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Gesundheit und Führungsverhalten

©2002 Diplomarbeit 122 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Unternehmen, die im Wettbewerb erfolgreich bestehen und sich auf den Weltmärkten behaupten wollen, brauchen physisch und psychisch leistungsfähige Mitarbeiter/innen. Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt entscheidend von der optimalen Nutzung und der nachhaltigen Pflege seines Humankapitals ab. In der Arbeitswelt von heute werden Mitarbeiter/innen benötigt, die selbstständig, eigenverantwortlich und flexibel agieren sowie solche, die qualifiziert, kreativ und engagiert sind. Ohne sie ist weder die Verfügbarkeit komplexer technischer Anlagen gewährleistet noch sind kontinuierliche Verbesserungen und notwendige Innovationen zu erwarten oder können neue Produktionskonzepte und Arbeitsformen erfolgreich eingeführt werden. Dem Schutz und der Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter/innen als strategische und nachhaltig wirksame Investition in das betriebliche Humanvermögen kommt angesichts dessen eine zentrale Bedeutung zu. Gesundheit liegt aber nicht nur im Unternehmensinteresse, von ihr profitieren vor allem die Mitarbeiter/innen selbst. Vor diesem Hintergrund begründet die vorliegende Arbeit die Notwendigkeit eines gesundheitsfördernden Führungs-verhaltens.
Das erste Kapitel leistet eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Begriff „Gesundheit“, der als Grundlage für die Ausführungen über ein gesundheits-förderndes Führungsverhalten dienen soll. In historische Perspektive werden unterschiedliche wissenschaftliche Definitionsversuche vorgestellt. Dabei wird deutlich, dass die Betrachtung des Gesundheitsbegriffs durch die Wissenschaft kontextabhängig ist und je nach Interessenslage und Überzeugung differiert. Dies zeigt sich besonders kontrastreich bei der medizinischen Definition und der der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich nicht ausschließlich am naturwissenschaftlichen Gesundheitsbegriff orientiert, sondern subjektive und soziale Elemente in ihre Überlegungen mit einbezieht. Den wissenschaftlichen Gesundheitsvorstellungen entsprechend werden anschließend unterschiedliche Gesundheitsmodelle vorgestellt, die die Möglichkeiten der Prävention von Krankheiten einerseits sowie den Erhalt und die Verbesserung von Gesundheit andererseits beschreiben und somit wichtige Anknüpfungspunkte für ein gesundheitsförderndes Führungsverhalten bieten. Die folgende Darstellung der subjektiven Gesundheitstheorien zeigt anhand von zahlreichen empirischen Studien auf, dass sich geschlechtsdifferenzierte Erfahrungen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Wissenschaftliche und subjektive Theorien zu Gesundheit
1.1. Gesundheit – eine begriffliche Annäherung
1.2. Gesundheitsmodelle
1.2.1. Das biomedizinische Modell
1.2.2. Die Risikofaktorenmedizin
1.2.3. Salutogenetische Modelle
1.2.4. Gesundheitsförderung
1.3. Subjektive Theorien von Gesundheit
1.3.1. Subjektive Gesundheitsvorstellungen
1.3.2. Geschlechtsdifferenzierte Gesundheitskonzepte
1.3.3. Gesundheitskonzepte im biografischen Kontext
1.3.4. Der Einfluss der sozialen Schicht auf Gesundheitskonzepte
1.4. Resümee

2. Gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen am Arbeitsplatz
2.1. Konzepte zu Arbeitsbedingungen und Gesundheit
2.2. Gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen für Beschäftigte durch einzelne Dimensionen der Arbeitswelt
2.2.1. Gesundheitliche Belastungen aus der Arbeitsumgebung und den organisationalen Rahmenbedingungen
2.2.2. Gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen durch Arbeitsinhalte
2.2.3. Gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen durch soziale Faktoren am Arbeitsplatz
2.2.4. Gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen durch Führungsverhalten
2.3. Arbeitsbelastungen und gesundheitliche Beschwerden im Kontext von Führungsverhalten
2.3.1. Ergebnisse einer Mitarbeiter/innenbefragung zu gesundheitlichen Beschwerden
2.4. Resümee

3. Gesundheitsförderndes Führungsverhalten
3.1. Dimensionen des Führungsverhaltens
3.1.1. Situationstheorien der Führung
3.2. Einflussmöglichkeiten der Führungskräfte auf die Belastungsreduzierung
bei Beschäftigten
3.2.1. Handlungs- und Entscheidungsspielraum als gesundheitsförderliche Ressource
3.2.1.1. Formen der Arbeitsgestaltung
3.2.1.2. Die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
3.2.2. Kommunikation und Information als Führungsaufgabe
3.2.2.1. Geschlechtspezifischer Kommunikationsstil
3.2.3. Sozialer Rückhalt durch Führungskräfte
3.2.3.1. Wirkungsweisen sozialer Unterstützung
3.3. Resümee

4. Weiterbildung und Beratung zur Unterstützung gesundheitsfördernden Führungsverhaltens
4.1. Führungskräfteentwicklung durch Weiterbildung und Beratung
4.1.1. Ziele und Inhalte von Weiterbildungs- und Beratungsmaßnahmen
4.1.2. Methoden der Führungskräfteentwicklung
4.2. Professionelle Beratungsverfahren
4.2.1. Coaching als personenbezogenes Beratungsinstrument
4.2.2. Mentoring als Strategie zur beruflichen Förderung
4.2.2.1. Mentoring-Programme für Frauen
4.3. Schlusswort: Grenzen und Chancen eines gesundheitsfördernden Führungsverhaltens

Literaturverzeichnis

Einleitung

Unternehmen, die im Wettbewerb erfolgreich bestehen und sich auf den Weltmärkten behaupten wollen, brauchen physisch und psychisch leistungsfähige Mitarbeiter/innen. Der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängt entscheidend von der optimalen Nutzung und der nachhaltigen Pflege seines Humankapitals ab. In der Arbeitswelt von heute werden Mitarbeiter/innen benötigt, die selbstständig, eigenverantwortlich und flexibel agieren sowie solche, die qualifiziert, kreativ und engagiert sind. Ohne sie ist weder die Verfügbarkeit komplexer technischer Anlagen gewährleistet noch sind kontinuierliche Verbesserungen und notwendige Innovationen zu erwarten oder können neue Produktionskonzepte und Arbeitsformen erfolgreich eingeführt werden. Dem Schutz und der Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter/innen als strategische und nachhaltig wirksame Investition in das betriebliche Humanvermögen kommt angesichts dessen eine zentrale Bedeutung zu. Gesundheit liegt aber nicht nur im Unternehmensinteresse, von ihr profitieren vor allem die Mitarbeiter/innen selbst. Vor diesem Hintergrund begründet die vorliegende Arbeit die Notwendigkeit eines gesundheitsfördernden Führungs-verhaltens.

Das erste Kapitel leistet eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Begriff „Gesundheit“, der als Grundlage für die Ausführungen über ein gesundheits-förderndes Führungsverhalten dienen soll. In historische Perspektive werden unterschiedliche wissenschaftliche Definitionsversuche vorgestellt. Dabei wird deutlich, dass die Betrachtung des Gesundheitsbegriffs durch die Wissenschaft kontextabhängig ist und je nach Interessenslage und Überzeugung differiert. Dies zeigt sich besonders kontrastreich bei der medizinischen Definition und der der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich nicht ausschließlich am naturwissenschaftlichen Gesundheitsbegriff orientiert, sondern subjektive und soziale Elemente in ihre Überlegungen mit einbezieht. Den wissenschaftlichen Gesundheitsvorstellungen entsprechend werden anschließend unterschiedliche Gesundheitsmodelle vorgestellt, die die Möglichkeiten der Prävention von Krankheiten einerseits sowie den Erhalt und die Verbesserung von Gesundheit andererseits beschreiben und somit wichtige Anknüpfungspunkte für ein gesundheitsförderndes Führungsverhalten bieten. Die folgende Darstellung der subjektiven Gesundheitstheorien zeigt anhand von zahlreichen empirischen Studien auf, dass sich geschlechtsdifferenzierte Erfahrungen sowie solche aus dem biografischen Lebenskontext und der sozialen Schicht in den Konzepten widerspiegeln.

Im zweiten Kapitel werden gesundheitliche Belastungen und Beanspruchungen von Mitarbeiter/innen durch einzelne Dimensionen der Arbeitswelt beleuchtet. Zunächst erfolgt eine Darstellung ausgewählter arbeitswissenschaftlicher – vorwiegend arbeitspsychologischer – Konzepte, die Arbeitsbedingungen mit dem Ziel der Beanspruchungsoptimierung und der gesundheitsgerechten Gestaltung von Arbeits-tätigkeiten analysiert haben und Aussagen zu den gesundheitlichen Folgen durch die Arbeitstätigkeiten für den arbeitenden Menschen machen. Daran anschließend wird aufgezeigt, inwieweit die Arbeitsumgebung durch Lärm, Beleuchtung oder auch ergonomische Gegebenheiten sowie die Arbeitsinhalte, durch geringe Handlungs- und Entscheidungsspielräume, mangelnde Transparenz oder Nichtverfügbarkeit von Informationen Einfluss auf die Gesundheit nehmen und welche Auswirkungen diese Faktoren auf das gesundheitliche Erleben von Mitarbeiter/innen haben können. Eine wesentliche Belastungsgröße am Arbeitsplatz können darüber hinaus die sozialen Beziehungen zu den Kollegen/innen, aber auch – und das mit besonderer Tragweite im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit – zu den Vorgesetzten sein. Ob und in welcher Form Beschäftigte Unterstützung von ihrer Führungskraft erhalten und ob sie sich gerecht oder ungerecht behandelt fühlen, kann sich in ihrem gesundheit-lichen Befinden niederschlagen. So zeigen die dargestellten Untersuchungs-ergebnisse einer Mitarbeiter/innenbefragung des wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO), dass bestimmte Verhaltensweisen von Führungskräften mit gesundheitlichen Beschwerden bei Mitarbeiter/innen in Verbindung stehen.

