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Servicequalität im Inbound-Tourismus der Volksrepublik China

Unter besonderer Berücksichtigung der chinesischen Kultur

©2008 Bachelorarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die rasante wirtschaftliche Entwicklung Chinas in den vergangenen 30 Jahren, die mit der Reform- und Öffnungspolitik Deng Xiaopings ihren Anfang nahm, hat zu einer deutlichen Verbesserung der (touristischen) Infrastruktur geführt. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte es sich die chinesische Regierung zur Aufgabe gemacht, den Tourismus stärker zu fördern als die anderen Industriezweige. China lockte nicht nur Heerscharen ausländischer Investoren ins Land, sondern auch immer mehr internationale Touristen. Während die Einnahmen aus dem Inbound-Tourismus 1978 noch bei 263 Mio. USD lagen, stiegen sie bis 2007 auf fast 42 Mrd. USD an. Das entspricht einer Steigerung um das Einhundertundsechzigfache! Dem Staat ist es gelungen, die landesweit bedeutendsten Sehenswürdigkeiten mit modernster Technik auszustatten und den westlichen Standards anzupassen. Des Weiteren wurden das Flug- und Bahnnetz sowie die Hotelkapazitäten stark ausgeweitet.
Die eigentlichen Herausforderungen des China-Tourismus liegen zum einen im Marketing-Bereich (z. B. Fremdenverkehrsämter und deren Webseiten). Die Destination China wird derzeit vorwiegend durch die Reiseveranstalter vermarktet. Zum anderen bestehen noch Defizite bei der Qualität der touristischen Leistungen. Einschränkungen seitens der Regierung sowie mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse ausländischer Touristen könnten die Qualität des Tourismus in China negativ beeinflussen. Darüber hinaus werden Defizite im Bildungsbereich vermutet: ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland oder fachspezifische Studiengänge (Tourismus) stehen noch am Anfang der Entwicklung. Auch die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse (insbesondere Englisch) werden in der Öffentlichkeit immer wieder thematisiert.
Im Rahmen der Bachelorarbeit sollen Problembereiche und Defizite der Servicequalität im chinesischen Inbound-Tourismus analysiert und auf Lösungsmöglichkeiten hingewiesen werden. Der Verfasser wird seinen Fokus auf die (inter-)kulturellen Besonderheiten Chinas setzen. Sowohl die Erstellung als auch der Konsum touristischer Dienstleistungen sind vor allem personell geprägt. Kulturelle Unterschiede könnten hier Reibungen verursachen. Des Weiteren konzentriert sich die Analyse auf Reiseveranstalter und Reiseleiter sowie deren Beziehungen zueinander. Den Reiseleitern kommt im China-Tourismus eine große Bedeutung zu, da der größte Teil der Reisen in geführten Gruppen stattfindet. Als […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Vorgehensweise und Untersuchungsziele

2. Wissenschaftliche Grundlagen
2.1 Touristische Begriffe und Bezüge
2.1.1 Tourismus
2.1.2 Servicequalität im Tourismus
2.1.3 Tourismus und Kultur
2.2 Tourismus in China
2.2.1 Status Quo des Inbound-Tourismus in China
2.2.2 Touristisches Angebot
2.2.3 Touristische Nachfrage aus Deutschland

3. Analyse der Servicequalität im chinesischen Inbound-Tourismus
3.1 Die Kultur Chinas und ihre Wirkungen auf den Tourismus
3.1.1 Kulturelle Einflüsse
3.1.2 Die fünf kulturellen Dimensionen nach Hofstede
3.2 Entwicklung der Servicequalität in der VR China
3.3 Analyse der Servicequalität in der Wahrnehmung der Reiseveranstalter
3.3.1 Charakterisierung der Untersuchung
3.3.2 Auswertung der Servicequalität
3.3.2.1 Potenzialqualität
3.3.2.2 Prozessqualität
3.3.2.3 Ergebnisqualität

4. Schlussbetrachtungen
4.1 Fazit
4.2 Perspektiven

Anhang

Literaturverzeichnis

Sonstige Quellen

Eigenständigkeitserklärung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Differenzierung der Reisenden

Abb. 2: Grundformen des Tourismus

Abb. 3: Zusammenfassung der Reisenden nach weiteren Kriterien

Abb. 4: Entstehung von Kunden(un)zufriedenheit

Abb. 5: Merkmale der touristischen Dienstleistung

Abb. 6: Qualitätsbegriffe

Abb. 7: Vier-Kulturen-Schema

Abb. 8: Entwicklung des Inbound-Tourismus in China 2003 - 2007

Abb. 9: Tourismusindustrie der Destination China 2005

Abb. 10: Entwicklung - Chinareisende aus Deutschland 2000 - 2007

Abb. 11: Urlaubsformen der Zukunft

Abb. 12: Kundensegmentierung der Chinareisenden

Abb. 13: Gegenüberstellung chinesischer und deutscher Werte

Abb. 14: Dimensionen der DL-Qualität bei Veranstaltern mit China-Angebot

Abb. 15: Problembereiche im China-Tourismus

Abb. 16: Geschäftszeiten von Veranstaltern mit China-Angebot

Abb. 17: Bewertung der Internetauftritte von Veranstaltern mit China-Angebot

Abb. 18: Erfahrung im Chinageschäft

Abb. 19: Online-Schulung des FAC

Abb. 20: Herausforderungen der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern

Abb. 21: Dienstleistungskette einer standardisierten Chinarundreise

Abb. 22: Wertschätzung von verschiedenen Charakteristika und Fähigkeiten chinesischer Reiseleiter

Abb. 23: Leistungsbewertung der internationalen und chinesischen Hotellerie

Abb. 24: Leistungsbewertung der Restaurants

Abb. 25: Empfang am Eingang des „South Beauty“ (gehobenes Sichuan-Restaurant in Peking)

Abb. 26: Klassifizierung touristischer Attraktionen durch die CNTA

Abb. 27: Leistungsbewertung der Sehenswürdigkeiten

Abb. 28: Tourismus-Informationsstelle des Shaolin-Landschafts- gebietes

Abb. 29: Durchführung von Zufriedenheitsbefragungen durch die Veranstalter

Abb. 30: Ansprechpartner für Beschwerden bei den Veranstaltern

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung Chinas[1]in den vergangenen 30 Jahren, die mit der Reform- und Öffnungspolitik Deng Xiaopings ihren Anfang nahm, hat zu einer deutlichen Verbesserung der (touristischen) Infrastruktur geführt. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte es sich die chinesische Regierung zur Aufgabe gemacht, den Tourismus stärker zu fördern als die anderen Industriezweige. China lockte nicht nur Heerscharen ausländischer Investoren ins Land, sondern auch immer mehr internationale Touristen. Während die Einnahmen aus dem Inbound-Tourismus 1978 noch bei 263 Mio. USD[2]lagen, stiegen sie bis 2007 auf fast 42 Mrd. USD[3]an. Das entspricht einer Steigerung um das Einhundertundsechzigfache! Dem Staat ist es gelungen, die landesweit bedeutendsten Sehenswürdigkeiten mit modernster Technik auszustatten und den westlichen Standards anzupassen. Des Weiteren wurden das Flug- und Bahnnetz sowie die Hotelkapazitäten stark ausgeweitet.

