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Soziale Beziehungen und deren Rolle beim Aufbau von Online Communities

©2007 Diplomarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Zuge der immer stärkeren Ausbreitung des Internets hat auch die Teilnahme an so genannten virtuellen Communities ein erhebliches Ausmaß erreicht. Bereits im Jahre 2000 waren über 40 Millionen Menschen weltweit Mitglied einer solchen Community. Markus definiert virtuelle Communities als a group of individuals with some common interests and greater density of communication within than across its boundaries.
Damit eine kommerziell betriebene virtuelle Community und die auf ihr basierende Webseite (im Folgenden: Webseite oder Seite) auf Dauer am Markt bestehen kann, ist es notwendig, eine hinreichend große Anzahl von Nutzern zu gewinnen. Für die Nutzer steigt im Regelfall der wahrgenommene Nutzen mit der Größe des Netzwerkes. Nur wenn es eine als ausreichend empfundene Anzahl anderer Nutzer gibt, mit denen man sich austauschen kann, ergibt sich ein Anreiz, einer Community beizutreten, bzw. diese regelmäßig zu besuchen. Für den Betreiber einer solchen Seite stellt sich daher in der Startphase die Frage, wie es gelingen kann, möglichst schnell eine hinreichende Anzahl von Usern für die Seite zu gewinnen. Neben dem Weg der klassischen Werbung, der für viele Betreiber vermutlich zu kostspielig ist, ist es möglich, eine Strategie zu entwickeln, die auf die Weiterempfehlung bestehender Nutzer innerhalb derer sozialer Netzwerke setzt. Wie erfolgreich eine solche Kampagne sein kann, zeigt der Instant -Messenger Anbieter ICQ. Obwohl das Unternehmen auf Werbung in Massenmedien verzichtete und auf die Empfehlung zufriedener Nutzer vertraute, gab es Zeiten, zu denen der Anbieter über 100.000 neue Mitglieder pro Tag hinzu gewinnen konnte. Wie sich derartige Nachrichten in sozialen Beziehungsnetzwerken verbreiten und was der Betreiber einer solchen Community unternehmen kann, um diesen Prozess zu stimulieren, ist Thema dieser Diplomarbeit.
In Kapitel 2 dieser Arbeit wird zunächst der Diffusionsprozess beschrieben. Der Diffusionsprozess sei nach Homburg als die Ausbreitung von Innovationen im Markt im Zeitablauf definiert. Verschiedene Faktoren können diesen Verlauf beeinflussen. Neben Produkteigenschaften, wie z.B. wahrgenommene Vorteilhaftigkeit können auch das mediale Umfeld, etwa durch Berichte in Zeitschriften oder Werbung, eine Rolle spielen. Allerdings ist häufig zu beobachten, dass sich neue Güter durch persönliche Empfehlungen am Markt durchsetzen. Nicht alle Menschen verfügen in Kommunikationssituationen über die gleiche […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Julian Weihe
Soziale Beziehungen und deren Rolle beim Aufbau von Online Communities
ISBN: 978-3-8366-1436-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
Printed in Germany

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Management Summary
Im Zuge der immer stärkeren Ausbreitung des Internets hat auch die Teilnahme an so
genannten virtuellen Communities ein erhebliches Ausmaß erreicht. Bereits im Jahre
2000 waren über 40 Millionen Menschen weltweit Mitglied einer solchen
Community (Kozinets 1999, S. 253). Markus definiert virtuelle Communities als ,,a
group of individuals with some common interests and greater density of
communication within than across its boundaries" (Markus 1990, S. 194).
Damit eine kommerziell betriebene virtuelle Community und die auf ihr basierende
Webseite (im Folgenden: Webseite oder Seite) auf Dauer am Markt bestehen kann,
ist es notwendig, eine hinreichend große Anzahl von Nutzern zu gewinnen. Für die
Nutzer steigt im Regelfall der wahrgenommene Nutzen mit der Größe des
Netzwerkes. Nur wenn es eine als ausreichend empfundene Anzahl anderer Nutzer
gibt, mit denen man sich austauschen kann, ergibt sich ein Anreiz, einer Community
beizutreten, bzw. diese regelmäßig zu besuchen. Für den Betreiber einer solchen
Seite stellt sich daher in der Startphase die Frage, wie es gelingen kann, möglichst
schnell eine hinreichende Anzahl von Usern für die Seite zu gewinnen. Neben dem
Weg der klassischen Werbung, der für viele Betreiber vermutlich zu kostspielig ist,
ist es möglich, eine Strategie zu entwickeln, die auf die Weiterempfehlung
bestehender Nutzer innerhalb derer sozialer Netzwerke setzt. Wie erfolgreich eine
solche Kampagne sein kann, zeigt der Instant -Messenger Anbieter ICQ. Obwohl das
Unternehmen auf Werbung in Massenmedien verzichtete und auf die Empfehlung
zufriedener Nutzer vertraute, gab es Zeiten, zu denen der Anbieter über 100.000 neue
Mitglieder pro Tag hinzu gewinnen konnte (Submarani et al. 2003, S. 304). Wie sich
derartige Nachrichten in sozialen Beziehungsnetzwerken verbreiten und was der
Betreiber einer solchen Community unternehmen kann, um diesen Prozess zu
stimulieren, ist Thema dieser Diplomarbeit.
In Kapitel 2 dieser Arbeit wird zunächst der Diffusionsprozess beschrieben. Der
Diffusionsprozess sei nach Homburg als ,,die Ausbreitung von Innovationen im
Markt im Zeitablauf" (Homburg et al. 2006, S. 597) definiert. Verschiedene Faktoren
können diesen Verlauf beeinflussen. Neben Produkteigenschaften, wie z.B.
wahrgenommene Vorteilhaftigkeit können auch das mediale Umfeld, etwa durch

