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Die stereotypisierende Indianerdarstellung und deren Modifizierung im Werk James Fenimore Coopers

©2007 Doktorarbeit / Dissertation 226 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
James Fenimore Coopers Werk markiert den Beginn der Indianerliteratur des 19. Jahrhunderts. In seinen Indianerromanen stellt Cooper die Beziehung der Angloamerikaner zu den Indianern dar und entwirft darüber hinaus ein Bild des Indianers, das am Nachhaltigsten die Vorstellung vom typischen Indianer in der Literatur geprägt hat.
Hierbei ist Cooper einerseits der europäischen Aufklärung verpflichtet, die den noble savage erfand. Andererseits greift Cooper auch das puritanische Feindbild des Indianers, den satanic savage, auf. Darüber hinaus orientiert sich Cooper aber auch an zeitgenössischen spezifisch amerikanischen Vorstellungen von Indianern, wie dem vanishing American. Im Ganzen präsentiert Cooper ein stereotypisiertes Bild des Indianers, indem er ihn unter die simple Dichotomie des guten und des bösen Indianers subsumiert. Dennoch problematisiert Cooper bestimmte Klischees des Fremden, indem er einzelne Indianer individualisiert.
James Fenimore Cooper gilt als Amerikas erster Mythopoet, herausragender Vertreter der amerikanischen Romantik, Vater der amerikanischen Nationalliteratur und als „amerikanischer Scott“, weil er Themen aus der amerikanischen Geschichte verarbeitete. Dabei „fiktionalisierte“ er historische Ereignisse, indem er sie in die tradierten Formen einer Romanhandlung umgoss und von der Ebene des individuellen Erlebens her beleuchtete. Hierbei bekannte sich Cooper nicht nur zu einem genuin amerikanischen Schauplatz (setting), sondern erstritt mit seinen indianischen Protagonisten die Literaturwürdigkeit der nordamerikanischen Ureinwohner.
Im Rahmen seines umfangreichen Werkes stellen vor allem die Leatherstocking Tales den amerikanischen Mythos schlechthin dar und bilden darüber hinaus den Beginn der Indianerliteratur des 19. Jahrhunderts. Coopers Indianerfiguren wurden infolge der breiten Rezeption sowohl in Amerika als auch in Europa zum Inbegriff des „Roten Mannes“. So schrieb beispielsweise der Kritiker Paul Wallace im Jahr 1954: „For a hundred years ’The Leatherstocking Tales’ cast a spell over the reading public of America and Europe and determined how the world was to regard the American Indian“.
Coopers Indianerdarstellung hat also wesentlich dazu beigetragen, dass sich das gegensätzliche Indianerbild vom „guten“ und „bösen“ Indianer zu dem Mythos vereinigen konnte, der sich bis in die heutige Zeit hinein durchsetzen konnte.
Die Lederstrumpf-Romane, aber auch andere Indianerromane Coopers, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

0. Einleitung

1. Stereotypisierende Indianerbilder in der nordamerikanischen Literatur
1.1 Das Indianerbild der Puritaner
1.1.1 Der „teuflische Wilde“ der Captivity narrative
Exkurs: Der Begriff des Stereotyps und die religiöse Typologie der Purita­ner
1.1.2 Revision der Erfahrung mit den Indianern und erste ethnologische An­sätze
1.2 Der „edle Wilde“ in der europäischen Tradition des Fremden
1.3 Der „edle Wilde“ der Amerikaner und andere amerikanisch-indianische Stereoty­pen
1.3.1 The vanishing American
1.3.2 Der „gute“ Indianer
1.3.3 Der blutrünstige und der degenerierte Indianer

2. Coopers problembewusste Indianer-Bearbeitung
2.1 Coopers Informationsquellen
2.2 Festschreibung und Verarbeitung der Quellen
2.2.1 Captivity narratives und melodramatische Erlebnismuster
2.2.2 Die Herrnhuter Indianermission
2.2.3 Der Missionar Heckewelder

3. Indianer-Typen in The Last of the Mohicans
3.1 Stereotype Charakterisierung des indianischen Wesens
3.1.1 „Typische“ Indianer und die „guten“ Delawaren
3.1.2 Die „bösen“ Huronen
3.2 Naturgebundenheit und Statik als Merkmale der indianischen Zivilisa­tion

4. Magua: Der „teuflische Wilde“ mit komplexem Charakter
4.1 Äußere Erscheinung und Verhalten
4.2 Negative Charakterentwicklung und Widerspruch zur angloamerikanischen Zivi­lisation

5. Uncas: Der zivilisationswillige „edle Wilde“
5.1 Äußere Erscheinung und Verhalten
5.2 Positiver Entwicklungsprozess und Affiliation mit der angloamerikanischen Zi­vilisation
5.3 Uncas – Magua: Ein Antagonistenpaar mit Analogien

6. Chingachgook: Der unzivilisierbare „edle Wilde“
6.1 Ambivalentes Wesen des nicht zivilisierbaren „guten“ Indianers
6.2 Vom „guten“ zum degenerierten Indianer

7. Scalping Peter: Vom gefährlichen zum degenerierten Indianer
7.1 Ursprüngliche Gefährlichkeit und mangelnde Einsicht
7.2 Von der plötzlichen Konversion zum Relikt der Vergangenheit

8. Conanchet: Der akkulturierte „gute“ Indianer
8.1 Von der Gefangenschaft zur ansatzweisen Assimilation
8.2 Der Tod als endgültige Rückkehr zur indianischen Zivilisation

9. Resümee

10. Literaturverzeichnis
10.1 Primärliteratur
10.2 Sekundärliteratur

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Thomas Cole „Landscape from the Last of the Mohicans” (1827), New York State Historical Association Cooperstown, NY

Abb. 2 Indianische Kriegsführung und das Skalpieren: Zwei Indianer aus dem Südos­ten zeigen ihre Trophäen; Kupferstiche: Library of Congress

Abb. 3 Roger Williams und die Narragansett-Indianer. Kupferstich: Library of Congress

Abb. 4 Ein Abschnitt aus Benjamin Wests The Death of General Wolfe, 1770: Na­tional Gallery of Canada, Ottawa. Wests Darstellung dieses Native Americans stellt eine Idealisierung des Indianers als noble savage dar

Abb. 5 Native Americans lauschen den Predigten der Herrnhuter Missionare: Kupfer­stich nach einem Gemälde von Christian Schussele: Library of Congress

Abb. 6 Johann Valentin Haidt. Das „Erstlingsbild“ (1748)

Abb. 7 Magua als lüsternder, bedrohlicher Indianer: Zeichnung und Kupferstich von Tony Johannot..

Abb. 8 Uncas als beschützende, engelsgleiche Gestalt im Hintergrund: Zeichnung und Kupferstich von Tony Johannot

Abb. 9 Chingachgook als würdige Gestalt: Illustration von Gerhard Goßmann

Abb. 10 Blanketed Indian: Tasunka Ota (Plenty Horses) ist in eine Decke gehüllt, um sei­nen Widerstand gegen die Assimilation auszudrücken. Fotografie von J.C.H. Grabill

Abb. 11 Der degenerierte Chingachgook: Illustration von Gerhard Goßmann aus: Die An­siedler, Frontispiz

Abb. 12 Thomas Cole „Scene from the Last of the Mohicans“ (1826), Terra Museum of American Art, Chicago, IL, USA

0. Einleitung

The Leather-Stocking stories illustrate (…) the Indian’s shifting role on the American frontier.[2]

James Fenimore Cooper gilt als Amerikas erster Mythopoet, herausragender Vertre­ter der amerikanischen Romantik, Vater der amerikanischen Nationallitera­tur und als „amerikanischer Scott“,[3] weil er Themen aus der amerikani­schen Geschichte verarbeitete. Dabei „fiktionalisierte“ er historische Er­eignisse, in­dem er sie in die tradierten Formen einer Romanhandlung um­goss und von der Ebene des individuellen Erlebens her beleuchtete. Hierbei be­kannte sich Cooper nicht nur zu einem genuin amerikanischen Schauplatz (setting), sondern erstritt mit seinen indiani­schen Protagonisten die Literaturwürdig­keit der nordamerikanischen Ureinwohner. Im Rahmen seines um­fangreichen Werkes stellen vor allem die Leatherstocking Tales den amerikani­schen Mythos schlechthin dar und bilden darüber hinaus den Beginn der In­dianerliteratur des 19. Jahrhunderts.[4] Coopers Indianerfiguren wurden in­folge der brei­ten Rezeption sowohl in Amerika als auch in Europa zum Inbe­griff des „Roten Man­nes“.[5] So schrieb beispielsweise der Kritiker Paul Wallace im Jahr 1954: „For a hundred years ’The Leatherstocking Tales’ cast a spell over the reading public of America and Europe and determined how the world was to regard the American Indian“.[6] Coopers Indianerdar­stellung hat also wesent­lich dazu beigetragen, dass sich das gegensätzliche Indianer­bild vom „gu­ten“ und „bösen“ Indianer zu dem Mythos vereinigen konnte, der sich bis in die heutige Zeit hinein durchsetzen konnte: „by developing powerful images to symbolize both extremes of feeling about the red man (…) [Cooper] created one of the major nineteenth-century myths about America“.[7]

Die Lederstrumpf -Romane, aber auch andere Indianerromane Coopers, verarbei­ten also Grunderfahrungen und –probleme der jungen amerikanischen Na­tion und rufen somit auf der Ebene der literarischen Realität vor allem die India­nerfrage als ein ame­rikanisches Grundsatzproblem ins öffentliche Bewusst­sein. Auf diese Weise sind ei­nerseits narzisstische Selbstspiegelung, ob des unaufhaltsamen Wachsens der jungen amerikanischen Nation, sowie anderer­seits bußfertige Selbstanklage, ob der rück­sichtslosen Vertreibung der Urein­wohner und der damit verbundenen Trauer über den Untergang der indiani­schen Welt, in ihrer unaufhebbaren Ambivalenz literarisch in Coopers India­nerromanen greifbar. Cooper thematisiert hierbei in durchaus realistischen Schilderungen den Untergang nordamerikanischer Indianerstämme durch die vorrü­ckenden europäischen Siedler.

The Pioneers (1823) und The Last of the Mohicans (1826) sind dabei diejeni­gen Werke aus dem Lederstrumpf -Zyklus, die den historischen Prozess, d.h. die Wildnis­kämpfe und die Ansiedlung der Weißen, thematisieren und am deut­lichsten geschicht­lich konzipiert sind.[8] Entsprechend befasst sich Cooper in diesen Werken mit India­nern und den Vorgängen bei der Inbesitznahme des nord­amerikanischen Kontinents durch die angloamerikanische Zivilisation. Hier­bei stellt Cooper in The Last of the Mohicans, aber auch in dem zeitlich spä­ter angesiedelten The Pioneers, die Beziehung der weißen Amerikaner zu den Indianern dar und entwirft darüber hinaus ein Bild des Indianers,[9] das am nach­haltigsten die Vorstellung vom typischen Indianer in der Litera­tur geprägt hat.[10] In diesem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass The Pio­neers zwar intensiv die Siedlungsproblematik behandelt, aber The Last of the Mo­hicans der indianischen Tragödie sehr viel mehr Raum widmet, die in der unseli­gen Verknüpfung zwischen der Eroberung des Kontinents durch die wei­ßen Einwanderer und der damit ausgelösten Vernichtung der Indianer besteht. In beiden Romanen prä­sentiert Cooper jedoch im Ganzen ein stereotypisieren­des Bild des Indianers, indem er dessen Eigenschaften auf wenige Merkmale redu­ziert und ihn somit generell unter die simple Dichotomie des „guten“ und des „bösen“ Indianers subsumiert. Gleichwohl greift Cooper bestimmte Kli­schees des Fremden auf, um sie dadurch zu problematisie­ren, dass er einzelne India­ner individualisiert. Auf diese Weise lässt sich aufzeigen, dass Cooper eine Differenz zwischen den Stereotypen[11] seiner Zeit und konkreten indi­ani­schen Protagonisten darstellt. Somit lässt sich die These aufstellen, dass sich in Coopers Indianerdarstellung insofern ein neuer Zug findet, als über die be­kannte Typi­sierung in „gute“ und „böse“ Indianer hinaus, Widersprüche, Divergen­zen und eine Zerrissenheit zur Geltung kommen.

