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Der Zusammenhang zwischen der Abgabe einer Kundenempfehlung und dem Variety Seeking Verhalten des Kommunikators

Eine experimentelle Untersuchung

©2007 Diplomarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Im Kontext eines immer härteren Wettbewerbs um Konsumenten kommt neben der Gewinnung neuer Kunden der Kundenbindung eine immer größere Bedeutung zu. In der heutigen Zeit zählt Kundenbindung als realisiertes Treueverhalten zu den vordringlichen Zielen des Marketings und schlägt sich u. a. in Form von Customer Relationship Management in Unternehmen der verschiedensten Branchen nieder. Ihre Bedeutung verdeutlichen auch Reichheld und Sasser durch die Behauptung, dass insbesondere Unternehmen ohne jegliche Kundenabwanderung (zero-migration) die Zukunft gehört. Unterschiedliche Maßnahmen wie Kundenwertermittlungen und Zufriedenheitsanalysen der Unternehmen zielen darauf ab, die Loyalität ihrer Kunden zu gewinnen und dauerhaft zu bewahren, da hierfür z. B. niedrigere Akquisitionskosten, höhere Wiederkaufraten, Zusatzverkäufe und geringere Preiselastizitäten erwartet werden. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie Kundenbindung zu erreichen ist. Der Weg zur Kundenbindung führt dabei meist über die Kundenzufriedenheit, denn ‘hierbei wird implizit davon ausgegangen, dass Kundenzufriedenheit (…) die Kundenbindung beeinflusst’.
Neben der unternehmerischen Praxis haben sich in den letzten Jahrzehnten auch zunehmend wissenschaftliche Publikationen mit diesem Themenbereich befasst. Herrmann, Braunstein und Huber formulieren, dass Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt des Marketings steht und stellen fest, dass das Konstrukt der Kundenzufriedenheit als Vorhersagegröße für das Wiederkauf- bzw. Treueverhalten der Kunden gilt. Was ist aber, wenn Kunden trotz Zufriedenheit das Produkt und den Anbieter wechseln? Wie ist solch ein Wechsel zu interpretieren, wenn das eigene Produkt sogar das vermeintlich preisgünstigste, hochwertigste und renommierteste am Markt ist? In der Praxis ist tatsächlich zu beobachten, dass Kunden im Zeitverlauf häufiger die gekauften Marken ändern, und das, obwohl sie angeben, mit dem bisher erworbenen Produkt zufrieden zu sein. Eine mögliche Erläuterung für dieses Phänomen liefert ein in der Marketing-Theorie als ‘Variety Seeking’ bezeichneter Erklärungsansatz. Vereinfacht versteht man unter Variety Seeking den Wunsch eines Kunden nach Abwechslung beim wiederholten Erwerb einer Leistung. Der Wechsel zwischen Produkten findet statt, weil der Wechsel bzw. die Abwechslung an sich interessant ist und einen Nutzen stiftet konstatieren hierzu, dass dem Variety Seeking Ansatz eine hohe Erklärungskraft für Marken- und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Das Konzept der Kundenbindung
2.1.1 Begriffsverständnis
2.1.2 Perspektiven der Kundenbindung
2.1.3 Bestimmungsfaktoren der Kundenbindung
2.2 Das Konzept des Variety Seeking
2.2.1 Begriffsverständnis
2.2.2 Abgrenzung
2.2.3 Einflussfaktoren des Variety Seeking
2.2.4 Motivationsfaktoren des Variety Seeking
2.3 Das Konzept der Kundenempfehlungen
2.3.1 Begriffsverständnis und Ausprägungsformen
2.3.2 Bindungswirkungen von Kundenempfehlungen
2.4 Zusammenfassung

3 Die Dissonanztheorie als Erklärungsansatz für geringeres Variety Seeking nach einer Kundenempfehlung
3.1 Grundlagen zur Dissonanztheorie
3.2 Die Dissonanztheorie als Erklärungsansatz für den Zusammenhang von Kundenempfehlungen und Variety Seeking
3.2.1 Wirkungen von Kundenempfehlungen
3.2.2 Schematische Darstellung der Einstellungsveränderungen und deren Auswirkungen auf das zukünftige Kaufverhalten
3.2.2.1 Die Wirkung von Dissonanz nach dem Kauf
3.2.2.2 Kundenempfehlung als Möglichkeit zur Dissonanzreduktion
3.2.2.3 Wirkung der Dissonanzreduktion auf das Variety Seeking Verhalten
3.3 Zusammenfassung

4 Die experimentelle Untersuchung
4.1 Design
4.2 Probanden
4.3 Methodische Durchführung
4.4 Operationalisierung des Variety Seeking Verhalten
4.5 Auswertung der experimentellen Untersuchung
4.5.1 Daten- und Analysegrundlagen
4.5.2 Voraussetzungen für die Varianzanalyse
4.5.3 Analyse und Interpretation der Ergebnisse
4.5.4 Gesonderte Analyse unter Berücksichtigung des Involvements
4.6 Zusammenfassung

5 Diskussion der Ergebnisse

6 Schlussbetrachtung und Ausblick

Anhangsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Anbieteraktivitäten und deren Bindungswirkungen

Abb. 2: Typisierung intrapersoneller Heterogenität

Abb. 3: Einflussfaktoren auf das Variety Seeking Verhalten

Abb. 4: Abwechslungsbedürfnis in Abhängigkeit vom empfundenen Grad der Reizbarkeit

Abb. 5: Ausprägungsformen und Initiatoren von Kundenempfehlungen

Abb. 6: Bindungswirkungen von Kundenempfehlungen

Abb. 7: Wirkungen der Kundenempfehlung auf den Kommunikator

Abb. 8: Wirkungen von Kundenempfehlungen auf Einstellungen

Abb. 9: Wechselwirkung von Einstellung und Verhalten

Abb. 10: Prozess der Einstellungsveränderung und Wirkung auf das Kaufverhalten

Abb. 11: Angaben zu den Probanden nach Gruppenzugehörigkeit

Abb. 12: Bewertung und Nutzungsgrad der Wahlalternativen zur Lieblingsgastronomie

Abb. 13: Musterabbildung einer Internetseite mit Empfehlungen für eine Gastronomie

Abb. 14: Wechselkoeffizenten-Matrix der jeweils ersten zehn Probanden nach
Gruppenzugehörigkeit

Abb. 15: Test der Wechselkoeffizienten auf Normalverteilung

Abb. 16: Levene-Test auf Gleichheit der Fehlervarianzen (Varianzhomogenität)

Abb. 17: Mittelwerte und Standardabweichungen der Wechselkoeffizienten nach
Gruppenzugehörigkeit

Abb. 18: Zusammenfassung der Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse

Abb. 19: Test der Wechselkoeffizienten auf Normalverteilung unter Berücksichtigung des
Involvements

Abb. 20: Levene-Test auf Gleichheit der Fehlervarianzen (Varianzhomogenität) unter
Berücksichtigung des Involvement

Abb. 21: Zusammenfassung der Ergebnisse der univariaten Varianzanalyse unter
Berücksichtigung des Involvements

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Im Kontext eines immer härteren Wettbewerbs um Konsumenten kommt neben der Gewinnung neuer Kunden der Kundenbindung eine immer größere Bedeutung zu. In der heutigen Zeit zählt Kundenbindung als realisiertes Treueverhalten (Herrmann/Braunstein/Huber 2000, S. 293) zu den vordringlichen Zielen des Marketings und schlägt sich u. a. in Form von Customer Relationship Management in Unternehmen der verschiedensten Branchen nieder. Ihre Bedeutung verdeutlichen auch Reichheld und Sasser (1991, S. 108) durch die Behauptung, dass insbesondere Unternehmen ohne jegliche Kundenabwanderung (zero-migration) die Zukunft gehört. Unterschiedliche Maßnahmen wie Kundenwertermittlungen und Zufriedenheitsanalysen der Unternehmen zielen darauf ab, die Loyalität ihrer Kunden zu gewinnen und dauerhaft zu bewahren, da hierfür z. B. niedrigere Akquisitionskosten, höhere Wiederkaufraten, Zusatzverkäufe und geringere Preiselastizitäten erwartet werden (Diller 1996, S. 82; Herrmann/Braunstein/Huber 2000, S. 293 f.). Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie Kundenbindung zu erreichen ist. Der Weg zur Kundenbindung führt dabei meist über die Kundenzufriedenheit, denn „hierbei wird implizit davon ausgegangen, dass Kundenzufriedenheit (…) die Kundenbindung beeinflusst“ (Homburg/Giering/Hentschel 1999, S. 174).

