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Direkte Wahrnehmung und die fünf Sinne

©2005 Magisterarbeit 117 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten -/einseitige Diät: man nährt sein Denken/mit nur einer Art von Beispielen. (WITTGENSTEIN)
Ich will nicht behaupten, dass die zeitgenössische Wahrnehmungsphilosophie krank ist. Aber ihr Speiseplan gefährdet ihre Gesundheit definitiv. Sie ernährt sich fast ausschließlich von Beispielen aus der Sphäre der visuellen Wahrnehmung, urteilt aber gern über Wahrnehmung im Allgemeinen.
Diese Arbeit unternimmt den Versuch, die Patientin mit einem ausgewogeneren Menu zu konfrontieren; ob ihr Verdauungssystem dem gewachsen ist, wird sich zeigen.
Es ist in der zeitgenössischen Erkenntnistheorie allgemein üblich, Argumente anhand von Beispielen aus der visuellen Wahrnehmung zu entwickeln, um dann entweder stillschweigend oder nach dem Hinweis, das Gesagte habe für alle Modalitäten Gültigkeit, eine These über die menschliche Wahrnehmung im Allgemeinen zu formulieren.
Meine Untersuchung richtet ihre Aufmerksamkeit auf eine These, die in der Wahrnehmungstheorie eine Rolle spielt: Die These der direkten Wahrnehmung. Sie besagt, dass wir uns in der Wahrnehmung normalerweise demonstrativ auf die Welt beziehen können, richtet sich also gegen repräsentationalistische Theorien der Wahrnehmung. Im ersten Teil dieser Arbeit werden letztere charakterisiert und schließlich nach einer adäquaten Definition des Terminus direkte Wahrnehmung gesucht.
Der zweite Teil stellt die Frage nach dem Wesen der Sinne. Zwar werde ich mich in der Beantwortung der zentralen Frage dieser Arbeit auf eine Untersuchung der „klassischen“ fünf exterozeptiven Sinne beschränken, es erscheint mir aber nützlich, ein wenig Klarheit darüber zu gewinnen, welche besondere Rolle die „fünf Sinne“ innerhalb der vielfältigen Wahrnehmungsmöglichkeiten, über die wir verfügen, spielen. Meine Antwort wird lauten, dass der alltägliche Begriff der fünf Sinne – anders als beispielsweise von der Biologie verwendete Sinnesbegriffe – auf kontingenten Zusammenfassungen nach weitgehend pragmatischen Kriterien beruht.
Im dritten Teil wird die Frage untersucht, ob und in wieweit sich das Konzept der direkten Wahrnehmung, dass im ersten Abschnitt formuliert wurde, auf Wahrnehmungen in den fünf klassischen Modalitäten der Exterozeption – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten – anwenden lässt. Das Ergebnis ist ein negatives: Es gibt eine ganze Reihe alltäglicher Wahrnehmungen, von denen man wohl sagen muss, dass es sich um indirekte handelt, wobei […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


INHALT

EINLEITUNG

ERSTER TEIL: DIREKTE WAHRNEHMUNG
1.1 Sinnesdatentheorien
1.2 Moderne Formen des Repräsentationalismus
1.3 Disjunkte Analysen von Wahrnehmungszuständen
1.4 Was heißt „direkte Wahrnehmung“?
1.4.1 Direkte Tatsachenwahrnehmung
1.4.2 Direkte Objektwahrnehmung

ZWEITER TEIL: DIE FÜNF SINNE
2.1 Die Sinne unterscheiden
2.1.1 Das Sinnesorgankriterium
2.1.2 Das Stimuluskriterium
2.1.3 Das Verhaltenskriterium
2.1.4 Das teleologische Kriterium
2.1.5 Das Eigenschaftskriterium
2.1.6 Das Zusammenhangskriterium
2.1.7 Das Qualiakriterium
2.1.8 Kombinierte Kriterien
2.2 Wann ist etwas ein neuartiger Sinn?
2.3 Warum unterscheiden wir die Sinne?

DRITTER TEIL: DIREKTE WAHRNEHMUNG UND DIE FÜNF SINNE
3.1 Sehen
3.2 Hören
3.3 Riechen
3.4 Schmecken
3.5 Tasten

SCHLUSS

LITERATURVERZEICHNIS

EINLEITUNG

Eine Hauptursache philosophischer Krankheiten -

einseitige Diät: man nährt sein Denken

mit nur einer Art von Beispielen.

(WITTGENSTEIN, PU. 593)

Ich will nicht behaupten, dass die zeitgenössische Wahrnehmungsphilosophie krank ist. Aber ihr Speiseplan gefährdet ihre Gesundheit definitiv. Sie ernährt sich fast ausschließlich von Beispielen aus der Sphäre der visuellen Wahrnehmung, urteilt aber gern über Wahrnehmung im Allgemeinen.

Diese Arbeit unternimmt den Versuch, die Patientin mit einem ausgewogeneren Menu zu konfrontieren; ob ihr Verdauungssystem dem gewachsen ist, wird sich zeigen.

Es ist in der zeitgenössischen Erkenntnistheorie allgemein üblich, Argumente anhand von Beispielen aus der visuellen Wahrnehmung zu entwickeln, um dann entweder stillschweigend oder nach dem Hinweis, das Gesagte habe für alle Modalitäten Gültigkeit, eine These über die menschliche Wahrnehmung im Allgemeinen zu formulieren.

Meine Untersuchung richtet ihre Aufmerksamkeit auf eine These, die in der Wahrnehmungstheorie eine Rolle spielt: Die These der direkten Wahrnehmung. Sie besagt, dass wir uns in der Wahrnehmung normalerweise demonstrativ auf die Welt beziehen können, richtet sich also gegen repräsentationalistische Theorien der Wahrnehmung. Im ersten Teil dieser Arbeit werden letztere charakterisiert und schließlich nach einer adäquaten Definition des Terminus direkte Wahrnehmung gesucht.

Der zweite Teil stellt die Frage nach dem Wesen der Sinne. Zwar werde ich mich in der Beantwortung der zentralen Frage dieser Arbeit auf eine Untersuchung der „klassischen“ fünf exterozeptiven Sinne beschränken, es erscheint mir aber nützlich, ein wenig Klarheit darüber zu gewinnen, welche besondere Rolle die „fünf Sinne“ innerhalb der vielfältigen Wahrnehmungsmöglichkeiten, über die wir verfügen, spielen. Meine Antwort wird lauten, dass der alltägliche Begriff der fünf Sinne – anders als beispielsweise von der Biologie verwendete Sinnesbegriffe – auf kontingenten Zusammenfassungen nach weitgehend pragmatischen Kriterien beruht.

Im dritten Teil wird die Frage untersucht, ob und in wieweit sich das Konzept der direkten Wahrnehmung, dass im ersten Abschnitt formuliert wurde, auf Wahrnehmungen in den fünf klassischen Modalitäten der Exterozeption – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten – anwenden lässt. Das Ergebnis ist ein negatives: Es gibt eine ganze Reihe alltäglicher Wahrnehmungen, von denen man wohl sagen muss, dass es sich um indirekte handelt, wobei nicht mentale Stellvertreter zwischen uns und die Dinge treten, sondern einfach die physikalischen Gegebenheiten dazu führen, dass ein demonstrativer Bezug auf „Objekte“ der Wahrnehmung indirekt wird.