Dennoch verdanken Coopers „primitive Wilde“ ihre Existenz grundsätzlich weni­ger seinen ethnologisch präzisen Kenntnissen als einer langen und komplizier­ten eu­ropäischen Tradition, die sich seit dem Zeitalter der Entdeckun­gen in Auseinanderset­zung mit den Ureinwohnern der amerikani­schen Kontinente entwickelt hatte. Der nordamerikanische Indianer war also mythisch als barbarische, wilde Kreatur und als unverdorbenes, glückseliges Natur­geschöpf existent, lange bevor Cooper ihn episch stilisierte.[12] Im ersten Kapi­tel soll deshalb die historische Entwicklung des stereotypisie­renden Indianerbil­des skizziert werden, um zunächst klären zu können, welcher Tradi­tion Cooper generell verpflichtet ist. Hierbei wird es auch um eine histo­rische Ein­bettung der Romane gehen. Dabei ist zu klären, wie in der literarischen Tra­di­tion mit dem Fremden, Wilden und Neuen umgegangen wurde. Cooper ist hier­bei einerseits der europäischen Aufklärung verpflichtet, die den noble savage „kreierte“. In diesem Kontext wird zudem zu zeigen sein, dass sich vor al­lem die kulturkritische Philosophie Rousseaus in The Pioneers und The Last of the Mohicans spiegelt. Denn Cooper verdeutlicht, dass erst die Viren der wei­ßen Zivilisation das „Schlechte“ in die indianische Lebensweise eingeführt und das Edle und Tugendhafte im Charakter der Indianer zunehmend zersetzt ha­ben.[13] Andererseits greift Cooper aber auch auf das purita­nische Feindbild des Indianers, den satanic savage, zurück. Hierbei muss jedoch beachtet wer­den, dass das Indianerbild der Puritaner keineswegs auf das der evil sava­ges be­grenzt war. Das Indianerbild der Puritaner ist deshalb zu differenzieren und erste anth­ropologische Ansätze sind zu erwähnen. Darüber hinaus orientiert sich Cooper auch an zeitgenössischen spezifisch amerikanischen Vorstellungen von Indianern, wie dem vanishing American und dem degenerate Indian.

Die Gestaltung des Indianers als literarische Figur erweiterte Cooper aber auch durch umfangreiche Quellenstudien, deren Ursprünge seine eigene inventio so­wohl antezedieren als auch überschreiten. Im zweiten Kapitel werden die histo­risch rele­vanten Quellen (vor allem John Heckewelder, Jonathan Carver, Mary Kinnan), die Cooper zum Teil mit Sicherheit, zum Teil wohl nur möglicher­weise gekannt und für seine Romane be­nutzt hat, untersucht. Zu bemerken ist, dass sich gerade im 18. Jahrhundert Reisebe­schreibungen, Expeditions- und Missionarsberichte über die nordamerikanischen Indi­aner häufen, die sich im Unter­schied zu den eher pauschalen Abhandlungen früherer Jahrhunderte mit einzel­nen Stämmen und ihren Traditionen befassen. Es wird deshalb zu klären sein, wie Cooper die Klischees, die in frühen, aber auch noch in zeitgenössi­schen Schriften kursierten, unterläuft, hinterfragt oder gar aufhebt. In diesem Zusam­menhang wird zudem analysiert werden, wie Indianer in Coopers Hauptquel­len darge­stellt werden, und auf welche Weise er diese kritisch und prob­lembewusst bearbeitet. Hierbei ist auch der Wahrheitsgehalt der histori­schen Quellen an sich zu prüfen sowie zu klären, ob diese Texte lediglich den Kli­schees verhaftet bleiben, oder ob auch sie schon indi­vidualisierte Indianerfigu­ren präsentieren. Die Quellentexte werden vor dem Hintergrund der erzähltheoretischen Ansätze Wolfgang Isers und Siegfried J. Schmidts betrach­tet.

Jedoch ist Coopers Indianerdarstellung bereits von Zeitgenossen kritisiert wor­den, mit dem Vorwurf, seinen Indianern fehle es an Lebensechtheit.[14] Entschei­dend ist hier­bei, dass Cooper seine Indianer stets als Figuren seiner dichteri­schen Freiheit ver­standen hat, also gar nicht für sich in Anspruch nahm, nordameri­kanische Ureinwoh­ner tatsächlich realistisch gezeichnet zu haben.[15] Coopers antithetisches Bild des India­ners scheint somit in der Tat idealisiert und eine grobe Vereinfachung zu sein, wobei die Stereotypen grundsätzlich rassis­tisch erscheinen. Dennoch kann generell gesagt werden, dass kein weißer ame­rikanischer Schriftsteller des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts vollkom­men vorurteilsfrei gegenüber Indianern war.[16] Das gilt auch für Cooper. Insofern kann auch seine Präsentation des Indianers zu den rassischen Ste­reotypen gezählt werden, die das amerikanische Denken im 19. Jahrhundert ge­prägt haben. Aus diesem Grund erscheint Coopers polares Indianerbild als Spie­gel seines kulturellen Hintergrunds. Darum auch wurde oft betont, dass Cooper die Indianer so hinnahm, wie sie ihm durch seine Kultur präsentiert wur­den.[17] Verdeutlicht soll aber auch werden, dass Cooper nach einem Kompro­miss zwischen seinen eigenen, vorur­teilsbeladenen Vorstellungen vom Typ Indianer und seinen epischen und politischen Intentionen suchte. Denn auch er teilte prinzipiell die Überzeugung seiner Zeitgenos­sen von der histori­schen Notwendigkeit des weißen Siegs. Auf diese Weise wird die Stereotypisie­rung seiner indianischen Protagonisten auch als Beweis für seine ethno-chauvinistische Vorurteilsbeladenheit zitiert. Nicht ohne Grund gilt Coopers Interesse primär dem Wilden, den man durch die Vorstellungen und Erfor­dernisse des zivili­sierten Lebens definiert.[18] Die Tatsache aber, dass die Entstehung von The Pioneers und The Last of the Mohicans generell in eine Peri­ode relativer Indianerfreundlichkeit in Politik und Literatur fallen,[19] legt nahe, dass Cooper bei der Darstellung von India­nern in der Tat nicht bloß den Kon­ventionen folgt, sondern zentrale Indianergestalten mehrschichtig anlegt und sie dementsprechend komplexer gestaltet.

Auf diese Weise stellt Elisabeth Hermann bereits in ihrer 1986 veröffentlichten Dis­sertation über die Darstellung der nordamerikanischen Indianer im Werk James Fenimore Coopers und seiner Zeitgenossen[20] fest, dass Cooper mit der Mög­lichkeit expe­rimentiert, das scheinbar Unvereinbare, nämlich die dynami­sche angloamerikani­sche und die statische indianische Zivilisation, zusammenzu­bringen und die Indianer in den Ablauf der Geschichte des nordameri­kanischen Kontinents einzubeziehen. Diese einschlägige Studie über die Gestaltung und Funktionalisierung indianischer Charaktere in Coopers Roma­nen gelangt zu dem Ergebnis, dass Cooper bei der Prä­sentation seiner India­ner zwar auf einer Darstellungsebene die Konventionen seiner Zeit auf­greift, wenn es darum geht, den „typischen“ Indianer zu präsentieren. Alte Le­servor­urteile und damit zusammenhängende grundlegende Urteilssicherheit des Le­sers über indianische Eigenheiten werden damit bestätigt. Jedoch betont Her­mann auch, dass es darüber hinaus noch eine zweite Ebene gibt, auf der Cooper in der Gestaltung des kollektiven Schicksals der Zivilisation hinaus­geht, und mithilfe von „Akkulturati­onsexperimenten“ Möglichkeiten ausleuch­tet, durch die eine Einbeziehung der india­nischen Zivilisation in den Ablauf ameri­kanischer Geschichte ermöglicht werden könnte. Hermann gelangt zu dem Schluss, dass die Indianer die Lösung aus der Ge­bundenheit an ihre wenig ent­wickelte Zivilisationsstufe,[21] den Schock des Herausgeris­senwerdens aus ei­nem Jahrhunderte währenden Zustand, nicht überstehen und folglich auch nicht als aktive Teilnehmer in den Verlauf von Geschichte integriert werden können. Auf­gezeigt an dominanten Indianerfiguren, führt der plötzliche, er­zwungene Über­gang nach Hermann eher zu einem Prozess der Desintegration, in des­sen Ver­lauf die Indianer entweder ihr Leben verlieren oder als passive Mündel der wei­ßen Zivilisation enden, ohne an deren Zukunft teilhaben zu können.

Es lässt sich Hermann darin zustimmen, dass Cooper bei der Darstellung des „typi­schen“ Indianers, d.h. des Indianers als Angehörigen eines Volkes, im Gan­zen den Konventionen seiner Zeit folgt und diesen Indianer stereotypisiert dar­stellt. Im dritten Kapitel wird entsprechend analysiert werden, welche Funk­tion die Übernahme von Klischees für die Darstellung des „typischen“ India­ners einnimmt. In diesem Zusam­menhang wird auch darauf einzugehen sein, dass das Fremde vorwiegend aus der sen­timentalisierenden Perspektive der Wei­ßen geschildert wird. Darum ist auch zu be­achten, ob ein kritisches Verhält­nis Coopers gegenüber der Sicht der Angloamerikaner deutlich wird. Zu bemerken ist nämlich, dass Cooper durchaus den Versuch unter­nimmt, aus der ethnozentrischen Sichtweise der europäischen Literatur auszubrechen und sich ansatzweise auch in die Angehörigen der Nationen hineinzuversetzen, die diese Literatur zu Objekten der Betrachtung reduziert. Aus diesem Grund kann man die These aufstellen, dass Cooper speziell in The Last of the Mohicans nicht mehr die Konfrontation von Zivilisation und Barbarei, sondern vielmehr das Nebeneinander mehrerer Kulturen gestaltet.[22]

Obwohl Cooper schon in The Last of the Mohicans die Möglichkeit einer angloin­dianischen Mischkultur andeutet, wird die Möglichkeit kultureller Assimila­tion[23] erst in dem Roman The Wept of Wish-Ton-Wish von 1829 expli­zit durchgespielt. Die Annä­herung eines Indianers an die angloamerikanische Zivili­sation wird hier in besonders deutlicher Weise aufgegriffen. Denn der Protago­nist Conanchet geht durch die eheliche Verbin­dung mit der Weißen Ruth Heathcote eine tiefe emotionale Beziehung mit den Anglo­amerikanern ein. The Wept of Wish-Ton-Wish ist auch insofern literarhistorisch inte­ressant, als sich dort eine ganz andere Verarbeitung der captivity narrative zeigt, als in The Last of the Mohicans. Denn indem der Roman nicht nur das Schicksal ei­ner puri­tanischen (weiblichen) Gefangenen, sondern auch das eines gefangenen (männlichen) Indianers behandelt, wird zudem eine Transformation der Gat­tung der captivity tales als solcher vorbereitet.[24] Des­halb kann man sagen, dass Cooper nicht nur captivity tales verarbeitet hat, sondern auch zu deren Transforma­tion beigetragen hat. Darüber hinaus markiert die Verbin­dung von Conanchet und Ruth Heathcote einen Moment in der Kolonialgeschichte Neueng­lands, der ihrem weiteren Verlauf nachhaltig beeinflussen und eine an­dere Richtung hätte geben können.

