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Zur Repräsentation von Marken aus dem Westen in Osteuropa

Eine Cognitive Mapping Studie in Deutschland und Ungarn

©2006 Diplomarbeit 94 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
‚Ein Land mit nur einer Sprache und einer Sitte ist schwach und vergänglich. Daher ehre die Fremden und hole sie ins Land!’ (Stephan der Heilige, Staatsgründer Ungarns, 1000 n. Chr.) Angesichts einer Globalisierung, die den Austausch des kulturell Fremden weiter vorantreibt und mit der EU-Osterweiterung in eine weitere Runde geht, hat dieses historische Zitat nichts an seiner Bedeutung verloren.
Seit dem 1. Mai 2004 ist die Europäische Union um zehn Staaten und 75 Millionen Menschen reicher. Mittel- und langfristig werden die neuen Länder nicht nur als Produktionsstandorte, sondern zunehmend auch als Absatzmärkte an Bedeutung gewinnen. Die Nachfrage nach ausländischen Gütern wird steigen. So sollen einerseits Markenprodukte aus dem Westen in Osteuropa bereits einen größeren Stellenwert als in Westeuropa haben.
Doch andererseits dominiert rationales Kaufverhalten mit extremem Preisbewusstsein und sorgfältigen Angebotsvergleichen. Soll deshalb ein Produkt oder eine Dienstleistung in eine fremde Kultur eingeführt werden, so müssen evtl. kulturelle Verschiedenheiten beachtet werden, die sich wesentlich vom inländischen Konsumverhalten und von eigenen gewohnten gesellschaftlichen Werten unterscheiden können.
Das mangelnde Verständnis der kulturellen Umwelt gefährdet nicht nur die Wirkung von Marketingmaßnahmen, sondern kann auch dem Image eines Unternehmens schaden. Neben den Gemeinsamkeiten müssen deshalb auch kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden. In West- und Osteuropa haben sich durch langjährige Verschiedenartigkeit der ökonomischen, politischen und sozialen Systeme unterschiedliche Kulturstandards herausgebildet. Die kulturvergleichende Forschung geht davon aus, dass Kulturen einen systematischen Einfluss auf das Erleben und Verhalten ihrer Mitglieder ausüben und durch spezifische Sozialisationsprozesse zu unterschiedlichen Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen führen. So ist auch denkbar, dass Markenprodukte aus dem Westen in Osteuropa einen besonders schwierigen Stand haben.
Ziel dieser Arbeit soll sein, Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten von West- und Osteuropäern in der Repräsentation von Marken aus dem Westen darzustellen und sie an einem Beispiel mit der Methode des ‚Cognitive Mapping’ abzubilden. Dazu werden zunächst relevante Grundlagen über das Verständnis von Marken geschaffen (Kap. 2.1). Um Kulturunterschiede zwischen West- und Osteuropa aufzuzeigen, werden zunächst die Dimensionen des […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Markendefinitionen
2.1.1 Marke aus ökonomischer Perspektive
2.1.2 Psychologische Funktion von Marken
2.1.3 Marke als geteiltes Wissen
2.2 Kulturunterschiede zwischen West- und Osteuropa
2.2.1 Dimensionen der Kultur
2.2.2 Stereotype in der Gruppenwahrnehmung
2.2.3 Consumer Ethnocentrism
2.2.4 Ethnozentrismus in osteuropäischen Transformationsländern

3. Methodik Kulturvergleichender Cognitive Brand Maps
3.1 Ziele & Design
3.2 Methode des Cognitive Mapping.
3.2.1 Freelisting: Ziele, Vorgehen und Auswertungsplanung
3.2.2 Triadentest: Ziele, Vorgehen und Auswertungsplanung
3.3 Durchführung und Teilnehmende

4. Ergebnisse
4.1 Ergebnisse des Freelistings
4.2 Ergebnisse des Triadentests
4.2.1 Konsensanalyse (PCA)
4.2.2 Cognitive Maps & Kern-Peripherie-Hypothese

5. Diskussion
5.1 Diskussion der Studie
5.2 Zur Repräsentation von Marken aus dem Westen in Osteuropa.

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

„Ein Land mit nur einer Sprache und einer Sitte ist schwach und vergänglich. Daher ehre die Fremden und hole sie ins Land!“

(Stephan der Heilige, Staatsgründer Ungarns, 1000 n. Chr.)

Angesichts einer Globalisierung, die den Austausch des kulturell Fremden weiter vorantreibt und mit der EU-Osterweiterung in eine weitere Runde geht, hat dieses historische Zitat nichts an seiner Bedeutung verloren.

Seit dem 1. Mai 2004 ist die Europäische Union um zehn Staaten und 75 Millionen Menschen reicher. Mittel- und langfristig werden die neuen Länder nicht nur als Produktionsstandorte, sondern zunehmend auch als Absatzmärkte an Bedeutung gewinnen. Die Nachfrage nach ausländischen Gütern wird steigen. So sollen einerseits Markenprodukte aus dem Westen in Osteuropa bereits einen größeren Stellenwert als in Westeuropa haben. Doch andererseits dominiert rationales Kaufverhalten mit extremem Preisbewusstsein und sorgfältigen Angebotsvergleichen.

Soll deshalb ein Produkt oder eine Dienstleistung in eine fremde Kultur eingeführt werden, so müssen evtl. kulturelle Verschiedenheiten beachtet werden, die sich wesentlich vom inländischen Konsumverhalten und von eigenen gewohnten gesellschaftlichen Werten unterscheiden können. Das mangelnde Verständnis der kulturellen Umwelt gefährdet nicht nur die Wirkung von Marketingmaßnahmen, sondern kann auch dem Image eines Unternehmens schaden. Neben den Gemeinsamkeiten müssen deshalb auch kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden.