Die eigentlichen Herausforderungen des China-Tourismus liegen zum einen im Marketing-Bereich (z. B. Fremdenverkehrsämter und deren Webseiten). Die Destination China wird derzeit vorwiegend durch die Reiseveranstalter vermarktet. Zum anderen bestehen noch Defizite bei der Qualität der touristischen Leistungen. Einschränkungen seitens der Regierung sowie mangelndes Verständnis für die Bedürfnisse ausländischer Touristen könnten die Qualität des Tourismus in China negativ beeinflussen. Darüber hinaus werden Defizite im Bildungsbereich vermutet: ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland oder fachspezifische Studiengänge (Tourismus) stehen noch am Anfang der Entwicklung. Auch die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse (insbesondere Englisch) werden in der Öffentlichkeit immer wieder thematisiert.

1.2 Vorgehensweise und Untersuchungsziele

Im Rahmen der Bachelorarbeit sollen Problembereiche und Defizite der Servicequalität im chinesischen Inbound-Tourismus analysiert und auf Lösungsmöglichkeiten hingewiesen werden. Der Verfasser wird seinen Fokus auf die (inter-)kulturellen Besonderheiten Chinas setzen. Sowohl die Erstellung als auch der Konsum touristischer Dienstleistungen sind vor allem personell geprägt. Kulturelle Unterschiede könnten hier Reibungen verursachen. Des Weiteren konzentriert sich die Analyse auf Reiseveranstalter und Reiseleiter sowie deren Beziehungen zueinander. Den Reiseleitern kommt im China-Tourismus eine große Bedeutung zu, da der größte Teil der Reisen in geführten Gruppen stattfindet. Als Quellmarkt werden in der Arbeit die deutschen Reisenden herangezogen, da auch die Analyse bei deutschen Reiseveranstaltern erfolgt.

Im Folgenden wird die Vorgehensweise bei Anfertigung dieser Arbeit dargestellt. Nach der Einleitung wird im zweiten Kapitel das Grundlagenwissen zum Thema (Inbound-)Tourismus, Servicequalität und Kultur sowie zum Tourismus in China vermittelt. Die dazu notwendigen Informationen wurden durch eine Literatur- und Internetrecherche zusammengestellt. Auf dieser Basis soll im dritten Kapitel die Servicequalität im chinesischen Inbound-Tourismus analysiert werden. Die Untersuchung beginnt mit einer Betrachtung der chinesischen Kultur. Ziel ist es, die Auswirkungen auf den Tourismus und das Dienstleistungsverhalten in China abzuleiten. Im Anschluss folgt nach einem kurzen geschichtlichen Abriss der Servicequalität im China-Tourismus der Hauptteil der Untersuchung.

Hierzu fand eine Umfrage bei deutschen Reiseveranstaltern mit China als bedeutenden Angebotsbestandteil statt. Darüber hinaus fließen die persönlichen Erfahrungen des Verfassers, die er während seiner Tätigkeit im chinesischen Inbound-Tourismus gesammelt hat, sowie Gespräche mit Experten in die Analyse ein. Ergänzt wird die Untersuchung durch eine Literatur- und Internetrecherche.

Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Betrachtung der bedeutendsten Herausforderungen im chinesischen Inbound-Tourismus und einem Ausblick auf die weitere Entwicklung.

2. Wissenschaftliche Grundlagen

2.1 Touristische Begriffe und Bezüge

2.1.1 Tourismus

Im Jahr 1993 resultierten die erarbeiteten Empfehlungen für Tourismusstatistiken der Welttourismusorganisation (WTO) in der heute gängigsten Definition des Begriffes „Tourismus“:

„Tourismus umfasst die Aktivitäten von Personen, die an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit-, Geschäfts- oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten.“[4]

Hieraus ergeben sich die drei konstitutiven Merkmale des Tourismus:[5]

(1)Ortswechselan einen fremden (nicht gewöhnlichen) Aufenthaltsort
(2)vorübergehender Aufenthaltvon max. einem Jahr ohne Unterbrechung verbunden mit der Absicht, wieder an den Heimatort zurückzukehren.
(3) Motiv für den Ortswechsel/touristisches Motiv(z. B. Erholung)

Darüber hinaus muss der Tourismus als System verstanden werden, d. h. er ist eingebettet in eine ökonomische, sozio-kulturelle, technologische, politische und ökologische Umwelt. Er wird von seinen Umwelten beeinflusst und übt gleichzeitig Einfluss auf diese aus.[6]

Für die Volkswirtschaft eines Landes stellt sich immer die Frage nach dem Nutzen des Tourismus für die Gesamtwirtschaft. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Tourismus sowohl den direkt beteiligten Branchen wie der Hotellerie, der Luftfahrt und der Touristik, als auch den indirekt beteiligten Branchen wie dem Gaststättengewerbe oder dem Einzelhandel Erträge bringt.

Um internationale Tourismusstatistiken vergleichbar zu machen, wurde von der WTO der „Besucher“ (engl.visitor) als zentrale Einheit festgelegt. Verbringt dieser mindestens eine Nacht in einem Beherbergungsbetrieb oder einer Privatunterkunft am besuchten Ort, zählt er zu denTouristen. Verbringt er dort lediglich die Tageszeit und kehrt am Abend wieder an seinen Heimatort zurück, handelt es sich um einenTagesbesucher. Zu den sonstigen Reisenden zählen diejenigen, denen das nötige touristische Motiv fehlt (z. B. Arbeitspendler).[7]

Abb. 1: Differenzierung der Reisenden Abb. 2: Grundformen des Tourismus

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von

WTO (1993), o. S. WTO (1993), o. S.

