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Alkibiades – Politiker und Feldherr

©2006 Bachelorarbeit 30 Seiten

Zusammenfassung

Alkibiades, der ca. 450-404 lebte, ist eine der kontroversesten Gestalten der Antike, wenn nicht der Weltgeschichte überhaupt. Er gehörte in der Nachfolge von Perikles und Kleon zu einer neuen Politikergeneration, die von den Sophisten beeinflußt war und ihr individuelles Können über die Loyalität zur Polis und deren Verpflichtungen stellte. Als Nachfahre der Alkmeoniden mütterlicherseits gehörte er zu den einflußreichsten politischen Gestalten des 5. Jahrhunderts v. Chr. und schwang sich aufgrund seiner großen rhetorischen Fähigkeiten zu einem der Wortführer der aggressiven athenischen Außenpolitik auf.
Die Quellen, die uns hauptsächlich für die Untersuchung des Alkibiades zur Verfügung stehen, sind in erster Linie Thukydides und Xenophon, weil sie Zeitzeugen des Peloponnesischen Krieges waren. Ob sie allerdings persönlich Bekanntschaft mit Alkibiades machen konnten, ist mehr als fraglich. In späterer Zeit befaßten sich Plutarch und Diodor mit der Gestalt des Alkibiades. Als Primärquelle ist Thukydides an erster Stelle auch deshalb zu erwähnen, weil er den größten Zeitraum der Vita des Alkibiades abdeckt, wohingegen Xenophon in gewissem Sinne nur eine Ergänzung bildet und von der methodischen Herangehensweise an Thukydides nicht heranreicht.
Wenn wir über Alkibiades reflektieren, stellt sich gleich als erste Frage, ob es sich bei ihm wirklich um eine Ausnahmeerscheinung der Geschichte handelt. Dies könnte man natürlich sofort bejahen, da natürlich jede Gestalt der Geschichte und nicht nur dieser, letzten Endes eine solche ist. Jedoch geht es bei dieser Frage um ein wiederkehrendes Muster bei geschichtlichen Persönlichkeiten. Und gerade da kann man die Einzigartigkeit des Alkibiades durchaus in Frage stellen. Man könnte geneigt sein, Alkibiades folgendermaßen zu charakterisieren: Er hat alle Möglichkeiten seiner Zeit so weit wie möglich ausgereizt, hatte damit auch zeitweise enormen Erfolg, jedoch als Resümee hat er mit seinem Verhalten ziemlich eindeutig dazu beigetragen, daß seine Heimatpolis ruiniert werden konnte und Sparta als Sieger aus dem größtenteils durch die beiden Protagonisten Athen und Sparta geprägten Peloponnesischen Krieg hervorgehen konnte. Soweit eine solche Frage überhaupt beantwortbar ist, wäre eine Untersuchung der Mechanismen der Faszination die Alkibiades, zumindest zeitweise, auf die Personen, die er zu überzeugen zu müssen glaubte, angebracht. […].

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

Alkibiades, der ca. 450-404 lebte, ist einer der kontroversesten Gestalten der Antike, wenn nicht der Weltgeschichte überhaupt. Er gehörte in der Nachfolge von Perikles und Kleon zu einer neuen Politikergeneration, die von den Sophisten beeinflußt war und ihr individuelles Können über die Loyalität zur Polis und deren Verpflichtungen stellte.[1] Als Nachfahre der Alkmeoniden mütterlicherseits gehörte er zu den einflußreichsten politischen Gestalten des 5. Jahrhunderts v. Chr. und schwang sich aufgrund seiner großen rhetorischen Fähigkeiten zu einem der Wortführer der aggressiven athenischen Außenpolitik auf.

Die Quellen, die uns hauptsächlich für die Untersuchung des Alkibiades zur Verfügung stehen, sind in erster Linie Thukydides und Xenophon, weil sie Zeitzeugen des Peloponnesischen Krieges waren. Ob sie allerdings persönlich Bekanntschaft mit Alkibiades machen konnten, ist mehr als fraglich. In späterer Zeit befaßten sich Plutarch und Diodor mit der Gestalt des Alkibiades. Als Primärquelle ist Thukydides an erster Stelle auch deshalb zu erwähnen, weil er den größten Zeitraum der Vita des Alkibiades abdeckt, wohingegen Xenophon in gewissem Sinne nur eine Ergänzung bildet und von der methodischen Herangehensweise an Thukydides nicht heranreicht.