In West- und Osteuropa haben sich durch langjährige Verschiedenartigkeit der ökonomischen, politischen und sozialen Systeme unterschiedliche Kulturstandards herausgebildet. Die kulturvergleichende Forschung geht davon aus, dass Kulturen einen systematischen Einfluss auf das Erleben und Verhalten ihrer Mitglieder ausüben und durch spezifische Sozialisationsprozesse zu unterschiedlichen Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen führen. So ist auch denkbar, dass Markenprodukte aus dem Westen in Osteuropa einen besonders schwierigen Stand haben.

Ziel dieser Arbeit soll sein, Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten von West- und Osteuropäern in der Repräsentation von Marken aus dem Westen darzustellen und sie an einem Beispiel mit der Methode des „Cognitive Mapping“ abzubilden. Dazu werden zunächst relevante Grundlagen über das Verständnis von Marken geschaffen (Kap. 2.1). Um Kulturunterschiede zwischen West- und Osteuropa aufzuzeigen, werden zunächst die Dimensionen des Kulturbegriffs beschrieben. Daran anschließend wird, basierend auf Überlegungen zur Gruppenwahrnehmung, das Konzept „Consumer Ethnocentrism“ eingeführt und dieses anhand einer psychologisch-empirischen Studie von Reardon et al. (2004) in den Transformationsländern Osteuropas näher analysiert (Kap. 2.2). Die daraus abgeleiteten Hypothesen sollen dann in einer eigenen Studie untersucht werden (Kap. 3 und 4). Damit möchte die Arbeit empirisch klären, ob Marken aus dem Westen in Osteuropa tatsächlich einen höheren Stellenwert haben können.

2. Theoretische Grundlagen

Im ersten Abschnitt dieses Kapitels soll Marke als zentraler Begriff dieser Arbeit definitorisch abgegrenzt werden. Es soll insbesondere herausgestellt werden, dass Marken Teil der Alltagskultur sind und Funktionen der Selbstdefinition unterstützen. Im zweiten Abschnitt soll gezeigt werden, wie sich kulturelle Unterschiede zwischen West- und Osteuropa auf die Wahrnehmung von Marken aus dem Westen auswirken können.

2.1 Markendefinitionen

Die Literatur über Markendefinition zeichnet sich durch eine fast unüberschaubare Vielfalt aus. Im Folgenden soll sich auf die ökonomische und sozialwissenschaftliche Perspektive beschränkt werden.

2.1.1 Marke aus ökonomischer Perspektive

Während die Entwicklung der Märkte mit einer Informationsüberflutung und Austauschbarkeit von Produkten einhergeht, bieten Marken den KundInnen eine Orientierungshilfe und sind daher wichtiges Kapital der Unternehmen (Meffert, 2000, S. 847).

In den Anfängen des Markenwesens stand die Kennzeichnung von Objekten im Sinne einer Markierung von Waren im Vordergrund, die als Eigentumszeichen beziehungsweise als Herkunftsnachweis für die Produkte diente. Nach Domizlaff (1939; zit. n. Meffert, 2000, S. 846) waren ursprünglich nur Fertigwaren als markierungsfähige Güter anzusehen, die dem Konsumenten mit konstantem Auftritt und Preis in einem größeren Verbreitungsraum dargeboten werden. Diese statische Sichtweise muss aber aufgegeben werden angesichts der Entwicklung von Marken, die sich z.B. auch auf den Dienstleistungsbereich erstrecken. Als Marke oder Markenartikel werden heute Sach- oder Dienstleistungen mit besonderen, markentypischen Eigenschaften bezeichnet. Diese Eigenschaften umfassen einen Markennamen mit einem Markenzeichen (Logo) und aussagekräftigem Slogan, einen hohen Bekanntheitsgrad, einen gleichen Preis bei gleichbleibender Qualität sowie Ubiquität (Wikipedia: Marke, 2006). Letzteres bedeutet, dass die Marke überall erhältlich ist. In Zeiten der Globalisierung kommt mit dem Herkunftsland der Marke eine weitere relevante Produkteigenschaft hinzu (Sinkovics, 1999, S. 27). So kann bei der Bewertung einer ausländischen Marke die Herkunft darüber entscheiden, ob sie angenommen oder abgelehnt wird.

2.1.2 Psychologische Funktion von Marken

In der sozialwissenschaftlichen Forschung beschäftigt man sich mit den Wirkungsweisen von Marken. So wird die Marke als eine Kommunikationstechnik (Trommsdorff, 1998) verstanden . Eine Marke ist hier ein Zeichensystem, das für eine Leistung steht und Bedeutungen zielorientiert an Zielgruppen vermittelt.

Eine aus ihrer Zeichenfunktion resultierende Facette des Markenbegriffs ist die Bedeutung der Marke. Marken und Konsumsymbole dienen der Selbstdefinition. Sie müssen daher Funktionen der Differenzierung und Identifikation unterstützen. Eine dieser Funktionen beschreibt die Theorie der Symbolischen Selbstergänzung von Wicklund & Gollwitzer (1985).

In ihrer Theorie gehen sie davon aus, dass jeder Mensch selbstbezogene Ziele verfolgt. Diese selbstgesetzten Ziele erzeugen einen Spannungszustand („Quasi-Bedürfnis“, basierend auf Lewins Arbeiten über zielgerichtetes Handeln), der sich erst auflöst, wenn die Person das Ziel erreicht oder aufgibt. Dieser Zustand ist umso stärker, je bedeutsamer das Selbstziel für das Individuum, und je stärker entsprechend die Bindung an das Ziel ist (Wiswede & Fischer, 2000, S. 371). Symbole sind dabei die Bausteine der Selbstdefinition (Gollwitzer, 2002, S.193). Sie zeigen, ob und in welchem Ausmaß ein Selbstziel erreicht wurde.

Ist ein selbstbezogenes Ziel noch nicht erreicht, so kann der Spannungszustand durch das Erreichen von Ersatzzielen in Form von Symbolen reduziert werden.