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Berichte in Zeitschriften oder Werbung, eine Rolle spielen. Allerdings ist häufig zu
beobachten, dass sich neue Güter durch persönliche Empfehlungen am Markt
durchsetzen. Nicht alle Menschen verfügen in Kommunikationssituationen über die
gleiche Überzeugungskraft: Eine besondere Bedeutung kommt Meinungsführern zu,
Menschen, die einen ausgesprochen großen Einfluss auf die Einstellung von
Personen innerhalb ihres sozialen Umfelds haben (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 518).
In Kapitel 3 werden die Strukturen sozialer Netzwerke näher betrachtet. Dabei wird
zunächst vom graphentheoretischen Modell von Watts und Strongatz ausgegangen.
Im Gegensatz zu den strengen Modellannahmen zeichnen sich soziale
Beziehungsnetzwerke durch einige Besonderheiten aus.
Nach Watts und Strongatz unterliegt die Anzahl der Verbindungen, über die der
Einzelne verfügt, der Normalverteilungsfunktion. Empirisch ist jedoch
nachgewiesen, dass es Menschen gibt, die über überdurchschnittlich viele
Verbindungen verfügen, während andere nur wenige Verbindungen aufzuweisen
haben. Die Anzahl der Verbindungen scheint nach dem Power-Law verteilt zu sein.
Newman schreibt dazu, dass ,, power laws arise when ,,the rich get richer", when the
amount you get goes up with the amount you already have" (Newman 2003, S. 213).
Das heißt, es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein neuer Knotenpunkt mit
einem bestehenden Knotenpunkt verbindet mit der Anzahl der Verbindungen, über
die der bestehende Knotenpunkt bereits verfügt (Holzer 2005, S. 10). Knotenpunkte,
die über überdurchschnittlich viele Verbindungen verfügen, werden auch als Hubs
bezeichnet. Wenn es gelingt, diese sozial stark vernetzten Individuen zum Beitritt in
eine Community zu bewegen, dürfte es vermutlich leichter sein, einen großen Anteil
der Personen, mit denen diese in Kontakt stehen, ebenfalls als Mitglieder zu
gewinnen.
Im Watts-Strongatz-Modell wird allerdings ignoriert, dass sich Verbindungen, die
zwischen Menschen (im Modell als Knotenpunkte bezeichnet) bestehen, durchaus in
ihrer Qualität unterscheiden können. Zu manchen Menschen, z.B. zu den Mitgliedern
der eigenen Familie, hat man eine stärkere Verbindung als zu anderen, wie etwa zu
Arbeitskollegen. Daher sollte zwischen starken und schwachen Verbindungen
unterschieden werden. Interessanterweise belegen Studien, dass es häufig vor allem
schwache Verbindungen sind, über die wichtige Informationen ausgetauscht werden

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(Granovetter 1973, S. 1371; Lin et al. 1981, S. 403). Möglicherweise verfügen
Personen, die in enger Verbindung zueinander stehen, über ähnliche Informationen.
Demgegenüber haben schwache Verbindungen das Potential, soziale Distanzen zu
überwinden (Granovetter 1983, S. 209) und Informationen zu liefern, über die das
engere soziale Umfeld nicht verfügt.
In Kapitel 4 dieser Arbeit werden einige der theoretischen Erkenntnisse anhand einer
Befragung von 110 deutschen Internetnutzern empirisch untersucht. Die Ergebnisse
belegen, dass bei knapp 90% der Befragten ein Gespräch mit Freunden, Verwandten
oder Bekannten dazu führte, dass die Person auf die entsprechende Community
aufmerksam wurde. ,,Empfehlungsgeber" waren überwiegend Menschen, zu denen
der ,,Empfehlungsnehmer" eine starke Verbindung hatte. Zudem konnte gezeigt
werden, dass Empfehlungen vor allem von Individuen ausgesprochen werden, die
eine Community regelmäßig nutzen.
Die Ergebnisse belegen somit, dass eine Steigerung der Mitgliederzahl durch
Weiterempfehlung seitens bestehender Nutzer durchaus möglich und wirkungsvoll
ist. Allerdings sollte dies die Betreiber einer Community keineswegs dazu
veranlassen, eigene Marketingaktivitäten zu vernachlässigen und allein auf die
Weiterempfehlungsbereitschaft der bestehenden Nutzer zu setzen. Auch virales
Marketing, definiert als ,,das gezielte Auslösen und Kontrollieren von Mund-zu-
Mund-Propaganda zum Zweck der Vermarktung von Unternehmen und deren
Leistungen" (Langner 2005, S. 25) muss sorgfältig geplant sein, soll sie zum Erfolg
führen.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ... 6
2. Der Diffusionprozess und seine wichtigsten Einflussfaktoren ... 8
2.1
Der Diffusionprozess im Überblick ... 8
2.2
Einflussfaktoren des Diffusionsprozesses... 12
2.2.1 Das mediale Umfeld ... 12
2.2.2 Das soziale Umfeld ... 14
2.3
Virales Marketing... 16
2.4
Besonderheiten technikvermittelter Kommunikation ... 18
3. Vom Wesen sozialer Netzwerke ... 21
3.1 Das Small World Phänomen ... 21
3.1.1 Untersuchungsgegenstand und -ergebnisse... 22
3.1.2 Probleme des Small World-Ansatzes ... 23
3.2 Soziale Netzwerkstrukturen ... 24
3.2.1 Das Watts-Strongatz Modell ... 24
3.2.2 Soziale Strukturen in Netzwerken ... 25
3.2.3 Starke und schwache Verbindungen ... 27
3.2.4 Verteilung von Verknüpfungen... 30
3.2.5 Stabilität von Netzwerken ... 31
3.3 Strukturelle Besonderheiten virtueller Netzwerke ... 32
4. Empirische Untersuchung ... 34
4.1
Untersuchungsgegenstand... 35
4.2
Auswertungsmethodik... 39
4.3
Ergebnisse... 44
5. Diskussion und Ausblick... 51
Abbildungsverzeichnis ... 56
Tabellenverzeichnis... 57
Anhang ... 65