Bleibt Conanchet trotz seiner engen Bindung an die angloamerikanische Kultur sei­ner ursprünglichen Identität verhaftet, so scheint an Scalping Peter aus The Oak Openings (1848), dem schaffenschronologisch letzten von Coopers Indianerro­manen, eine Aufgabe seiner indianischen Identität, bedingt durch ein plötzliches Kon­versionserlebnis, am vollständigsten demonstriert. Als „trau­rigste Indianerfigur“[25] geht Scalping Peter aber der eigenen Sprache verlustig und scheint deshalb dem Typus des „roten Trottels“ zu entsprechen. Da in die­sem Roman indianisches traditionelles Wissen zudem komisiert wird, stellt sich die Frage, ob Cooper den Indianer in diesem späten Werk degradiert. Da­mit würde er sich in die Tradition der späteren Autoren des 19. Jahrhunderts, Mark Twain und Edgar Allan Poe, stellen, die die Figur des Indianers benutzt ha­ben, um lä­cherliche Momente der menschlichen Existenz hervorzuheben. Hier­bei ist jedoch zu bedenken, dass Komik an sich stets die Implikation der Nega­tion in sich trägt, weshalb eine scheinbare Abwertung des Indianers durch­aus eine Kritik an der weißen Zivilisa­tion beinhalten kann.

Es ist deutlich geworden, dass Coopers Indianerdarstellung nicht nur eine bedeu­tende Rolle hinsichtlich der Präsentation des Indianers in der Literatur zu­kommt, son­dern dass seinem Indianerbild auch das Potential zugestanden wer­den muss, den kultu­rellen Hintergrund des 19. Jahrhunderts näher beleuch­ten und die Einstellung der Angloamerikaner zu den Native Americans verdeutli­chen zu können. Aus diesem Grund erscheint eine eingehende Betrach­tung der Bedeutung der stereotypisierenden Indianerdarstellung und de­ren Modifizierung anhand individualisierter Indianergestalten ein angemesse­ner und geeigneter Aspekt für eine Interpretation von Coopers Romanen The Pioneers und The Last of the Mohicans, aber auch für The Wept of Wish-Ton-Wish und The Oak Openings.

Festzustellen ist hierbei, dass den fünf individualisierten indianischen Hauptfigu­ren aus diesen Romanen – Magua, Uncas, Chingachgook, Conanchet und Scalping Peter – durch ihre Rollen als „gute“ beziehungsweise „böse“ India­ner eine symbolische Funk­tion zukommt, so dass sie zu Repräsentanten der verschiedenen Stadien der Extermi­nation der Indianer werden und dabei auch die sich verändernde Rolle des Indianers an der American frontier widerspie­geln. Auf diese Weise lässt sich an ihnen aufzeigen, inwiefern Cooper die Stereotypen problematisiert und verkompliziert. Die Bedeutung der Ab­weichungen werden an diesen Beispielen in den folgenden fünf Kapiteln ge­deu­tet werden. Der Protagonist Uncas und der Antagonist Magua aus The Last of the Mohicans sollen dabei vornehmlich als Prototypen des „guten“ beziehungs­weise des „bösen“ Indianers betrachtet werden. Hierbei ist festzuhal­ten, dass der „böse“ Magua als Gegenwartsindianer konzipiert ist, wäh­rend der „gute“ Uncas von vornherein als Vergangenheitsindianer er­scheint, der bereits bei Entstehung des Romans The Last of the Mohicans der Ver­gangenheit angehörte und damit zur Glorifizierung freigegeben war. Somit reprä­sentieren Uncas und Magua beide eine jeweils andere Phase in der Ausrot­tung der Indianer durch den unaufhaltsamen Fortschritt der weißen Zivilisa­tion. Interessant ist hierbei insbesondere, inwiefern Magua vom Proto­typ des „schlechten“ Indianers abweicht. Bei Chingachgook scheint Cooper zwei typische Entwicklungssta­dien indianischer Existenz vor Augen gehabt zu ha­ben, denn Chingachgook erscheint in The Pioneers als degenerierter Gegen­wartsindianer, während er in The Last of the Mohicans und vor allem im chronolo­gisch ersten Roman der Leatherstocking Tales, The Deerslayer (1841), eher dem „edlen Wilden“ gleicht.[26] An Conanchet wird die Integra­tion des Indianers in die angloamerikanische Zivilisation am weitesten geführt und der Entwicklungsprozess des Indianers auf realistische Art und Weise geschil­dert. Dahingegen wird aus dem anfänglich „gefährlichen“ Indianer Scalping Pe­ter unvermittelt ein bekehrter Indianer, der somit zum typischen vanishing American wird. Die Verteilung bewegt sich also entlang einer Grenze, die von Ver­gangenheit (d.i. gut, edel) und Ge­genwart (d.i. schlecht, degeneriert) gebil­det wird. Hierbei wird generell eine bedau­ernde Haltung Coopers hinsichtlich des Absterbens der reinrassigen, edlen Wilden deutlich.[27] Zudem wird letztlich auch sichtbar werden, dass der Unterschied zwischen dem „guten“ und dem „bö­sen“ Indianer in der Tat nicht sehr groß ist, sondern dass der „edle Wilde“ nur die Kehrseite des „teuflischen Wilden“ bedeutet.

1. Stereotypisierende Indianerbilder in der nordamerikanischen Literatur

1.1 Das Indianerbild der Puritaner

1.1.1 Der „teuflische Wilde“ der Captivity narrative

For them [the Puritans], Indians were direct instruments of Satan’s bidding, if not actual devils themselves.[28]

Wenn sich Menschen verschiedener Kulturen begegnen, treffen sich damit vor al­lem zunächst ihre unterschiedlichen Bedürfnisstrukturen. Auf diese Weise rich­ten sich ihre Hoffnungen, Wünsche und Erwartungen auf das jeweilige Gegen­über. Es ist hierbei der gesamte kulturelle Hintergrund, d.h. das, was in der lebenslangen Sozialisation erworben wird, das den hermeneutischen Prozess der Wahrnehmung und Einschätzung des anderen Menschen und der Verständi­gung mit ihm regelt. Stehen Menschen verschiedener kultureller Herkunft einan­der das erste Mal gegenüber, so wird aus dem Anderen der Fremde und Fehlin­terpretationen der fremden Kultur können die Folge sein.[29] Denn festzuhal­ten ist, dass bei der Kulturbegegnung eine gemeinsame, historisch entwi­ckelte semantische Basis zur Verständigung fehlt.

Die historische Bestimmtheit der menschlichen Wahrnehmung wirkt dabei zwei­schneidig. Denn indem der individuellen wie der kollektiven Reaktion auf das Fremde allein frühere Erfahrungen als Orientierung zur Verfügung stehen, be­steht unmittelbar die Gefahr, dass die Gegenwart durch die Sicht der Vergangen­heit verzerrt und verstellt wird. In den fremden Menschen werden dann nur Teile des ohnehin schon Bekannten gesehen und infolgedessen werden die fremden Menschen mit Zuschreibungen belegt.[30] Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Kulturbegegnung unter dem Angstdruck eines ökonomischen Neuan­fangs steht. Dann liegt es nahe, die fremden Menschen zu Projektionsträ­gern der eigenen Wünsche, Erfahrungen und Ängste zu machen. Dies hat zur Folge, dass das ihnen Eigene durch das auf sie Projizierte verstellt wird.[31] Auf diese Weise ist auch das Bild der edlen Wilden beziehungsweise der teuflischen Wil­den zustande gekommen.

Vor allem auf dem nordamerikanischen Kontinent kam es nach der Gründung der Kolonien zu massiven Konflikten zwischen den Zugewanderten und den Urein­wohnern. Die Europäer, die den nordamerikanischen Kontinent erreich­ten, fanden nämlich kein „kulturelles Niemandsland“[32] vor. Die „City upon a hill“ der Puritaner musste aus diesem Grund in strikter Abgrenzung zu der Kul­tur der bereits ansässigen Menschen errichtet werden. Somit lässt sich erklären, wes­halb die Puritaner den Indianern im Allgemeinen äußerst feindselig gegenüber­standen und ihre Kultur gar nicht anerkennen konnten.

Bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts spielte das Verhältnis der Angloamerika­ner zu den Indianern somit eine zentrale Rolle für die Entwicklung der vom Pionier­geist geprägten Siedlerkultur zur hochzivilisierten Nation. Es lässt sich vom ersten Kontakt bis zur eskalierenden Konfrontation aufzeigen, wie sich die ame­rikanische Kultur verstanden hat. Literarische Schriften erscheinen hierbei prinzi­piell als Mittel zur Verarbeitung von Geschichte sowie als Ausdruck von Ideen­prozessen. Denn sie erlauben es, Rückschlüsse auf die Einstellung der wei­ßen Amerikaner zum Anderen, d.h. zum Fremden, zu ziehen. Diese Literatur spie­gelt dabei einen Prozess der Entstehung von Stereotypen wider, wobei festzuhal­ten ist, dass diese in erster Linie Konstruktionen von Nicht-Indianern dar­stellen und somit grundsätzlich wenig mit der Realität des indianischen Le­bens gemein haben.

Auf diese Weise war das dichotome Bild von den amerikanischen Ureinwoh­nern, der Widerspruch zwischen Verteufelung und Verherrlichung, bereits bei Ko­lumbus und anderen Entdeckungsreisenden der Renaissance angelegt und kenn­zeichnet alle folgenden Indianerdarstellungen der Kolonialzeit. Die Auffassun­gen vom edlen und unedlen Wilden formten also schon relativ früh feste Bestände westlicher Kultur und ermöglichten den Repräsentanten der abendlän­dischen Kultur, sich selbst zu bestätigen, abzugrenzen, eigenes unrechtmäßi­ges Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen, aber auch sich selbst zu kritisieren.[33] Die intellektuelle und moralische Qualifizierung des Indianers er­scheint somit auch als ein Mittel zur Bestimmung des kulturellen Selbstwer­tes. Denn die Berührung mit den Eingeborenen führte den Weißen das vor Au­gen, was sie nach ihren Wertmaßstäben nicht sein sollten und forderte von ihnen so­mit eine Definition ihrer eigenen Kultur.