Das Streben nach symbolischer Selbstergänzung soll insbesondere dann im Vordergrund stehen, wenn Kompensationsbedürfnisse vorliegen (Fischer & Wiswede, 2000, S. 373). Diese können individuell (z.B. ein Geschäftsmann, der sich ein teures Auto leistet), aber eventuell auch kollektiv entstehen. (z.B. wenn eine ganze Gruppe von Personen ihre Identität aus Symbolen bezieht).

Die Symbole werden dabei bewusst zur Schau gestellt (Fischer & Wiswede, 2000, S. 373), denn damit ein Individuum einen Spannungszustand abbauen kann, müssen Symbole von anderen zur Kenntnis genommen werden. Das „Publikum“ muss das Symbol aber auch als solches erkennen können. Voraussetzung der symbolischen Selbstergänzung ist demzufolge ein sozial geteiltes Wissen über die Bedeutung der Symbole.

2.1.3 Marke als geteiltes Wissen

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht sind Marken und Konsumsymbole als Teil der Alltagskultur zu verstehen (Aaker, Benet- Martinez & Garolera, 2001, zit. n. Müller, 2002, S. 26). Ihre Bedeutungen entstehen in einem sozialen Prozess und beruhen auf sozial geteiltem Wissen.

Individuen erwerben im Laufe ihrer Entwicklung Wissen. Moscovici geht in seiner Theorie der sozialen Repräsentation davon aus, dass Individuen ihnen zunächst Unbekanntes nach „gesellschaftlichem Wissen“ (Cranach, 1995; zit. nach Martzahn, 2003, S.11) strukturieren und es sich dadurch vertraut machen. Ungewohntes wird so auf gewöhnliche Kategorien und Bilder reduziert und damit in einen vertrauten Zusammenhang gestellt (Moscovici, 1984; zit. n. Müller, 2002, S. 30). Das soziale Wissen wird in Kommunikationsprozessen weitergegeben, sei es über Massenmedien oder durch direkte Interaktion mit anderen. Wissen, in dem sich Individuen überschneiden, ist sozial geteilt (siehe Abb. 2.1.1). Sozial geteiltes Wissen ist Grundlage u.a. für Erwartungen und Urteile. Marken können in diesem Sinne also als sozial repräsentiert angesehen und untersucht werden. Für Unternehmen erlaubt die Kenntnis von sozial geteiltem Wissen eine mittel- und langfristige Positionierung der Marke.

Marke ist also ein soziales Phänomen, das durch die Informationsverarbeitung und Kommunikation vieler Marktteilnehmer entsteht. Markenbotschaften werden von Unternehmen kommuniziert, von Konsumenten sozial geteilt und weiterentwickelt (siehe Abb. 2.1.2). Müller (2002, S. 39) nimmt deshalb an, dass sich jedes Individuum in einem bestimmten Kulturkreis, in dem eine Marke vertreten sei, ein bestimmtes Maß an Wissen über diese Marke aneignen könne.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1.2: Eine Marke besteht aus einem Markenartikel, seinem kommunizierten Image und dem kulturellen Wissen über die Marke (nach Müller, 2002, S. 42).

Um noch mehr über die Bedeutung einer Marke zu erfahren wurden in jüngeren Publikationen Vorgehensweisen aus der kognitiven Anthropologie (Romney, Boyd, Moore, Batchelder & Brazill, 1996) adaptiert, um die Struktur von Markenrepräsentationen abzubilden (Müller, 2002; Boos et al., 2002).

Semantische Domäne

Zentral bei diesem Ansatz ist die Adaption des Konzepts der semantischen Domäne (Romney, Weller & Batchelder, 1986) auf Marken. Die grundlegende Annahme von Romney et al. ist, dass Menschen spezielle Vorstellungen von semantischen Domänen besitzen.

„A semantic domain may be defined as an organized set of words (...) that refer to a single conceptual category, such as kinship terms, animal names, color terms, or emotion terms“

(Romney et al., 2000, S. 518).

Eine semantische oder auch kulturelle Domäne ist ein von einer Vielzahl der Angehörigen einer Kultur geteilter, nach ähnlichen Regeln strukturierter und abgegrenzter Wissensbereich. Romney et al. nennen als Beispiele für solche semantischen Domänen Emotions- und Verwandtschaftsbegriffe oder Tiernamen. Müller (2002) & Boos et al. (2002) wenden das Domänen-Konstrukt auf Produktmarken an. Innerhalb einer semantischen Domäne repräsentieren die Individuen Begriffe in der Form, dass die Bedeutung jedes Begriffes durch seine Lokalisation in Relation zu allen anderen Begriffen bestimmt ist (Romney, Weller & Batchelder, 1986). Die semantische Struktur innerhalb der Domäne wird über mehrere Bedeutungsdimensionen, die eine Domäne enthält, abgebildet. Das Bild gleicht dem einer „kognitiven Landkarte“. In dieser lassen sich Begriffe in ihrer relativen Anordnung darstellen. Die Abstände zwischen den Begriffen repräsentieren die Ähnlichkeiten der Begriffe miteinander. Die durch dieses sogenannte „Cognitive Mapping“ ermittelte Bedeutungsstruktur soll die Identität einer Marke widerspiegeln.

Bei Menschen aus verschiedenen Kulturen kann das geteilte Wissen über ein und dieselbe Marke sehr unterschiedlich sein und damit auch andere semantische Strukturen aufweisen. Warum diese Bedeutungsstrukturen in West- und Osteuropa verschieden aussehen können, soll im Weiteren erläutert werden.

2.2 Kulturunterschiede zwischen West- und Osteuropa

In der Repräsentation und der Bedeutung von Marken kann es Unterschiede in west- bzw. osteuropäischen Ländern geben. Wie in Kapitel 2.1.3 beschrieben besteht das geteilte Wissen in einem kulturellen Kontext. Mehrere Individuen bilden dabei eine Gruppe, viele Gruppen eine Nation. In verschiedenen Gruppen bzw. Nationen können unterschiedliche Kulturen existieren. In diesem Abschnitt soll zunächst das Konzept der Kultur beschrieben werden. Anschließend soll auf Grundlage der Gruppenwahrnehmung ein Zusammenhang zwischen Marke und Kultur aufgezeigt werden. Das Konzept des „Consumer Ethnocentrism“ bietet dafür einen guten Ansatz. Zuletzt sollen die kulturellen Unterschiede zwischen West- und Osteuropa beschrieben und gezeigt werden, wie sich diese auf die Wahrnehmung westlicher Marken auswirken können.