ERSTER TEIL: DIREKTE WAHRNEHMUNG

Was ist unter „direkter Wahrnehmung“ zu verstehen? Zuallererst handelt es sich wohl um eine bestimmte Relation zwischen Wahrnehmenden und Gegenständen der Wahrnehmung (mögen dies physische Objekte oder Phänomene, Sachverhalte oder Ereignisse sein), die dadurch gekennzeichnet ist, dass keine Umwege über Stellvertreterentitäten oder mentale Zustände involviert sind. Im Begriff der Wahrnehmung soll nicht mehr essentiell enthalten sein, als dass ein wahrnehmendes Subjekt mit etwas ontologisch vom Akt der Wahrnehmung unabhängigem in Beziehung tritt.

Austin schlägt vor, zwischen einem philosophischen und einem alltäglichen Gebrauch des Terminus zu unterscheiden (vgl. Austin 1962, 19). Umgangssprachlich grenzt man gelegentlich Fälle (beispielsweise) „direkten Sehens“ von solchen, in denen etwas durch ein Periskop oder im Spiegel gesehen wird, ab. Die Tatsache, dass hier so etwas wie ein „Knick“ in der Blickrichtung vorliegt, ist dabei entscheidend für die Charakterisierung als indirektes Sehen. Da Austin vermutet, dass es ein Analogon zur „line of vision“ für die anderen vier Sinne nicht gibt, hält er es für unwahrscheinlich, dass man diese Alltagsbegriffe für eine Theorie der direkten oder indirekten Wahrnehmung im Allgemeinen fruchtbar machen kann.[1] Die „philosophische“ Verwendung des Begriffs kommt bei Austin allerdings noch schlechter weg. Hier würde die Bedeutung eines in der Umgangssprache etablierten Wortes auf unverantwortliche Weise ausgedehnt, so dass es mindestens metaphorisch, wo nicht gänzlich sinnlos werden müsste (vgl. ebd. 15). Wir sollten uns dadurch nicht abschrecken lassen. Die Abweichung vom alltäglichen Gebrauch einer Wortes muss nicht in sinnlosem Gerede, sondern kann auch in einem differenzierten technischen Sprachgebrauch bestehen (vgl. Snowdon 1992, 50).

Wie könnte „direkte Wahrnehmung“ als technischer Terminus verstanden werden? Es verdient Beachtung, dass direkter Realismus nicht auf naiven Realismus festgelegt ist, auch wenn manche Autoren die Begriffe synonym verwenden. Die zentrale These des naiven Realismus lautet, dass unsere Wahrnehmung uns immer über die tatsächliche Beschaffenheit der Welt informiert. Gegen sie kann sehr einfach argumentiert werden mit einer schwachen Form des Arguments von der Täuschung:

AT1

1. Der naive Realismus behauptet, wir würden immer die tatsächlichen Eigenschaften F physikalischer Objekte O wahrnehmen.
2. Es gibt Situationen (Illusionen und Halluzinationen), in denen es uns lediglich so scheint, als würden wir ein Objekt O mit der Eigenschaft F wahrnehmen.
3. In einem solchen Falle nehmen wir nicht naiv[2] ein physikalisches Objekt O mit der Eigenschaft F wahr.
4. Wir nehmen nicht immer die tatsächlichen Eigenschaften F physikalischer Objekte O wahr; der naive Realismus ist falsch.

Dieses Argument ist lediglich geeignet, dem naiven Realismus, der eine praktisch nicht vertretene Form des direkten Realismus darstellt, Schwierigkeiten zu bereiten. Häufiger kommen stärkere Varianten des Arguments von der Täuschung vor, die eine positive These über die Existenz von an Stelle des physikalischen Objekts wahrgenommenen Entitäten enthalten. Sehen wir uns aber zunächst die präsentierte an:

Zu 1.: Offensichtlich bedarf das Argument von der Täuschung in dieser Form der Spezifikation, dass die direkte Wahrnehmung uns „immer“ unmittelbaren Zugang zur physikalischen Wirklichkeit ermöglicht. Sofern nur behauptet wird, normalerweise würden wir die physikalischen Eigenschaften der Dinge „richtig“ und „ohne Umweg“ wahrnehmen, stellen gelegentlich auftretende Täuschungen, Illusionen oder Halluzinationen kein Problem dar. Tatsächlich entspricht der naive Realismus nicht dem Common Sense. Wir sind vollkommen daran gewöhnt, dass Dinge manchmal anders sind, als sie erscheinen. Austin bemerkt bezüglich des Falles eines geraden Stabes, der in Wasser getaucht geknickt erscheint: „What is wrong, what is even faintly surprising, in the idea of a stick's being straight but looking bent sometimes? Does anyone suppose that if something is straight, then it jolly well has to look straight at all the times and in all circumstances? Obviously no one seriously supposes this.“ (Austin 1962, 29)

Zu 2.: Hätte ich statt „Illusionen und Halluzinationen“ nicht einfach „Täuschungen“ schreiben können? Illusionen nennt man Fälle, in denen Objekte wahrgenommen werden (z. B. ein gerader Stab im Wasser), die aber aufgrund bestimmter Umstände (Lichtverhältnisse, physikalische Eigenschaften der beteiligten Materialien, Besonderheiten der Wahrnehmungsorgane) Eigenschaften zu haben scheinen, die sie in Wirklichkeit nicht haben. Halluzinationen suggerieren die Wahrnehmung nicht vorhandener physikalischer Objekte oder Phänomene. Täuschungen nennen wir Fälle von „erfolgreicher“ Illusion oder Halluzination. Täuschung ist im Gegensatz zu den anderen beiden ein normativer Begriff: Eine Person, die getäuscht wird, hat eine falsche Wahrnehmungsüberzeugung. Illusionen und Halluzinationen müssen nicht täuschen; der Stab im Wasser oder die Müller-Lyer-Linien täuschen normalerweise keinen erwachsenen Menschen. Für das präsentierte Argument genügt es, wenn die Dinge anders erscheinen, als sie sind, es muss niemand darauf hereinfallen. Deshalb ist die gewählte Formulierung vorzuziehen.

Zu 3.: Im Falle einer Illusion, ob täuschend oder nicht, ist es in den meisten Fällen richtig zu sagen, wir nähmen ein Objekt wahr. Zum Beispiel sehen wir auf der Bühne des Zauberkünstlers eine Frau mit Kopf, die einen schwarzen Sack über denselben gezogen hat – just dieselbe Frau, die so aussieht, als hätte sie keinen Kopf. Aber es ist keine Wahrnehmung im Sinne des naiven Realismus. Wenn wir halluzinieren nehmen wir klarerweise gar kein physikalisches Objekt wahr.

Zu 4.: Die Schlussfolgerung ist gültig. Der naive Realismus ist mit der Existenz von Fällen, in denen die Dinge anders liegen, als sie erscheinen, nicht vereinbar.