Das Bild des Indianers als „roter Teufel“ ist im Wesentlichen als Resultante ei­ner biblisch fundierten Weltbetrachtung der puritanischen Siedler zu verstehen. Diese Vorstellung vom Indianer geht hauptsächlich auf die eurozentrische, christ­lich-theologische Voreingenommenheit der Puritaner zurück, die den India­nern notwendig als dämonisch, da ungläubig, sehen und ihm mit unverhohle­nem Misstrauen und unerschütterlichem Glauben an die eigene Überle­genheit sowie die Gottgewolltheit ihrer Anwesenheit in der Neuen Welt begeg­nen mussten. Die puritanische Sicht der Indianer als „teuflische Wilde“ ba­siert auf ihrem religiösen Geschichts- und Realitätsverständnis, welches wiederum auf einer stark typologisch orientierten Theologie beruht. So werden die Puritaner zum heiligen Volk, Amerika zum New Canaan, die Wildnis zur Wüste des alten Testaments und die Indianer zu Ausgeburten des Teufels.[34]

Somit erkannte der puritanische Geist in den Indianern von Anfang an die teufli­sche Opposition gegen die göttliche Ordnung.[35] Darüber hinaus trug die man­gelnde Bereitschaft der Indianer, sich bekehren zu lassen, zu der Überzeu­gung der Puritaner bei, dass diese der höheren Zivilisation zu weichen hatten. Auf diese Weise konnten die Puritaner die Eliminierung der Ureinwohner sowie die Urbarmachung des Landes als göttlichen Willen deklarieren. Dabei betrach­ten sie ihre Beziehung zu den Indianern einseitig als eine Gefährdung ihrer selbst, aus der allein Gott sie erretten konnte. Um die Aneignung von Land rechtferti­gen zu können, haben die Puritaner den Indianern das Menschsein und so­mit auch das Recht auf ihr Land abgesprochen.[36] Den Puritanern konnten die India­ner somit nur fremd und unmenschlich bleiben, da sie sie nie als gleichberech­tigte Wesen betrachtet haben. So schreibt die auf Neuengland bezo­gene Literatur des 17. Jahrhunderts entscheidende Komponenten der rhetori­schen Appropriation der Indianer im 16. Jahrhundert fort.[37] Dies trifft insbeson­dere auf Reiseberichte und offizielle Verlautbarungen englischer Bischöfe (z.B. Jewell und Abbott) zu, die das Bild vom Indianer als „cruel, degenerate Devil worshippers“ verbreiteten.[38] So überwiegen in diesen Predigten und Anlässen plu­rale Abgrenzungen von „Indians“, „Savages“, „Heathens“ und „Barbarians“ im Vergleich zur Verwendung von Stammesbezeichnungen wie beispielsweise Wam­panoag, Pequot, Mohegan und Narragansett.[39]

Da die Puritaner allein in Gottes Wort eine Richtlinie für die innere wie äußere Ord­nung des Gemeinwesens erblickten, die somit auch eine Folie zur Interpreta­tion der fremden Kultur lieferte, passten die Indianer lediglich als Teil des be­reits Gewussten in einer abstrakten Menschlichkeit in dieses Gefüge. Diese Hal­tung impliziert generell, dass die Puritaner die Indianer gar nicht als ein Anderes er­kennen konnten, das zur kritischen Reflexion der eigenen Kultur aufforderte.[40] Dementsprechend ist in den historischen Dokumenten der Puritaner selten Verständ­nis für die indianische Kultur als solche vorhanden. Vor diesem Hinter­grund erscheint der Hass der Puritaner auf die ihnen fremden Indianer primär als Ausdruck eines institutionalisierten, strukturellen Ethnozentrismus, der die Auf­rechterhaltung der puritanischen Herrschaft mit theologischen Argumenten legi­timierte.[41]

So bezeichnete der führende Puritaner Cotton Mather die Eliminierung der India­ner als das höchste Ziel der Kolonisten, da dies der offensichtliche Wille Got­tes sei. Deshalb sprach er den Indianern alle menschlichen Wesenszüge ab und betrachtete sie einseitig als „rapacious wolves“ und „serpents“.[42] Auch in dem aus demselben Jahr stammenden Rückblick „ The Troubles, which the Churches of NEW-ENGLAND have undergone in the WARS, which the People of that Country have had with the Indian Salvages” [43] betrachtet Mather die In­dianer als „Instrumente des Teufels” (Kap.7, S. 41) und „Devils in Flesh” (Kap. 7, S. 49). Er deutet den Pequot-Krieg (1637) deshalb auch als Konflikt zwischen „the Infant Colonies of New-England” und „satanischen Wilden“ (Kap. 7, S. 42).[44] So betrachtet er auch den King Philip’s War (1675-78) als „the War […] begun by a Fierce Nation of Indians, upon an Honest, Harmless, Christian Genera­tion of English “ (Kap. 7, S. 46). Er stellt dabei stets „[t]he Blasphemy, and Insolence, and prodigious Barbarity of the Salvages“ (Kap. 7, S. 52) der Sorge der Neuengländer bezüglich der Bewahrung ihrer kirchlichen und zivilisatori­schen Errungenschaften gegenüber.[45]

Aber auch schon in Increase Mathers Brief History of the Warr With the Indians in New-England [46] von 1676 wird diese Abgrenzung von den Indianern in beson­ders eindringlicher Weise deutlich. Denn auch Increase Mather entfaltet dort das Re­pertoire der negativen Repräsentation der Indianer in seiner gesamten Band­breite.[47] So bestimmen in seinen Augen „[M]ischief“ (S. 87), „inhumanity“ (S. 90), „treachery“ (S. 93, 107) und „insolency“ (S. 88) das Handeln und Denken der Indianer. Ihr Verhalten beschreibt er deshalb auch als „barbarous“ (S. 87, 90, 100) und „malicious“ (S. 87). So stigmatisiert er die nordamerikanischen Urein­wohner kollektiv auch als „wicked Men whose tender Mercies are cruelties“ (S. 92). Zudem betrachtet er sie als „ Barbarous Heathen “ (S. 103), „wild Beasts“ (S. 104), „perfideous and bloody Heathen“ (S. 107) und schließ­lich auch als „perfect Children of the Devill“ (S. 116).[48]

Die Indian-devil -Stereotypie findet sich jedoch nicht nur in den historischen Doku­menten der Puritaner, sondern auch in den Erfahrungsberichten (factual prose) und in den Berichten über Gefangenschaften bei den Indianern (captivity tales/narratives) der puritanischen Kolonisatoren des 17. Jahrhunderts. Diese Be­richte über Gefangenschaften bei den Indianern stellen das erste originär amerikani­sche Genre[49] dar und wurden zunächst nur im religiösen Eifer geschrieben, um nach der Befreiung aus indianischen Händen die Gnade und die Allmacht Got­tes zu preisen und die Schrecken der heidnischen Wildnis darzustellen.[50] Vor al­lem die captivity tales dienten zu jener Zeit als einzige Informationsquelle über das Leben der Indianer und beeinflussten somit sehr stark das Bild vom „Wil­den“ in den Augen derer, die fern von der Erfahrung der Wildnis lebten. In die­sen Erzählungen werden indianische Ureinwohner im Allgemeinen nicht als erkenn­bare Individuen oder als Menschen anderer Kultur dargestellt, sondern viel­mehr als stereotype Handlanger von teuflischen Mächten, die zu bekämpfen die Puritaner sich an Gottes Seite berufen fühlten.[51] Zwar treten in Gefangenschafts­berichten auch hin und wieder „gute“ Indianer auf, die den Verzwei­felten Nahrung und Trost spenden, manchmal sogar deren Leben retten, doch werden ihre Handlungen nicht als Ausdruck ihrer Menschlichkeit gesehen, son­dern als Manifestationen göttlicher Gnade. Die wohl bekannteste Erzählung die­ser Art ist Mary Rowlandsons A Narrative of the Captivity and Restoration of Mrs. Mary Rowlandson von 1682.[52]

Die Handlung der captivities folgt meist nur einem einzigen Plotschema. So wird zumeist ein/e Neuengländer/in[53] während der Grenzkriege von franzö­sisch-freundlichen Indianern gefangen genommen und erlebt auf dem Marsch ins indianische Hinterland Entbehrungen und entsetzliche Grausamkeiten. Schließ­lich wird er/sie durch eine wunderbare, gottgewollte Fügung gerettet und kehrt in die neuenglische Zivilisation zurück. Die captivity folgt somit nach Van der Beets auch dem archetypischen Muster von Tod und Wiederge­burt,[54] denn die Gefangenschaft setzt stets mit der Trennung von der eigenen Kul­tur, und deshalb mit einem symbolischen Tod, ein. Daraufhin folgt die Transforma­tion, ein innerer Entwicklungsprozess durch schwierige, zu beste­hende Situationen, die mit der Rückkehr in die ursprüngliche Kultur endet. Diese ist als eine symbolische Wiedergeburt durch eine neue Erkenntnis zu verstehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Indianische Kriegsführung und die Praktik des Skalpierens: Zwei Indianer aus dem Südos­ten zeigen ihre Trophäen; Kupferstiche: Library of Congress[55]

Zu den wiederkehrenden Gräueltaten der Indianer in diesen Berichten gehören ne­ben Skalpieren auch Kannibalismus und Vampirismus.[56] Diese Handlungen wer­den gewöhnlich ausgeschmückt und detailliert wiedergegeben. Da vor allem die Erfahrung der Angst das konstitutive Element der Gefangenschaftsberichte dar­stellt und die menschlichen Qualitäten lediglich an den moralischen und kulturel­len Maßstäben der Zivilisation gemessen wurden, konnten die captivity narratives weder ein objektives noch ein realistisches Bild des Indianers und sei­ner Kultur liefern.[57] Dennoch bildete dieses Genre einen konstitutiven Bestand­teil der Literatur nach 1680 und übte einen entsprechend großen Ein­fluss auf die anti-indianische Haltung der Kolonialliteratur aus. Da die captivity tales als wesentlicher Bestandteil der frontier romances dann vor allem im 19. Jahr­hundert sehr populär wurden, haben diese auch sehr zur Vorstellung des India­ners als „roter Teufel“ in der Literatur dieser Zeit beigetragen: „Bis zu den Groschenromanen des ausgehenden 19. Jahrhunderts bleiben die Gefangenschaftsbe­richte mit ihrem geschlossen negativen Indianerbild (…) ei­nes der stabilsten Genres der amerikanischen Literatur“.[58]

Exkurs: Der Begriff des Stereotyps und die religiöse Typologie der Puritaner

Der ursprünglich aus der Druckertechnik stammende Begriff „Stereotyp“ wird heut­zutage in unterschiedlichen Kontexten verwendet, in denen er verschie­dene Bedeutungen haben kann.[59] Der „Stereotyp“ bezeichnet jedoch stets ein be­stimmtes gleich bleibendes Schema. Ein Stereotyp kann deshalb als eine Zusam­menfassung von Eigenschaften oder Verhaltensweisen angesehen wer­den. Diese hat meistens einen hohen Wiedererkennungswert und vereinfacht den gemeinten Sachverhalt sehr stark. Deshalb steht der Stereotyp generell in ei­nem engen Bedeutungszusammenhang zum Klischee oder Vorurteil.[60]

Der Begriff „Stereotyp“ findet vor allem in der Sozialpsychologie, der Soziolo­gie, aber auch in der Literaturwissenschaft Anwendung. Am geläufigsten ist die Verwendung jedoch in einem sozialwissenschaftlichen Kontext. In diesem Zu­sammenhang bezeichnen Stereotype Komplexe von Eigenschaften oder Verhal­tensweisen, die bestimmten Personengruppen zugeschrieben werden und die über eine gewisse sozialpsychologische und gesellschaftliche Dynamik ver­fügen.[61] Somit grenzen sie sich sichtbar von den so genannten Schemata ab, die keine primären sozialen Informationen beinhalten (z.B. Prototypen). Stereo­type kennzeichnen sich vor allem dadurch, dass sie besonders distinkte Eigen­schaften karikierend hervorheben und teilweise falsch verallgemeinern.

