Didaktische Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung des Lernens in Online-Seminaren
Tutorielle Maßnahmen zur Föderung und Unterstützung des Lernens in Online-Seminaren
©2007
Magisterarbeit
134 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Problemstellung:
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien bieten ein breites Spektrum computervermittelten Lernens. Aufgrund der virtuellen Vernetzung lassen sich Lernformen realisieren, welche die Gefahr des isolierten Lernens hinsichtlich virtueller Lernumgebungen überwinden, indem erweiterte Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation mit anderen Lernenden sowie dem Lehrenden zur Verfügung stehen. Kommunikation stellt sich aber nicht allein dadurch ein, dass die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Die neuen Technologien ermöglichen zwar eine Verbesserung der Lehr-Lernsituation an Hochschulen (Orts- und Zeitunabhängigkeit des Lernens und Unterrichtens, höhere Qualität der Lehre, etc.), jedoch stellt der Einsatz computervermittelter Lernumgebungen auch hohe Anforderungen an Studierende und Dozenten. Die Rolle des Dozenten verschiebt sich dabei von der traditionellen Wissensvermittlung hin zu Informationscoaching (Orientierung schaffen), Moderation (Kommunikation steuern) und Betreuung (motivieren und Isolation entgegenwirken) der virtuellen Lernprozesse. Von den Studierenden werden hingegen deutlich mehr Eigenverantwortung hinsichtlich Aktivität, Selbststeuerung und Kontrolle ihrer Lernprozesse verlangt. Aufgrund spezifischer Defizite hypertextbasierter Lernumgebungen wie Orientierungsverlust (lost in hyperspace), Schwierigkeiten beim Auffinden von relevanten Informationen, Verunsicherung des Nutzers durch Angebotsfülle und Unübersichtlichkeit sollten Lernende nicht einfach zusammengesetzt und sich selbst überlassen werden. In herkömmlichen Präsenzveranstaltungen bewährte Lernformen können hierbei nicht direkt auf virtuelle Lernszenarien angewandt werden, da eine Übertragung traditioneller Didaktik auf virtuelle Lehr-Lernszenarien nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Lehre führt.
Virtuelle Seminare (an den Hochschulen und in Weiterbildungsmaßnahmen) gleichen noch häufig einem Informationspool multimedial aufbereiteten Materials, mit dem sich die einzelnen Teilnehmer beschäftigen, um es passiv zu rezipieren. Um also den Studierenden aktive und selbstgesteuerte Lernprozesse in virtuellen Lernumgebungen zu ermöglichen kommt einer angemessenen instruktionalen Unterstützung eine herausragende Bedeutung zu. In dieser Hinsicht wird dem Online-Tutor für Prozesse netzbasierter Wissensvermittlung eine entscheidende Rolle zugeschrieben, da sich Teilnehmer virtueller Seminare i.d.R. stark an dem Lehrenden orientieren […]
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien bieten ein breites Spektrum computervermittelten Lernens. Aufgrund der virtuellen Vernetzung lassen sich Lernformen realisieren, welche die Gefahr des isolierten Lernens hinsichtlich virtueller Lernumgebungen überwinden, indem erweiterte Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation mit anderen Lernenden sowie dem Lehrenden zur Verfügung stehen. Kommunikation stellt sich aber nicht allein dadurch ein, dass die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Die neuen Technologien ermöglichen zwar eine Verbesserung der Lehr-Lernsituation an Hochschulen (Orts- und Zeitunabhängigkeit des Lernens und Unterrichtens, höhere Qualität der Lehre, etc.), jedoch stellt der Einsatz computervermittelter Lernumgebungen auch hohe Anforderungen an Studierende und Dozenten. Die Rolle des Dozenten verschiebt sich dabei von der traditionellen Wissensvermittlung hin zu Informationscoaching (Orientierung schaffen), Moderation (Kommunikation steuern) und Betreuung (motivieren und Isolation entgegenwirken) der virtuellen Lernprozesse. Von den Studierenden werden hingegen deutlich mehr Eigenverantwortung hinsichtlich Aktivität, Selbststeuerung und Kontrolle ihrer Lernprozesse verlangt. Aufgrund spezifischer Defizite hypertextbasierter Lernumgebungen wie Orientierungsverlust (lost in hyperspace), Schwierigkeiten beim Auffinden von relevanten Informationen, Verunsicherung des Nutzers durch Angebotsfülle und Unübersichtlichkeit sollten Lernende nicht einfach zusammengesetzt und sich selbst überlassen werden. In herkömmlichen Präsenzveranstaltungen bewährte Lernformen können hierbei nicht direkt auf virtuelle Lernszenarien angewandt werden, da eine Übertragung traditioneller Didaktik auf virtuelle Lehr-Lernszenarien nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Lehre führt.
Virtuelle Seminare (an den Hochschulen und in Weiterbildungsmaßnahmen) gleichen noch häufig einem Informationspool multimedial aufbereiteten Materials, mit dem sich die einzelnen Teilnehmer beschäftigen, um es passiv zu rezipieren. Um also den Studierenden aktive und selbstgesteuerte Lernprozesse in virtuellen Lernumgebungen zu ermöglichen kommt einer angemessenen instruktionalen Unterstützung eine herausragende Bedeutung zu. In dieser Hinsicht wird dem Online-Tutor für Prozesse netzbasierter Wissensvermittlung eine entscheidende Rolle zugeschrieben, da sich Teilnehmer virtueller Seminare i.d.R. stark an dem Lehrenden orientieren […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Axel Pathe
Didaktische Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung des Lernens in Online-
Seminaren
Tutorielle Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung des Lernens in Online-Seminaren
ISBN: 978-3-8366-1907-3
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Ludwig-Maximilian-Universität München, München, Deutschland, Magisterarbeit,
2007
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http://www.diplom.de, Hamburg 2008
Printed in Germany
i
Inhaltsverzeichnis
1
Problemstellung und Ziel der Arbeit... 1
2
Lernen im virtuellen Seminar... 4
2.1
Potentiale des virtuellen Lernens ...4
2.2
Begriffsbestimmung - virtuelles Seminar ...6
2.3
Didaktisch-methodische Gestaltung virtueller Seminare...8
2.3.1
Konstruktivistische Lernphilosophie...8
2.3.2
Problemorientierte Gestaltungsprinzipien ...10
2.3.3
Gestaltungsprinzipien virtueller Lernumgebungen...11
2.4
Charakteristika des Lernens in virtuellen Seminaren ...13
2.4.1
Selbstgesteuertes Lernen...13
2.4.2
Kooperatives Lernen...15
2.4.3
Probleme des selbstgesteuerten und kooperativen Lernens...19
3
Tutorielle Unterstützung im virtuellen Seminar... 22
3.1
Dimensionen instruktionaler Unterstützung durch den Online-Tutor ...22
3.1.1
Motivationale Aspekte...22
3.1.2
Soziale Aspekte (Sozialer Kontext: Kooperative Aufgaben, gemeinsame
aufgabe/Strukturierung der Interaktion, Nistor, Koalah, S.55, 47, 48...24
3.1.3
Kognitive Aspekte...26
3.2
Aufgaben des Tutors...29
3.2.1
Voraussetzungen herstellen...29
3.2.2
Motivationale Förderung und Unterstützung...30
3.2.3
Soziale Förderung und Unterstützung ...32
3.2.4
Kognitive Förderung und Unterstützung ...33
3.3
Basiskompetenzen des Tutors ...34
3.3.1
Persönlichkeitskompetenz...34
3.3.2
Medien- und technische Kompetenz ...35
3.3.3
Methodisch-didaktische Kompetenz ...35
3.3.4
Sozialkompetenz ...36
3.3.5
Fachkompetenz...37
ii
4
Das 5-Stufen-Modell und E-tivities... 38
4.1.1
Zugang und Motivation ...40
4.1.2
Online-Sozialisation ...41
4.1.3
Informationsaustausch ...43
4.1.4
Wissenskonstruktion...44
4.1.5
Entwicklung ...45
5
Beschreibung des Online-Seminars: ,,Entwicklung und Implementation
virtueller Lehr-Lernumgebungen" ... 47
5.1
Rahmenbedingungen des Seminars ...47
5.2
Ziele und Inhalte des Seminars ...48
5.3
Der Seminarablauf ...52
5.4
Die pädagogisch-psychologische Gestaltung der virtuellen Lernumgebung
...54
5.5
Die technische Realisierung der virtuellen Lernumgebung ...64
6
Fragestellungen... 66
7
Vorgehen zur Analyse des Online-Seminars: ,,Entwicklung und
Implementation virtueller Lehr-Lernumgebungen"... 69
7.1
Stichprobe und Datenerhebung ...69
7.2
Datenauswertung...70
7.2.1
Herstellung von Voraussetzungen...71
7.2.2
Motivationale Förderung und Unterstützung...72
7.2.3
Soziale Förderung und Unterstützung ...74
7.2.4
Kognitive Förderung und Unterstützung ...76
8
Ergebnisse ... 78
8.1
Fragestellung 1: Tutorielle Maßnahmen zur Herstellung von
Voraussetzungen...78
8.2
Fragestellung 2: Tutorielle Maßnahmen zur motivationalen Förderung
und Unterstützung...81
iii
8.3
Fragestellung 3: Tutorielle Maßnahmen zur sozialen Förderung und
Unterstützung ...86
8.4
Fragestellung 4: Tutorielle Maßnahmen zur kognitiven Förderung und
Unterstützung ...91
9
Zusammenfassung und Diskussion... 97
9.1
Tutorielle Maßnahmen zur Unterstützung von Lernenden in Online-
Seminaren ...97
9.2
Ausblick ...106
Abbildungsverzeichnis ... 107
Tabellenverzeichnis... 108
Literaturverzeichnis... 109
Anhang... 125
Anhang I: E-Mails des Online-Tutors ...125
Problemstellung und Ziel der Arbeit
1
1
Problemstellung und Ziel der Arbeit
Problemstellung
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien bieten ein breites Spektrum computer-
vermittelten Lernens. Aufgrund der virtuellen Vernetzung lassen sich Lernformen realisieren,
welche die Gefahr des isolierten Lernens hinsichtlich virtueller Lernumgebungen überwinden,
indem erweiterte Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation mit anderen Lernenden
sowie dem Lehrenden zur Verfügung stehen. Kommunikation stellt sich aber nicht allein da-
durch ein, dass die technischen Voraussetzungen gegeben sind (Kerres, 2001). Die neuen
Technologien ermöglichen zwar eine Verbesserung der Lehr-Lernsituation an Hochschulen
(Orts- und Zeitunabhängigkeit des Lernens und Unterrichtens, höhere Qualität der Lehre,
etc.), jedoch stellt der Einsatz computervermittelter Lernumgebungen auch hohe Anforderun-
gen an Studierende und Dozenten. Die Rolle des Dozenten verschiebt sich dabei von der tra-
ditionellen Wissensvermittlung hin zu Informationscoaching (Orientierung schaffen), Mode-
ration (Kommunikation steuern) und Betreuung (motivieren und Isolation entgegenwirken)
der virtuellen Lernprozesse. Von den Studierenden werden hingegen deutlich mehr Eigenver-
antwortung hinsichtlich Aktivität, Selbststeuerung und Kontrolle ihrer Lernprozesse verlangt.