Ich werde unter direkter Wahrnehmung also weder Wahrnehmung ohne Periskop noch unfehlbare Wahrnehmung verstehen. Eine weitere Interpretation, die mir uninteressant erscheint, ist eine epistemologische, wie sie etwa Russel verwendet. Demnach wird direkt wahrnehmen als Gegensatz zu inferentiell wahrnehmen verstanden. In den „Problemen der Philosophie“ hält Russel als Ergebnis der Untersuchung seines Schreibtisches fest: „Der wirkliche Tisch – wenn es einen gibt – ist uns überhaupt nicht unmittelbar bekannt, sondern muss etwas sein, das aus dem uns unmittelbar Bekannten erschlossen worden ist.“ (Russel 1967, 13) Hier wird in erster Linie die Möglichkeit, unmittelbar Wissen über physische Dinge zu erlangen, angezweifelt. Russel glaubt, dass „die Sinne uns nicht unmittelbar die Wahrheit über den Gegenstand, wie er unabhängig von uns existiert, erkennen lassen, sondern nur die Wahrheit über gewisse Sinnesdaten.“ (ebd. 16) Nach dieser Lesart würden also solche Wahrnehmungen als Fälle direkter Wahrnehmung gelten, in denen keine Art von Inferenz stattfindet. Russel würde vielleicht sagen, dass direkt wahrnehmbar ist, wie das Braun meines Schreibtischs mir erscheint, aber nicht, welche Farbe mein Schreibtisch tatsächlich hat. Das erste offensichtliche Problem, dass man sich hiermit einhandelt, liegt in der Schwierigkeit, die Grenzen des Nichtinferentiellen abzustecken. Die epistemologische Interpretation des Ausdrucks „direkte Wahrnehmung“ bedarf also eines Unterscheidungskriteriums zwischen Fällen, in denen etwas nichtinferentiell gewusst wird und solchen, in denen etwas inferentiell gewusst wird. Damit überantwortet sie sich mit ziemlicher Sicherheit dem von Sellars entlarvten „Mythos des Gegebenen“ und ist schon allein deshalb abzulehnen. Nehmen wir aber an, ein befriedigendes Kriterium für nichtinferentielles Wissen läge vor, dann würde sich zeigen, dass die epistemologische Interpretation für unsere Frage nach dem Verhältnis zwischen wahrnehmenden Subjekten und physischen Dingen nicht hilfreich ist. Snowdon (1992, 53f.) nimmt für sein Argument gegen die epistemologische Deutung an, wir könnten direkt (also hier: nichtinferentiell) wahrnehmen, dass etwas, was wir sehen, grün aussieht, aber nicht, dass es ein Apfel ist. Die Frage „Können wir dieses Objekt (den grün aussehenden Apfel) direkt wahrnehmen?“ ist für die epistemologische Interpretation offenbar sinnlos. Die Frage scheint aber für die Frage nach der direkten Wahrnehmung alles andere als unwichtig zu sein. Aus diesem Grunde ist die epistemologische Interpretation des Begriffs „direkte Wahrnehmung“ abzulehnen.

Um einen klaren Begriff davon, wie eine nichtepistemologische Deutung des Terminus aussehen kann, zu bekommen, schauen wir uns nun stärkere Varianten des Arguments von der Täuschung an, die gegen anspruchsvollere Theorien direkter Wahrnehmung ins Feld geführt werden können. Die Grundstruktur dieser Argumente besteht aus zwei Schritten:

AT2

1. Manchmal sind Wahrnehmung und Täuschung subjektiv ununterscheidbar, d. h. phänomenal identisch.

2. Keine Wahrnehmung reicht weiter als bis zur Feststellung, dass es so-und-so erscheint.

In dieser Form ist AT2 eigentlich kein Argument und nicht sonderlich überzeugend, eher merkwürdig. Es kann auf unterschiedliche Art als Argument ausformuliert werden, wobei grundlegende Unterschiede in der Erklärung der Möglichkeit von Täuschung bestehen. Hier sollen im Wesentlichen zwei Argumente betrachtet werden: (1.1) eines, das Wahrnehmung mentaler Objekte als Element jeder Wahrnehmung annimmt, und (1.2) eines, das eine bestimmte Art von mentalen Zuständen oder Ereignissen als konstitutives Element aller Wahrnehmung ansieht.

1.1 Sinnesdatentheorien

Die klassische, auf Hume zurückgehende Form, gegen direkte Wahrnehmung zu argumentieren, besteht in einem Argument, das zeigen soll, dass die Objekte, mit denen wir in der Wahrnehmung konfrontiert sind, nicht die physischen Dinge sind, die wir normalerweise in dieser Rolle vermuten würden. Das Argument kann mit Illusionen oder mit Halluzinationen operieren und sieht im ersten Fall ungefähr so aus:

AI1

1. Der direkte Realismus behauptet, wir würden uns in der Wahrnehmung mit wahren demonstrativen Urteilen auf externe Objekte beziehen.
2. Im Falle von Illusionen haben die Objekte, auf die wir uns demonstrativ beziehen, andere Eigenschaften als die physischen Dinge.
3. Die Objekte, auf die wir uns in diesen Fällen demonstrativ beziehen, sind nicht die physischen Dinge.
4. Die Objekte, auf die wir uns in der Wahrnehmung demonstrativ beziehen, sind niemals physische Dinge.
5. Der direkte Realismus ist falsch.

Zu 1.: Der direkte Realismus behauptet nicht, dass wir uns immer, wenn es uns so scheint, auf physische Dinge beziehen. Nur dann, wenn wir wahrnehmen, ist dies der Fall.[3] Normalerweise werden auch Illusionen zu den Wahrnehmungen gezählt, selbst dann wenn wir durch sie getäuscht werden: Illusionen sind „fehlerhafte“ Wahrnehmungen, aber welche, in denen wir uns in der demonstrativen Bezugnahme normalerweise nicht irren. Wenn ich etwa glaube, die Assistentin des Illusionisten hätte keinen Kopf, wird niemand anderes als die Dame auf der Bühne von mir wahrgenommen. Das Argument, das wir hier untersuchen, muss, wie wir gleich sehen werden, auf dem Gegenteil beharren.

Zu 2.: Das Argument für den zweiten Schritt hat ungefähr diese Form: In einer illusorischen Erfahrung sind wir einer Eigenschaft gewahr, die der in Frage kommende Gegenstand nicht hat. Zum Beispiel sieht eine weiße Mauer im Licht der Untergehenden Sonne rot aus. Das, auf das ich mich demonstrativ beziehen kann, hat rote Farbe. Die Mauer ist aber weiß. Für das Argument spielt es keine Rolle, ob ich von der rot erscheinenden Mauer getäuscht werde und sie wirklich für rot halte. Normalerweise kenne ich die Wirkung roten Lichtes auf weiße Bauwerke. Aber die Wand sieht unzweifelhaft rot aus. Das hängt mit der Eigenart der meisten Illusionen zusammen, undurchdringlich zu sein (vgl. Rödl 1998, 109), das heißt, dass es immer noch so erscheint, dass O F ist, selbst wenn wir bemerkt haben, dass es lediglich so erscheint.

Zu 3.: Der problematische Schritt im Argument von der Illusion ist der dritte. Warum sollte man entgegen der Definition des Ausdrucks „Illusion“ annehmen, es gäbe zusätzliche Objekte illusorischer Erfahrung? Die metaphysische Argumentation, die für 3. spricht, ist diese:

AI.1.1
1. In der illusorischen Erfahrung wird uns ein Gegenstand präsentiert, der F ist.
2. Das physikalische Objekt der Erfahrung O hat nicht die Eigenschaft F.
3. Eigenschaften treten nicht „lose“, ohne Gegenstände, auf.
4. Es gibt einen Gegenstand P, der F ist.