2.2.1 Dimensionen der Kultur

Die Internationalisierung wirtschaftlicher Beziehungen bedingt zwar eine Annäherung der nationalen Kulturen. Sie impliziert jedoch nicht zwangsläufig, dass alle Kulturen sich aufgrund wirtschaftlich ähnlicher Bedingungen sowie der Dominanz westlicher Wertemuster vollkommen angleichen (Wiswede, 2000, S. 121). Den Angleichungsprozessen stehen vielmehr Gegenströmungen entgegen (z.B. Rückbesinnung auf eigene kulturelle oder nationale Identität, Wiederaufflackern alter Vorurteile und Stereotype etc.).

Das Konzept der Kultur

Um eine Verbindung zwischen Marke und Kultur zu erstellen, soll an dieser Stelle zunächst das unscharfe Konzept der Kultur beschrieben werden. Unscharf ist es deshalb, weil in der Literatur wenig einheitliche Definitionen existieren.

Ein Zweig der Makropsychologie („social psychology across cultures“) befasst sich u.a. mit interkulturellen Vergleichen in psychologisch relevanten Dimensionen (Werte, Einstellungen, Attributionen etc.), mit der Suche nach Gemeinsamkeiten sozialen Verhaltens sowie mit dem Einfluss von Stereotypen bei interkulturellen Kontakten, Interaktions- und Kommunikationsprozessen.

Hofstede (1980, S. 25) definiert Kultur als „collective programming of the mind which distinguishes members of one human group from another.“ Kultur wird erlernt und unterscheidet sich von Gesellschaft zu Gesellschaft. Sie wirkt auf eine Vielzahl von Menschen, welche durch gleiche Bildung und gleiche Lebenserfahrungen geprägt sind.

Neben diesem Kulturansatz von Hofstede gibt es weitere Ansätze, die noch stärker das Individuum in den Mittelpunkt stellen. So beschreibt Triandis (1972; zit. n. Simmet-Blomberg, 1998, S. 81) Kultur mit folgenden Worten: „Subjective culture is a group´s characteristic way of perceiving the man-made part of its environment.“

In diesem Verständnis ist Kultur menschengeschaffen und zugleich ein überindividuelles Phänomen (Simmet-Blomberg, 1998, S. 73). Sie reflektiert Werte, Einstellungen und das Verhalten ihrer Mitglieder, die den Kontakt zur Umwelt beeinflussen. Kultur wird von Gruppenmitgliedern geteilt, tradiert und ist ein Faktor für deren Realitätsinterpretation (Sinkovics, 1999, S. 25).

Thomas (1990; zit. n. Kirchler, 1999, S. 219) definiert Kultur als ein generelles, für eine Gesellschaft aber spezifisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem beeinflusst die Wahrnehmung, das Denken, Werten und Handeln der Menschen innerhalb der jeweiligen Gesellschaft. Das Orientierungssystem wird über Symbole kommuniziert und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben.

Zu den am häufigsten zitierten Ansätzen für die Analyse kulturbedingter Unterschiede zählt die Studie von Hofstede (1980). Er befragte mehr als 116.000 IBM-Mitarbeiter in 40 Ländern über ihre arbeitsbezogenen Werthaltungen. Und ermittelte vier Wertdimensionen der nationalen Kultur:

Machtdistanz („power distance“): Das Ausmaß, in dem die Menschen eines Landes ungleiche Machtverteilung in Institutionen und Gesellschaft hinnehmen. Sie reicht von relativer Gleichheit (niedrige Machtdistanz) bis zu extremer Ungleichheit (hohe Machtdistanz).

Individualismus versus Kollektivismus („individualism/collectivism“): Individualistische Orientierung meint eine Bevorzugung von individuellen Zielen gegenüber Zielen der Gruppe. Unter einer kollektivistischen Orientierung ist damit der umgekehrte Fall gemeint. Bei einer individualistischen Orientierung gelten Selbständigkeit und Selbstverwirklichung wichtiger als Konformität und Normenübernahme (Trommsdorff, 2002, S. 397).

Lebensquantität versus Lebensqualität („masculinity/feminity“): Die Lebensquantität oder Maskulinität dient als Gradmesser, in welchem Ausmaß die gesellschaftlichen Werte von Geltungsbedürfnis und Materialismus geprägt sind. Die Lebensqualität oder Feminität dient als Gradmesser, welchen Rang zwischenmenschliche Beziehungen einnehmen und in welchem Maße die Menschen um das Wohlergehen anderer besorgt sind.

Unsicherheitsvermeidung („uncertainty avoidance“): Die Unsicherheitsvermeidung ist der Gradmesser dafür, inwieweit die Menschen eines Landes strukturierten Situationen gegenüber unstrukturierten Situationen den Vorzug geben. In Ländern mit starker Unsicherheitsvermeidung sind Menschen stärker von Angst betroffen, daher wirken sie geregelter und organisierter.

Im Jahr 2001 fügte Hofstede nach einer Untersuchung mit chinesischen Angestellten und Managern noch eine fünfte Dimension hinzu.

Langfristige versus kurzfristige Orientierung („long-term vs. short-term orientation): Menschen in Kulturen mit langfristiger Orientierung blicken in die Zukunft und schätzen Sparsamkeit sowie Beharrlichkeit. Eine kurzfristige Orientierung schätzt Vergangenheit und Gegenwart, außerdem legt sie Wert auf Respekt vor Traditionen und die Erfüllung gesellschaftlicher Verpflichtungen.

Die beiden Dimensionen „Machtdistanz“ und „Individualismus“ korrelieren tendenziell negativ miteinander. Länder mit großer Machtdistanz sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auch stärker kollektivistisch und Länder mit geringer Machtdistanz mehr individualistisch orientiert (Gulyanska, 2005, S. 21).