Aufgrund spezifischer Defizite hypertextbasierter Lernumgebungen wie Orientierungsverlust
(lost in hyperspace), Schwierigkeiten beim Auffinden von relevanten Informationen, Verunsi-
cherung des Nutzers durch Angebotsfülle und Unübersichtlichkeit sollten Lernende nicht ein-
fach zusammengesetzt und sich selbst überlassen werden (Tergan, 2003). In herkömmlichen
Präsenzveranstaltungen bewährte Lernformen können hierbei nicht direkt auf virtuelle Lern-
szenarien angewandt werden, da eine Übertragung traditioneller Didaktik auf virtuelle Lehr-
Lernszenarien nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Lehre führt.
Virtuelle Seminare (an den Hochschulen und in Weiterbildungsmaßnahmen) gleichen noch
häufig einem Informationspool multimedial aufbereiteten Materials, mit dem sich die einzel-
nen Teilnehmer beschäftigen, um es passiv zu rezipieren. Um also den Studierenden aktive
und selbstgesteuerte Lernprozesse in virtuellen Lernumgebungen zu ermöglichen kommt ei-
ner angemessenen instruktionalen Unterstützung eine herausragende Bedeutung zu. In dieser
Hinsicht kommt dem Online-Tutor für Prozesse netzbasierter Wissensvermittlung eine ent-
scheidende Rolle zugeschrieben (Nistor & Mandl, 1997), da sich Teilnehmer virtueller Semi-
nare i.d.R. stark an dem Lehrenden orientieren und die kommunikativen Prozesse zwischen
Lehrendem und Lerner sowohl der Wissensvermittlung als auch motivationaler Unterstützung
Problemstellung und Ziel der Arbeit
2
dienen. Aus diesem Grund besteht für Online-Tutoren über das fachliche Wissen hinaus die
Aufgabe eines persönlichen Engagements hinsichtlich des Lehrmaterials und einer empathi-
schen Einstellung für die Studierenden, um dadurch die Akzeptanz für strukturierte Lernvor-
gaben und Hilfsangebote zu erhöhen (Geyken, Mandl & Reiter, 1995; Salmon, 2005). Hieraus
wird ersichtlich, dass Betreuung im Telelernen ein zentrales Thema der Didaktik computerun-
terstützten Lernens darstellt. Insbesondere betrifft dies die (Neu-) Definition der wesentli-
chen Aufgaben und Kompetenzen eines Online-Tutors (Reglin, 1997). Diese lässt sich sowohl
auf Basis theoretischer Überlegungen als auch empirisch anhand von Evaluationen zum
Selbstverständnis von Tele-Tutoren ableiten (Rautenstrauch, 2001a; Ulmer & Bahl, 2002).
Der übereinstimmende Konsens hierbei bezieht sich auf die Auffassung des Lehrenden als
,,learning facilitator" bzw. Lernberater (Kerres, 2001). Ausgehend von einer konstruktivis-
tisch geprägten Didaktik und der mediumspezifischen Besonderheiten des Online-Lernens
lassen sich für Tele-Tutoren hinsichtlich ihrer Betreuungsaufgaben komplexe und differen-
zierte Rollen identifizieren, die sowohl pädagogische als auch soziale, organisatorische und
technische Bereiche umfassen (Berge, 2000). Jedoch gibt es bis jetzt nur wenig systematische
Studien hinsichtlich der komplexen Aufgabenfelder und tutoriellen Maßnahmen in virtuellen
Seminaren. Auch liegen bislang wenig konkrete Hinweise aus der Literatur vor , welche Ein-
zel- und Gruppenprozesse in virtuellen Veranstaltungen gefördert werden sollten (Schnurer,
2005). Es besteht also diesbezüglich noch ein umfassender Forschungsbedarf, um tutorielle
Unterstützung in virtuellen Seminaren zu optimieren (Zawacki-Richter, 2001).
Ziel dieser Arbeit
Ausgehend von den Problemen beim virtuellen Lernen ist es das Ziel dieser Arbeit theoriege-
leitet tutorielle Kompetenzen und Aufgaben zu beschreiben. Hierzu wird das Online-Seminar:
,,Entwicklung und Implementation virtueller Lehr-Lernumgebungen" untersucht, das im
Sommersemester 2007 an der VHB/LMU durchgeführt wurde. Dabei wurden anhand der the-
oretischen Vorüberlegungen Kategorien tutorieller Unterstützung entwickelt und anschlie-
ßend auf das untersuchte virtuelle Seminar angewendet. So konnte der Frage nachgegangen
werden, inwieweit die bisherigen theoretischen und empirischen Forschungsbefunde bezüg-
lich tutorieller Unterstützung (Berge, 1995; Rautenstrauch, 2001a; Ulmer & Bahl, 2002) sich
im Rahmen des untersuchten Seminars bestätigen lassen.
Problemstellung und Ziel der Arbeit
3
Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit gliedert sich in zwei Haupteile, wobei im ersten Teil (2.-4. Kapitel) zum einen
das Lernen in virtuellen Seminaren hinsichtlich spezifischer Potentiale, methodisch-
didaktischer Gestaltung und Charakteristika selbstgesteuerten und kooperativen Lernens aus-
führlich dargestellt wird (2. Kapitel). Zum anderen wird die tutorielle Unterstützung in virtu-
ellen Seminaren anhand der Aufgabenbereiche eines Online-Tutors näher bestimmt, wobei
hierzu die Dimensionen instruktionaler Unterstützung (motivational, sozial und kognitiv) zu-
grunde gelegt werden. Ferner erfolgt eine Beschreibung der Basiskompetenzen eines Online-
Tutors, die für eine effektive Betreuung virtuellen Lernens erforderlich sind (3. Kapitel).
Schließlich wird anhand der Beschreibung des 5-Stufen-Modells und der E-tivities nach Sal-
mon (2005) der Verlauf eines Online-Seminars prozeßhaft dargestellt (4. Kapitel).
Im zweiten Hauptteil (5.-9. Kapitel) wird zuerst das Online-Seminar: ,,Entwicklung und
Implementation virtueller Lehr-Lernumgebungen" eingehend beschrieben (5. Kapitel), bevor
einige zentrale Fragestellungen zur Untersuchung des Seminars formuliert werden (6. Kapi-
tel). Im Anschluss daran folgt eine Erläuterung der Vorgehensweise zur Analyse des unter-
suchten Online-Seminars. Hierbei werden entsprechend der Dimensionen instruktionaler Un-
terstützung (motivational, sozial, kognitiv) Kategorien zur tutoriellen Unterstützung entwi-
ckelt (7. Kapitel), um diese im Ergebnisteil (8. Kapitel) durch Anwendung auf das virtuelle
Seminar näher zu veranschaulichen und dadurch die Bedeutung der tutoriellen Unterstüt-
zungsmaßnahmen zu erfassen. Zum Abschluss werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund
der theoretischen Ausführungen diskutiert (9. Kapitel).
Lernen im virtuellen Seminar
4
2
Lernen im virtuellen Seminar
2.1
Potentiale des virtuellen Lernens
Die Potentiale neuer Medien liegen in der Gestaltung von virtuellen Lernumgebungen, die
vielfältige Möglichkeiten für neue Lehr-Lernformen bieten. Online-Lernen zeichnet sich ge-
genüber traditionellen Formen des Lehrens und Lernens bezüglich der räumlich und zeitlich
unabhängigen Kommunikationsbedingungen, Flexibilisierung, Interaktivität und anschauli-
chen Präsentation von Lerninhalten aus. Darüber hinaus besteht sowohl die Möglichkeit zur
Individualisierung von Lernprozessen als auch zu neuen Kooperationsformen (Fischer &
Mandl, 2002; Euler, 2005).
Örtlich verteilte Lerngemeinschaften ermöglichen neue Formen der sozialen Vernetzung,
während die zeitliche Unabhängigkeit eine Innovation gegenüber dem konventionell simulta-
nen und unmittelbaren Lernen bedeutet (Hesse, Mandl, Reinmann-Rothmeier & Ballstaedt,
2000).