Der zusätzliche Gegenstand P wird traditionell meistens als „Sinnesdatum“ bezeichnet, also als das, was den Sinnen – im Gegensatz zu den physischen Dingen – unmittelbar zugänglich ist. Unter dem Namen „phänomenales Prinzip“ trifft man diesen Schluss hin und wieder in philosophischen Texten an. Howard Robinson schreibt zum Beispiel: „If there sensibly appears to a subject to be something which possesses a particular sensible quality then there is something of which the subject is aware which does possess that sensible quality.“ (Robinson 1994, 32)

Die einfachste Erwiderung (die ich für ganz richtig halte) besteht darin, zu bemerken, dass der Gegenstand der Erfahrung nicht F ist, sondern F erscheint, was weder den zweiten noch den vierten Schritt von AI1.1 rechtfertigt. Aber bleiben wir zunächst in der Linie des Arguments und denken an den Fall der rot aussehenden weißen Mauer.

Zur Verteidigung des Arguments könnte man sagen, dass die Wahrnehmung von Sinnesdaten die bequemste Erklärung dafür liefert, dass wir mit etwas Rotem konfrontiert sind, die Mauer aber weiß ist. Eigenschaften können uns in der Wahrnehmung gegeben sein, die nicht in einem offensichtlichen Sinne zu den physikalischen Objekten gehören. Diese müssen dann Eigenschaften von Sinnesdaten sein. Aber nicht immer, wenn etwas anders zu sein scheint, als es ist, ist der dritte Schritt von AI1 plausibel: Trockener Graphit kann sich nass anfühlen – ist da irgendetwas Nasses im Spiel? Jemand, der ganz fröhlich ist, kann sich verstellen und traurig aussehen – ist da irgendjemand (irgendetwas) traurig? A. D. Smith, der das Argument stark zu machen sucht, um dann auf ganz anderem Wege einen direkten Realismus zu verteidigen, schlägt vor, den dritten Schritt des Arguments nur dann zuzulassen, wenn die kontrafaktisch erscheinenden Eigenschaften sensible qualities sind. Für eine „Sinnesqualität“ F gilt, dass im Falle einer veridischen Wahrnehmung das „Scheinen, dass O F ist“ impliziert, dass O F ist (Wenn jemand traurig aussieht, aber es nicht ist, spricht man hingegen nicht von einer Illusion; ebenso sagt Smith explizit, dass das Für-nass-halten von Graphit keine taktile Illusion sei: Die veridische Wahrnehmung der taktilen Eigenschaften von Graphit („fühlt sich nass an“) ist vereinbar damit, dass Graphit trocken ist; „Nässe“ ist also keine Sinnesqualität.). Illusionen im strengen Sinn liegen demnach nur vor, wenn es lediglich so scheint, als hätte ein Objekt O die Sinnesqualität F. In diesen Fällen muss man dann mit irgendetwas, das F ist, konfrontiert sein. Um den dritten Schritt des Argument from Illusion einigermaßen plausibel aussehen zu lassen, ist man also auf einen sehr engen Illusionsbegriff festgelegt. Wir wollen im Folgenden eine kleine Untersuchung von Illusionen in verschiedenen Sinnesmodalitäten vornehmen, wobei wir uns auf die stärkste mögliche Variante, nämlich auf Illusionen, in denen Sinnesqualitäten von Objekten kontrafaktisch erscheinen, beziehen, um die Plausibilität des dritten Schritts des Arguments von der Illusion zu überprüfen.

Was kommt als Sinnesqualität des Sehsinns in Frage? Vielleicht wären das Farbe, Helligkeit, Form. Größe und Entfernung auch? Sortale Konzepte dürfen nach der strengen Bedingung nicht in Illusionen eingehen. Wenn ich aus großer Entfernung Eisberge für Festland halte, bin ich nicht bezüglich einer Sinnesqualität getäuscht worden. Eisberge – veridisch wahrgenommen – sehen manchmal so aus wie echte Berge. Die Fälle, in denen etwas andersfarbig erscheint, sind wohl die klassischen und am ehesten plausiblen Beispiele für Illusionen bezüglich einer Sinnesqualität, die dem phänomenalen Prinzip zugute kommen.

Die Frage, was die Sinnesqualitäten des Gehörs sind, ist gar nicht so leicht zu beantworten; Smith geht jedenfalls davon aus, dass musikalische Parameter wie Tonhöhen und Intervalle dazugehören. Akustische Illusionen, bei denen wir bezüglich einer Sinnesqualität getäuscht werden, sind also mindenstens Fälle von der Art der Akkord-Illusion: Wenn man eine Folge von Akkorden in aufsteigender Reihenfolge (chromatisch oder diatonisch) wiederholt spielt, erscheint – aufgrund unserer Gewöhnung, immer Grundtöne auszumachen – jeder Akkord höher als der vorherige, obwohl man natürlich merkt, dass das Register nicht verlassen wird.

Wie gut funktioniert der dritte Schritt des Argument from Illusion mit dieser akustischen Illusion? Ich fürchte: gar nicht. Daraus, dass es mir beim Hören der Akkord-Illusion so scheint, als würden die Klänge irgendwie immer „höher“, zu schließen, ich würde irgendetwas anderes als die wirklichen Akkorde hören, erscheint mir geradewegs absurd. Hier ist der dritte Schritt des Arguments nicht im Geringsten plausibel, selbst wenn man sich auf die Sinnesqualitäten beschränkt, also mit dem eingeschränkten Illusionsbegriff hantiert.

Als olfaktorische Illusionen im engen Sinne kommen gestörte oder verringerte Geruchswahrnehmungen bei Erkältung in Frage, oder Fälle, in denen wir sehr intensive Gerüche nach einiger Zeit gar nicht mehr wahrnehmen (nach zehn Minuten im Blumengeschäft). Bezogen auf den dritten Schritt des Arguments von der Illusion wüsste ich einfach nicht, was ich sagen sollte. Wenn mir der Geruch der Blumen in einem Blumengeschäft nach einigen Minuten schwächer vorkommt – warum sollte ich dann annehmen, es gäbe anstelle des echten nun einen schwächeren Geruch, den ich wahrnehme? Für Geschmacksillusionen gilt, denke ich, dasselbe.

Halten wir fest: Wir haben gesehen, dass der dritte Schritt des Argument from Illusion für die vier angeführten Sinne nicht zwingend, teilweise sogar recht abstrus erscheint, auch dann, wenn man einen engen Illusionsbegriff ansetzt, der das Argument nur mit Sinnesqualitäten durchgehen lassen will.

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf den Tastsinn. Anders als bei den vier betrachteten Sinnen beinhaltet Tasterfahrung neben der Erfahrung von externen Objekten auch die Erfahrung des eigenen Körpers. Beim Tasten bemerke ich die Eigenschaften von Objekten, indem ich spüre, wie mein eigener Körper von ihnen „berührt“ wird. Indem ich den Rand eines Weinglases mit der Fingerspitze entlangfahre, kann ich seine runde Form erkennen. Dabei muss ich, während ich meine Hand bewege, immer spüren, dass das Glas gegen meinen Finger drückt. Man bekommt leicht den Eindruck, hier bedürfe es gar keiner Illusion, um an der Möglichkeit der direkten Wahrnehmung zu zweifeln – bezieht sich nicht jede taktile Erfahrung auf die Modifikationen der eigenen Haut und nur mittelbar auf die verursachenden Objekte? Warum sollte ich Recht haben, wenn ich über die Münze, die ich in meiner Hand spüre, sage: „Das ist eine Münze“?