Nachdem in den ersten beiden Kapiteln begriffliche, wissenschaftliche und empirische Hintergründe von Gesundheit und Arbeitsbelastungen herausgearbeitet worden sind, geht das dritte Kapitel nach einer kurzen Vorstellung der Dimensionen von Führungsverhalten und der Situationstheorien von Führung der Frage nach, wie ein gesundheitsförderndes Führungsverhalten umgesetzt werden kann. Dabei wird beispielhaft anhand von drei ausgewählten zentralen Bereichen, die im Einfluss-bereich der Führungskräfte liegen, gezeigt, dass Führungskräfte durch die Schaffung von gesundheitsgerechten Rahmenbedingungen und unter Berücksichtigung der subjektiven Leistungsvoraussetzungen der Beschäftigten sowie durch Abbau demotivierender Barrieren zum einen zur Belastungsreduzierung und zum anderen zum Aufbau von gesundheitsförderlichen Ressourcen beitragen können. Die Ausführungen machen deutlich, dass Führung eine zielorientierte und aktivierende soziale Einflussnahme zur Erfüllung von gemeinsamen Aufgaben ist, dass eine so verstandene Zusammenarbeit auf Vertrauen basieren muss und mitdenkende, mithandelnde und mitverantwortende Mitarbeiter/innen erfordert und dass Führungskräfte für die Unterstützung und Entwicklung der Beschäftigten die Verantwortung tragen.

Das vierte Kapitel zeigt Wege auf, wie Führungskräfte durch Weiterbildungs- und Beratungsmaßnahmen bei der Entwicklung eines gesundheitsfördernden Führungs-verhaltens unterstützt werden können. Da sich die Anforderungen an Führungskräfte durch den gesellschaftlichen Wandel, den sich immer schneller vollziehenden technischen Fortschritt sowie die zunehmende Globalisierung von Unternehmen ändern, wird die Entwicklung von außerfachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen, so genannten Schlüsselqualifikationen immer wichtiger. Nach einer Darstellung von unterschiedlichen Methoden der Führungskräfteentwicklung werden Coaching und Mentoring als professionelle Beratungsverfahren vorgestellt. Dabei werden die Vorteile einer individuellen Führungskräfteförderung durch den konkreten Praxisbezug deutlich gemacht und darüber hinaus wird aufgezeigt, in welcher Führungsposition welche Maßnahme am Geeignetsten erscheint. Im Schlusswort werden Grenzen und Chancen eines gesundheitsfördernden Führungsverhaltens benannt und die Forderung nach einer konsequenten Umsetzung im Unternehmensalltag gestellt.

1. Wissenschaftliche und subjektive Theorien zu Gesundheit

Auch wenn der Begriff Gesundheit in aller Munde ist, heißt das nicht gleichzeitig, dass Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen, Ärzte/innen, Therapeuten/ innen sowie Laien unterschiedlichen Geschlechts, Alters und sozialen Hintergrunds über das Gleiche kommunizieren. Wenn jemand von Gesundheit spricht, ist damit auch ein System von Werten gemeint, die es zu hinterfragen gilt, um ideologische Hintergründe aufzudecken.

Als Voraussetzung für die Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und Grenzen eines gesundheitsfördernden Führungsverhaltens werden zunächst unterschiedliche wissenschaftliche Gesundheitsbegriffe und Gesundheitsmodelle, die sich mit dem Erhalt der Gesundheit auseinander setzen, vorgestellt. Anschließend wird auf subjektive Gesundheitstheorien von Frauen und Männern, unter Berücksichtigung des Alters und des sozialen Hintergrunds, eingegangen und den wissenschaftlichen Theorien gegenübergestellt, um einen für ein gesundheitsförderndes Führungs-verhalten nutzbaren Bedeutungsrahmen von Gesundheit herauszuarbeiten. Auf Grundlage des Wissens um historisch gewachsene, wissenschaftliche Definitionen einerseits und einer differenzierten Betrachtung der subjektiven Gesundheitstheorien andererseits wird deutlich, welchen Einfluss Führungsverhalten auf die Gesundheit von Menschen nehmen kann und welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind.

1.1. Gesundheit – eine begriffliche Annäherung

Die unterschiedlichen Versuche den Begriff Gesundheit zu erklären sind zahlreich, jedoch gibt es keine allgemein gültige, anerkannte wissenschaftliche Definition. Die Interessensorientierungen mischen sich in vielfältigen Deutungen und sind abhängig von den jeweils unterschiedlichen Perspektiven der wissenschaftlichen Disziplinen.

Nach Göckenjan (1991, S.15) lassen sich die verschiedenen Gesundheitsdefinitionen drei Kategorien zuordnen: Gesundheit als Abgrenzungskonzept, Gesundheit als Funktionsaussage und Gesundheit als Wertaussage.

Gesundheit als Abgrenzungskonzept ist eng mit der medizinischen Deutung und Diagnostik von Krankheit verbunden und wird als Abwesenheit von Krankheit umschrieben.

Exemplarisch für diese Auffassung ist die folgende Brockhaus-Definition von Gesundheit, die noch 1969 vorgelegt wurde:

„Gesundheit, lateinisch sanitas, der Zustand, in dem sich Lebewesen befinden, wenn all ihre Organe ungestört tätig sind und harmonisch zur Erhaltung ihres ganzen Wesens zusammenwirken sowie ihre Fortpflanzung gewährleisten (im Gegensatz zu Krankheit).“ (Brockhaus 1969, zit. n. Becker 1992, S. 95 f.)

Demnach sind Menschen nur dann gesund, wenn sie ihre Fortpflanzung sichern, d.h. Frauen und Männer, die keine Kinder bekommen können oder wollen oder Homo-sexuelle sind demzufolge krank.

Gesundheit wird nach herrschender Lehrmeinung aus medizinischer Sicht als statistische Norm für Organstrukturen und deren Funktionen definiert – bezogen auf messtechnisch nachweisbare physiologische Werte – während Krankheit Norm-abweichung bedeutet (Erben u.a. 1986, S. 64 f.). Damit obliegt die Zuordnung in die Kategorien „gesund“ oder „krank“ den Professionellen. Das Definitionsproblem von Gesundheit wird ausschließlich auf den Begriff der Störungsfreiheit verlegt (Franke 1993, S. 19).

Die dabei entstehende fiktive Schnittstelle ist nur vordergründig korrekt, da die Vielzahl der alltäglichen Befindlichkeiten so in einem rigiden Verständnis den Extrempolen Gesundheit oder Krankheit zugeordnet werden. Menschen, die mit chronischen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen leben, wie z.B. Herz-Kreislauf-Störungen oder Rückenschmerzen, sind nicht ausschließlich krank[1]. Auch jemand mit angeborenen oder erworbenen Behinderungen kann demnach objektiv niemals gesund sein, selbst wenn die Person sich gesund fühlt (ebd.), d.h., dass das subjektive Empfinden eines Individuums unbeachtet bleibt.

Im Mittelpunkt der Definitionsversuche der zweiten Kategorie stehen Aussagen zur Funktionsfähigkeit der Organe sowie zur Leistungs- und Arbeitsfähigkeit in körperlicher und sozialer Hinsicht.

Der Soziologe und Mitbegründer der Medizinsoziologie Talcott Parsons definiert Gesundheit

„als den Zustand optimaler Leistungsfähigkeit des Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist“ (Parsons 1967, zit. n. Troschke 1993, S. 155).

Parsons erklärt Gesundheit als Rollenerfüllung, d.h. zu einer von jedem Einzelnen für das Funktionieren der Gesellschaft zu erbringende Aufgabe. Demnach hängt der gesellschaftliche Wert eines Individuums von seiner für die Gesellschaft frei verfügbaren Leistungsfähigkeit ab.

Nach Parsons gibt es kein kontextunabhängiges Verständnis von Gesundheit, vielmehr ist Gesundheit auf die Lebenszusammenhänge sozialer Gruppen bezogen. Die individuelle Fähigkeit, sich in die entsprechenden Bezugsgruppen zu integrieren und den geltenden Leistungsnormen zu entsprechen, bildet die Bewertungsgrundlage für den Gesundheitszustand eines Menschen (Franke 1993, S. 22).

In einer Gesellschaft, die sich stark an Leistungen orientiert, gehen die Erwartungen an die Arbeitsanforderungen und individuelle Möglichkeiten zur Bewältigung dieser Anforderung oft weit auseinander. So erscheint ein überdurchschnittlicher Arbeits-einsatz, der beispielsweise durch die dauerhafte Leistung von Überstunden ersichtlich wird, als individuell hohes Leistungsvermögen, obgleich genau dieses Verhalten für die Gesundheit nicht förderlich sein kann.