Durch die Interaktivität (z.B. Navigations Hypertext, Simulationsprogramme, Feedbacksys-
teme, Tests zur Selbstkontrolle, etc.) virtueller Lernumgebungen lassen sich vor allem kogni-
tive Lernprozesse individuell fördern, wodurch zum einen eine differenzierte Berücksichti-
gung unterschiedlicher Kompetenzniveaus und zum anderen eine Neuorganisation von Wis-
sensstrukturen (conceptual change) ermöglicht wird (Fischer & Mandl, 2002; Tergan, 2003;
Euler, 2005).
Durch die vielfältigen und realitätsnahen Präsentationsformen (z.B. Audio-, Videosequenzen,
etc.) lassen sich authentische und multiperspektivische Kontexte optimal veranschaulichen.
Außerdem vermag beispielsweise die Mischung unterschiedlicher Zeichensysteme (z.B. Hy-
pertext, Audio, Video) Lerner mit geringerem Vorwissen deutlich in ihren virtuellen Lernpro-
zessen zu unterstützen (Fischer & Mandl, 2002). Nach Mayer (1999) lässt sich besonders
durch die gleichzeitige Vermittlung von Bild und Text der Transfer des präsentierten Lernma-
terials optimieren (contiguity principles). Die Bereitstellung gesprochener Sprache (z.B. Ex-
perten-Interviews, Anweisungen, etc.) zeichnet sich gegenüber textbasierter Vermittlung der
Inhalte dadurch aus, dass die visuelle Aufmerksamkeit nicht aufgespaltet wird und dadurch
mehr Verarbeitungskapazität für den Inhalt zur Verfügung steht. Offene hypermediale Lern-
umgebungen ermöglichen flexible Formen des selbstgesteuerten Lernens, in denen der Lerner
Lernen im virtuellen Seminar
5
hinsichtlich der Ziel-, Inhaltsauswahl, Lerngeschwindigkeit und Lernorganisation seinen
Lernprozess eigenverantwortlich gestalten kann (Simons, 1992; Euler, 2005).
Vor allem aber bezüglich kollaborativen und kooperativen Lernens weisen virtuelle Lernum-
gebungen ein hohes Innovationspotential auf (Dillenbourg, Baker et al., 1996). Die intensive
Teamarbeit kann sowohl asynchron als auch synchron erfolgen, was sich gerade bei problem-
orientierten Aufgabenstellungen aufgrund ihrer Komplexität als Vorteil für die gemeinsame
Wissenskonstruktion erweist (Hasanbegovic, 2005; Euler, 2005). So ließ sich in hypertextba-
sierten, asynchronen Lernszenarien eine deutlich höhere Diskursbeteiligung gegenüber tradi-
tionellen Settings feststellen (Hsi & Hoadley, 1997). Gerade die sogenannte ,,dosierte Ano-
nymität" virtueller Lernumgebungen motiviert sonst eher schüchterne bzw. zurückhaltende
Teilnehmer bisweilen zu erhöhtem Engagement, da die Möglichkeit sich zu blamieren nicht
so schwer ins Gewicht fällt (Euler, 2005).
Überdies ließ sich für die Verwendung problemorientierter Lernsoftware eine intrinsisch mo-
tivierte Bearbeitung domänespezifischer Fälle nachweisen (Gräsel et al, 1994). Bei angemes-
sener didaktischer Strukturierung in Form multipler Kontexte lässt sich ein hoher Anwen-
dungsbezug herstellen, der die Flexibilität und den Transfer des Gelernten sicherstellt. Die
sozialen Lernformen des kooperativen Lernens und Problemlösens fördern schließlich auch
eine zunehmende Enkulturation im Lernprozess (Hasanbegovic, 2005). Vor allem ist das vir-
tuelle Lernen für den anwendungsbezogenen Erwerb von Medienkompetenz geeignet, wobei
die Prozesse in virtuellen Lernszenarien sowohl das Medium als auch das Ziel darstellen
(Rautenstrauch, 2001a). Damit die Potenziale von virtuellen Lernangeboten jedoch zum Tra-
gen kommen, müssen lernrelevante Kontexte virtueller Lernumgebungen - wie z.B. individu-
eller Lernkontext, Anwendungskontext, pädagogischer Kontext und technologischer Kontext
- berücksichtigt werden (Tergan, Hron & Mandl, 1992).
Multi - und hypermediales Lernen bietet sich insbesondere auch für höherwertige Wissens-
managementprozesse an, wobei die technischen Tools sowohl eine Repräsentation komplexer
und vernetzter Informationen als auch die konstruktive und selbstgesteuerte Erschließung von
Wissensressourcen begünstigen. Dabei eignen sich die neuen Informations und Kommuni-
kationsmedien hervorragend dazu, den Anforderungen anspruchsvoller Lern- und Arbeitspro-
zesse durch kooperative Wissenskommunikation zu begegnen (Reinmann Rothmeier &
Mandl, 2000; Tergan, 2003).
Durch die vielfältigen Unterstützungspotentiale beim virtuellen Lernen, die den Studierenden
anhand zahlreicher ,,Werkzeuge" ein weitgehend selbständiges Erarbeiten neuen Wissens
ermöglichen, wandelt sich auch die Rolle des Lehrers vom klassischen informationsvermit-
Lernen im virtuellen Seminar
6
telnden Dozenten zu einem Lernberater. Diese neue Rolle zeichnet sich vor allem durch An-
regung, Coaching und Unterstützung selbständiger und sozialer Lernprozesse aus (Reinmann
Rothmeier, Mandl, 1994). Dabei lässt sich gerade innerhalb einer multimedialen Lernumge-
bung das Prinzip der Adaptivität (d.h. eine minimal notwendige Unterstützung, welche auf die
proximalen Entwicklungsmöglichkeiten abzielt) optimal realisieren (vgl. Vygotsky, 1974;
Brown, Ellery & Campione, 1998).
Weiterhin bestehen durch den immensen Datenpool des Internets hinsichtlich des lebenslan-
gen Lernens ganz neue Chancen für einen eigenverantwortlichen Wissenserwerb (Reinmann-
Rothmeier & Mandl, 2001). Für die Bildungsanbieter bestechen virtuelle Lernumgebungen
schließlich durch die schnelle und preiswerte Aktualisierbarkeit ihrer Informations- und Wis-
sensmodule (Euler, 2005).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Mehrwert des Lernens mit neuen Medien
sich nur realisieren lässt, wenn die Möglichkeiten neuer Lehr-Lernformen ausgeschöpft und
einer pädagogisch-didaktischen Gestaltung netzbasierter Lernumgebungen Rechnung getra-
gen wird (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001).
2.2
Begriffsbestimmung - virtuelles Seminar
Ein virtuelles Seminar lässt sich nach Friedrich & Hesse (2001) dadurch kennzeichnen, dass
es von einer Bildungsinstitution angeboten wird, die sich an eine bestimmte Zielgruppe wen-
det, um innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens Lernenden über den intensiven Austausch
mit Dozenten den Erwerb und die Auseinandersetzung mit Wissen zu ermöglichen.
Strukturell lassen sich virtuelle Seminare hinsichtlich folgender Kennzeichen differenzieren
(Schnurer, 2005):
-
Grad der Virtualisierung
-
Grad der strukturierten Informationsvermittlung
-
Art der Kommunikation
Unter Virtualität wird die Tatsache verstanden, dass Lehrende und Lernende orts- und
zeitunabhängig über einen Computer gemeinsam kommunizieren können (Döring, 2002).
Rein virtuelle Seminare zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sich die Lernprozesse
ausschließlich computerunterstützt vollziehen und keine gleichzeitige physische Präsenz
von Dozenten und Lernenden erforderlich ist. Blended-Learning-Seminare weisen durch
Lernen im virtuellen Seminar
7
die Mischung von Präsenzphasen und virtuellen Phasen eine unterschiedliche Ausprägung
an Virtualität auf. Bei reinen Präsenzseminaren besteht eine gleichzeitige physische Prä-
senz des Dozenten und Lernenden und es existiert demnach auch kein durch einen Com-
puter ,,simulierter" Lernraum. Insofern lässt sich diesbezüglich auch nicht von einem vir-
tuell vermittelten Lernprozess sprechen (Schnurer, 2005).
Der Grad der strukturierten Informationsvermittlung ist abhängig von den didaktischen
Leitbildern und Zielen des Lernens. Eine hoch strukturierte Informationsvermittlung bietet
sich in virtuellen Seminaren für Formen des individuellen Lernens an, um den Lernenden
eine Einführung zu einer Problemstellung zu ermöglichen. Auf diese Weise lässt sich op-
timal Grundlagenwissen vermitteln, das die Lernenden dann auch beispielsweise zur Lö-
sung von komplexen Aufgabenstellungen in kooperativen Lernformen verwenden können.
Bei niedrig strukturierter Informationsvermittlung hingegen werden den Lernenden nur
geringe Informationen z.B. in Form von Hypertexten bzw. Links gegeben, damit die Ler-
nenden zu der betreffenden Aufgabenstellung selbständig recherchieren und sich die Prob-
lemstellung erschließen können (Schnurer, 2005). Dies empfiehlt sich besonders bei prob-
lemorientierten Aufgaben (Zumbach, 2003).
Die Art der virtuellen Kommunikation vollzieht sich über verschiedene Kanäle und unter-
schiedliche zeitliche Parameter. Hinsichtlich der zeitlichen Parameter können Synchronie
und Asynchronie unterschieden werden (Stegbauer, 2001). Bei synchroner Kommunikati-
on stehen die Lernenden zeitgleich miteinander in Verbindung. Dies ähnelt dem Face-to-
Face Kontakt und wird in virtuellen Lernszenarien z.B. über Internet-Relay-Chats (Paech-
ter, 2003) oder Videokonferenzen (Bruhn, 2000) realisiert. Asynchrone Kommunikation
verläuft hingegen zeitverzögert und wesentlich langsamer. Hierbei kommen vor allem Fo-
rensysteme für Formen kooperativen Lernens zur Anwendung, wobei die Beiträge von
einzelnen Lernenden für alle anderen transparent sind und jederzeit kommentiert bzw. er-
weitert werden können. Dadurch bestehen optimale Voraussetzungen für eine komplexe
Wissenskonstruktion in Lerngruppen, was sich insbesondere für den Bereich der Hoch-
schule bzw. des Wissensmanagements eignet (Schnurer, 2005; Tergan, 2003).