Ich glaube, der Grund liegt darin, dass die Sinnesdaten, die in der taktilen Wahrnehmung eingeführt werden müssten, einfach zu sonderbar wären. Wir spüren ja nicht nur, dass unsere Haut eingedrückt ist, sondern, unablöslich davon, dass sie von einem äußeren Gegenstand eingedrückt wird. Es wird ein Widerstand bemerkbar. Sinnesdaten, die die Bewegung unserer Glieder hemmen, unsere Haut eindrücken – darauf sollte die Philosophie besser verzichten. Man nimmt sich in der taktilen Erfahrung als Körper unter Körpern wahr. Gerade weil hier eine Kausalität gefühlt wird, ist kein Platz für Sinnesdaten.

Es sieht also so aus, dass der dritte Schritt des Argument from Illusion derjenige ist, an dem das Argument scheitert, weil es nicht plausibel zu machen ist, dass die Tatsache, dass Dinge Eigenschaften zu haben scheinen, die sie nicht haben, implizieren soll, dass es Dinge gibt, die diese Eigenschaften haben.

Zu 4.: Nachdem wir das Argument eigentlich schon aufgegeben haben, können der vierte und fünfte Schritt kurz behandelt werden. Wenn man von dem Illusionsbegriff ausgeht, den ich eingeführt habe, ist der vierte Schritt trivial: Wenn in Illusion und Wahrnehmung definitorisch dieselben Dinge demonstrativ erfasst werden, folgt aus der Annahme, dass in illusorischer Erfahrung Sinnesdaten demonstrativ erfasst werden, dass auch in veridischer Wahrnehmung Sinnesdaten demonstrativ erfasst werden. Tatsächlich handelt einem die gegenteilige Position, dass nämlich illusorische Erfahrung es mit Sinnesdaten, gewöhnliche Wahrnehmung hingegen mit physischen Dingen zu tun hat, einige Schwierigkeiten ein. Wenn akzeptiert würde, dass bei der Wahrnehmung eines Stabes, der in Wasser getaucht ist, nicht der Stab, sondern ein Sinnesdatum gesehen wird, die Wahrnehmung eines Stabes an der Luft aber nur von dem Stab handelt, muss die Erklärung, was passiert, wenn der Stab vor meinen Augen aus dem Wasser gezogen wird, ein mysteriöses Element enthalten. Irgendwann während dieses einige Sekunden in Anspruch nehmenden Vorgangs muss der Kontakt mit der Realität hergestellt werden. Das wäre reichlich seltsam.

Zu 5.: Die Anerkennung der Schritte 1.-4. führt zur Konklusion 5.

Das Argument von der Halluzination sieht für eine Sinnesdatentheorie, also eine Konzeption von Wahrnehmung, in der die Ununterscheidbarkeit von Täuschung und Wahrnehmung durch das Postulat von mentalen Objekten erklärt wird, so aus:

AH1
1. Der direkte Realismus behauptet, wir könnten uns in der Wahrnehmung mit wahren demonstrativen Urteilen auf externe Objekte beziehen.
2. Im Falle von Halluzinationen sind die Objekte, auf die wir uns demonstrativ beziehen, keine physischen Dinge.
3. Die Objekte, auf die wir uns in der Wahrnehmung demonstrativ beziehen, sind niemals physische Dinge.
4. Der direkte Realismus ist falsch.

Zu den ersten beiden Schritten ist nicht viel zu sagen; die Prämisse ist dieselbe wie im Argument von der Illusion. Der zweite Schritt ist relativ unproblematisch – wenn auch nicht so ganz klar ist, welchen ontologischen Status die Objekte einer Halluzination haben sollen. Dass es nicht die physischen Dinge sind, die sie zu sein scheinen, ist klar.

Zu 3.: Dies ist zweifelsohne der springende Punkt des Arguments. Wie sollte man plausibel machen, dass der Fall, in dem ich eine weiße Maus sehe, und der Fall, in dem ich eine weiße Maus halluziniere, von derselben Art sind, auf gleichartige Gegenstände Bezug nehmen?

Betrachten wir ein Beispiel, das von J. J. Valberg (1992) stammt (der aber selbst nicht für Sinnesdaten argumentiert), in welchem die Möglichkeit einer konstanten demonstrativen Bezugnahme im Übergang von Wahrnehmung zu Halluzination geltend gemacht wird. Valberg stellt sich vor, dass er fünf Sekunden lang ein bestimmtes Buch anschaut. Nach zweieinhalb Sekunden lässt allerdings eine höhere Macht das Buch verschwinden und ruft gleichzeitig eine Halluzination des Buches hervor, so dass sich die subjektive Erfahrung während der ganzen Zeitspanne nicht im Geringsten verändert. Die Erklärung, die spontan nahe liegt ist die, dass eben am Anfang das Buch gesehen wurde und dann schließlich nicht mehr. Vielleicht wurde nur in den letzten zweieinhalb Sekunden etwas „wahrgenommen“, was man ganz plausibel als Sinnesdatum verstehen könnte. Dem widerspricht Valberg aber: Immerhin wäre der Gegenstand meiner demonstrativen Bezugnahme während der ganzen Geschichte derselbe geblieben. Ich habe mich immerzu auf dieses Buch konzentriert. Wenn nun die Bezugnahme auf dieses Buch vereinbar ist mit dem Umstand, dass das Buch als materielles Objekt überhaupt nicht mehr da ist, dann ist wohl auch richtig zu sagen, dass dieses Buch von Anfang an nicht mit dem physischen Objekt auf meinem Schreibtisch identisch war, denn die Existenz des Buches auf dem Schreibtisch ist unvereinbar mit dem Verschwinden des Buches auf dem Schreibtisch.

Der Schlussfolgerung, während der gesamten Zeitspanne hätte es ein unverändertes Objekt der Wahrnehmung gegeben, liegt ein internalistisches Verständnis von Bezugnahme zu Grunde, nach dem sich das wahrnehmende Subjekt nicht in seinem demonstrativen Urteil täuschen kann. Demnach bildet die fünf Sekunden andauernde, subjektive unveränderte Erfahrung einen hinreichenden Grund für die Annahme, der Gegenstand der Bezugnahme wäre unverändert ein Sinnesdatum gewesen. Wenn man aber, wie etwa John McDowell oder Paul Snowdon, einen externalistischen Begriff von Erfahrung hat, nach dem entscheidende Parameter einer Erfahrung dem Subjekt nicht zugänglich sein müssen, kann man leugnen, dass in der Wahrnehmung immer derselbe „Gegenstand“ fokussiert wurde. In den ersten zweieinhalb Sekunden handelte die Erfahrung von einem Buch, in den folgenden zweieinhalb Sekunden nicht. Zuerst war es eine Wahrnehmung, anschließend eine Halluzination. Dass der Übergang unbemerkt geschah, ändert nichts daran. Mit dieser sogenannten disjunktiven Analyse des Begriffs der Erfahrung, auf die wir später eingehen werden, kann man dem dritten Schritt des Arguments von der Halluzination begegnen. Man beachte, dass, anders als beim Argument von der Illusion, die sich während des Übergangs von Wahrnehmung zu Täuschung – oder umgekehrt – ändernde Bezugnahme nicht im Geringsten unplausibel ist. War es abstrus, anzunehmen, wenn der Stab aus dem Wasser gezogen wird, stelle sich ein Kontakt zur Realität her, ist es hier ziemlich offensichtlich, dass genau das passiert.