Eine Abgrenzung des Tourismus auf der Basis des Besuchers kann nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Abbildung 2 stellt diesen Sachverhalt anschaulich dar. In einer touristischen Destination können die Einheimischen (Inländer) innerhalb der Grenzen des eigenen Landes reisen (Domestic Tourism). Aufgrund der starken wirtschaftlichen Entwicklung Chinas können sich auch immer mehr chinesische Bürger eine Reise in das Ausland leisten (chinesischerOutbound-Tourismus). Verlassen deutsche oder andere nicht-chinesische Touristen das Heimatland und reisen in China ein, um z. B. auf einer dreiwöchigen Rundreise die Höhepunkte des Landes kennenzulernen, spricht man vom chinesischenInbound-Tourismus. Die vorgenannten Grundformen des Tourismus können noch nach weiteren Kriterien zusammengefasst werden:[8]

Abb. 3: Zusammenfassung der Reisenden nach weiteren Kriterien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von WTO (1993), o. S.

Während die vorgenannte Abgrenzung Basis für volkswirtschaftliche Berechnungen ist, dient eine Klassifizierung des Tourismus nach verschiedenen Urlaubsstilen mit jeweils spezifischen Tätigkeitenmustern eher der marktgerechten Produktgestaltung.

Aufgrund der vielfältigen Freizeitinteressen der Urlauber haben sich unterschiedlichste Urlaubsstile herausgebildet. Zu den typischen Aktivitäten eines Badeurlaubs zählen z. B. das Schwimmen, Erholen und Sonnen. Stehen bei einer Reise wintersportliche Aktivitäten im Vordergrund, wird von Wintersporturlaub gesprochen. Viele Reisende üben heutzutage während ihres Urlaubs sehr spezielle Aktivitäten aus, die für manche möglicherweise nur eine Nebentätigkeit darstellen. So kann das Wandern oder Fahrradfahren zur Haupttätigkeit werden, Wander- und Fahrradreisen sind geboren.[9]

Auch im chinesischen Inbound-Tourismus haben sich verschiedene Urlaubsstile herausgebildet. Zwar wird bereits Badeurlaub im tropischen Inselparadies Hainan angeboten, dennoch dominiert der Kulturtourismus[10]den Markt für Chinareisen.

2.1.2 Servicequalität im Tourismus

Während in Industrieunternehmen häufiger von Produktqualität die Rede ist, wird in der Tourismusbranche von der Service- oder Dienstleistungsqualität[11]gesprochen. Eine differenzierte Betrachtung ist für die Tourismusindustrie unerlässlich, da sich die zu Grunde liegenden Leistungen mit ihren Eigenschaften maßgeblich von den industriell gefertigten Produkten unterscheiden.

Bedeutung von Kundenzufriedenheit für den Tourismus

Oberstes Ziel der privatwirtschaftlichen Unternehmen ist die Maximierung des Gewinns. Daher muss es auch den Tourismusunternehmen gelingen, einen möglichst großen Teil der Nachfrage auf sich zu ziehen. Potenzielle Kunden müssen akquiriert, bestehende Kunden gehalten und verlorene Kunden – falls möglich – zurückgewonnen werden. Auch hier bestimmt kaufmännisches Denken das Handeln. Da die Kosten für den Erhalt der Stammkunden niedriger sind (etwa siebenmal[12]) als für die Neu- oder Rückgewinnung, sollten die Unternehmen die Zufriedenstellung der Kunden zur Hauptaufgabe machen. Zufriedene Kunden bringen positive Effekte mit sich[13]:

-Loyalität(Sie kommen häufiger wieder.)

-Cross-Selling(Sie nutzen weitere Leistungen desselben Anbieters.)
-Mundwerbung[14](Sie empfehlen zufriedenstellende Produkte aktiv weiter.)
-geringere Preis- und Leistungssensibilität
-höhere Zahlungsbereitschaft

Auch empirisch wurde bereits belegt, dass der Weg zum Geschäftserfolg (also zur Kundentreue) über die Zufriedenheit des Kunden führt.[15]

Entstehung von Kundenzufriedenheit

Die Dienstleistungsqualität ist ein entscheidendes Mittel zur Einflussnahme auf die Zufriedenheit des Kunden[16]. Die Wissenschaft ist zu der Erkenntnis gelangt, dass nicht die Qualität einer Dienstleistung allein über die Zufriedenheit entscheidet. Sie ist vielmehr„das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse, nämlich des Vergleichs von Qualität und Preis.“[17]Folglich kann eine sehr einfache Unterkunft in einem chinesischen Bergdorf ohne Klimaanlage und eigenes Bad den Gast durchaus zufriedenstellen, vorausgesetzt, der Preis ist entsprechend niedrig.

Weiterhin definieren Dreyer und Linne die Kundenzufriedenheitals Ergebnis des rein subjektiven Vergleichs zwischen den eigenen Erwartungen an eine zu erbringende Leistung mit der Wahrnehmung der tatsächlich erlebten Leistung“.[18]

Abb. 4: Entstehung von Kunden(un)zufriedenheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 46 ff. und Dreyer, A. (2006), Skript„Servicequalität und Kundenzufriedenheit“, Folie 6.

Abbildung 4 stellt anschaulich den Vergleichsprozess zwischen der Erwartungshaltung der Kunden und der subjektiven Wahrnehmung der Leistung sowie deren Einflussfaktoren dar.

Für die Unternehmensführung ergibt sich daraus die Aufgabe, die Erwartungen der Kunden mit den subjektiv wahrgenommenen Leistungen in Einklang zu bringen. Sind sie nach einer Reise mit den Leistungen des Reiseveranstalters zufrieden, kann er bereits von einem Erfolg sprechen. Um sich auf einem von starkem Verdrängungswettbewerb geprägten Tourismusmarkt durchsetzen zu können, muss es den Unternehmen allerdings gelingen, ihre Kunden nicht nur zufriedenzustellen, sondern sie zu begeistern. Hilfreich ist hierbei die Festlegung von Qualitätsstandards in drei Stufen (es sind auch mehr als drei Stufen denkbar). Zu denBasisanforderungengehören all jene Leistungen, die von den Kunden erwartet werden (z. B. sauberes Hotelzimmer). Um dem Wettbewerbsdruck widerstehen zu können, müssenmarktübliche Leistungenerbracht werden, die über die Basisanforderungen hinausgehen (z. B. Ausstattung des Hotelzimmers mit einer Klimaanlage). Wer sich vom Markt abheben möchte, muss mitAttraktivitätsfaktorendie Kunden regelrecht begeistern können (z. B. Zimmerservice rund um die Uhr).[19]

Charakterisierung touristischer Dienstleistungen

Die konsequente Ausrichtung der zu erstellenden Leistungen an den Wünschen der Reisenden erfordert zunächst eine genaue Kenntnis der Eigenschaften und Besonderheiten touristischer Produkte. Hierbei muss auch erläutert werden, welche Rolle die Qualität der zu erbringenden Leistung im Hinblick auf die Zufriedenstellung der Reisenden spielt.