6
1.
Einleitung
Im Zuge der zunehmenden globalen Ausbreitung des Internets und anderer
innovativer Dienste rückt die Nutzung von virtuellen, nur in der Online Welt
bestehenden Communites in den Fokus zahlreicher Unternehmen. Markus definiert
Communities als ,,a group of individuals with some common interests and greater
density of communication within than across its boundaries" (Markus 1990, S. 194).
Die Gründe für das Interesse der Unternehmen an solchen Communities sind
vielfältig. Zum einen hat man die wachsende Bedeutung virtueller Communities für
die Kaufentscheidung von Konsumenten entdeckt (Kozinets 2002, S. 62). Einer
aktuellen Umfrage zu Folge haben schon 30% aller Deutschen ein Produkt oder eine
Dienstleistung nicht gekauft, weil sie diesbezüglich negative Kommentare anderer
Nutzer im Internet zur Kenntnis genommen hatten (o.V. 2006b, o.S.). Diese Tendenz
spiegelt sich auch in der Nutzeranzahl derartiger Seiten wider. So verzeichnet z.B.
die Internetseite www.Ciao.de, auf der Verbraucher Produkterfahrungen austauschen
können, bereits über 800.000 deutsche Nutzer (Langner 2005, S. 31)
Auch bei der Entwicklung neuer Produkte oder Produktmodifikationen greifen
Unternehmen auf die Hilfe von Online Communities zurück. Ein besonderes Beispiel
hierfür ist die Firma Ebay. Änderungen am Konzept gingen nicht selten von der
Mitgliedergemeinschaft selbst aus, bzw. wurden vor einer Umsetzung durch das
Unternehmen in Foren zur Diskussion gestellt (Cohen 2004, S. 50f.).
Ein weiterer betriebswirtschaftlicher Nutzen kann in der Vermarktung virtueller
Communities per se bestehen. Das Spektrum ist vielfältig und kann von rein
geschäftlichen Kontaktnetzwerken wie OpenBC (Kleintz 2004, S. 86) bis hin zu
Video-Plattformen wie YouTube reichen. Während OpenBC unter dem neuen
Namen Xing im Herbst 2006 an die Börse ging, um mit dem erworbenen Kapital in
neue Märkte im asiatischen und amerikanischen Raum vorzustoßen (Ribaudo 2006,
S. 17), wurde YouTube von der Firma Google für 1,35 Milliarden Euro übernommen
(o.V. 2006a, o.S).
Die Tatsache, dass es sich bei virtuellen Communities längst nicht mehr um eine
Randerscheinung handelt, belegen auch die Nutzerzahlen. In den USA veröffentlicht
bereits jeder fünfte Amerikaner eigene Inhalte im Internet, in New York City ist