Zu 4.: Auch hier folgt aus den Schritten 1. bis 3. die Konklusion 4.

Die Argumente von der Täuschung, die für die Wahrnehmung mentaler Entitäten argumentieren, sind relativ leicht zu entkräften. Heutzutage gibt es nur noch eine Hand voll Philosophen, die sie plausibel finden, unter ihnen etwa A. D. Smith und H. Robinson. Der grundsätzlich verlockende Gedanke, der dem Argument zu Grunde liegt (AT2), dass nämlich die mögliche Ununterscheidbarkeit von Halluzination und Wahrnehmung eine philosophische Konsequenz haben sollte, wirkt allerdings nach wie vor.

1.2 Moderne Formen des Repräsentationalismus

Eine zeitgenössische Antwort auf das Argument von der Täuschung besteht darin, anstelle einer Klasse von mentalen Entitäten, die wahrgenommen werden, eine Klasse von wahrheitsneutralen mentalen Zuständen einzuführen. Für diese gilt, dass ihr Gehalt von nichts anderem abhängig ist als von den dem Subjekt intern zugänglichen Parametern. Eine Täuschung und eine Wahrnehmung können über denselben repräsentationalen Gehalt verfügen, wenn sie subjektiv ununterscheidbar sind. Mit Theorien dieser Art kann man die unglückliche Redeweise von der Wahrnehmung mentaler Entitäten vermeiden, allerdings ist zweifelhaft, ob sie die Möglichkeit direkter Wahrnehmung bieten. An die Stelle von Sinnesdaten, die unseren Kontakt zur Welt abschneiden, treten gehaltvolle intentionale Zustände, die, weil wahrheitsneutral, im günstigsten Falle richtig repräsentieren können, wie die Welt ist.[4] Eine attraktive Konzeption dieser Art findet sich in intentionalistischen Wahrnehmungstheorien. Der Grundgedanke dabei ist, dass Wahrnehmung nicht primär als eine Relation zwischen einem Objekt (oder Sachverhalt) und einem Perzipienten besteht, sondern Wahrnehmungen als intentionale Zustände wie andere mentale Zustände auch interpretiert werden. Crane schreibt dazu:

„Both the Sense-Data theory and the Direct Realist theory treat perception as a relation: in the first case to real sense-data, in the second case (for genuine perception) to ordinary material objects. The Sense-Data theory gives a satisfactory answer to the argument from illusion, but leaves us with sense-data, mysterious non-physical objects. Direct Realism, on the other hand, commits us to the existence of no objects except those which we would accept anyway, but on the face it fails to account for the sense in which perception and hallucination share a phenomenal character. Which way should we turn? [...] We should deny that perception is a relation to real objects. Rather, perception is an intentional state, a relation to an intentional content.“ (Crane 2001, 137)

Ein eleganter Zug so einer Konzeption liegt natürlich darin, dass es auf diese Weise möglich ist zu erklären, wie dieselben propositionalen Gehalte wie in Überzeugungen oder Befürchtungen auch in Wahrnehmungen vorkommen können. Auch kann auf die Existenz von Sinnesdaten verzichtet werden, weil intentionale Objekte nicht notwendigerweise existieren. Daraus, dass jemand glaubt, es gäbe Einhörner, folgt nicht, dass es Einhörner gibt, von denen dieser jemand glaubt, dass es sie gibt. Ebenso folgt daraus, dass jemand eine weiße Maus halluziniert, nicht, dass diese Maus eine Existenz unabhängig von ihrem Status als intentionales Objekt besitzt.

Ein intentionalistisches Argument von der Täuschung hat ungefähr diese Form:

AT3

1. Der direkte Realismus behauptet, wir wären in der Wahrnehmung unmittelbar mit der Welt konfrontiert.
2. Täuschungen sind mitunter von Wahrnehmungen aus der Subjektperspektive nicht unterscheidbar.
3. Es gibt ein gemeinsames Element von Täuschung und Wahrnehmung, einen wahrheitsneutralen intentionalen Zustand.
4. Wir können uns niemals auf die Welt, sondern stets nur auf unsere intentionalen Zustände beziehen. Der direkte Realismus ist falsch.

Wahrscheinlich wären die meisten Intentionalisten gar nicht einverstanden mit dieser Interpretation. Searle und Smith betrachten sich als direkte Realisten in dem Sinne, dass sie anders als Sinnesdatentheoretiker nicht davon ausgehen, es gäbe etwas außer physischen Dingen, auf das in der Wahrnehmung Bezug genommen wird. Daraus, dass für Wahrnehmung eine mentale Repräsentation, der intentionale Gehalt, konstitutiv ist, folgt nicht, dass dieser wiederum Gegenstand der Wahrnehmung ist (vgl. Searle 1996, 36f). Bezugsgegenstände sind nicht-mentale Objekte, die wir allerdings vermittels einer Repräsentation wahrnehmen.

Inwiefern diese These dem direkten Realismus widerspricht, ist zu zeigen. Das Problem liegt in der Annahme eines gemeinsamen Elements von Täuschung und Wahrnehmung. Nach Searle zum Beispiel unterscheiden sich die Zustande „eine weiße Maus sehen“ und „eine weiße Maus halluzinieren“ nur darin voneinander, dass im einen Falle die Erfüllungsbedingungen (vgl. Searle 1996, 26f) – etwas dem Subjekt intern Unzugängliches – vorliegen, im anderen nicht. Der intentionale Gehalt ist in beiden Fällen derselbe. Somit müsste man sagen, dass im Falle der Wahrnehmung einer weißen Maus alles, was zum Wissen, dass da eine weiße Maus ist, beiträgt, ein mentaler Zustand ist, der kompatibel ist mit der Abwesenheit einer weißen Maus.

A. D. Smith hat in seinem Buch „The Problem of Perception“ (2002) eine intentionalistische Theorie entwickelt, die explizit auf direkte Wahrnehmung ausgerichtet ist. Wir wollen seine Position kurz untersuchen, um die Richtigkeit der These von der Unvereinbarkeit von direkter Wahrnehmung mit einer intentionalistischen Theorie der Wahrnehmung zu prüfen.

Die zentrale These des Buches lautet, dass Wahrnehmungen – im Unterschied zu bloßen Sensationen wie Schmerzen oder „Sterne sehen“ (nach einem Schlag auf den Kopf) – intentionale Zustände sind, die aufgrund eines intrinsischen Charakters auf physische Objekte oder Phänomene gerichtet sind. Wäre dies gezeigt, könnte man allen Theorien entgegentreten, denen zufolge Wahrnehmungen aus intentionalen Zuständen ohne intrinsischen Weltbezug (Sensationen) und einem entsprechenden Kausalnexus, der die Verbindung zur Wirklichkeit herstellt, zusammengesetzt sind. Was könnten das für Eigenschaften sein, die Perzeptionen, nicht aber Sensationen zukommen? Smith macht drei voneinander unabhängige fundamentale perzeptive Phänomene ausfindig:

