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Die Reform der chinesischen Eisenbahn

Sanierung oder Privatisierung

©2002 Magisterarbeit 148 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In China sind gegenwärtig intensive Bestrebungen im Gange, das monolithisch strukturierte Eisenbahnwesen neu zu organisieren. Ausgelöst durch den stetig steigenden Bezuschussungsbedarf des "klassischen Defizitträgers" Eisenbahn und die Mittelknappheit öffentlicher Kassen soll die traditionell von der chinesischen Regierung ausgefüllte Bereitstellungs- und Verteilungskompetenz der Schienentransportleistungen zunehmend auf den Privatsektor übertragen werden.
Seit ihrem Höhepunkt in den 1970er Jahren ist die chinesische Eisenbahn stetig im Abschwung begriffen. Auf Grund mehrerer Faktoren, u.a. der steigenden Konkurrenz von der Straße und der zivilen Luftfahrt, stürzte die einstige "Perle der Planwirtschaft" 1994 in ein "finanzielles Loch", in dem sie mehrere Jahre verharrte. Nachdem die Verluste im operativen Transportgeschäft auf kumulativ 12,3 Mrd. Yuan angestiegen waren, verabschiedete die "Ständige Konferenz des Staatsrates" im März 1998 schließlich ein Paket tief greifender Reformen, das vom September desselben Jahres an auf den Weg gebracht wurde. Dass dieser Reform, welche die Trennung von Infrastruktur und Betrieb umfasst, in China besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, versteht sich von selbst, zählt die Eisenbahn doch zu den wichtigsten volkswirtschaftlichen Sektoren. Aber auch international erweckt sie Interesse, denn die chinesische Eisenbahn ist das weltweit zweitgrößte Transportunternehmen und wird nur vom gesamten US-amerikanischen Transport übertroffen
Ziel der vorliegenden Analyse ist, die Reformen im chinesischen Eisenbahnwesen mit wirtschaftswissenschaftlichen Methoden zu analysieren. Hierzu sollen die einzelnen Maßnahmen gekennzeichnet und der Versuch ihrer kritischen Würdigung unternommen werden. Im Lichte internationaler Bahnprivatisierungen, die in den letzten zwei Dekaden regelmäßig mit einer Trennung von Infrastruktur und Betrieb eingeleitet wurden (Z.B. in Großbritannien, Deutschland, Argentinien, Schweden), stellt sich die Frage, ob die chinesischen Beschlüsse als erster Schritt einer Privatisierung zu werten sind.
Gang der Untersuchung:
Die Bearbeitung der Problemstellung lässt eine Untersuchung in vier Teilen, zwischen denen enge Verbindungen bestehen, sinnvoll erscheinen. Einige Leser dürften mit den ökonomischen Besonderheiten von Eisenbahnen nicht vertraut sein. Aus diesem Grund ist es zweckmäßig, diese Analyse mit der Erläuterung der grundlegenden mikro- und makroökonomischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Eike Langenberg
Die Reform der chinesischen Eisenbahn
Sanierung oder Privatisierung
ISBN: 978-3-8366-0500-7
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Magisterarbeit, 2002
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Seite
I
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ...III
Abkürzungsverzeichnis ... IV
1 Einleitung...1
2 Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen ...5
2.1 Definitionen und Begriffsabgrenzungen...5
2.2 Theorie des natürlichen Monopols...8
2.3 Wirtschaftspolitische Konsequenzen natürlicher Monopole...13
3 Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens ...17
3.1 Institutioneller Aufbau...17
3.2 Wirtschaftliche Situation der Eisenbahn ...22
3.2.1 Schienennetz...23
3.2.2 Betrieb ...27
3.2.3 Betriebswirtschaftliche Grunddaten und Kennzahlen ...38
3.3 Wettbewerber der Bahn ...47
3.4 Industrieökonomische Folgerungen ...51
4 Anforderungen an die Eisenbahn und Sanierungsansätze...56
4.1 Kernprobleme des schienengebundenen Verkehrs...56
4.2 Abgeschlossene und eingeleitete Sanierungsmaßnahmen ...60
4.2.1 Trennung von Verwaltungs- und Unternehmensfunktionen...61
4.2.2 Organisations- und Managementreform...65
4.2.3 Reorganisationen im Investitions- und Finanzwesen ...72
4.2.4 Modernisierung der Betriebs- und Informationstechnologie ...77
4.2.5 Reform von Unternehmensstrategie und Marketing ...80
4.3 Zusammenfassende Beurteilung der bisherigen Maßnahmen...86

Seite
II
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
5 Privatisierung der chinesischen Eisenbahn?...90
5.1 Überblick alternativer Ansätze der Bahnstrukturreform...90
5.2 Trennung von Infrastruktur und Betrieb ...94
5.3 Möglichkeiten besitzorientierter Reformen ...101
6 Ausblick ...106
Literaturverzeichnis ... VI
Gesprächsverzeichnis ...XVIII
Anhang I: Protokoll des Gesprächs im Hause AD
TRANZ
...XIX
Anhang II: Kartenmaterial...XXIV
Anhang III: Übersicht der verwendeten statistischen Daten ...XXV

Seite
III
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Natürliches Monopol im Einproduktfall ... 11
Abb. 2: Verbundvorteile im Mehrproduktfall ... 12
Abb. 3: Einbindung des Eisenbahnministeriums in die chinesische Zentralregierung ... 17
Abb. 4: Organigramm des Eisenbahnministeriums (1995) ... 21
Abb. 5: Entwicklung des chinesischen Schienennetzes ... 24
Abb. 6: Chinesisches Schienennetz im internationalen Vergleich ... 26
Abb. 7: Karte des chinesischen Eisenbahnnetzes ... 27
Abb. 8: Entwicklung des Passagiertransports ... 28
Abb. 9: Durchschnittliche Distanzen im Passagiertransport (modal split) ... 29
Abb. 10: Entwicklung des Frachttransports ... 30
Abb. 11: Durchschnittliche Distanzen im Frachttransport (modal split) ... 31
Abb. 12: Produktmix des chinesischen Eisenbahntransports ... 32
Abb. 13: Netzauslastung im internationalen Vergleich ... 33
Abb. 14: Güterverteilung im Frachttransport ... 35
Abb. 15: Bedeutung der drei Antriebstypen ... 36
Abb. 16: Mitarbeiterentwicklung im internationalen Vergleich ... 39
Abb. 17: Einkommen im Eisenbahnwesen vs. durchschnittlicher Reallohn ... 41
Abb. 18: Anlagevermögen der nationalen Eisenbahn ... 42
Abb. 19: Infrastrukturinvestitionen in Eisenbahn und Transport allgemein ... 43
Abb. 20: Entwicklung der Transporterlöse ... 45
Abb. 21: Entwicklung der operativen Kosten ... 46
Abb. 22: Länge der Infrastruktur (modal split) ... 48
Abb. 23: Transportleistungen im Passagiertransport (modal split) ... 49
Abb. 24: Transportleistungen im Frachtverkehr (modal split) ... 50
Abb. 25: Aktuelles Organigramm des Eisenbahnministeriums ... 67
Abb. 26: Bevölkerungsdichte in der VR China, 2000 ...XXIV

Seite
IV
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Abkürzungsverzeichnis
$
Dollar
(US)
#
Eintrag
>/
<
größer/
kleiner
§
Paragraf
%
Prozent
Abb.
Abbildung
AG
Aktiengesellschaft
Anm.
Anmerkung
Aufl.
Auflage
Bd.
Band
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BOT
Build-Operate-Transfer
BSP
Bruttosozialprodukt
bspw. beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CRCC
China Railway Construction Corporation
CRCEC
China Railway Civil Engineering Corporation
CRMC
China Railway Materials Corporation
CRSC
China Railway Signaling & Communication Corporation
DB
Deutsche
Bahn
DBGrG
Deutsche Bahn Gründungsgesetz
d.h.
das
heißt
DM
Deutsche
Mark
ECR
Efficient
Consumer
Response
f(f).
(fort)folgende
FA
Ferrocarriles
Argentinos
FJP
Fünfjahresplan(s)
ggf.
gegebenenfalls
Hrsg.
Herausgeber
i.e.
id
est
i.d.R.
in
der
Regel
i.H.v.
in
Höhe
von
i.S.
im
Sinne
i.w.S. im
weiteren
Sinne

Seite
V
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
JNR
Japanese
National
Railway
JV
Joint-Venture
km
Kilometer
km/h
Stundenkilometer
KPCh
Kommunistische Partei Chinas
kTkm konvertierte
Tonnenkilometer
lat.
lateinisch
l.S.
linke
Skala
LORIC
China Railway Locomotive and Rolling Stock Corporation
m.
E.
meines
Erachtens
Mio.
Million(en)
MOR
Ministry
of
Railways
Mrd.
Milliarde(n)
Mt
Million(en)
Tonnen
NVK
Nationaler
Volkskongress
o.a.
oben
angegebene(n)
o.g.
oben
genannte(n)
p.a.
per
annum
Pkm
Personenkilometer
qkm
Quadratkilometer
rd.
rund
resp.
respektive
r.S.
rechte
Skala
S.
Seite(n)
s.
siehe
SEU
Staatseigene
Unternehmen
sog.
so
genannte(n/r/s)
Std.
Stunde(n)
TMIS
Transportmanagement
Informationssystem
t
Tonne
Tkm
Tonnenkilometer
Tsd.
Tausend
u.a.
unter
anderem
usw.
und
so
weiter
vgl.
vergleiche
vs.
versus
z.B.
zum
Beispiel

Einleitung
Seite
1
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
1 Einleitung
In China sind gegenwärtig intensive Bestrebungen im Gange, das monolithisch
strukturierte Eisenbahnwesen neu zu organisieren. Ausgelöst durch den stetig
steigenden Bezuschussungsbedarf des "klassischen Defizitträgers" Eisenbahn und
die Mittelknappheit öffentlicher Kassen soll die traditionell von der chinesischen
Regierung ausgefüllte Bereitstellungs- und Verteilungskompetenz der
Schienentransportleistungen zunehmend auf den Privatsektor übertragen werden.
Seit ihrem Höhepunkt in den 1970er Jahren ist die chinesische Eisenbahn stetig im
Abschwung begriffen. Auf Grund mehrerer Faktoren, u.a. der steigenden Konkurrenz
von der Straße und der zivilen Luftfahrt, stürzte die einstige "Perle der
Planwirtschaft"
1
1994 in ein "finanzielles Loch", in dem sie mehrere Jahre verharrte.
Nachdem die Verluste im operativen Transportgeschäft auf kumulativ 12,3 Mrd. Yuan
angestiegen waren, verabschiedete die "Ständige Konferenz des Staatsrates" im
März 1998 schließlich ein Paket tief greifender Reformen, das vom September
desselben Jahres an auf den Weg gebracht wurde. Dass dieser Reform, welche die
Trennung von Infrastruktur und Betrieb umfasst, in China besondere Aufmerksamkeit
gewidmet wird, versteht sich von selbst, zählt die Eisenbahn doch zu den wichtigsten
volkswirtschaftlichen Sektoren. Aber auch international erweckt sie Interesse, denn
die chinesische Eisenbahn ist das weltweit zweitgrößte Transportunternehmen und
wird nur vom gesamten US-amerikanischen Transport übertroffen.
2
Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die Reformen im chinesischen Eisenbahnwesen mit
wirtschaftswissenschaftlichen Methoden zu analysieren. Hierzu sollen die einzelnen
Maßnahmen gekennzeichnet und der Versuch ihrer kritischen Würdigung
unternommen werden. Im Lichte internationaler Bahnprivatisierungen, die in den
letzten zwei Dekaden regelmäßig mit einer Trennung von Infrastruktur und Betrieb
eingeleitet wurden,
3
stellt sich die Frage, ob die chinesischen Beschlüsse als erster
Schritt einer Privatisierung zu werten sind.
1
Vgl. L
I
R
ONGXIA
(2000b): "Das Eisenbahnwesen: Vorfristig Verluste beseitigt"; in: Beijing Rundschau, Vol. 37
(2000), No. 11, S. 13-19, hier: S. 13.
2
Zieht man die Belegschaft als Kriterium für die Größe der Organisation heran, steht die chinesische
Eisenbahn sogar auf dem ersten Platz.
3
Z.B. in Großbritannien, Deutschland, Argentinien, Schweden.
"Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt"
(
­ qian li zhi xing shi yu zu xia)

