige Überlegungen zur Sozionalayse in Das Unbewusste in Organisationen/S. 20

[15] Bollas 1997/Schatten des Objekts/S. 294

[16] Vgl. Bollas 1997/Schatten des Objekts/S. 294

[17] Vgl. Sievers 199 9 /Das Management psycho-sozialer Dynamik und unbewußter Prozesse in Organisationen/S. 7

[18] Vgl. Sievers 2003/“Psychotische Organisation“ als metaphorischer Rahmen zur Sozio-Analyse in: Das Unbewusste in Organisationen/S. 147

[19] Vgl. D. M. Hartmann2003 2006 /Lern- und Innovatio nsfähigkeit von Unternehmen u nd Organisationen nen /S. 29

[20] Sievers 2003/“Psychotische Organisation“ als metaphorischer Rahmen zur Sozio-Analyse in Das Unbewusste in Organisationen /S. 169

[21] Vgl. P. Heintel 1997/Psychoanalyse und Organisationsanalyse/S 61 , vgl. auch Sievers 1998/Verrücktheit in Organisationen/S. 2

[22] J. Schwenk 2007/Die Kunst der Selbstausbeutung/S.7

[23] Eggebrecht, u. a. 1980/Gesch i chte der Arbeit/ S. 19 3

[24] vgl. Borchardt 1978/Grundriss der deutschen Wirtschaftsgeschichte/ S. 48

[25] vgl. Bernal 1970/Die Entstehung der Wissenschaft/ S. 354

[26] vgl. Pirker 1987/Technik und industrielle Revolution/S. 137

[27] vgl. Eggebrecht u. a. 1980/Geschichte der Arbeit/S. 194

[28] vgl. Eggebrecht u. a. 1980/Die Geschichte der Arbeit/S. 195

[29] Wolfenstein 1993/ zitiert in : Sievers Geld oder Leben/S. 18

[30] Vgl. Sch r enk 2007/Die Kunst der Selbs t au sbeutung/S. 1 8

[31] Sch r enk 2007/Die Kunst der Selbstausbeutung/S. 18

[32] Vgl. Backhausen u. Thommen 2007/in New Management N r. 7-8 .2007/S. 60

[33] Vgl. P. Heintel 1997/in Unbewußtes in Organisationen/S. 82

[34] Vgl. Dziarnowski 2007/Erfolgsfaktor Arbeitsklima/S. 12

[35] Jung 1966 zitiert in : Martin Bowles der Management-Mythos/S. 288

[36] Vgl. A. Obholzer 1997/das Unbewußte bei der Arbeit/S. 23

[37] v V gl. Heiner . Berz u. a. 2001/Neue Werte – Neue Wünsche/S. 40

[38] Vgl. L. Kuhn 2007/Kampf um die Talente. In : Harvard Business Manager 06/2007, S. 48

[39] L. Kuhn 2007/Kampf um die Talente. In : Harvard Business Manager 06/2007, S. 48

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836625319
DOI
10.3239/9783836625319
Dateigröße
786 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Bergische Universität Wuppertal – Fachbereich B - Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2009 (Januar)
Note
2,0
Schlagworte
employer branding intrapreneur arbeitgeber rekrutierung commitment
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