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Neue Ansätze und Entwicklungen im Projektmanagement

Die Bewältigung von Unbestimmtheiten und Grenzen der Planung

©2007 Diplomarbeit 122 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Problemstellung:
Beschäftigt man sich näher mit dem Thema des Projektmanagements, so begegnet man recht schnell einer Vielzahl an Fällen, in denen Projekte fehlgeschlagen sind. Allein im Internet erhält man durch die Eingabe der Schlagwörter „Projekt“ und „scheitern“ eine Fülle an Treffern: Unternehmensberatungen, Online-Fachzeitschriften sowie Forschungsinstitute berichten über die hohen Quoten gescheiterter Projekte. Dieser Umstand beschränkt sich dabei nicht nur auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich, wie anhand der folgenden Beispiele verdeutlicht werden kann:
Ein aktuelles Projekt, welches zwar nicht als gescheitert bezeichnet werden kann, allerdings von erheblichen Krisen erschüttert wird, ist das Airbus-Projekt des Großraumfliegers A380. Aufgrund von Produktionsproblemen kam es hier in der jüngsten Vergangenheit wiederholt zu Terminverschiebungen in der Auslieferung, die eine Abkehr von Kunden und einen enormen Kostenanstieg nach sich zogen. Auch in anderen Branchen lassen sich genügend aussagekräftige Beispiele für Fehlschläge bei der Projektdurchführung finden. Im Falle des mehrjährigen Projekts von Ford mit Oracle mit dem Namen „Everest“ zur Neugestaltung des Vertriebssystems nahmen die Schwierigkeiten ein solches Ausmaß an, das nach einem Verschleiß von 400 Mio. US Dollar die Rückkehr zum alten System bewirkt wurde und das Projekt folglich scheiterte.
Die Liste von Exempeln für Projekte, die ihre anfangs festgelegten Ziele zum Teil oder gänzlich verfehlt haben, könnte an dieser Stelle problemlos fortgeführt werden. Es entsteht der Eindruck, als seien Kostenexplosionen, Zeitverzögerungen oder Qualitätsdefizite zu einer fast unvermeidbaren und alltäglichen Begleiterscheinung von Projekten geworden. Die Gründe, die für solche Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden, beziehen sich dabei vorwiegend auf ungeeignete Methoden und Instrumente, unklare Ziele, mangelnde Kommunikation oder unrealistische Vorgaben. Diese und weitere Faktoren können Projekte zwar zum Scheitern bringen, der Grund, weshalb Projekte jedoch fehlschlagen müssen, liegt in dem mangelhaften Management von Komplexität und Dynamik. Oftmals werden diese Aspekte und die damit einhergehenden Unsicherheiten vom Management verkannt bzw. unzureichend wahrgenommen.
Eng damit verknüpft ist der feste Glaube, komplexe Projekte planmäßig abschließen zu können. Auch bei dem vorgenannten Beispiel von Airbus lässt sich eine solche Überzeugung aus den […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dirk Koch
Neue Ansätze und Entwicklungen im Projektmanagement
Die Bewältigung von Unbestimmtheiten und Grenzen der Planung
ISBN: 978-3-8366-0726-1
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2008
Zugl. Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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http://www.diplomica.de, Hamburg 2008
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DANKSAGUNG
II
DANKSAGUNG
An dieser Stelle möchte ich mich kurz bei all jenen Personen bedanken, die mich bei der
Anfertigung dieser Diplomarbeit persönlich als auch fachlich tatkräftig unterstützt haben.
An erster Stelle möchte ich mich bei Herrn Dipl. Ing. Andreas Friedrichs und Herrn Dipl. Ing.
Otto Werner für die Bereitstellung hilfreicher Informationen und die Erteilung konstruktiver
Ratschläge bedanken. Des Weiteren geht mein Dank an Herrn Prof. Dr. Böhle für die
engagierte Beantwortung all meiner Fragen auch über die normale Sprechstundenzeit hinaus.
Ganz besonderer Dank gebührt auch meinen Eltern, mit deren Unterstützung dieses Studium
überhaupt erst ermöglicht wurde, als auch meiner Freundin für ihre moralische Unterstützung
und ihr entgegengebrachtes Verständnis während der Bearbeitungszeit dieser Diplomarbeit.

INHALTSVERZEICHNIS
III
INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG ... II
INHALTSVERZEICHNIS...III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... V
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... VI
ANHANGSVERZEICHNIS... VII
1 EINLEITUNG... 1
1.1 Problemstellung und Zielfestlegung... 1
1.2 Aufbau der Arbeit... 2
2 KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT ... 4
3 WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT... 12
3.1 Vom Einzelprojekt zur Projektlandschaft ... 12
3.2 Zunehmende Internationalisierung und Vernetztheit von Projektarbeit ... 15
3.3 Umgang mit Unplanbarem als Normalfall ... 19
3.4 Stärkere Betonung von weichen Faktoren... 21
4 SYSTEMISCH-EVOLUTIONÄRES PROJEKTMANAGEMENT ... 23
4.1 Zentrale wissenschaftliche Grundlagen... 23
4.1.1 Konstruktivismus ... 23
4.1.2 Systemtheorie... 24
4.1.3 Evolutionstheorie ... 26
4.1.4 Selbstorganisatorische Ansätze... 27
4.2 Evolutionäre Planung und Zielsetzung... 29
4.3 Vernetztes Denken... 31
4.4 Rekursive Organisationsstrukturen ... 35
4.5 Das Drei-Ebenen-Modell des Managements... 36
4.6 Das Projekt als lernende Organisation auf Zeit ... 39
4.7 Stafford Bear's Team Syntegrity... 45
4.8 Vorgehensmodell nach Loch/De Meyer/Pich ... 50
5 TRANSMETHODISCHES PROJEKTMANAGEMENT... 57
5.1 Dynamik-robustes Management als Wettbewerbsvorteil... 57
5.2 Unterscheidungen im Projektmanagement... 58
5.3 ,,Höchstleister-Werkzeuge" für den Umgang mit komplexen
Dynamikproblemen ... 61

INHALTSVERZEICHNIS
IV
5.4 Das Verhältnis zwischen Projekt und Umwelt ... 63
5.4.1 Das widerständige Nest... 63
5.4.2 Schutzräume... 64
5.4.3 Struktur und Elemente des widerständige Nests... 65
6 AGILES PROJEKTMANAGEMENT ... 69
6.1 Was ist agiles Projektmanagement? ... 69
6.2 Zentrale agile Werte und Prinzipien... 70
6.2.1 Menschen und Zusammenarbeit vs. Prozesse und Werkzeuge... 70
6.2.2 Funktionsfähigkeit vs. umfassende Dokumentation ... 72
6.2.3 Kundeneinbindung vs. Vertragsverhandlungen... 74
6.2.4 Reaktionsfähigkeit vs. Planlastigkeit ... 76
6.3 Iterativ-Inkrementelle Vorgehensweise... 77
6.4 Agiles Projektmanagement am Beispiel von Scrum ... 82
6.5 Verbundprojekt ,,KONVOI" als Praxisbeispiel für eine agile Vorgehensweise ... 85
7 VIRTUOSES PROJEKTMANAGEMENT ... 89
7.1 Das Konzept des ,,Projektmanagements 2. Ordnung (PM-2)" ... 89
7.2 Das systemische Struktur- und Prozessmodell der Gestaltung und Lenkung
komplexer Vorhaben mit PM-2... 90
7.3 Die Pyramide des virtuosen Projektmanagements ... 92
7.3.1 Denkmodelle ... 93
7.3.2 Prozesse... 95
7.3.3 Werkzeuge ... 98
8 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK ... 100
ANHANG ... 102
LITERATURVERZEICHNIS ... 105