Neben der unternehmerischen Praxis haben sich in den letzten Jahrzehnten auch zunehmend wissenschaftliche Publikationen mit diesem Themenbereich befasst (Homburg/Giering/Hentschel 1999, S. 174). Herrmann, Braunstein und Huber (2000, S. 293) formulieren, dass Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt des Marketings steht und stellen fest, dass das Konstrukt der Kundenzufriedenheit als Vorhersagegröße für das Wiederkauf- bzw. Treueverhalten der Kunden gilt. Was ist aber, wenn Kunden trotz Zufriedenheit das Produkt und den Anbieter wechseln? Wie ist solch ein Wechsel zu interpretieren, wenn das eigene Produkt sogar das vermeintlich preisgünstigste, hochwertigste und renommierteste am Markt ist? In der Praxis ist tatsächlich zu beobachten, dass Kunden im Zeitverlauf häufiger die gekauften Marken ändern, und das, obwohl sie angeben, mit dem bisher erworbenen Produkt zufrieden zu sein (Helmig 1999, S. 105). Eine mögliche Erläuterung für dieses Phänomen liefert ein in der Marketing-Theorie als „Variety Seeking“ bezeichneter Erklärungsansatz (McAlister/Pessemier 1982, S. 311). Vereinfacht versteht man unter Variety Seeking den Wunsch eines Kunden nach Abwechslung beim wiederholten Erwerb einer Leistung (Peter 2001, S. 99). Der Wechsel zwischen Produkten findet statt, weil der Wechsel bzw. die Abwechslung an sich interessant ist und einen Nutzen stiftet (Givon 1984, S. 2). Hoyer und Ridgway (1984, S. 117) konstatieren hierzu, dass dem Variety Seeking Ansatz eine hohe Erklärungskraft für Marken- und Produktwechsel zukommt. Sie fordern, dass „factors which lead to the expression of a variety drive must be isolated and examined” (Hoyer/Ridgway 1984, S. 117).

Ein Ziel aus Anbietersicht ist die Erreichung einer Loyalität der Konsumenten zu Gunsten der eigenen Marke. Das Variety Seeking als ein Störfaktor für Loyalität scheint schwer einzuschätzen und zu beeinflussen zu sein. Unternehmen sind daran interessiert, durch gezielte Maßnahmen (z. B. Bonusprogramme) das Verhalten von Käufern in ihrem Sinne zu steuern. Werden derartige Steuerungselemente zur Kundenbindung durch das Variety Seeking – also die schlichte Suche nach Abwechslung – quasi ausgehebelt, so muss man sich die Frage stellen, wie derartiges Verhalten zustande kommt und welchen möglichen Gesetzmäßigkeiten es gehorcht. Dass Variety Seeking nämlich nicht allein dem Zufall unterliegt, vermutet auch McAlister (1982, S. 141), wenn er behauptet „such switching is not completely random“. Reaktionen der Unternehmen sind möglich und erforderlich. So stellt Givon (1984, S. 2) fest: „Variety seeking behavior has implications for the branding policy of the firm“. Insbesondere aus diesem Grund ist es bedeutsam, sich mit dem Phänomen der zumindest temporären Abwanderung zufriedener Kunden sowohl theoretisch als auch empirisch auseinanderzusetzen. Zudem ist das Variety Seeking Verhalten der Konsumente aus Unternehmenssicht von Interesse, da „unterschiedliche Ausprägungen dieses aus dem Abwechslungsbedürfnis resultierenden Produktwahlverhaltens unterschiedliche Marketing-Strategien erfordern“ (ter Haseborg/Mäßen 1997, S. 164). Ziel aus Unternehmenssicht muss es sein, aus diesem Phänomen Kapital zu schlagen. So kann Variety Seeking Verhalten zum Beispiel eine Chance für kleinere Marken bieten, die gegenüber renommierten Marken Produktalternativen darstellen (Kahn 1995, S. 146). Im Gegensatz dazu sollten Marktführer bestrebt sein, selber die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um Variety Seeker loyal zu halten, z. B. durch Produktdiversifizierung (Kahn 1995, S. 146). In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Aspekte bezüglich der Variety Seeking Thematik untersucht. Eine gute Übersicht unter Angabe der wichtigsten Ergebnisse bietet z. B. Helmig (1999, S. 109). Die im Titel dieser Arbeit angesprochenen Auswirkungen von Kundenempfehlungen auf den Kommunikator wurden im Kontext des Variety Seeking bisher allerdings kaum erforscht.

In jüngerer Zeit wird der Auswirkung von Kundenempfehlungen auf die Kundenbindung zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt, da insbesondere Manager an ihrem Einfluss auf die Konsumenten interessiert sind (Tax/Chandrashekaran/Christiansen 1993, S. 74). Bei einer Kundenempfehlung fungieren „gebundene Kunden aufgrund ihrer besseren Kenntnis des Anbieters, ihrer aus der Produktnutzung stammenden Produktexpertise und ihrer höheren Glaubwürdigkeit als Privatpersonen oder Berufskollegen als Meinungsführer und als Informationsquelle und Kaufinitiatoren bei bisher unentschlossenen Kundenkreisen“ (Diller 2006, S. 109). Grundsätzlich kommt Empfehlungen immer größere Bedeutung zu, sie sind mittlerweile „in vielen Branchen die bedeutendste Quelle der Neukundengewinnung“ (Helm 2005, S. 281). Eine Kundenempfehlung kann nicht nur der Auslöser für den Erstkauf eines Produktes, sondern auch Basis für die anschließende Bindung des Kunden sein (Helm 2005, S. 286). Gerade Letzteres ist im harten Wettbewerb für Unternehmen heutzutage von besonderer Bedeutung, da nach der Analyse und dem Modell von Reichheld und Sasser (1990, S. 105-111) ein steigender Ertragswert von Kunden im Laufe der Zeit zu erwarten ist. Dabei spielt der Gewinn auf Grund von Weiterempfehlung eine bedeutsame Rolle. Mit Blick auf dieses Modell formuliert Helm (2006, S. 384): „Die starke Resonanz des Modells in Wissenschaft und Praxis rückte mit der Kundenbindung auch die Bedeutung von Kundenempfehlungen näher ans Rampenlicht.“

Trotz ihrer Bedeutung ist „die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kundenempfehlung von seiten der Forschung nicht weit fortgeschritten“ (Helm 2000, S. 5). Untersucht wurde i. d. R. meist nur die Wirkung von Kundenempfehlungen auf den Empfänger einer Empfehlung. Mittlerweile beschäftigen sich allerdings auch Publikationen mit den Auswirkungen von Empfehlungen auf den Sender. So kommen Eggert, Helm und Garnefeld (2007, S. 13) in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine positive Mundwerbung sich signifikant auf die aktive und passive Loyalität des Kommunikators auswirkt. Dennoch wurde die Untersuchung von Auswirkungen auf den Werbenden selbst bisher vernachlässigt. Helm (2000, S. 396) stellt hierzu die These auf, dass „der empfehlende Kunde selbst durch seine Empfehlung stärker an den Anbieter gebunden wird“. Sollte dies zutreffen, käme der Kundenempfehlung eine zusätzliche Bedeutung zu. Derzeit liegen für derartige Zusammenhänge nur wenige empirische Studien vor (Tax/Chandrashekaran/Christiansen 1993, S. 76). Einen weiteren Beitrag soll das für diese Arbeit durchgeführte Experiment leisten. Dabei lautet die zu beantwortende Forschungsfrage: Hat das Abgeben einer Kundenempfehlung Auswirkungen auf das Variety Seeking Verhalten des Empfehlenden? Die Literatur zeigt, dass positive (negative) Empfehlungen sehr wohl eine positive (negative) Wirkung auf das Kaufverhalten und die Kundenbindung der Empfänger haben (Arndt 1967, Davidow 2003, S. 67, Helm 2005, S. 286-289). Dies lässt vermuten, dass auch eine vergleichbare Wirkung auf den Sender entsteht. Es lässt sich somit folgende Hypothese aufstellen: Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Abgabe einer Empfehlung und der Kundenbindung des Senders. Unter der Annahme, dass Kundenbindung sich in einem reduzierten Bedürfnis nach Abwechslung hinsichtlich Marke und Produkt darstellt, kann anders formuliert werden: Die Abgabe einer Empfehlung führt zu einem, auf das Empfehlungsobjekt bezogenen, geringeren Variety Seeking Verhalten des Senders. Ziel dieser Arbeit ist es festzustellen, ob dieser Zusammenhang auch empirisch bestätigt werden kann.