Wenn wir über Alkibiades reflektieren, stellt sich gleich als erste Frage, ob es sich bei ihm wirklich um eine Ausnahmeerscheinung der Geschichte handelt. Dies könnte man natürlich sofort bejahen, da natürlich jede Gestalt der Geschichte und nicht nur dieser, letzten Endes eine solche ist. Jedoch geht es bei dieser Frage um ein wiederkehrendes Muster bei geschichtlichen Persönlichkeiten. Und gerade da kann man die Einzigartigkeit des Alkibiades durchaus in Frage stellen. Man könnte geneigt sein, Alkibiades folgendermaßen zu charakterisieren: Er hat alle Möglichkeiten seiner Zeit so weit wie möglich ausgereizt, hatte damit auch zeitweise enormen Erfolg, jedoch als Resümee hat er mit seinem Verhalten ziemlich eindeutig dazu beigetragen, daß seine Heimatpolis ruiniert werden konnte und Sparta als Sieger aus dem größtenteils durch die beiden Protagonisten Athen und Sparta geprägten Peloponnesischen Krieg hervorgehen konnte. Soweit eine solche Frage überhaupt beantwortbar ist, wäre eine Untersuchung der Mechanismen der Faszination die Alkibiades, zumindest zeitweise, auf die Personen, die er zu überzeugen zu müssen glaubte, angebracht. Bei Plutarch findet man eine mögliche Antwort auf die Wirkungsweise der Persönlichkeit des Alkibiades[2] :

Es (das Volk, Anm. d. Verf.) liebt und haßt ihn- und es will ihn haben. Am besten keinen Löwen aufziehn in der Stadt! Zieht man ihn auf, dann heißt`s sich seinen Launen zu fügen.

Dieses Zitat beschreibt sehr gut die Ambivalenz der Athener gegenüber Alkibiades, die auch jeweils seinen Erfolg und Mißerfolg bedingen sollte; wobei man ihm eine durchaus beträchtliche rhetorische Verführungskunst unterstellen kann. Der andere wichtige Punkt im oben aufgeführten Zitat ist der Bezug auf den Löwen. Alkibiades wird hier als unberechenbar charakterisiert und wenn man Alkibiades allzusehr Förderung zugute kommen ließe, bringe man das letztendlich auf Konsens bedachte politisch-soziale System der athenischen Polis und ihrer Verbündeten in Gefahr.

1.1. Die Lebensabschnitte von Alkibiades

Eine Ausarbeitung der drei wichtigsten Lebensabschnitte des Alkibiades wurde schon von H. Bengtson unternommen und soll auch in Gundzügen Grundlage dieser Arbeit sein.[3] Diese drei Lebensabschnitte lassen sich folgendermaßen kurz skizzieren.

Der erste Abschnitt erstreckt sich von 422 bis 415 v. Chr. und hat als Höhepunkt das Entstehen und Scheitern des Peloponnesischen Sonderbundes im Verbund mit Athen gegen Sparta. Dieser ging auf die Iniatitive des Alkibiades zurück. So wie auch die so genannte Sizilische Expedition, die im Wesentlichen auf Alkibiades zurückzuführen ist. Den Abschluß dieses Abschnitts kennzeichnet die Abberufung des Alkibiades aus Sizilien.

Im zweiten Abschnitt geht es um die Jahre von 415 bis 411 v. Chr. in denen Alkibiades als „Berater“ auf spartanischer, später auf persischer Seite auftrat.

Der dritte und letzte Abschnitt von 411 bis 404 beinhaltet die Aussöhnung mit Athen und seine triumphale Rückkehr 408 sowie die anschließenden Seeschlachten und die wiederum erfolgte Absetzung als Oberbefehlshaber. Als er es sich endgültig mit allen Seiten verdorben hatte, zog er sich auf seine Besitzungen auf der thrakischen Chersonnes zurück. Danach ging er an den Hof des Satrapen Pharnabazos. Bei einem Aufenthalt in Phrygien wurde er aus letztendlich ungeklärten Umständen ermordet.

Aber bevor wir uns den einzelnen Zeitabschnitten im Detail zuwenden, sollten wir einige Charakterzüge des Alkibiades herausarbeiten. Von Bengtson wird er als ein bedeutender Feldherr bezeichnet.[4]

1.2. Charakterisierung des Alkibiades

Saxonhouse charakterisiert ihn als frevelhafte, extravagante und anziehende aber auch widerwärtig auftretende Persönlichkeit, kurzum der Widerspruch in Person.[5] Bei Funke hingegen wird das Bild eines ehrgeizigen und zynischen Machtpolitikers gezeichnet.[6] Ganz anders betrachtet ihn hingegen Bloedow, der Alkibiades als von vielen Historikern überbewertet findet, da es ihm zwar nicht an Talent gemangelt habe, aber letztendlich dieses Talent nicht die Bedeutung für die konkreten Ereignisse hatte, die ihm beigemessen wurden und werden.[7] Ellis hingegen sieht in ihm einen Repräsentanten des Niedergangs von Athen.[8] Wobei sich gleich im Anschluß die Frage stellt, inwieweit Alkibiades tatsächlich am Niedergang von Athen mit beteiligt war.