ABBILDUNGSVERZEICHNIS
V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Das Wasserfallmodell am Beispiel eines IT-Projekts... 7
Abbildung 2: Merkmale internationaler Projekte im Vergleich zu nationalen Projekten ... 18
Abbildung 3: Entwicklung der Projektstruktur unter Berücksichtigung von Komplexitäts-
und Dynamikgesichtspunkten... 20
Abbildung 4: Netzwerk des Projektes ,,Mobilink" mit zeitlichen Abhängigkeiten ... 33
Abbildung 5: Bezugsgrößen für ein integrales Management von Projekten ... 38
Abbildung 6: Das Team Syntegrity Ikosaeder...46
Abbildung 7: Das Syntegrations-Modell... 48
Abbildung 8: Beispiel eines Lernprozesses durch experimentellen Plan-Do-Check-Act
Zyklus ... 52
Abbildung 9: Wirkungsgrade von Unsicherheit und Komplexität, daraus abgeleitete
Vorgehensweisen im Projektmanagement... 56
Abbildung 10: Wichtige Unterscheidungen im Projektmanagement... 59
Abbildung 11: Jedes Projekt ist eine sich verändernde ,,Mischung" aus methodischen und
dynamischen Anteilen ... 61
Abbildung 12: Einteilung der Elemente des widerständigen Nests nach zwei
Unterscheidungen: temporär/permanent und innovativ/operativ ... 66
Abbildung 13: Die Zyklen einer agilen Entwicklung ... 79
Abbildung 14: Das systemische Modell zur Gestaltung und Lenkung komplexer Vorhaben
mit PM-2... 91
Abbildung 15: Die vier Seiten und drei Ebenen der Pyramide des virtuosen
Projektmanagements... 93
Abbildung 16: Vom Denkmodell zum systematischen Problemlösungsprozess ... 99

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CPM
Critical
Path
Method
DIN
Deutsche
Industrie-Norm
et.
al.
et
alteri
f.
folgende
FAZ
Frankfurter
Allgemeine
Zeitung
ff.
fortfolgende
F&E
Forschung
und
Entwicklung
GPM
Deutsche
Gesellschaft für Projektmanagement
Hrsg.
Herausgeber
IEEE
Institute of Electrical and Electronics Engineers
IPMA
International
Project Management Association
IT
Informationstechnologie
Lkw
Lastkraftwagen
Mio.
Millionen
MPM
Metra
Potential
Method
No.
Number
o.S.
ohne
Seite
o.V.
ohne
Verfasser
PDCA
Plan-Do-Check-Act
PERT
Program
Evaluation and Review Technique
PM
Projektmanagement
PMI
Project
Management
Institute
pp.
pages
S.
Seite(n)
sog.
sogenannt
USA
United States of America
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
www.
world
wide
web
z.B.
zum
Beispiel

ANHANGSVERZEICHNIS
VII
ANHANGSVERZEICHNIS
Anhang 1: Bestimmende Projektmanagement-Strategien und Projektinfrastruktur. ... 102
Anhang 2: Auszug aus den ,,Höchstleister-Werkzeugen"... 103
Anhang 3: Beispiele für konstruktive und destruktive Schutzräume ... 104

1. EINLEITUNG
1
1
EINLEITUNG
1.1
Problemstellung und Zielfestlegung
Beschäftigt man sich näher mit dem Thema des Projektmanagements, so begegnet man recht
schnell einer Vielzahl an Fällen, in denen Projekte fehlgeschlagen sind. Allein im Internet
erhält man durch die Eingabe der Schlagwörter "Projekt" und "scheitern" eine Fülle an
Treffern: Unternehmensberatungen, Online-Fachzeitschriften sowie Forschungsinstitute
berichten über die hohen Quoten gescheiterter Projekte. Dieser Umstand beschränkt sich
dabei nicht nur auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich, wie anhand der folgenden Beispiele
verdeutlicht werden kann:
Ein aktuelles Projekt, welches zwar nicht als gescheitert bezeichnet werden kann, allerdings
von erheblichen Krisen erschüttert wird, ist das Airbus-Projekt des Großraumfliegers A380.
Aufgrund von Produktionsproblemen kam es hier in der jüngsten Vergangenheit wiederholt
zu Terminverschiebungen in der Auslieferung, die eine Abkehr von Kunden und einen
enormen Kostenanstieg nach sich zogen (o.V. 2007a, o. S.; o.V. 2007b, o. S.). Auch in
anderen Branchen lassen sich genügend aussagekräftige Beispiele für Fehlschläge bei der
Projektdurchführung finden. Im Falle des mehrjährigen Projekts von Ford mit Oracle mit dem
Namen ,,Everest" zur Neugestaltung des Vertriebssystems nahmen die Schwierigkeiten ein
solches Ausmaß an, das nach einem Verschleiß von $400 Mio. die Rückkehr zum alten
System bewirkt wurde und das Projekt folglich scheiterte (vgl. Keefe 2004, o. S.).
Die Liste von Exempeln für Projekte, die ihre anfangs festgelegten Ziele zum Teil oder
gänzlich verfehlt haben, könnte an dieser Stelle problemlos fortgeführt werden. Es entsteht
der Eindruck, als seien Kostenexplosionen, Zeitverzögerungen oder Qualitätsdefizite zu einer
fast unvermeidbaren und alltäglichen Begleiterscheinung von Projekten geworden. Die
Gründe, die für solche Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden, beziehen sich
dabei vorwiegend auf ungeeignete Methoden und Instrumente, unklare Ziele, mangelnde
Kommunikation oder unrealistische Vorgaben. Diese und weitere Faktoren können Projekte
zwar zum Scheitern bringen, der Grund, weshalb Projekte jedoch fehlschlagen müssen, liegt
in dem mangelhaften Management von Komplexität und Dynamik. Oftmals werden diese
Aspekte und die damit einhergehenden Unsicherheiten vom Management verkannt bzw.
unzureichend wahrgenommen. Eng damit verknüpft ist der feste Glaube, komplexe Projekte
planmäßig abschließen zu können. Auch bei dem vorgenannten Beispiel von Airbus lässt sich

1.
EINLEITUNG
2
eine solche Überzeugung aus den Meldungen herauslesen. Die vorliegenden Daten und
Fakten sprechen allerdings eine andere Sprache. Unter dem Gesichtspunkt einer stetigen
Zunahme an Dynamik und Komplexität erscheint der Bedarf an alternativen Denk- und
Herangehensweisen im Projektmanagement als zwingend erforderlich. Daher macht es sich
diese Arbeit zur Aufgabe, im Rahmen neu diskutierter Ansätze solche optionalen Wege zur
Bewältigung von Unwägbarkeiten im Projektmanagement aufzuzeigen und dabei auch auf
ihre Praxistauglichkeit hin zu untersuchen. Des Weiteren sollen die Grenzen der Planung
dargelegt und bewusst gemacht werden.
1.2
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit untergliedert sich in acht Kapitel. Der Inhalt der einzelnen Abschnitte
soll im Folgenden kurz skizziert werden:
Einleitend werden in Kapitel 2 die zentralen Aspekte und Inhalte dargestellt, die das
Projektmanagement-Verständnis in Theorie und Praxis über die vergangenen Jahrzehnte
hinweg geprägt haben. Ausgehend von einem kurzen historischen Exkurs folgt die
Deskription der wesentlichen Charakteristika des als klassisch bezeichneten
Projektmanagements, wobei der Fokus auf die Rolle der Planung gelegt wird.
In Kapitel 3 werden die aktuellen Entwicklungen im Projektmanagement thematisiert und
herausgearbeitet. Dabei werden auch die Darlegungen des vorherigen Abschnitts aufgegriffen
und daraufhin untersucht, inwieweit sie sich im Lichte der veränderten Rahmenbedingungen
als praktikabel und nützlich erweisen. Dies bildet zudem die Ausgangsbasis für die weiteren
Ausführungen in dieser Arbeit.
Kapitel 4 stellt mit der Behandlung des systemisch-evolutionären Projektmanagements einen
Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Zunächst erfolgt eine kurze Erörterung der zentralen
wissenschaftlichen Grundlagen. Anschließend wird eine neue Perspektive der Planung und
Zielsetzung sowie eine ganzheitliche Denk- und Handlungsweise aufgezeigt. Des Weiteren
beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Abkehr von hierarchischen Strukturen, neuen Wegen
zur Förderung der organisationalen Intelligenz, der Präsentation eines gruppenbezogenen
Entscheidungsprozesses sowie Strategien zur Bewältigung von Unwägbarkeiten.
In Kapitel 5 werden die aus einer umfangreichen Studie eines Beratungsunternehmens
gewonnen Erkenntnisse zum erfolgreichen Umgang mit der Dynamik im Projektmanagement
wiedergegeben. Neben der Erläuterung sog. ,,Höchstleister-Werkzeuge", die sich vor allem