Die für virtuelle Seminare zur Verfügung stehenden Kanäle für die Interaktion sind audi-
tive Medien, audiovisuelle Elemente und textbasierte Kommunikationsmöglichkeiten.
Auditive Elemente können dabei sowohl zur synchronen Kommunikation als auch zur
Präsentation von Information (z.B. Audio-Files) verwendet werden. Jedoch lassen sich
über auditive Präsentationen zwar paraverbale, aber keine nonverbalen Informationen
(z.B. Gestik, Mimik) übermitteln. Um diesem Defizit zu begegnen werden Video/Audio-
Lernen im virtuellen Seminar
8
Übertragungen für Filmsequenzen/Lehrclips bzw. für Videokonferenzen eingesetzt. Vi-
deokonferenzen können sich sehr positiv auf hohe Gruppen- und Einzelleistungen auswir-
ken (Bruhn, 2000; Ertl, 2003). Doch die asynchrone textbasierte Kommunikation findet
im Rahmen von virtuellen Hochschulseminaren bei weitem am häufigsten Anwendung.
Insbesondere für wissenschaftliches Erarbeiten komplexer Themen und für längere Ent-
scheidungsprozesse innerhalb von Lerngruppen hat sie sich als äußerst effektiv erwiesen
(Schulmeister, 2001). Die Teilnehmer können die Beiträge der einzelnen Studierenden re-
flektieren, ohne besonderen Zeitdruck kommentieren und eigene elaborierte Statements
liefern (Friedrich, Sesnick & Trebing, 2006).
Bisherige Forschungsergebnisse scheinen jedoch nicht den Schluss zuzulassen, dass eine
der oben genannten strukturellen Komponenten per se den Lernprozess positiv bzw. nega-
tiv beeinflussen könnte. Eine Förderung von virtuellen Lernprozessen erfolgt demnach
eher über die didaktische Gestaltung eines Online-Seminars (Schnurer, 2005), was im
Folgenden etwas näher beschrieben wird.
2.3
Didaktisch-methodische Gestaltung virtueller Seminare
Um die viel versprechenden Potenziale neuer Medien bezüglich der Förderung und Unterstüt-
zung virtueller Lernprozesse umzusetzen, bedarf es eines angemessenen didaktischen Designs
(Kerres, 2001; Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001; Schnurer, 2005). Die pädagogisch-
didaktische Förderung von Lernprozessen erfolgt zum einen direkt über instruktionale Unter-
stützung und zum anderen indirekt über die Gestaltung der Lernumgebung. Als wesentliche
und kritische Bedingung für die Qualität von computerunterstütztem Lernen in virtuellen
Lehr-Lernszenarien werden sowohl tutorielle Unterstützung (Salmon, 2005) als auch eine
angemessen gestaltete virtuelle Lernumgebung (Euler, 2005) angesehen.
Im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Medien zur Gestaltung von Lernumgebungen ist
die aktive Rolle des Lernenden zunehmend in den Vordergrund gerückt. Jedoch bleibt in Ab-
hängigkeit von den Lernvoraussetzungen und dem Lerngegenstand immer ein gewisses Maß
an Instruktion erforderlich (Gräsel, 1997).
2.3.1
Konstruktivistische Lernphilosophie
Ein naiv-technizistisches Verständnis von Wissen, wonach Informationen substanziell von
einem Sender zu einem Empfänger transportiert werden (Shannon & Weaver, 1976), erscheint
Lernen im virtuellen Seminar
9
hinsichtlich der kontextgebunden Vermittlung und Rekonstruktion von Wissen im Sinne kon-
struktivistischer Annahmen als unzureichend. Wissen entsteht demnach nicht durch eine ab-
bildhafte Übertragung von einer Person zur anderen, sondern wird durch aktive und individu-
elle Konstruktionsprozesse der Lernenden in Auseinandersetzung mit der Umwelt aufgebaut.
Dabei tritt die Rolle des Lehrenden als Wissensvermittler zugunsten eines Lernberaters in den
Hintergrund. Vielmehr steht der Lernende im Mittelpunkt des Lehr-Lerngeschehens (Gers-
tenmaier & Mandl, 1994).
Zur didaktischen Gestaltung von virtuellen Lernumgebungen ist es zunächst vorteilhaft, auf
sechs zentrale konstruktivistische Merkmale des Lernprozesses zu fokussieren (Reinmann-
Rothmeier, Mandl, 2001):
-
Lernen als aktiver Konstruktionsprozess. Der Lernprozess zeichnet sich durch aktives
und eigenverantwortliches Lernen aus, wodurch neues Wissen aufgebaut wird.
-
Lernen als konstruktiver Prozess. Neues Wissen wird durch die aktive Modifizierung
bestehender Wissensstrukturen und unter Berücksichtigung gegebenen Vorwissens
aufgebaut.
-
Lernen als emotionaler Prozess. Positive Emotionen wie Neugier, Freude bis hin zu
Flow-Erleben sind wesentlich für die Entwicklung neuen Wissens. Als nachteilig für
den Lernprozess lassen sich Angst und Stress ausmachen.
-
Lernen als selbst gesteuerter Prozess. Effektive Lernorganisation und Lernkoordinati-
on stellen die wichtigen Voraussetzungen eines selbstgesteuerten Lernprozesses dar.
-
Lernen als sozialer Prozess. Lernen erfolgt stets über eine soziale Lernform, innerhalb
derer sich kommunikative und kooperative Lernprozesse vollziehen.
-
Lernen als situativer Prozess. Der Aufbau neuen Wissens ist stets kontext- und situati-
onsabhängig, da Wissen stets in einem spezifischen Umfeld und in einer spezifischen
Situation erworben wird.
Ausgehend von einer konstruktivistischen Lernphilosophie empfiehlt sich eine problemorien-
tierte Gestaltung von Lernumgebungen, deren grundlegende Prinzipien im Folgenden näher
beschrieben werden.
Lernen im virtuellen Seminar
10
2.3.2
Problemorientierte Gestaltungsprinzipien
Reinmann-Rothmeier & Mandl (2001) heben besonders die Bedeutung einer integrativen
Lehr-Lernauffassung hervor, der sowohl kognitivistische als auch konstruktivistische An-
nahmen zugrunde liegen. Dabei wird auf eine Balance von
Instruktion und Konstruktion Wert gelegt (Linn, 1990). Diese beruht auf der Einsicht, dass
Lernen zwar sozialer und kognitiver Unterstützung bedarf, aber eine eigene Wissenskonstruk-
tion des Lerners nur über selbständige Aktivitäten zu erreichen ist. Dabei übernimmt der Leh-
rende in Abhängigkeit vom Bedarf der Lernenden verschiedene Rollen.
Beim problemorientiertem Lernen (Problem-based-Learning) werden ausgehend von den
Vorkenntnissen und dem Informationsbedarf der Lernenden die Lernziele definiert, bevor das
Problem schließlich durch das Bearbeiten in Kleingruppen mit Hilfe tutorieller Unterstützung
gelöst wird.
INSTRUKTION
Unterrichten i.S.v. anregen, unterstützen
und beraten sowie anleiten, darbieten und erklären ...
Situativer Wechsel zwischen reaktiver
und aktiver Position des Lehrenden.
INSTRUKTION
Unterrichten i.S.v. anregen, unterstützen
und beraten sowie anleiten, darbieten und erklären ...
Situativer Wechsel zwischen reaktiver
und aktiver Position des Lehrenden.
KONSTRUKTION
Lernen als konstruktiver, selbstgesteuerter, sozialer
und emotionaler Prozess.
Wechsel zwischen vorrangig aktiver
und zeitweise rezeptiver Position des Lernenden.
KONSTRUKTION
Lernen als konstruktiver, selbstgesteuerter, sozialer
und emotionaler Prozess.
Wechsel zwischen vorrangig aktiver
und zeitweise rezeptiver Position des Lernenden.
Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen
Abbildung 1: Gestaltung problemorientierter Lernumgebungen (Reinmann-Rothmeier
& Mandl, 2001a)
Problemorientierte Lehr-Lern-Modelle zeichnen sich durch authentische (realitätsnahe) und
offene Aufgabenstellungen aus, die beispielsweise durch Simulationen, Planspiele oder Fall-
Lernen im virtuellen Seminar
11
beispiele umgesetzt werden. Dabei dienen eine komplexe und realitätsnahe Ausgangssituation
bzw. ein entsprechendes Fallbeispiel als narrativer Anker, der im Zentrum des Lehrens und
Lernens steht. Als eine besonders herausragende Umsetzung problemorientierten Lernens
lässt sich das ,,Lernen in Lernzyklen" nach Schwartz, Lin, Brophy & Bransford (1999) be-
zeichnen, bei dem das Ziel des projektorientierten Lernens in Zyklen mit zunehmenden
Schwierigkeitsgraden erarbeitet wird.
2.3.3
Gestaltungsprinzipien virtueller Lernumgebungen
Aufgrund empirischer Ergebnisse bei der Gestaltung von Lernumgebungen (Cognition and
Technology Group at Vanderbilt, 1991; Spiro, Coulson, Feltovich & Anderson, 1988; Collins,
Brown & Newman, 1989) fokussieren Reinmann-Rothmeier & Mandl (2001) auf folgende
gemäßigt konstruktivistische Gestaltungsprinzipien, auf denen problemorientiertes Lernen
basiert (Bransford, Brown & Cocking, 1999; Jonassen & Land, 2000; Koschmann, 1994):
Authentizität und Anwendungsbezug
Lernende sollten bei der Lösung ihrer Aufgaben möglichst mit realen Problemen und authen-
tischen Situationen konfrontiert werden. Durch das persönliche Interesse der Lernenden wird
die intrinsische Motivation erhöht und ein praktischer Anwendungsbezug ermöglicht (Schank,
1994; Zumbach, 2006).