Man sieht also, dass von Alkibiades durchaus kein monochromes Bild gezeichnet wurde und wird, es gibt nur eine gemeinsame Feststellung: dass er ehrgeizig und durchaus skrupellos seine persönlichen Ziele verfolgte, ohne sich um zukünftige Feindschaften, von welcher Seite auch immer, sonderlich zu kümmern.

Die Betrachtung von Bloedow scheint am vernünftigsten zu sein, da zwar Alkibiades zu vielen Dingen den Stein des Anstoßes bildete, jedoch letzten Endes das Zusammenspiel aller Faktoren wesentlich für das Endergebnis war. Gerade die Faktoren, die Alkibiades nicht beeinflussen konnte, waren oft genug entscheidend für den Ausgang vieler Ereignisse. Jedenfalls ist es naiv anzunehmen, daß Alkibiades allein für das Endergebnis der athenischen Politik verantwortlich war - im Gegenteil bei genauerer Betrachtung entdeckt man ein Netzwerk von gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Alkibiades, seinen Mitstreitern, Kontrahenten, der athenischen Volksversammlung und vielen Anderen. Kurzum - er mag zwar oft die Spinne im Netz gewesen sein, die, welche die Fäden zog, aber schließlich ist eine Spinne ohne Netz auch nur ganz einfach hilflos. Eines war Alkibiades auf keinen Fall: Er war nicht einzigartig, weder als Feldherr, noch als Politiker - einzig die Kombination aus beiden Professionen und die Ausreizung des Möglichen bis zum Letzten kennzeichnen eine gewisse Singularität seiner Persönlichkeit. Im Einzelnen ist jedoch meist eine starke Kritik an ihm gerechtfertigt. Dass er auf dem Gebiet des Strategen gewiß nicht einzigartig war, beweist die Existenz seines Gegenspielers Lysander, der ihm letzten Endes auch noch überlegen war. Als Politiker schaffte er es zwar, Menschen für seine Sache zu überzeugen, jedoch war das Endergebnis dessen oft alles andere als positiv.

Eine weitere interessante Frage ist die, ob Alkibiades als Verräter an der Sache Athens bezeichnet werden kann. Dabei müßte man allerdings konkret die Parameter die für einen solchen Verrat zu gelten haben, festlegen. Wobei der Begriff des Vaterlandsverräters, der zumindest in der älteren Literatur auftaucht, deutlich deplaziert wirkt. Wenn überhaupt, dann könnte man ihm den Terminus „polis- feindlich“ als Gegenstück zu philopolis[9] anheften, da der Begriff „Vaterland“ allenfalls mit Mühe auf den Bereich des Imperium Romanum angewendet werden kann. Denn es erscheint eine positive Grundeinstellung gegenüber einer Polis doch als etwas ganz anderes als eine martialisch geprägte Patria-Definition. Eine freundlich gesinnte, also quasi freundschaftliche Einstellung gegenüber der Polis sollte dann auch auf der Gegenseite entsprechend vorhanden sein. Da aber diese Grundlage dank des Vertrauensentzugs von Athen gegenüber Alkibiades nicht mehr gegeben war, kann man von einem Verrat des Alkibiades gegenüber Athen nicht sprechen. Denn wen sollte er denn verraten? So blieb ihm ja in der Rückbetrachtung wenig Spielraum, um eine wirkungsvolle Alternative zu seinem Sparta-Aufenthalt zu finden. Denn es steht außer Frage, daß - wenn er nach Athen zurückgekehrt wäre - dies das Ende seiner Karriere bedeutet hätte.