Einleitung
Seite
2
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Sicherlich ist es zu früh, diese Frage abschließend zu beantworten, denn die Reform
hat erst begonnen, und es werden möglicherweise noch mehr als zehn Jahre bis zu
ihrem Abschluss vergehen. Da sich mit Sicherheit noch Vieles ändern wird, kann die
vorliegende Arbeit lediglich eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen
Reformfortschritte bieten und wertend Stellung beziehen. Berücksichtigt werden
dabei die Entwicklungen bis zum Juni 2001.
Die Bearbeitung der Problemstellung lässt eine Untersuchung in vier Teilen,
zwischen denen enge Verbindungen bestehen, sinnvoll erscheinen. Einige Leser
dürften mit den ökonomischen Besonderheiten von Eisenbahnen nicht vertraut sein.
Aus diesem Grund ist es zweckmäßig, diese Arbeit mit der Erläuterung der
grundlegenden mikro- und makroökonomischen Zusammenhänge zu beginnen
(Kapitel 2). Auf diese Weise kann in allen späteren Kapiteln auf sie rekurriert werden,
was das Verständnis der teilweise komplexen Probleme im Eisenbahnwesen und der
wirtschaftspolitischen Lösungsansätze erleichtert.
Das dritte Kapitel vereinigt die institutionellen und wettbewerblichen
Rahmenbedingungen der chinesischen Eisenbahn sowie die wirtschaftlichen Daten,
auf denen die Argumentation der Folgekapitel fußt. Dies beruht zum einen darauf,
dass die aktuelle Situation den Handlungsbedarf der chinesischen Regierung
begründet. Zum anderen handelt es sich um eine unerlässliche Grundlage zur
Bewertung der Reformmaßnahmen. Wenn hierbei mehr pragmatischen denn
normativen Bewertungskriterien gefolgt werden soll, ist zweckmäßigerweise die
Problemlösungskompetenz der Reformansätze zu Grunde zu legen. Hierfür ist
indessen eine genaue Kenntnis der zu lösenden Probleme Voraussetzung.
Nach der Kennzeichnung der tatsächlichen Situation der Eisenbahn werden im
vierten Kapitel die Kernprobleme des schienengebundenen Verkehrs
herausgearbeitet und die vom chinesischen Eisenbahnministerium eingeleiteten und
teilweise abgeschlossenen Sanierungsmaßnahmen analysiert. Im Zentrum stehen
dabei die Trennung von Verwaltungs- und Unternehmensfunktionen sowie die
Strategien zur Verbesserung von Organisation, Finanzierung, Technologie und
Marketing. Zum Ende des Kapitels werden die Sanierungsmaßnahmen auf ihre
Problemlösungspotenziale untersucht und ihre Grenzen aufgezeigt.
Es wird sich herausstellen, dass sich durch diese Sanierungsmaßnahmen nicht alle
Probleme beheben lassen, so dass tief greifende Strukturreformen notwendig sind.
Sie bilden den Inhalt des fünften Kapitels. Nach Darstellung der kontroversen

Einleitung
Seite
3
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Diskussion um alternative Bahnstrukturansätze wird erklärt, warum sich die
Zentralregierung für die Trennung von Infrastruktur und Betrieb entschieden hat.
Schließlich wird ermittelt, welche Wege einer Privatisierung die chinesische
Eisenbahn beschreiten kann und wo die Präferenzen liegen. Ein Ausblick, der die
chinesische Reform in den Kontext internationaler Erfahrungen stellt, beschließt die
Arbeit.
Trotz der hohen Aktualität der Ereignisse hat zu diesem Thema bisher noch keine
nennenswerte Forschung stattgefunden. Der Verfasser ist auf keine Veröffentlichung
gestoßen, die Chinas Eisenbahnreformen systematisch analysiert. So aufregend es
ist, sich auf derart neues Terrain zu begeben, so anspruchsvoll ist die Analyse; nicht
zuletzt hat dies zum Umfang der Arbeit beigetragen.
Ein Problem in diesem Zusammenhang resultiert aus der Tatsache, dass das
chinesische Eisenbahnwesen nicht zu den Sektoren der chinesischen
Volkswirtschaft zählt, für die einheitliche und belastbare Wirtschaftsdaten
veröffentlicht werden. Die benötigten Daten stammen daher aus sehr
unterschiedlichen Quellen.
4
Durch den hohen Fragmentierungsgrad musste eine
Vielzahl von Daten zusammengetragen und auf Abgrenzungen, Redundanzen sowie
Widersprüche überprüft werden. Da keine Sekundärliteratur existiert, die sich mit den
aktuellen Problemen im Eisenbahnwesen befasst,
5
musste die gesamte
Quellenanalyse selbst durchgeführt werden. Erschwerend tritt hinzu, dass alle
Statistiken im Dienst der Politik stehen und den Erfolg der Zentralregierung belegen
sollen: "49.827 Tickets am 1. Oktober 1998 verkauft ­ höchster Ticketverkauf aller
Zeiten!"
6
; vier Tage später "überschreitet das Transportvolumen die magische
Grenze von 90.000 Personen"
7
. Auch die Weltbank ist genötigt, ihre Argumentation
auf die rekordträchtigen und oft zweifelhaften Daten des Eisenbahnministeriums zu
stützen. Mit einigen Ausnahmen, die nicht unkommentiert bleiben können, wird auf
die schwache Belastbarkeit nicht bei jedem Wert hingewiesen. Mit ähnlichen
Schwierigkeiten war der Versuch verbunden, ein klares Bild der unscharfen
4
Der größte Teil der Daten und Werte stammt aus der chinesischen Verkehrsstatistik, Auskünften des
Eisenbahnministeriums an die Weltbank sowie Fachartikeln, v.a. Zhongguo Tielu (Die chinesische
Eisenbahn). Zhongguo Tielu ist die vom Eisenbahnministerium veröffentlichte Monatszeitschrift, in der die
Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen im Eisenbahnwesen informiert wird.
5
Erhältlich sind lediglich Analysen für die frühen 1990er Jahre, deren Ergebnisse mittlerweile überholt sind.
6
Vgl. Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU GUOJI HEZUOSI
(A
BTEILUNG FÜR INTERNATIONALE
Z
USAMMENARBEIT
DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
): Zhongguo tiedao yaolan (Einführung in die chinesische
Eisenbahn), Beijing: Zhongguo tiedao chubanshe (Chinesischer Eisenbahnverlag), 1999, S. 30.
7
L
UO
Q
ING
/S
HAO
C
HANGHONG
: "1999 nian shangbannian yunshu shengchan jingying zhangkuang pouxi"
(Analyse der Transportleistungen im ersten Halbjahr 1999); in: Zhongguo Tielu (Die chinesische Eisenbahn),
8/1999, S. 18-21, hier: S. 19.

Einleitung
Seite
4
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Reformstrategien, die in einen "tastenden" Prozess eingebunden sind, zu vermitteln.
Auch in diesem Punkt liegen fragmentierte und oft widersprüchliche Artikel zu
Grunde, die vor ihrer Auswertung mit hohem Zeitaufwand zusammengetragen
werden mussten.
Ein weiteres Problem stellt die Bewertung der Reformmaßnahmen dar. Nur anhand
langjähriger Erfahrungen kann die Praktikabilität von Maßnahmen und damit ihre
Erfolgsaussicht eingeschätzt werden. Aus diesem Grund orientiert sich die
Bewertung an den internationalen Erfahrungen der Weltbank, die an der Umsetzung
nahezu aller Eisenbahnreformen weltweit beteiligt war. Ergänzt wird die
Bewertungsgrundlage durch die Ergebnisse mehrerer persönlicher Gespräche in
Beijing und Hamburg. Informativ waren v.a. die Ausführungen des
Eisenbahnattachés der französischen Botschaft in China sowie ein Interview bei der
Firma AD
TRANZ
, deren chinesischer Geschäftsführer Erfahrungen aus erster Hand
berichtete.
8
Schließlich kommen Erkenntnisse zum Tragen, die Dr. Manfred Miethner
(Bahnberatung I&M) bei der Privatisierung der vietnamesischen Eisenbahn sammeln
konnte.
9
Abschließend seien noch einige technische Anmerkungen erlaubt. Wie bei
transportwirtschaftlichen Analysen üblich, beinhaltet diese Untersuchung eine hohe
Anzahl in den Fließtext eingebundener Abbildungen. Um die Lektüre nicht unnötig zu
erschweren, ist der exakte Ursprung der Abbildungsdaten nicht im Text, sondern in
den Tabellen des Anhangs III angegeben. Dort gibt die Farbe der verwendeten
Werte jeweils Auskunft über ihre Quelle.
Alle in dieser Arbeit verwendeten chinesischen Begriffe sind in der Lautumschrift
pinyin und (mit Ausnahme von Literaturangaben) in Schriftzeichen angegeben, ferner
sind sie übersetzt. Die Übersetzung längerer Wendungen ist dabei an den deutschen
Sprachgebrauch angepasst. Die Namen von Personen und Unternehmen sind
zwecks besserer Lesbarkeit in Kapitälchen gehalten, während die Eigennamen von
Strategien, Abteilungen usw. mit Anführungszeichen versehen sind. Wirtschaftliche
u.a. Fachtermini sind in kursivem Schriftschnitt dargestellt. Der Arbeit liegen die
Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung zu Grunde.
8
Ein Protokoll des Gesprächs ist an diese Arbeit abgehängt, s. Anhang I.
9
Siehe Gesprächsverzeichnis.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 5
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2 Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
2.1 Definitionen und Begriffsabgrenzungen
Um sich im Laufe der Untersuchung auf die Analyse konzentrieren zu können, soll
zunächst das Verständnis der im Titel verwendeten Begriffe Reform, chinesische
Eisenbahn, Sanierung und Privatisierung geklärt werden.
Der Terminus Reform (lat. reformare: umgestalten, neu gestalten) wird in dieser
Arbeit als "planmäßige Umgestaltung, Verbesserung, Neuordnung des Bestehenden
[...], die gezielte [...] Umgestaltung politischer und gesellschaftlicher Einrichtungen"
10
verstanden. Da der Begriff Reform keine spezifische wirtschaftswissenschaftliche
Bedeutung aufweist,
11
kann und soll er als Oberbegriff für alle strukturierten
Veränderungen verwendet werden und insbesondere die Begriffe Sanierung und
Privatisierung umschließen. Reformen ist eigen, dass sie den Wechsel von einem
Status quo in eine andere, erwartungsgemäß bessere Situation durch allmähliche,
evolutionäre Veränderungsprozesse vollziehen.
12
Zur Kennzeichnung des Untersuchungsgegenstands, der chinesischen Eisenbahn
,
wird auf die Definition des Eisenbahngesetzes von 1990 zurückgegriffen: "Die
chinesische Eisenbahn besteht aus nationalen Eisenbahnen, lokalen Eisenbahnen,
speziellen Eisenbahnen und speziellen Bahnlinien"
13
. Bei den "nationalen
Eisenbahnen" (
­ guojia tielu) handelt es sich um die von der
Zentralregierung konstruierten und finanzierten Eisenbahnen, die vom chinesischen
Eisenbahnministerium (
­ zhonghua renmin gongheguo tiedao
bu) verwaltet werden. Seit 1978 umfassen Eisenbahnen auch die von Provinzen,
Munizipalitäten und autonomen Regionen verwalteten "lokalen Eisenbahnen"
10
B
ROCKHAUS
E
NZYKLOPÄDIE IN
24
B
ÄNDEN
, 20. Aufl., Leipzig­Mannheim: F. A. Brockhaus, 1996, # Reform.
11
Diese Tatsache manifestiert sich u.a. darin, dass das umfassende Gabler Wirtschaftlexikon dem Begriff
Reform keinen Eintrag widmet.
V
GL
.
G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
, 14. Auflage, Wiesbaden: Gabler, 1997.
12
Vgl. M
EYERS
N
EUES
L
EXIKON IN
18
B
ÄNDEN
, 2. Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, 1975, Bd. 11, # Reform.
13
Vgl. G
UOWUYUAN FAZHI BANGONGTING
(R
ECHTSAUSSCHUSS DER
S
TÄNDIGEN
K
ONFERENZ DES
S
TAATSRATES
):
"Zhonghua renmin gongheguo tielufa (Eisenbahngesetz der VR China) in der Fassung vom 7. September
1990"; in: Zhonghua renmin gongheguo xin fagui huibian (Sammelwerk neuer Gesetze und Regelungen der
VR China), 1990, No. 18; als elektronisches Dokument abrufbar (1.11.2001) unter:
http://sbsth.top263.net/tl.htm (im Folgenden zitiert als "Tielufa (Eisenbahngesetz) in der Fassung vom 7.
September 1990").