Unterscheiden lassen sich nach Kirkbride (1994, S. 13) „low-context“ und „high-context“ Länder. „High-context-cultures“ zeichnen sich durch ausgeprägte Machtdistanzen, hohe Unsicherheitsvermeidung und Maskulinität und eher kollektivistische Muster aus. Beispielländer finden sich in Mittel-, Ost- und Südeuropa sowie in Asien. „Low-context-cultures“ sind vor allem geprägt durch niedrige Machtdistanz und hohen Individualismus. Nordwesteuropäische Länder, wie Schweden und Nordamerika sind Beispiele für diesen Typ.

Kultur als dynamisches Konstrukt

Kultur wird als ein dynamisches Konstrukt aufgefasst, entsprechend ist der sich vollziehende Prozess eines Kulturwandels zu berücksichtigen. Kulturen streben nach innerer Konsistenz und ermöglichen der Gesellschaft eine Anpassung an ihre Umwelt (Simmet-Blomberg, 1998, S. 73). Es muss deshalb festgehalten werden, dass Hofstedes Klassifikationen, selbst wenn kulturelle Werte normalerweise stabil und dauerhaft sind, zumindest modifiziert werden müssen, um größere politische, gesellschaftliche und ökonomische Veränderungen innerhalb eines Landes wiederzugeben. Kulturelle Werte ändern sich zwar langsam, aber ändern sich dennoch. Die Individualisierungstendenzen in wirtschaftlich entwickelten Ländern sind dafür ein gutes Beispiel (siehe Kap. 2.2.2).

Um die in diesem Kapitel aufgezeigten Wertunterschiede auf Markenrepräsentationen zu übertragen, soll zunächst auf den Prozess der Gruppenwahrnehmung eingegangen werden. Im Mittelpunkt steht die Überlegung, dass Marken aus dem Ausland als Produkte von Fremden wahrgenommen und dementsprechend auch bewertet werden können.

2.2.2 Stereotype in der Gruppenwahrnehmung

Seit Lippmann (1922; zit. n. Bierhoff, 2000, S. 286) sind Stereotype Teil des kulturellen Erbes. Die Sozialpsychologie bietet damit einen soziokulturellen Ansatz für die Wahrnehmung von Gruppen.

Die Vorstellungen, die wir gegenüber anderen Gruppen haben, werden oft von Stereotypen getragen, die Unsicherheiten gegenüber dem Fremden reduzieren. Häufig geht dieses mit Ethnozentrismus einher, der sich darin ausdrückt, andere Kulturen abzuwerten, die eigene kulturelle Identität dagegen aufzuwerten. Ethnozentrismus ist eine Einstellung, die das eigene soziale Kollektiv (Gruppe, Volk, Nation, Ethnie) in den Mittelpunkt stellt. Kulturen werden auf der Grundlage eigener Werte und Normen bewertet, was nicht selten zu einer Diskriminierung Außenstehender führt (Wikipedia: Ethnozentrismus, 2006). Dieser Mechanismus stelle sicher, dass die innere Konsistenz eines Kulturkreises erhalten bleibe (Bradley, 1995; zit. n. Mennicken, 2000, S. 82).

Nach Campbell (1967; zit. n. Bierhoff, 2002, S. 289) existieren universelle Stereotypen als Facetten des Ethnozentrismus (siehe Tabelle 2.2.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2.1: Universelle Stereotype nach Campbell (zit. n. Bierhoff, 2000, S. 290)

LeVine & Campbell verstehen Ethnozentrismus als eine Einstellung, aus welcher sich die generelle Tendenz ableitet, sich mit der eigenen „in-group“ und ihrer Kultur stark zu identifizieren, „out-groups“ abzulehnen und Ereignisse ökonomischer, politischer oder sozialer Natur aus der eingeschränkten Perspektive der Ingroup wahrzunehmen (Sinkovics, 1999, S. 19). Solche Abgrenzungen zwischen Eigen- und Außengruppenmitgliedern sollen bei Gesellschaften individualistischer Orientierung weniger ausgeprägt sein als bei kollektivistischer Orientierung (Trommsdorff, 2002, S. 402).

Bei direkten Interaktions- und Kommunikationsprozessen zwischen Angehörigen verschiedener Kulturkreise (Nationalitäten) wird häufig die Theorie der sozialen Identität angewendet, die nicht nur auf überschaubare Gruppen beschränkt ist, sondern auch Quasi-Gruppen (z.B. Kulturkreise, Nationen) einbezieht.

Theorie der sozialen Identität

Nach dem realistischen Gruppenkonflikt von Sherif lassen sich Gruppenkonflikte insbesondere durch die Konfrontation einer Majorität mit einer Minorität verstehen. Diese unterscheiden sich durch Machtunterschiede und weitere leicht erkennbare Merkmale (Fischer & Wiswede, 2001, S. 659). Eine zahlenmäßige Unterlegenheit der Minorität ist dabei nicht notwenig. Gruppenkonflikte müssen oft aber gar nicht erst vorliegen, um Diskriminierung zu erklären. Tajfel & Turner entwickelten einen allgemeineren Erklärungsansatz, der als Theorie der Sozialen Identität bezeichnet wird.

Die Theorie unterscheidet zwei Beziehungsebenen: Zum einen interpersonelle Beziehungen, die auf individuellen Merkmalen der Interaktionspartner und zum anderen intergruppale Beziehungen, die auf Besonderheiten der Gruppen beruhen. Stereotype, Diskriminierung und Ethnozentrismus werden auf der Grundlage unterschiedlicher Identitäten und Gruppennormen erklärt (Bierhoff, 2000, S. 302).

Tajfel & Turner beschreiben vier zentrale Begriffe der Theorie: Soziale Kategorisierung, soziale Identität, sozialer Vergleich und soziale Distinktheit.