Der Begriff „Stereotyp“ wurde im Jahre 1922 von Walter Lippmann in die Diskus­sion der Vorurteilsforschung eingeführt. Sein Werk Public Opinion (Die öf­fentliche Meinung)[62] war somit bahnbrechend für die Stereotypenforschung im literaturwissenschaftlichen Kontext. Denn Lippmann argumentiert hier als politi­scher Journalist und nicht als Soziologe, „wenn er das Stereotyp als eine Pro­jektion des Wertbewusstseins, der eigenen Stellung und Rechte (…)“[63] ver­steht. Dennoch ist man sich in der Literatur immer noch nicht darüber einig, wie man Stereotypen charakterisieren soll. Man stellt sich deshalb die Frage, ob es bestimmte Haltungen, Überzeugungen oder verbale Ausdrücke von Überzeu­gungen sind, die Stereotypen kennzeichnen. Einigkeit herrscht jedoch dar­über, was die Merkmale von Stereotypen betrifft: ihr Gegenstand ist immer eine bestimmte Gruppen von Menschen, wobei das Individuum Stereotype als Aus­druck der öffentlichen Meinung durch die Erziehung der Familie oder des Mi­lieus kennen lernt. Hierbei wird „[d]ie Wahrnehmung und Perzeption sozia­ler Hinweisreize und deren Transformation in individuelle Eindrücke (…) durch kulturelle Rahmenbedingungen beeinflusst“.[64] Dies geschieht unabhän­gig von der persönlichen Erfahrung des Menschen. So heißt es auch bei Schütz und Luckmann: „Alle meine Erfahrungen in der Lebenswelt sind auf dieses Schema bezogen, so daß mir die Gegenstände und Ereignisse in der Lebens­welt von vornherein in ihrer Typenhaftigkeit entgegentreten (…)“.[65] In Bezug auf die wertende Funktion des Stereotyps ist es stets emotional geladen, so­wohl positiv als auch negativ.

Zudem ist ein Stereotyp entweder völlig tatsachenwidrig oder es enthält nur par­tiell Tatsachen. Es erweckt aber den Anschein, völlig wahr zu sein. Dar­über hinaus sind Stereotype dauerhaft und resistent gegen Veränderungen, da sie unabhängig von der Erfahrung entstehen und eine emotionale Aufladung besit­zen. Sie haben hierbei geradezu eine „„Selbst-erfüllende Prophezei­ung[en]“ (…), die nach Robert Merton „ein Reich des Irrtums“ erschaff[t] und ver­ewig[t].“[66] Die soziale Funktion von Stereotypen besteht vor allem darin, die von einer Gruppe oder Gesellschaft akzeptierten Werte und Urteile zu verteidi­gen. In psychologischer Sicht dient die Stereotypisierung deshalb als Orien­tierungssystem und vereinfacht die Entscheidung für eine kognitive Ökono­mie. Denn „Stereotype dienen den Akteuren einer Gesellschaft, be­stimmte Personen und Personengruppen in diese Strukturen sozial zu „veror­ten“, wodurch sich eine hierarchische Gesellschaftsordnung herausbilden kann“.[67] Darüber hinaus dient die Stereotypisierung auch als Anpassungssys­tem, so dass in einer Gruppe Konflikte verringert werden. Außerdem haben Stereo­typisierungen auch die Funktion, als Systeme zur Aufrechterhaltung des Selbst zu dienen. Denn „Stereotype (…) [tragen] fundamental mit dazu bei, eine Gesellschaftsordnung der sozialen Interaktion zu schaffen und aufrecht zu er­halten“.[68] In diesem Sinne unterstützt und fördert die Stereotypisierung die Selbst­definition und Selbstverankerung.

Wendet man sich jedoch der puritanischen Vorstellung des Indianers als „roter Teu­fel“ zu, so ist zu beachten, dass der Begriff „Typ“ in der Theologie eine ganz andere Bedeutung hat, als das spätere moderne Verständnis dieses Beg­riffs. Aber was bedeutet nun ein „Typ“ in diesem spezifischen Sinne? Schaut man in die Klassiker der nordamerikanischen Literatur, so findet sich beispiels­weise in Herman Melville Israel Potter, einem Werk aus der Zeit der amerikani­schen Romantik,[69] ein Hinweis. So beschreibt Melville die See­schlacht des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges als „something singularly indictory in this engagement: it may involve at once a type, a parallel, and a prophecy “.[70] Der Begriff „Typ“ wird hier als Vorbild, Parallele und Prophetie ver­standen.

In der lateinischen Übersetzung von figura, bedeutet „Typ“ in dem spezifi­schen von Melville verwendeten Sinne „Parallele“ sowie „Prophetie“. So ist im theologischen, biblischen Verständnis ein Typus eine Person, Sache, Handlung oder Einrichtung, die durch positive Bestimmung des die Geschichte vorausordnen­den Gottes neben ihrer durchaus selbständigen Bedeutung als Tatsa­che ihrer Zeit noch eine zukünftige Person, Sache, Handlung oder Einrich­tung vorherbildet.[71] Nach Brumm handelt es sich hierbei um eine Konzep­tion, „die jahrhundertelang die abendländischen Vorstellungen vom mensch­lichen Schicksal und vom Weltablauf bestimmte und die damit auch auf die Dichtung und Geschichtsschreibung ausstrahlte“.[72]

Somit haben die amerikanischen Puritaner das alte Testament als konkret-dramati­sche Weltgeschichte typologisch auf ihr eigenes Schicksal bezogen. So klingt mit ihrer Auswanderung in die amerikanische Wildnis ein typologisches Mo­tiv an, nämlich das des Auszugs der Kinder Israels in ein „Zweites Jerusa­lem“.[73] Dieser Zug der Kinder Israel aus Ägypten in die Wüste (Wildnis) und schließlich in das gelobte Land, ist der alles beherrschende Typ der Puritaner. Diese Konzeption gab den Puritanern Kraft, um die Gefahren und Unwirtlichkei­ten Neuenglands zu bewältigen: „(…) sie [die Typologie] war ein Mittel, das Einsamkeitsgefühl in der „howling wilderness“ zu überwinden und sich trotz Entferntheit und Trennung durch einen Ozean als Teilhaber der gro­ßen christlich-abendländischen Tradition zu fühlen“.[74]

Ein sehr bekanntes Beispiel, dass das puritanische Geschichtsverständnis sowie ihre Einstellung gegenüber der Neuen Welt offenbart, findet sich in William Bradfords Chronik Of Plymouth Plantation[75] (1630-50). Denn dort schildert Bradford die Ankunft der Puritaner in der Neuen Welt, die sie als Wüstenei erfah­ren, in der sie nichts Vertrautes willkommen heißt. Der Chronist setzt den Kampf der ersten Siedler in Beziehung zum Zug des Volkes Israel und ge­braucht dabei die Wüstenmetapher als Typologie. Diese steht im Gegensatz zur Pa­radiesmythe. Er verleiht der Verlorenheit der Neuankömmlinge Ausdruck, in­dem er an die Stelle einer Beschreibung dessen, was sie sehen, eine Auflis­tung der Dinge stellt, die sie an diesem Ort vermissen: „Being thus passed ye vast ocean…they had now no friends to wellcome them, nor inns to entertaine or refresh their weatherbeaten bodys, no houses or much less townes to repaire too, to seeke for succoure.“[76] Die Neuankömmlinge sind offenbar mit einem ge­schichtslosen Ort konfrontiert, der im Namen Gottes erst seinem Reich einver­leibt und urbar gemacht werden muss. Denn die Puritaner erblicken in ih­rer neuen Umgebung lediglich „a hidious & desolate wilderness, full of wild beasts & wild men“.[77]

Die Typologie dient den Puritanern somit nicht nur zur Deutung der Welt, son­dern auch zur Interpretation von Geschichte. Aus diesem Grund fehlt in der puritani­schen Vorstellung von Geschichte der Begriff der Entwicklung als et­was in der Zeit zu einem unbekannten Ziel kausal Fortschreitendes völlig. Aus der typologischen Sicht der Puritaner ist Geschichte vielmehr nach den drei Stu­fen „prophetische Präfiguration“, „Erfüllung“ und „endzeitliche letzte Erfül­lung“[78] konzipiert.

[...]


[1] Aus http://www.swarthmore.edu/.../kjohnso1/sublime04.html. 20.12.2006.

[2] Warren S. Walker, James Fenimore Cooper: An Introduction and Interpretation (New York, 1962), S. 33.

[3] Beatrix Dudensing betont, dass sich mit Coopers Bezeichnung als „The American Scott“ zwei­er­lei verbinden lässt. Erstens die Tatsache, dass Sir Walter Scott (1771-1832) sowie Coo­per als Begründer einer Nationalliteratur und als Verfasser historischer Romane mit bestimm­ten Figurenkonstellationen angesehen werden können. Zweitens die Tatsache, dass sich neben struk­turellen Ähnlichkeiten der Romane eine gemeinsame Verwurzelung im Primitivismus und im kulturellen Relativismus nachweisen lässt (vgl. Beatrix Dudensing, Die Symbolik von Mündlich­keit und Schriftlichkeit in James Fenimore Coopers „Leatherstocking Tales“ (Frank­furt am Main, 1993), S. 7f.). Auch John Lye bezeichnet Cooper als den „American Scott“. Vgl. John Lye, Romance as a Genre: Some Notes. http://www.brocku.ca/english/courses/2F55/romance.html. 14.12.2006 (Eine Veröffentlichung der Brock University, Ontario, Kanada). Zur Bedeutung Coopers als Begründer der amerikani­schen Natio­nalliteratur siehe auch Barbara Buchenau, Der frühe amerikanische histori­sche Roman im transatlantischen Vergleich (Frankfurt am Main, 2002), S. 345. Cooper wurde primär durch seine Indianerromane, aber auch durch Abenteuerromane im Pionier- und Seefah­rer­milieu bekannt.