1.2 Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit setzt sich aus fünf Teilen zusammen. Den Ausgangspunkt bildet der zweite Teil der Arbeit, in welchem dem Leser Grundlageninformationen zu den behandelten Themenfeldern Kundenbindung (Kapitel 2.1), Variety Seeking (Kapitel 2.2) und Kundenempfehlung (Kapitel 2.3) vermittelt werden. Der dritte Teil stellt die Dissonanztheorie als einen möglichen Erklärungsansatz zur eingangs gestellten Forschungsfrage dar. Er behandelt anfangs die nötigen Grundlagen zur Dissonanztheorie (Kapitel 3.1) und beschäftigt sich dann mit der Dissonanztheorie als Erklärungsansatz für den Zusammenhang von Kundenempfehlungen und Variety Seeking (Kapitel 3.2). Die eigentliche Untersuchung wird im vierten Teil dargestellt. Hier werden dem Leser detailliert das experimentelle Design (Kapitel 4.1), die Probanden (Kapitel 4.2), die methodische Durchführung (Kapitel 4.3), die Operationalisierung des Variety Seeking Verhaltens (Kapitel 4.4) und die Auswertung der empirischen Untersuchung (Kapitel 4.5) präsentiert. Den Abschluss dieser drei Teile bildet jeweils eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte (Kapitel 2.4, 3.3 und 4.6). Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung aus Teil 4 der Arbeit werden im fünften Teil in einer kritischen Diskussion bewertet. Teil 6 bietet abschließend eine kurze Schlussbetrachtung mit einem Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten.

2 Konzeptionelle Grundlagen

Im folgenden Teil werden die Grundlagen für die zentralen Konzepte dieser Arbeit gelegt. Im ersten Kapitel dieses Teils erfolgt eine Darstellung des Konzeptes der Kundenbindung (Kapitel 2.1). Nachfolgend wird das Konstrukt des Variety Seeking Verhaltens näher vorgestellt (Kapitel 2.2). Im Anschluss erfolgt eine Betrachtung des Konzeptes der Kundenempfehlung (Kapitel 2.3). Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte bildet den Abschluss dieses ersten Teils (Kapitel 2.4).

2.1 Das Konzept der Kundenbindung

Die Kundenbindung ist ein viel diskutiertes Konzept zur Beschreibung des Anbieter-Kunden-Verhältnisses. Dieses Kapitel bietet zu Anfang einen Überblick über verschiedene Definitionsansätze. In Abschnitt 2.1.2 erfolgt eine perspektivische Betrachtung der Kundenbindung, mit Blick auf die Problemstellung dieser Arbeit unter besonderer Berücksichtung der Sicht des Kunden. Anschließend werden zentrale Bestimmungsfaktoren der Kundenbindung vorgestellt (Abschnitt 2.1.3).

2.1.1 Begriffsverständnis

Die Bindung von (zufriedenen) Kunden gilt als ein zentrales Aufgabenfeld der Unternehmen (Meffert/Bruhn 2006, S. 219). Je länger ein Unternehmen seine Kunden zu halten vermag, desto mehr Geld kann es zukünftig an diesen verdienen (Reichheld/Sasser 1991, S. 109). Als Folge der hohen Bedeutung von Kundenbindung wird dieses Thema intensiv in der Marketingliteratur aber auch in der Marketingpraxis diskutiert (Eggert 1999, S. 1 f.). Eine enge Verbindung bzw. sogar eine synonyme Verwendung zum Begriff der Kundenbindung weisen die ebenfalls häufig verwendeten Begriffe Kundentreue und -loyalität auf (Peter 2001, S. 9; Foscht/Swoboda 2007, S. 216). Andere Autoren wie z. B. Herrmann, Braunstein und Huber (2000, S. 295) grenzen diese Begriffe klar ab. Sie sprechen von Kundenloyalität als intentionaler Größe und der Kundenbindung als dem realisierten Treueverhalten (Herrmann/Braunstein/Huber 2000, S. 293). Eine Übersicht möglicher Abgrenzungen verschiedener Treuebegrifflichkeiten erläutert Nolte (1976, S. 141-152).

Eine einheitliche, präzise Definition der Kundenbindung ist bisher nicht vorhanden (Peter 2001, S. 7; Eggert 1999, S. 27). Da sich Kundenbindung auf eine Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Kunden bezieht, kann sie allerdings grundsätzlich aus den zwei Perspektiven der Anbieter- und Nachfragersicht betrachtet werden (Foscht/Swoboda 2007, S. 216). Als eine frühe Definition versteht Diller (1996, S. 82) aus einer anbieterorientierten Sicht unter Kundenbindung ein Bündel von Aktivitäten mit dem Ziel, die Geschäftsbeziehung enger zu gestalten. Aus Kundensicht spricht er von Kundenbindung als einer Einstellung des Kunden zur Geschäftsbeziehung mit einem bestimmten Anbieter, die zu einer Bereitschaft für Folgetransaktionen führt (Diller 1996, S. 83).

Eine zusammengefasste Darstellung von drei verschiedenen Definitionsansätzen aus der aktuellen Marketingliteratur und -praxis bietet Eggert (2000, S. 119):

1. Kundenbindung wird als ein Bündel von Anbieteraktivitäten bezeichnet
2. Kundenbindung wird als komplexes Merkmal des Kunden verstanden
3. Kundenbindung beschreibt ein komplexes Merkmal der Geschäftsbeziehung

Der letztgenannte Ansatz hat sich in der empirischen Marketingforschung durchgesetzt, während der erste Ansatz seine Anwendung vor allem in der Marketingpraxis findet, der zweite Ansatz findet kaum Verwendung (Eggert 2000, S. 120). In einer operationalisierten Form des Bindungsbegriffs schlägt Diller folgende Formulierung vor: Kundenbindung „liegt dann vor, wenn innerhalb eines zweckmäßig definierten Zeitraums wiederholt Informations-, Güter- oder Finanztransaktionen zwischen zwei Geschäftspartnern stattgefunden haben (ex-post Betrachtung) bzw. geplant sind (ex-ante Betrachtung)“ (Diller 1996, S. 84). Eine ähnliche Definition mit sowohl einstellungs- als auch verhaltensorientierten Komponenten bietet Peter. Sie versteht Kundenbindung als „Realisierung oder Planung wiederholter Transaktionen zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer innerhalb eines in Abhängigkeit von der Art der Transaktion bestimmten Zeitraums“ (Peter 2001, S. 8). Dieses Verständnis soll auch die Grundlage dieser Arbeit bilden.

2.1.2 Perspektiven der Kundenbindung

Die Kundenbindung wurde in der Vergangenheit vorwiegend aus einer anbieterorientierten Perspektive betrachtet und erforscht (Eggert 2000, S. 119). Sie gilt mittlerweile als bedeutsamer Faktor für den Unternehmenserfolg und ist somit eines der vordringlichsten Unternehmensziele. Ihr werden u. a. positive Wirkeffekte für das Wachstum, eine verbesserte Rentabilität und eine Steigerung der Sicherheit des Anbieters zugeschrieben (Eggert 1999, S. 43). Eine bedeutsame Differenzierung des Begriffs der Kundenbindung aus Sicht des Kunden stellen Bliemel und Eggert (1998, S. 37-46) vor. Sie unterscheiden die Gebundenheit und Verbundenheit als innere Bindungszustände des Konsumenten. Der auf affektive und normative Bindungsmotive zurückzuführende Zustand der Verbundenheit ist dabei als positive Wahrnehmung zu bewerten, der auf kognitiven Bindungsmotiven basierende Zustand der Gebundenheit wird vom Kunden eher als negativ empfunden (Eggert 2000, S. 126).