Die Dienstleistung (engl.service) hat für den Tourismus eine herausragende Bedeutung. Der größte Teil der touristischen Produkte besteht aus Dienstleistungen, die dem Kunden einzeln (z. B. ein Flug von München nach Peking) oder in gebündelter Form (z. B. eine Chinarundreise) angeboten werden. Laut Berekoven handelt es sich bei Dienstleistungen um„der Bedarfsdeckung Dritter dienende Prozesse mit materiellen oder immateriellen Wirkungen, deren Vollzug und deren Inanspruchnahme einen synchronen Kontakt zwischen Leistungsgeber und Leistungsnehmer bzw. deren Objekten von der Bedarfsdeckung her erfordert“.[20]

Abb. 5: Merkmale der touristischen Dienstleistung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[21]

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Freyer, W. (2006), S. 134 ff.

In der vorstehenden Übersicht sind die spezifischen Eigenschaften touristischer Dienstleistungen jeweils mit einer kurzen Erklärung aufgeführt. Diese können um zwei weitere Eigenschaften ergänzt werden:[22]

Persönlichevon Personen an Personen erbracht

Dienstleistungen:(z. B. Reiseleiter an Reisegast)

Heterogenität:inter- und intrapersonelle Leistungsschwankungen

Die „Persönlichkeit“ der Dienstleistung betont die besondere Rolle, die das Kontaktpersonal der Unternehmen und der Destination spielt. Während beispielsweise in der Versicherungsbranche das Tragen des Risikos durch das Versicherungsunternehmen (also eine höchst unpersönliche Leistung) den Kern bildet, steht bei touristischen Dienstleistungen der personelle Kontakt im Vordergrund. Weiterhin kann die gleiche touristische Leistung nicht stets homogen erbracht werden, da ihre Erstellung von Person zu Person (interpersonell) und bei ein und derselben Person (intrapersonell) Schwankungen unterliegt.

Die touristische Dienstleistung tritt meist in gebündelter Form auf und muss als Prozess, d. h. als Aneinanderreihung verschiedener Teilleistungen verstanden werden.[23]Diese sequenzielle Struktur schließt synchron erbrachte Einzelleistungen nicht aus. Während eines Hotelaufenthaltes oder des Mittagessens in einem Restaurant nimmt der Gast auch die Leistung des Reiseleiters in Anspruch, der z. B. als Vermittler zwischen den Gästen und dem Hotel- bzw. Restaurantpersonal fungiert. Die Teilleistungen werden häufig von unterschiedlichen Leistungsträgern erbracht, was die Verwirklichung eines einheitlichen Qualitätsstandards auf der gesamten Reise erschwert.[24]Weiterhin nehmen die Einzelleistungen einen unterschiedlich hohen Stellenwert bei der Beurteilung der Gesamtleistung ein. Die Kompetenz und Freundlichkeit des ständigen Reiseleiters bildet auf einer Studienrundreise durch China eine Kernleistung,„die dem eigentlichen Produktnutzen zur Bedürfnisbefriedigung dient.“[25]Sie hat eine größere Bedeutung als der Transfer vom Flughafen zum Hotel (Nebenleistung).[26]Schließlich haben einzelne Teilleistungen wiederum Einfluss auf andere (nachfolgende) Teilleistungen, z. B. kann ein schlechtes Abendessen (aufgrund mangelnder Hygiene in der Restaurantküche) Magenverstimmungen hervorrufen und die anschließende Übernachtung in einem Fünf-Sterne-Hotel stark beeinträchtigen.

Qualität touristischer Dienstleistungen

Wie bereits erwähnt ist die Qualität der touristischen Dienstleistung neben dem dafür zu entrichtenden Preis von elementarer Bedeutung für die Zufriedenstellung der Bedürfnisse des Reisenden. Im Folgenden soll der Qualitätsbegriff genauer bestimmt und mit der touristischen Dienstleistung in Zusammenhang gebracht werden.

Während im Umgangssprachlichen und in den Unternehmen (z. B. zu Marketingzwecken) Qualität immer wieder mit „Güte“ gleichgesetzt wird (z. B. „Qualitätshotel“), wird in der Tourismuswissenschaft zwischen den Begriffen meist unterschieden. Qualität (lat.qualitas) bedeutet „Beschaffenheit“ oder „Eigenschaft“, ist frei von jeglicher Wertung und bezieht sich immer auf bestimmte Attribute oder Merkmale einer Leistung (z. B. Freundlichkeit, fachliche Kompetenz usw.).[27]

„Die Gesamtheit dieser Merkmale wird als Beschaffenheit einer Leistung (d. h. deren Qualität) angesehen und kann sich sowohl auf Sach- als auch auf Dienstleistungen beziehen.“[28]

Unter Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften der touristischen Dienstleistung kann deren Qualität wie folgt definiert werden:

„Dienstleistungsqualität ist die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung gemäß den Kundenanforderungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen. Sie bestimmt sich aus der Summe der Eigenschaften bzw. Merkmale der Dienstleistung, bestimmten Anforderungen gerecht zu werden.“[29]

Die subjektive Wahrnehmung der Servicequalität macht die Erstellung einer allgemein gültigen Liste von Merkmalen unmöglich. Dennoch hat die Marktforschung Faktoren identifiziert, die für die Qualität von Dienstleistungen stets für wichtig gehalten werden:[30]

(1) Zuverlässigkeit (Reliability) und Sicherheit (Security)
(2) Freundlichkeit und Entgegenkommen (Responsiveness)
(3) Leistungs- und Fachkompetenz (Assurance)
(4) Einfühlungsvermögen (Empathy)
(5) Annehmlichkeit des materiellen Umfeldes (Tangibles)

Was im Tourismus unter „guter“ oder „schlechter“ Qualität zu verstehen ist, hängt vor allem davon ab, aus welcher Perspektive der Begriff definiert wird und welche Kriterien (subjektiv/objektiv) für wichtig erachtet werden. Eine unzureichende Marktforschung kann z. B. dazu führen, dass Qualität hauptsächlich aus Sicht der Hersteller[31]betrachtet wird, das Ergebnis aber nicht die Anforderungen der Kunden erfüllt. In der Wissenschaft haben sich fünf gängige Qualitätsbegriffe herauskristallisiert, die auf der nachfolgenden Seite in Abbildung 6 dargestellt werden.