[4] Zur Bedeutung Coopers als erstem amerikanischen Schriftsteller äußern sich auch Ursula Brumm, “Motive für historisches Sein: Eine Untersuchung an frühen historischen Romanen von Scott und Cooper.“ In: Theodor Wolpers, Hrsg. Gattungsinnovation und Motivstruktur. Be­richt über Kolloquien der Kommission für literaturwissenschaftliche Motiv und Themenfor­schung 1986-1989. Teil I (Göttingen, 1989), S. 134, Klaus P. Hansen, “James Fenimore Coo­per: Die entschärfte Progressivität des retrospektiven Liberalismus.“ In: Die retrospektive Mentali­tät. Europäische Kulturkritik und amerikanische Kultur (Cooper, Melville, Twain) (Tü­bin­gen, 1984), S. 123 u. 130 und Hartmut Heuermann, “Von diabolischen Wilden und dicho­to­men Werten: James Fenimore Coopers Leatherstocking Tales (1823ff.).“ In: Mythos, Lite­ra­tur, Gesellschaft. Mythokritische Analysen zur Geschichte des amerikanischen Romans (Mün­chen, 1988), S. 240. Leslie A. Fiedler betont darüber hinaus, dass Cooper als erster Ju­gendschriftstel­ler Amerikas auch als erster wahrer amerikanischer Autor gelten kann. Nach Fied­ler stellen die Lederstrumpf-Romane nämlich den Amerikaner so dar, wie er sich im Grunde seines Wesens selbst betrachtet (vgl. Leslie A. Fiedler, “James Fenimore Cooper und der historische Roman.“ In: Liebe, Sexualität und Tod. Amerika und die Frau, aus dem Ameri­kani­schen übers. von Michael Stone & Walter Schürenberg (Berlin, 1964), S. 154). Zur Be­deu­tung Coopers als Jugendschriftsteller siehe insbesondere Anneliese Bodensohn, Im Zeichen des Ma­nitu. Coopers „Lederstrumpf“ als Dichtung und Jugendlektüre (Frankfurt am Main, 1963).

[5] Dies wird beispielsweise dadurch veranschaulicht, dass in Deutschland, wo Coopers zweiter Ro­man Der letzte Mohikaner schon im 19. Jahrhundert populär war, die Alltagsformulierung „der letzte Mohikaner“ für viele letztüberlebende Zeitzeugen oder Anhänger einer Idee oder Überzeu­gung sprichwörtlich wurde. Vgl. Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensar­ten. Bd. 3. 5. Aufl. (Freiburg/Basel/Wien, 1991), S. 1040. Krüger-Lorenzen bemerkt auch, dass die deutschen Redensarten „den Kriegspfad beschreiten”, „das Kriegsbeil begraben” und „die Friedenspfeife rauchen” von Cooper stammen. Vgl. Kurt Krüger-Lorenzen, Der la­chende Dritte. Deutsche Redensarten und was dahinter steckt III. Mit Zeichnungen von Fran­ziska Bilek (Düsseldorf/Wien, 1973), S. 186.

[6] Heuermann, S. 243, zitiert Paul Wallace aus: “Cooper’s Indians“, New York History, 35 (1954), S. 417.

[7] Walker, S. 46.

[8] Ursula Brumm hebt hervor, dass die beiden Romane insofern sichtbar historisch platziert sind, als The Pioneers die Siedlungsproblematik, die bei Cooper das letzte Jahrzehnt des 18. Jahrhun­derts und das erste des 19. Jahrhunderts umspannt, und The Last of the Mohicans die Ver­wicklungen der Kolonialkriege, in denen England und Frankreich vom späten 17. bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus den Kampf um den Besitz Nordamerikas austragen, be­han­deln. Hierbei erscheint insbesondere The Last of the Mohicans geschichtlich konzipiert, weil dort das histo­risch belegte Massaker von Fort William Henry am Lake George (1757) mit dem triadi­schen Konflikt zwischen Engländern, Franzosen und Indianern, wenn auch in eindeutig fiktionali­sierter Form, im Zentrum der Handlung steht (vgl. Brumm, Motive für historisches Sein, S. 134 und Ursula Brumm, “Geschichte und Wildnis in James Fenimore Coopers The Last of the Mohicans.“ In: Geschichte und Wildnis in der amerikanischen Literatur (Berlin, 1980), S. 80).

[9] Zu beachten ist, dass der Begriff „Indianer“ eine grobe Verallgemeinerung darstellt, die die kul­tu­rellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Stämmen gänzlich unberücksichtigt lässt und so­mit wesentlich dazu beigetragen hat, das Schicksal der Stämme zu besiegeln und ihr Bild in der Literatur zu bestimmen.

Die Bezeichnung „Indianer“ (ursprünglich spanisch: indios) geht auf das Missverständnis des Seefah­rers und Entdeckers Christoph Kolumbus zurück, der glaubte, in Indien angekommen zu sein, als er Amerika im Jahre 1492 für die Europäer (Spanier) (wieder-)entdeckte. Mit „Indien“ be­zeichneten die europäischen Seefahrer zu jener Zeit allgemein den gesamten ostasiatischen Raum, den sie über den westlichen Seeweg zu erreichen suchten. Selbst nachdem sie ihren Irr­tum erkannt hatten, hielten sie an dieser Bezeichnung fest. Der Ausdruck „Indianer“ stellt so­mit die deutsche Version des englischen „ Indians “ dar. Es handelt sich hierbei also um einen Begriff, mit dem die europäischen Kolonialmächte die nordamerikanischen Ureinwohner bezeichne­ten. Dieser Sammelbegriff steht somit für eine Vielzahl verschiedener amerikani­scher Ethnien, die sich kulturell teilweise sehr stark voneinander unterscheiden. Damit vereinheit­lichten die Kolonialherren die Bewohner der eroberten Gebiete.

Die Völker Amerikas kannten selbst vor der Zeit Kolumbus’ keine entsprechende Gesamtbezeich­nung. Vielmehr definierten sie sich ausschließlich über ihre jeweilige Volks­gruppe. Vgl. Alvin M. Josephy, Hrsg., Amerika 1492. Die Indianervölker vor der Entdeckung. Idee von Frederick E. Hoxie. Aus dem Amerikanischen übers. von Brigitte Walitzek (Frank­furt am Main, 1992). Siehe insbesondere Teil I Wir, die Menschen, 1492, S. 21-307. Im Zuge der weißen Vorherrschaft, Verfolgung und Genozide gewannen insbesondere die Völker Nordameri­kas jedoch zunehmend ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Heutzutage gebrauchen sie in den USA für sich die englischen Begriffe American Indian (Indianer) oder Native American (amerikanischer Ureinwohner). Hierbei wird erstere Bezeichnung besonders von poli­tisch aktiven Menschenrechtskämpfern gebraucht.

Mit der Bezeichnung der Indianer wird im Folgenden der Symbol­komplex, das Bild dieser Men­schen als ideologisches Substrat euroamerikanischen Bewusst­seins beziehungsweise sein inter­nalisiertes Bild im Individuum, gemeint. Die Verwendung singulärer Formen wie zum Bei­spiel „(der) Wilde“, „(der) Indianer“ und „(der) Barbar“ unterstützt die Privilegierung kulturel­ler Schemata und Kategorisierungen auf Kosten individueller und individualisierender Per­zeptionen und Repräsentationen. Aus diesem Grund sind Indianerbilder immer zugleich auch als projizierte Übertragungen des Eigenen zu interpretieren. D.h. als Vorstellungs- und Symbol­komplexe verraten gerade die künstlerischen Produkte mehr über soziale, politische und kulturelle Probleme ihrer euroamerikanischen Produzenten als über die reale Existenz der in diesen Komplexen symbolisierten indianischen Kulturen.

[10] Zur Bedeutung von Coopers Indianerbild für die Literatur siehe insbesondere Hartmut Lutz, “In­di­aner“ und “Native Americans“: Zur sozial- und literarhistorischen Vermittlung eines Stereo­typs (Hildesheim/Zürich/New York, 1985), S. 151 u. 266ff.

[11] Die Bedeutung des Begriffs „Stereotyp“ wird im Exkurs zu Kapitel 1.1 Das Indianerbild der Puri­taner ausführlich behandelt werden.

[12] Vgl. Robert F. Berkhofer, Jr., The White Man’s Indian. Images of the American Indian from Co­lumbus to the Present (New York, 1978); Urs Bitterli, Die „Wilden“ und die „Zivi­lisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Be­geg­nung (München, 1976); Stephen Greenblatt, Wunderbare Besitztümer. Die Erfindung des Frem­den: Reisende und Entdecker, aus dem Englischen übers. von Robin Cockett (Darmstadt, 1994); Roy Harvey Pearce, Rot und Weiß: Die Erfindung des Indianers durch die Zivilisation, aus dem Amerikanischen übers. von Wolfgang Bick (Stuttgart, 1991).

[13] Fiedler macht Cooper generell verantwortlich für die amerikanische Einbürgerung des Rousseau­schen Mythos (vgl. Fiedler, S. 160f.).

[14] Beispielsweise wurde 1852 von dem Historiker Francis Parkman der Vorwurf erhoben, dass Coopers Indianer sehr oberflächlich dargestellt sind: „We do not allude to his [Cooper’s] In­dian characters, which it must be granted, are for the most part either superficially or falsely drawn.“ Barrie Hayne, “Ossian, Scott and Cooper’s Indians”, Journal of American Studies, 3 (1969), S. 73, zitiert Francis Parkman aus: The North American Review, 74, No. 154 (Januar 1852), S. 150. Auf weitere Kritik an Coopers Indianerdarstellung verweisen Fiedler, S. 159 und Gaile Mc Gregor, “Cooper and the New Noble Savage.” In: The Noble Savage in the New World Garden: Notes Toward a Syntactics of Place (Bowling Green, Ohio, 1988), S. 135.

[15] Auf diese Weise verwies Cooper auf Homer und das „Recht“ des Dichters, die Realität durch das „ beau idéal “ zu ersetzen und dem Leser die Charaktere als Idealbilder zu präsentie­ren (vgl. Fiedler, S. 144 u. 159, Mc Gregor, S. 126 und Wolfgang Hochbruck, ’I Have Spoken’. Die Darstellung und ideologische Funktion indianischer Mündlichkeit in der nordamerika­nischen Literatur (Tübingen, 1991), S. 143). Zu weiterer Kritik an Coopers Indianerdar­stellung siehe auch Pearce, S. 282 sowie H. Daniel Peck, Hrsg., “Introduction.“ In: New Essays on “The Last of the Mohicans“ (Cambridge, 1992), S. 6ff.

[16] Allgemein stellt Hort zur Thematik der Vorurteile fest, „(…) dass es weder ein vorurteils­freies (Zeit-)Alter noch vorurteilsfreie Klassen oder Schichten gibt“ (Rüdiger Hort, Stereotype und Vorurteile – soziale und dynamische Konstrukte. Eine sozialpsychologische und wissenssoziologi­sche Untersuchung über die Entstehungsursachen, die Bedeutung und die Funktio­nen von Stereotypen- und Vorurteilsstrukturen. Magisterarbeit (Hamburg, 2002), S. 7.

[17] Vgl. Pearce, S. 270 und Peck, S. 8.

[18] Nach Pearce besteht für Cooper die Funktion des Indianers hauptsächlich darin, zum Verständ­nis des weißen Mannes vorzudringen (vgl. Pearce, S. 271).