Unter Gebundenheit ist eine Bindung des Kunden an einen Anbieter durch den Aufbau bzw. die Existenz von Wechselbarrieren zu verstehen. Solche Wechselbarrieren können vertraglicher, technisch-funktionaler oder ökonomischer Art sein und dienen dem Ziel, zumindest temporär einen Anbieter- oder Markenwechsel zu verhindern (Foscht/Swoboda 2007, S. 216). Die Verbundenheit beschreibt ein Konzept, in dem der Kunde basierend auf seiner Zufriedenheit mit dem Anbieter und seinen Produkten loyales Verhalten zeigt (Bliemel/Eggert 1998, S. 39 f.). Er verzichtet auf Grund von persönlichen Präferenzen auf einen Wechsel zur Konkurrenz, obwohl ein solcher jederzeit möglich wäre, und empfiehlt das Unternehmen möglicherweise sogar weiter (Foscht/Swoboda 2007, S. 216).

Diese inhaltliche Differenzierung der Kundenbindung ermöglicht unterschiedliche strategische Ansätze für Unternehmen. Seitens des Anbieters kann eine Steigerung des Nettonutzens für den Konsumenten angestrebt und dessen Erwartungshaltung sowie Vertrauen beeinflusst werden (Bliemel/Eggert 1998, S. 39 ff.). Ziel sind Kundenzufriedenheit und Vertrauen, um über eine gesteigerte Verbundenheit eine zustimmende Loyalität des Kunden zu erreichen (Bliemel/Eggert 1998, S. 39 ff.). Eine andere Strategie ist der gezielte Aufbau von Wechselbarrieren, was die Gebundenheit der Kunden zur Folge hat, aber tendenziell zu einer resignativen Loyalität führt (Bliemel/Eggert 1998, S. 41 ff.). Eine graphische Veranschaulichung der Zusammenhänge bietet Abbildung 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Anbieteraktivitäten und deren Bindungswirkungen

Quelle: In Anlehnung an Bliemel und Eggert 1998, S. 43.

Für diese Arbeit ist in Bezug auf die Abgabe einer Kundenempfehlung das Konzept der Verbundenheit von besonderer Bedeutung. Für die Abgabe einer Kundenempfehlung ist als Voraussetzung Loyalität, also Zufriedenheit und folglich eine innere Verbundenheit, anzunehmen. Es ist i. d. R. nicht davon auszugehen, dass solche Konsumenten einen Anbieter weiterempfehlen, bei denen eine Kundenbindung nur auf Grund von Wechselbarrieren, also einem Zwang, besteht. Weiter wurde durch Eggert (2000, S. 126 f.) nachgewiesen, dass bei einem Zustand der Verbundenheit signifikant häufiger eine Empfehlung (in diesem Fall durch gewerbliche Käufer) ausgesprochen wird. Ferner sieht Reichheld (2004, S. 24 f.) in Mundwerbung das stärkste Anzeichen für Loyalität, auch wenn er u. a. die Zufriedenheit als vorherrschende Messgröße zur Bestimmung der Loyalität in der Forschungspraxis kritisiert.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass Loyalität als Ergebnis von Verbundenheit die Abgabe von Empfehlungen begünstigt. Eine für die Problemstellung dieser Arbeit weitere bedeutsame Folge der Verbundenheit sprechen Gelbrich und Wünschmann an. Sie gehen davon aus, dass für zufriedene Kunden, die sich mit einem Anbieter und seinen Produkten verbunden fühlen, ein geringeres Variety Seeking Verhalten anzunehmen ist (Gelbrich/Wünschmann 2006, S. 594).

2.1.3 Bestimmungsfaktoren der Kundenbindung

Mittlerweile setzt sich eine Vielzahl von Arbeiten mit der Thematik der Determinanten der Kundenbindung auseinander, die auf verschiedenste Faktoren als Einflussgrößen verweisen. Auf Basis der Ausarbeitungen von Wiechmann (1995) und Peter (1997) stellt Eggert (1999, S. 36) folgende vier determinierende Faktoren dar:

1. die Kundenzufriedenheit
2. das Ausmaß der spezifischen Investitionen
3. die Attraktivität des Konkurrenzangebotes
4. die Unsicherheit des Kunden

Insbesondere der Kundenzufriedenheit kommt in der Literatur wie in der Praxis besondere Bedeutung zu (Homburg/Giering/Hentschel 1999, S. 2). Sie gilt als eine Vorhersagevariable für das Wiederkaufverhalten und als Garant für Umsatz und Gewinn (Herrmann/Braunstein/Huber 2000,
S. 293). Hierzu stellt Eggert (1999, S. 36) allerdings fest, dass aus empirischer Sicht eine herausragende Bedeutung der Zufriedenheit nicht zu bestätigen ist, da andere Größen einen vergleichbaren Einfluss auf die Kundenbindung ausüben. Andere Arbeiten stellen weitere Determinanten vor. Beispielsweise sprechen Herrmann, Braunstein und Huber (2000, S. 298 f.) von Kundenloyalität und Handlungskontrolle als bestimmende Faktoren, Homburg und Kebbel (2001) untersuchen u. a. die Wirkung von Involvement und Qualitätsunsicherheit auf die Kundenbindung. Dabei versteht man unter Involvement die vom Konsumenten wahrgenommene Wichtigkeit z. B. eines Produktes bzw. das innere Engagement, mit dem er sich einem Sachverhalt oder einer Aufgabe widmet (Foscht/Swoboda 2007, S. 122-124; Kuß/Tomczak 2004, S. 64-75).

In ihrer Ausarbeitung sieht Peter (2001, S. 99) als vierte Determinante nicht die Unsicherheit des Kunden, sondern die Suche des Kunden nach Abwechslung bzw. Variety Seeking. Diesem Faktor kommt mit Blick auf die Zielsetzung dieser Arbeit besondere Bedeutung zu. Sie stellt im Kontext ihrer Untersuchung fest, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach Abwechslung und der Kundenbindung besteht (Peter 2001, S. 232). Im Folgenden soll nun das angesprochene Konzept des Variety Seeking näher betrachtet werden.

2.2 Das Konzept des Variety Seeking

Nachdem ein Überblick über das Konzept der Kundenbindung gegeben wurde, werden in den nun folgenden Kapiteln die Grundlagen des Variety Seeking als Konzept zur Erklärung von Kundenverhalten dargestellt. Es erfolgt anfangs eine Definition sowie eine begriffliche Abgrenzung. Auf dieser Basis werden mögliche Einflussfaktoren sowie auslösende Motivationsfaktoren des Variety Seeking erläutert.

2.2.1 Begriffsverständnis

Zahlreiche Untersuchungen des Konsumentenverhaltens haben gezeigt, dass zufriedene Kunden häufig markentreues Verhalten zeigen (Homburg/Giering/Hentschel 1999, S. 182-184). Durch wiederholten Kauf desselben Produktes oder derselben Marke lassen sich aus Sicht der Käufer z. B. finanzielle oder soziale Risiken oder mögliche Unsicherheiten nach dem Kauf reduzieren bzw. vermeiden (Forscht/Swoboda 2007, S. 84; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 251). Es zeigt sich jedoch, dass immer wieder Kunden zu Produkten anderer Hersteller greifen, selbst wenn sie mit der bisher gekauften Ware und der Marke zufrieden sind (Helmig 1999, S. 105). Dieser Umstand stellt sich für Unternehmen als Störfaktor bei dem Ziel der Kundenbindung dar. Er führt dazu, dass Firmen, obwohl sie teilweise große Summen für Kundenzufriedenheitsprogramme ausgeben, eine Abwanderung selbst zufriedener Kunden zur Konkurrenz fürchten müssen. Auch der Aufbau teurer Premiummarken als Maßnahme zur Kundenbindung ist in seinem Erfolg gefährdet. Das angesprochene Wechselverhalten führt zu einem Effizienzverlust der eingesetzten Gelder, da selbst bei kurzfristiger Zielerreichung – nämlich der Zufriedenheit und Bindung des Kunden – ein mittel- bis langfristiger Erfolg in Form von Loyalität nicht immer zu erreichen ist.