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jeder dritte Einwohner beim Netzportal MySpace mit einem eigenen Profil vertreten
(Pohlmann 2007, S. 31).
Damit eine virtuelle Communitiy auf Dauer am Markt bestehen kann, ist es
notwendig, eine hinreichend große Anzahl von Nutzern zu gewinnen. Auch für die
Beteiligten selbst steigt der wahrgenommene Nutzen mit der Größe des Netzwerkes.
Nur wenn es eine als ausreichend empfundene Anzahl anderer Beteiligter gibt, mit
denen Nutzer sich austauschen können, ergibt sich ein Anreiz, einer Community
beizutreten.
Die Frage ob und vor allem wie dies auch auf anderem Wege als durch Werbung
gelingen kann, soll Schwerpunkt dieser Diplomarbeit sein. Den Weg klassischen
Marketingstrategien zu beschreiten, wird für einige Betreiber von Communities
aufgrund beschränkter finanzieller Mittel nicht möglich sein. Womöglich ist es
preiswerter und effektiver, sich das Weiterempfehlungspotential
1
bestehender User
zunutze zu machen.
Wie Kommunikation verläuft und wie sich diese auf die Übernahme von für den
Einzelnen neuen Produkten auswirkt, ist Gegenstand des 2. Kapitels. Neben
wichtigen Determinanten dieses Prozesses, wie z.B. den Massenmedien oder dem
sozialen Umfeld, ist hier auch der Begriff des viralen Marketings von Bedeutung.
Zudem wird dargestellt, wie sich der Kommunikationsprozess verändert, wenn dieser
über das Internet erfolgt, also auf der Ebene einer Interaktion ohne persönliche
Begegnung.
Nachdem in Kapitel 2 Kommunikation an sich im Mittelpunkt des Interesses steht,
sollen in Kapitel 3 die dieser Kommunikation zugrunde liegenden Strukturen sozialer
Netzwerke näher beleuchtet werden. Ausgehend von dem grundlegenden Modell von
Watts und Strongatz werden die neueren Erkenntnisse der sozialen
Netzwerkforschung expliziert.
Im 4. Kapitel soll empirisch geprüft werden, inwiefern die Erkenntnisse aus der
Netzwerkanalyse auch auf die Struktur und Entwicklung von Online Communities
1
An dieser Stelle sei noch etwas zum im Laufe der Arbeit häufig verwendeten Begriff der
"Empfehlung" angemerkt. Natürlich kann nicht bei jedem Gespräch, bei dem eine Person von einer
anderen Person auf eine bestehende Community aufmerksam gemacht wird, von einer gezielten
Empfehlung im engeren Sinne gesprochen werden. Vielfach ergeben sich derartige Informationen
beiläufig im Laufe der Interaktion. Aus Gründen der Lesbarkeit und weil hier nicht noch nach Art des
Gesprächs und der Intention differenziert werden soll, wird der Begriff ,,Empfehlung" auch als
Synonym für derartige Gespräche bzw. Gesprächsanteile genutzt.

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anzuwenden sind. Für die Praxis weisen diese Ergebnisse eine hohe Relevanz auf: Je
nachdem, ob der Anstoß zur Adoption von Massenmedien, z.B. durch Werbung oder
von sozialen Kontakten ausgeht, ergeben sich direkte Konsequenzen, die in die
Gestaltung des Marketingmixes einfließen sollten. Diese Implikationen werden
abschließend erörtert und in Möglichkeiten weiterer Forschungsvorhaben gedanklich
überführt.
2.
Der Diffusionprozess und seine wichtigsten Einflussfaktoren
Als Einführung in dieses Kapitel wird zunächst der Diffusionsprozess erläutert.
Anschließend soll auf die zwei Variablen, die diesen Prozess beeinflussen können ­
die mediale Kommunikation und die Kommunikation in sozialen Netzwerken ­
näher eingegangen werden. Als Verbindung von medialer und interpersoneller
Kommunikation wird anschließend das Konzept des viralen Marketings vorgestellt.
Zum Abschluss des Kapitels werden die Eigenarten internetgestützter
zwischenmenschlicher Kommunikation beschrieben.
2.1
Der Diffusionprozess im Überblick
Homburg definiert den Diffusionsprozess als ,,die Ausbreitung von Innovationen im
Markt im Zeitablauf" (Homburg et al. 2006, S. 597). Die Diffusion setzt Adoption,
definiert als ,,schrittweisen Prozess der Übernahme (Adoption) einer Innovation
durch einen Nachfrager" (Homburg et al. 2006, S. 597), voraus. Grafisch dargestellt
lässt sich der Diffusionsprozess idealtypisch als S-Kurve abbilden (Abbildung 1). Zu
Beginn nutzen nur wenige Individuen, so genannte Innovatoren, das neue Produkt.
Durch Imitation oder durch Empfehlung von Seiten der Innovatoren, adoptieren im
Laufe der Zeit immer mehr Menschen die Innovation (Markus 1990, S. 197), bis
schließlich der Markt ­ auch hier wieder idealtypisch ­ gänzlich abgedeckt ist. Wie
schnell der Diffusionsprozess verläuft, bzw. ob überhaupt eine hinreichende Anzahl
von Nachfragern für das Produkt gewonnen werden kann, hängt von der
wahrgenommenen relativen Vorteilhaftigkeit ab, etwa im Vergleich zu ähnlichen
Produkten, die bereits am Markt erhältlich sind, von der Kompatibilität mit den