Nach Ansicht des Verfassers sollte den touristischen Unternehmen bewusst sein, dass letztlich immer derKundedie Qualität der empfangenen Dienstleistung bewertet. Für die Qualität touristischer Leistungen ist daher die kundenbezogene Betrachtungsweise sinnvoll. Es muss den touristischen Anbietern gelingen, sich gedanklich in die Gäste hineinzuversetzen, deren Bedürfnisse zu erkennen (d. h. bevor sie der Gast äußert) und schließlich die Leistungen so zu erbringen, dass die Kunden zufriedengestellt werden. Die Wertorientierung darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. Da es sich bei touristischen Produkten um „Vertrauensgüter“[32]handelt, bedarf es - im Umfeld immer heftiger miteinander konkurrierender Tourismusunternehmen - einer starken Marke und eines positiven Images. Sind diese nicht vorhanden oder werden von den Nachfragern nicht wahrgenommen, sinkt das Vertrauen in das Produkt und dessen subjektiv empfundener Wert. Die Nachfrager sind dann nicht bereit, einen hohen Preis zu zahlen.

Abb. 6: Qualitätsbegriffe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Muskat, B. (2007), S. 44.

Phasen und Dimensionen der Dienstleistungsqualität[33]

Zur Einflussnahme der Tourismusbetriebe auf die Qualität ihrer gebotenen Dienstleistungen bedarf es der Identifikation der qualitätsrelevanten Faktoren oder Merkmale. Diese lassen sich grundsätzlich zwei Dimensionen zuordnen, der „Tech Quality“, bei der es um die objektiv beurteilbaren Merkmale („hard facts“) geht, und der „Touch Quality“, die jene Faktoren beinhaltet, die durch die subjektive Wahrnehmung beeinflusst werden („soft facts“).[34]Sowohl die „harten“ als auch die „weichen“ Faktoren müssen vor (Potenzialphase), während (Prozessphase) und nach der Erbringung der Dienstleistung (Ergebnisphase) berücksichtigt werden. Studien haben ergeben, dass die „weichen“ Faktoren einen größeren Einfluss auf die Wahrnehmung der Qualität haben als die „harten“ Faktoren.[35]Daher muss ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. In der Potenzialphase kommt es darauf an, dass der touristische Anbieter über die notwendige„Leistungsfähigkeit an Produktionsfaktoren und ihreKombinationsfähigkeit“[36]verfügt, um marktfähige Produkte erstellen zu können. Eine Grundvoraussetzung ist beispielsweise die fachliche Qualifikation („hard fact“) und die soziale Kompetenz („soft fact“) der Mitarbeiter. Der Kunde stellt in dieser Phase noch keinen relevanten Faktor bei der Erstellung der Leistung dar.[37]Die Phase ist vor allem für Neukunden relevant[38], da sie den Selektionsprozess des Interessenten entscheidend beeinflusst (z. B. durch das Image).„Während der Prozessphase wird die Durchführungsqualität durch das subjektive Empfinden des Nachfragers während seiner Interaktion mit dem Verkäufer(bzw. Dienstleister, der Verf.)bestimmt.“[39]In dieser Phase werden vom Kunden viele für seine Zufriedenheit relevante Eindrücke gewonnen. Schließlich vergleicht er in der Ergebnisphase seine Erwartungen mit den subjektiv wahrgenommenen Dienstleistungen und entscheidet darüber, ob es sich lohnt, Produkte desselben Anbieters wieder zu kaufen und weiterzuempfehlen. Die letzte Phase hat daher für die Kundenbindung eine herausragende Bedeutung.[40]

Messung von Dienstleistungsqualität

Obwohl die Messung der Dienstleistungsqualität nicht Hauptgegenstand dieser Arbeit ist, soll der Vollständigkeit halber darauf kurz eingegangen werden. Bevor Maßnahmen zur Umsetzung von Dienstleistungsqualität ergriffen werden können, muss zunächst das bisherige Qualitätsniveau ermittelt werden. Es empfiehlt sich, eine Kundenanalyse der bestehenden Kunden, der Nichtkunden und der verlorenen Kunden vorzunehmen. Im Anschluss steht eine große Auswahl an objektiven und subjektiven Messverfahren zu Verfügung. Während bei den objektiven Messverfahren aufgrund der intersubjektiv nachvollziehbaren Bewertungskriterien (z. B. Quadratmeterzahl des Hotelzimmers)[41]die Sichtweisen vergleichsweise vieler Nachfrager berücksichtigt werden, beschränken sich die subjektiven Verfahren auf die Meinungen einzelner Kunden (z. B. Ästhetik der Hotelzimmergestaltung).[42]Welches das geeignete Verfahren ist, muss situativ entschieden werden.[43]

Total Service Quality[44]

Kundenzufriedenheit wird nicht nur durch die Leistungsträger allein beeinflusst, sondern entsteht aus dem Zusammenspiel aller am Tourismus beteiligten Personen/Interessensgruppen (z. B. lokale Bevölkerung, Mitarbeiter) und der vom Tourismus betroffenen Bereiche (z. B. natürliche Umwelt). Ein modernes Fünf-Sterne-Hotel in der traumhaften Berglandschaft der chinesischen Südwestprovinz Yunnan mag die Gäste begeistern, verärgert aber zugleich die zwangsumgesiedelten Angehörigen einer lokalen Minorität, die durch die touristischen Infrastrukturmaßnahmen verdrängt werden und deren Lebensqualität sich dadurch verringert. Unzufriedenheit und Verdrossenheit gegenüber dem Tourismus stellen sich bei ihnen ein, was sich negativ auf den Gesamteindruck auswirken wird.