In der Literatur findet das angesprochene Konsumentenverhalten unter dem Begriff Variety Seeking Verhalten (im englischen Sprachraum „variety-seeking-behavior“) Beachtung. Er ist verwandt mit Begriffen wie „sensation-seeking“ (Zuckerman 1979, S. 10), „novelty-seeking“ (Pearson 1970, S. 199) oder „arousal-seeking“ (Mehrabian 1978, S. 718) und kann als ein möglicher Gegenpart der Loyalität betrachtet werden. Givon definiert Variety Seeking Verhalten als einen speziellen Aspekt des Konsumentenverhaltens. Er beschreibt Variety Seeking als das Phänomen, dass der Käufer bei wiederholtem Produktkauf die gewählte Marke nicht auf Grund von Präferenzen wechselt, sondern vielmehr deshalb, weil der Markenwechsel als solcher – unabhängig von der gewählten Marke – interessant ist (Givon 1984, S. 2). Es kann somit als „a motivation in and on itself“ verstanden werden (McAlister/Pessemier 1982, S. 311). Damit ist Variety Seeking ein besonderer Fall des allgemeinen Markenwechselverhaltens, da ein Wechsel in der Konsumhistorie allgemein nicht nur aus Gründen der Abwechslungssuche, sondern auch aus anderen Motiven (z. B. Nichtverfügbarkeit eines Produktes, Unzufriedenheit, Preiserhöhung) stattfindet (Helmig 1999, S. 105; McAlister/Pessemier 1982; Bänsch 1995, S. 343).

Nach ter Haseborg und Mäßen (1997, S. 16) lassen sich eine individuen-, eine produkt- und eine produkteigenschaftsspezifische Definitionsrichtung aus der Literatur ableiten. Die individuenspezifische Definition bezeichnet das Variety Seeking als Persönlichkeitsmerkmal des Konsumenten und zeigt sich als „desire for a new and novel stimulus“ (Hoyer/Ridgway 1984, S. 115). Die produktspezifische Definition bezieht sich auf eine konkrete Kaufsituation. Hier ergibt sich innerhalb eines Entscheidungsprozesses zusätzlich eine Produktbezogenheit für das Variety Seeking. Es zeigt sich die Tendenz, dass ein Produktwechsel bei bestimmten Produktgruppen häufiger beobachtet werden kann. So ist bei Produkten mit geringem Involvement, geringer Markenloyalität und nur gering wahrgenommenen Unterschieden (subjektive Charakteristika) sowie hoher Anzahl an Produktalternativen und kurzer Kauffrequenz (objektive Charakteristika) ein Wechsel wahrscheinlicher (Hoyer/Ridgway 1984, S. 117). Eine weitere Differenzierung ergibt sich durch die Betrachtung der Befriedigung von Konsumentenbedürfnissen durch einzelne Eigenschaften von Produkten (eigenschaftsspezifische Definition). McAlister (1982, S. 143 f.) konstatiert, dass sich der Nutzen durch bestimmte Eigenschaften eines Produktes bestimmen lässt. In einem Versuch mit Soft-Drinks kann sich der Proband z. B. für ein mehr oder weniger fruchtiges Getränk oder für eins mit oder ohne Koffein entscheiden.

2.2.2 Abgrenzung

Nach Kahn (1995, S. 139) ist Variety Seeking die Tendenz von Individuen, bei der Kaufentscheidung in kürzeren und mittleren Abständen nach Abwechslung zu streben. Auch Bänsch (1995, S. 342) nutzt zur näheren Typisierung unterschiedlichen Kaufverhaltens von Personen (intrapersonelle Heterogenität) das Kriterium der Zeit (Abbildung 2). Auf einen Zeitpunkt bezogen wird hinsichtlich diversifizierter Käufe von „hybridem Kaufverhalten“, einem widersprüchlichen Verhaltensmuster (Trommsdorff 2004, S. 127), gesprochen. Bei zeitraumbezogener Betrachtung kann man zwischen kurz- bis mittelfristigen und mittel- bis langfristigen Perioden unterscheiden. Dabei ist im Bereich des mittel- bis langfristigen Horizontes davon auszugehen, dass Personen im Laufe ihres Lebens verschiedene Entwicklungs-, Reife- und Lernprozesse durchlaufen. Diese bilden, basierend auf einem daraus resultierenden Wertewandel, eine natürliche Ursache für grundlegende Änderungen im Konsumverhalten (Bänsch 1995, S. 343). Aber auch in kurz- bis mittelfristiger Sicht neigen Kunden zur Variation von Produkten und Marken. Diese Wechselneigung könnte wieder auf eine Veränderung im Grundmuster zurückzuführen sein, tritt aber auch bei unverändertem Grundmuster auf (Bänsch 1995, S. 343). Als mögliche Ursachen im Falle eines unveränderten Grundmusters führt Bänsch neben beispielsweise Unzufriedenheit mit dem letzten Kauf eben auch das Variety Seeking als mögliche Ursache an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Typisierung intrapersoneller Heterogenität

Quelle: In Anlehnung an Bänsch 1995, S. 343.

Neben einer zeitbezogenen Betrachtung kann das Wechselverhalten hinsichtlich einer unternehmerischen und einer Kundenperspektive differenziert werden. Herrmann und Gutsche (1994, S. 63 f.) sehen als grundsätzliche Erklärungsansätze für ein Wechselverhalten die Nutzung von Marketinginstrumenten (z. B. Änderung technischer Eigenschaften), die Kaufsituation (z. B. eine neue Empfehlung des Verkäufers) oder die Nichtverfügbarkeit des gewohnten Artikels. Sie konstatieren aber gleichzeitig, dass die Markenwahl nicht nur durch den Produktnutzen determiniert wird, sondern dass auch ein Nutzen der Abwechslung an sich besteht. Dies pointiert McAlister (1982, S. 141) folgendermaßen: „Switching can be induced by the manipulation of marketing variables, by the accessability of the product, by the situation in which the product is consumed, or by the desire for variety.” Die vorgenannten Betrachtungsweisen bilden die unternehmerische (produktorientierte) Sicht des Wechselproblems ab. Eine Übersicht über unterschiedliche Gründe für Wechselverhalten aus Kundensicht liefern Hoyer und Ridgway (1984, S. 115). Sie sehen neben dem Drang nach Abwechslung Faktoren wie Entscheidungsstrategien, spezifische Situationen, Unzufriedenheit mit der aktuellen Marke oder Problemlösungsstrategien als mögliche Ursachen für einen Markenwechsel.

Für die Forschung zum Konstrukt des Variety Seeking existieren grundsätzlich zwei verschiedene Forschungsrichtungen (McAlister/Pessemier 1982, S. 311; Peter 2001, S. 100). Die Vertreter der ersten Richtung behaupten, das Phänomen des Variety Seeking sei nicht erklärbar. Anhänger der zweiten Strömung hingegen versuchen, dieses Konstrukt auf verschiedene Art und Weise zu erklären. Im Sinne der Fragestellung wird für diese Arbeit der zweiten Strömung gefolgt, nämlich dass Variety Seeking ein erklär- und beschreibbares Phänomen ist. Als solches ist es als ein wesentlicher „Faktor zur Erklärung, Prognose und Steuerung des Konsumentenhaltens“ zu verstehen (ter Haseborg/Mäßen 1997, S. 16).

2.2.3 Einflussfaktoren des Variety Seeking

Entsprechend der derzeitigen Literatur existieren verschiedene Faktoren, die das Variety Seeking Verhalten von Konsumenten beeinflussen. Hoyer und Ridgway (1984, S. 116) konstatieren, dass “some individuals are consistently more likely than others to engage in variety seeking behavior.” Die Intensität der grundsätzlichen individuellen Wechselneigung hängt dabei von verschiedenen Einflussfaktoren ab. Als Determinanten für das Ausmaß an Variety Seeking kann zwischen personenbezogenen (Bänsch 1995, S. 348 f.; Hoyer/Ridgway 1984, S. 116), produktbezogenen (Hoyer/Ridgway 1984, S. 116 f.) sowie situativen Merkmalen (Kahn 1995) unterschieden werden.

Zu den personenbezogenen Faktoren gehören Merkmale bzw. Eigenschaften wie z. B. das Alter, die persönliche Grundeinstellung oder sonstige Merkmale wie Geschlecht, Bildungsstand, Einkommensniveau oder Risikofreudigkeit (Bänsch 1995, S. 348 f.). Auch Hoyer und Ridgway (1984,
S. 116) nutzen Persönlichkeitseigenschaften zur Darstellung der potentiellen Wechselneigung. Sie konstatieren für weniger dogmatische und wenig autoritäre, dafür verstärkt extrovertierte, kreative, liberale Personen mit der Fähigkeit zum Umgang mit komplexen Stimuli eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zum Variety Seeking. Es wird diesen Eigenschaften unterstellt, sie seien „causal antecedents in explaining the level or degree of each of the motives (Hoyer/Ridgway 1984, S. 116).“ Die hier angesprochenen Motive werden im nächsten Abschnitt 2.2.4 näher erläutert. Des Weiteren ergeben sich Einflüsse aus der Konsumhistorie des Käufers (McAlister 1982, S. 141 f.). Dabei ist zu beachten, dass durch die angeführten Faktoren ein Produktwechsel lediglich begünstigt wird, sich also die Wahrscheinlichkeit für ein Variety Seeking Verhalten erhöht. Eine additive Wirkung der Faktoren, die positiv mit einer verstärkten Wechselneigung korrelieren, ist dabei anzunehmen.