Zu diesem Komplex gehören darüber hinaus auch alle homöostatischen Gesundheits-vorstellungen eines körperlich-seelischen Gleichgewichts oder eine flexible Anpassung von Körper und Selbst an sich verändernde Umweltbedingungen. Hierbei wird das Schwergewicht oft auf die Widerstandsfähigkeit von Menschen z.B. gegen-über Krankheitserregern und Infektionen gelegt (Franzkowiak u.a. 1999, S. 25).

In die dritte Kategorie fallen alle Definitionen, die mit positiven Assoziationen verknüpft sind; ein Verständnis von Gesundheit als „höchster Wert“. Die wohl bekannteste wertorientierte Umschreibung ist die der Weltgesundheitsorganisation (WHO):

„Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung“ (WHO 1948, zit. n. Franzkowiak u.a. 1999, S. 25)

Mit dieser Umschreibung löst die WHO Gesundheit aus einer rein biomedizinischen Sichtweise und den engen Bezügen des professionellen Krankheitssystems heraus. Sie geht in ihrer Formulierung so weit, dass sie persönliches Wohlbefinden in allen Dimensionen des täglichen Lebens mit Gesundheit gleichsetzt. Demnach ist gesund, wer sich wohlfühlt. Soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Lebensbe-dingungen bilden den Rahmen für die Entwicklungsmöglichkeiten von Gesundheit.

Die WHO-Definition ist trotz ihrer weiten Verbreitung vielfach kritisiert worden. In Verkennung der politischen Funktion dieser Definition wurde ihr ein utopischer und dogmatischer Charakter unterstellt (ebd.). Dies zeigt sich insbesondere in der stark umstrittenen Formulierung des „Zustands“ eines „vollständigen“ Wohlbefindens .

So betont Hurrelmann (1988, S. 17), dass Gesundheit physische, psychische und soziale Anteile umfasst, die sich wechselseitig beeinflussen. Die individuellen und kollektiven Wertvorstellungen von Gesundheit schlagen sich in der persönlichen Lebensführung nieder. Damit ist Gesundheit kein einmal erreichter und dann unveränderter Zustand, sondern eine lebensgeschichtliche und alltägliche Balance, die immer wieder neu und aktiv herzustellen ist.

Milz (1994, S. 25) korrigiert das Absolute der Definition dahingehend, dass er den englischen Begriff „complete“ nicht mit vollständig übersetzt, sondern mit umfassend, im Sinne von ganzheitlich.

Franke (1993, S. 16 f.) kritisiert die Definition der WHO als zu weit reichend. Ihr erscheint die Auffassung, Gesundheit sei durch vollständiges Wohlbefinden gekennzeichnet als Utopie, angesichts der realen Lebenssituation eines großen Teils der Menschheit, der um das tägliche Überleben kämpft. Auch sie vertritt die Ansicht, dass die Definition dem prozesshaften Charakter von Gesundheit nicht gerecht wird, da Gesundheit aus einem kontinuierlichen Anpassungsbestreben an neue Gegeben-heiten entsteht, die sich sowohl in der Person selbst, als auch in ihrer Umwelt entwickeln.

Bei der Verabschiedung der „Ottawa Charta für Gesundheitsförderung“ im November 1986 wurde die WHO-Definition in diesem Sinne reformuliert: „Gesundheit als Zustand“ wurde durch die Formulierung „Gesundheit als Prozess“ ersetzt (Brösskamp-Stone u.a. 1998, S. 142).

Die vielfältigen Versuche Gesundheit zu definieren und zu charakterisieren, haben in verschiedenen Konzepten und Modellvorstellungen von Gesundheit Eingang gefunden. Sie lassen sich danach unterteilen, ob es sich um wissenschaftliche Modelle oder um Laienkonzepte handelt. Der nachfolgende Abschnitt setzt sich mit diesen Vorstellungen genauer auseinander.

1.2. Gesundheitsmodelle

Gesundheitsmodelle befassen sich mit der Analyse und Beschreibung sowie mit der Frage nach dem Erhalt von Gesundheit. Darüber hinaus zeigen sie Vorsorgemöglich-keiten der Krankheitsentstehung bzw. Ansatzpunkte zur Gesundheitsförderung auf, aus denen sich mögliche Handlungsweisen für ein gesundheitsförderndes Führungs-verhalten ableiten lassen.

Dabei erfolgt die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Gesundheitsmodellen nicht nach objektiven Kriterien, sondern ihr kommt auch eine eminente berufsständige Bedeutung zu. Die Interpretation von Gesundheit im Sinne des biomedizinischen Leitbildes legitimiert ausschließlich Mediziner/innen zur Behandlung von Krankheit, während integrative biopsychosoziale Gesundheits-modelle zur interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Erforschung, Behandlung und Prävention[2] von Krankheiten verpflichten (Becker 1992, S. 92).

1.2.1. Das biomedizinische Modell

In den westlichen Industriegesellschaften repräsentiert das biomedizinische Modell, das dem Paradigma der Pathogenese folgt, das vorherrschende Verständnis von Krankheit.

Etwa seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich allmählich eine neue Einstellung zur Natur und zum Körper: Der Mensch tritt als Beherrscher der Natur auf und versucht sie durch Erfahrung zu erkennen. Auch der Körper als Teil der Natur wird vom Subjektiven getrennt und objektiviert (Faltermaier 1994, S. 14).

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich eine naturwissenschaftlich ausgerichtete Medizin und das Monopol der Ärzte als Heilberuf durchgesetzt. Bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten, wie beispielsweise Tuberkulose, konnten große Erfolge erzielt werden. In dieser Phase wurden die Grundlagen für das bis heute bestehende Gesundheitssystem, aber auch für die Arbeitsteilung zwischen den beiden klassischen Gesundheitsberufen, der Medizin und der Krankenpflege, gelegt[3] (a.a.O., S. 15).

Die Konzentration der Medizin auf den Wirkungszusammenhang pathogener organischer Prozesse sowie die Reduktion von Krankheiten auf innerkörperliche Vorgänge, führte dazu, dass der Mensch vorwiegend als passiver Träger der Krankheit verstanden wurde. Psyche, Verhaltensdimensionen, sozialer Kontext oder subjektive Erklärungsversuche des Menschen galten als relativ unbedeutend für das eigentliche Krankheitsgeschehen (Christeiner 1999, S. 32).

Mit der Herausbildung der naturwissenschaftlichen Medizin und ihrer Durchsetzung gegenüber vorwissenschaftlichen Vorstellungen von Krankheit und Heilung entwickelte sich das bis heute dominante Denkmodell der Schulmedizin (Faltermaier 1994, S. 20 f.).

Die Medizin nimmt bei der Betrachtung von Krankheit eine biomedizinisch-naturwissenschaftliche Perspektive ein, d.h., der kranke Mensch ist dabei nur die Instanz eines pathogenen Prozesses. Der Körper wird in Analogie zu einer gesetzmäßig funktionierenden Maschine betrachtet, die sich in ihren normalen Funktionen und in ihren pathologischen Abweichungen erkennen lässt, indem man sie in ihren Bestandteilen analysiert (a.a.O., S. 21). Mit dem aufwändigen Einsatz von technischen Apparaturen und Messinstrumenten wird eine Diagnose erstellt und der Mensch der entsprechenden dichotomen Kategorie zugeordnet. Im Falle von Krankheit erfolgt eine Spezifizierung innerhalb dieser Kategorie anhand international anerkannter Normen. Jede Krankheit weist eine spezifische Ätiologie auf, d.h. es gibt spezifische Pathogene, die die Integrität des Organismus bedrohen und eine bestimmte Erkrankung bewirken können. Pathogene können dabei in Form von Gendefekten, bestimmten Bakterien oder Viren, Chemikalien oder Noxen, aber auch in Form von psychosozialen Faktoren, z. B. als Stressoren vorliegen. Die Bekämpfung der Krankheit mit einer spezifischen Behandlungsmethode, ist Aufgabe der Professionellen (a.a.O., S. 43f.).

Die insgesamt kurative Dominanz der Medizin führte zu einem einseitigen, auf die medizinische Verhütung von Krankheiten bezogenen Präventionsbegriff, der nichtbiologische und umweltbezogene Krankheitsursachen ausblendete (Christeiner 1999, S. 33). Medizinische Prävention wird folglich durch die Beseitigung von Krankheitserregern vor Ausbruch einer Krankheit möglich.

Die Tatsache, dass Lebensumstände von Menschen einen bedeutenden Einfluss auf Krankheitsausbruch und Krankheitsverlauf ausüben können, wird im biomedizi-nischen Modell nicht berücksichtigt. Der amerikanische Sozialmediziner Engel schlug bereits 1979 alternativ ein „biopsychosoziales Modell“ vor, in das psycho-logische und soziale Faktoren einbezogen werden, da diese bei der Bewältigung von Krankheiten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Eine Beseitigung der organisch-somatischen Störung reicht in der Regel nicht aus (a.a.O., S. 33 f.).