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Erfahrungen, Glaubenssätzen und Werten des potentiellen Nachfragers sowie von
der Komplexität, Beobachtbarkeit und Erprobbarkeit des Produkts (Rogers 1995, S.
28).
Abbildung 1: Idealtypischer Diffusionskurvenverlauf (Rogers 1995, S. 31)
Die meisten Online Communities zeichnen sich jedoch zusätzlich dadurch aus, dass
der Nutzen für den Einzelnen mit der Anzahl der Nutzer insgesamt ansteigt. Voeth
bezeichnet derartige Produkte als Systemgut, das nur ,,dann einen Nutzen stiftet,
wenn das Gut in mindestens einer Interaktionsbeziehung zu einem (gleichartigen)
Gut bei einem anderen Nachfrager steht" (Voeth 2003, S. 120). Für Unternehmen ist
es besonders zu Beginn schwierig, Nutzer zu gewinnen und die kritische Masse zu
erreichen, da der Netzbeitritt zu diesem Zeitpunkt eher wenig attraktiv erscheint und
erst mit wachsender Nutzerzahl an Attraktivität zunimmt. In der
betriebswirtschaftlichen Literatur wird diese Problematik auch als
Marktbeschaffungsproblem bezeichnet (Voeth 2003, S. 224f.). Ein klassisches
Beispiel aus dem Telekommunikationsbereich ist hier das Faxgerät: Bereits im Jahre
1843 durch Alexander Bain erfunden dauerte es 150 Jahre, bis sich die Technologie
auf dem amerikanischen Markt durchsetzte (Rogers 1995, S. 30).

10
Abbildung 2: Kategorisierung der Adoptoren des Diffusionsprozesses (Rogers 1962,
S. 247)
Entsprechend dem Zeitpunkt , zu dem eine Innovation durch ein Individuum adoptiert
wird, lässt sich das Individuum einer von fünf Nachfragergruppen zuordnen (siehe
Abbildung 2). Von besonderer Wichtigkeit für den Diffusionsprozess sind die so
genannten Innovatoren, die das Produkt als erste übernehmen. Sie zeichnen sich
häufig durch ein gehobenes Einkommen und ein starkes Verlangen nach neuen Ideen
aus, sind in ihrem sozialen Umfeld respektiert und nehmen dort eine Art Vorbildrolle
bei der Nutzung neuer Produkte ein (Rogers 1995, S. 28). Innovatoren treffen ihre
Kaufentscheidung unabhängig davon, ob andere Menschen das Produkt schon
nutzen. Vielmehr ist häufig zu beobachten, dass sie sich durch die Nutzung einer
Produktinnovation einen Imagegewinn versprechen (Homburg et al. 2006, S. 597f.).
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, was einen Menschen dazu
bewegt, eine Innovation im frühen Stadium der Markteinführung zu adoptieren.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Adoption von Produkten, die für den
Einzelnen neu sind, immer mit einem gewissen Risiko verbunden ist (Rogers 1995,
S. 28). So ist z.B. zu Beginn der Produkteinführungsphase ja keineswegs sicher, ob
sich die Innovation durchsetzen wird. Das Individuum wird also überlegen, welche
Risiken (=Kosten) welchen Vorteilen (=Nutzen) gegenüberstehen. Übersteigen die
Vorteile die Risiken, so kann vermutet werden, dass das Individuum handelt und die
Innovation adoptiert (Berk 1974, S. 364). Der Punkt, bei dem sich eine Adoption aus
Kosten-Nutzen-Überlegungen lohnt, sei hier als individuelle Eintrittsbarriere
definiert. Da sich Kosten und Nutzen in den seltensten Fällen unter Ausschluss von
Unsicherheit monetär in Euro und Cent berechnen lassen, hängen diese von der

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(subjektiven) Einschätzung des Individuums ab. Die Höhe der individuellen
Eintrittsbarriere kann durch Normen, die soziale Klasse, durch den Beruf, die
Ausbildung und Charaktereigenschaften der Person beeinflusst werden (Granovetter
1978, S. 1436).
Neben diesen individuellen Charakteristika ist es vor allem das soziale Umfeld, das
einen Einfluss auf die Konsumgewohnheiten von Individuen haben kann. Wenn eine
hinreichende Menge von Menschen aus dem sozialen Umfeld die Übernahme eines
neuen Produktes oder Dienstes unterstützt (Unterstützer), ist eine Adoption
wahrscheinlicher (Berk 1974, S. 366). Hier muss nochmals differenziert werden, in
welcher Beziehung das Individuum zu den ,,Untersützern" steht. Bestimmte
nahestehende Personen, etwa Freunde oder Verwandte, können unter Umständen
einen größeren Einfluss ausüben als beispielsweise flüchtige Bekannte (Granovetter
1978, S. 1429).
Betrachtet man den Diffusionsprozess von Online Communities, ergeben sich eine
Reihe von Besonderheiten. Durch die Anonymität des Internets kann es geschehen,
dass Individuen eine Innovation adoptieren, dies anderen Personen jedoch nicht zur
Kenntnis bringen. Obwohl die individuelle Eintrittsbarriere von Menschen, welche
die Innovation bisher nicht übernommen haben, unter Umständen bereits
überschritten ist, wissen diese nichts davon und adoptieren die Innovation daher
nicht (Granovetter 1978, S. 1438; Berk 1974, S. 367). Denkbar wäre dies z.B. bei
einer Dating-Kontaktbörse, da es vielen Menschen vermutlich unangenehm ist, die
Mitgliedschaft in einer derartigen Community in ihrem sozialen Umfeld zu
kommunizieren.
Zum anderen ist gelegentlich zu beobachten, dass der Nutzenverlauf bei einigen
Online Communites mit steigender Nutzerzahl nicht linear ansteigt, sondern sogar
abnimmt (Granovetter 1978, S. 1428f.), was dazu führen kann, dass bestimmte
Mitglieder aus der Community wieder austreten. Denkbar wäre dies etwa bei einem
exklusiven Kontaktnetzwerk für Manager, das immer mehr Nutzer aus anderen
gesellschaftlichen Schichten hinzugewinnt und damit seine Attraktivität und
Exklusivität aus Sicht der Manager verliert.
Aus Unternehmenssicht gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die zu einer
Beschleunigung des Diffusionsprozesses beitragen können. Aufgrund strategischer