Hinsichtlich produktbezogener Faktoren kommen objektiv und subjektiv wahrgenommene Aspekte zum Tragen. So wird von Hoyer und Ridgway (1984, S. 117) festgehalten, dass objektive Charakteristiken (wie z. B. Anzahl an Alternativen und Kauffrequenz) und subjektive Charakteristiken (wie z. B. Markentreue, empfundenes Risiko, Produktunterschiede) die Wechselwahrscheinlichkeit des Konsumenten beeinflussen. Konkret wird angenommen, dass eine geringe Auswahl an Alternativen sowie ein geringer Zeitraum zwischen zwei Käufen den Produktwechsel begünstigen. Ebenso fördern ein geringes Involvement, ein geringes Risiko, eine niedrige Markentreue und Produktunterschiede das Brand-Switching generell und somit auch das Variety Seeking. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass „each of the foregoing product characteristics is posited to play an importend role in determining whether brand/product switching will occur“ (Hoyer/Ridgway 1984, S. 117).

Als situatives Merkmal beeinflusst der Konsum selbst das Variety Seeking Verhalten. So kann die Wahl einer Marke vom Kauf anderer Produkte abhängen (Kahn 1994). Beispielsweise beeinflusst der Konsum von Süßigkeiten oder Früchten die Wahl eines alkoholfreien Erfrischungsgetränkes (Herrmann/Gutsche 1994, S. 78).

Die nachfolgende Abbildung bietet noch einmal eine Übersicht der geschilderten Einflussfaktoren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Einflussfaktoren auf das Variety Seeking Verhalten

Quelle: Eigene Darstellung.

2.2.4 Motivationsfaktoren des Variety Seeking

Es existieren verschiedene Theorien, um zu verstehen, wie es zu Variety Seeking Verhalten – also einer Abwendung von der vertrauten Marke trotz Zufriedenheit – kommt. Als bedeutsame und viel zitierte Arbeit zu diesem Thema gilt die Ausarbeitung von McAlister und Pessemier aus dem Jahr 1982. Sie differenzieren den Bereich des erklärbaren Variety Seeking Verhaltens in „derived“ und „direct“ (McAlister/Pessemier 1982, S. 311). Dabei stellt sich das abgeleitete Wechselmotiv lediglich als Sekundärmotiv in Abhängigkeit eines anderen auslösenden Motivs dar. Beim direkten Abwechslungsmotiv wird „das Wechselverhalten entweder auf private (…) oder auf soziale Motive“ zurückgeführt (Trommsdorff 2004, S. 130). Nach einer Übersicht von Kahn (1995, S. 140) lassen sich nach neueren Studien drei Motivationsfaktoren als Hauptströmungen feststellen. Eine Theorie stellt dar, dass die Abwechslungssuche von einem externen Faktor beeinflusst wird („external situation“), was eng mit dem „derived“ Variety Seeking von McAlister/Pessemier verknüpft ist. Eine zweite Strömung basiert auf dem „Satiation/Stimulation“ Konzept und ist mit dem „direct“ Variety Seeking Gedanken gleichzusetzen. Eine neuere Theorie geht davon aus, dass Variety Seeking in einer Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Präferenzen begründet ist. Diese drei Ansätze sollen kurz näher betrachtet werden.

External situation

Entsprechend den Ausführungen von McAlister und Pessemier (1982, S. 313) wird ein Wechselverhalten des Konsumenten beim „external situation“-Ansatz durch eine Veränderung der Kaufsituation initiiert und findet unabhängig vom Bedürfnis nach Abwechslung an sich statt. Basis hierfür ist u. a. ein unterschiedlicher Bedarf an Gütern je nach Konsument, Situation oder gewünschter Verwendung (McAlister/Pessemier 1982, S. 313). Kahn (1995, S. 143) stellt mit Bezug auf Belk (1975) fest, dass „this type of variety-seeking occurs primarily as a function of changing preferences owing to the changing situation, not just as a desire for something different based on past consumption”. Der Konsument reagiert mit einem Wechsel seines Kaufverhaltens auf Veränderungen äußerer Einflüsse, wie z. B. ein erweitertes Produktangebot (McAlister/Pessemier 1982, S. 313). Diese Erkenntnis bietet Anbietern die Möglichkeit, durch gezielte Manipulation der Kaufumgebung das Variety Seeking Verhalten zu beeinflussen. Den Nachweis liefern z. B. Menon und Kahn (1995) anhand eines Laborexperimentes mit dem Ergebnis, dass „if a retailer made the retail environment more stimulating, by incorporating changes over time, consumers would exhibit less variety in the product choices than if the retail environment was static“. Damit würde das bereits angesprochene unternehmerische Ziel der Kundenbindung unterstützt. Statt vermehrtem Variety Seeking kommt es tendenziell zu einer Habitualisierung des Kaufverhaltens. Weiter stellen die Autoren fest, dass durch das Angebot an Produktvielfalt innerhalb einer Produktkategorie derselben Marke die Wechselwahrscheinlichkeit reduziert wird (Menon/Kahn 1995, S.144). Dies basiert auf der These, dass ein Abwechslungsbedürfnis durch einen Wechsel innerhalb einer Produktkategorie genau so befriedigt werden kann, wie durch einen Wechsel zwischen Produktkategorien (Menon/Kahn 1995, S. 144).

Satiation/Stimulation

Dieser Erklärungsansatz basiert auf einer intrapersonalen Motivation in Form von Bedürfnisbefriedigung durch die Suche nach Reizen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Personen mit einem stärkeren Bedürfnis nach Stimulation wahrscheinlicher eine Abwechslung suchen als solche mit einem geringeren Bedürfnis (Hoyer/Ridgway 1984, S. 114). In der Literatur findet der Aspekt der Stimulation unter dem Begriff „Optimum Stimulation Level“ (OSL) vielfache Berücksichtigung (Raju 1980; McAlister/Pessemier 1982; Hoyer/Ridgway 1984) und gilt als zentrale Basis zur theoretischen Erklärung vom Variety Seeking Verhalten (Menon/Kahn 1995, S. 286). Eine anschauliche Darstellung liefert Bänsch (1995, S. 346 f.). Demnach ist der Mensch beim Konsum gefangen zwischen den Gegenpolen Gewohnheitsverhalten zur Reduktion von Risiko und Unsicherheit und empfundener Langeweile als Resultat reizmonotoner Situationen. Dies führt zur Suche nach einer reizoptimalen Situation (Abbildung 4). Sinkt der Reizzustand unter den Optimalzustand, so wird Variety Seeking zunehmend wahrscheinlich, um der Reizmonotonie entgegenzuwirken. Der Konsument wird durch neue Erfahrungen und Abwechslungen versuchen, den Optimalzustand wieder zu erreichen. Für den Bereich rechtsseitig des Optimalzustandes besteht eine Reizüberflutung, die als unangenehm empfunden wird. Das Individuum sehnt sich vermehrt nach Ruhe und Entspannung und tendiert dazu, seine Reizvielfalt zu reduzieren (Bänsch 1995, S. 347).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Abwechslungsbedürfnis in Abhängigkeit vom empfundenen Grad der Reizbarkeit

Quelle: In Anlehnung an Bänsch 1995, S. 347.

Hinsichtlich des optimalen Zustandes besitzt jede Person ihr eigenes ideales Erregungsniveau (Helmig 1999, S. 106). Graphisch kann der Zusammenhang zwischen Reizen und der affektiven Reaktion durch eine inverse U-Kurve abgebildet werden, wobei das Maximum der Kurve den Optimalzustand widerspiegelt (McAlister/Pessemier 1982, S. 315). In Bezug auf die Niveauhöhe wird zwischen Variety Seekern und Non-Variety-Seekern unterschieden. Für Variety Seeker gilt ein höher ausgeprägtes OSL-Niveau als für Non-Variety-Seeker. Sie brauchen also ein höheres Maß an Abwechslung, um sich in einer zufrieden stellenden Reizsituation zu befinden (Raju 1980; McAlister/Pessemier 1982). Auch Herrmann und Gutsche (1994) kategorisieren nach einer Studie Konsumenten entsprechend der Intensität ihrer Wechselneigung als moderate Variety Seeker oder Intensive Seeker. Diese Erkenntnis bietet Anbietern die Möglichkeit, durch gezielte Segmentierung und/oder Bereitstellung von Produktvarianten Kundentreue zu erreichen (Herrmann/Gutsche 1994, S. 77). Eine genau bestimmte Grenze zwischen beiden Gruppen in Verbindung mit speziellen Produktarten existiert, soweit dem Autor bekannt, bisher allerdings nicht.