Der englische Medizinhistoriker McKeown beschäftigte sich in den 80er-Jahren mit dem drastischen Anstieg der Lebenserwartung und mit dem Rückgang der Mortalität in den letzten beiden Jahrhunderten. Nach der Sichtung von umfangreichem Daten-material, primär Mortalitätsstatistiken, fand er heraus, dass der für die Sterblichkeit entscheidende Rückgang der Infektionskrankheiten im 19. Jahrhundert überwiegend auf Verbesserung der Lebensverhältnisse und nicht auf die Fortschritte der Medizin zurückzuführen ist. Effektive Therapien für Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Bronchitis und Ruhr wurden erst gefunden, als die Mortalitätszahlen bereits deutlich zurückgegangen waren. Hierdurch wird der Blick stärker auf andere Determinaten der Gesundheit gelenkt. Im historischen Rückblick erkennt McKeown die Ernährungsbedingungen, die Umweltbedingungen und den Lebensstil im Zeitalter der Industrialisierung als entscheidende Einflüsse. Eine Geschichte der Gesundheit hätte sich somit ganz wesentlich mit der Entwicklung der materiellen Lebensver-hältnisse (Ernährung, Wohnverhältnisse, Körperhygiene usw.) und der Lebensweise (Arbeitsbedingungen, politische, soziale und ökologische Anforderungen an die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit usw.) zu beschäftigen (Faltermaier 1994, S. 15 ff.).

1.2.2. Die Risikofaktorenmedizin

Der Ansatz der Risikofaktorenmedizin kann als Versuch gewertet werden das biomedizinische Modell zu transzendieren. Anstatt externer Erreger für die Häufung von Krankheiten und Todesfällen identifizierte die Risikofaktorenmedizin individu-elle Verhaltensweisen als krankheitsauslösende Faktoren (Christeiner 1999, S. 34 f.).

Risikofaktoren gelten als Vorläufer und Wegbereiter der chronisch-degenerativen Erkrankungen:

„Als Risikofaktoren werden Handlungsweisen von Individuen und/oder Gruppen bezeichnet, die je nach Intensität, Dauer und wechselseitiger Interaktion zur Ausprägung sogenannter Risikofaktoren beitragen (wie etwa Alkoholkonsum und Bewegungsmangel) oder selbst als solche angesehen werden (wie das Rauchen).“ (Franzkowiak 1986, S. 124)

Durch das Einwirken dieser Risikofaktoren entsteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit an der nachfolgenden Krankheit zu erkranken und/oder zu versterben. Demnach können, nach epidemiologischer Überzeugung, durch Vermeidung oder Reduktion der Risikofaktoren, beispielsweise durch Nichtrauchen, Erkrankungen verhindert werden (a.a.O., S. 126). Die seit den 50er-Jahren vor allem in den USA durchge-führten epidemiologischen Studien untersuchten in besonderem Maße die koronaren Herzkrankheiten, weil diese in den industrialisierten Gesellschaften zum größten Gesundheitsproblem und damit auch zur führenden Todesursache geworden sind. Als Ergebnis dieser Studien wurden zwischen hohem Blutdruck, relativem Übergewicht, einem erhöhten Cholesterinspiegel im Blut sowie Rauchen und Diabetes und der Häufigkeit neuer Fälle von koronarer Herzerkrankung signifikante Zusammenhänge entdeckt (Faltermaier 1994, S. 25).

Da diese somatischen Risikofaktoren nur einen begrenzten Teil der Herzerkran-kungen und später auch der Krebserkrankungen erklären konnten, wurden auch psychosoziale Variablen wie Stressbedingungen am Arbeitsplatz, belastende Lebensereignisse und eine als Typ-A bezeichnete Persönlichkeitsdisposition[4] miteinbezogen (ebd.). Diese psychosozialen Variablen werden als verhaltens- und persönlichkeitsgebundene Risikofaktoren bezeichnet. Als bedeutsame nicht-verhaltensgebundene Risikofaktoren, d.h. sozialstrukturell bzw. ökologisch bedingte Risikofaktoren, für Herzerkrankungen und bösartige Neubildungen sind berufliche bzw. ökologische Expositionen gegenüber Schadstoffen (z.B. Strahlen, Asbest, Teer) epidemiologisch nachgewiesen (Franzkowiak u.a. 1999, S. 94).

Je höher die Zahl der Risikofaktoren bei einer Person ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit an einer Herz- oder Krebserkrankung zu erkranken (Faltermaier 1994, S. 25). Dabei beruht die Risikofaktorenmedizin auf wahrscheinlichkeits-theoretischen Annahmen, die keine kausalen Schlüsse auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zulassen (Franzkowiak 1986, S. 126).

Die Vertreter/innen des Risikofaktorenkonzepts setzten zur Prävention von Krankheiten vorrangig auf individuelle Verhaltensänderung. Durch Programme zur Gesundheitsaufklärung, -beratung, -erziehung und -bildung sowie Gesundheits-selbsthilfe soll das Wissen über Gesundheitsrisiken hergestellt bzw. verstärkt werden, mit der Folge, dass sich die Einstellung der Menschen zu ihrer Gesundheit und zu ihrem aktuellen Verhalten ändert und somit auch eine Veränderung des Verhaltens bewirkt wird (Waller 1996, S. 162).

Wie an dem biomedizinischen Modell ist auch am Risikofaktorenmodell Kritik geübt worden. Das Hauptargument bezieht sich dabei auf das defizitäre Menschenbild, in dem der Einzelne als handelndes, sozial und kulturell in komplexen Lebens-zusammenhängen eingebundenes Subjekt keine bedeutsame Rolle spielt:

„Im Risikofaktorenkonzept wird das Subjekt zum Objekt pathogener Wirkungen von Risikozugriffen aus der Umwelt und persönlich zu verantwortenden Risikobereitschaften seiner motivationalen Ausstattung.“ (Franzkowiak 1986, S. 129)

Damit wird Risikoverhalten zu einem selbstverschuldeten und verantwortungslosen Handeln. Das bedeutet wiederum, dass jedes Individuum gesundheitsbelastende Situationen vermeiden und somit seine Gesundheit erhalten könnte. Gesundheits-bewusstes Handeln kann aber auch eine Frage von sozialen Gegebenheiten sein. In Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit nehmen Menschen z.B. Arbeitsplätze an, die mit einer hohen körperlichen Belastung, wie beispielsweise Lärm verbunden sind, obgleich sich diese auf den Gesundheitszustand nicht förderlich auswirkt.

„Die Bereitschaft, mehr für die Gesundheit zu tun, weicht der Notwendigkeit, Geld zu beschaffen, das Auto zu reparieren, eine Reise zu buchen, dem Kinde bei den Schulaufgaben zu helfen, eine Krankheit auszukurieren usw.. Alltagsstreß läßt nicht viel Zeit, Vorsorgemaßnahmen zu planen und auszuführen.“ (Schwarzer 1992, S. 300)

Franzkowiak (1986, S. 127 f.) kritisiert darüber hinaus die im Konzept angelegte Willkürlichkeit der Grenzwerte für “Normalität“ und Abweichungen der Risiko-werte, die in ihrem Ausgangspunkt den Durchschnitt eines Individuums in physiologischer, geistiger und sozialer Hinsicht repräsentieren. Besondere subjektive Verarbeitungsformen, Empfindlichkeiten oder Robustheiten gegenüber den Normen finden in der Konstruktion der Grenzwerte keine Berücksichtigung.

Weiterhin bleibt unklar, wie einzelne Risikofaktoren zusammenwirken, was die Bedeutung von isolierten Schwellwerten verzerrt. Epidemiologen gehen davon aus, dass die Messwerte der Risikofaktoren in einer breiten Streuung variieren. Trotzdem wird aber eine klare Trennlinie zwischen schädlichen und nicht schädlichen Werten gezogen (a.a.O., S. 128).

Darüber hinaus sind viele Studien nicht repräsentativ, sodass ein neu entdeckter Risikofaktor schnell für alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Alter oder der sozialen Schicht, problematisch wird (Faltermaier 1994, S. 26).

Die Erkenntnislage der Risikofaktorenmedizin ist trotz der über 30 Jahre währenden Forschungstradition immer noch von Unsicherheit gekennzeichnet. Immer wieder tauchen neue Risikofaktoren auf und alte geraten in Vergessenheit. Die schnell popularisierten Interventionsprogramme, die häufig zu optimistisch dargestellt werden, bewirken bei der Bevölkerung eher Verunsicherung, statt hilfreiche Information und Unterstützung in Bezug auf gesundheitsförderliche Verhaltens-weisen[5] (a.a.O., S. 25).

Die ungenügende Analyse geschlechtlicher, sozialer und kultureller Kontexte bei der Bestimmung von Risikoverhalten und Interventionsansätzen führt zu Hypothesen über Ursache-Wirkungszusammenhänge. Aus Sicht der Frauen lässt sich kritisieren, dass frauenspezifische Fragestellungen in der von Männern dominierten Epidemiologie übersehen, ausgeblendet oder unzureichend erforscht wurden. Die frauenbezogene epidemiologische Forschung in den USA überprüft Risiken und Schutzfaktoren bzgl. der Haupterkrankungen der Frauen, wie Herz-Kreislauf-Erkankungen, Brust- und Darmkrebs sowie Osteoporose, und setzt damit richtungsweisende Schwerpunkte (Christeiner 1999, S. 35 f., Maschewsky-Schneider 1998, S. 130).

Kickbusch und Wenzel (1981, S. 33) geben zu bedenken, dass Risikoverhalten wie Tabakkonsum und Alkoholgenuss in den industriellen Gesellschaften inzwischen allgegenwärtig und damit zur Selbstverständlichkeit und “Normalität“ geworden ist: Viele Menschen verhalten sich in Bezug auf ihre Gesundheit bewusst oder unbewusst riskant, um soziale Anerkennung zu erlangen, aus geschäftlichen Interessen oder auch, um gegen bestehende Lebensverhältnisse zu rebellieren.