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 6
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(
­ difang tielu).
14
Während die "speziellen Eisenbahnen" (
­
zhuanyong tielu) früher ausschließlich innerbetriebliche Transportlinien bezeichneten,
stehen sie seit 1996 vornehmlich für sog. "Joint-Venture (JV) Eisenbahnen" (
­ hezi tielu). JV Eisenbahnen, die von den offiziellen Transportstatistiken separat
ausgewiesen werden, beinhalten die von der Zentralregierung, von Lokalregierungen,
Unternehmen oder anderen Organisationen gemeinschaftlich konstruierten,
finanzierten und geführten Bahnbetriebe.
15
Den ebenfalls im Eisenbahngesetz
explizit erwähnten "speziellen Bahnlinien"
16
(
­ tielu zhuanyong xian) fällt
in der Diskussion keine bedeutende Rolle zu, so dass sich diese Arbeit
ausschließlich mit den öffentlich nutzbaren nationalen, lokalen und JV Eisenbahnen
befasst.
17
Stellt man auf obige Definition des Eisenbahngesetzes ab, wird eine besondere
räumliche Abgrenzung überflüssig: Zwar sind die mangelnden Einflussmöglichkeiten
auf das taiwanesische Eisenbahnamt (
­ taiwan tielu guanli ju) für das
chinesische Eisenbahnministerium nicht Grund genug, es definitorisch aus ihren
Statistiken zu entfernen ­ das Eisenbahnministerium begründet dies etwas anders
18
­, aber für die vorliegende Untersuchung sind die de facto Einflussmöglichkeiten
entscheidend. Der Begriff Eisenbahn soll dabei die Gesamtheit aller zur
schienengebundenen Beförderung von Personen und Gütern notwendigen
betrieblichen Einheiten umschließen, d.h. die Beförderungsmittel (v.a. Rollmaterial
19
)
14
Vgl. Z
HONGGUO JIAOTONG YUNSHU XIEIHUI
(V
ERBAND DES CHINESISCHEN
V
ERKEHRSWESENS
): Zhongguo jiaotong
nianjian, tongji ziliao huibian 1986 nian ­ 2000 nian (Statistisches Jahrbuch des chinesischen
Transportwesens, Sammlung der statistischen Daten für die Jahre 1986 bis 2000), Beijing: Zhongguo
jiaotong nianjianshe (Jahrbuchverlag des chinesischen Transportwesens), 2000, S. 97. In den Angaben zu
lokalen Eisenbahnen ist der städtische Personenverkehr (Stadtschnellbahnen, Untergrundbahnen,
Straßenbahnen usw.) enthalten, der von den chinesischen Transportstatistiken nicht gesondert ausgewiesen
wird. Vgl. http://www.stats.gov.cn/yearbook/indexe.htm.
15
Vgl. Tielufa (Eisenbahngesetz) in der Fassung vom 7. September 1990, Artikel 2; vgl. L
I
D
UANSHEN
:
"Developing Joint-Venture Railways"; in: Chinese Railways, Vol. 1 (1993), No. 1, S. 11-14, hier: S. 11.
16
"Spezielle Bahnlinien" unterscheiden sich in der Weise von "speziellen Eisenbahnen", dass sie an das
nationale Trassennetz angeschlossen sind. Vgl. Tielufa (Eisenbahngesetz) in der Fassung vom 7. September
1990, Artikel 2.
17
Ebenfalls von der Betrachtung ausgeschlossen werden die militärischen Zwecken dienenden Eisenbahnen,
über deren Länge, Kapazität usw. das Eisenbahnministerium ohnehin keine Daten veröffentlicht. Vgl.
http://www.stats.gov.cn/yearbook/indexe.htm.
18
Das Eisenbahnministerium erklärt hierzu: "Da Taiwan eine chinesische Provinz darstellt, sind die
Eisenbahnen Taiwans natürlich Bestandteil des chinesischen Eisenbahnnetzes. Aus Gründen die allen
bekannt sind, sind sie in unseren Statistiken nicht enthalten", Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU GUOJI
HEZUOSI
(A
BTEILUNG FÜR INTERNATIONALE
Z
USAMMENARBEIT DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
), S. 1.
19
Der Begriff Rollmaterial ist die für das Eisenbahnwesen spezifische Bezeichnung der Betriebsmittel
Triebfahrzeuge und Wagons.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 7
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
und die Infrastruktur (v.a. Schienenwege, Betriebsleit- und Sicherheitssysteme sowie
Verkaufs- und Abfertigungseinrichtungen).
20
Der Begriff der Sanierung
21
hat sich von seiner ursprünglichen Bedeutung der
"Heilung" (lat. sanare: heilen) nicht weit entfernt und steht, auf die Sphäre der
Unternehmung bezogen, für die "(Wieder-) Herstellung einer nachhaltigen
Ertragskraft krisenbefallener Unternehmungen. Darunter fallen alle zielorientierten
Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, die betroffene Unternehmung aus
einer Krisensituation herauszuführen, um sie [...] als wirtschaftliche Einheit unter der
Maßgabe von Ertragssicherung zu erhalten."
22
Art und Umfang der unter dem Begriff
Sanierung gesammelten Strategien sind in der Literatur unterschiedlich weit gefasst.
In einem sehr engen Sinne bedeutet Sanierung lediglich die Summe aller
finanzwirtschaftlichen Strategien und Maßnahmen zur Gesundung krisenbefallener
Unternehmungen.
23
Da hierzu jedoch in seltenen Fällen finanzwirtschaftliche
Maßnahmen allein ausreichen, soll in dieser Arbeit von einer weiten Begriffsfassung
ausgegangen werden. Sanierung umschließt danach auch leistungswirtschaftliche
Führungstätigkeiten (Planung, Steuerung und Kontrolle) und Maßnahmen, die der
nachhaltigen Ertragskraft von Unternehmungen in überlebenskritischen Prozessen
dienen.
"Eine einheitliche Definition für den Begriff Privatisierung sucht man in der Literatur
vergeblich"
24
konstatiert R
ODI
resigniert, denn die vollständige oder teilweise
Übertragung von öffentlichem Eigentum in private Hände greife zu eng und könne
die Fülle unterschiedlicher Ausgestaltungen nicht erfassen. Das Gabler
Wirtschaftslexikon nähert sich dem Begriff der Privatisierung, indem es eine Reihe
von Maßnahmen aufzählt: "Verlagerung bisher staatlicher Aktivitäten in den privaten
Sektor der Volkswirtschaft, um die Allokation der Ressourcen durch den (als
effizienter eingestuften) Markt erfolgen zu lassen. Anwendung privater Rechtsformen
20
Das chinesische Eisenbahngesetz nimmt keine Bestimmung des Begriffs Eisenbahn vor. An dieser Stelle soll
es ausreichen, den Begriff an die Definition des deutschen AEG (Allgemeinen Eisenbahngesetzes)
anzulehnen (vgl. §2 AEG vom 27. Dezember 1993; in: Bundesgesetzblatt Teil I (BGBl I), S. 2396 sowie
BGBl I 1994, S. 2439). Eine exakte Abgrenzung der einzelnen Komponenten erfolgt später im
Zusammenhang. Siehe Abschnitt 5.2.
21
In dieser Arbeit werden teilweise auch die mit Sanierung synonymen Begriffe Restrukturierung oder
Reorganisation verwendet, wobei letzterer tendenziell eher weiter gefasst ist. Vgl. G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
, # Sanierung.
22
G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
, # Sanierung.
23
Vgl. ebenda.
24
R
ODI
,
H
ANSJÖRG
: Effizienz im Schienenverkehr ­ Eine mikroökonomische Analyse unter besonderer
Berücksichtigung der institutionellen Ausgestaltung des Trassenmarktes, Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht, 1996, S. 14.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 8
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, um bestimmte Aufgabenfelder dem
unmittelbaren Einfluss des Haushalts, des öffentlichen Dienstrechtes und der Politik
zu entziehen. Anwendung privatwirtschaftlicher Finanzierungsmodelle zur
Erschließung privaten Kapitals für öffentliche Aufgabenwahrnehmung"
25
. Die Ebenen
der genannten Privatisierungsmaßnahmen, deren Charakteristika sich v.a. über ihren
finalen Aspekt definieren, sind häufig nicht klar voneinander zu trennen. Einen
sachgerechteren Privatisierungsbegriff erhält man, wenn man von der Theorie
ökonomischer Verfügungsrechte
26
ausgeht. Sie bezeichnet Privatisierung als "die
Summe aller Prozesse, die den Einflussbereich politischer Verfügungsrechte über
ökonomische Güter zu Gunsten des Dispositionsraumes privater Verfügungsrechte
vermindern"
27
. Hinsichtlich der Intensität der Verminderung politischer
Verfügungsrechte können die einzelnen Privatisierungsformen dabei erheblich
divergieren. So beschränken sie sich z.B. nicht zwingend auf eine explizite
Veräußerung von Staatsvermögen, sondern können deregulierende Maßnahmen
einschließen.
28
2.2 Theorie des natürlichen Monopols
Bei den zu untersuchenden Reformen wird es im Kern um die Frage gehen, welche
Aufgabe der Regierung im chinesischen Eisenbahnwesen zukommt. Soll sie
Transportleistungen selbst erstellen und anbieten, lediglich eine regulierende
Funktion ausüben oder sich vollständig aus dem Eisenbahnwesen zurückziehen?
Leider gibt es auf diese Frage keine einfache Antwort; vielmehr ist die Rolle der
Regierung aus konkreten branchen- und marktspezifischen Charakteristika
abzuleiten. Um den Hintergrund der staatlichen Aktivitäten zu verdeutlichen, ist eine
kurze Darstellung der elementaren ökonomischen Zusammenhänge unabdingbar.
25
G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
,
# Privatisierung.
26
Ökonomische Verfügungsrechte bezeichnen "die einem bestimmten Individuum zugeordnete Fähigkeit [...],
eine bestimmte Entscheidung, im besonderen ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen bzgl. eines
bestimmten (knappen) Gutes [...], im Rahmen einer anerkannten sozialen Beziehung durchsetzen zu können"
(G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
, # Verfügungsrechte). Auf die Bedeutung ökonomischer Verfügungsrechte wird
in Abschnitt 5.3 näher eingegangen.
27
W
INDISCH
,
R
UPERT
: "Privatisierung natürlicher Monopole: Theoretische Grundlagen und Kriterien"; in:
W
INDISCH
,
R
UPERT
(Hrsg.): Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und
Telekommunikation, Tübingen: Mohr, 1987, S. 1-146, hier: S. 8. Nahezu identische Auffassungen des
Begriffs Privatisierung vertreten B
ERG
,
A
NDREW
/B
ERG
,
E
LLIOT
("Methods of Privatization"; in: Journal of
International Affairs, Vol. 51 (1997), No. 2, S. 357-390, hier: S. 357)
sowie F
EIGENBAUM
,
H
ARVEY
B./H
ENING
,
J
EFFREY
R.
("Privatization and Political Theory"; in: Journal of International Affairs, Vol. 51 (1997), No. 2,
S. 338-355, hier: S. 338).
28
Auf die Begrifflichkeit der einzelnen Privatisierungsformen wird im fünften Kapitel eingegangen.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 9
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In Märkten
29
nutzen Akteure ihre Freiheitsspielräume, um individuelle Ziele zu
erreichen. Dabei induzieren sie Austauschprozesse, in denen um die
Verfügungsrechte knapper Güter konkurriert wird und aus denen normalerweise ein
Preis hervorgeht, der als Indikator für die Knappheit ­ gemessen an den verfügbaren
Mengen und der auf diese Mengen gerichteten Nachfrage ­ fungiert. Es gibt jedoch
Umstände, die eine Preisbildung und das einwandfreie Funktionieren eines Marktes
verhindern können.
30
Die Umstände begründen die sog. Theorie vom Marktversagen.
Gemeinhin werden in der Verkehrspolitik mehrere mögliche Ursachen für ein
Marktversagen angenommen, von denen speziell im Eisenbahnwesen die Existenz
eines natürlichen Monopols am stärksten greift.
31
Grundsätzlich wird unter einem natürlichen Monopol der Zustand verstanden, in dem
es gesamtwirtschaftlich am effizientesten ist,
32
die gesamte auf ein bestimmtes Gut
gerichtete Nachfrage von einem einzigen Unternehmen befriedigen zu lassen.
33
In
der wissenschaftlichen Literatur wird dieses auf Kostenstrukturen basierende
Marktversagen auf unterschiedliche Weise beschrieben, doch allein das Konzept der
Subadditivität von Kostenfunktionen erfasst alle theoretisch denkbaren Fälle.
34
Subadditive Kostenfunktionen werden in der Mehrzahl der praxisrelevanten Fälle
durch sinkende Durchschnittskosten
35
(Größenvorteile) hervorgerufen, d.h. die
Vermehrung eines einzelnen Produktionsfaktors bewirkt eine überproportionale
29
Unter einem Markt sollen ganz allgemein "sämtliche Austauschprozesse, die aus dem Zusammentreffen von
Anbietern und Nachfragern erwachsen" verstanden werden. F
RITSCH
,
M
ICHAEL
/W
EIN
,
T
HOMAS
/E
VERS
,
H
ANS
-
J
ÜRGEN
: Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 3. Auflage, München: Vahlen, 1999, S. 6.
30
Da der Markt gemeinhin als gesamtwirtschaftlich effizientester Koordinationsmechanismus eingestuft wird, ist
die Existenz eines Marktversagens gleichbedeutend mit dem Verfehlen des Wohlfahrtsoptimums (vgl.
ebenda, S. 178). Auf die negativen Wohlfahrtseffekte eines Marktversagens wird im folgenden Abschnitt
eingegangen.
31
Neben dem natürlichen Monopol sind im Verkehrssektor drei weitere Ursachen für Marktversagen denkbar:
(1) Die Eigenschaft von Verkehrsleistungen als öffentliche Güter; (2) das Auftreten externer Effekte bei
Verkehrsleistungen und (3) die Tendenz zu ruinösem Wettbewerb auf Verkehrsmärkten. Vgl. A
BERLE
,
G
ERD
:
Transportwirtschaft ­ Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen, 3. Aufl., München [u.a.]:
Oldenbourg, 2000, S. 92.
32
Unter gesamtwirtschaftlicher Effizienz soll der allen Akteuren entstehende Nutzen ­ formal: die Summe von
Produzentenrente und Konsumentenrente ­ verstanden werden. Ist ein Zustand gesamtwirtschaftlich effizient,
dann ist die soziale Wohlfahrt maximal. Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
WERS
, S. 55.
33
Aus diesem Grund wird das natürliche Monopol teilweise auch als Effizienzmonopol bezeichnet. Vgl. A
BERLE
,
S. 97.
34
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 186.
35
Der aus der mikroökonomischen Theorie stammende Begriff Durchschnitts- oder Stückkosten bezeichnet die
"auf ein einzelnes 'Stück' (Mengeneinheit, Volumeneinheit) eines Erzeugnisses (Leistungseinheit) bezogenen
Selbstkosten", i.e. der "Summe aller durch den betrieblichen Leistungsprozess entstandenen Kosten".
G
ABLER
W
IRTSCHAFTSLEXIKON
, # Stückkosten, # Selbstkosten.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
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Steigerung des Output.
36
Unter der Annahme konstanter Inputpreise ist die Summe
der Produktionskosten von Teilmengen größer als die Produktionskosten der
Gesamtmenge "in einer Hand". Diese Eigenschaft kann mehrere Ursachen haben:
37
Die in der Realität wichtigste Erklärung für einen degressiven Verlauf der
Durchschnittskostenkurve sind Unteilbarkeiten bzw. Mindesteinsatzmengen der
Produktionsfaktoren. Oft lässt sich die Kapazität bestimmter Ressourcen (Maschinen,
Lager, Verwaltung usw.) auf Grund produktionstechnischer Gegebenheiten nur in
großen Sprüngen anpassen. Sofern eine bestimmte Kapazität nicht vollständig
ausgelastet ist, verteilen sich bei einer Erhöhung des Auslastungsgrades die
Kapazitätskosten auf eine größere Anzahl hergestellter Leistungseinheiten. Im
Eisenbahnwesen kommt dieses als Fixkostendegression
38
bezeichnete Phänomen
v.a. durch die einmalig zu errichtende Schieneninfrastruktur zum Tragen.
Auch stochastische Größenersparnisse tragen zur Senkung der Durchschnittskosten
bei, denn je größer ein Unternehmen ist, desto leichter kann es zufallsbedingte
Ereignisse kalkulieren.
39
Besitzt ein Eisenbahnbetreiber lediglich einen einzigen
Triebwagen, so kann die Bevorratung von Ersatzteilen problematisch sein. Während
es sich ein kleines Unternehmen nicht leisten kann, teure, aber nur sehr selten
ausfallende Bauteile vorzuhalten, wird ein Bahnbetrieb mit hunderten von
Lokomotiven möglicherweise gleich mehrere Exemplare dieses Ersatzteils lagern
und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls von Lokomotiven
minimieren.
Die nachstehende Abbildung zeigt ein natürliches Monopol im Einproduktfall, d.h.,
das abgebildete Unternehmen produziert lediglich ein einziges Gut.
40
Würden zwei
Unternehmen (A und B) die insgesamt nachgefragte Menge (X
DK
) mit ihren
Teilmengen X
A
resp. X
B
herstellen, so müssten sie die Preise P
A
resp. P
B
fordern,
36
Theoretisch können subadditive Kostenfunktionen auch durch steigende Skalenerträge verursacht werden.