1.
EINLEITUNG
3
für das Managen von Projekten in einem dynamischen Umfeld eignen, werden auch die damit
zusammenhängenden Anforderungen an die Projektumgebung aufgezeigt.
In Kapitel 6 wird mit dem agilen Projektmanagement ein weiterer Kernpunkt dieser Arbeit
behandelt. Zu Beginn erfolgt eine Begriffsbestimmung, die anhand der Darlegung der ihr
zugrunde liegenden Werte und Prinzipien im Folgeteil eine Konkretisierung erfährt. Zur
Verdeutlichung erfolgt dabei auch ein Verweis auf mehrere Studien. Abgerundet wird dieser
Themenblock durch die Vorstellung eines Verfahrens zur Unsicherheitsbewältigung sowie der
Schilderung eines Praxisbeispiels.
Kapitel 7 greift die Überlegungen aus den vorherigen Abschnitten in großen Teilen auf und
stellt sie anhand eines Referenzmodells in einen gesamtheitlichen Kontext. Aufbauend darauf
wird unter dem Einsatz verschiedener Denkmodelle und Werkzeuge aus verschiedenen
Disziplinen ein systematischer Problemlösungsprozess entwickelt.
Kapitel 8 untersucht die unterschiedlichen Ansätze auf ihre komplementäre Ergänzung.
Zudem wird ein Ausblick in die Zukunft gewährt.

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
4
2
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
"Bei Beginn der Schlacht ist die eigentliche Aufgabe des
Befehlshabers bereits getan."
(Sun Tsu, zitiert in Mildenberger 2004, S.23)
Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über das dominierende Projektmanagement-
Verständnis der letzten Jahrzehnte. In der Literatur wird dieses meist unter dem Begriff des
klassischen Projektmanagements zusammengefasst. Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf
die Hauptmerkmale des klassischen Ansatzes, insbesondere auch auf die Planung, gesetzt.
Vor dem Hintergrund der Entstehung dieser als klassisch bezeichneten Denk- und
Herangehensweise im Projektmanagement ist es erforderlich, eingehend kurz auf dessen
Ursprünge hinzuweisen. Die Anfänge des Projektmanagements liegen in den großen
Militärprojekten der USA, darunter vor allem die Entwicklung der Atombombe im sog.
,,Manhattan Engineering District Project" von 1941 und den nach Ende des 2. Weltkriegs
anknüpfenden Großprojekten in der Luft- und Raumfahrt. Eng im Zusammenhang mit dem
frühen Einsatz von Projektmanagement stehen auch die Ansätze des Systems Engineering und
des Systems Analysis, welche in den 50er und 60er Jahren hauptsächlich für die Anwendung
im Bereich der Verteidigung und der Luft- und Raumfahrt entwickelt wurden (vgl. Yeo 1993,
S. 111 f.). In diesen Fällen war aufgrund der vorliegenden Komplexität und des enormen
Zeitdrucks, der den Projekten anhaftete ­ im Rahmen des US-amerikanischen Apollo-
Programms bestand er beispielsweise darin, die erste bemannte Mondlandung vor der
damaligen UdSSR durchzuführen ­ erstmals die Zusammenarbeit mehrerer Experten aus
verschiedenartigen Disziplinen erforderlich. Diese Umstände stellten neue Anforderungen an
die Organisationsstrukturen, da der bis dato bewährte organisatorische Aufbau für eine in
institutions- und professionsübergreifender Kooperation zu erarbeitende Problemlösung nicht
geeignet war. Hinzu kam die Frage, wie die Tätigkeiten der Beteiligten gesteuert und
transparent gemacht, sprich unter Kontrolle gebracht werden können. Bis heute haben sich
formalistische Techniken und Verfahren, die auf die konzeptionellen Grundlagen des Systems
Engineering Ansatzes zurückgehen, als geeignetes Mittel hierfür etabliert. Die zahlreichen
Erfolge, die mit Projektmanagement auf den Gebieten der Forschung und Entwicklung mit
überwiegend militärischen und politischen Hintergründen erzielt wurden, machten es
möglich, dass Projektmanagement auch von der Wirtschaft wahrgenommen und angewandt
wurde (vgl. Litke 1995, S. 21 ff.).

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
5
Die klassische Auffassung von Projektmanagement ist stark geprägt vom mechanistischen
Rationalitätsverständnis und dem damit einhergehenden Maschinenparadigma der
Arbeitswelt. Viele Prinzipien des traditionellen Projektmanagement-Verständnisses
entstammen der tayloristischen Arbeitsorganisation und Arbeitssteuerung so wie sie in der
industriellen Produktionsweise üblich waren. Im Vordergrund steht dabei das Streben, alle
Arbeitsschritte nach einem vorgefertigten Plan im Detail auf klar definierte und vorgefasste
Zwischen- und Endergebnisse hin abbilden und festlegen zu können. Nach der klassischen
Methodik werden zukünftige Zustände des Projektgegenstands und die dazwischen liegenden
Abläufe also bereits im Vorfeld ausführlich bestimmt (vgl. Balck 1989, S. 396-401). Diese
Vorgehensweise macht es allerdings erforderlich, bereits in der Planungsphase ein nahezu
ganzheitliches Bild mit sämtlichen Informationen zu den im Projektverlauf durchzuführenden
Aktivitäten sowie deren Interdependenzen zu besitzen. Die vorweggenommene Zielfixierung
wird als grundlegende Voraussetzung angesehen, um die Mittel zur Zielerreichung in der
Planung weitgehend determinieren zu können. Diese Verfahrensweise macht die Parallelen
zum Maschinenparadigma der Arbeitswelt noch einmal offensichtlich. Gestützt wird dieses
Prozedere durch die Vorstellung, einzig und allein auf diesem Weg etwas sinnvolles und
zweckmäßiges entstehen lassen zu können, sprich eine auf Zweck und Absicht ausgerichtete
Ordnung von Elementen und Arbeitsabläufen kann nur durch im Voraus festgelegtes,
planmäßiges und zweckrationales menschliches Handeln geschaffen werden (vgl. Malik
1996a, S. 38).
In Projekten spiegelt sich die obige Darstellung klassischerweise durch das Phasenmodell
wieder. Phasen stellen in sich abgeschlossene und zeitlich aufeinander folgende Abschnitte
eines Projekts dar. Dieses streng sequentielle Vorgehen bewirkt, dass eine Phase beendet sein
muss, damit die folgende beginnen kann. Jede der Phasen soll auf diese Weise voneinander
unterscheidbar gemacht werden und gemäß der festgelegten Abfolge seinen Beitrag in Form
von Teilergebnissen leisten, um am Ende das angestrebte Projektziel zu erreichen. Die Länge
und Anzahl der Phasen und deren genaue Betitelung ist dabei je nach Größe, Umfang und Art
des Projekts unterschiedlich, jedoch lässt sich jedes Projekt grundsätzlich in die Phasen
,,Planung", ,,Abwicklung" und ,,Abschluss" unterteilen. Diese Grobgliederung wird daraufhin
in weiteren Planungsschritten verfeinert, so dass die Phasen weitestgehend bis hin zu ihren
Einzelaktivitäten, welche meist als Arbeitspakete umschrieben sind, zerlegt und fixiert
werden können. Mit dieser Feinplanung zukünftiger Handlungsabläufe sollen die
Ergebnispunkte jeder Phase dann später im Projektverlauf sukzessive realisiert werden. In
diesem Punkt wird das eingangs erwähnte planungsgeleitete und zweckrationale Agieren in