[19] Diese Information stammt aus Hochbruck, S. 140. Das frühe 19. Jahrhundert war in der Tat die Zeit, in der Indianer aus „humanitären“ Gründen umgesiedelt wurden: „on their new land in the West, protected by a paternal and benign federal government, the Indians could gradually be prepared for (…) citizenship. Left on their own to compete with superior whites for territory in the East (…) they were certain to be decimated” (Lucy Maddox, Removals. Nine­teenth-Century American Literature and the Politics of Indian Affairs (Oxford, 1991), S. 25). Der Verzicht auf ihre angestammten Territorien und die Neuansiedlung westlich des Mississippi sollte die „Wilden“ vor dem für sie verderblichen Kontakt mit der Zivilisation bewah­ren und ihnen einen langsamen, geregelten und geplanten Übergang in die Moderne ermögli­chen, bis sie sich schließlich der amerikanischen Nation würden anschließen können.

[20] Elisabeth Hermann, Opfer der Geschichte: Die Darstellung der nordamerikanischen India­ner im Werk James Fenimore Coopers und seiner Zeitgenossen (Frankfurt am Main, 1986).

[21] Nach Dudensing sind die Indianer in den Leatherstocking Tales der ersten Gesellschaftsstufe zuzu­ordnen, denn sie werden nur auf einer Kulturstufe dargestellt, von der aus sie sich nicht weiter­entwickeln. Dabei finde weder eine Annäherung an die Angloamerikaner statt, noch las­sen sich spezifische Entwicklungsstufen der Stämme erkennen (vgl. Dudensing, S. 167f.).

[22] Auf Coopers Streben nach einer Rassenharmonie verweist allgemein Louise K. Barnett, die den „bösen“ Indianer und den „edlen Wilden“ als Verkörperung des nostalgischen Gefühls der sieg­reichen weißen Amerikaner gegenüber den aussterbenden Indianern betrachtet. Sie betont, dass in dieser Nostalgie möglicherweise das beinhaltet ist, was D.H. Lawrence „wish fulfill­ment fantasy“ oder „yearning myth“ nach einer Rassenharmonie bezeichnet (vgl. Louise K. Barnett, The Ignoble Savage. American Literary Racism, 1790-1890 (Westport, Connecticut, 1975), S. 96). Zu Coopers Intention, eine Begegnung von Kulturen darzustellen, siehe auch Ma­ria Diedrich, “Die Wildnis als historischer Ort und Heimat in The Last of the Mohicans “, Ar­chiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 140.225 (1988), S. 66.

[23] Im Kontext der Kulturbegegnungen und -annäherungen muss man zwischen den Begriffen der Akkulturation, der Assimilation und der Transkulturation unterscheiden.

In der Sozialpsychologie sowie in der Migrationsforschung wird Akkulturation generell als das Auf­einandertreffen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen verstanden. Nach John W. Berry lassen sich vier Akkulturationsstrategien unterscheiden. Diese werden über die Fragen defi­niert, ob die Minderheitengruppe die eigene Kultur beibehalten will beziehungsweise soll oder nicht und ob irgendeine Form des Kontakts zwischen Mehrheit und Minderheit bestehen kann. Werden beide Fragen bejaht, spricht Berry von einer Integration, wird die Kul­tur verneint aber ein Kontakt bejaht, handelt es sich nach Berry um eine Assimilation. Wird die Kultur angenommen, aber ein Kontakt verneint, so nennt Berry dies eine Segregation oder Separation und bei Verneinung beider Fragen von einer Marginalisierung oder Exklusion. Vgl. John W. Berry, Handbook of cross-cultural psychology (Boston, 1997), passim.

Unter Assimilation versteht man in der Soziologie die einseitige Anpassung einer Minderheit an ihr soziales Umfeld oder das Aufgehen einer Minderheit in der Mehrheit durch biologische Vermi­schung.

Schließlich bedeutet Transkulturation das allmähliche Durchdringen fremder, meist von Minderhei­ten besetzter Bereiche durch mächtigere Kulturen, Nationen oder Religionen bis zu de­ren Assimilation. Der Begriff der Transkulturation (transculturación) wurde vor allem durch die Werke des kubanischen Anthropologen Fernando Ortiz’ (1881-1969) geprägt (vgl. Juan Neid­hardt, Transkulturationsforschung. http://www.uni-koeln.de/phil-fak/histsem/ibero/forschung/thema/transkulturation/18.12.2006). Ortiz ersetzt die englische Theo­rie der Akkulturation durch die der Transkulturation. Unter dem Begriff „Akkulturation“ ver­steht er die völlige Auslöschung der Kultur, die von der dominierenden Zivilisation über­deckt wird (vgl. Doris Schwarzwald, “Lateinamerikanische Literatur im Lichte der Transkultura­tion“, TRANS Nr. 14, September 2005 (Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaf­ten). http://www.inst.at/trans/14Nr/schwarzwald14.htm. 18.12.2006. Obwohl die Transkultura­tion Ähnlichkeiten zum Nationalismus und zum Ethnozentrismus aufweist, ist sie nicht mit die­sen Begriffen gleichzusetzen. Ein Beispiel für die Transkulturation ist die Christianisierung. Unter Christianisierung versteht man die Hinwendung ganzer Völ­ker oder Kulturkreise zum Christentum oder ihre gewaltsame Unterwerfung unter diesen Glau­ben.

[24] Die Transformation der captivity narrative kommt mit der Entstehung der slave narrative in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Abschluss (Ulla Haselstein, “Die Gabe des Todes: James Fenimore Coopers Roman The Wept of Wish-Ton-Wish (1829).“ In: Die Gabe der Zivilisation. Kultu­reller Austausch und literarische Textpraxis in Amerika, 1682-1861 (München, 2000), S. 88).

[25] Hochbruck, S. 141.

[26] Auf Coopers Verarbeitung der indianischen Gegenwart im Verhältnis zu historischen „edlen Wil­den“ weisen Hochbruck, S. 129 und Barnett, S. 96 hin. Auch Hansen verweist auf die Be­deu­tung Uncas’ als Vergangenheitsindianer, wenn er betont, dass der Auftritt dieses vollkom­me­nen Naturmenschen unter dem Vorzeichen des Untergangs steht. Da Cooper ihn als letzten Spross eines ehemals mächtigen Geschlechts vorführt, wirke Uncas inmitten der um sich grei­fen­den Zivilisationsherrschaft bereits unzeitgemäß (vgl. Hansen, S. 137).

[27] Susan Scheckel sieht in der trauernden Haltung der weißen Siedler hinsichtlich des Verschwin­dens der Indianer primär ein Mittel zur Rechtfertigung der Vertreibung der Native Americans. Sie betont, dass diese Einstellung im frühen 19. Jahrhundert geradezu zu einem „natio­nal habit of thought“ wurde (vgl. Susan Scheckel, Race and Nationalism in Nineteenth-Century American Culture (Princeton, New Jersey, 1998), S. 32).

[28] Kathryn Zabelle Derounian-Stodola & James Arthur Levernier, The Indian Captivity Narrative, 1550-1900 (New York, 1993), S. 61.

[29] Julia Kristeva, Fremde sind wir uns selbst, aus dem Französischen übers. von Xenia Rajewsky (Frankfurt am Main, 1990), passim und Hans-Peter Rodenberg, Der imaginierte Indianer. Zur Dyna­mik von Kulturkonflikt und Vergesellschaftung des Fremden (Frankfurt am Main, 1994), S. 11.

[30] Ibid.

[31] Rodenberg, S. 12f.

[32] Ibid.

[33] Diese Informationen stammen aus Lutz, S. 128ff., Berkhofer, S. 3ff. und Derounian-Stodola & Levernier, S. 52 u. 54. Bitterli weist darauf hin, dass verallgemeinernde pejorative Ausdrücke zur Bezeichnung von Eingeborenen wie „Wilder“ oder „Barbar“ von Kolonisatoren primär dann ver­wendet wurden, wenn sie die Kulturbegegnung intellektuell nicht bewältigen konnten. Er be­tont darüber hinaus, dass diese herabwürdigenden Stereotypen vor allem dazu dienten, eigenes Fehlver­halten zu legitimieren (vgl. Bitterli, S. 367).

[34] Siehe hierzu den an dieses Unterkapitel anschließenden Exkurs über den Begriff des Stereo­typs und der religiösen Typologie der Puritaner.

[35] Vgl. Rodenberg, S. 22f. Bei der oftmals gewaltsamen Auseinandersetzung der frühen Kolonisten und Siedler mit der Wildnis, vor allem mit den Indianern, als den extremen Antipo­den zur christlich-abendländischen Kultur, handelt es sich nach Richard Slotkin darüber hinaus um ein bis in die Gegenwart fortwirkendes spezifisch amerikanisches Phänomen (vgl. Richard Slotkin, Regeneration Through Violence. The Mythology of the American Frontier, 1600-1860 (Middletown, Connecticut, 1973), passim).

[36] Das Massaker von Jamestown im Jahre 1622 gilt als entscheidendes historisches Ereignis, das die Fronten zwischen den Indianern und den weißen Siedlern verschärfte, womit die Epoche der Kon­frontation begann. In der Literatur über Virginia trug dies darüber hinaus zur Entstehung des nega­tiven Stereotyps des Indianers bei, denn nach 1622 verkörperten die Native Americans für die Angloamerikaner ein Hindernis, das in diabolischer Unwissenheit den Fortschritt der Zivilisa­tion behinderte (vgl. Derounian-Stodola & Levernier, S. 58 und Brigitte Georgi, Der India­ner in der amerikanischen Literatur. Das weiße Rassenverständnis bis 1900 und die indiani­sche Selbstdarstellung ab 1833. Versuch einer Gegenüberstellung (Köln, 1982), S. 14ff.).

[37] Vgl. Udo J. Hebel, “Those images of jealousie“. Identitäten und Alteritäten im puritanischen Neu­england des 17. Jahrhunderts (Frankfurt am Main, 1997), S. 228f.

[38] Vgl. ibid und Alfred A. Cave, “New England Puritan Misperceptions of Native American Shamanism”, International Social Science Review 67 (1992), S. 15.

[39] Vgl. Hebel, S. 230.

[40] Berkhofer betont, dass die Puritaner die Indianer lediglich als Werkzeuge Gottes angesehen ha­ben, die entweder die zukünftige Errettung der Puritaner verhindern oder fördern konnten (vgl. Berkhofer, S. 80ff.).