Ein ganzheitlicher Ansatz unter Berücksichtigung aller Beteiligten ist daher notwendig; dieTotal Quality(Gesamtqualität) rückt in den Vordergrund. Sie wird in der ISO Norm 8402 der Internationalen Organisation für Normung (ISO) definiert als eine„auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt“.[45]

Im Dienstleistungsbereich wird treffenderweise von Total Service Quality (TSQ) gesprochen. Sie berücksichtigt bei der Beurteilung der Qualität alle Interessensgruppen und betroffenen Bereiche:

- Kunden (Kundenzufriedenheit)
- Mitarbeiter (Mitarbeiterzufriedenheit)
- ökologisches und soziales Umfeld (Umwelt- und Sozialverträglichkeit)
- Anteilseigner/Eigentümer (Eigentümernutzen)[46]

2.1.3 Tourismus und Kultur

Kulturbegriffe

Da der Tourismus als System zu verstehen ist, welches unter dem Einfluss mehrerer Umwelten steht, kommt es zu zahlreichen Wechselwirkungen.[47]Im Folgenden sollen die Beziehungen zwischen der sozio-kulturellen Umwelt und dem Tourismus beschrieben werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung soll der Einfluss der Kultur der Bereisten auf den (Inbound-)Tourismus und dessen Qualität stehen. Aufgrund der in Abschnitt 2.1.2 (S. 12) aufgeführten Eigenschaften touristischer Dienstleistungen und der daraus resultierenden Interaktion mit den Reisenden darf der Einfluss der Quellgebietskultur nicht unberücksichtigt bleiben.

Der Begriff „Kultur“ kann auf unterschiedlichste Weise verstanden werden. Eine für die Tourismuswissenschaft geeignete Definition stammt von Pestalozzi:[48]

„Kultur ist das, was für eine menschliche Gemeinschaft in einer bestimmten Region typisch ist.“

Drei konstitutive Merkmale sind aus dieser Definition ableitbar:

(1) Eine Kultur gründet sich immer auf einemenschliche Gemeinschaft. Diese kann aus einer gewachsenen und emotionellen Verbindung oder aus einer „quasi per Vertrag“ entstandenen Gesellschaft geformt werden. Der Begriff Kultur soll auch in der gesamten Arbeit im sozio-kulturellen Sinne aufgefasst werden.
(2) Eine Kultur wird vor allem von dem Zusammenspiel der sie umgebenden Umwelten geprägt. Sie ist daher untrennbar an einebestimmte Regiongebunden.
(3) Eine Kultur besitztunverwechselbare Eigenschaften(z. B. Werte, Normen), die sie sowohl nach innen (Zusammengehörigkeitsgefühl, Identität) als auch nach außen (gegenüber anderen Kulturen) auszeichnen.[49]

Kultur soll dabei nicht als wertender, sondern als beschreibender Begriff verstanden werden. Er beinhaltet die Wertschätzung und den Erhalt alter Traditionen genauso wie die Entwicklung und den technischen Fortschritt der modernen Gesellschaft.[50]

Eine weitere kontextbezogene Definition des Begriffes hat Johann Gottfried Herder (deutscher Kulturphilosoph, 1744 - 1803) hervorgebracht, der die Kultur versteht als„eine Vielfalt von spezifischen Lebensformen, deren jede ihr eigenes Entwicklungsgesetz in sich trägt.“[51]

Diese Definition ist im Rahmen der Arbeit in dreifacher Hinsicht nützlich. Erstens hebt sie die „Vielfalt von spezifischen Lebensformen“, die die Existenz des Kulturtourismus begründet, hervor. Zweitens erklärt sie, dass sich jede menschliche Gemeinschaft - beeinflusst von bestimmten Strömungen - nach eigenen Regeln entwickelt hat. Drittens betont sie, dass die Mitglieder der Gemeinschaft die entstandenen Werte und Normen internalisiert haben und ihre Denk- bzw. Verhaltensweise davon mehr oder weniger beeinflusst wird.

Das Vier-Kulturen-Schema

Die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Kultur und Tourismus stellen sich in vielfacher Weise dar. So beschreibt eine dieser Beziehungen Kultur als Motiv für das Reisen. Reisende möchten die Natur und Geschichte einer Destination erleben und mit den Einheimischen in Kontakt treten. Eine andere Beziehung betrachtet Kultur beispielsweise als„Angebotsbestandteil der Zielgebiete“, d. h. als Teil des ursprünglichen Angebots[52]einer Destination.[53]Um diesen Sachverhalt besser zu veranschaulichen, ist das Vier-Kulturen-Schema von Thiem geeignet.

Es wird davon ausgegangen, dass der Tourismus von vier verschiedenen Kulturen beeinflusst wird. Die Kultur der Quellregion stellt die heimische Kultur der Reisenden dar. Sie darf keineswegs als homogen betrachtet werden, da die Touristen in einer Destination häufig aus verschiedenen Ländern stammen. Deren Verhaltensweisen in der Destination prägen wiederum die künstlich geschaffene Ferienkultur. Diese beschränkt sich nicht nur auf den Lebensstil der Reisenden, sondern umfasst auch die aus dem Heimatland „mitgebrachte“ Ferienkultur (also die der Reiseveranstalter, Reiseleiter, Tourismuswerbung usw.). Mit dem Entstehen einer touristischen Infrastruktur und der Ankunft von Urlaubern entwickelt sich in einer Destination auch eine Dienstleistungskultur, die auf die Ferienkultur trifft. Die Einstellung und das Verhalten der im Tourismus beschäftigten Einheimischen gegenüber den Touristen unterscheiden sich meist stark von dem, was für ihre heimische Kultur, die Kultur der Zielregion[54], typisch ist. Diese wird aus Sicht der Touristen oft als das ersehnte „Ursprüngliche“ angesehen und kann als gewachsene Kultur bezeichnet werden.[55]

Abb. 7: Vier-Kulturen-Schema

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Thiem, M. (1994), S. 42.

Es ist festzuhalten, dass die Einstellungen und das Verhalten der Träger der Dienstleistungskultur (beispielsweise der chinesischen Reiseleiter) durch die Kultur der Zielregion maßgeblich beeinflusst werden.[56]Bei dem abschließenden Urteil über die Servicequalität darf der Einfluss der Ferienkultur nicht unberücksichtigt bleiben. Dieser ist vor allem verantwortlich für die Bildung der Erwartungshaltung der Touristen (z. B. Imagewerbung des Fremdenverkehrs-amtes der VR China[57]).

Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für den Charakter einer Dienstleistungskultur haben auch der Grad der Fremdbestimmung und die Mentalität der Einheimischen. Sind die Menschen vor Ort „Fremden“ gegenüber sehr aufgeschlossen und liegt der Tourismus weitestgehend in fremder Hand (internationale Kettenhotels usw.), ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass früher oder später fremde Kulturelemente mehr oder weniger stark übernommen werden. Es besteht die Gefahr einer kulturellen Entfremdung mit der Folge, dass die Zielregion für Kulturtouristen an Attraktivität verliert. Eine sehr verschlossene Gesellschaft wird die „Fremden“ weniger herzlich empfangen und versuchen, sich unter dem starken Fremdeinfluss vom Tourismus „abzuschotten“.[58]

Interkulturelles Management

Die verschiedenen Kulturen der Welt zeichnen sich durch besondere Normen oder Kulturstandards (z. B. den Grad der Individualität, das Respekt-/ Toleranzverhalten, die Bedeutung der Familie) aus.[59]Diese beeinflussen das Denken und Handeln der Mitglieder einer Kultur. Je weiter zwei Kulturen von einander entfernt sind, desto bewusster und intensiver werden die Unterschiede bei den kulturellen Standards wahrgenommen. Um Unterschiede und damit mögliches Konfliktpotenzial ausfindig zu machen, hat es sich als nützlich erwiesen, die Normen einzelner Kulturgruppen gegenüberzustellen und sie zu bewerten.[60]

Auf Reisen kann es bei der Begegnung zweier völlig verschiedener Kulturen zu Missverständnissen und Konflikten kommen. Eine besondere Funktion kommt hierbei dem Reiseleiter zu. Neben der„organisatorischen Durchführung eines Pauschalangebots“besteht seine Aufgabe vor allem darin,„den Teilnehmern die Vielfalt und das Verständnis für die kulturelle Eigenart einer Region (…) nahezubringen.“[61]

2.2 Tourismus in China

In der Literatur ist von einer 5.000 Jahre alten Geschichte der chinesischen Kultur die Rede. Bereits 221 v. Chr. wurde das Reich der Mitte unter Qin Shi Huangdi, dem ersten Kaiser Chinas, geeint.[62]Zu jener Zeit war die abendländische Welt noch ein Geflecht aus zahlreichen mehr oder weniger unabhängigen Splitterstaaten. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte China zu den am weitesten entwickelten Zivilisationen der Erde.[63]Das Papier, das Porzellan, der Buchdruck, das Schießpulver und der Magnetkompass gehören zu den bedeutendsten Erfindungen des Riesenreiches. Sowohl die natürlichen Gegebenheiten als auch die kulturellen Errungenschaften machen China zu einer äußerst attraktiven Destination für Reisende. Gemessen an der Anzahl der Welterbe-Denkmäler der UNESCO liegt China mit 37 Stätten weltweit auf Platz drei nach Italien (43) und Spanien (40).[64]

2.2.1 Status Quo des Inbound-Tourismus in China

Die Geschichte des modernen China-Tourismus währt gerade einmal 30 Jahre. Während 1978 der Inbound-Tourismus der Volksrepublik China gemessen an der Zahl der Einreisenden weltweit noch Platz 41 belegte, ist das Land mittlerweile zur viertbedeutendsten touristischen Destination weltweit aufgestiegen.[65]Dabei existierte in den ersten 30 Jahren nach ihrer Gründung (dem 1. Oktober 1949) in der Volksrepublik China quasi keine Tourismuswirtschaft. Im Jahr 1968, zwei Jahre nach Beginn der Kulturrevolution (1966 – 1976), wurden lediglich 303 ausländische Touristen empfangen. Erst mit der Reform- und Öffnungspolitik Deng Xiaopings ab 1978 kam es zu einer starken Zunahme ausländischer Touristen.[66]Von entscheidender Bedeutung für das rasante Wachstum waren die Dezentralisierung der Tourismuswirtschaft und die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen, anfangs vor allem mit der „Westlichen Welt“ und später zunehmend mit den Nachbarländern.

Im Jahr 2007 betrug die Zahl der Inbound-Touristen 131,87 Mio. Diese Zahl ergibt sich aus der Summe der 26,11 Mio. ausländischen Gäste[67]und der 105,76 Mio. chinesischen Landsleute aus Hongkong, Macao und Taiwan. Da für die WTO das Abgrenzungskriterium die vorhandene Übernachtung ist, weichen ihre Angaben von denen des chinesischen Staates ab. Demnach erreichte die Zahl der übernachtenden Einreisenden 2007 mit 54,72 Mio. einen neuen Rekord in der kurzen Geschichte des chinesischen Inbound-Tourismus. Die Zahl der Touristenankünfte stieg damit um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (49,91 Mio.). Die Deviseneinnahmen stiegen verglichen mit 2006 von 34 Mrd. USD um 23,2 Prozent auf 41,9 Mrd. USD.

Abb. 8: Entwicklung des Inbound-Tourismus in China[68]2003 - 2007[69]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[70] [71] [72]

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen auf Basis von UNWTO (2008) im Internet und weitere (siehe Fußnoten 70 bis 72).

Der Anteil des Inbound-Tourismus am Gesamttourismus (137,92 Mrd. USD = 1.090 Mrd. RMB)[73]der Volksrepublik China lag 2007 bei rund 30 Prozent (41,9 Mrd. USD). Der Tourismus erwirtschaftete damit in der Summe rund 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (24.661,9 Mrd. RMB)[74]. Diese sollen – so sieht es der Plan der Regierung vor – bis 2010 auf 7 Prozent des BIP ansteigen. Neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung soll der Tourismus in China vor allem zum sozialen Ausgleich zwischen reichen und armen Regionen beitragen, die Gesellschaft weiterentwickeln und der Völkerverständigung dienen.[75]

[...]


[1]Die Bezeichnungen „China“, „Volksrepublik China“ und „Reich der Mitte“ werden in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet.

[2]Vgl. China National Tourist Office (2008) im Internet.

[3]Vgl. Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China (2008a) im Internet.

[4]Welttourismusorganisation (1993), o. S.

[5]Vgl. Freyer, W. (2006), S. 2.

[6]Vgl. Kaspar, C. (1996), S. 12.