In virtueller Lernumgebung können authentische Aufgabenstellungen z.B. darin bestehen,
dass sich die Lernenden mit Hilfe der neuen Medien sich Informationen im Internet erschlie-
ßen, die sie sonst nur auf eine äußerst umständliche Weise beziehen könnten (Guthrie & Mo-
senthal, 1987). Auch Simulationen, Fallbeispiele und entsprechende Transferfälle eignen sich
für eine praxisnahe Präsentation und anwendungsorientierte Vertiefung von Problemen (Seu-
fert & Seufert, 1998).
Multiple Kontexte und Perspektiven
Aufgabenstellungen sollten möglichst in multiple Kontexte einbettet werden, um durch unter-
schiedliche Anwendungssituationen eine Fixierung des Wissens auf einen bestimmten Kon-
text zu verhindern. Durch unterschiedliche Anwendungsbedingungen werden bei den Lernen-
den multiple Perspektiven evoziert, was den Transfer des erworbenen Wissens sicherstellt.
Die Dekontextualisierung des Wissens ermöglicht eine flexible Übertragung von Einsichten
und vermeidet von vornherein sogenanntes ,,träges Wissen" (Renkl, 1994; Mandl, Gruber &
Lernen im virtuellen Seminar
12
Renkl, 2002). Die technischen Möglichkeiten virtueller Lernumgebungen bieten sich in be-
sonderer Weise dazu an, Lernenden die verschiedenen Aspekte eines Themas zu veranschau-
lichen und somit den Transfer des Wissens zu ermöglichen (Reinmann-Rothmeier & Mandl,
2001).
Soziale Lernarrangements
Zum Aufbau sozialer Kompetenzen trägt ganz wesentlich das kooperative Lernen und Prob-
lemlösen sowie die Entwicklung von Lern- und Praxisgemeinschaften bei (Lave & Wenger,
1991). Über das soziale Lernarrangement werden im Rahmen komplexer Aufgabenbearbei-
tung zugleich auch kognitive Kompetenzen geschult (Scardamalia & Bereiter, 1992).
Damit beim kooperativen Lösen problemorientierter Aufgabenstellungen die kommunikati-
ven und koordinativen Prozesse zielführend ablaufen, bedarf es bewusster instruktionaler Un-
terstützung. Nur so lassen sich die nachteiligen kommunikativen Eingangsvoraussetzungen -
wie z.B. eingeschränkte soziale Hinweisreize - zum Positiven wenden (Reinmann - Rothmeier
& Mandl, 2000).
Informations- und Konstruktionsangebot
Multimediale Präsentations- (z.B. Audio- und Videoclips, Präsentationsfolien, Hypertext) als
auch Interaktionsformen (z.B. Forum, Chat, Whiteboard, Email, etc.) eignen sich besonders,
eine aktive Lernhaltung bei den Lernenden hervorzurufen (Euler, 2005). Der durch aktives
Lernen erzielte motivationale Effekt bleibt jedoch nur erhalten, solange sich die Lernenden
nicht durch allzu unstrukturierte bzw. technisch zu anspruchsvolle Gestaltung der Lernumge-
bung überfordert fühlen. Andernfalls würde die kognitive Verarbeitungskapazität zu Lasten
der inhaltlichen Auseinandersetzung beansprucht. Eine überschaubare Struktur und eine leich-
te Bedienbarkeit der virtuellen Lernumgebung sichern positive Effekte hinsichtlich der Lern-
motivation (Mc Alpine & Weston, 1994).
Instruktionale Anleitung und Unterstützung
Um optimal zu lernen benötigt jeder Lernende in Abhängigkeit von bereits vorhandenem Vor-
wissen und Kompetenzen ein gewisses Maß an instruktionaler Unterstützung, (Renkl, 1996;
Gräsel, 1997). Zumal Lernende in virtuellen Lernumgebungen erhöhten Anforderungen aus-
gesetzt sind. Insbesondere beim netzbasierten selbstgesteuerten bzw. kooperativen Lernen mit
komplexen Aufgabenstellungen empfiehlt sich eine adaptive Unterstützung seitens eines
Lernen im virtuellen Seminar
13
Lernberaters, um auf die individuellen Bedürfnisse und Problemlagen der Lernenden ange-
messen eingehen zu können (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001).
2.4
Charakteristika des Lernens in virtuellen Seminaren
Problemorientierte Online-Lernumgebungen eignen sich insbesondere für selbstgesteuerte
und kooperative Lernformen. Aus diesem Grund werden im Folgenden das selbstgesteuerte
und kooperative Lernen etwas näher beschrieben (Dohmen 1999; Hesse, Garsoffky & Hron,
1997; Slavin, 1983).
2.4.1
Selbstgesteuertes Lernen
Aufgrund der vielfältigen Unterstützungspotenziale der neuen Medien, kommt dem selbstge-
steuerten Lernen in Online-Seminaren eine große Bedeutung zu. Nach Weinert (1982) zeich-
net sich selbstgesteuertes Lernen dadurch aus, dass der Lernende selber über Lernziele, Lern-
strategien, Lernort, Lernzeit, Lernhilfen und Lernkontrolle entscheidet. Hierin unterscheidet
es sich auch vom fremdgesteuerten Lernen, bei dem der Lernende nicht selber über Lernziele,
- strategien, etc. bestimmen kann. In der Prasxis gibt es jedoch keine reinen Formen der
Selbst- bzw. Fremdsteuerung, da beispielsweise die Aufnahme und Verarbeitung von Lehrin-
halten stets dem Lernenden überlassen bleibt und selbst ein Autodidakt sich ,,fremder" Lehr-
materialien bedient. Somit lässt sich das selbstgesteuerte Lernen eher auf einem Kontinuum
zwischen der Fähigkeit das eigene Lernen selbständig zu steuern und dem Bedarf nach exter-
ner Steuerung einordnen (Simons, 1992). Die Autonomie der Lernenden wird dabei nicht
durch die Inanspruchnahme der inhaltlichen bzw. didaktischen Kompetenz von Lehrpersonen
eingeschränkt (Prenzel, 1993). Vielmehr muss die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen oft
erst erworben werden, weshalb die Lernenden zunächst instruktionaler Fremdsteuerung be-
dürfen (Flothow, 1992).
Vor allem hinsichtlich virtueller Lernprozesse kommt dem selbstgesteuerten Lernen eine we-
sentliche Bedeutung zu, wobei nach Kopp & Mandl (2006) folgende vier Aspekte von zentra-
ler Bedeutung sind (vgl. Mandl & Geier, 2004):
-
Vorbereitung des Lernens: Das Setzen von Zielen steht im Zentrum der Vorbereitung
des Lernprozesses, wobei vor allem selbstbestimmte Ziele eine intrinsische Motivation
des Lerners fördern. Das Ausmaß an Autonomie des Lernenden hinsichtlich seiner
Zielwahl bzw. die Übereinstimmung mit extern vorgegebenen Zielen bestimmt auch
Lernen im virtuellen Seminar
14
die graduelle Ausprägung seiner lernrelevanten Motivation (Deci & Ryan, 1993).
-
Steuerung des Lernprozesses: Die bewusste Steuerung des eigenen Lernprozesses mit-
tels kognitiver, emotionaler und motivationaler Lernstrategien lässt sich als selbstge-
steuertes Lernen bezeichnen. Die Verwendung von Lernstrategien und das Aktivieren
des Vorwissens werden als entscheidende kognitive Komponenten selbstgesteuerter
Lernprozesse aufgefasst. Als kognitive Lernstrategien lassen sich hier Wiederho-
lungs-, Elaborations-, Organisationsstrategien und Selbstevaluation nennen. (Kopp &
Mandl, 2006). Motivations- und Emotionsstrategien beeinflussen hingegen den Lern-
prozesse eher indirekt, indem sie sich auf die Anstrengungsbereitschaft, die Aufga-
benwahl und die spezifische Verwendung kognitiver und metakognitiver Lernstrate-
gien auswirken (Mandl & Friedrich, 2006). Zur Umsetzung eines eigenverantwortli-
chen und zielführenden Lernprozesses bedient sich der Lernende angemessener Lern-
materialien und nimmt gegebenenfalls Unterstützung durch eine Lehrperson in An-
spruch (Mandl & Geier, 2004).
-
Organisation des Lernens: Einem effektiven Lernprozess liegt stets eine vorausschau-
ende und umfassende Organisation zu Grunde. Die Selbststeuerung bezieht sich hier
sowohl auf Zeit, Ort, Dauer und Hilfsmittel des Lernprozesses als auch auf die Art,
wie diese verwendet werden und ob alleine oder kooperativ gelernt wird. Hierzu ist es
nicht erforderlich, dass der Lernende über jede zur Disposition stehende Wahlmög-
lichkeit selbst entscheidet. Bisweilen wirkt sich eine vorgegebene organisatorische
Strukturierung förderlich auf die Steuerung lernrelevanter Prozesse aus (Mandl &
Geier, 2004).
-
Koordination des Lernens: Als Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen ist eine in-
dividuelle Vereinbarung der lernrelevanten Aktivitäten mit anderweitigen Interessen
des Lernenden anzusehen. Zur Vermeidung von lernhinderlichen Interessenkonflikten
dienen daher spezielle Handlungs-, Lern- und Kontrollstrategien, wobei hier in erster
Linie Informationsverarbeitungsstrategien (Elaboration, Organisation, Wiederholung),
Metastrategien (selbstreflexive Kontrolle der Informationsverarbeitung) und Ressour-
censtrategien (Selbstmanagement hinsichtlich Einsatz von Medien; Zeitmanagement)
zur Verfügung stehen (Mandl & Geier, 2004; Carell, 2006).