[41] Bitterli betont im Zusammenhang kultureller Vorurteile, dass es generell zum Wesen der Ethno­zentrik gehört, dass die moralischen Bewertungskriterien für das Fremde fast ausschließ­lich im Bewusstsein der eigenen Vorzüglichkeit wurzeln. Somit behaftet eine Bezeichnung wie „Wil­der“ das Gegenüber der kulturellen Begegnung von vornherein auf seine Andersartigkeit, ohne dass derjenige, der es gebraucht, sich die Mühe einer Begründung machen müsste. Solche prinzi­pielle Voreingenommenheit kann notwendigerweise nur zu einer fatalen Diskriminierung des Fremden führen (vgl. Bitterli, S. 367). Interessant ist in diesem Kontext auch zu bemerken, dass die Verurteilung des Fremden auch stets einen Abwehrmechanismus des machtlosen Ichs ge­gen das Unvertraute darstellt. Aus diesem Grund kann das Andere auch als „eigenes“ Unbewuss­tes beziehungsweise als unbewusstes „Eigenes“ verstanden werden (siehe hierzu Kristeva, S. 199f. u. 208f.). Diese Überlegung wird auch beispielsweise durch die Tatsache nahe ge­legt, dass es spätestens seit den Hexenprozessen des Jahres 1692 in Salem in den Kolonien Neueng­lands zu einer merkwürdigen Verquickung der Angst vor den immer stärker dämonisier­ten Wilden mit hysterischen Symptomen unterdrückter und somit ebenfalls verteufelter Sexuali­tät kam (vgl. Slotkin, Regeneration Through Violence, S. 47). Indem die Puritaner ihre unverstandenen Triebbedürfnisse rigoros ins Unbewusste verdrängten beziehungsweise auf die sie bedrohenden unheimlichen, heidni­schen Indianer projizierten, konnten sie diesen auch konsequenterweise nur mit Gewalt- und Ausrot­tungsstrategien begegnen: „The pressure of demographic expansion, coupled with the psychological fear of acculturation, moved the Puritans toward a policy of exterminating the Indians“ (ibid, S. 42). Auf ähnliche Weise bemerkt auch Roden­berg, dass die in den repressiven puritanischen und calvinistischen Gemeinschaften unter­drückte, aber auch geschaffene Aggressivität paranoid auf die Native Americans projiziert wurde. Somit wurden die Indianer, ungeachtet der Motivation ihres wirklichen Verhaltens, als „rote Teufel“ abgestempelt. Auf diese Weise erschien die eigentlich innere Bedrohung als von au­ßen kommend und konnte unter psychischer Entlastung von Gewissensforderungen bekämpft wer­den (Rodenberg, S. 347).

[42] Vgl. Rodenberg, S. 23, zitiert Cotton Mather aus: Magnalia Christi Americana; Or the Ecclesiastical History of England, 1702. Repr. 2 Bde. (New York, 1967), S. 587 u. 590.

[43] Cotton Mather, Magnalia Christi Americana; Or, The Ecclesiastical History of New-England, from the First Planting in the Year 1620 unto the Year of Our Lord, 1698. London: Parkhurst, 1702, 7: Kap. 4).

[44] Vgl. Hebel, S. 232.

[45] Ibid.

[46] Increase Mather, A Brief History of the Warr With the Indians in New-England, (1676). Slotkin/Folsom, 1978, S. 79-152.

[47] Vgl. Hebel, S. 235.

[48] Ibid.

[49] Jedoch waren sich Kritiker lange darüber uneins, ob es sich bei den captivity tales tatsächlich um eine eigene Gattung handelt. 1947 hatte Roy Harvey Pearce die captivities noch als subliterari­sches Genre betrachtet. Van der Beets Untersuchungen gehen aber davon aus, dass es sich um eine eigenständige Gattung mit eigendynamischer Entwicklung handelt, die sich funktionsge­schichtlich in drei Phasen unterteilt. Die frühen captivity narratives des 17. und 18. Jahr­hunderts sind demzufolge primär als religiöse Dokumente zu verstehen, die die Existenz von „Divine Providence“ zu belegen hatten. Die Gefangenschaft erhält hier einen symboli­schen und typologischen Charakter. Dies wird durch den Gebrauch von Bibelzitaten und Anspielun­gen auf die Bibel erreicht. Denn die Puritaner haben die Gefangenschaft bei den India­nern in der Regel als Test oder Strafe Gottes verstanden, aus der sie geläutert hervorgehen kön­nen. In der Mitte des 18. Jahrhunderts, im Zuge des französisch-indianischen Krieges, wandelte sich ihre Funktion zunehmend dahin gehend, den Hass der Neuengländer auf Franzosen und India­ner zu schüren. Die Propaganda bediente sich deshalb mit Vorliebe der detaillierten Darstel­lung indianischer Kriegsgreul. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts sorgte die Expan­sion des kommerziellen Buch- und Zeitschriftenmarktes mit wachsenden Leserzahlen dafür, dass zunehmend auch fiktionale captivities mit melodramatisch-sensationalistischen Zügen als unter­haltsame Nationalliteratur abgesetzt wurden. Siehe Richard Van der Beets, The Indian Captivity Narrative. An American Genre (Lanham/New York/London, 1984), passim.

[50] In diesem Zusammenhang ist wichtig zu bemerken, dass die betreffenden Opfer ihre Erfahrun­gen meist erst niederschrieben, als sie schon längst wieder in die angloamerikanische Zivilisa­tion zurückgekehrt waren. Dieser Aspekt ist bedeutsam, da die Zeitspanne zwischen vergange­ner Erfahrung und der Erinnerung daran Tatsachen verzerrt. Erfahrene Grausamkeiten konnten näm­lich schlimmer erscheinen, als sie wirklich waren.

[51] Vgl. Rodenberg, S. 23. Der elementare Kulturkonflikt zwischen den Angloamerikanern und den Indianern hat in der amerikanischen Literatur prinzipiell tiefe ideologische Spuren hinterlas­sen. So interpretierten die Puritaner schon bald ihre Auseinandersetzungen mit den Indianern, bei­spielsweise im King Philip’s War, als einen wesensmäßig religiös-allegorischen Konflikt: „Looking at the culture of the New World (…) the Puritans saw a darkened and inverted mirror image of their own culture, their own mind. For every Puritan institution, moral theory and practice, belief and ritual there existed an antithetical Indian counterpart. Such analogies were never lost on the Puritans, who saw in them metaphors of God’s will” (Slotkin, Regeneration Through Violence, S. 57). Hierbei wurde die physische Wildnis und die von ihr ausgehende Ge­fahr vor allem auch als moralische Bedrohung von innen verstanden (vgl. ibid, S. 57-94).

[52] Lutz betont jedoch, dass die von Mather nur knapp wiedergegebene captivity tale der Hannah Dustan als Gefangenschaftsbericht einen sehr nachhaltigen Einfluss auf die amerikanische Litera­tur ausgeübt hat (Lutz, S. 140). So erklärt auch Leslie A. Fiedler Hannah Dustan neben Pocahontas zur zweiten großen „archetypischen“ Frauengestalt der frontier literature (Fiedler, S. 98-108 et passim). Die Geschichte der Hannah Dustan zeigt, dass nach puritanischer Auffas­sung göttliche Vorsehung und Gnade auch im Spiel sind, wenn die Puritaner Indianer töten. Die captivity narrative der Hannah Dustan verdeutlicht zudem, wie eng puritanisch-religiöse Selbstgerech­tigkeit, Erwerbssinn und Skrupellosigkeit miteinander verbunden sein können.

[53] Es sind ungefähr 600 captivity narratives erhalten, davon stammen zwei Drittel von Frauen. Jung­frauen oder junge Mütter erscheinen hierbei als ideale Gefangene, da sie wehrlos und bemitlei­denswert sind. Denn auf diese Weise konnte die Landnahme durch pazifistische Darstel­lung legitimiert werden. Zahlreiche captivities finden sich in Cotton Mathers Magnalia Christi Americana. Jedoch sind captivities auch in fast alle anderen Chroniken, die ab der Zeit des Pequot Krieges (1637) erschienen, zu finden.

[54] Vgl. Van der Beets, The Indian Captivity Narrative, S. 39-50.

[55] Aus Leila Wardwell, Hrsg., American Historical Images On File. The Native American Experience (New York/Oxford, 1991), 1.57.

[56] Siehe hierzu Richard Van der Beets, “The Indian Captivity Narrative as Ritual“, American Literature, 43 (1971/72), S. 550-553; vgl. auch ders. The Indian Captivity Narrative, S. 39-50.

[57] Georgi hebt hervor, dass Gefangenschaftsberichte mit Cotton Mathers Magnalia Christi Americana zunehmend zu einem Instrument des Rassenhasses wurden. Hierbei nahm das Bild des Indianers als barbarische Kreatur ihre extremste Form an, indem mit den Gefühlen der Leser ge­spielt wurde. Angesichts des dargestellten teuflischen Charakters der Indianer, mit dem die Gefange­nen konfrontiert waren, konnte das Stereotyp nur äußerst negativ ausfallen (vgl. Georgi, S. 17f. Siehe hierzu auch Derounian-Stodola & Levernier, S. 85 und Hermann, S. 95f.).

[58] Hochbruck, S. 78.

[59] Der Begriff „Stereotyp” geht auf die Erfindung des französischen Druckers Didot zurück, der im Jahre 1796 einzelne Buchstaben zu einer Druckplatte zusammenfügte und auf diese Weise ganze Zeilen und Seiten aus einem Stück gießen konnte (vgl. Hort, S. 14).

[60] Vgl. ibid, S. 32.

[61] Siehe ibid, S. 9.

[62] Walter Lippmann, Public Opinion, 1922 (New Brunswick, N.J., 1991).

[63] Hort, S. 14.

[64] Ibid, S. 21; Hervorhebung SP.

[65] Alfred Schütz & Thomas Luckmann, Strukturen der Lebenswelt (Neuwied, Darmstadt, 1975), S. 26.

[66] Hort, S. 28 zitiert aus Robert F. Merton, 1968, S. 247-305.

[67] Hort, S. 31.

[68] Ibid, S. 9.

[69] Israel Potter stammt aus dem Jahre 1855. Die Zeit zwischen 1820 und 1860 wird von Literaturhis­torikern gewöhnlich als die Zeit der amerikanischen Romantik angesehen. In Nordame­rika erhielt die Romantik später Einzug in die Literatur und in die Künste als in Eu­ropa. Die Zeit der amerikanischen Romantik wird auch als „American Renaissance“ bezeich­net. Dieser Ausdruck stammt aus F.O. Matthiessens Werk American Renaissance: Art and Expression in the Age of Emerson and Whitman von 1941. Allerdings ist der Ausdruck „American Renaissance“ irreführend, da es sich nicht um eine Wiedergeburt, sondern viel­mehr, wie Matthiessen bemerkt, um „the first maturity“ der nordamerikanischen Literatur han­delt. Siehe F.O. Matthiessen, American Renaissance: Art and Expression in the Age of Emerson and Whitman (New York, 1941).

[70] Zitiert nach Ursula Brumm, Die religiöse Typologie im amerikanischen Denken, S. 16; Hervorhe­bung SP.

[71] Michael Buchberger, Hrsg., Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 10 (Freiburg, 1938), S. 345f.

[72] Brumm, Die religiöse Typologie im amerikanischen Denken, S. 19.

[73] Zur Typologie der Puritaner siehe vor allem ibid, passim.

[74] Ibid, S. 42.

[75] William Bradford, Of Plymouth Plantation, 1630-1650 (Boston, 1928).

[76] Ibid, S. 94.

[77] Ibid, S. 95f. Siehe hierzu auch allgemein Sacvan Bercovitch, The Puritan Origins of the American Self (New Haven/London, 1975), passim.

[78] Brumm, Die religiöse Typologie im amerikanischen Denken, S. 46.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2007
ISBN (eBook)
9783956362163
ISBN (Paperback)
9783836602273
Dateigröße
2.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Fachbereich Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaft, Amerikanistik
Erscheinungsdatum
2007 (März)
Note
3,0
Schlagworte
kolonialismus kulturbegegnung indianer-stereotyp lederstrumpf-romane literatur
Produktsicherheit
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Titel: Die stereotypisierende Indianerdarstellung und deren Modifizierung im Werk James Fenimore Coopers
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