Personen, die Mitglieder einer Gruppe sein können, streben nach einem positiven Selbstwert, der durch einen sozialen Vergleich mit den Mitgliedern bestimmter Fremdgruppen gefördert werden kann. Der Wunsch, eine positive Distinktheit der eigenen Gruppe sicherzustellen, führt zu dem Bestreben, sich positiv von der Fremdgruppe abzugrenzen. Das Ergebnis ist eine Favorisierung der eigenen Gruppe.

Im Rahmen der Theorie der Intergruppenbeziehungen definiert Thomas (2001; zit. n. Gulyanska, 2005, S. 41) die Stereotypisierung des kulturell Fremden als einen kognitiven Prozess der sozialen Identifizierung mit den Eigengruppenmitgliedern und der sozialen Distinktion von den Fremdgruppenmitgliedern, wobei die Beurteilung des anderen vor allem über die Wahrnehmung von Unterschieden erfolge. Stereotype sind damit Produkte einer sozialen Kategorisierung.

Bei den Kategorisierungsprozessen werden z.B. von der Zugehörigkeit zu einer Rasse oder Nationalität weitreichende Schlußfolgerungen über typische Verhaltensweisen gezogen (Fischer & Wiswede, 2002, S. 180). In diesem Zusammenhang spricht man dann von Vorurteilen.

Stereotype haben primär kognitive Ursachen wie die Überschätzung der Ähnlichkeit zwischen den Mitgliedern einer Kategorie sowie im Kontrast dazu die Überschätzung der Gegensätzlichkeit zu den Mitgliedern einer anderen Kategorie (Herkner, 1991, S. 276). Die Wahrnehmungskategorien können im Extremfall dichotom sein, das heißt lediglich über zwei Ausprägungen verfügen.

Dieses Phänomen beschreiben Sherif & Hovland in der Assimilations-Kontrast-Theorie. Grundlegende Annahme ist die systematische Verzerrung der Wahrnehmung anderer Einstellungen. Ähnliche werden als identisch, andere Einstellungen werden als entfernter aufgefasst als sie es sind (Abb. 2.2.2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einstellungen im Bereich der Annahmetoleranz des Empfängers werden zur Stützung der eigenen Einstellung in Richtung auf diese verzerrt (Assimilationshypothese), dagegen werden außerhalb dieses Bereiches liegende Einstellungen als zu unterschiedlich angesehen (Kontrasthypothese), so dass die eigene Einstellung noch weiter in entgegengesetzter Richtung verschoben werden kann. Ethnozentristische Haltungen gegenüber Fremdem lassen sich somit erklären. Der Assimilations-Kontrast-Effekt wirkt sich nicht nur auf die Stereotypenbildung aus, sondern auch auf die Interpretation und Akzeptanz persuasiver Kommunikation (siehe Kap. 2.4).

Sozialer Vergleich

Kommt es zu Intergruppenkontakten durch direkte Interaktions- oder Kommunikationsprozesse spielen Ähnlichkeit bzw. Fremdheit in der Wahrnehmung von Gruppen eine entscheidende Rolle. Diese Randbedingungen sind motivationale Kräfte, die die Diskriminierungstendenzen verstärken. Voraussetzung für einen sozialen Vergleich ist deshalb ein gewisses Maß an Ähnlichkeit.

Eine ungleiche Bewertung von Fremdgruppen ergebe sich deshalb bereits bei einem Minimum an Unterscheidungs- bzw. Kategorisierungsmöglichkeiten anderer (Fischer & Wiswede, 2000, S. 663). Bei Fremdheit werden die Mitglieder anderer Gruppen als sehr viel andersartiger eingeschätzt und dementsprechend auch negativer bewertet. Die Folge ist eine positive Unterscheidung von dieser Fremdgruppe bei einer gleichzeitigen Geringschätzung derselben. Die relevanten Vergleichsdimensionen liegen in der Unterschiedlichkeit, die nach den eigenen (ethnozentristischen) Maßstäben beurteilt werden. Diese akzentuierte Differenzierung des Unterschieds der Gruppen wird als Interklasseneffekt bezeichnet (Fischer & Wiswede, S. 663). Erklärt werden kann diese Tendenz zur Gruppendifferenzierung nach dem oben beschriebenen wahrnehmungspsychologischen Stereotypisierungsprozess.

Für den sozialen Vergleich mit einer bedeutsamen Gruppe liegen die relevanten Vergleichsdimensionen in der Ähnlichkeit sozial geteilter Werte. Die ähnlichen Werte werden als die eigenen wahrgenommen und nach gemeinsamen Maßstäben beurteilt. Angestrebt wird eine positive Distinktheit von der Vergleichsgruppe. Relevante Vergleichsdimensionen sind dabei beispielsweise Macht und Status (Fischer & Wiswede, 2000, S. 662). Fällt der Vergleich negativ aus, so existieren verschiedene Bewältigungsstrategien, um ein positives Selbstbild zu erreichen. Im Gegensatz zu den kognitiven Prozessen, die bei der Bildung von Stereotypen ablaufen, entstehen solche Selbstwerterhöhungen durch Motivationsprozesse (Gulyanska, 2005, S. 41).

Die Bewältigungsstrategien können zum einen Assimilation oder Mobilität sein. Hier wird versucht, durch Anpassung an das Verhalten der erfolgreicheren Gruppe oder durch Abwanderung einen sozialen Aufstieg zu erreichen. Zum anderen ist auch sozialer Wettbewerb oder Kreativität möglich. Beim sozialen Wettbewerb versucht eine Minorität, von der Gesellschaft hochbewertete Ziele und Symbole des Respekts erlangen zu können und der Majorität ähnlicher zu werden, aber gleichzeitig ihre Eigenständigkeit und Identität zu bewahren (Fischer & Wiswede, 2000, S. 668).