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
6
Bezug auf das klassische Projektmanagement noch einmal deutlich. Ein solch sorgfältig
strukturierter und zeitlich genau abgestimmter Ablauf eines Projekts zur Erfüllung bestimmter
Zwecke kann als eine Art ,,Projektfahrplan" verstanden werden (vgl. Litke 2005, S. 311).
Vor Planungsauftakt ist dem klassischen Ansatz zufolge allerdings die exakte Festlegung der
Projektziele von besonderer Bedeutung. Die anvisierten Ziele müssen dabei zu
Planungsbeginn so präzise formuliert sein, dass eine widerspruchsfreie Operationalisierung
dieser Vorgaben möglich ist. Erst dadurch werden die Weichen gestellt, um etwa die oben
angesprochene Feinplanung der Ressourcen und die Kostenplanung überhaupt zu
ermöglichen. Ohne das Messbar machen der Zielvorgaben ist nach dem klassischen
Projektmanagement-Verständnis eine detaillierte Planung gar nicht möglich (vgl. Kühl et al.
2005, S. 26). Zudem basiert auch die Überprüfung der Zielerreichung der einzelnen Phasen
traditionell auf quantitativ mess- und interpretierbaren Größen (vgl. Frieß 2000, S. 11 f.). Im
Regelfall wird diese Überwachung meist mit dem Erreichen von sog. Meilensteinen
durchgeführt. Diese markieren das Ende einer Projektphase und stellen die Hürde für die
Freigabe der nächsten Phase dar (vgl. Litke 1995, S. 27). Es handelt sich daher um
Synchronisationspunkte, die besonders für die Projektsteuerung von Interesse sind. Die
geplanten Vorgaben werden hier beispielsweise mit Hilfe eines Plan/Ist-Vergleichs einer
Prüffunktion unterzogen werden. Die Projektsteuerung bewegt sich im Rahmen des
klassischen Projektmanagement im Dreieck der quantitativ messbaren Parameter
Ziel/Qualität, Kosten und Zeit. Die Ausgangsbasis für eine effektive Beurteilung der
Gegenüberstellung von Plan- und Ist-Werten erfordert hierbei eine kontinuierliche
Projektdokumentation der Ist-Daten, auf deren Basis Abweichungen von den Plandaten bzw.
Abweichungstendenzen festgestellt werden können. Damit sind für jedes Arbeitspaket die
Daten bezüglich Kosten, Termineinhaltung und Fortschritt der Entwicklung des
Projektgegenstands zu erfassen und an das Steuerungsgremium weiterzuleiten. Auf der
Grundlage dieser Informationen wird dann zum Zeitpunkt der Prüfung in sog.
Entscheidungssitzungen des Steuerungsausschusses ein Entschluss über die Freigabe des
weiteren Projektverlaufs gefasst und Konsultationen über die Abnahme der erzielten
Ergebnisse durchgeführt. Kommt es zu Planabweichungen, werden im klassischen Sinne
entweder die Planvorgaben abgeändert oder es werden unter Beibehalten der Plandaten
,,adäquate" Vorkehrungen getroffen (vgl. Burghardt 2002, S. 15, 70). Meist wird letzteres
Mittel gewählt und die Ziele werden, soweit als zwingend notwendig erachtet, entsprechend
den neuen Gegebenheiten modifiziert. Die Anpassung der im Pflichtenheft festgelegten Ziele
kommt gleichzeitig einem Rücksprung im Planungsprozess gleich. Man macht sozusagen

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
7
zwei Schritte vorwärts und wieder einen zurück. Die Folge ist ein Verlust der Linearität im
Planungsschema. Zudem läuft man nach klassischer Denkweise bei Rücksprüngen Gefahr,
dass ein Fortführen des Projekts nur unter sehr kostspieligen Anstrengungen möglich bzw.
eine gesunde Kosten-Nutzen-Relation nicht mehr gewährleistet ist oder die Ressourcen
bereits aufgezehrt sind. Dies kann in einem frühzeitigen Abbruch des Projekts resultieren
(vgl. Kühl et al. 2005, S. 26 ff.).
Als Paradebeispiel für das im Vorfeld beschriebene klassische Phasenmodell gilt das
hauptsächlich aus der IT-Branche bekannte Wasserfallmodell. Der Ablauf dieses
Vorgehensmodells ist streng sequenziell und wird aufgrund der detailliert vorgegebenen
Dokumentationspflicht am Ende jeder Phase auch als dokumentgetrieben bezeichnet (vgl.
Schelle et al. 2005, S. 120 f.). Auch hier werden in der Anfangsphase alle Anforderungen als
bekannt vorausgesetzt und die Ziele im Pflichtenheft bereits festgelegt. Spätere Änderungen
sind nicht vorgesehen. Die Phasen sollen einmalig durchlaufen werden, mögliche
Rücksprünge sind nur auf die benachbarten Phasen vorzunehmen. Die folgende Abbildung
veranschaulicht die Vorgehensweise des Wasserfallmodells am Beispiel eines IT-Projekts.
Die den blauen Pfeilen zugewiesenen Begriffe stellen dabei die zu erarbeitenden Teil- bzw.
Endergebnisse in den jeweiligen Phasen dar.
Abbildung 1: Das Wasserfallmodell am Beispiel eines IT-Projekts
(Quelle: In Anlehnung an Oechterring 2004, S.1 und Litke 2005, S. 790)
Um die Vorgehensweise im klassischen Projektmanagement bestmöglich zu unterstützen,
kommen eine Vielzahl an Methoden, Verfahren und Tools zum Einsatz. Diesen Instrumenten
und Verfahrensweisen wird im klassischen Projektmanagement eine herausragende

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
8
Bedeutung beigemessen. Deutlich wird dies beim Studieren der einschlägigen Fachliteratur,
in der Anleitungen, Checklisten, Werkzeuge für Methoden und Instrumente weitgehend das
inhaltliche Spektrum dominieren. Balck (1989) führt diese Methodik darauf zurück, dass dem
Grundmotiv des klassischen Projektmanagements, nämlich ,,Ordnung in das Chaos zu
bringen", auf diese Weise versucht wird, Rechnung zu tragen (Balck 1989, S. 397). Diese
Aussage bekräftigen auch die in der Praxis weit verbreiteten Handbücher, in denen
Richtlinien, Checklisten, Informationswege, Entscheidungsverfahren und ähnliches geregelt
sind, und die den Projektmitarbeitern als Nachschlagewerke dienen. Typische und häufig
verwendete Instrumente des klassischen Projektmanagements sind beispielsweise
Projektstrukturpläne, Balkendiagramme und Netzpläne. Sie nehmen eine signifikante und
unterstützende Funktion für das Projektmanagement ein und sollen daher kurz vorgestellt
werden.
Der Projektstrukturplan gibt einen Überblick über das gesamte Projekt bis hin zu seinen
Teilaufgaben und macht Beziehungen zwischen den Elementen transparent. Es handelt sich
also um eine graphische Darstellung des eingangs schon beschriebenen Planungsschrittes, der
an die Phaseneinteilung anknüpft. Im klassischen Projektmanagement erfolgt die
Strukturierung des Projekts in der Regel mit der Top-down Methode. Vom ,,Allgemeinen zum
Detail" ist die entsprechende Vorgehensweise. Sie läuft folglich nach einem streng
hierarchischen Schema ab. Das Projektziel und die Projektaufgabe werden dabei bis auf die
einzelnen Arbeitspakete herunter gebrochen und abgestimmt. Der Projektstrukturplan ist eng
an die Organisationsstruktur gekoppelt, um die Zuständigkeitsbereiche für die einzelnen
Elemente und Arbeitspakete in der Organisation genau abzustimmen. Die genaue inhaltliche
Beschreibung der Arbeitspakete, deren systematische Codierung und Überprüfung auf
Vollständigkeit sowie ihre eindeutige Differenzierung bilden gewöhnlich das Ende im
Erstellungsprozess des Projektstrukturplans (vgl. Litke 1995, S. 96-103). Um die im
Projektstrukturplan fixierten Arbeitsgänge nun in eine zeitliche und strukturierte Ablauffolge
zu bringen, wird dank der leichten Handhabung vielfach ein Balken- bzw. Gantt-Diagramm
verwendet. Hierbei werden auf der Y-Achse die Aktivitäten und auf der X-Achse die
Zeiteinheiten abgebildet. Die Länge des Balkens stellt damit die Dauer der Tätigkeit dar. Die
Ist-Werte der Aktivitäten können bei Bedarf mit den Plan-Werten durch Gegenüberstellung
ihrer beiden Zeitbalken leicht auf ihre Abweichungen verglichen werden. Abhängigkeiten
zwischen den Arbeitsschritten sind allerdings nur beschränkt darstellbar (vgl. Litke 1995, S.
108). Ein effektiveres Mittel hierfür sind die sog. Netzpläne, die der Visualisierung von
Ablaufstrukturen und ihrer Abhängigkeiten dienen. Die chronologische Aufeinanderfolge der