Die erste Beobachtung ist, dass Perzeptionen, anders als Sensationen, als Wahrnehmungen von im dreidimensionalen Raum lokalisierten Objekten empfunden werden. Element jeder Wahrnehmung ist, dass etwas in einem bestimmten räumlichen Verhältnis zu einem unserer Sinnesorgane steht. Das gilt offensichtlich für visuelle, auditive und taktile Erfahrung. Für den Geruchssinn ist es zwar insofern plausibel, als wir normalerweise unsere Geruchserfahrung durch Veränderung unserer räumlichen Position modifizieren können. Im Riechen selbst nehmen wir aber nicht unmittelbar die Entfernung der Geruchsquelle wahr, so wie wir die Distanz eines Ereignisses hören oder die eines Objekts sehen. Dasselbe gilt für eingeschränkte visuelle Wahrnehmung von ehemals oder fast Blinden, die nur rudimentär Kontraste von hell und dunkel wahrnehmen. In diesen visuellen Erfahrungen ist nicht notwendigerweise eine Wahrnehmung von Distanz enthalten. Auch gustatorische Wahrnehmung ist nicht notwendig an irgendeine Lokalisierung von Objekten gebunden. Zwar schmecken wir normalerweise, dass bestimmte Objekte, die wir taktil mit der Zunge ausmachen, einen Geschmack haben, und wir können auch bemerken, dass ein Bonbon unterschiedlich süß schmeckt, je nachdem, an welcher Stelle der Zunge es sich befindet. Aber wenn wir einen starken Nachgeschmack im Mund haben, können wir ihn nicht näher lokalisieren. Er ist dann im Mund, wie Zahnschmerzen im Zahn sind, und hat phänomenal nichts an sich, was ihn als die Perzeption auszeichnet, die er ist. Smith schlägt nun vor, den „Geschmack im Mund“ gar nicht als Perzeption zu verstehen:

„This is a pure gustatory event. Indeed, it is a mere gustatory sensation, having no 'object distinct from itself.' It is phenomenally located, of course; but then so is a headache.“ (Smith 2002, 139)

Smith konzeptualisiert also gustatorische Erfahrung als aus mehreren Elementen zusammengesetzt. Zunächst gibt es die Geschmackssensation, die dann zur Wahrnehmung qualifiziert werden kann, wenn eine Tasterfahrung der Zunge oder des Mundraumes hinzukommt. Ich halte dieses Modell für falsch. Zwar ist die sprachliche Intuition in diesem Falle nicht besonders stark, aber es scheint mir richtig zu sein, dass Rückstände von Nahrungsmitteln im Mund „Nachgeschmack“ ausmachen. Wenn ich, stark erkältet, nicht schmecke, dass sich Kaffee in meinem Mund befindet, der normalerweise einen „Geschmack im Mund“ hervorrufen würde, ist das ein anderer Fall, als wenn meine Zahnschmerzen betäubt werden. Im zweiten Fall existiert das „Objekt der Erfahrung“ nicht mehr, im ersten nehme ich es bloß nicht wahr. Es stimmt also nicht, dass jede Perzeption eine Verortung der Wahrnehmungsobjekte enthält. Wenn ich Smith richtig verstehe, geht es ihm aber auch gar nicht um strenge hinreichende Bedingungen, sondern eher um eine Sammlung von Phänomenen, die die These, Perzeptionen wären Sensationen, bei denen zufällig die Welt mitspielt, unplausibel machen sollen.

Das zweite Kriterium, mit dem qua subjektiver Erfahrung Perzeptionen von Sensationen unterschieden werden können, liegt in der Veränderung des Gehalts unserer Wahrnehmungen in Folge von Bewegungen unserer Sinnesorgane. Während Kopfschmerzen sich nicht verändern, wenn wir die Position unseres Kopfes verändern, werden Gerüche und Geräusche schwächer oder stärker, ändert sich die Perspektive auf gesehene Objekte. Je nachdem, wo wir es berühren, liefert ein Fahrrad ganz unterschiedliche taktile Erkenntnisse. Auch die angesprochene reduzierte visuelle Wahrnehmung unterscheidet sich von einer bloßen Sensation dadurch, dass sie sich mit der räumlichen Position verändert. Für gustatorische Wahrnehmung kann das Kriterium natürlicherweise dadurch erfüllt werden, dass ich etwas in den Mund nehme. Wenn man allerdings, wie ich vorgeschlagen habe, „Nachgeschmack“ als Perzeption versteht, dann bildet dieser wohl ein Gegenbeispiel, dass die These von der Abhängigkeit des Inhalts von Wahrnehmungen von Bewegungen der Sinnesorgane widerlegt.

Der dritte Punkt, den Smith anspricht, betrifft eine Besonderheit taktiler Wahrnehmung: Wenn wir Körper ertasten, sind wir phänomenal mit einem Widerstand konfrontiert, der unserer Muskelbewegung entgegensteht[5]. Smith übernimmt Fichtes Terminus „Anstoß“ für dieses Phänomen, das er als eine von den Tastsensoren der Haut unabhängige Art der Erfahrung verstanden wissen will, die beispielsweise auch in anästhesierten Gliedern empfunden werden kann (vgl. ebd. 159). Da es in der taktilen Wahrnehmung keine bloße Sensation (vergleichbar mit Ohrensausen oder „inner Lightshow“) gibt, die uns einen Anstoß empfinden lässt, stellt dieser automatisch Kontakt mit physischen Objekten her.

Smith benutzt seine Analyse der phänomenalen Besonderheiten von Wahrnehmung, um dem Argument von der Illusion zu begegnen. Wenn man den stärkeren und mit einem Element der Aktivität versehenen Begriff von Wahrnehmung in Anschlag bringt, ist es einfach falsch zu sagen, wir wären in der Wahrnehmung mit Sinneseindrücken (Sensationen oder Sinnesdaten) konfrontiert. Aufgrund der Dreidimensionalität, Bewegungsabhängigkeit oder des Anstoßes handelt Wahrnehmung intrinsisch von unabhängigen, dreidimensionalen Objekten. Es ist einfach unplausibel, zu behaupten, wir wären zunächst mit Sensationen konfrontiert, irgendwelchen inneren Entitäten, die so wenig in Beziehung zur Welt stehen, wie Traurigkeit oder Durst. Dass dennoch Illusionen auftreten, stellt für den direkten Realismus kein Problem dar; dass Wahrnehmungen Fehler enthalten oder falsch interpretiert werden können, steht seiner Ausgangsthese, dass die Objekte der Wahrnehmung physische Dinge sind, überhaupt nicht entgegen. Als Antwort auf das Argument von der Illusion ist Smiths Untersuchung sicherlich wertvoll. Indem sie zeigt, dass Wahrnehmung – als intentionaler Zustand, der intrinsisch auf physische Dinge gerichtet ist, verstanden – Illusionen zulässt, ohne dabei den Kontakt zu den physischen Objekten zu verlieren, artikuliert sie einen Punkt, der bisher wenig explizit gemacht wurde.