Eine Kostenfunktion weist steigende Skalenerträge auf, wenn eine proportionale Vermehrung sämtlicher
Produktionsfaktoren eine überproportionale Erhöhung des Output bewirkt. Steigende Skalenerträge besitzen
jedoch einen eher hypothetischen Charakter, denn es ist unwahrscheinlich, dass eine Steigerung des Output
durch die proportionale Erhöhung aller Produktionsfaktoren herbeigeführt wird (vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S.
184). Da sie aus diesem Grund in der Realität nur selten zu beobachten sind, soll auf sie in dieser Arbeit
nicht näher eingegangen werden. Zum formalen Nachweis, dass steigende Skalenerträge zu Subadditivität
führen vgl. B
AUMOL
,
W
ILLIAM
J.: "On the Proper Cost Test for Natural Monopoly in a Multiproduct Industry"; in:
American Economic Review, Vol. 67, 1977, S. 809-822, hier: S. 813.
37
Auf dynamische Größenvorteile (z.B. Erfahrungskurven-Effekte), die theoretisch ebenfalls zum Entstehen
eines natürlichen Monopols führen können, soll nicht näher eingegangen werden, weil ihnen im
Eisenbahnwesen keine besondere Bedeutung zufällt.
38
Vgl. R
ODI
, S. 23.
39
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 181.
40
Auf die Subadditivität von Kostenfunktionen im Mehrproduktfall wird weiter unten in diesem Abschnitt
eingegangen.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
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um ihre Durchschnittskosten zu decken. Da jedoch der kostendeckende Preis des
Monopolisten (P
DK
) geringer ist als die Preise P
A
und P
B
, ist keine Konstellation
gesamtwirtschaftlich effizienter als die Befriedigung der gesamten Nachfrage durch
einen einzelnen Produzenten.
DK
P
X
DK
Menge (X)
Nachfrage (D)
Durchschnitts-
kosten (DK)
P
DK
P
A
X
B
P
B
X
A
0
Abb. 1: Natürliches Monopol im Einproduktfall
41
Subadditivität führt immer zu einer Konzentration auf der Angebotsseite. In den
meisten Fällen ist sie nicht allzu stark ausgeprägt und es kommt zu einem Oligopol,
d.h. auf der Anbieterseite bestehen nur wenige Anbieter.
42
Ob tatsächlich ein
natürliches Monopol entsteht, hängt nun von der Ausprägung der angeführten
Faktoren und dem Verlauf der blau gekennzeichneten Nachfragekurve (D) ab. Dass
ein Unternehmen das gesamte Angebot am kostengünstigsten herstellen kann, stellt
einen Extremfall dar ­ wenn er auch oft für den schienengebundenen Verkehr
angenommen wird.
43
In der Realität stellen Unternehmen jedoch i.d.R. nicht ein Produkt, sondern mehrere
Produkte her. Analog zur bisherigen Schilderung liegt auch im Mehrproduktfall ein
natürliches Monopol vor, wenn die Gesamtkostenfunktion subadditiv ist. Vorteile
erwachsen hier nicht aus den individuellen Kostenfunktionen der einzelnen Produkte,
sondern aus ihrer Kombination.
44
Diese als Verbundvorteile bezeichneten
Nutzeneffekte erwachsen aus der Kostenkomplementarität verschiedener Produkte
41
Eigene Darstellung in Anlehnung an F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 181.
42
Sprechen sich die Anbieter eines Oligopols untereinander ab, kommt es zu ähnlichen Marktergebnissen wie
im Monopolfall. Diese Absprachen sind jedoch wettbewerbswidrig und werden in China vom §4, 7 der
"Vorläufigen Regeln gegen Monopole und unlauteren Wettbewerb" vom 5. Juli 1988 (Diskussionsentwurf)
unter Strafe gestellt. Vgl. C
HENG
,
J
IANYING
: Marktbeherrschende Staatsunternehmen in der VR China ­
Rechtstellung und Reform, Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 1993, S. 135-141.
43
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 178.
44
Vgl. ebenda, S. 188.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 12
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und lassen es effizienter sein, alle Produkte in nur einem Unternehmen
herzustellen.
45
Den Ursprung von Verbundvorteilen kann man sich anhand eines Beispiels aus dem
Eisenbahnwesen, nämlich der gemeinsamen Nutzung von Schienenwegen,
vergegenwärtigen. Auf Schienen lassen sich sowohl Passagiere als auch
Frachtstücke transportieren. Wäre es bei separater Leistungserstellung notwendig,
die Kapazitäten für jeden Transportbereich einzeln aufzubauen, könnte bei der
Verbundproduktion die Anzahl bestimmter Anlagen geringer gehalten werden; sofern
die Schienenkapazität nicht vollständig ausgelastet ist, braucht man sie im
Bahnbetrieb möglicherweise nur einmal zu errichten.
46
Abb. 2 zeigt das entstehende Kostengebirge von zwei Gütern (X
1
und X
2
), die über
komplementäre Kostenstrukturen verbunden sind. Die individuellen Kostenfunktionen
K(X
1
) und K(X
2
) weisen ein erhebliches Maß an Subadditivität auf, was durch die
Konkavität der roten Kurve {X
1
=0; X
2
} und der blauen Kurve {X
1
; X
2
=0} zum Ausdruck
kommt. Die Vorteile einer Verbundproduktion werden geometrisch sichtbar, wenn
man sich entlang des (schwarzen) konvexen Querschnitts der Outputstrahlen zum
Kostenminimum (Güterkombination M) bewegt.
47
Gut 1
K
X
1
K (X
1
+X
2
)
K (X
2
)
K (X
1
)
X
2
Gut 2
0
M
Abb. 2: Verbundvorteile im Mehrproduktfall
48
45
Auch für den Mehrproduktfall kann formal gezeigt werden, dass die subadditive Kostenfunktion die
hinreichende Bedingung für ein Vorliegen eines natürlichen Monopols erfüllt. Dieser Nachweis ist jedoch
etwas komplizierter als für den Einproduktfall, weil die Verbundvorteile möglicherweise durch
Größennachteile überkompensiert werden können. Für den Nachweis vgl. R
ODI
, S. 26.
46
Weitere Verbundvorteile im Mehrproduktfall können aus einer Kuppelproduktion (d.h. die Herstellung eines
Gutes führt zwangsläufig zur Herstellung eines zweiten, veräußerbaren Gutes), aus Portfolioeffekten oder
Risikopoolung bei der Forschung und Entwicklung erwachsen. Vgl. ebenda, S. 28.
47
Vgl. ebenda, S. 29.
48
Eigene Darstellung in Anlehnung an R
ODI
, S. 28.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 13
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Verbundvorteile allein können nie ein natürliches Mehrproduktmonopol etablieren;
erst wenn gleichzeitig Größenvorteile hinzutreten, entsteht ein natürliches Monopol.
49
Allgemein ist das Entstehen eines natürlichen Monopols also an die Bedingung
geknüpft, dass die individuellen Kostenvektoren sinken und dass der Schnitt
zwischen ihnen bei jedem Outputniveau konvex gekrümmt ist.
50
Nur wenn diese
Bedingung erfüllt ist, kann ein Unternehmen den Output gesamtwirtschaftlich
günstiger erstellen als mehrere Unternehmen.
Abschließend sei festgehalten, dass ein natürliches Monopol nicht im Zeitablauf
Bestand haben muss. Sich erschöpfende Größenvorteile oder ein Anstieg der
Marktnachfrage können dazu führen, dass ein natürliches Monopol obsolet wird und
der Markt Platz für mehrere Anbieter bietet. In diesem Fall stellt Wettbewerb einen
stabilen Zustand dar. Die Frage, ob die chinesische Eisenbahn möglicherweise ein
natürliches Monopol darstellt, greift Abschnitt 3.4 im Anschluss an die Analyse der
wirtschaftlichen Situation und der Wettbewerber der Bahn auf.
2.3 Wirtschaftspolitische Konsequenzen natürlicher Monopole
Wie aufgezeigt, führen bestimmte Kostenstrukturen dazu, dass nur ein Unternehmen
am Markt bestehen kann. Natürlichen Monopolen inhärent ist die bei
marktbeherrschenden Unternehmen häufig existierende Gefahr einer Ausbeutung
der Nachfrageseite (Monopolrente). Wenn ein Monopolist vor dem Marktzutritt
anderer Anbieter geschützt ist, kann er seinen monopolistischen Preisspielraum
ausnutzen und seine Preise gewinnmaximal setzen.
51
Der Markt räumt dann bei
gesamtwirtschaftlich zu hohen Preisen, einem zu niedrigen Mengenniveau und/oder
zu schlechter Qualität auf der Angebotsseite. Dieser Sachverhalt nennt sich
Machtproblem (Defizitproblem).
Was kann der Staat unternehmen, um die negativen Wohlfahrtseffekte des
Machtproblems zu begrenzen? Nach dem wettbewerbstheoretischen Ansatz der sog.
Bestreitbarkeit der Märkte wird der Aktionsspielraum eines Monopolisten neben der
Subadditivität seiner Kostenfunktion von zwei weiteren Faktoren determiniert: der
49
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 188.
50
Vgl. R
ODI
, S. 28.
51
Ökonomisch exakt ausgedrückt maximiert ein Monopolist seinen Gewinn, wenn der Grenzerlös den
Grenzkosten entspricht. Mit anderen Worten wird er sein Angebot ausweiten, bis der Erlös jeder zusätzlich
produzierten Einheit dessen Stückkosten gerade entspricht. Zur Cournot-Preisbildung vgl.
F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 179, 190ff.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 14
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potenziellen Konkurrenz und der Substitutionskonkurrenz. Von ihnen hängt es ab, ob
das Marktverhalten des Monopolisten diszipliniert wird oder ob es ihm gelingt, die
theoretisch mögliche Monopolrente abzuschöpfen.
Das Ausmaß der potenziellen Konkurrenz wird durch die Möglichkeiten eines
Marktzutritts weiterer Unternehmen bestimmt.
52
Im
Rahmen
der
Marktzutrittsbarrieren ist der Begriff der versunkenen Kosten (sunk costs), also der
Wert der für den Markteintritt aufzubringenden und irreversiblen (nicht rückholbaren)
Kosten, von zentraler Bedeutung.
53
Sind Eisenbahnschienen einmal verlegt, lassen
sie sich nur für den Verkehr von Zügen auf einer einzigen Strecke verwenden. Bei
Aufgabe der Linie kann lediglich ein Liquidationserlös auf den Materialwert erzielt
werden, die Landerschließungs- und Konstruktionskosten sind "versunken".
54
Je
höher die versunkenen Kosten ausfallen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit
des Markeintritts eines Konkurrenten, weil es für ihn schwieriger wird, Gewinne zu
erzielen.
55
Das Machtproblem kann auch durch die Existenz verwandter Märkte begrenzt
werden (Substitutionskonkurrenz). Im chinesischen Verkehrssektor herrscht ein ­ je
nach Distanz und Art der Beförderungsobjekte (Fracht, Passagiere) unterschiedlich
stark ausgeprägter ­ intermodaler Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern
Eisenbahn, Straße, Luftverkehr und Binnenschifffahrt. Entstünde in einem Sektor ein
natürliches Monopol, das die Nachfrager auszubeuten versucht, könnten diese auf
andere Verkehrsträger ausweichen.
56
Die Substitutionskonkurrenz lässt sich über die
Kreuzpreiselastizität der Nachfrage messen: Je besser ein Gut (Gut 1) durch ein
anderes (Gut 2) ersetzt werden kann, desto stärker (kreuzpreiselastischer) reagiert
die nachgefragte Menge von Gut 1 auf Preisänderungen von Gut 2. Dies begrenzt
den monopolistischen Preissetzungsspielraum von Gut 1.
57
Die Notwendigkeit
wirtschaftspolitischer Eingriffe wird also im Wesentlichen durch zwei Faktoren
52
Ein Marktzutritt ist grundsätzlich möglich, wenn (1) keine administrativen Barrieren (z.B. Patente, technische
Standards), (2) keine strukturellen Barrieren (z.B. Zugang zu Vertriebskanälen, versunkene Kosten) und (3)
keine strategischen Barrieren (z.B. Limit-Qualitätsstrategie/-Preisstrategie) existieren. Vgl. P
FÄHLER
,
W
ILHELM
/W
IESE
,
H
ARALD
: Unternehmensstrategien im Wettbewerb ­ Eine spieltheoretische Analyse, Berlin­
Heidelberg: Springer, 1998, S. 35.
53
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 202.
54
Anhand dieser Eigenschaft lassen sich versunkene Kosten von Fixkosten abgrenzen: Die Kosten von
Bahnhofsgebäuden bspw. entstehen weitgehend unabhängig von der Streckenbeanspruchung, aber bei
einer Stillegung der Bahnverbindung kann das Gebäude mit relativ geringem Aufwand einer anderen
Nutzung (z.B. Fabrik, Dienstleistungsgebäude) zugeführt werden. Insofern sind bei einer Stilllegung von
Strecken für die Bahnhofsgebäude trotz möglicherweise hoher Fixkosten nur geringe versunkene Kosten zu
veranschlagen. Vgl. ebenda.
55
Ob der Markteintritt tatsächlich erfolgt, hängt außerdem davon ab, welches Verhalten der Neuling vom
etablierten Unternehmen erwartet. Macht der Monopolist glaubhaft, dass er seine Preise senken wird, und
signalisiert er seine Bereitschaft zu einem ruinösen (nicht kostendeckenden) Wettbewerb, kann er den Eintritt
möglicherweise abschrecken (sog. deterred entry). Vgl. P
FÄHLER
/W
IESE
,
S. 164.
56
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 205.
57
Vgl. R
ODI
, S. 33.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
Seite 15
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determiniert: Auf der einen Seite durch die Ausprägung der Subadditivität und auf der
anderen Seite durch die Bestreitbarkeit der Märkte sowie die Substitutionskonkurrenz.
Abhängig von ihrem Verhältnis zueinander unterscheidet man drei
wirtschaftspolitische Handlungsfelder: Erstens Maßnahmen zur Verhinderung einer
Monopolisierung in Märkten mit einer hohen Ausgangskonzentration
58
, zweitens
Maßnahmen, die auf die Bestreitbarkeit des Marktes abzielen, und drittens
schließlich die Regulierung von Preissetzung, Produktqualität und Geschäftsgebaren.
Da die chinesische Regierung sollte sich das Eisenbahnwesen als natürliches
Monopol erweisen auf diese Maßnahmen zurückgreifen muss, sollen jene im
Folgenden näher erörtert werden.
Wenn sich Marktversagen infolge von Subadditivität durch die Bestreitbarkeit der
Märkte aufheben lässt, besteht eine Lösungsmöglichkeit des Problems darin, die
Märkte für Eintrittswillige möglichst offen zu halten. Hierzu könnten vom Staat einst
errichtete Restriktionen abgeschafft und den Markteintritt erschwerende Maßnahmen
des Etablierten verboten werden.
59
Die Beschränkung des Marktzugangs, durch die
der tatsächliche und potentielle Wettbewerb als wesentliche Kraft zur Disziplinierung
des Monopolisten ausgeschaltet wird, stellt ohnehin einen massiven Eingriff in das
Marktgeschehen dar.
60
Parallel zu diesen auf die Bestreitbarkeit des Marktes abzielenden Maßnahmen, oder
auf ihnen aufbauend, können nicht oder nur schwer bestreitbare natürliche Monopole
reguliert werden. Auseinandersetzungen zwischen dem Monopol und der staatlichen
Regierungsbehörde sind dabei auf Grund von Interessenkonflikten allerdings
vorprogrammiert. Von mehreren Dimensionen, an denen die staatliche Regulierung
ansetzen kann, ist in dieser Arbeit vor allem die Eingrenzung des Aktivitätsbereiches
eines natürlichen Monopols relevant.
61
58
Eine "hohe Konzentration des Marktes" bezeichnet eine Situation, in der nur wenige Anbieter die gesamte
Marktnachfrage bedienen (sog. enges Oligopol). In engen Oligopolen erhöht Subadditivität den Anreiz der
Anbieter, sich untereinander abzusprechen. Wie bereits erwähnt wurde, können diese Absprachen zu einem
monopolistischen Marktergebnis führen. Maßnahmen, die eine Monopolisierung in Märkten mit hoher
Ausgangskonzentration verhindern sollen, werden von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen, weil die
chinesische Eisenbahn ein bereits existierendes Monopol darstellt. Grundsätzlich denkbar wären hier die
Unterbindung von Kartellabsprachen, ein Verbot der Ausnutzung von Marktmacht und eine strenge
Fusionskontrolle. Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 234-239.
59
Z.B. wird in vielen Regionen Chinas Unternehmen aus "fremden" Provinzen die Markteintrittsgenehmigung
verwehrt. Vgl. B
ROADMAN
,
H
ARRY
G.: "The Chinese State as Corporate Shareholder"; in: Finance &
Development, September 1999, Vol. 36, S. 52-55, hier: S. 54.
60
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 216-218.
61
Neben der Eingrenzung des Aktivitätsbereiches eines natürlichen Monopols kann der Staat auf die
Möglichkeit einer Preisregulierung, einer zeitlich befristeten Versteigerung des Monopols, der Schaffung einer
gegengewichtigen Marktmacht und auf Vorgaben hinsichtlich Qualität, Leistung und Geschäftgebaren
zurückgreifen. Vgl. ebenda, S. 218-234.