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
9
einzelnen Aktivitäten, ihre festgelegten Anfangs- und Endzeitpunkte mit jeweils exakt
bestimmten Zielzuständen, beispielsweise in Form von Meilensteinen, als auch die jeweiligen
quantifizierbaren Anordnungsbeziehungen zwischen Arbeitsabläufen und Ereignissen werden
mit Hilfe von Netzplänen graphisch und anschaulich dargestellt. Für die soeben
beschriebenen Ablaufelemente sind in den Netzplanverfahren die Begriffe Vorgang, Ereignis
und Abhängigkeit/Anordnungsbeziehung üblich. Zur bildlichen Darstellung bedient man sich
hierbei den Elementen und Begriffen der Graphentheorie, darunter hauptsächlich gerichteter
Pfeile und Knoten. Mit dem klassischen Projektmanagement werden vor allem drei
Netzplanverfahren in Verbindung gebracht: der Ereignisknoten-Netzplan, vorwiegend
bekannt aufgrund der PERT-Methode, der Vorgangspfeil-Netzplan und die hierfür
vorherrschende Methode des kritischen Weges (CPM), sowie der Vorgangsknoten-Netzplan
mit der weit verbreiteten Metra-Potential-Methode (MPM). Wie die Bezeichnungen schon
vermuten lassen, sind die Schwerpunkte der Verfahren mal ereignis- und ein anderes Mal
vorgangsorientierter. Sie basieren alle jedoch auf dem geschilderten Grundkonzept und
fungieren als Mittel zur Analyse, Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten. Alle
Verfahren zusammengefasst fallen unter den Begriff der Netzplantechnik (vgl. Schelle et al.
2005, S. 179-182; Litke 2005, S. 346 ff). Dieser hier in Kürze vorgestellte Auszug an
Instrumenten macht einmal mehr den außerordentlichen Stellenwert des planmäßigen
Vorgehens im klassischen Projektmanagement deutlich.
Die klassischen Planungsmethoden sind gekennzeichnet durch das Denken in
deterministischen Kausalketten. Sie arbeiten nach den Prinzipien von ,,Ursache-Wirkung" und
,,Problem-Lösung". Im Extremfall kann eine Wirkung auf eine einzige Ursache zurückgeführt
werden, was einer monokausalen Denkweise entspricht. Dahinter verbirgt sich oft die Suche
nach einem Sündenbock, nach dem Motto, wenn etwas fehl schlägt muss es auch einen
Verantwortlichen dafür geben. Ebenso verhält es sich mit den in der Projektplanung
beschlossenen Maßnahmen. Jede Aktivität soll zielorientiert ein bestimmtes und vorher
festgelegtes Ergebnis hervorbringen. Die Kausalbeziehung zwischen den beiden Ereignissen
wird dabei als sicher angesehen. Wird entgegen den Erwartungen ein bestimmtes Teilergebnis
im Verlaufe des Projekts nicht erreicht, so liegt es nahe, dem oder den entsprechenden
Arbeitspaket-Verantwortlichen für dieses Versäumnis die Schuld zu geben. Auch das
Organigramm, welches meist hierarchisch aufgebaut ist und die Weisungs- bzw.
Entscheidungswege abbildet, basiert auf linearen, sich verzweigenden Kausalketten (vgl.
Ulrich/Probst 1995, S. 37 f.). Da das Projektmanagement wie auch das Gesamtunternehmen,
in das es eingebettet ist, traditionell in der Regel streng hierarchisch organisiert ist, wird diese

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
10
schematische Darstellung hier häufig verwendet. Die Rollenverteilung im Sinne des
klassischen Projektmanagements besteht darin, dass nur die Personen in
Projektleitungspositionen Managementfunktionen wahrnehmen und die restlichen
Projektbeteiligten als zu führende Ressourcen ohne Managementkompetenz betrachtet werden
(vgl. Litke 2005, S. 137). Die Aufgaben der Projektmitglieder werden somit auf
auszuführende Tätigkeiten auf operativer Ebene beschränkt, während der Projektleiter und der
Steuerungsausschuss Funktionen wie die Zielklärung, Planung, Steuerung, Überwachung und
Koordination des Projekts übernehmen. Die Ausübung der Managementtätigkeit ist auf diese
Weise auf wenige Personen verteilt. Dabei beschränkt sich die Abstimmung und
Kommunikation zwischen den beiden Parteien oft darauf, dass die Projektmitarbeiter zu
gegebener Zeit, wie beispielsweise bei Erreichung eines Meilensteins, Berichte und
Dokumentationen zum Projektstatus übermitteln oder in formellen Meetings über den Stand
der Projekttätigkeit berichten (vgl. Böhle/Meil 2003, S. 43 f.).
Die Gestaltung der Projektorganisation erfolgt klassischerweise primär funktionsorientiert
(vgl. Frieß 2000, S. 12). Die Zuteilung der Arbeitspakete an die Organisationseinheiten oder
die konkreten Stellen erfolgt traditionell nach Qualifikationserfordernissen, die vorher in
Anforderungsprofilen abgesteckt werden. Dies entspricht dem Prinzip der Arbeitsteilung und
der Spezialisierung. Das hier dargestellte Auswahlverfahren wird oft auch mit einer
,,Entsendung" verglichen, da die Bedürfnisse und Vorstellungen der selektierten Mitarbeiter
dabei meist von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Bruch 1998, S. 234). Zum Aufbau und
zur Erweiterung der Mitarbeiterfähigkeiten werden vorrangig Schulungen oder Seminare
durchgeführt, in denen das Hauptaugenmerk vor allem auf der Beherrschung von Tools und
Instrumenten liegt.
Zusammenfassung
Im Zentrum des klassischen Projektmanagements steht der zu gestaltende Projektgegenstand.
Der gewünschte Zielzustand zum Ende des Projekts soll dabei durch planmäßiges, auf
objektivierenden und rational-kausalen Gesetzmäßigkeiten beruhendem, Handeln
herbeigeführt werden. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass nur durch ein solches
Vorgehen eine bestmögliche Lösung zu erzielen ist. Die Details für die einzelnen Phasen und
deren Zusammenhänge sind dabei zu Beginn des Projekts so exakt wie möglich zu regeln und
vorwegzunehmen. Möglichen Eventualitäten bzw. Risiken im Projektverlauf wird antizipativ
entgegengewirkt, indem sie zum Beispiel mit Hilfe des Projektstrukturplans für die einzelnen
Phasen sowie Arbeitspakete abgeschätzt und quantifiziert werden. Nach Analyse der