Lernen im virtuellen Seminar
15
Beim selbstgesteuerten Lernen müssen vom Lernenden zum einen Entscheidungen bezüglich
Lernzielen, Inhalten und Lernressourcen getroffen werden. Zum anderen verlangt selbstge-
steuertes Lernen Entscheidungen zu zeitlichen und methodischen Aspekten sowie zur Über-
prüfung der Lernzielerreichung. Der einzelne Lernende muss also selbstständig seine Lernbe-
dürfnisse feststellen und angemessene Lernstrategien wählen (Weinert, 1982).
2.4.2
Kooperatives Lernen
Als kooperatives Lernen wird eine Form des Wissenserwerbs bezeichnet, bei der zwei oder
mehr Lernende gemeinsam interagieren (Dillenbourg, 1999). Die Gruppe sollte dabei klein
genug für eine aktive Partizipation aller am Lernprozess Beteiligten sein (Cohen, 1994).
Kooperatives Lernen dient neben dem Erwerb von Faktenwissen auch der Entwicklung sozia-
ler und kommunikativer Kompetenzen (Neber, 1998; Salomon & Perkins, 1998). Das spezifi-
sche Charakteristikum kooperativen Lernens besteht dabei vor allem in der gemeinsamen
Wissenskonstruktion, die sich im Zuge des kollektiven Lernprozesses herausbildet (Dillen-
bourg, 1999). Darüber hinaus lässt sich durch kooperative Lernformen der individuelle Lern-
erfolg (Cohan & Lotan, 1995) und die Leistungsbereitschaft bzw. Lernmotivation (Slavin,
1995) erhöhen. Zahlreiche Studien haben die Vorteile des kooperativen Lernens erwiesen
(Springer, Stanne & Donovan, 1998). Jedoch können Lernende nicht einfach zusammenge-
setzt werden, wenn effektive Lernprozesse erreicht werden sollen (Resnick, 1991). Vor allem
selbstgesteuertes kooperatives Lernen unterliegt spezifischen Bedingungen hinsichtlich der
Lernerebene, der Strukturierung der Interaktion, der Gruppenaufgabe und der Anreizstruktur
des organisatorischen Rahmens (Mandl & Renkl, 1995).
Lernen im virtuellen Seminar
16
Bedingungen für selbstgesteuertes Lernen
Lernerebene
-
Die Motivation der Lernenden stellt eine entscheidende Voraussetzung für das Aus-
führen von Lernhandlungen dar. Insbesondere die intrinsische Motivation ist von her-
ausregender Bedeutung, um aus persönlichem Interesse und eigenverantwortlich zu-
lernen. Nach Deci & Ryan (1993) lässt sich intrinsische Motivation aus der Befriedi-
gung grundlegender menschlicher Bedürfnisse wie soziale Eingebundenheit, Kompe-
tenz und Autonomie herleiten. Vor allem Kompetenz und Autonomie stellen wesentli-
che Bedingungen selbstgesteuerten Lernens dar, die über den gesamten Verlauf eines
Lernprozesses gegeben sein sollten, um dessen Kontinuität zu gewährleisten.
-
Als kognitive Voraussetzungen für Prozesse selbstgesteuerten Lernens gelten Vorwis-
sen und Lernstrategien. Vorwissen setzt sich dabei aus den domänespezifischen
Kenntnissen und Fertigkeiten einer Person zusammen (Renkl, 1996). Dies bildet die
Basis für weitere, darauf aufbauendeWissenserwerbsprozesse. Lernstrategien beziehen
sich auf Informationsverarbeitungs-, Regulationsstrategien und Strategien hinsichtlich
eines effektiven Ressourcenmanagements (Wild, 2000). Informationsverarbeitungs-
strategien lassen sich hierbei als kognitive Kompetenzen auffasen, während Regulati-
ons- und Ressourcenstrategien als meta-kognitive Kompetenzen anzusehen sind.
-
Die Fähigkeiten zur Kooperation umfasst die gemeinsame Aushandlung von Rollen,
Normen und Zielen. Zu einer effektiven Teamarbeit gehört die Bereitschaft der Ler-
nenden Verantwortung für das Ganze zu übernehmen. Dies setzt die Akzeptanz von
normativen Grundregeln voraus (Salmon, 2005). Hierzu zählt auch die gegenseitige
Unterstützung durch konstruktives Feedback und die Fähigkeit mit gruppeninternen
Konflikten angemessen umgehen zu können (Goleman, 2002).
-
Medienkompetenz bezeichnet einerseits das technisches ,,Know-how" (Handhabung
und Bedienung) und andererseits das kritische Verständnis für den Umgang mit neuen
Medien (Baacke, 1999). Es beinhaltet zudem das Bewusstsein für Möglichkeiten und
Grenzen des virtuellen Lernens (Busch & Mayer, 2002).
Lernen im virtuellen Seminar
17
Strukturierung der Interaktion
:
Aufgrund des eingeschränkten sozialen Kontextes beim Lernen mit neuen Medien, bedarf es
einer Strukturierung der Interaktion. Dazu eignet sich der Computer als mediales Unterstüt-
zungsinstrument optimal. Zudem bietet der Computer über Multimedia, Hypermedia und Hy-
pertext auch äußerst günstige Möglichkeiten zur Repräsentation inhaltlicher Zusammenhänge
(Kopp & Mandl, 2002).
So haben sich u.a. Mapping Tools (graphische Unterstützung), Simulationen (Vereinfa-
chung des Verstehens) und Tabellen (mit Leerzeilen zum Ausfüllen) als wirksame Instrumen-
te zur Konzentration auf lernrelevante Prozesse erwiesen (Kopp & Mandl, 2006). Ebenso lie-
ßen sich für vorgegebene Wissensschemata mit inhaltsbezogenen Informationen positive Ef-
fekte bei der Unterstützung der Aufgabenbearbeitung nachweisen (Ertl, 2003). Durch eine
transparente inhaltliche Gliederung und Veranschaulichung wird der Lernende von der Auf-
gabe der Organisation bzw. persönlichen Repräsentation des Wissens entlastet und behält
dadurch mehr energetische Ressourcen für den eigentlichen Verstehensprozess (Kopp &
Mandl, 2006).
Zur Förderung der Interaktion werden neben den oben beschriebenen indirekten Unterstüt-
zungsmaßnahmen vor allem auch direkte Strukturierungsmaßnahmen angewendet, die darauf
abzielen den Koordinationsaufwand der Lernenden durch eine Beschränkung auf vorgegebene
Interaktionsmuster (z.B. chat - Tools) zu verringern (McKinlay, Procter; Masting, Woodburn
& Arnott, 1994) und eine elaborierte Verarbeitung der Lerninhalte zu begünstigen (O`Donnell
& Dansereau, 1992). Um Rollen oder Verarbeitungsstrategien zu trainieren, bieten sich hier
Methoden wie scripted cooperation (O`Donnell & Dansereau, 1992) oder reciprocal teaching
(Palinscar & Brown, 1984) an, deren lernförderliche Auswirkungen in zahlreichen empiri-
schen Studien belegt werden konnten (Bruhn, 2000).
Aufgabe
Aufgaben für kooperatives Lernen sollten nach Möglichkeit ausreichend komplex und viel-
schichtig gestaltet sein, damit überhaupt eine Notwendigkeit zur Kooperation besteht. Es ist
nötig, dass sie das Interesse der Lernenden wecken, um engagiertes und motiviertes Lernen
herauszufordern (Renkl & Mandl, 1995). Eine Gruppenaufgabe sollte sich dabei möglichst als
eine natürliche Gruppenaufgabe darstellen. Hierbei spielt die positive Interdependenz der
Lernenden hinsichtlich ihrer Ziele und Ressourcen eine fundamentale Rolle. Zielinterdepen-
denz bedeutet hier, dass die individuellen Ziele der Lernenden nur über die gemeinsame Ori-
entierung an einem Gruppenziel erreicht werden können. Ressourceninterdependenz kann am
Lernen im virtuellen Seminar
18
besten durch instrumentelle und funktionale Abhängigkeit der Studierenden voneinander er-
reicht werden. Die gegenseitige Abhängigkeit erfordert einen kooperativen Austausch und
eine gute Zusammenarbeit, um die Aufgabenstellung erfolgreich lösen zu können (Johnson &
Johnson, 1989; Cohen, 1993).
Anreizstruktur
Nach Slavin (1996) sind extrinsische Anreize und Belohnungen eine wesentliche Bedingung
für selbstgesteuertes kooperatives Lernen. Dazu sind in erster Linie Zielvorgaben erforderlich,
die den individuellen Lerner und die Gruppe in eine verbindliche Beziehung zueinander set-
zen (Slavin, 1996). Als besonders günstig hat sich nach Slavin (1989) vor allem eine indivi-
duelle Verantwortlichkeit jedes Gruppenmitgliedes bei der Aufgabenlösung erwiesen, damit
schließlich die Leistung jedes Einzelnen auch separat bewertet werden kann.
Effektives kooperatives Lernen
Ein effektives kooperatives Lernen lässt sich nach Mandl & Krause (2001) vor allem kom-
munikativer Strategien, teamorientierter Werthaltungen und prosozialen Verhaltens, Strate-
gien zur Interaktion als auch Strategien zum Konfliktmanagement unterstützen. Diese sollen
im Folgenden etwas eingehender beschrieben werden:
Kommunikative Strategien
: Aufgrund eingeschränkter sozialer (nonverbaler und paraverbaler)
Hinweisreize bestehen erschwerte Bedingungen für kooperative Lernprozesse. Aus diesem
Grund ist es für die Lernenden von Vorteil bestimmte Gesprächstechniken wie z.B. Paraphra-
sieren und Zusammenfassen, bewusstes Nachfragen, Feedback und aktives Zuhören anzu-
wenden. Hierzu sind im Sinne von Carl Rogers (1994) eine unvoreingenommene und empa-
thische Grundhaltung gegenüber den Mitlernenden erforderlich.