Einzel- und gesamtwirtschaftliche Grundlagen
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Auf Grund der drohenden Wohlfahrtsverluste im Monopolfall (s.o.) sollte sich der
Aktivitätsbereich eines natürlichen Monopols möglichst stark auf den durch
subadditive Kostenfunktionen gekennzeichneten Sektor beschränken. Um eine
Ausdehnung des Monopols über die absolut notwendigen Grenzen hinaus zu
verhindern, kann die Wettbewerbsbehörde ihm alle Aktivitäten auf vor- und
nachgelagerten Märkten verbieten.
62
Dem Monopolunternehmen kommt dann die
Rolle eines sog. common carriers zu, d.h. eines Anbieters, der seine Leistungen den
nachgelagerten Märkten nicht-diskriminierend zur Verfügung stellt. Aus diesem
Grund wird oft gefordert, die Netzinfrastruktur vom Betrieb zu trennen und dem
Infrastrukturbesitzer die Operation auf eigenen Strecken zu verbieten. Regelmäßig
setzt der von dieser Argumentation betroffene Monopolist entgegen, es gäbe dabei
Verbundvorteile mit den Aktivitäten auf anderen Märkten (s. Abb. 2), welche die
Bereitstellung der Gesamtleistung unnötig verteuerten. Empirische Untersuchungen,
die diesen "Trade-off" zwischen der Ausdehnung des Monopols über seine
"natürlichen" Grenzen hinaus und dem Wohlfahrtsverlust durch nicht realisierte
Verbundvorteile abzuwägen versucht haben, kamen zu divergierenden Ergebnissen.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Diskussion über
staatliche Handlungsmöglichkeiten oft das Argument des sog. Politik- oder
Staatsversagens angeführt wird. Das Lager, das sich grundsätzlich gegen Eingriffe in
das Marktgeschehen ausspricht, verweist auf die mangelnde Lösungskompetenz des
Staates: Wenn der Markt ein Versagen nicht selbst zu lösen vermöge, könne es auch
die Regierung nicht.
63
Für das chinesische Eisenbahnwesen soll im Anschluss an die Darstellung der
Wettbewerbssituation konkret nach Anhaltspunkten gesucht werden, ob Teile des
Eisenbahnsektors Marktkräften überlassen werden können und ein Rückzug der
Regierung aus der Erstellung von Transportleistungen Potentiale der
Effizienzsteigerung bietet.
64
62
Vgl. F
RITSCH
/W
EIN
/E
VERS
, S. 219.
63
Vgl. ebenda, S. 354.
64
Siehe Abschnitt 3.4.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 17
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
3 Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
3.1 Institutioneller Aufbau
Die Schilderung des institutionellen Aufbaus des Eisenbahnwesens soll mit seiner
Einbindung in das politische System der VR China beginnen. Die hier maßgebliche
Institution des Eisenbahnministeriums ist eines von 29 Organen auf Ministerialebene
im Äußeren Kabinett. Es ist der Ständigen Konferenz des Staatsrates (
­ guowuyuan changwu huiyi), im Folgenden kurz: Staatsrat, unterstellt, der aus
dem Ministerpräsidenten, seinen vier Stellvertretern sowie fünf Staatsrats-
kommissaren besteht.
65
Im nachstehenden Schaubild ist ­ in einer Momentaufnahme
für Ende Mai 1998 ­ die Einbettung des Eisenbahnministeriums in die
Zentralregierung dargestellt. Der rot markierte Pfad verdeutlicht, dass das
Eisenbahnministerium als sog. Organ mit speziellen Regulierungskompetenzen in
der Hierarchie direkt dem Staatsrat unterstellt ist.
Ständige Konferenz
des Staatrsates
Organe mit spezieller
Regulierungskompetenz
Organe mit makroökonomischen
Koordinationskompetenzen
Organe für Soziales
Ministerium für das
Eisenbahnwesen
Ministerium für das
Verkehrswesen
Ministerium für
das Bauwesen
Staatliche Kommission
für Entwicklungsplanung
Finanzministerium
Zentralbank
(Chinesische Volksbank)
Ministerium für Arbeit
und soziale Sicherheit
Ministerium für Bildung
Ministerium für Wissenschaft
und Technologie
Organe für auswärtige
Angelegenheiten
Organe für inner-
administrative Angelegenheiten
Organe für Bildung,
Wissenschaft und Kultur
Ministerium für Außenhandel und
wirtschaftliche Zusammenarbeit
Organe für Sicherheit
und Justiz
Organe mit umfassenden
Regulierungskompetenzen
Abb. 3: Einbindung des Eisenbahnministeriums in die chinesische Zentralregierung
66
65
Vgl. H
EILMANN
,
S
EBASTIAN
: "Die Reorganisation der chinesischen Zentralregierung 1998"; in: asienpolitik.de
(Veröffentlichungen des Zentrums für Ostasien-Pazifik-Studien, Universität zu Trier). Als elektronisches
Dokument abrufbar (10.10.2001) unter: http://www.asienpolitik.de/pdf/polsys2.pdf, S. 13.
66
Eigene Darstellung in Anlehnung an H
EILMANN
, S. 13. Die Abbildung zeigt nur einen Ausschnitt der
Zentralregierung, nämlich die von den Reformen im Eisenbahnwesen (Kapitel 4 und 5) berührten Ministerien.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
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Anders als bspw. für das zum "Superministerium" avancierte "Ministerium für Arbeit
und soziale Sicherheit" oder die geschwächten "Branchenministerien" hat sich für
das Eisenbahnministerium durch den im März 1998 vom Nationalen Volkskongress
verabschiedeten "Plan zur Reform der Organe des Staatrates" wenig verändert. Sein
hierarchischer Status als Organ des Staatsrates wurde nicht angetastet, und auch im
Hinblick auf seine Kompetenzen blieb es nahezu unberührt.
67
Als nächstes soll der Blick nach innen gerichtet und die Aufbauorganisation des
Eisenbahnministeriums betrachtet werden. Die Darstellung der hierarchischen
Struktur ist dabei an einigen Stellen etwas kürzer gefasst, um sie zusammenhängend
mit den von der Eisenbahnreform hervorgerufenen Veränderungen in Abschnitt 4.2
zu behandeln.
Statisch betrachtet herrscht im Eisenbahnministerium ein strukturelles Chaos. Wie im
vierten Kapitel anhand eines konkreten Beispiels dargestellt werden wird,
überschneiden sich die Kompetenzen vieler Abteilungen,
68
was bei rd. 1,6 Mio.
(1999)
69
in der Verwaltung beschäftigten Mitarbeitern zu einem unvorstellbaren
prozessualen Durcheinander führen muss. Als würde die statische Komplexität nicht
genug Probleme bereiten, ist das Eisenbahnministerium mindestens seit den 1990er
Jahren von einer Dynamik erfasst, die ihresgleichen sucht: Bald monatlich entstehen
neue Abteilungen, die alte ersetzen oder ergänzen, zum Teil mit ihnen "kombiniert"
oder "ausgegliedert" werden und sich in der Hierarchie mal hinauf, mal hinab
bewegen.
70
Welche Zeitpunkte sind für die Analyse der institutionellen Reform maßgeblich?
Mehrere Tatsachen erschweren die Entscheidung: Zum einen wurden die relevanten
organisatorischen Modifikationen über einen längeren Zeitraum geplant, getestet und
implementiert. Es reicht also nicht aus, allein die Monate um den Kern der Reform
(z.B. Januar bis Dezember 1998) zu betrachten. Zum anderen ist es sehr schwierig,
verlässliche Organigramme des Eisenbahnministeriums zu erhalten. Die
67
Vgl. H
EILMANN
, S. 1, 13.
68
Vgl. W
ANG
Q
IANQING
: "Tiedaobu jigougaige hou de zhineng peizhi yu neishe jigou" (Funktionsallokation und
Organisationsstruktur des Eisenbahnministeriums nach der Organisationsreform); in: Zhongguo Tielu (Die
chinesische Eisenbahn), 8/1998, S. 1-3, hier: S. 3.
69
Vgl. Zhongguo jiaotong nianjian, tongji ziliao huibian 1986 nian ­ 2000 nian (Statistisches Jahrbuch des
chinesischen Transportwesens, Sammlung der statistischen Daten für die Jahre 1986 bis 2000), S. 86; vgl.
C
HEN
,
S
HAW
/L
E
,
C
AMNHUNG
/S
HUN
,
S
HUYU
: "China's Railroad Industry"; in: Industry Sector Analysis
(Veröffentlichungen des Department of State, USA). Als elektronisches Dokument abrufbar (10.10.2001)
unter: http://www.tradeport.org/ts/countries/china/isa/isar0035.html.
70
Vgl. W
ANG
Q., S. 3.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 19
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Ausführungen zur Organisationsstruktur beziehen sich aus den beiden genannten
Gründen vornehmlich auf die Jahre 1995 und 2001.
71
Bei der Darstellung der
organisatorischen Struktur und der ministeriellen Funktionen soll an dieser Stelle
nicht ins Detail gegangen werden, weil sie im Rahmen der Reformanalyse (Abschnitt
4.2.2) noch einmal behandelt werden und es sinnvoll erscheint, dem heutigen
Zustand mehr Beachtung beizumessen als der Situation von 1995.
Abb. 4 (S. 21) zeigt, dass das Eisenbahnministerium für die Erfüllung sehr
unterschiedlicher Aufgaben aus allen Bereichen des Eisenbahnwesens
verantwortlich zeichnet, u.a. für die strategische Planung der Infrastrukturentwicklung,
die Produktion des Rollmaterials und die operative Steuerung einzelner Züge. An
seiner Spitze steht der Eisenbahnminister F
U
Z
HIHUAN
(seit 1998, zuvor H
AN
Z
HUBIN
),
der von drei Vizeministern, dem Leiter der Produktion und einem Chefingenieur
vertreten bzw. unterstützt wird. Diese fünf Führungskräfte standen 1995 den 24
funktionalen Abteilungen vor, die entsprechend den vom Eisenbahnministerium
identifizierten 24 wichtigsten Aufgaben gebildet wurden.
72
Vier Organisationseinheiten sind ob ihrer Bedeutung dem Eisenbahnminister direkt
unterstellt. Unter ihnen nimmt das "Sekretariat" (
­ bangong ting) die wohl
bedeutendste Position ein, denn es ist für die Koordination der Arbeit zwischen den
einzelnen Abteilungen zuständig. Außerdem formuliert es eine einheitliche (politische)
Linie und entwirft in diesem Sinne zentrale Vorlagen und Strategien zur
Verbesserung der ideologischen Gesinnung im Eisenbahnwesen.
73
Bei den drei
weiteren Abteilungen der zweiten Hierarchieebene handelt es sich um das "Büro für
öffentliche Sicherheit" (
­ gong'an ju), die "Abteilung für die Reform des
Eisenbahnsystems" sowie die "Abteilung für internationale Kooperation" (
­ guoji hezuo si). Von letzterer Abteilung gehen alle Aktivitäten aus, die Kontakte
über die Landesgrenzen hinaus erfordern. Außerdem überwacht sie die "Abteilung
für Auslandskapital und technische Importe".
71
Für den Zustand vor der Reform wird auf ein Dokument der Weltbank aus dem Dezember 1995
zurückgegriffen (T
HE
W
ORLD
B
ANK
,
T
RANSPORT
O
PERATIONS
D
IVISION
,
C
HINA AND
M
ONGOLIA
D
EPARTMENT
: China
­ Seventh Railway Project, Internal Staff Appraisal Report (No. 13795-CHA), Washington (D.C.): The World
Bank, 1995, S. 133ff.). Die schlechte Datenlage für die Zeit vor der Reform macht es erforderlich, bei der
Darstellung einiger Zusammenhänge unterstützend auf Beschreibungen zurückzugreifen, die sich auf einen
etwas späteren Zeitpunkt als 1995 beziehen.
72
Vgl. W
ANG
Q., S. 2.
73
Der Begriff bangong ting wird trotz der weit reichenden Kompetenzen mit seiner wortwörtlichen Übersetzung
"Sekretariat" wiedergegeben.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
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Parallel zu den funktionalen Abteilungen waren im Jahr 1995 12 regionale
"Eisenbahndirektionen" (
­ tiedao ju) angesiedelt, deren Zahl sich auf heute 14
erhöht hat: Harbin (5), Shenyang (9), Beijing (6), Zhengzhou (6), Jinan (3), Shanghai
(5), Guangzhou (5), Chengdu (3), Lanzhou (4), Urumqi (2), Hohhot, Liuzhou,
Nanchang und Kunming.
74
Die meisten Direktionen umfassen "Unterabteilungen" (
­ guanxia fenju),
75
deren jeweilige Anzahl oben in Klammern wiedergegeben
ist. Die Unterscheidung zwischen Direktionen, die Unterabteilungen umfassen, und
denen, bei welchen dieses nicht der Fall ist, wird im vierten und fünften Kapitel von
Bedeutung sein.
1995 war das Eisenbahnministerium außerdem für eine Vielzahl nicht-
transportrelevanter Aktivitäten verantwortlich. Die blau markierten Einheiten (s.
Abb. 4, S. 21) bezeichnen die Produktionsunternehmen: Mehr als 50 Fabriken, u.a.
35 Fabriken für Rollmaterial, sieben Fabriken für Schwellen und elf Fabriken für
sonstige Materialien. In der Grafik nicht erfasst, aber ebenfalls dem Nicht-
Transportbereich zuzuordnen, sind 7.000 Unternehmen des sog. diversifizierten
Wirtschaftssystems (
­ tielu duozhong jingying qiye), 4.700
Krankenhäuser und Kliniken, 11 Universitäten, 14 Forschungsinstitute, 140
technische Schulen sowie Grund- und Mittelschulen für die Kinder der Mitarbeiter.
Fünf großen Produktionsunternehmen fällt im Reformprozess eine besondere Rolle
zu. Es handelt sich um die C
HINA
R
AILWAY
L
OCOMOTIVE
&
R
OLLING
S
TOCK
I
NDUSTRY
C
ORPORATION
,
kurz: LORIC, (
­ zhongguo jiche cheliang
gongye zonggongsi), welche die Lokomotiven und Wagons der chinesischen
Eisenbahn herstellt. Mit 237.000 Mitarbeitern und einem Anlagevermögen von 26
Mrd. Yuan generiert LORIC einen Umsatz von 17 Mrd. Yuan (1998).
76
Seinen Bedarf im Signal- und Kommunikationsbereich
deckt das
Eisenbahnministerium durch die Produkte der C
HINA
R
AILWAY
S
IGNAL
&
C
OMMUNICATION
C
ORPORATION
(
­ zhongguo tielu tongxin
xinhao zonggongsi). Im Zentrum ihrer Tätigkeit steht die Entwicklung, Herstellung
74
Vgl. Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU GUOJI HEZUOSI
(A
BTEILUNG FÜR INTERNATIONALE
Z
USAMMENARBEIT
DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
),
S. 34.
75
Vgl. ebenda, S. 15.
76
Vgl. ebenda, S. 67 sowie T
HE
W
ORLD
B
ANK
,
T
RANSPORT
O
PERATIONS
D
IVISION
,
C
HINA AND
M
ONGOLIA
D
EPARTMENT
, S. 133.