Future preference uncertainty

In Verbindung mit Variety Seeking versteht man unter future preference uncertainty ein Motiv zum Wechselverhalten, bei dem der Konsument durch den Kauf verschiedener Sorten einer Produktart (z. B. Joghurt) zum selben Kaufzeitpunkt eine Absicherung gegenüber zukünftiger Bedürfnisunsicherheit aufbaut (Simonson 1990, S. 151 f.; Pessemier 1978, S. 380-385). Er stellt sich somit ein zukunftsgerichtetes Produkt- und somit Reizportfolio zusammen. Variety Seeking findet also nicht mehr nur aus einem zeitpunktbezogenen Abwechslungsbedürfnis statt, sondern als Reaktion auf eine mögliche zukünftige Präferenzunsicherheit. Eine empirische Untersuchung hierzu bietet z. B. Simonson (1990). Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass Probanden beim Kauf mehrerer Artikel zum selben Kaufzeitpunkt mehr Abwechslung in ihrer Produktwahl hatten als Probanden mit wöchentlichen Kaufzeitpunkten für nur jeweils ein Produkt. Kahn (1995, S. 145) stellt hierzu pointiert heraus, dass „subjects who were anticipating future preferences desired more variety as a hedge against the uncertainty”.

2.3 Das Konzept der Kundenempfehlungen

Nach der Vermittlung der wichtigsten Grundlagen zum Variety Seeking Verhalten soll nun das Konzept der Kundenempfehlung betrachtet werden. Das folgende Kapitel setzt sich in einem ersten Schritt mit dem nötigen Begriffsverständnis und den Ausprägungsformen der Kundenempfehlung auseinander. Als zweiter Schritt erfolgt eine erste grundlegende Darstellung verschiedener Bindungswirkungen von Kundenempfehlungen, die später in Abschnitt 3.2.1 des dritten Teils vertieft wird.

2.3.1 Begriffsverständnis und Ausprägungsformen

Obwohl die produktbezogene Konversation eine der ältesten Vorgehensweisen ist, Informationen über (geplante) Anschaffungen auszutauschen, gibt es für die Kundenempfehlung als schwer greifbares Phänomen keine einheitliche Definition (Helm 2000, S. 7, S. 22). In einer frühen Definition von Arndt (1967, S. 3) bezeichnet dieser den Kundenempfehlungsprozess allgemein als mündliche Person-zu-Person Kommunikation zwischen einem Empfänger und einem Sender, wobei letzterer vom Empfänger als nicht kommerziell empfunden wird. Für diese Arbeit soll die präzisere Definition von Helm (2000, S. 7) die Grundlage bilden. Von ihr werden Kundenempfehlungen im weiteren Sinne als „negative, neutrale oder positive Berichterstattungen über die objektiv und/oder subjektiv wahrgenommenen Merkmale einer Anbieterleistung bzw. Anbieters selbst im privaten und/oder geschäftlichen Umfeld des Kunden“ verstanden.

Diese Kundenempfehlung im weiteren Sinne wird von Helm (2000, S. 21) in zwei Ausprägungsformen differenziert. Diese sind zum einen die Mundwerbung, im englischen Sprachgebrauch „word-of-mouth“ (WOM), zum anderen sind es Referenzen. Bei der Mundwerbung als Kundenempfehlung im engeren Sinne wird die Empfehlung von der Nachfragerseite angestoßen. Hierzu gehört z. B. eine Kaufempfehlung für ein bestimmtes Produkt während eines Gesprächs zwischen Bekannten. Dabei kann die Aktivität vom Sender ausgehen, der von sich aus Informationen weitergibt, oder aber vom Empfänger, der jemanden um Rat fragt (Helm 2000, S. 22). Obwohl Kundenempfehlungen nicht zwangsweise positiver Natur sind, wird die Mundwerbung im weiteren Verlauf der Arbeit im Sinne der Fragestellung als positiv unterstellt. Von diesen Kundenempfehlungen im engeren Sinne können so genannte Referenzen abgegrenzt werden (Helm 2000, S. 8). Unter Referenzen versteht man „Auskünfte von aktuellen oder ehemaligen Kunden (…), auf die vom Anbieter oder auch von (potentiellen) Kunden in mindestens einer weiteren Transaktion Bezug genommen wird“ (Helm 2000, S. 27 f.). Sie sind anbieterinduziert, d. h. sie stehen grundsätzlich in direktem Bezug zu einem Anbieter oder seiner Leistung und werden vom diesem initiiert oder beeinflusst (Helm 2000, S. 28).

Eine Übersicht über die Ausprägungsformen und mögliche Initiatoren bietet Abbildung 5. Das dieser Arbeit zu Grunde liegende Experiment beinhaltet eine nachfragerinduzierte Kundenempfehlung. Somit wird im Folgenden stets von der Kundenempfehlung im engeren Sinne, also der Mundwerbung bzw. WOM, gesprochen.

Abb. 5: Ausprägungsformen und Initiatoren von Kundenempfehlungen

Quelle: In Anlehnung an Helm 2005, S. 283.

Eine zusätzliche Differenzierung bietet Diller (1995, S. 42 zitiert nach Helm 2005, S. 283) durch die Abgrenzung von aktivem und passivem Empfehlungsverhalten. Aktives Empfehlungsverhalten beschreibt er als die eigeninitiierte Weitergabe von Erfahrungen durch einen Kunden. Dem entgegen geht bei passivem Empfehlungsverhalten die Initiative von einer dritten Person oder einem Anbieter aus. Helm (2005, S. 283) nimmt hierzu an, dass eine stärkere Kundenbindung an einen Anbieter die Wahrscheinlichkeit einer aktiven Empfehlung ebenso erhöht wie die Bereitschaft, einem potentiellen Kunden Auskunft zu geben.

2.3.2 Bindungswirkungen von Kundenempfehlungen

Eine Kundenempfehlung ist stets ein Kommunikationsprozess von mindestens zwei Personen, bestehend aus einem Sender (Kommunikator) und einem Empfänger (Rezipienten). Im Kontext von Mundwerbung ist es dabei möglich, dass ein Empfänger später zu einem Sender wird (Helm 2005, S. 285). Der Empfänger kann grundsätzlich entweder ein aktueller oder ein potentieller Kunde sein, wobei für einen Kommunikator die Position eines aktuellen Kunden Voraussetzung ist.

Traditionell werden Wirkungen von Empfehlungen mit Blick auf den Rezipienten untersucht. Je nachdem welcher Status dem Rezipienten zukommt, ist nach Helm (2005, S. 285) eine unterschiedliche Bindungswirkung zu verzeichnen. Für den potentiellen Kunden als bisherigen Nichtkäufer kann dabei ein Initialeffekt zum Ersterwerb entstehen. Dieser führt in einem ersten Schritt zum Kauf des angesprochenen Produktes und kann in einem nächsten Schritt sogar für eine Bindung des Kunden an die entsprechende Marke sorgen. In diesem Zusammenhang gibt es nach entsprechenden Ausführungen von Helm (2005, S. 286) verschiedene Annahmen. Je stärker die Verbundenheit des Kommunikators mit der Marke ist, desto höher sind seine Empfehlungsbereitschaft und auch die Wirkung auf den Rezipienten. Weiterhin können per Empfehlung gewonnene Kunden effektiver und effizienter an das Unternehmen gebunden werden. Eine umfassende empirische Bestätigung für diese Zusammenhänge fehlt jedoch bisher noch. Hinsichtlich eines aktuellen Kunden als Empfänger von WOM ergeben sich mögliche dämpfende oder verstärkende Wirkungen auf seine derzeitige Bindung gegenüber der entsprechenden Marke. So kann durch positiven Bericht eines anderen Konsumenten die eigene positive Haltung bestärkt oder eine negative Position abgeschwächt werden. Allerdings ist für den Fall hoher bestehender Markentreue des Konsumenten eine lediglich geringe Auswirkung festzustellen, nahezu keine bei extrem negativer WOM (Herr/Kardes/Kim 1991, S. 459). Christiansen und Tax (2000, S. 188) konstatieren, dass die Empfehlungen anderer weniger relevant sind als eigene Erfahrungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Bindungswirkungen von Kundenempfehlungen

Quelle: In Anlehnung an Helm 2005, S. 285.