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Überlegungen kann es sinnvoll sein, das Produkt einer bestimmten Gruppe von
Nutzern für beschränkte Zeit kostenlos zur Verfügung zu stellen (Rohlfs 1974, S. 29)
oder das Produkt zu Beginn des Vermarktungsprozess zu einem niedrigen Preis
anzubieten (Rohlfs 1974, S. 34), um zeitnah eine große Anzahl von Nutzern zu
gewinnen und so den Faktor der Potenzierung strategisch einzubringen. Denn durch
neue Anwender erhöht sich der Gesamtnutzen der Community, was wiederum dazu
führt, dass die Attraktivität für weitere Individuen zunimmt, die bisher keine
Mitglieder waren und die nun ebenfalls dem Netzwerk beitreten (Rohlfs 1974, S.
16f.). Auch für Individuen, die bereits Mitglied der Community sind, ergibt sich
durch die Gewinnung neuer Nutzer ein Rückkopplungseffekt , indem sich der Nutzen
auch für sie erhöht (Markus 1990, S. 214), was unter Umständen die Loyalität bzw.
die Nutzungshäufigkeit der Community steigern kann.
2.2
Einflussfaktoren des Diffusionsprozesses
Neben der preispolitischen Positionierung gibt es weitere Faktoren die den
Diffusionsverlauf beeinflussen können. Hier sind einerseits die klassischen
Massenmedien, sei es nun in Form von Werbung oder auch durch redaktionelle
Beiträge zu nennen. Andererseits beeinflussen sich Menschen bei Entscheidungen
aber auch untereinander, somit darf auch dieser Aspekt nicht übersehen werden.
Beide Punkte werden im Folgenden behandelt.
2.2.1 Das mediale Umfeld
Kroeber-Riel et al. definiert Massenkommunikation als jegliche ,,Formen der
Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich durch technische Verbreitungsmittel
bei räumlicher oder zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den
Kommunikationspartnern an ein disperses Publikum vermittelt werden" (Kroeber-
Riel et al. 2003, S. 588).
Untersuchungen belegen die zentrale Rolle der Massenmedien bei der
Informationsübermittlung. 95% der US-Amerikaner gaben so z.B. bei einer Studie
an, die Informationen darüber, was in der Welt geschehe, überwiegend durch die

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Massenmedien zu beziehen (Roberts et al. 1981, S. 320). Je stärker Menschen das
Bedürfnis verspüren sich zu orientieren, desto eher werden sie dafür Massenmedien
zu Rate ziehen (Weaver et al. 1975, S. 469).
Vergleicht man die Wirkung von Fernsehen und Printmedien, so sind letztere dem
Fernsehen bei der Vermittlung von Informationen überlegen (Clarke et al. 1978, S.
156; Kroeber-Riel et al. 2003, S. 591). Ein Erklärungsansatz hierfür könnte sein, dass
Printmedien häufig detaillierter berichten und der Leser selbst bestimmen kann, wie,
wann und in welchem Tempo er die Informationen aufnimmt (Clarke et al. 1978, S.
151), wohingegen das Fernsehen eher als Unterhaltungsmedium wahrgenommen
wird, das Inhalte emotional vermittelt (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 591). Ein weiterer
Grund für die höhere Glaubwürdigkeit von Printmedien könnte darin begründet sein,
dass Menschen schon in der Schule trainiert werden, niedergeschriebene
Informationen auf- und ernst zu nehmen und zu verarbeiten (Roberts et al. 1981, S.
320). Patterson schreibt hierzu: ,,(...) network news may be fascinating. It may be
highly entertaining. But it is simply not informative" (Patterson et al. 1976, S. 53).
Der Einfluss, den Massenmedien auf die Einstellung ihrer Nutzer haben, ist
allerdings beschränkt (Schenk 1984, S. 165; Kroeber-Riel et al. 2003, S. 592). Dies
liegt einerseits daran, dass sich Menschen vor allem Massenkommunikationsmedien
zuwenden, die eigenen Einstellungen entsprechen, um so kognitive Dissonanzen zu
vermeiden (Kroeber-Riel et al. 2003, 592f.). Andererseits ist auch zu beobachten,
dass Massenmedien dazu neigen, sich den Meinungen ihrer Zielgruppe anzupassen
(Kroeber-Riel et al. 2003, 592f.).
Auch wenn der Einfluss von Massenmedien auf die tatsächliche Meinung ihrer
Nutzer gering ist, so haben sie doch einen großen Einfluss auf die Sachverhalte, über
die in einer Gesellschaft diskutiert wird (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 595, Schenk,
1984., S. 165). Dieses Phänomen des Agenda-Settings wird von Roberts als ,,ability
of the mass media to influence the level of the public's awareness of issues"
bezeichnet (Roberts et al. 1981, S. 323). Besonders stark wirkt sich dies bei
Individuen aus, die sich ohnehin schon für ein bestimmtes Thema interessieren
(Weaver et al. 1975, S. 469). Bei verstärkter Medienberichterstattung werden sie sich
in ihrem sozialen Umfeld noch häufiger über eine solche Problematik austauschen.