Seit
e 21
Eisenbahnminister
Leiter der Produktion
Chefingenieur
7 Fabriken
China Railway Signal &
Communication Corporation
Transportbüro
Rollmaterialbüro
Infrastrukturbüro
12 regionale Eisenbahndirektionen
Büro für Signal- und
Kommunkationswesen
Büro für Tranportsicherheit
China Railway Civil
Engineering Corporation
Büro für
öffentliche Sicherheit
Vizeminister
Finanzabteilung
Personalabteilung
Interne Revision
China Railway
Materials Corporation
11 Fabriken
Abteilung für Wissenschaft
und Technologie
Abteilung für
Informationstechnologie
Schätzungskommission
Abt. für Auslandskapital
und technische Importe
Chef-
Ökonom
Vizeminister
5 Forschungsinstitute
14 Konstruktionsbüros
Abteilung für
Brückenkonstruktion
Abteilung für
Elektrifizierung
Abteilung für
Tunnelkonstruktion
Abteilung für
Fabrikkonstruktion
China Railway
Construction Corporation
Vizeminister
Abteilung für Bildung
und Gesundheit
Kommissariat
Krankenhäuser
China Railway Locomotive &
Rolling Stock Industrial Corp.
35 Fabriken
Abteilung für die Reform
des Eisenbahnwesens
Sekretariat
Abteilung für
internationale Kooperation
Planungs- und
Statisitkabteilung
Hauptabteilung für
Baukonstruktionen
Zentrum für Vermögensfragen
A
b
b
.
4:
O
rg
an
ig
ramm d
e
s
Eis
en
b
ah
n
m
in
ist
e
riu
m
s (
1995)
77
77
Eigen
e D
a
rst
e
llung
. D
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a
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das
s v
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R
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ent
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Sc
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W
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HE
W
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B
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,
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RANSPORT
O
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D
IV
IS
IO
N
,
C
H
INA
AND
M
ON
G
O
L
IA
D
EPARTM
ENT
, S. 133) un
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e
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on Arti
kel
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de
s M
agaz
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Zh
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esi
sch
e
Ei
sen
bahn
, s.
Lit
e
ratu
rv
erz
e
ichni
s).
Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 21