2.
KLASSISCHES PROJEKTMANAGEMENT
11
Ursachen werden daraufhin für die identifizierten Risiken präventive und korrektive
Gegenmaßnahmen aufgestellt, mit deren Unterstützung die Risiken beseitigt bzw. minimiert
werden sollen. Das verbleibende Restrisiko gilt dabei als beherrschbar. Man geht also davon
aus, dass die einzelne Tätigkeit und somit das menschliche Handeln während des Projekts
durch eine ausgefeilte Planung im Vorfeld relativ präzise auf ein Ziel hin steuer- und
berechenbar ist. Aus diesem Grunde wird es nach dem klassischen Verständnis als
ausreichend angesehen, die schöpferischen Tätigkeiten in die Hände der Personen in
Managementfunktionen zu legen. Die übrigen Beteiligten werden mehr oder weniger darauf
beschränkt, mit Unterstützung einer Vielzahl an technischen Tools und Vorgehensmodellen,
sowie mit Schulungs- und Seminarveranstaltungen die ordnungsgemäße Umsetzung der
detaillierten Planvorgaben sicherzustellen. Kommt es trotz all dieser Maßnahmen zu
Abweichungen, wird dies dann auf einzelne Ursachen wie Mängel in der Planung oder Fehler
in der Handhabung von Tools zurückgeführt, jedoch nicht auf das planmäßige
Vorgehenskonzept als solches. Meist wird versucht, die aufgetretenen Störungen aus der Welt
zu schaffen, indem vorerst von entsprechender Stelle steuernd und korrigierend in den Verlauf
eingegriffen wird und daraufhin je nach Ursache eine Verfeinerung der oben aufgeführten
Hilfsmittel und Maßnahmen vorgenommen wird. Das Grundkonzept der Planung bleibt dabei
aufgrund nicht ersichtlicher Alternativen und der Ansicht, es handele sich bei den
Diskrepanzen um Sonderfälle, unangetastet (vgl. Böhle/Meil 2003, S. 36 f.). Nach der
klassischen Auffassung lässt sich Komplexität also unter Anwendung einer rational-
systematischen Denkweise weithin auf verständliche Ordnungen reduzieren. Das
dazugehörige Prinzip unter Berücksichtigung der Kausallogik heißt Teilen, Gliedern,
Strukturieren und Verbinden (vgl. Haberfellner et al. 1997, S. 285).

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
12
3
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
3.1
Vom Einzelprojekt zur Projektlandschaft
Bisher wurde das Managen von Projekten so dargestellt, als hätte man es zu einem
bestimmten Zeitpunkt nur mit der Planung, Steuerung und Kontrolle eines einzelnen Projekts
zu tun. In der heutigen Realität muss jedoch oft eine Vielzahl von parallel ablaufenden
Projekten koordiniert und abgestimmt werden. Somit erfolgt ein Wandel von der Funktions-
hin zur Prozessorientierung. Dies birgt gänzlich neue Herausforderungen für das betreffende
Unternehmen und seine Systeme. Es muss nun nicht mehr nur ein einzelnes, sondern es
müssen mehrere Projekte von unterschiedlicher Art, Dauer, Bedeutung und Größe gleichzeitig
abgewickelt werden. Darüber hinaus stehen die Projekte teilweise in direkter Beziehung
zueinander, was einen zusätzlichen Koordinationsaufwand erfordert. Die Definition eines
Projekts gemäß DIN 69901, wonach ein Projekt unter anderem als ein Vorhaben aufgefasst
wird, ,,das durch die Einmaligkeit seiner Bedingungen gekennzeichnet ist" (Madauss 1994, S.
497), drückt implizit bereits die Problematik im Umgang mit mehreren gleichzeitig
durchzuführenden Projekten aus. Jedes Projekt benötigt demnach eine individuelle
Behandlung.
Für das ganzheitliche Managen aller Projekte eines Unternehmens ist der Begriff des
Multiprojekt- oder Mehrprojektmanagements geläufig (vgl. Litke 2005, S. 753). Eine
Teilmenge davon stellt das sog. Projektportfolio-Management dar, welches aus dem Führen
und Steuern von nur einer bestimmten Projektart, wie etwa F&E-Projekten, besteht.
Großprojekte, die in mehrere Subprojekte unterteilt sind, werden zudem auch als Programm
bezeichnet. Das hierfür verantwortliche Management wird folglich auch Programm-
Management genannt. Eine genaue Abgrenzung dieser Projektarten ist allerdings in der Praxis
kaum möglich, da ihre Grenzen fließend sind. Ein Projektportfolio kann beispielsweise
gleichzeitig auch ein Programm enthalten (vgl. Schelle 2005, S. 444). Allen soeben
beschriebenen Formen gemeinsam ist die Tatsache, dass sich gemäß der Projektanzahl und
dem jeweiligen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele, die Unternehmens- bzw.
Bereichsleitung, sprich die strategische Ebene, stärker mit dem Projektgeschehen
auseinandersetzen muss. Ihr Zuständigkeitsbereich besteht aus allen Fragen, die das
Gesamtspektrum der Projektlandschaft tangieren. Häufig werden dafür verschiedene
Gremien, wie etwa das Projektportfolio-Board oder das PM-Office, eingeführt. Eingehende

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
13
Projektanträge werden von diesen Ausschüssen dann auf ihre Durchführbarkeit hinsichtlich
technischer, finanzieller und personeller Kriterien, ihrer Übereinstimmung mit der
Unternehmensstrategie sowie ihrer Notwendigkeit und Dringlichkeit überprüft. Dies kann
jedoch nur auf effektive Weise erfolgen, wenn die bereits bewilligten Projekte mit in die
Betrachtung einfließen, da etwa ein Projektantrag isoliert betrachtet als unvorteilhaft
erscheinen kann, sich im Verbund mit anderen Projekten dann aber eventuell als nutzbringend
und sinnvoll erweisen kann (vgl. Hab/Wagner 2004, S. 225 f.). Synergieeffekte können
entstehen und die zuvor festgelegten Prioritäten der Projekte im Portfolio können sich
verschieben und müssen demnach neu geordnet werden. Hinzu kommt, dass das
Projektportfolio keine punktuell festgelegte und unveränderliche Menge an Projekten
darstellt, sondern stets für neue Projektanträge zugänglich bleibt. Diese müssen dann bei
positivem Prüfungsbescheid unter Berücksichtigung der Restriktionen wiederum optimal in
die bereits genehmigten Projekte eingegliedert werden, um negative Wechselwirkungen und
Einflüsse zu vermeiden. Die Auswertung einer Studie der deutschen Gesellschaft für
Projektmanagement im Jahre 2004 kommt überdies zu dem Ergebnis, dass die Zahl sowie die
Größe und Bedeutung der Projekte in Unternehmen ungeachtet der jeweiligen Branche pro
Jahr zunimmt. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter neben ihrer täglichen Arbeit häufig in
mehrere Projekte involviert (vgl. GPM 2004, S. 2). Es stehen also immer mehr Projekte
innerhalb eines Unternehmens im Wettbewerb um die knappen Ressourcen. Und dies nicht
nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern permanent. Diese Umstände erschweren den
Planungsprozess ungemein. Im Multi-Projektmanagement werden große und zeitintensive
Anstrengungen unternommen, um die richtigen Projekte auszuwählen und sie realistisch zu
planen. Mit zahlreichen Analysen, oft verpackt in Matrizen oder ähnlichen Schaubildern, wird
versucht, die Entscheidungsfindung und Planung bestmöglich zu unterstützen. Dabei ist die
Unternehmensleitung vielfach auf die Informationen der einzelnen Projektleiter und
Linienverantwortlichen angewiesen. Beispielsweise benötigt sie für die Prüfung der
Mitarbeiterverfügbarkeit für ein neues Projekt, und zwar über dessen Gesamtdauer gesehen,
als Entscheidungsgrundlage einen Überblick über die zur Verfügung stehenden Kapazitäten
aus der Linie und die voraussichtliche Ressourcenfreisetzung durch aktuell laufende Projekte.
Zusätzlich müssen diese Informationen um weitere Faktoren, wie Mitarbeiterqualifikation,
Fluktuationsrate oder ähnliches ergänzt werden, um einen sinnvollen und realistischen
Beschluss fassen zu können. Viele der Aspekte, welche in die Entscheidung mit hinein
spielen, sind oft unbeständig und können für eine zukünftige Zeitspanne nur annähernd auf
Basis von Erfahrungswerten geschätzt werden. Daneben kann eine Fülle schwer