Die soziale Kreativität zielt im Unterschied zum sozialen Wettbewerb darauf, konstruktiv neue Dimensionen für den sozialen Vergleich zu suchen und diese neu geschaffenen Vergleichsdimensionen oder auch die neue Bewertung der alten Dimensionen (z.B. Veränderung von Werten) innerhalb der eigenen Gruppe und gegenüber der Majorität zu legitimieren (Fischer, Wiswede, 2000, S. 669).

Ein negativer Selbstwert ist mit unangenehmen Gefühlen verbunden, die Aggressionen auslösen können. Ein geringes Maß an Selbstvertrauen kann deshalb zu negativen Einstellungen (z.B. Feindlichkeit, Mißtrauen) gegenüber Fremden führen (Sinkovics, 1999, S. 20). Man kann davon ausgehen, dass Menschen mit einem positiven Selbstwert generell weniger zu Diskriminierung neigen als Menschen mit negativem Selbstwert.

2.2.3 Consumer Ethnocentrism

Eine marktpsychologische Anwendung des Ethnozentrismus-Ansatzes ist das Konzept des Consumer Ethnocentrism (Sinkovics, 1999, S. 25). Dieser stellt einen Zusammenhang zwischen Marke und Kultur her.

Angenommen wird, dass pauschale Harmonisierungsstrategien von Unternehmen zu einer Unterschätzung von Problemen bei direkten interkulturellen Interaktions- und Kommunikationsprozessen führen.[1] Marketingrelevante Unterschiede können existieren in der Sprache, dem Lebensstil und in Werten und Einstellungen.

Sheth & Sethi (1977) entwickelten ein Modell des interkulturellen Konsumverhaltens, das sich auf das Diffusionsmodell von Rogers bezieht. Neben der Bedeutung von Meinungsführern und der Kommunikation über Innovationen, betonen sie die Wichtigkeit der unterschiedlichen kulturellen Lebensstile.

Kulturunterschiede als Folge unterschiedlicher politischer, sozialer und geographischer Bedingungen wirken auf die Konsumenten ein und bedingen verschiedene Wahrnehmungen gegenüber ausländischen Produkten. Die soziale Repräsentation einer Marke entsteht demnach im kulturellen Rahmen einer Gesellschaft (vgl. Kapitel 2.1.3). Man kann deshalb folgende Annahme formulieren:

„In verschiedenen Ländern gibt es Unterschiede in der sozialen Repräsentation ein und derselben Marke.“

Da Personen aus dem Herkunftsland einer Marke meist über mehr Erfahrung mit dieser und deshalb auch über mehr Wissen verfügen als über fremde Marken, kann noch eine weitere Annahme formuliert werden.

„Personen sind in der Repräsentation von Marken aus ihrem Land „Experten“, in der von Marken aus anderen Ländern eher „Novizen“.“

Die soziale Repräsentation einer unbekannten Marke ist geprägt durch kulturelles Wissen. So drückt sich Konsumenten-Ethnozentrismus beispielsweise darin aus, dass andere Kulturen oder deren Produkte auf der Grundlage eigener Werte und Normen bewertet werden. Häufig kommt es dabei zu einer Überhöhung der eigenen Kultur und Glauben der Konsumenten an die Überlegenheit heimischer Produkte (vgl. noch einmal Tab. 2.2.1).

Ethnozentrisitische Konsumenten sind davon überzeugt, dass es nicht richtig ist, ausländische Produkte zu kaufen, weil mit dieser Haltung der heimischen Wirtschaft geschadet, und Arbeitslosigkeit ausgelöst wird. Ethnozentristische Konsumenten halten den Kauf von ausländischen Produkten für unpatriotisch (Sinkovics, 1999, S. 28). Mit dieser Haltung versuchen Ethnozentristen, einen Beitrag zum ökonomischen Wachstum und der inneren sozialen, politischen und ökonomischen Sicherheit ihres Heimatlandes zu leisten.

Hoch ethnozentrische („highly ethnocentric“) Konsumenten zeichnen sich demzufolge dadurch aus, dass sie das Kaufen ausländischer Produkte als moralisch falsch betrachten.

Nicht ethnozentrische („non-ethnocentric“) Konsumenten beurteilen ausländische Produkte nach ihren Eigenschaften oder betrachten sie sogar als besser, weil sie nicht in ihrem eigenen Land produziert wurden (siehe Abb. 2.2.3).

Die Stärke des Ethnozentrismus hänge maßgeblich von bekannten Persönlichkeitsfaktoren ab: Soziodemographische Variablen, Offenheit für fremde Kulturen, Patriotismus und der Kulturdimension Kollektivismus-Individualismus (Reardon et al., 2004, S. 740).

Country of origin- Forschung

Die Country of origin (COO)- Forschung bietet noch einen weiteren Ansatz zur Erklärung der Bewertung ausländischer Marken. Dabei spielen informationstheoretische Gesichtspunkte eine Rolle. Konsumenten vereinfachen ihre Kaufentscheidungen in anonymen und unübersichtlichen Märkten häufig dadurch, dass sie Informationen wie das Herkunftsland zur Produktbeurteilung heranziehen. Das Herkunftsland wird so zu einer relevanten Produkteigenschaft (Sinkovics, 1999, S.27).

2.2.4 Ethnozentrismus in osteuropäischen Transformationsländern

Der folgende Abschnitt versucht, die Konzepte der Sozialen Identität, der Assimilations-Kontrast-Effekte und des Consumer Ethnocentrism auf die osteuropäischen Transformationsländer zu übertragen. Diese Länder sind gekennzeichnet durch eine tiefgreifende Umwandlung ihrer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme: von einem Staatssozialismus zu einer funktionierenden Marktwirtschaft.