Strategien zur Interaktion
zielen auf eine Strukturierung und damit eine Verringerung des
gruppeninternen Koordinationsaufwandes. Dabei führt eine Sequenzierung bzw. Beschrän-
kung auf zielführende Interaktionsprozesse der Studierenden dazu, dass weniger Aufmerk-
samkeit für die erforderliche Koordination der Gruppe verloren geht (Bruhn, 2000).
Außerdem dient das gemeinsames Erstellen von Gruppenregeln einer ansprechenden Arbeits-
atmosphäre (gegenseitiger Respekt, gemeinsame Absprachen und Vereinbarungen) einer aus-
gewogenen Zusammenarbeit (gleichmäßige Arbeitsteilung, Unstimmigkeiten klären, kon-
Lernen im virtuellen Seminar
19
struktive Kritik) und einer qualitativ niveauvollen Kooperation (gleichmäßige Zeitinvestition,
Verantwortungsbewusstsein für die Gruppe) (Reinmann-Rothmeier, Nistor, & Mandl, 2001).
Teamorientierte Werthaltungen und prosoziales Verhalten
beziehen sich auf eine positive
Wertschätzung, Empathie und Authentizität gegenüber allen Gruppenmitgliedern, um die
Lernprozesse solidarisch, verantwortungsbewusst und in gegenseitigem Respekt zu gestalten
(Rogers, 1994). Eine positive Gruppenatmosphäre stellt eine der wesentlichen Voraussetzun-
gen für Engagement und Lernbereitschaft hinsichtlich der Aufgabenbearbeitung dar.
Strategien zum Konfliktmanagement
beziehen sich auf eine emotionale Selbstkontrolle, offe-
nes Kommunizieren und auf Strategien zur Identifikation und aktiven Bewältigung von Prob-
lemlagen (Staehle, 1999; Berkel, 1999). Durch eine angemessene Moderation bzw. Mediation
lassen sich beispielsweise deeskalierende Konflikte entschärfen (Glasl, 1994), wobei es gera-
ten sein kann einen komplexen Konflikt in verschiedene Teilaspekte aufzuteilen, um auf dif-
ferenzierte Weise zu einer Gesamtlösung zu gelangen. Hierbei erscheint es häufig sinnvoll
zwischen Aufgaben- und Beziehungskonflikten zu unterscheiden (Rüttinger, 1977). So wirk-
ten aufgabenbezogene Konflikte beispielsweise in Gruppen, die unstrukturierte und komplexe
Aufgabenstellungen zu lösen hatten, durchaus positiv, solange sie sich noch konstruktiv be-
wältigen ließen (Jehn, 1995). Hier muss also strategisch vorgegangen werden, um eine Eska-
lation bzw. Überstrapazierung der Beteiligten zu vermeiden und das positive Potenzial von
Konflikten, das sich in erhöhter Kreativität, Innovationsbereitschaft und einer sensibleren
Selbstwahrnehmung äußert, zu unterstützen (Deutsch, 1976; Staehle, 1999). Bei Beziehungs-
konflikten erwies es sich jedoch als sinnvoll, die interpersonalen Probleme nicht offen auszu-
agieren (Murnighan & Conlon, 1991).
2.4.3
Probleme des selbstgesteuerten und kooperativen Lernens
Probleme des selbstgesteuerten Lernens
Die beschriebenen Prozesse und Bedingungen des selbstgesteuerten Lernens in hypermedia-
len Lernumgebungen liegen normalerweise nicht in einer vollkommenen und umfassenden
Weise vor. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sich ein optimaler selbstgesteu-
erter Lernprozess nur in Ausnahmefällen von allein entwickelt (Tergan, 1997). Häufig sind
Phänomene wie Desorientierung und kognitive Überlastung bei den Studierenden anzutreffen,
was die hohen Abbrecherquoten in webbasierten Seminaren deutlich zeigen (Astleitner,
2000). Sobald eine Fremdsteuerung hinsichtlich der Lernwege, Lernziele und Lernkontrolle
Lernen im virtuellen Seminar
20
nicht mehr gegeben ist, werden die Studierenden auf sich selbst und i.d.R. kaum ausgebildete
Selbstlernkompetenzen zurückgeworfen (Rautenstrauch, 2001a). Häufig verwenden Lernende
in virtueller Lernumgebung falsche Lernstrategien, indem sie entweder maßlos ,,Datensam-
meln" oder sich in Details verlieren. So fehlt ihnen schließlich der Überblick und die Mög-
lichkeit zu einer ganzheitlichen Analyse (Frau, Miodoro & Pedemonte, 1992). Deshalb pro-
fitieren vor allem Studierende mit bereits ausgeprägten Selbstlernkompetenzen von hyperme-
dialen Lernszenarien (Dillon & Gabbard, 1998). Von herausragender Bedeutung für selbstge-
steuerte kooperative Lernprozesse sind besonders eine gruppeninterne Abstimmung und Ko-
ordination der Aufgaben. Bei dieser als ,,grounding" bezeichneten Steuerung der Kommuni-
kation lernen die Studierenden zunächst gruppenintern optimale Lernstrategien zu entwickeln,
bevor sie diese dann auch für spätere individuelle Selbststeuerungsprozesse verwenden kön-
nen (Fischer, Bruhn, Gräsel & Mandl, 2000). Neben den oben genannten Problemen fällt vie-
len Lernenden beim selbstgesteuerten Lernen auch das Zeitmanagement schwer, da viele von
ihnen oft nicht in der Lage sind, die erforderliche zeitliche Investition abzuschätzen bzw. sich
die notwendige Zeit für das Lernpensum vorzuhalten (Rautenstrauch, 2001a).
Probleme des kooperativen Lernens
Nach Reinmann-Rothmeier & Mandl (2002) bestehen Schwierigkeiten beim virtuellen koope-
rativen Lernen zum einen aufgrund der technischen Komplexität (Hardware- und Software-
probleme), zum anderen als Folge defizitärer Wissensteilung bzw. eingeschränkter sozialer
Hinweisreize.
Von technischer Seite her fehlt den Lernenden bisweilen noch die erforderliche Medienkom-
petenz, um mit den virtuellen Kommunikationswerkzeugen in angemessener Weise umzuge-
hen. Dies führt nicht selten zu Akzeptanzproblemen bei den Lernenden, die eine evtl. schon
bestehende Hemmschwelle gegenüber einer multimedialen Lernumgebung noch verstärkt.
Eine bei netzbasiertem Lernen deutlicher ausgeprägte Anonymität der Studierenden unterein-
ander verstärkt den Eindruck des Isoliert-Seins, wodurch schließlich eine aktive Partizipation
erschwert wird. In der Folge entstehen bei virtuellen Seminaren Phänomene wie z.B. Lurking
bzw. ein relativ hoher ,,Drop-Out", sofern keine hinreichende tutorielle Betreuung der koope-
rativen Lernprozesse gewährleistet wird. Bis jetzt ist jedoch die Frage nach dem adäquaten
Einsatz technischer Tools noch nicht vollständig geklärt. Hier kann zwischen verständnisför-
dernden (z.B. visuell bzw. auditiv) und die Schwierigkeiten netzbasierter Lernumgebung
kompensierenden (z.B. Video) Tools unterschieden werden. Über den Nutzen innovativer
Lernen im virtuellen Seminar
21
Technik entscheidet letztlich eine auf die Zielgruppe und Lerninhalte abgestimmte Anwen-
dung (Reinmann-Rothmeier-Mandl, 2002; Euler, 2005).
In virtuellen Lerngemeinschaften besteht in noch höherem Maße als unter Face-to-Face Be-
dingungen das Problem ungeteilten Wissens. Daher werden in virtuellen Diskussionsforen
überwiegend mehrheitsfähige Positionen eingebracht, so dass das Phänomen des ,,group
think" leichter entsteht. Doch gerade dadurch werden möglicherweise Positionen von Min-
derheiten vernachlässigt, die für eine anregende Diskussionsatmosphäre und schließlich ein
qualitativ höherwertiges Gruppenergebnis notwendig sind. Solange aber konträre Argumente
verglichen und abgewogen werden müssen, sind alle Teilnehmer automatisch zu einer einge-
henden Reflexion aufgefordert und alternative Lösungen werden eher in Betracht gezogen
(Friedrich, Sesnick & Trebing, 2006).
Ein weiteres Problem besteht im Fehlen sozialer Hinweisreize, was insbesondere für kollabo-
rative Lernprozesse nachteilige Konsequenzen hervorruft. Durch die erhöhte Anonymität ver-
lieren normative Umgangsregeln an Verbindlichkeit, so dass eher unkontrollierte Gefühlsäu-
ßerungen (flaming) auftreten können, die möglicherweise nur durch ungeschicktes Formulie-
ren und daraus resultierenden Missverständnissen hervorgerufen wurden. Außerdem wird die
Bildung eines Gruppenkonsenses durch die eingeschränkten Feedbackpotentiale deutlich er-
schwert, so dass sich Entscheidungsprozesse verlangsamen (Kiesler & Sproull, 1992). Jedoch
gelten die für virtuelles Gruppenlernen angeführten Schwierigkeiten vor allem für Ad-hoc-
Gruppen und treten bei stabileren Lerngemeinschaften i.A. nicht in gleicher Weise auf (Wal-
ther, 1994).
Aus den beschriebenen Problemen des selbstgesteuerten und kooperativen Lernens in virtuel-
len Lernumgebungen geht die Notwendigkeit einer instruktionalen Unterstützung hervor.