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2.2.2 Das soziale Umfeld
Während Massenmedien, wie voranstehend beschrieben, vor allem ein Bewusstsein
für Themen schaffen können, sind es zwischenmenschliche Beziehungen, die dazu
führen, dass Menschen in ihrer Meinung beeinflusst werden, was wiederum eine
direkte Auswirkungen auf die Frage haben kann, ob eine Innovation adoptiert wird
oder nicht (Rogers 1995, S. 27). Eine Untersuchung unter englischen Hausfrauen
belegte z.B., dass ein Drittel der Markenwechsel bei Haushaltsartikeln auf die
Einflussnahme durch eine andere Person zurückzuführen war (Katz et al. 1972, S.
109).
Wie stark Einstellungen durch das soziale Umfeld geprägt werden, lässt sich aber
auch in anderen Bereichen, etwa in der politischen Meinungsbildung, beobachten.
Demnach weisen nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1984 über 50% der
beobachteten Beziehungsnetzwerke eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich ihrer
politischen Meinung auf. Bei nur 20% der Netzwerke war eine eher geringe
Übereinstimmung zu beobachten (Schenk 1984, S. 177). Offensichtlich sind
Individuen eher bereit mit anderen zu diskutieren, wenn sie der Meinung sind, dass
diese eine ähnliche Meinung haben wie sie selbst (Schenk 1984, S. 177). Die
Meinungskongruenz hat dann auch direkte Auswirkungen auf die Harmonie des
Beziehungsnetzwerkes. Sind Mitglieder gleicher Meinung, empfinden sie
füreinander mehr Sympathie (Schenk 1984, S. 177). In diesem Zusammenhang ist
allerdings zu hinterfragen, inwiefern die Einstellungshomogenität tatsächlich auf
Prozesse innerhalb des Beziehungsnetzwerkes zurückzuführen ist. Ein anderer
Erklärungsansatz könnte auch darin liegen, dass Individuen, sofern sie die Wahl
haben, dazu neigen, sich mit Personen zu umgeben, die eine ähnliche Einstellung
haben wie sie selbst. Sollte es dann doch so sein, dass ein Individuum meint, mit der
eigenen Meinung alleine dazustehen, tritt das ein, was Noelle-Neumann als
Schweigespirale bezeichnet: Das Individuum äußert sich nicht zum Thema, sondern
schweigt. Dem liegt der Zusammenhang zugrunde, dass Menschen dazu neigen,
gesellschaftliche Isolation zu vermeiden (Noelle-Neumann 1989, S. 19). Individuen
beobachten das öffentliche Meinungsklima und verhalten sich entsprechend:
Gewinnt ihre eigene Meinung an Gewicht, so wagen sie eher diese laut und deutlich

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zu artikulieren, was wiederum andere Menschen dazu ermuntert, es ihnen gleich zu
tun. Die Personen, die eine andere Meinung vertreten, werden hingegen in die
Isolation gedrängt und werden sich erst dann wieder zu Wort melden, wenn das
öffentliche Meinungsklima umschlägt (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 598). Der Anteil
der Bevölkerung, der schweigt, muss dabei nicht einmal kleiner sein, zum Teil ist
sogar zu festzustellen, dass eine schweigende Mehrheit besteht (Noelle-Neumann
1989, S. 42). Allerdings gibt es Bevölkerungsgruppen, die sich stärker engagieren als
andere und denen bei der öffentlichen Diskussion daher ein höheres Gewicht zufällt.
So ist beispielsweise zu beobachten, dass sich jüngere Menschen eher äußern als
ältere, gleiches gilt für Angehörige höherer Schichten oder Personen mit einem
höheren Bildungsstand: Individuen aller genannten Gruppen scheinen sich in der
öffentlichen Diskussion eher zu äußern und nutzen so die Möglichkeit, die
Diskussion zu ihren Gunsten zu beeinflussen (Noelle-Neumann 1989, S. 45f.).
Einen wichtigen Einfluss auf Einstellungen und somit letztendlich auch auf das
Konsumverhalten von Individuen wird Meinungsführern zugeschrieben. In sozialen
Netzwerken ist häufig zu beobachten, dass bestimmte Individuen einen
ausgesprochen großen Einfluss auf die Einstellung anderer Gruppenmitglieder haben.
Derartige Individuen bezeichnet man als Meinungsführer (Kroeber-Riel et al. 2003,
S. 518). Sie zeichnen sich vorwiegend durch eine hohe Kommunikationsfreudigkeit
aus. Nicht selten nehmen sie eine Art Schlüsselstellung innerhalb einer Gruppe ein,
indem sie mehr Kontakte pflegen, als dies bei anderen Gruppenmitgliedern zu
beobachten ist (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 518; Katz et al. 1972, S. 115). Gerade
für ein fokussiertes Marketing sind Meinungsführer wichtig, da ihnen ein erheblicher
Einfluss auf die Kaufentscheidung von Personen in ihrem sozialen Umfeld
zugeschrieben werden kann (Kratz 1972, S. 110f.). Allerdings ist es gerade im
Konsumgütermarketing schwierig, derartige Meinungsführer zu ermitteln und gezielt
anzusprechen (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 525).
Da sich Meinungsführerschaft durch Kommunikation innerhalb sozialer
Beziehungsnetzwerke ergibt, kann davon ausgegangen werden, dass sich
Meinungsführer und die Personen, die sich durch deren Meinung beeinflussen lassen,
vom sozialen Status her ähneln (Kroeber-Riel et al. 2003, S. 523).