„Gesundheitsschädigendes Verhalten hilft scheinbar, die Komplexität schwieriger Situationen zu reduzieren: man(n) “trinkt sich Mut an“ und fühlt sich subjektiv den Anforderungen gegenüber besser gewappnet.“ (Stahr u.a. 1991, S. 7)

Das heißt, dass Risikoverhalten für eine Person Genuss sein kein, für eine andere ein Statussymbol oder der Versuch, ihr Leben zu bewältigen. Risikoverhalten ist also kein uninformiertes, verantwortungsloses oder unvernünftiges Verhalten, sondern Alltagsverhalten, das subjektive und soziale Funktionalität besitzt[6] (Kickbusch; Wenzel 1981, S. 38).

1.2.3. Salutogenetische Modelle

Das Konzept der Salutogenese[7] wurde von dem amerikanisch-israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky entwickelt. Antonovsky kritisierte eine rein pathogenetisch-kurative Betrachtungsweise und stellte ihr eine salutogenetische Perspektive gegenüber. Im Unterschied zu der Frage nach Ursachen von Krankheiten und Risikofaktoren sollte die Frage, warum Menschen gesund bleiben, Vorrang bekommen. Die Salutogenese fragt primär nach den Bedingungen von Gesundheit und nach Faktoren, die die Gesundheit schützen und zur Unverletzlichkeit beitragen können[8] (Bengel u.a. 1998, S. 9).

Bei diesem Perspektivenwechsel geht es Antonovsky nicht darum, die Untersuchungen von Krankheiten aufzugeben oder diese als wertlos zu bezeichnen, vielmehr plädiert er dafür, sich von der ausschließlichen Konzentration auf Krankheiten zu lösen und den Blick zu erweitern (Faltermaier 1994, S. 47).

Das Paradigma der Salutogenese geht von einem Kontinuum mit den beiden Endpunkten Gesundheit (health ease)[9] und Krankheit (dis-ease)[10] aus, damit ist gemeint, dass es keine klare Grenzlinie zwischen Gesundheit und Krankheit gibt. Wo eine Person auf diesem Kontinuum angesiedelt werden kann, ist abhängig von einem interaktiven Prozess zwischen belastenden Faktoren (Stressoren)[11] und schützenden Faktoren (Widerstandsressourcen) im Kontext der Lebenserfahrungen einer Person (Waller 1996, S. 15).

Nach Antonovsky führen Stressoren zunächst einmal nur einen physiologischen Spannungszustand herbei, der darauf zurückzuführen ist, dass Individuen nicht wissen, wie sie in einer Situation reagieren sollen. Die zentrale Aufgabe des Organismus ist die Bewältigung des Spannungszustandes. Gelingt dies, so hat das eine gesunderhaltende bzw. gesundheitsförderliche Wirkung, kann die Spannung nicht bewältigt werden, entsteht Stress oder eine für die Person subjektiv und/oder objektiv belastende Situation und wird damit zu einem allgegenwärtigen Phänomen (Bengel u.a. 1998, S. 32 f.).

Eine salutogenetische Orientierung ist sich der Gefahren von Stress bewusst, geht aber von der Prämisse aus, dass das Leben ständig von psychosozialen, mikro-biologischen oder anderen Stressoren durchsetzt ist, ohne das dies

„zum einen betrachtet (...) notwendigerweise zu Streß oder Krankheit führen muß, wenn erfolgreich mit ihm umgegangen wird. Zum zweiten – und dies ist noch grundsätzlicher – kann Streß, wenn wir uns auf die heilsamen Faktoren konzentrieren, auch als potentiell positiv gesehen werden, als gesundheitsförderlich. Hochzeit, das erste Baby, der Ruf auf einen Lehrstuhl oder die Rente stellen sicherlich bedeutsame Stressoren dar. Auf der anderen Seite stehen Verwitwung, Jobverlust oder Scheidung. Sind die Stressoren nun pathogen oder salutogen? Die salutogene Orientierung schlägt vor, daß man sie sowohl als pathogen als auch salutogen betrachten kann.“ (Antonovsky 1993, S. 10, Übersetzung durch Franke & Broda).

Ob nun Anforderungen zu Stressoren werden, hängt von der subjektiven Bedeutung für die Person und von der individuellen Verfügbarkeit von Ressourcen zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes ab. Diese Ressourcen nennt Antonovsky die generalisierten Widerstandsressourcen[12], und versteht darunter jedes Merkmal einer Person, Gruppe oder Umwelt, das den effektiven Umgang mit einem Spannungs-zustand erleichtern kann (Faltermaier 1994, S. 50 f.).

Solche generalisierten Widerstandsquellen können unterschiedlicher Natur sein. Antonovsky sammelte ein breites Spektrum an Faktoren und Variablen, die sich sowohl auf individuelle (z.B. körperliche Faktoren, wie ausreichende Immun-potenziale, aktive Vermeidung von Stressoren durch präventives Gesundheits- und Vorsorgeverhalten, Intelligenz und Wissen, Bewältigungsstrategien) als auch auf soziale und kulturelle Faktoren (z.B. soziale Unterstützung und Integration, finanzielle Möglichkeiten, kulturelle Stabilität, religiöse Glaubenssysteme) beziehen (ebd; Bengel u.a. 1998, S. 34).

Diese Bewältigungskompetenzen verhindern, dass sich die Stressoren in einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens bzw. in Krankheiten niederschlagen. Sind ausreichend Widerstandsressourcen vorhanden, können Menschen einen Kohärenzsinn[13] oder das Gefühl der Kohärenz entwickeln (Franzkowiak u.a. 1999,
S. 96 f.). Antonovsky ist bewusst, dass äußere Faktoren wie Krieg oder Hunger die Gesundheit gefährden, dennoch gibt es bei verschiedenen Individuen, trotz gleicher äußerer Bedingungen, Unterschiede im Gesundheitszustand. Demnach wird es seines Erachtens von der Ausprägung dieser individuellen, sowohl kognitiven als auch affektiv-motivationalen Grundeinstellung abhängen, wie gut Menschen in der Lage sind, vorhandene Ressourcen für den Erhalt ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens zu nutzen (Bengel u.a. 1998, S. 28).

Das Kohärenzgefühl ist der Kernbegriff des salutogenetischen Modells der Gesundheit und kann folgendermaßen definiert werden:

„Eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, daß erstens die Anforderungen aus der internalen oder externalen Umwelt im Verlauf des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind, und daß zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, daß diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investitionen und Engagement verdienen.“ (Antonovsky 1993, S.12, Übesetzung durch Franke & Broda)

Insofern bilden drei Dimensionen den Kern des „sense of coherence“:

1. Verstehbarkeit („The sense of comprehensibility“)

Diese Komponente beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, unbekannte Informa-tionen zu strukturieren und zu verarbeiten und nicht mit Reizen konfrontiert zu sein bzw. zu werden, die unerklärbar und nicht einordnungsfähig sind. Mit Verstehbarkeit meint Antonowsky ein kognitives Verarbeitungsmuster.

2. Bewältigbarkeit bzw. Handhabbarkeit („The sense of manageability“)

Diese Komponente beschreibt das Ausmaß, in dem ein Mensch wahrnimmt, dass er die geeigneten Ressourcen zur Verfügung hat, um Anforderungen zu begegnen sowie die Überzeugung, dass Schwierigkeiten lösbar sind und der Glaube, dass auch andere Personen oder eine höhere Macht dabei helfen können. Das Gefühl der Bewältig-barkeit betrachtet Antonovsky als kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster.

3. Sinnhaftigkeit („The sense of meaningfulness“)

Diese Dimension beschreibt das Ausmaß, in dem ein Mensch das Leben als emotional sinnvoll empfindet. Das heißt, dass es sich lohnt sich für die Probleme und Anforderungen des Lebens einzusetzen. Diese motivationale Komponente ist nach Antonovsky die wichtigste, da sich ohne eine positive Erwartung an das Leben, selbst wenn die anderen beiden Komponenten eine hohe Ausprägung haben, kein hoher Wert des gesamten Kohärenzgefühls ergibt. Ein Mensch, der keine Sinnhaftigkeit erlebt, wird das Leben und die sich ihm stellenden Aufgaben nur als Last empfinden (Antonovsky 1993, S. 11 f., Übersetzung nach Franke & Broda; Faltermaier 1994,
S. 52; Bengel u.a. 1998, S. 29 f.).

Menschen mit einem ausgeprägten Kohärenzgefühl können flexibel auf Anforde-rungen reagieren, da sie in der Lage sind, Probleme klarer und differenzierter wahrzunehmen und somit situationsspezifische Widerstandsressourcen zu aktivieren. Dementsprechend werden sie fordernde Situationen nicht als Belastung erleben, weil sie in Bezug auf ihre Lösungsstrategie zuversichtlich sind, sodass ein eventuell eingetretener Spannungszustand schnell abgebaut wird. Durch diese Verhinderung des Stresszustandes wird eine Bewegung zum gesunden Pol des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums gefördert. Ein Mensch mit einem gering ausgeprägten Kohärenzgefühl, der weniger Widerstandsressourcen zur Verfügung hat bzw. wahr-nimmt, wird Anforderungen gegenüber eher starr und mit Angstgefühlen reagieren.