Darauf soll im nächsten Kapitel näher eingegangen werden.
Tutorielle Unterstützung im virtuellen Seminar
22
3
Tutorielle Unterstützung im virtuellen Seminar
Aus den beschriebenen Problemen beim virtuellen Lernen geht eindeutig die Notwendigkeit
einer instruktionalen Unterstützung hervor. Um Studierende in computerunterstützten Semi-
naren adäquat zu fördern, wird in der Forschung eine persönliche tutorielle Unterstützung
empfohlen (Salmon, 2005; Zawacki-Richter, 2001). Dies bietet gegenüber intelligent tutoriel-
len Systemen, sprich automatischen Feedbacksystemen vor allem den Vorzug einer auf die
individuellen Bedürfnisse der Lernenden angepassten Betreuung und kompensiert zudem den
Mangel an sozialer Präsenz in virtueller Lernumgebung. Im Folgenden werden die wesentli-
chen Dimensionen instruktionaler Unterstützung durch einen Online-Tutor näher beschrieben.
3.1
Dimensionen instruktionaler Unterstützung durch den Online-Tutor
Für ein tieferes Verständnis einer angemessenen tutoriellen Untetrstützung in einem virtuellen
Seminar bedarf es zunächst einer eingehenden Untersuchung der wesentlichen Aspekte von
Lernprozessen, die sich in computerunterstützten Lernszenarien vollziehen. Dabei spielen in
Anlehnung an Nistor, Schnurer & Mandl (2005) motivationale, soziale und kognitive Aspekte
eine zentrale Rolle hinsichtlich einer Charakterisierung von Lernprozessen in virtuellen Se-
minaren.
3.1.1
Motivationale Aspekte
Ein wesentliches Problem beim virtuellen Lernen besteht in der Förderung und Aufrechterhal-
tung der Motivation, da es sich gezeigt hat, dass das Engagement der Teilnehmer im Verlauf
von computergestützten Seminaren nachlässt. Insbesondere die intrinsische Motivation korre-
liert positiv mit der Lernleistung und mit elaborierten Verarbeitungsstrategien. Jedoch setzt
sie ein hohes Maß an Selbstbestimmung voraus (Schiefele & Schreyer, 1994). Auch bei
extrinsisch motivierten Lernenden steht die Lernleistung in enger Verbindung zum subjektiv
erlebten Ausmaß an Selbstbestimmung. Je weniger Kontrolle während des Lernprozesses
empfunden wird, desto besser gestaltet sich das Lernergebnis (Prenzel, 1996, 2001).
Das Ausmaß an Lernmotivation wird demnach als entscheidende Voraussetzung und Ein-
flussgröße für die Qualität von virtuellen Lernprozessen erachtet (Astleitner, 2002). Dabei
lässt sich die Intensität der Lernmotivation aus drei lernerrelevanten Aspekten ableiten: Erfah-
Tutorielle Unterstützung im virtuellen Seminar
23
rung von Selbstwirksamkeit, Kompetenzerleben und soziale Einbindung (Deci & Ryan,
1993).
Selbstwirksamkeit
beruht auf der Überzeugung in einer bestimmten Situation die angemessene
Leistung zu erbringen. Diese Einstellung bezüglich eigener Fähigkeiten beeinflusst sowohl
Wahrnehmung als auch Motivation und Leistung. Darüber hinaus wirkt sich Selbstwirksam-
keitserwartung noch auf die Aufgabenwahl und Persistenz bei schwierigen Aufgabenstellun-
gen aus (Zimbardo, 1983). Und schließlich begünstigt eine optimistische Erwartungshaltung
die Verwendung elaborierter Lernstrategien (Pintrich & DeGroot, 1990).
Unterstützen lässt sich die Selbstwirksamkeitserwartung durch Erfolge im Lernprozess, da
die unmittelbare Erfahrung einer erfolgreichen Aufgabenbewältigung die Kompetenzerwar-
tung verstärkt. Dazu eignen sich in besonderer Weise nicht zu komplexe Aufgaben und sol-
che, die an das Vorwissen bzw. die Begabung der Studierenden angepasst sind. Auch durch
die Beobachtung eines kompetenten Modells und die entsprechende Übernahme der model-
lierten Verhaltensweise können die Studierenden zu einer erhöhten Selbstwirksamkeit gelan-
gen. Außerdem helfen natürlich der kontinuierliche Zuspruch seitens des Lehrenden. Dieser
Zuspruch formuliert sich über informatives Feedback bezüglich dem Erreichen von Teilzie-
len und dadurch soll die Studierenden in einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung hin-
sichtlich des weiteren Verlauf des Lernprozesses bestärken (Bandura, 1977; Bandura, 1997).
Als Kompetenzerleben werden hingegen Gefühle bezeichnet, welche eine Person in Situatio-
nen erfährt, in denen sie sich ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst wird bzw. sich von anderen
Personen diesbezüglich bestätigt und anerkannt sieht (Deci & Ryan, 1993). Dabei schließt
informierendes Feedback durchaus nicht kritische Anmerkungen zu defizitärem Wissen aus.
Jedoch sollten dabei Formulierungen gewählt werden, die einen selbstwertdienlichen Attribu-
ierungsprozess bei den Lernenden unterstützen. Dies lässt sich beispielsweise durch emotio-
nal positives Feedback erreichen, wobei Fehler als Chance zum Lernen angesehen und Miss-
erfolge auf veränderbare Bedingungen - wie z.B. investierte Zeit, Anstrengung zurückge-
führt werden (Prenzel, 1995; Prenzel, 1997).
Auch in bezug auf das Kompetenzerleben von Lernenden verhelfen angemessene und präzise
formulierte Lernziele zu einer erleichterten Orientierung der Studierenden, wodurch sie ihre
eigenen zeitlichen und kognitiven Ressourcen effektiver auf das erforderliche Lernpensum
abstimmen können und dadurch eher das Gefühl von Erfolgserlebnissen erfahren. Auf diese
Weise ist auch mögliche Langeweile durch Unterforderung bzw. Frustration durch Überforde-
rung von vornherein vermeidbar. Darüber hinaus stellt eine geeignete Passung von struktu-
rierten Lerninhalten und Lernerniveau nach Cikszenmihalyi (1985) eine wesentliche Voraus-
Tutorielle Unterstützung im virtuellen Seminar
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setzung für das Flow Erleben dar. Hierbei ist es wichtig, den Lernenden gewisse Freiheits-
grade und Autonomie zuzugestehen, da ein selbstbestimmt motiviertes Lernen als Katalysator
für kreative und engagierte Lernprozesse anzusehen ist.
Das Gefühl sozialer Einbindung von Seminarteilnehmern (z.B. erlebt als ,,Wir-Gefühl") ge-
hört nach Deci & Ryan (1993) ebenso wie die Selbstwirksamkeit und das Kompetenzerleben
zu den psychologischen Grundbedürfnissen, die für intrinsische und extrinsische Motivation
gleichermaßen bedeutsam sind. Dabei entsteht das Gefühl sozialer Zugehörigkeit im Wesent-
lichen über Kommunikationsprozesse, deren spezifische Qualität ausschlaggebend für ein
integratives Lernklima ist (Döring, 1990; Heidbrink, 2000). Aufgrund verminderter sozialer
Kontextinformationen über die Mitlernenden in computerbasierter Kommunikation besteht
ein erhöhter Bedarf die Gruppenkohäsion zu fördern, um ein Nachlassen der Lernmotivation
und ein mögliches Abbrechen des Lernprozesses (Drop Out) zu verhindern. Dem kann
durch identitätsstiftende Prozesse - wie z.B. durch Bildung von Kleingruppen, informelles
Kennenlernen der Gruppenmitglieder, gemeinsame Verpflichtungen und kollektive Normen
entgegen gewirkt werden. Vor allem empfiehlt sich innerhalb kooperativer bzw. kollaborati-
ver Lernformen die Entwicklung eines gemeinsamen Bedeutungshintergrundes (Grounding),
um einen möglichst engagierten Lernprozess zu gewährleisten (Dillenbourg & Traum, 1996).
Hinsichtlich kooperativer Lernformen erweist sich hierbei eine klare Rollenverteilung als vor-
teilhaft, um die gruppeninternen Verantwortlichkeiten transparent zu machen und eine relativ
gleichmäßige Partizipation und Leistungsbereitschaft zu erreichen. Andernfalls würden enga-
gierte Seminarteilnehmer sich leicht ausgenutzt fühlen und demoralisiert werden (Döring,
1999). Prosoziales Verhalten und ,,Teamgeist"sind daher in virtuellen Lernszenarien von tra-
gender Bedeutung, um dem bekannten Phänomen des isolierten Lernens und einem daraus
resultierenden Motivationsmangel zu begegnen (Renkl & Mandl, 1995).
3.1.2
Soziale Aspekte
Nach dem konstruktivistischen LehrLernparadigma ist Lernen a priori als ein sozialer und
kooperativer Prozess anzusehen, innerhalb dessen nicht nur soziale und kommunikative Fer-
tigkeiten erfordert, sondern auch erworben werden können. Dies ist besonders aus pädago-
gisch-psychologischer Perspektive von Bedeutung und wird deshalb auch bei der Erforschung
sozialer Potentiale des virtuellen Lernens zunehmend berücksichtigt (Desel & Tippe, 2001;
Utz, 1999).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2007
- ISBN (eBook)
- 9783836619073
- DOI
- 10.3239/9783836619073
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Ludwig-Maximilians-Universität München – Psychologie und Pädagogik, Pädagogische Psychologie und empirische Pädagogik
- Erscheinungsdatum
- 2008 (September)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- e-learning online-tutoring virtuelle seminare selbstgesteuertes lernen online-seminar
- Produktsicherheit
- Diplom.de