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 22
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und Installation von Kommunikationstechnologien, u.a. Satelliten und fiberoptische
Kabel. Im Jahr 1998 erzielte das Unternehmen mit Umsätzen von 1,8 Mrd. Yuan
einen Gewinn von 25 Mio. Yuan.
78
Die Baukonstruktion der Eisenbahn wird von zwei Produktionsunternehmen
durchgeführt: der C
HINA
R
AILWAY
C
IVIL
E
NGINEERING
C
ORPORATION
(
­ zhongguo tielu gongcheng zonggongsi) und der C
HINA
R
AILWAY
C
ONSTRUCTION
C
ORPORATION
(
­ zhongguo tiedao jianzhi zonggongsi). Beide
Unternehmen agieren auf nationaler Ebene und überlassen kleinere Projekte lokalen
Bauunternehmen. Obwohl die CRCEC
mit ihren 260.000 Mitarbeitern (1998) mehr
als doppelt so groß ist wie die CRCC
(98.000 Beschäftigte), entsprechen sich ihre
Umsätze mit 21 Mrd. Yuan resp. 23 Mrd. Yuan in etwa.
79
Über die Größe und
Betätigungsfelder der C
HINA
R
AILWAY
M
ATERIALS
C
ORPORATION
(
­ zhongguo tielu wuzi zonggongsi) sind keine Angaben verfügbar, so dass auf sie
nicht näher eingegangen werden kann.
3.2 Wirtschaftliche Situation der Eisenbahn
Mit 3,34 Mio. Mitarbeitern (1997) ist die chinesische Eisenbahn das weltweit größte
Beförderungsunternehmen und wird, an der Transportleistung gemessen, nur durch
das US-amerikanische Eisenbahnsystem übertroffen. Es ist hinreichend bekannt,
dass Institutionen dieser Größe eine starke Tendenz zur Ineffizienz innewohnt. Doch
was genau sind die Faktoren, die eine Reform angestoßen haben? In diesem
Abschnitt werden die ökonomischen und physischen Grunddaten bzw. Indikatoren
geliefert, auf die sich die Analyse der Reform stützt (Kapitel 4 und 5). Eine
eingehende Betrachtung gebietet sich aus zwei Gründen: Zum einen erklärt die
aktuelle Situation den Handlungsbedarf der Bahn und damit die Motivation zu
Reformen. Zum anderen können die angestellten Vergleiche zu Reformen in anderen
Ländern nur dann seriös interpretiert werden, wenn die Hauptunterschiede zwischen
den Systemen bekannt sind.
78
Vgl. Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU GUOJI HEZUOSI
(A
BTEILUNG FÜR INTERNATIONALE
Z
USAMMENARBEIT
DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
),
S. 79.
79
Vgl. ebenda,
S. 62f.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 23
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Die Analyse der Situation im Eisenbahnwesen wird hierbei zweckmäßigerweise für
seine betrieblichen Komponenten, die Infrastruktur und den Betrieb, getrennt
vorgenommen.
80
Die beiden Bereiche lassen sich problemlos voneinander
abgrenzen, so dass ihre Besonderheiten im Folgenden isoliert herausgestellt werden
können. Den Werten der fundamentalen Größen werden dabei internationale Werte
gegenübergestellt, um eine Interpretation erleichtern.
3.2.1 Schienennetz
Da das zentrale Merkmal von Eisenbahnen ihre Bindung an Trassen ist, soll
zunächst ein Blick auf die Entwicklung und Größe der Infrastruktur geworfen werden.
Das erste schienengebundene Verkehrsmittel mit Dampfantrieb nahm 1876 auf der
Strecke Shanghai­Wusong seinen Betrieb auf und markiert, obwohl die 14 km
messende Trasse bereits ein Jahr später zerstört wurde,
81
den Beginn der
chinesischen Eisenbahngeschichte. In der späten Qing-Dynastie (1644-1911) und
der Republik China (1912-1949) wurde dem Eisenbahnwesen nur eine geringe
Bedeutung beigemessen, so dass der Ausbau des Netzes schleppend verlief und
Ende 1949 gerade einmal 22.000 Schienenkilometer auf dem Festland verlegt
waren.
82
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bau zu 90% mit
ausländischem Kapital finanziert wurde.
83
Der größte Teil des Schienennetzes entstand erst im sozialistischen China, in den
Jahren nach 1949. Obwohl manche der damaligen Entscheidungen zur heutigen
Situation geführt haben, wird auf Grund der zeitlichen Entfernung zum
Untersuchungsgegenstand auf die frühen Phasen nicht näher eingegangen. Es soll
80
Auf Grund der untergeordneten Bedeutung für die Gesamtsituation der Eisenbahn soll auf das
Kommunikations- und Signalwesen an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Abschnitt 4.2.4 befasst
sich näher mit den Informations- und Steuersystemen, die im Rahmen der Reform implementiert wurden.
81
Vgl. R
EID
,
A
LAN
S
COTT
: The Woosung Road ­ The Story of the First Railway in China 1875­1877, Suffolk (GB)
1977, S. 2 sowie J
IN
X
I
: Zhongguo tielu shihua (Die Geschichte der chinesischen Eisenbahn), Hongkong:
Zhonghua shuju Xianggang fenju (Hongkonger Büro des Chinesischen Nationalverlags), 1977, S. 3-5.
82
Vgl. Zhongguo jiaotong nianjian, tongji ziliao huibian 1986 nian ­ 2000 nian (Statistisches Jahrbuch des
chinesischen Transportwesens, Sammlung der statistischen Daten für die Jahre 1986 bis 2000), S. 3. Für
eine Darstellung der historischen Entwicklungen bis 1949 vgl. Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU
DANG
'
AN SHIZHI ZHONGXIN
(Z
ENTRALES
G
ESCHICHTSARCHIV DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
):
Xinzhongguo tielu wushinian (Fünfzig Jahre Eisenbahn im neuen China), Beijing: Zhongguo tiedao
chubanshe (Chinesischer Eisenbahnverlag), 1999, S. 2-42. Die Entwicklungen in der frühen VR China
beschreibt C
HAO
,
Y
UNG
S
EEN
: "Railways in Communist China"; in: Communist China Problem Research
Series, No. 4, Kowloon/Hongkong: T
HE
U
NION
R
ESEARCH
I
NSTITUTE
, 1955.
83
Vgl. Z
HONGHUA RENMIN GONGHEGUO TIEDAOBU GUOJI HEZUOSI
(A
BTEILUNG FÜR INTERNATIONALE
Z
USAMMENARBEIT
DES
E
ISENBAHNMINISTERIUMS DER
VR
C
HINA
),
S. 41.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 24
_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________
genügen festzuhalten, dass der Wiederaufbau der vom Bürgerkrieg zerstörten
Eisenbahnlinien mit einem groß angelegten Programm für den Südosten und
Nordwesten Chinas begann, wobei militärischen Transportbedürfnissen Priorität
eingeräumt wurde.
84
Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Entwicklung Chinas stieg
der Energiebedarf, der zu 76% durch Kohle gedeckt wird,
85
so dass der 6.
Fünfjahresplan (1981-85) das Ziel vorgab, die nordchinesischen Kohletransporte zu
fördern. Die Kapazitäten aller Strecken aus den Provinzen Shanxi, Henan, Hebei und
Heilongjiang wurden erhöht und Bahnlinien an wichtige Häfen angeschlossen. Der 7.
FJP (1986-90) legte den Schwerpunkt auf die Erhöhung der Geschwindigkeit und der
Achslast, während der 8. FJP (1991-95) erstmals auch im Eisenbahnwesen die
"Reform und Öffnung nach Außen" veranlasste, um "dem Ziel der sozialistischen
Marktwirtschaft schneller näher zu kommen"
86
. Für diese Arbeit ist v.a. die
Öffnungspolitik im Zeitraum ab 1990 von Bedeutung.
0
10
20
30
40
50
60
70
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
S
tr
ec
ken
ng
e
(1
.0
0
0 k
m
)
0%
10%
20%
30%
40%
A
nte
il am
G
esam
tn
e
tz
National
Joint-Venture
Lokal
doppelgleisig (r.S.)
elektrifiziert (r.S.)
Abb. 5: Entwicklung des chinesischen Schienennetzes
87
84
Vgl. W
ANG
L
INSHU
: "Past and Future Development of Chinese Railways"; in: Chinese Railways, Vol. 9 (2001),
No. 1, S. 17-22, hier: S. 18f.
85
Vgl. M
ARBER
,
P
ETER
N.: "Alleviating Motion Sickness: Transport Privatization Trends in Developing Countries";
in: Journal of International Affairs, Vol. 51 (1997), No. 2, S. 633-673, hier: S. 663.
86
W
ANG
L., S. 18f.
87
Eigene Darstellung. Daten: Siehe Anhang III-1.