Ob sich ein starkes oder schwaches Kohärenzgefühl herausbildet, hängt vor allem von den gesellschaftlichen Gegebenheiten ab (Bengel u.a. 1998, S. 31). Antonovsky geht davon aus, dass ein zu hohes Maß von anhaltendem oder wiederholtem Erleben von Stress zusammen mit körperlichen Schwächen den Gesundheitszustand gefährden kann. Seiner Terminologie folgend kommt es vor allem darauf an, dass eine Spannung sich nicht in eine Belastung verwandelt (a.a.O., S. 37).

Antonovsky nimmt unterschiedliche Coping-Strategien[14] und damit zusammen-hängende Wirkungsweisen des Kohärenzgefühls auf die Salutogenese an:

1. Menschen mit ausgeprägten Kohärenzgefühl werden weniger versuchen belastende Situationen mit riskanten Verhaltensweisen, wie z.B. Rauchen oder Alkoholkonsum zu kompensieren, sondern sich eher für gesundheitsförderliche Verhaltensweisen, wie z.B. gesunde Ernährung entscheiden.
2. Das Kohärenzgefühl kann nach Antonovsky verschiedene Systeme des Organismus (z.B. das Hormonsystem) direkt beeinflussen, da es bei der gedanklichen Bewertung einer Situation als gefährlich oder ungefährlich mitwirkt.
3. Menschen mit einem starken Kohärenzgefühl können eher vorhandene Ressourcen mobilisieren und damit eine Spannungsreduktion bewirken. Kurz-fristige physiologische Stressreaktionen sieht Antonovsky insofern als nicht gesundheitsschädigend, wenn sie durch eine anschließende Phase der Entspannung wieder ausgeglichen werden (ebd; Faltermaier 1994, S. 54).

Das Modell der Salutogenese hat große Anerkennung gefunden und kann als die erste und am weitesten entwickelte Theorie zur Erklärung von Gesundheit bezeichnet werden. Es steht in einem deutlichen Gegensatz zum biomedizinischen Modell und orientiert sich an der Gesundheit, ohne sie zu idealisieren. Antonovsky ist damit auch der Erste, der das pathogenetische Modell nicht nur kritisiert, sondern ihm eine salutogenetische Theorie entgegensetzt, die er ausführlich beschreibt und empirisch zu untermauern versucht (Bengel u.a. 1998, S. 89).

Paulus (1992, S. 11) sieht in dem Modell ein für die Theoriebildung der Gesund-heitsförderung heuristisch fruchtbares psychologisches Konstrukt. Von Hurrelmann (1988, S. 135) wird die Komplexität, Geschlossenheit und Fähigkeit zur Integration unterschiedlicher Forschungsbefunde als beeindruckend bezeichnet, wobei er in der großens Komplexität auch eine Schwäche des Modells sieht, mit der Einschränkung, dass es zurzeit wahrscheinlich auch noch nicht lösbar ist, alle denkbaren Stressoren und Widerstandsressourcen von den genetischen bis zu den makrogesellschaftlichen in ein Modell einzubeziehen. Kickbusch (1992, S. 28) hält das Modell für tragfähig, weil es sich auf eine Ebene der Metatheorie einlässt.

Badura kritisiert die zu starke Betonung kognitiver und subjektiver Aspekte und führt aus:

„Dieses Kohärenzkonzept erscheint mir sehr kognitiv orientiert. Zudem vermisse ich als Soziologe bei Antonovsky die Herleitung dieser subjektiven Kompetenzen aus objektiven Gegebenheiten der Sozialstruktur. Nach allem, was wir sonst darüber wissen, wie unsere Gesellschaft beschaffen ist, müßten Männer, gemessen an den Kriterien von Antonovsky, sehr viel gesünder als Frau sein, wofür jedoch wenig spricht.“ (Badura 1992, S. 48)

Das sich das Kohärenzgefühl verändern kann und damit die Möglichkeit besteht persönliche Kompetenzen zu fördern, ist Rosenbrock wichtig. Seines Erachtens ist es nicht plausibel anzunehmen, dass das Kohärenzgefühl ausschließlich angeboren oder durch die frühkindliche Sozialisation für das ganze Leben festgelegt wird. Empirische Befunde verweisen darauf, dass Handlungsfolgen beständig durch das Erleben der Umwelt und die Möglichkeiten der Einflussnahme verändert werden können (Rosenbrock 1993, S. 129). Nach Antonovsky ist das Kohärenzgefühl jedoch mit etwa 30 Jahren ausgebildet und bleibt relativ stabil (Bengel u.a. 1998, S. 31).

Bengel u.a. (1998, S. 90 f.) kritisieren, dass das Modell nicht beschreibt, wie sich ein Spannungszustand von einem Stresszustand unterscheidet. Die Verbindung von Stress mit krankmachenden Faktoren wird von Antonovsky zwar als Schwachstelle für die Entstehung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen genannt, er klärt aber den Unterschied zwischen akuten Stressreaktionen und anhaltender Stressbelastung nicht auf.

Der Trierer Psychologe Peter Becker lobt die explizite Verwendung eines Kontinu-ums von Gesundheit und Krankheit, das Darstellen der vielfältigen Indikatoren von Krankheit sowie den sehr umfassenden Charakter der einbezogenen Variablen und den dadurch sehr hohen Integrationswert des Modells. Als Defizite erscheinen ihm, dass der salutogenetische Gesundheitsbegriff auf die körperliche Gesundheit fokussiert wird, dass die Beziehung zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit ungenügend analysiert wurde, die nicht vollständige Ausarbeitung der vermittelnden Mechanismen zwischen Kohärenzgefühl und Gesundheit bzw. Krankheit sowie die bisher nur sehr begrenzte empirische Überprüfung des Modells (Becker 1992, S. 97).

Ansätze, die das Modell der Salutogenese auf theoretischer Ebene weiterentwickeln, gibt es bisher nur wenig. Antonovsky selbst weist darauf hin, dass das Konzept unfertig ist und noch viele ungeklärte Fragen bestehen (Bengel u.a. 1998, S. 91).

Auf der Grundlage des Modells von Antonovsky und seiner Kritik an diesem, legte Becker ein eigenes Gesundheitsmodell, das integrierte Anforderungs-Ressourcen-Modell vor, das die Tradition des Belastungs-Bewältigungs-Paradigmas übernimmt und die salutogenetische Perspektive aufgreift (ebd.).

„Der Kerngedanke des Modells besagt, daß der aktuelle Gesundheitszustand davon abhängt, inwieweit es einer Person mit Hilfe der ihr zur Verfügung stehende Ressourcen innerhalb der letzten Zeit gelungen ist bzw. aktuell gelingt, bestimmte Anforderungen zu bewältigen. Fällt die Erfolgsbilanz der letzten Zeit positiv aus, ist eher mit Wohlbefinden und Gesundheit, bei negativer Bilanz mit Mißbefinden und Krankheit zu rechnen.“ (Becker 1992, S. 99)

Becker geht es ähnlich wie Antonovsky um den komplexen Widerpart von Anforderungen und Ressourcen. Er unterscheidet zwischen externen und internen Anforderungen und zwischen externen und internen Ressourcen. Während bei Antonovsky das Kohärenzgefühl die Schlüsselkategorie des salutogenetischen Modells bildet, schreibt Becker der „habituellen seelischen Gesundheit“ eine heraus-ragende Bedeutung zu. Im Gegensatz zu Antonovsky weist Becker jedoch auf die Begrenztheit dieser internen Ressource hin und stellt – mit der entsprechenden Konsequenz für die Gesundheitsförderung – die realen Anforderungen explizit als gleichgewichtig heraus. Die Aufgabe der Prävention und Gesundheitsförderung läuft mithin auf eine

„Verbesserung der Voraussetzungen zur erfolgreichen Lebensbewältigung, Stärkung des Selbstwertgefühls, Selbstverwirklichung und Sinnfindung“ (a.a.O., S. 105) hinaus, „wobei dies prinzipiell durch die Veränderung von Anforderungen oder die Stärkung von Ressourcen geschehen kann.“ (a.a.O., S. 100).

Als exemplarisches Beispiel kann hier die Beseitigung von Belastungen am Arbeitsplatz durch Lärm oder Schichtarbeit oder der Verzicht einer Person auf bestimmte ehrgeizige berufliche oder materielle Ziele, die mit gesundheits-gefährdenden Überbeanspruchungen verbunden sind, genannt werden. Prävention und Gesundheitsförderung kann dem zur Folge auch zu einer Konfrontation mit individuellen Wert- und Zielvorstellungen und bestimmten Lebensstilen führen (a.a.O., S. 103). Die individuellen und gesellschaftlichen Komponenten von Gesund-heit sind in Beckers Konzept folglich gleichwertig integriert.

1.2.4. Gesundheitsförderung

Im Sinne der salutogenetischen Orientierung und unter Berücksichtigung der sozialen Komponenten hat die WHO 1986, in ihrer ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung, mit der Ottawa-Charta ein ganzheitliches Konzept zur Gesundheitsförderung vorgelegt, das individuelle und gesellschaftliche Maßnahmen zum Schutz, zum Erhalt und zur Verbesserung der Gesundheit in sich integriert. Sie ruft damit auf zu aktivem Handeln für das Ziel “Gesundheit für alle“ bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus. Die Ottawa-Charta beschreibt ihre Zielsetzung von Gesundheitsförderung wie folgt:

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozeß, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, daß sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können.“ (Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO, Übersetzung nach Hildebrandt; Kickbusch 1992, S. 17)

Nach dem Verständnis der WHO setzt Gesundheitsförderung bei der Analyse und Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale der Menschen und auf allen gesellschaftlichen Ebenen an. Die Maßnahmen der Gesundheitsförderung zielen auf die Veränderung und Förderung des individuellen sowie des kollektiven Gesundheitsverhaltens als auch der Lebensverhältnisse[15] ab. Bestehende erhebliche Ungleichheiten in der Gesundheits- und Lebenserwartung unterschiedlicher sozialer Gruppen sollen reduziert werden. Grundvoraussetzungen für die Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, ein stabiles Öko-system und eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, aber auch soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit (Brösskamp-Stone u.a. 1998, S. 141 f.).