So schenkte das Volk den Anschuldigungen Glauben und schickte, von den Demagogen arg verhetzt, das Schiff Salaminia mit dem Auftrag nach Sizilien, Alkibiades solle sich unverzüglich einfinden und dem Gericht stellen. Nach dem Einlaufen des Schiffes in Katane erfuhr Alkibiades durch die Gesandten von den Volksbeschlüssen, worauf er die mit ihm zusammen angeklagten Personen auf seine eigene Triere nahm und zusammen mit der Salaminia in See ging. Nach der Landung in Thurioi flüchtete er jedoch, sei es nun, daß er sich des Sakrilegs für schuldig fühlte, sei es, daß er vor der Größe der drohenden Gefahr bangte, zusammen mit den gemeinsam angeklagten Männern, und setzte sich ab. Die mit der Salaminia eingetroffenen Gesandten veranstalteten zunächst eine Suche nach Alkibiades und seinen Begleitern; als sie ihn aber nicht auffinden konnten, fuhren sie nach Athen zurück und berichteten dem Volk von dem was geschehen war. Daraufhin übergaben die Athener die Namen des Alkibiades und seiner Mitflüchtlinge dem Gericht und ließen sie in Abwesenheit zum Tod verurteilen.[10]

Diodor erwähnt die aufgebrachten Volksmengen und beschreibt recht eindrücklich die Stimmung, die gegenüber Alkibiades herrschte. Auf jeden Fall scheint klar zu sein, daß Alkibiades aus dieser Situation nicht so glimpflich herausgekommen wäre wie noch vor der Abfahrt nach Sizilien; und da er in Proxenie mit den Spartanern stand, bot sich ja die Zuflucht zu ihnen regelrecht an. Letzten Endes kann man auch deshalb nicht von einem Verrat des Alkibiades gegenüber den Athenern sprechen, weil - eher umgekehrt - die Athener mit der Abberufung von Alkibiades den Ausgang des Abenteuers auf Sizilien gefährdeten. Andererseits ist es natürlich umstritten, ob Alkibiades tatsächlich einen positiven Ausgang der Sizilischen Expedition herbeigeführt hätte. Denn gerade die Sammlung der Verbündeten vor dem Angriff auf Syrakus und Selinunt zeugte nicht gerade von Professionalität und ließ schon jetzt nicht viel Gutes von der Zukunft der Expedition erahnen. Bereits seine vor der Athener Volksversammlung gehaltene Rede, ließ spätestens in Sizilien eine starke Diskrepanz zwischen Theorie und Realität sichtbar werden. Die Frage, ob Alkibiades ein Opportunist war, läßt sich relativ einfach beantworten: ja, er war ein Opportunist, weil er zweckmäßig der jeweiligen Lage angepaßt handelte um daraus seinen Vorteil zu ziehen. Man sollte diesen Begriff aber keinesfalls wertend benutzen oder verstehen, denn wenn jemand wirklich erfolgreich sein will, bleibt ihm letzten Endes nichts anderes übrig, als eben gerade opportunistisch zu handeln - andernfalls müsste er die „Berufung“ eines Märtyrers oder Idealisten einschlagen. Wobei anzumerken wäre, dass dies gerade der Weg ist, das schließlich nur zum vollkommenen persönlichen Scheitern führen kann. Es scheint allerdings nicht ganz ausgeschlossen, ja sogar sehr wahrscheinlich, daß selbst der angeblich so „objektive“ (wer ist schon wirklich objektiv?) Thukydides von Alkibiades Aura so eingenommen war, daß die Berichte über ihn ein weitaus besseres Bild zeichneten, als in der Wirklichkeit vorhanden war, so daß auch hier die Fiktion die Realität übertünchte. Die Anziehungskraft des Alkibiades ist auf jeden Fall nicht zu unterschätzen.

1.3. Alkibiades Eintritt in das politische Leben

In diesem Abschnitt wird Alkibiades zum ersten Mal im größeren Maße politisch tätig, genau zu dem Zeitpunkt, wo die Athener mit den Spartanern den von Nikias geschaffenen Frieden verfestigen wollen. Da Alkibiades trotz Proxenie etc. von den Spartanern noch ernst genommen wird, weil er sie bei ihren Verhandlungen unterstützen will, schwenkt er auf die athenische Gegenseite über und wiegelt diese gegen die Spartaner auf.