[7]Vgl. WTO (1993), o. S.

[8]Siehe dazu auch Abb. 2 dieser Arbeit.

[9]Vgl. Steinbach, J. (2003), S. 13.

[10]Vgl. Dreyer, A. (1996), S. 21.

[11]Beide Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[12]Vgl. Bastian, H. et al. (1999), S. 12.

[13]Vgl. Pechlaner, H./Fischer, E. (2006), S. 79.

[14]„Mundwerbung“ wird üblicherweise auch als „Mundpropaganda“ bezeichnet.

[15]Vgl. Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 54.

[16]Vgl. Stauss, B./Hentschel, B. (1992), S. 115.

[17]Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 4.

[18]Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 48.

[19]Vgl. Bastian, H. et al. (1999), S. 18 f.

[20]Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 6 zitiert nach Berekoven, L. (1983), S. 23.

[21]Freyer verwendet statt „Kunde“ die Bezeichnung „externer Faktor“. Da der Kunde (ähnlich den Mitarbeitern des Unternehmens) die Dienstleistung mitgestaltet und für den Anbieter als Konsument die Hauptrolle spielt, kann er - nach Ansicht des Verfassers - keineswegs nur als ein „externer Faktor“ betrachtet werden.

[22]Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 7.

[23]Vgl. ebd., S. 6.

[24]Um dem entgegenzuwirken, d. h. mehr Einfluss zu nehmen, erwerben integrierte Touristikkonzerne Anteile an den Leistungsträgern ihrer Wertschöpfungskette (z. B. Hotels).

[25]Muskat, B. (2007), S. 17 zitiert nach Müller, H. (2004), S. 34ff.

[26]Siehe dazu auch Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 6 zitiert nach Sasser, E./Olsen, R. P./ Wyckhoff, D. D. (1978), S. 179.

[27]Vgl. Pechlaner, H./Fischer, E. (2006), S. 73.

[28]Ebd.

[29]Muskat, B. (2007), S. 52 zitiert nach Bruhn, M. (2004), S. 34.

[30]Pechlaner, H./Fischer, E. (2006), S. 15 zitiert nach Müller, H. et al. (1997), o. S., leicht gekürzt.

[31]Im Tourismus wird korrekterweise von „Produzenten“ gesprochen.

[32]Vgl. Muskat, B. (2007), S. 18 zitiert nach Wöhler, K. (1994), S. 9.

[33]Siehe dazu auch Abb. 14, S. 45 dieser Arbeit.

[34]Vgl. Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 58.

[35]Ebd. zitiert nach Morris 1985, S. 53.

[36]Muskat, B. (2007), S. 55.

[37]Vgl. Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 57.

[38]Vgl. Pompl, W. (1996), S. 62 ff.

[39]Muskat, B. (2007), S. 55.

[40]Vgl. ebd. zitiert nach Kebbel, P. (2000), S. 169.

[41]Siehe dazu auch Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 23.

[42]Vgl. Dreyer, A./Linne, M. (2004), S. 70 f. und Muskat, B. (2007), S. 61.

[43]Eine Übersicht über die verschiedenen Verfahren und Methoden befindet sich im Anhang dieser Arbeit (siehe dazu Anhang 1, S. 77).

[44]Da die Thematik „Total Service Quality“ nicht Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit ist und ihren Rahmen sprengen würde, wird sie an dieser Stelle nur peripher abgehandelt. Weiterführende Literatur findet der Leser z. B. in Muskat, B. (2007).

[45]Pompl, W./Lieb, M. G. (1997), S. 5.

[46]Vgl. ebd.

[47]Siehe dazu auch Abschnitt 2.1.1, S. 6 dieser Arbeit.

[48]Thiem, M. (1994), S. 30 zitiert nach Pestalozzi, H. A. (1987), o. S.

[49]Vgl. ebd., S. 30 f.

[50]In der Umgangssprache bezeichnet der Begriff „Kultur“ noch häufig die „Kultivierung menschlicher ‘innerer‘ Werte“ und grenzt sich damit von der „Zivilisation“ ab, die die „‘äußerliche‘ wissenschaftliche, technische und industrielle Entwicklung“ einer Gemeinschaft meint.

[51]Backes, M. et al. (2002), S. 18.

[52]Siehe dazu auch Freyer, W. (2006), S. 253 ff.

[53]Siehe dazu auch Thiem, M. (1994), S. 33 ff.

[54]In Abschnitt 3.1 dieser Arbeit wird u. a. der Einfluss der Kultur der Zielregion (d. h. der chinesischen Kultur) auf die Dienstleistungskultur thematisiert und Folgen für die Qualität der Dienstleistungen werden aufgezeigt.

[55]Vgl. Thiem, M. (1994), S. 40 f.

[56]Vgl. Thiem, M. (1994), S. 45.

[57]Siehe dazu auch Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China (2008b) im Internet.

[58]Vgl. Bieger, T. (2005), S. 40 f.

[59]Vgl. Pompl, W./Lieb, M. G. (2002), S. 101 f.

[60]Siehe dazu auch Abschnitt 3.1.2, S. 36 dieser Arbeit.

[61]Dreyer, A. (1996), S. 351.

[62]Vgl. Gernet, J. (1997), S. 97.

[63]Siehe dazu auch Sieren, F. (2006), S. 63 ff., S. 75 und S. 84 f.

[64]Siehe dazu auch Anhang 2, S. 78 dieser Arbeit.

[65]Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China (2008a) im Internet.

[66]Vgl. Zhang, H. Q. et al. (2005), S. 9 und S. 14 ff.

[67]Ausland ohne Hongkong, Macao und Taiwan.

[68]Volksrepublik China ohne Hongkong, Macao und Taiwan.

[69]Angaben nach WTO.

[70]Vgl. o. V. (2008a) im Internet.

[71]Vgl. o. V. (2008b) im Internet.

[72]Vgl. Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China (2008a) im Internet.

[73]Vgl. Xinhua News Agency (2008a) im Internet.

[74]Vgl. National Bureau of Statistics of China (2008) im Internet.

[75]Vgl. Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China (2008a) im Internet.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783836624527
DOI
10.3239/9783836624527
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Harz - Hochschule für angewandte Wissenschaften (FH) – Wirtschaftswissenschaften, Studiengang Tourismusmanagement
Erscheinungsdatum
2009 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
tourismus china qualität dienstleistung kultur
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Titel: Servicequalität im Inbound-Tourismus der Volksrepublik China
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