16
Meinungsführerschaft ist in allen Berufen und Schichten zu beobachten und
beschränkt sich daher nicht auf wenige soziale Klassen (Katz et al. 1972, S. 107f.).
2.3
Virales Marketing
Eine Marketingstrategie, die die Reichweite des Massenmedium Internet und die
Verbindlichkeit interpersoneller Kommunikation kombiniert, ist das so genannte
virale Marketing.
Langner definiert virales Marketing als ,,das gezielte Auslösen und Kontrollieren von
Mund-zu-Mund-Propaganda zum Zweck der Vermarktung von Unternehmen und
deren Leistungen" (Langner 2005, S. 25). Während Mund-zu-Mund-Empfehlungen
an sich naturgemäß keine neue Erfindung sind, kann ihre Wirkung durch den Einsatz
des Internets erhöht werden (zu den Unterschieden zwischen Offline und Online
viralen Marketings siehe auch Tabelle 1).
Im Gegensatz zur konventionellen Mund-zu-Mund-Empfehlung hat das internet-
gestützte virale Marketing den Vorteil, wesentlich mehr Menschen zu erreichen
(Submarani et al. 2003, S. 301), als dies in derselben Zeit Offline der Fall wäre. Der
erforderliche Aufwand aus Sicht des Nutzers, um andere Menschen auf Produkte und
Dienstleistungen aufmerksam zu machen, ist bezogen auf Zeit- und Kostenfaktoren
minimal und kann sich, wie z.B. bei der ,,tell a friend"-Option des Auktionshauses
Ebay, auf wenige Klicks beschränken (Submarani et al. 2003, 302f.), die durch einen
User selbst durchgeführt werden. Es geht hier also lediglich darum, das geeignete
System einzurichten, das diese Funktion zur Verfügung stellt.
Zum Vergleich ein Beispiel einer ungünstigen Kosten-Nutzen-Relation einer
klassischen Werbekampagne: Für die Kampagne ,,Mix it, Baby" mit Arnold
Schwarzenegger investierte der Stromkonzern E.on 90 Millionen Euro. Im Ergebnis
waren es weniger als 1.000 Kunden, die der Anbieter auf diese Weise hinzugewinnen
konnte (Langner 2005, S. 14). Obwohl es auch zahlreiche erfolgreiche Beispiele für
klassische Werbekampagnen gibt, ist ein vergleichbares finanzielles Wagnis für viele
Unternehmen weder machbar noch sinnvoll.

17
Virales Marketing
Offline
Online
Expansion
Langsam, kritische Masse
wird erst nach längeren
Zeiträumen erreicht
Schnell, kritische Masse
kann innerhalb kurzer Zeit
erreicht werden
Verbreitungsart
Überwiegend verbal,
weniger visuell
Überwiegend visuell,
weniger verbal
Persönliche Anwesenheit Grundvoraussetzung,
daher oft situativ
Versand- und
Empfangszeitpunkt
asynchron, individuell
vom Empfänger
bestimmbar
Kontrolle über die
Verbreitung
Relativ niedrig; Ursprung
beim Kunden;
Modifikation beim
Weitererzählen
Relativ hoch: Ursprung
beim Unternehmen;
Modifikation durch
Kunden kann
eingeschränkt werden
Sozialer Einfluss
Aufmerksamer Empfänger
durch persönliche
Interaktion zwischen den
Gesprächspartnern
Empfänger ist nicht
genötigt, der Nachricht
Aufmerksamkeit zu
schenken; dadurch kaum
Interaktion zwischen den
Kommunikationspartnern
Anwendungsbereich
Reichweite unlimitiert
Reichweite limitiert auf
Internetnutzer
Multiplizierbarkeit von
Botschaften
Nachricht kann nur
persönlich mitgeteilt
werden
Nachricht ist kopierbar,
mehrfach versendbar
Tabelle 1: Virales Marketing ­ Unterschiede zwischen Online und Offline (Langner
2005, S. 30)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836614368
DOI
10.3239/9783836614368
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Bestriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2008 (Juni)
Note
1,7
Schlagworte
online community virtuelle internet sozialverhalten soziales netz
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Titel: Soziale Beziehungen und deren Rolle beim Aufbau von Online Communities
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