Analyse des chinesischen Eisenbahnwesens
Seite 25
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Abb. 5 zeigt, dass das Schienennetz in den letzten zehn Jahren von 53.000 auf
58.000 km ausgebaut wurde. Mit heute 86% (1990: 92%) befindet sich der Großteil
der chinesischen Trassen im Eigentum der nationalen Eisenbahn. Die Länge der
Schienenwege, die lokalen Bahnlinien angehören, bemisst sich auf rd. 5.000 km;
dies stellt einen stabilen Anteil von etwa 10% in der letzten Dekade des 20.
Jahrhunderts dar. Seit 1996 dürfen auch JV Eisenbahnen eigene Trassen besitzen
und betreiben. Mit Zuwachsraten von mehr als 20% erreichten die 28 JV-Linien
88
1999 einen Marktanteil von ebenfalls rd. 10%. Die vom Eisenbahnministerium
geplante Förderung von JV Eisenbahnen legt die Vermutung nahe, dass die
Verlängerung der von JV Eisenbahnen betriebenen Strecken im Zusammenhang mit
der Verkürzung des Schienennetzes lokaler Eisenbahnen zu sehen ist.
89
Die absolute Länge des Schienennetzes beschreibt die Versorgung der Bevölkerung
mit Transportdienstleistungen nur schlecht, denn mit 58.000 Schienenkilometern
(China) lässt sich zwar ein kleines Land wie Deutschland (350.000 qkm) gut
versorgen, aber reichen sie auch für die Flächenerschließung eines Landes mit 9,3
Mio. qkm? Obwohl das Schienennetz nicht gleichmäßig über die gesamte
Landesfläche verteilt ist, kann ­ da dieser systemische Fehler für jedes Land gilt ­
die Relation von Schienennetz und Landesfläche doch einen ersten Eindruck der
allgemeinen Transportlage geben. Wie die Indikatoren in Abb. 6 deutlich zeigen, fällt
die Relation von Schiene und Landesfläche in den ausgewählten Ländern sehr
unterschiedlich aus. Chinas Länge des Schienennetzes von 6,2 km (1997) pro 1.000
qkm wird nur noch von Russland (5,1 km) unterboten und lässt sich kaum mit
Staaten wie Deutschland (116,7 km) oder Großbritannien (68,3 km) vergleichen.
Selbst in Indien, das von der Weltbank häufig als Vergleichsmaßstab gewählt wird,
90
steht der Bevölkerung ein dreifach längeres Trassennetz (21,2 km) zur Verfügung.
88
Vgl. W
ANG
C
HUNSHENG
: "Hezi tielu de fazhan ji jianyi" (Entwicklung von JV Eisenbahnen und Empfehlungen);
in: Zhongguo Tielu (Die chinesische Eisenbahn), 4/1996, S. 5-7, hier: S. 6.
89
Vgl. L
I
D
UANSHEN
: Developing Joint-Venture Railways; in: Chinese Railways, Vol. 1 (1993), No. 1, S. 11-14,
hier: S. 11.
90
Vgl. T
HOMPSON
,
L
OUIS
S./D
EBOECK
,
H
ENNIE
/S
PERO
,
R
ICHARD
: Railway Reform in China: The Great Railway
Challenge, Internal World Bank Paper Revised for Publication in Zhongguo Tielu, Washington (D.C.): The
World Bank, 1999, S. 1.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2002
ISBN (eBook)
9783836605007
ISBN (Paperback)
9783836655002
DOI
10.3239/9783836605007
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Sinologie, Lehrstuhl für Wirtschaft Chinas
Erscheinungsdatum
2007 (September)
Note
1,0
Schlagworte
china privatisierung verkehr reform wirtschaftspolitik
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Titel: Die Reform der chinesischen Eisenbahn
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