Neben der Betrachtung der Auswirkungen von WOM auf den Rezipienten ist dabei in Bezug auf das Ziel dieser Arbeit und mit Blick auf das spätere Experiment besonders die Wirkung auf den Kommunikator von Bedeutung (Abbildung 6). Für diesen Zusammenhang existieren verhältnismäßig wenig Erkenntnisse und Studien. Helm (2005, S. 285 f.) geht von dem Zirkel aus, dass eine „Kundenbindung des Kommunikators (…) zu Kundenempfehlungen führt, mittels derer der Kommunikator stärker verbunden“ werden kann. Mit Blick auf die Problemstellung dieser Arbeit ergibt sich die Frage, ob die in einer Kundenempfehlung begründete Bindung des Konsumenten an das empfohlene Gut stark genug ist, um den Motivationsfaktoren zum Variety Seeking entgegenzuwirken. So kann das Verhältnis zwischen Kundenempfehlungen und dem Grad der Kundenbindung grundsätzlich z. B. durch die Begeisterung für den Anbieter bzw. sein Produkt (Biyalogorski/Gerstner/Libai 2001, S. 84) oder die Motivation des Empfehlenden beeinflusst werden (Sundaram/Mitra/Webster 1998, S. 530 f.). Mögliche Motivationen sind nach Arndt (1967, S. 49) Altruismus, instrumentelle Motivation, Selbstschutz, Eigenbezug, kognitive Klarstellung und Reduktion der kognitiven Dissonanz. Auch Helm (2000, S. 42) stellt als Beweggründe den altruistischen Nutzen sowie das Auskosten eines Expertenstatus und die Dissonanzreduktion heraus. Letztere liefert somit einen Erklärungsansatz für die Abgabe einer Kundenempfehlung und wird im folgenden Teil der Arbeit in Verbindung mit Variety Seeking Verhalten als möglicher Erklärungsansatz intensiver analysiert.

2.4 Zusammenfassung

Das vorherige Kapitel hat die grundlegenden Inhalte der Kundenbindung, des Variety Seeking und der Kundenempfehlung dargestellt. Hinsichtlich der Kundenbindung wurde erläutert, dass in der Literatur verschiedene Begriffsverständnisse existieren. Hierzu wurden mit Bezug auf Eggert (2000, S. 119) drei unterschiedliche Definitionsansätze vorgestellt. Ferner kann grundsätzlich zwischen einer anbieterorientierten sowie eine kundenorientierten Sichtweise unterschieden werden. Als Grundlage dieser Arbeit dient letztlich die Definition von Peter (2001, S. 8): Kundenbindung ist die „Realisierung oder Planung wiederholter Transaktionen zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer innerhalb eines in Abhängigkeit von der Art der Transaktion bestimmten Zeitraums“.

Nach der Festlegung auf diese Definition erfolgte eine Unterscheidung der Kundenbindung in Gebundenheit und Verbundenheit in Anlehnung an Bliemel und Eggert (1998, S. 37-46). Die Gebundenheit beschreibt das zwanghafte Verweilen des Kunden bei einem Anbieter oder einer Marke auf Grund von Wechselbarrieren. Im Gegensatz dazu stellt die Verbundenheit dar, dass Kunden basierend auf Zufriedenheit ihrem Anbieter treu bleiben. Es wurde betont, dass für diese Arbeit der Zustand der Verbundenheit von besonderer Bedeutung ist, da eine Empfehlung aus einem Gefühl der Zufriedenheit mit dem empfohlenen Anbieter abgegeben werden soll.

Als determinierende Faktoren für die Kundenbindung wurden mit Bezug auf Eggert (1999, S. 36) die Kundenzufriedenheit, das Ausmaß der spezifischen Investitionen, die Attraktivität des Konkurrenzangebotes und die Unsicherheit des Kunden genannt. Als weitere in der Literatur vorgestellte Faktoren wurden exemplarisch die Kundenloyalität, die Handlungskontrolle, das Involvement sowie die Wichtigkeit eines Produktes angesprochen.

Für das Konzept des Variety Seeking wurde in einem ersten Schritt auf das nötige Begriffsverständnis eingegangen. Als unterschiedliche Definitionsrichtungen unterscheiden verschiedene Autoren eine individuen-, eine produkt- und eine produkteigenschaftsspezifische Perspektive. Es ist festzuhalten, dass Variety Seeking als ein spezieller Fall des allgemeinen Wechselverhaltens aus einem Bedürfnis nach Abwechslung an sich stattfindet, also trotz Zufriedenheit mit den bisher erworbenen Produkten. Je nach subjektiven oder objektiven Charakteristika des betroffenen Gutes ist dabei ein Wechsel mehr oder weniger wahrscheinlich. Als ein in einem kurz- bis mittelfristigen Zeitraum auftretendes Phänomen ist das Variety Seeking von zeitpunktbezogenem (hybrides Kaufverhalten) und mittel- bis langfristigem Wechselverhalten (z. B. Wertewandel) abzugrenzen.

Einflüsse auf das Variety Seeking ergeben sich aus personen- und produktbezogenen sowie situativen Faktoren. Unter personenbezogene Faktoren sind Merkmale bzw. Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, Bildungsstand oder Einkommensniveau zu verstehen. Je nach Ausprägung ist von einer Begünstigung des Wechselverhaltens auszugehen. Bei produktbezogenen Faktoren wird das Wechselverhalten von subjektiv und objektiv wahrgenommenen Aspekten wie beispielsweise dem empfundenen Risiko des Kaufs oder der Anzahl an Alternativen beeinflusst. Zudem ergeben sich Einflüsse durch die jeweilige Situation des Kaufs und hiermit verbundenen Anschaffungen.

Die vorgestellten Motivationsfaktoren basieren auf verschieden theoretischen Ansätzen. Näher erläutert wurden der „external-situation“-Ansatz, der „satiation/stimulation“-Ansatz und der „future-preference-uncertainty“-Ansatz. Diese drei Ansätze versuchen auf unterschiedliche Arten das Variety Seeking Verhalten von Konsumenten zu erklären. Beim ersten Ansatz reagiert der Konsument mit einem Wechsel seines Kaufverhaltens auf Veränderungen äußerer Einflüsse (z. B. neue Produktalternativen). Der zweite Ansatz geht davon aus, dass ein Konsument ein individuelles Stimulationsniveau hat. Durch ein entsprechendes Wechselverhalten versucht er, dieses Niveau durch neue Reize in optimaler Weise zu erreichen bzw. zu halten. Der dritte Ansatz schließlich sieht im Variety Seeking eine Reaktion auf eine Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Bedürfnisse. Der Konsument versucht seine voraussichtlichen Bedürfnisse bereits zum Kaufzeitpunkt durch Produktdiversifikation zu berücksichtigen.

Auch das Konzept der Kundenempfehlung unterliegt der Problematik des Fehlens einer einheitlichen Definition des Empfehlungsbegriffs. Diese Arbeit folgt dem Verständnis von Helm (2000, S. 7), eine Kundenempfehlung als „negative, neutrale oder positive Berichterstattungen über die objektiv und/oder subjektiv wahrgenommenen Merkmale einer Anbieterleistung bzw. eines Anbieters selbst im privaten und/oder geschäftlichen Umfeld des Kunden“ zu verstehen. Als Differenzierungen von Kundenempfehlungen im weiteren Sinne wurden die Mundwerbung sowie Referenzen unterschieden. Die Initiative kann von potentiellen oder aktuellen Kunden oder, im Fall der Referenzen, auch vom Anbieter ausgehen.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836622332
DOI
10.3239/9783836622332
Dateigröße
670 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Paderborn – Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2008 (November)
Note
1,3
Schlagworte
variety seeking kundenempfehlung kundenbindung dissonanztheorie kommunikator
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Titel: Der Zusammenhang zwischen der Abgabe einer Kundenempfehlung und dem Variety Seeking Verhalten des Kommunikators
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