Der WHO-Definition folgend wird Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des Alltags gesehen und nicht als vorrangiges Lebensziel; in diesem Sinne hat Gesundheitsförderung einen emanzipatorischen Charakter (a.a.O., S. 142).

Die Ottawa-Charta benennt fünf Handlungsstrategien für Gesundheitsförderung:

1. Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik
2. Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten
3. Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen
4. Förderung der Entwicklung persönlicher Kompetenzen
5. Neuorientierung der Gesundheitsdienste

(Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO, Übersetzung nach Hildebrandt; Kickbusch 1992, S. 19 ff.)

Der zweite Handlungsbereich, in dem es um die Schaffung sicherer, anregender, befriedigender und angenehmer Arbeits- und Lebensbedingungen geht sowie der vierte Handlungsbereich, in dem die Gesundheit durch die Entwicklung der Persönlichkeit und der sozialen Fähigkeiten durch Informationen gefördert und die Menschen zu lebenslangem Lernen befähigt werden sollen (a.a.O., S. 19 f.) wird im Rahmen des dritten Kapitels, wenn es um gesundheitsförderndes Führungsverhalten geht, noch von besonderer Bedeutung sein.

Die Konferenz hat alle Strategien mit einem Aufruf zu internationalem Handeln verbunden. Sie ist überzeugt, dass dann, wenn Menschen in allen Bereichen des Alltags, wenn soziale Verbände und Organisationen, wenn Regierungen, die WHO sowie alle anderen betroffenen Gruppen ihre Kräfte entsprechend den moralischen und sozialen Werten dieser Charta vereinigen und Gesundheitsförderungsstrategien entwickeln, Gesundheit für alle Menschen Wirklichkeit werden wird (a.a.O., S. 22).

Die Ideen der Ottawa-Charta fanden rasch internationale Beachtung[16], Akzeptanz und Verbreitung. Sie trugen in Deutschland zur Wiederbelebung des Public-Health-Konzepts[17] und zur Integration von Gesundheitsprogrammen in andere Gesellschaftsbereiche bei.

Eine Kernstrategie mehrerer WHO-Programme zur Gesundheitsförderung ist die Arbeit nach dem Setting-Ansatz[18] (Brösskamp-Stone u.a. 1998, S. 143). Der Setting-Ansatz berücksichtigt die Bedeutung der Rahmenbedingungen, unter denen Menschen leben, lernen, arbeiten und konsumieren. Er beruht auf der Erkenntnis, dass Gesundheitsprobleme einer Bevölkerungsgruppe das Resultat einer wechsel-seitigen Beziehung zwischen ökonomischer, sozialer und institutioneller Umwelt und persönlichem Verhalten sind. Dementsprechend sind gesundheitsfördernde Maßnahmen auf die Lebensbereiche, in denen die Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen und die von ihrer Struktur her die Gesundheit aller Beteiligten maßgeblich beeinflussen, ausgerichtet. Gesundheitsförderung nach dem Setting-Ansatz setzt strategisch bei der Logik der jeweiligen Lebensbereiche oder sozialen Systeme an (Grossmann; Scala 1996, S. 65 ff.).

Nach Badura hat die Gesundheitsförderung im Bereich der Arbeitswelt einen Aufgabenschwerpunkt. Er schlägt vor,

„daß betriebliche Rationalisierung und Gesundheitsförderung nicht zwei voneinander isolierte und womöglich nacheinander zu bewältigende Aufgaben bleiben, sondern daß sie zunehmend miteinander verzahnt, ja daß sie miteinander verschmolzen werden.“ Durch „Erweiterung bzw. Erhalt von Handlungsspielraum, durch ausreichende Qualifikation und durch Sicher-stellung bzw. Schutz aufgabenbezogener und psychosozialer Unterstützung durch Arbeitskollegen und Vorgesetzte.“ (Badura 1990, S. 55 f.)

Demnach ist die aktive Beteiligung der betroffenen Menschen an den entsprechen-den Gesundheitsförderungsprogrammen Voraussetzung dafür, die persönlichen Ressourcen, die Einflussmöglichkeiten auf die eigene Gesundheit und die unmittel-bare Lebenswelt zu stärken.

In Abgrenzung zu Prävention, verstanden als Strategie zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken, fokussiert Gesundheitsförderung die Erhaltung und Stärkung von Gesundheitsressourcen. Der Akzent der Gesundheitsförderung liegt nach Becker (1992, S. 44) eindeutig bei dem Begriff Selbstbestimmung und setzt auf die Selbstständigkeit und Selbsthilfe des einzelnen und ganzer Kollektive sowie auf Partizipation und politische Einflussnahme.

1.3. Subjektive Theorien von Gesundheit

Subjektive Theorien von Gesundheit werden jene Vorstellungen von Laien genannt, die Aussagen über positive oder negative Einflüsse auf die eigene Gesundheit machen, ohne dass diese systematisch oder widerspruchsfrei formuliert sein müssen. Analog der wissenschaftlichen Unklarheit des Gesundheitsbegriffs sind auch Alltagsvorstellungen und Laienkonzepte von Gesundheit individuell unterschiedlich und facettenreich.

Im Folgenden wird anhand einer Analyse wissenschaftlicher Untersuchungen herausgearbeitet, wie subjektive Gesundheitskonzepte nach Geschlecht, Alter und sozialen Positionen innerhalb der Gesellschaft variieren und inwiefern sie einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Befindlichkeit ausüben.

1.3.1. Subjektive Gesundheitsvorstellungen

Die Forschung hat sich überwiegend in den 80er-Jahren mit Laienvorstellungen von Gesundheit auseinander gesetzt, jedoch liegen einige wichtige frühe Arbeiten vor, die nicht nur von historischem Interesse sind. Eine einflussreiche und die am meisten zitierte Untersuchung ist 1973 von der französischen Sozialpsychologin Claudine Herzlich durchgeführt worden. In dieser Studie geht es ihr um die Bedeutung von Gesundheit und Krankheit für das Individuum in der Gesellschaft, ihre Ursachen und Wechselbeziehungen sowie ihre Abhängigkeiten von bestehenden Normen und Verhaltensweisen.

Anhand von qualitativen Interviews wurden Personen vorwiegend aus der Pariser Mittelschicht20 befragt. Herzlich fand heraus, dass Gesundheit und Krankheit für Laien keine klar voneinander trennbaren Kategorien sind. Ein Mensch kann eine Krankheit haben und sich dennoch gesund fühlen oder gesund sein und sich dennoch krank fühlen. Weiterhin zeigt sich, dass sich viele Bürger/innen in einem Zwischenzustand21 von gesund und krank einordnen (Faltermaier 1994, S. 103). Insofern manifestiert sich auch bei Laien die Vorstellung von Gesundheit als Kontinuum, ähnlich dem zuvor dargestellten Konzept Antonovskys.

Die Antworten der Befragung unterteilt Herzlich (1973, S. 63) in folgende drei Kategorien:

1. Gesundheit als Vakuum („health-in-a-vacuum“)

Gesundheit wird im Sinne der naturwissenschaftlichen Definition als Abwesenheit von Krankheit bestimmt. Die Wahrnehmung des Körpers ist nicht bewusst spürbar, d.h. Gesundheit wird nicht erlebt und kann daher auch nicht positiv bewertet werden. Bei Eintritt einer Krankheit wird Gesundheit automatisch zerstört.

2. Gesundheit als Reservoir („reserve of health“)

Gesundheit wird als Kapital betrachtet im Sinne von Besitz. Diese Vorstellung ist verbunden mit körperlicher Robustheit und Stärke sowie Widerstandskraft gegenüber äußeren Einflüssen. Jeder Mensch ist von Geburt an mit Gesundheit ausgestattet. Diese Gesundheitsreserve kann sich aber im Laufe des Lebens erhöhen oder verringern, abhängig davon, wie ein Mensch lebt.

3. Gesundheit als Gleichgewicht („equilibrium“)

Gesundheit ist eine unmittelbar erlebbare Erfahrung, die sich unter anderem in körperlichem und seelischem Wohlbefinden, in Energiefülle, Aktivität und effizientem Handeln sowie guten Beziehungen zu anderen äußert. Sie existiert selten vollständig. Gesundheit ist ein Wert, nach dem gestrebt wird.