Aufgrund der Vorherrschaft sozialistischer Werte und Strukturen wurden die kulturellen Muster osteuropäischer Länder durch das staatlich vorgegebene Leitbild des sowjetischen Menschen überlagert (Trommsdorff & Schuchardt, 1998, S. 197). Das Ideal entsprach einem Menschen, der seine persönlichen Interessen den kollektiven unterordnet und mit einfacher Bedürfnisbefriedigung und staatlicher Fürsorge zufrieden ist. Bei den osteuropäischen Transformationsländern handelt es sich deshalb zumeist um ausgeprägt kollektivistische Gesellschaften (siehe Tabelle 2.2.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.2.4: Kulturelle Charakteristiken osteuropäischer Länder nach der Hofstede-Skala zit. n. Gulyanska, 2005, S. 24

Im Marxismus war die Zurückstellung der eigenen Interessen zugunsten des Wohlergehens der Gruppe ein wesentlicher Bestandteil der gesellschaftlichen Ordnung. Daher werden in der osteuropäischen Bevölkerung mit dem Begriff der Marktwirtschaft auch heute noch negativ wahrgenommene Praktiken des „Wilden Kapitalismus“ identifiziert (Trommsdorff & Schuchardt, 1998, S. 53), die dem in der Ideologie des Sozialismus verwurzelten Ideal der sozialen Gerechtigkeit entgegenstehen. Werbung wurde als kapitalistisches Werkzeug diskreditiert. Daher lässt sich Skepsis und Zurückhaltung gegenüber Werbung aus dem westlichen Ausland erwarten.

Seit dem Ende des Kommunismus sind jedoch inzwischen 15 Jahre vergangen. Der makroökonomische Integrationsprozess kann heute inzwischen in manchen osteuropäischen Ländern als weitgehend abgeschlossen betrachtet werden, während andere sich mitten im Übergang, oder gar erst in einem Vorstadium der wirtschaftlichen und politischen Transformation befinden. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive kann dagegen in keinem Fall von einer abgeschlossenen Transformation gesprochen werden. Vielmehr befinden sich sämtliche Länder noch in einem Prozess der Umgestaltung und des Wandels in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Wertewandel in Transformationsländern

Bei den einmal verinnerlichten Wertorientierungen handelt es sich nach Inglehart (1989; zit. n. Gulyanska, 2005, S. 62) und Hofstede (1980, S.19) um relativ stabile Grundmuster der Persönlichkeit. Aber ein Wandel im Wertesystem ist möglich. Wie in Kapitel 2.2.1 beschrieben ändern sich kulturelle Werte zwar langsam, aber dennoch ändern sie sich.

Unterschieden wird der Wandel aufgrund interner (Kulturelle Evolution) und externer Faktoren (Kulturelle Diffusion). Erster beschreibt, dass durch Veränderungen der natürlichen, technologischen, ökonomischen oder sozialen Rahmenbedingungen einer Kultur die Individuen vor der Aufgabe stehen, sich auf diese einzustellen. Der zweite beschreibt einen Wandel, der durch kulturelle Anleihen aus anderen Kulturkreisen, die durch Kontakt mit anderen Kulturen zustande kommen, intendiert wird. Beispiele dafür sind die Kommunikation durch Massenmedien, über Länder bzw. Kulturkreise hinweg oder die Verbreitung neuer Technologien sowie kultureller Ideen wie Freiheit und Demokratie. Die Übernahme von kulturellen Anleihen aus anderen Kulturkreisen ist dabei umso wahrscheinlicher, je ähnlicher sich die beiden Kulturkreise sind (Mennicken, 2000, S. 82).

Häufig wirken die beiden Faktoren der kulturellen Evolution bzw. Diffusion aber zusammen. Viele Studien heben hervor, dass sich im Gefolge der wirtschaftlichen Entwicklung Einstellungsänderungen vollziehen müssen, die durch ein verändertes Wertesystem ausgelöst werden (Wiswede, 2000, S. 117). Ob dieser Wandel allein durch wirtschaftliches Wachstum oder auch durch Kontakt mit modernen Institutionen (z.B. Massenmedien) entsteht, lässt sich nicht trennen.

Inglehart stellte in seiner Wertewandeltheorie von 1977 die Zentralthese auf, dass sich über die Generationen der Nachkriegsära vor dem Hintergrund der rasanten ökonomischen Entwicklung ein Wertewandel vollzieht, in dem Werte der individuellen Selbstverwirklichung und Lebensqualität zunehmend über die Werte ökonomischer Sicherheit und Anpassung an bestehende Verhältnisse dominieren. Werte werden in der Kindheit und Jugend geprägt und bleiben dann für den Rest des Lebens relativ stabil („Sozialisationshypothese“). Die Wertprioritäten eines jungen Menschen reflektieren sein sozioökonomisches Umfeld: Den größten subjektiven Wert misst man den Dingen zu, die relativ knapp sind („Mangelhypothese“). Daher entwickeln sich Werte komplementär zu den gesellschaftlichen Bedingungen. Nach dieser Vorstellung sollte die Nachkriegsgeneration eher durch materialistische, die in Westdeutschland nachfolgende Wohlstandsgeneration dagegen stärker durch postmaterialistische Werte gekennzeichnet sein.

Hofstedes Kulturdimension „Individualism“ ist ein solches Beispiel für den Wandel des Wertesystems. Hofstede (1980, S. 232) wies nach, dass das Ausmaß individualistischer Einstellungen mit der Ausbreitung des Wohlstands Hand in Hand gehe (siehe Abb. 2.2.5).

Hofstedes Resultate stützen sich auf eine Untersuchung, die mehr als drei Jahrzehnte zurückliegt. Seit seiner ursprünglichen Arbeit hat sich die Welt verändert. In Mexiko beispielsweise hat sich das Schwergewicht in 30 Jahren vom Kollektivismus zum Individualismus verschoben. Dies stehe im Einklang mit Mexikos wirtschaftlicher Entwicklung und der Ausbreitung kapitalistischer Werte (Robbins, 2001, S. 92).

[...]


[1] Zur Diskussion von globalem vs. differentiellem internationalen Marketing vgl. u.a. Wiswede (2000).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836616294
DOI
10.3239/9783836616294
Dateigröße
896 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Soziologie
Erscheinungsdatum
2008 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
interkulturelles mapping cognitive osteuropa markenforschung ungarn
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Titel: Zur Repräsentation von Marken aus dem Westen in Osteuropa
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