Bei einer solchen Mißstimmung zwischen den Lakedaimoniern und den Athenern waren andererseits jene Kreise in Athen sogleich eifrig tätig, die den Friedensvertrag aufkündigen wollten. Zu diesen gehörte unter anderen auch Alkibiades, der Sohn des Kleinias, ein Mann, der in einer anderen Stadt seinem Alter nach als (zu) jung gegolten hätte, aber aufgrund der Wertschätzung seiner Vorfahren in Ansehen stand. Seiner persönlichen Meinung nach war es zwar vorteilhafter, sich mit den Argeiern zu verbünden, jedoch wegen seines Selbstbewußtseins und ehrgeizigen Erfolgsstrebens schloß er sich den (Gegnern des Friedensvertrages) an; denn die Lakedaimonier hatten den Friedensvertrag mit Nikias und Laches ausgehandelt, ihn selbst aber wegen seiner Jugend übersehen. Auch hatten sie ihn nicht so geehrt im Sinn der alten Staatsgastfreundschaft (Proxenie), die zwar sein Großvater aufgegeben hatte, er selbst aber zu erneuern im Sinn hatte, indem er für ihre Gefangenen von der Insel (Sphakteria) eintrat. Weil er sich in jeder Hinsicht zurückgesetzt fühlte, hatte er von Anfang an gegen den Frieden gesprochen und behauptet, auf die Lakedaimonier könne man sich nicht verlassen, sie suchten nur deshalb den Frieden, um die Argeier zu vernichten, dabei aber die Athener durch einen Friedensvertrag (draußen zu halten), um dann wiederum das isolierte Athen anzugreifen; und als nun jener Zwiespalt aufgetreten war, schickte er sofort auf eigene Faust (Leute) nach Argos mit dem Auftrag, die Argeier sollten möglichst schnell mit den Mantineern und Eleern kommen und (die Athener) zu einem Bündnis auffordern, denn jetzt sei der richtige Zeitpunkt und er selbst werde ihnen dabei sehr gern behilflich sein.[11]

Allein dieses Zitat ist ein hervorragender Beweis für den Ehrgeiz und die persönliche Empfindlichkeit des Alkibiades. Er handelt getreu dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und löst so nebenbei eine Katastrophe aus. Das hier ein verletzter Stolz eine besondere Rolle spielt, ist den Spartanern zu ihrem Nachteil noch nicht bewußt, sonst hätten sie sicherlich eine Möglichkeit gefunden sich mit Alkibiades zu arrangieren. Denn dass die Spartaner völlig unerfahren auf dem Gebiet der Diplomatie waren, ist trotz vieler gegenteiliger Behauptungen stark zu bezweifeln. Auch wird an dieser Stelle deutlich, daß Alkibiades die Proxenie erneuern mußte, da sie ja von seinem Großvater aufgegeben worden war. Umso widersprüchlicher scheint es, dass er sie dann wieder durch sein Verhalten so aufs Spiel setzte. Vielleicht beruht das Verhalten des Alkibiades auch auf jugendlichem Überschwang und zudem am Manko eines wahrscheinlich vorhandenen Erziehungsdefizits von Seiten seines Onkels Perikles. Selbst die Gespräche mit Sokrates werden da wohl keinen allzu großen Einfluß auf ihn gehabt haben. Da gerade Thukydides auf sein jugendliches Alter explizit hinweist, muß daran ja etwas gewesen sein, zu jedenfalls befand er sich anscheinend in einem Alter, indem man in Athen eigentlich noch nichts mit politischen Dingen zu tun hatte.

Zwar schaffte es Alkibiades, die Athener tatsächlich gegen die Spartaner aufzuwiegeln und den Peloponnesischen Sonderbund zu gründen; allerdings gelang es ihm nicht, mit diesem Bund eine wirksame militärische Gegenmacht zu bilden. Dies erwies sich eindeutig in der Schlacht von Mantinea als Nachteil für die athenische Seite. Insofern kann man nicht nur von einer Affekthandlung, sondern auch von einer kurzsichtigen Aktion des Alkibiades sprechen. Auch wenn er bei seinem Kriegszug gegen Sparta eine Niederlage hinnehmen mußte, so hinderte dies die Athener nicht, begeistert seinem Vorschlag zur Sizilienexpedition zuzustimmen.

[...]


[1] Schulz, R.: Athen und Sparta, S. 104.

[2] Plut., Alk. 16, 3-5.

[3] Bengtson, H.: Zu den strategischen Konzeptionen des Alkibiades, S. 5.

[4] Bengtson, H.: Zu den strategischen Konzeptionen des Alkibiades, S. 33-34.

[5] Saxonhouse, A. W.: Athenian Democracy, S. 96.

[6] Funke, P.: in: H. Gehrke/ H. Schneider (Hg.), Geschichte der Antike, S. 123.

[7] Bloedow, E.: Alcibiades reexamined, 86.

[8] Ellis, W. M.:Alcibiades, S. xiv.

[9] Roberts, J.W.: City of Sokrates, S. 83.

[10] Diod. XIII 5, 2-4.

[11] Thuk. V 43, 1-3.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836606370
ISBN (Paperback)
9783961166961
Dateigröße
237 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften, Historisches Seminar
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Note
2,2
Schlagworte
alkibiades sizilische expedition peloponnesischer krieg athenische demokratie persien
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