Die von Herzlich vorgenommenen Kategorisierungen subjektiver Vorstellungen von Gesundheit erinnern an die in Kapitel 1.1. vorgestellten wissenschaftlichen Definitionen von Gesundheit, da sich Entsprechungen zur somatischen und soziologischen Dimension sowie zur psychosozialen Dimension des individuellen Wohlbefindens wieder finden. Sicher liegen die Grenzen der Aussagekraft dieser Untersuchung in der Auswahl der Stichprobe (siehe oben), doch konvergieren die drei Dimensionen mit Ergebnissen neuerer qualitativer Untersuchungen (Blaxter; Paterson 1982; Calnan 1985; Pill 1988). Diese Studien verweisen jedoch noch auf die Dimension „funktionale Leistungsfähigkeit“, was soviel wie die Erfüllung der normalen Rollenverpflichtungen bedeutet. Kranksein impliziert in dieser Kategorie seinen normalen Verpflichtungen, wie beispielsweise einer Erwerbstätigkeit, nicht nachkommen zu können.

1.2.3. Geschlechtsdifferenzierte Gesundheitskonzepte

Das subjektive Erleben einer Person ist eines der entscheidendsten Faktoren für die Entwicklung von Gesundheitskonzepten. Da Frauen und Männer in ihren Lebensläufen unterschiedliche Erfahrungen sammeln, ist eine geschlechts-differenzierte Betrachtungsweise ihrer subjektiven Gesundheitskonzepte notwendig.

„Die besondere Bedeutung von Leiblichkeit – als dem psychosozialen, dem kulturellen Ausdruck von Körper – für die Differenz der Geschlechter[19] verdeutlicht, daß sich die Gesundheitsfrage, in der es zentral um Leiblichkeit geht, ohne Geschlechtsdifferenzierung kaum sinnvoll bearbeiten läßt. Wenn Leiblichkeit das Mittel der Geschlechterdifferenz ist, dann ist Gesundheit als die Sorge um Leiblichkeit für die beiden Geschlechter je unterschiedlich: Sie unterscheiden sich in der Bedeutung, die Gesundheit für sie hat, sie unterscheiden sich in ihrer Wahrnehmung von Gesundheit, in ihrem Umgang mit Gesundheit, in den Lebensbedingungen, die Gesundheit ermöglichen, und in den Auswirkungen gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf ihre Geschlechtsrolle.“ (Sonntag; Blättner 1998,
S. 173)

[...]


[1] Für eine Krankschreibung, zur Legitimation von Arbeitsunfähigkeit, ist diese Abgrenzung jedoch häufig notwendig.

[2] Unter Prävention wird die Verhütung von Krankheiten verstanden. Das Ziel ist zum einen Krankheiten so früh wie möglich zu erkennen und schnell wirksam zu behandeln und zum anderen soll die Gesundheit erhalten und so gefördert werden, dass Krankheiten gar nicht erst entstehen können (Franzkowiak u.a. 1999, S. 85).

[3] Die geschlechtsspezifische Ausprägung dieser Arbeitsteilung besteht bis heute: Der männlichen Medizin als dominierendem Heilberuf steht komplementär eine weibliche Krankenpflege als dem Arzt untergeordneter Helferberuf gegenüber. Dabei war die Heilkunde, bis zu ihrer Verdrängung durch die Schulmedizin, ein wichtiges Tätigkeitsgebiet von Frauen (Faltermaier 1994, S. 15).

[4] Bei der Typ-A Persönlichkeit handelt es sich um eine stark leistungsorientierte, ehrgeizige und feindselige Person, die von Ungeduld und Erregbarkeit geprägt ist (Franzkowiak u.a. 1999, S. 94)

[5] So wurden die Kebsfrüherkennungsuntersuchungen als “Vorsorge“untersuchungen bekannt gemacht, wodurch sich der Eindruck verstärkt, dass sich Krankheiten dadurch vermeiden lassen. Die Gesund-heitserziehung, mit ihren beständigen Hinweisen auf mögliche Risiken und auf kommende oder vielleicht schon vorhandene schwere Krankheiten, ist hier keinesfalls nur hilfreich, da sie bei den Menschen Angst, Abwehr und Schuldgefühle erzeugt (Reye 1993, S. 83 ff.).

[6] Diese subjektiven Bewältigungsversuche lassen sich auch dahingehend als stabilisierendes Verhalten interpretieren, da sie soziale Organisationen und Institutionen funktionstüchtig erhalten (Kickbusch; Wenzel 1981, S. 36).

[7] Antonovsky schuf den Neologismus „Salutogenese“ (Salus, lat.: Unverletztheit, Heil, Glück; Genese, griech.: Entstehung) (Bengel u.a. 1998, S.24).

[8] Ausschlaggebend für die Entwicklung des salutogenetischen Konzeptes waren die Überlegungen, die Antonovsky auf Grund einer Untersuchung an Frauen verschiedener ethnischer Gruppen über die Auswirkungen der Wechseljahre anstellte. Die Frauen der Geburtsjahrgänge 1914-1923 waren in Zentraleuropa geboren und zum Teil in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager inhaftiert gewesen. Trotz dieser traumatischen Erlebnisse berichteten immerhin 29% der inhaftierten Frauen über eine relativ gute psychische Gesundheit. Antonovsky fragte sich, wie diese Frauen trotz der extremen Belastungen gesund bleiben konnten, was seine weitere Forschungsarbeit prägte (a.a.O., S. 20).

[9] Die Bedeutung des Wortes „ease“ läßt sich mit Wohlbehagen übersetzen (a.a.O., S. 32).

[10] „dis-ease“ bedeutet Krankheit und könnte als Unbehagen, Unwohlsein übersetzt werden (ebd.).

[11] Antonoysky unterscheidet drei Arten von Stressoren: chronische Stressoren, größere Lebens-ereignisse und alltägliche Ärgernisse – “daily hassles“ (Faltermaier 1994, S. 48).

[12] “generalized resistance resources“ (GRR) (Antonovsky 1981, zit. nach Faltermaier 1994, S. 50 f.). Generalisiert bedeutet, dass sie in allen Situationen wirksam werden; Widerstand meint hier, dass die Ressourcen die Widerstandsfähigkeit eines Individuums erhöhen (Bengel u.a. 1998, S. 34).

[13] “sense of coherence“ (SOC) (Antonovsky 1993, S. 11, Übersetzung durch Franke & Broda). Die deutsche Übersetzung ist nicht ganz einfach, so werden in der Literatur die Übersetzungen Kohärenzsinn, Kohärenzgefühl und Kohärenzempfinden benutzt. In der deutschen Sprache gibt es keine eindeutige Entsprechung des Begriffs „sense“, der sowohl die sinnliche Wahrnehmung als auch die emotionale und kognitive Seite umfasst. Ich werde im weiteren, in Anlehnung an Franke und Faltermaier, den Begriff Kohärenzgefühl verwenden, da er zum einen am häufigsten in den deutschen Übersetzungen verwendet wird und darüber hinaus enthält dieser Terminus die im Konzept implizierte Unbestimmtheit der Sicht von der Welt, die durch Vernunft nicht zu erklären ist. Ganz überzeugend ist dieser Begriff jedoch auch nicht, weil mit dem Wort „Gefühl“ schnell der Eindruck entstehen kann, dass es sich um eine Emotion handelt (Franke 1997, S. 12; Faltermaier 1994, S.51).

[14] Bewältigungs-Strategie: Die Fähigkeit zur Bewältigung von kritischen Lebensereignissen (Franzkowiak u.a. 1999, S. 63).

[15] Lebensverhältnisse meint die Rahmenbedingungen, die Gesundheit und Gesundheitsverhalten jedes einzelnen und ganzer Bevölkerungsgruppen beeinflussen. Dazu zählen u.a.: Gesetzgebungen, die Gesundheitsbelastungen reduzieren, Nichtraucherschutz und Strukturen, die die Gesundheit fördern, wie z.B. physiologisch angepasste Arbeitszeiten (Brösskamp-Stone u.a. 1998, S. 141).

[16] Die Ottawa-Forderung nach Gleichberechtigung für Frauen und Männer erhielt hingegen weniger Beachtung (Christeiner 1999, S. 74): „Alle Beteiligten sollten als ein Leitprinzip anerkennen, dass in jeder Phase der Planung, Umsetzung und Auswertung von gesundheitsfördernden Handlungen Frauen und Männer gleichberechtigte Partner sind.“ (Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der WHO, Übersetzung nach Hildebrandt; Kickbusch 1992, S. 21).

[17] Der Terminus „Public Health“ meint die Lehre, die Forschung und die Praxis der Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung einer sowohl physisch wie psychisch und sozial verstandenen Gesundheit (Hurrelmann; Laaser 1993, S. VIII).

[18] Setting heißt wörtlich übersetzt Schauplatz oder Rahmen (Brösskamp-Stone u.a. 1998, S. 146).

20 Die Untersuchungsgruppe umfasste 80 Personen, etwa gleich viele Männer und Frauen, im Alter zwischen 25 und 30 Jahren (Faltermaier 1994, S. 103).

21 “intermediate state“ (Herzlich 1973, S. 63).

[19] Verbrugge hat verschiedene Erklärungsansätze für die Unterscheidung von Geschlecht systema-tisiert. Diese beziehen sich auf die Differenzierung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Dabei ist das biologische Geschlecht (englisch: sex) auf den Chromosomensatz zum Zeitpunkt der Befruchtung festgelegt und das soziale Geschlecht (englisch: gender) auf differentielle Geschlechts-rollen und geschlechtsspezifische Handlungsanforderungen (Kolip 1997, S. 510).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783836606516
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Geistes- und Sozialwissenschaft
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
1,0
Schlagworte
gesundheit führungsverhalten arbeitsbelastung weiterbildung kommunikation
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Titel: Gesundheit und Führungsverhalten
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