Wie geht Smith mit dem Argument von der Halluzination um? Zunächst stellt er fest, dass die Objekte einer Halluzination keine Sensationen sind, sondern intentionale Objekte, die dieselbe Art von Erfahrungen hervorrufen wie Wahrnehmungen. In einer guten Halluzination bin ich mit einem dreidimensionalen, von der Bewegung meiner Sinnesorgane abhängigen Objekt konfrontiert. Hierzu bemerkt er:

„We may still seem to be confined within a 'veil of perception.' Not, indeed, a veil of sense-data or sensations, but an equally impenetrable veil of intentional objects.“ (ebd. 258f)

Sein Versuch, diesen Vorhang aus intentionalen Objekten zu vermeiden, besteht darin, eine Unterscheidung zwischen Objekten und Entitäten einzuführen. Diese lässt sich am Beispiel einer Illusion veranschaulichen: Wenn ich einen roten Ball sehe, der im Dämmerlicht schwarz aussieht, dann ist das intentionale Objekt meines mentalen Zustandes schwarz, während die wahrgenommene Entität, der Ball, rot ist. Für Halluzinationen gilt, dass ihre Objekte tatsächlich über die an ihnen wahrgenommenen Eigenschaften verfügen, während überhaupt keine unabhängigen Entitäten existieren. Smith meint, dass der dritte Schritt des Arguments von der Halluzination (der Generalisierungsschritt) nur dann den direkten Realismus in Gefahr bringt, wenn er zuvor die Objekte der Halluzination als reale Entitäten einführt, die dann auch Elemente jeder Wahrnehmung sein sollen. Mir ist nicht ganz klar, warum intentionale Objekte, seien sie auch keine Entitäten, für den direkten Realismus weniger gefährlich sein sollten. Smith konkretisiert die intentionalen Objekte folgendermaßen:

„To speak of that experience's intentional object is simply to talk about the 'descriptive nature' of that experience, to advert to its specific intentional character. The intentional object is not any sort of being 'over and above' the experience itself.“ (ebd. 243)

An dieser Stelle wird deutlich, dass das Konzept von Erfahrung, das hinter Smiths Intentionalismus steht, ein internalistisches ist. Intentionale Objekte sind die Objekte – seien sie auch nicht real – von denen mentale Zustände handeln. Wenn Smith auch betont, dass die Unterscheidung zwischen einem Objekt (schwarzer Ball) und einer Entität (roter Ball) nicht implizieren soll, es handle sich um distinkte Entitäten (vgl. ebd. 261), so wird doch das Zusammenfallen von intentionalem Objekt und physischer Entität zu einer arbiträren Angelegenheit. Erfahrungen können dieselben intentionalen Objekte haben (zum Beispiel einen schwarzen Ball), ob sie nun Wahrnehmungen sind (Entität: schwarzer Ball), Illusionen (Entität: roter Ball) oder Halluzinationen (Entität: keine). Dass wir in veridischer Erfahrung physische Entitäten wahrnehmen, ist klar. Aber ob wir sie nach Smiths Konzeption direkt wahrnehmen, ist zweifelhaft.

Meiner Ansicht nach bieten intentionalistische Theorien keine Basis zur Verteidigung eines direkten Realismus. Sobald man die mögliche Ununterscheidbarkeit von Wahrnehmung und Täuschung mit identischen intentionalen Zuständen oder der Wahrnehmung identischer intentionaler Objekte erklärt, verliert der direkte Weltbezug in der Wahrnehmung einen Großteil seiner Kraft. Wie eine Theorie der direkten Wahrnehmung aussehen kann, wollen wir im nächsten Abschnitt betrachten.

1.3 Disjunktive Analysen von Wahrnehmungszuständen

Nach der Untersuchung verschiedener durch das Argument von der Täuschung motivierter Theorien können wir nun eine Präzisierung des Begriffs „direkte Wahrnehmung“ vornehmen. Zentral sollte die These sein, dass wir in der Wahrnehmung mit nichts anderem als der physischen Wirklichkeit konfrontiert sind. Dass wir dabei üblicherweise Erfahrungen haben beziehungsweise uns in intentionalen Zuständen befinden – die Beispiele des blinden Sehens und des vomeronasalen Riechens (vgl. Abschnitt 2.1.7 dieser Arbeit) legen nahe, dass dieses für Wahrnehmung keine notwendige Bedingung darstellt – heißt nicht, dass Erfahrungszustände oder intentionale Zustände ein Element der Wahrnehmung sein müssen – Wahrnehmungen können mentale Zustände sein, sie müssen keine involvieren.

Der Tatsache, dass einige mentale Zustände, die keine Wahrnehmungen sind (z. B. Halluzinationen), aus der Subjektperspektive von Wahrnehmungen nicht zu unterscheiden sind, muss natürlich Rechnung getragen werden. Eine Lösung liegt, wie schon angedeutet, in einer disjunktiven Theorie der perzeptuellen Erfahrung. Diese proklamiert, dass subjektiv ununterscheidbare mentale Zustände tatsächlich ganz unterschiedliche mentale Zustände sein können. Sätze darüber, wie eine perzeptuelle Situation sich für ein Subjekt darstellt, können durch unterschiedliche Arten von Sachverhalten wahr gemacht werden. Für Aussagen über visuelles Erscheinen formuliert Paul Snowdon die disjunktive These folgendermaßen:

„Looks-judgements are made true by two types of occurence: in halluzinations they are made true by some feature of a (non-object-involving) inner experience, whereas in perceptions they are made true by some feature of a certain relation to an object, a non-inner experience, (which does not involve such an inner experience).“ (Snowdon 1990, 130)

Was Snowdon hier als „innere Erfahrung“ bezeichnet, taucht in der Diskussion auch unter den Bezeichnungen „Erfahrungszustand“, „Looks-State“ (für den visuellen Fall) oder „Scheint-Zustand“ (allgemeiner) auf. Die disjunktive Theorie leugnet, dass diese Ausdrücke für eine eigenständige Entität stehen, die gleichermaßen Element von Wahrnehmungen und Halluzinationen ist.

Mit dem Disjunktivismus geht eine Theorie der externalistischen Gehaltszuschreibung mentaler Zustände einher. Was tatsächlich das intentionale Objekt eines Wahrnehmungszustandes ist, muss dem Subjekt nicht intern zugänglich sein. In subjektiv ununterscheidbaren Fällen kann es sich einmal um ein physisches Ding handeln und ein anderes Mal nicht. Während nach einer internalistischen Theorie beispielsweise die visuelle Wahrnehmung eines echten Geldscheins und die visuelle Wahrnehmung eines gefälschten Geldscheins dasselbe intentionale Objekt haben (etwas, was wie ein Geldschein aussieht), haben sie nach einer externalistischen Theorie unterschiedliche intentionale Objekte (einmal einen Geldschein, einmal eine Blüte).

[...]


[1] „The most natural case of „hearing indirectly“, of course, is that of being told something by an intermediary – a quite different matter. But do I hear a shout indirectly, when I hear the echo? If I touch you with a bargle-pole, do I touch you indirectly? Or if you offer me a pig in a poke, might I feel the pig indirectly – through the poke? And what smelling indirectly might be I have simply no idea.“ (Austin 1962, 16f)

[2] „Nicht naiv“ heißt an dieser Stelle „nicht im Sinne des naiven Realismus“.

[3] Das entspricht der Interpretation des Begriffs „direkte Wahrnehmung“, die Paul Snowdon (1992) vorgeschlagen hat. Gerade die Möglichkeit des (demonstrativen) Bezugs auf die Dinge wird nämlich von David Hume konkret verneint: „[N]o man, who reflects, ever doubted, that the existences, which we consider, when we say this house, and that tree, are nothing but perceptions in the mind.“ (ebd. 56)

[4] Vgl. Willaschek 2003, 105f.

[5] In der taktilen Wahrnehmung von Wärmestrahlung oder der Temperatur von Luftströmungen fehlt dieses Phänomen allerdings.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783836612159
DOI
10.3239/9783836612159
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – unbekannt, Philosophie
Erscheinungsdatum
2008 (April)
Note
1,0
Schlagworte
wahrnehmung sinne disjunktivismus erkenntnistheorie philosophie geistes
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Titel: Direkte Wahrnehmung und die fünf Sinne
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