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
14
prognostizierbarer Risiken von unterschiedlicher Natur die Zielerreichung der Projekte
gefährden. Dies ist zwar bei Einzelprojekten auch der Fall, allerdings besteht im Multi-
Projektmanagement aufgrund der Vielzahl und der starken Vernetzung der Projekte
untereinander die Gefahr, dass das Eintreten von Risiken einen ,,Dominoeffekt" auslöst und
negative Auswirkungen auf die jeweils verbundenen Vorhaben nach sich zieht. Dabei kann im
Extremfall die Existenz eines Unternehmens auf dem Spiel stehen. Ein wirksames
Risikomanagement wird aus diesem Grund im Multi-Projektmanagement groß geschrieben.
Die Handhabung erfolgt üblicherweise so, dass die Risiken eines Projektantrags vorher von
verschiedenen Stellen analysiert und geschätzt werden. Danach werden sie an den
Multiprojektmanager, der eine Art Schnittstelle zwischen strategischer und operativer Ebene
bildet, beispielsweise in Form einer Risikocheckliste übermittelt. Der Multiprojektmanager
trägt anschließend gegebenenfalls mit Unterstützung eines Teams die Informationen der
einzelnen Projekte zusammen, um ein Gesamtbild zu erstellen und dabei mögliche weitere
Risikoeffekte untereinander auszumachen. Wenn es die Situation erfordert, müssen
Maßnahmen zur Risikominderung ausgearbeitet werden, um ein ausgewogenes
Risikoverhältnis in seinem Zuständigkeitsbereich wiederherzustellen (vgl. Lomnitz 2001, S.
118). Der Multiprojektmanager trägt die gesamte Verantwortung für die Projekte, die ihm
unterstehen. Eine seiner Hauptaufgaben besteht darin, bei Handlungsbedarf sämtliche
Informationen und Daten so aufzubereiten, dass die Unternehmensleitung bzw. das
zuständigen Gremium auf deren Basis eine Entscheidung treffen kann (vgl. Hab/Wagner
2004, S. 202).
Die vorangegangene Schilderung zeigt, dass im Multi-Projektmanagement nun in
Abhängigkeit vom Umfang viele Organisationselemente, wie zum Beispiel Projektportfolio-
Board, PM-Office, Multi-Projektmanager, Projektleiter usw., für eine erfolgreiche
Koordination und Durchführung der Projekte miteinander in engem Kontakt stehen müssen
und auf einen gegenseitigen Informations- und Datenaustausch angewiesen sind. Je mehr
Projekte parallel und in Interdependenz zueinander abgewickelt werden, desto stärker wirkt
dieser Aspekt. Einer konstruktiven, offenen Zusammenarbeit sowie einem regen Wissens-
und Erfahrungsaustausch untereinander kommt daher eine entscheidende Rolle zu. Die
Bemühungen, Planungssicherheit zu erlangen, sind im Multi-Projektmanagement wie im
Einzelprojekt-Management stark ausgeprägt. Diesem Streben stehen allerdings zunehmend
entgegenwirkende Faktoren gegenüber. Die hinreichende Menge und Qualität der
Informationen als Voraussetzung für ein planvolles Vorgehen schwindet, die Komplexität der
Projekte steigt und die sich ständig verändernden Umweltbedingungen, die später noch

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
15
genauer behandelt werden, erfordern ein schnelles, flexibles Handeln. Praxisnahe Beispiele
belegen dieses Dilemma im Planungsprozess (vgl. Lomnitz 2001, S. 88 f.).
3.2 Zunehmende Internationalisierung und Vernetztheit von Projektarbeit
Bisher wurde nur die Projektarbeit innerhalb der Betriebsgrenzen betrachtet. Die Realität
zeigt aber, dass die Zusammenarbeit in Projekten mittlerweile nicht mehr nur fach- und
abteilungsübergreifend erfolgt, sondern sich zunehmend auch über betriebliche,
unternehmerische und nationale Grenzen erstreckt. Mit der weltweiten Öffnung der Märkte
und der damit eingeleiteten Verschärfung der Wettbewerbsintensität besinnen sich viele
Unternehmen zur Sicherung von Marktanteilen und zur Reduktion von Kosten auf ihre
Kernkompetenzen. Als weniger bedeutend erachtete Unternehmensteile werden ausgelagert
bzw. abgestoßen. Infolgedessen wird das Leistungsspektrum eines Unternehmens zwar stark
reduziert, allerdings kommt ihm auf seinem verbleibenden Tätigkeitsbereich der Ruf eines
Spezialisten zugute. Im Kontrast zu dieser Entwicklung bewirkt ein Anstieg der
Marktanforderungen wie höhere Qualitätsansprüche und einer Individualisierung der
Kundenwünsche bei zugleich kürzeren Produktlebenszyklen parallel eine erhöhte Nachfrage
an einem erweiterten Produktleistungsumfang. Damit wird deutlich, dass die Fähigkeiten der
ausgesonderten Unternehmensbereiche nicht überflüssig werden. Ihre Leistungen sind für die
Wertschöpfungskette der Unternehmen weiterhin von Bedeutung, müssen nun allerdings
durch Kooperationen oder Zukauf erworben werden. Outsourcing darf hier jedoch nicht als
Bedingung für eine unternehmensübergreifende Zusammenarbeit gesehen werden, natürlich
kann jedes Unternehmen nicht vorhandene Kompetenzen auch extern erwerben (vgl. Litke
2005, S. 127 f.). Die Kooperationen sind dabei keineswegs auf zwei Unternehmen begrenzt,
sondern es handelt sich vielfach um eine Vernetzung von mehreren Firmen in
unterschiedlichen Beziehungen und Märkten (vgl. Meil et al. 2004, S. 181). Solche
entstehenden Wertschöpfungsnetzwerke können dabei in horizontaler, vertikaler oder auch
diagonaler Kooperationsrichtung ausgerichtet sein, je nachdem, auf welcher
Wertschöpfungsstufe sich der Kooperationspartner befindet (vgl. Haupt 2003, S. 53). Die
Unternehmensgrenzen verschwimmen aufgrund dieser Entwicklung zunehmend. Prozess-
bzw. projektorientierte Netzwerkstrukturen rücken in den Vordergrund. Abhängig von den zu
bearbeitenden Projekten setzen sich Unternehmen modular zusammen und kooperieren mal
mit dem einen und mal mit dem anderen Partner (vgl. Probst 1999, S. 12). Madauss (1994)
zählt fünf wesentliche Gründe für die Notwendigkeit von kooperativer Projektarbeit auf:

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
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(1) Projektgröße
(2) Projektkomplexität
(3) Projektfinanzierung
(4) Projektrisiko
(5) Auflagen durch den Auftraggeber
Die Zunahme an technischen, personellen und finanziellen Ressourcen durch die
Zusammenarbeit hilft dabei, fehlendes Know-How, Mangel an Kapital oder technischer
Ausstattung auszugleichen. Zudem kann ein erhöhtes Projektrisiko bei der
Projektdurchführung auf mehrere Schultern verteilt werden. Bei internationalen Vorhaben ist
es möglich, dass der Auftraggeber den Projektauftrag nur unter bestimmten Auflagen vergibt,
zum Beispiel unter der Prämisse, die heimische Industrie des Auftraggeberlandes in das
Projekt mit zu integrieren (vgl. Madauss 1994, S. 113). Die steigende Komplexität im Bereich
der Produktentwicklungsprojekte führt Seliger et al. (1997) hauptsächlich auf die erhöhte
Produktkomplexität zurück. Ihrer Auffassung nach ist die Produktkomplexität gekennzeichnet
durch die steigende Anzahl an Komponenten sowie die exponentielle Zunahme der
Wechselwirkungen zwischen den Bestandteilen. Durch die Relationen zwischen den
Elementen entstehen dabei die Funktionen des Produkts. Eine Verteilung des
Produktentwicklungsprozesses wird somit als verbesserte Möglichkeit gesehen, die
Produktkomplexität in den Griff zu bekommen. Die verteilte Bearbeitung der Aktivitäten über
verschiedene Standorte bezieht sich hier direkt auf die Strukturierung des Produkts (vgl.
Seliger et al. 1997, S. 37 ff.). Zudem erfolgen die verteilten Entwicklungsaufgaben aufgrund
des Kosten- und Zeitdrucks in den Projekten meist parallel, was zu einer enormen Vernetzung
der einzelnen Prozessstränge führt (vgl. Litke 2005, S. 129). Neben großen Teilen der
Produktentwicklung werden beispielsweise in der Automobilindustrie auch weitere
Abschnitte des Produktentstehungsprozesses von spezialisierten Zulieferfirmen übernommen.
So ist es nicht ungewöhnlich, dass immer umfassendere Tätigkeiten in der Produktion von
Teilen, Komponenten, Modulen, Systemen oder speziellen Technologien von den Partnern
selbst durchgeführt werden (vgl. Hab/Wagner 2004, S. 251). Die Fertigungstiefe der
Hersteller sinkt auf diese Weise immens und die Zulieferer erbringen immer mehr Leistungen.
Die Komplexität und Innovation von Projekten stellt in dieser spezifischen
unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die sich auch über verschiedene Länder
erstrecken kann, die größten Herausforderungen dar. Aufgrund der verstärkten Bedeutung des
Innovationscharakters in Entwicklungsprojekten kommt es während der Durchführung
vielfach zu technischen Änderungen, die beispielsweise durch technische Weiterentwicklung,

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
17
durch neue gesetzliche Vorschriften oder Kundenwünsche ausgelöst werden können. Diesen
mit Unsicherheit behaftenden Einflussfaktoren verlangen von der Planung und dem
Management von Projekten zusätzliche Anstrengungen ab. Der gewaltige
Koordinationsaufwand in dem Produktentstehungsprozess durch die Vielzahl der Beteiligten
auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungskette wird angesichts der
Änderungswünsche und ­Notwendigkeiten nochmals verstärkt. Zudem stellt sich die
Ausgangslage einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit - das spezielle Verhältnis
eines Projektbeteiligten zum Auftraggeber sei hier mal außer Acht gelassen ­ so dar, dass
mehrere getrennte und eigenständige Organisationen mit verschiedenen Projektmanagement-
Methoden, eigener Unternehmenskultur sowie IT-Infrastruktur und eigenen Prozessen zur
Durchführung von Teilprojekten lediglich für die Dauer des Projekts kooperieren. Der
zeitgerechte Informationsaustausch, der für die meist unter großem Zeitdruck stehenden
Projekte wegen seiner beeinflussenden Wirkung auf andere Teile des Projekts einen
wesentlichen Beitrag zum Projekterfolg darstellt und zum Planungsabgleich dient, wird durch
diese räumliche, organisatorische und infrastrukturelle Trennung immens erschwert. Hinzu
kommen Schwierigkeiten in der Gewährleistung der Datensicherheit und die Gefahr
divergierender Interessen, die Hab (2004) auch mit dem Begriff der ,,Coopetition" ausdrückt
(vgl. Hab/Wagner 2004, S. 263). Eine zentrale Planung und Steuerung nach klassischem
Muster ist in den beschriebenen Fällen nicht mehr möglich. Der Abstimmungsaufwand unter
den Beteiligten ist zu hoch, die Entscheidungs- und Informationswege sind zu lang und die
Voraussetzungen für ein gebotenes, zeitnahes Handeln sind nicht gegeben. Die
Synergieeffekte lassen sich außerdem nur dann optimal entfalten, wenn die Autonomie der
Partner aufrechterhalten wird und jeder seine spezifischen Fähigkeiten und Stärken in das
Projekt einfließen lassen kann. Die klassischen Ansätze greifen hier zu kurz (vgl. Duwe 2002,
S. 1 ff.).
Bei einer internationalen Kooperation über Ländergrenzen hinweg müssen weitere Aspekte
mit in die Betrachtung einbezogen werden. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über
die Merkmale internationaler Projekte auf der Basis von wissenschaftlichen und
praxisbezogenen Untersuchungen, ohne dabei ihre Vollständigkeit zu gewährleisten. Die
unterschiedlichen Attribute wurden dabei in den Clustern Umwelt, Kultur, Wirtschaft sowie
Politik und Recht zusammengefasst. Die aufgeführten Projektmerkmale haben einen mehr
oder minder starken Gehalt und variieren in ihrem Effekt auf das Projekt (vgl.
Schmidt/Preuschoff 2005, S. 94 f.).

3.
WANDEL IM PROJEKTMANAGEMENT
18
Abbildung 2: Merkmale internationaler Projekte im Vergleich zu nationalen Projekten
(Quelle: Schmidt, Preuschoff 2005, S. 95)
Eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement unter international
erfahrenen deutschen Projektmanagern aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen im Jahre
2002 kam zu dem Ergebnis, dass die größte Herausforderung in der internationalen
Projektarbeit in den kulturellen Unterschieden der Projektteilnehmer liegt. Auch andere
Umfragen schließen sich diesem Resultat an (vgl. Hoffmann et al. 2004, S. 13 f.).
Infolgedessen wird an dieser Stelle ausschließlich auf diesen Bereich Bezug genommen.
Kulturelle Differenzen im internationalen Kontext können einen entscheidenden Einfluss auf
die Güte und das Ergebnis der Zusammenarbeit haben. Unterschiedliche Sprachen,
Verhaltensweisen, Werte, Normen und Überzeugungen innerhalb einer bestimmten Kultur
können bei Unkenntnis in einem anderen Kulturkreis zu Misstrauen, Missverständnissen oder
zur Bildung von Vorurteilen führen. Obige Tabelle listet sechs Merkmale auf, die
Konfliktpotential bei der zwischenstaatlichen Projektarbeit beinhalten können. Die
Einstellung zur Zeitdimension ist beispielsweise in Lateinamerika oder dem Mittleren Osten
eine gänzlich andere wie im Nord- oder mitteleuropäischen Raum. Während dort Zeit als ein
unbegrenztes, simultanes Gut gesehen wird, welches dehnbar ist, gilt es hier als begrenztes
Gut, welches dementsprechend sorgfältig zu planen und einzuhalten ist. Zeit ist linear und
wird in unserem Kulturkreis eher sequentiell abgearbeitet, wohingegen in den anderen
aufgezählten Gebieten einer genauen Planung weniger Beachtung geschenkt wird und
Änderungen bzw. Verspätungen als nicht sehr tragisch angesehen werden (vgl. Hoffmann et
al. 2004, S. 31). Den ausgefeilten Planungsmethoden, zu denen deutsche Projektleiter zur
Unsicherheitsvermeidung tendieren und als allgemeingültigen Standard durchsetzen wollen,
stehen Teammitglieder aus risikofreudigeren Kulturen, wie zum Beispiel Dänemark, Indien

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836607261
DOI
10.3239/9783836607261
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg – Wirtschaftswissenschaften, Sozio-Ökonomie
Erscheinungsdatum
2007 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
projektmanagement risiko unsicherheiten planung grenzen
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Titel: Neue Ansätze und Entwicklungen im Projektmanagement
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