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Betriebliche Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung der Anforderungen alternder Belegschaften

©2006 Diplomarbeit 90 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der demographische Wandel ist in vollem Gange. Unsere Bevölkerung wird immer älter. Die Gründe: sinkende Geburtenraten bei zeitgleich steigender Lebenserwartung. Diese Entwicklung stellt Gesellschaft und Wirtschaft vor große Herausforderungen. Zu ihnen zählen nicht nur der wachsende Bedarf an sozialen Dienstleistungen, sondern auch die Anpassung des Arbeitsmarktes an die neuen Anforderungen.
Das Phänomen alternder Belegschaften ist bereits jetzt in den Unternehmen sichtbar.
Durch den sich beschleunigenden Alterungsprozess wird es Arbeitgebern in circa 20 Jahren an qualifizierten Kräften mangeln. Aufgabe der Unternehmer ist es, sich dieser Entwicklung zu stellen. Sie müssen lernen, mit älteren Belegschaften zu arbeiten und sie zu binden. Voraussetzung dafür ist es, die Kompetenzen und Potentiale Älterer zu erkennen und zu fördern und sie nicht, wie in der Vergangenheit gängige Praxis, durch Frühverrentung zu verschwenden.
Um die Erfahrungen und Kenntnisse dieser Altersgruppe sinnvoll in der Wirtschaft einzusetzen, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Gründe für die Vorbehalte vieler Arbeitgeber bezüglich der Beschäftigung Älterer bestehen unter anderem in den Annahmen, in dieser Gruppe einen erhöhten Krankenstand und eine geringere Leistungsfähigkeit vorzufinden.
Diesen Annahmen gilt das Interesse der vorliegenden Arbeit. Der Schwerpunkt richtet sich dabei auf das Instrument der betrieblichen Gesundheitsförderung, welches der Gesunderhaltung von Belegschaften dienen soll, sowie auf die Untersuchung des Phänomens „Alternde Belegschaften“, dessen Hintergründe und Handlungsfelder.
Auf der Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten wird im Kapitel zwei der Begriff Gesundheitsförderung unter Einbeziehung vorangehender Konzepte und der geschichtlichen Entwicklung erörtert.
Anschließend soll ein Überblick über die für die demographische Entwicklung relevanten Faktoren gegeben werden, um auf deren Grundlage die Auswirkungen der veränderten Altersstruktur darzustellen. Es sollen sowohl Ursachen und Dauer der Krankenstände unter Hinzuziehung empirischer Studien, als auch die Kompetenzen verschiedener Altersgruppen gegenübergestellt werden.
Im Anschluss werden die eingangs aufgezeigten Grundlagen der Gesundheitsförderung auf das Setting Betrieb fokussiert und Aktivitäten zweier Großunternehmen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung dargestellt.
Möglichkeiten betrieblicher Einflussnahme auf die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Marcel Priebe
Betriebliche Gesundheitsförderung
Unter Berücksichtigung der Anforderungen alternder Belegschaften
ISBN-10: 3-8324-9884-2
ISBN-13: 978-3-8324-9884-9
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Evangelische Fachhochschule Berlin (EFB), Berlin, Deutschland, Diplomarbeit,
2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

II
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
IV
1.
Einleitung
01
2.
Gesundheit und Gesundheitsförderung:
Geschichte, Definitionen, Modelle
02
2.1
Laienkonzepte Krankheit und Gesundheit
03
2.2
Expertenkonzepte Krankheit
03
2.3
Expertenkonzepte Gesundheit
08
2.4
Gesundheitsförderung
10
2.4.1
Salutogenese
11
2.4.2
Inhalte der Ottawa-Charta und Begriffsklärung 12
2.5
Der Setting-Ansatz
14
2.5.1
Life Skills
16
2.5.2
Partizipation
17
2.5.3
Organisations- / Strukturentwicklung
18
3.
Der demographische Wandel
und seine Folgen
20
3.1
Bevölkerungsentwicklung
20
3.1.1
Geburtenhäufigkeit
20
3.1.2
Lebenserwartung
22
3.1.3
Wanderungsbewegung
23
3.1.4
Folgen
24
3.2
Auswirkungen der veränderten Altersstruktur
von Belegschaften auf Unternehmen
25
3.2.1
Kompetenzen der verschiedenen
Altersgruppen
26
3.2.2
Alternde Belegschaften und die Entwicklung
der Krankenstände in Unternehmen
29
3.2.3
Folgen von Handlungsversäumnissen
32
4.
These
33
5.
Gesundheitsförderung im Setting Betrieb 34
5.1
Erfolgsfaktoren
37
5.2
Handlungsfelder
39
5.2.1
Arbeitsbedingte körperliche Belastungen
39
5.2.2
Betriebsverpflegung
39
5.2.3
Psychosozialer Stress
40
5.2.4
Genuss- und Suchtmittelkonsum
41
5.3
Akteure
43
5.4
Instrumente
45
5.5
Der Prozess
48

III
6.
Maßnahmen betrieblicher
Gesundheitsförderung in der Praxis
49
6.1
Industriebetrieb
49
6.2
Verwaltung
58
6.3
Zusammenfassende Betrachtung
der Aktivitäten
64
6.3.1
Industriebetrieb
64
6.3.2
Verwaltung
66
6.4
Der ganzheitliche Ansatz in der Praxis
69
7.
Die Relevanz der Maßnahmen
für alternde Belegschaften
73
7.1
Handlungsfelder demographietauglicher
Personalarbeit
75
7.2
Bedeutung in den Praxisbeispielen
78
8.
Zusammenfassung und Ausblick
79
9.
Literaturverzeichnis
82

IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1
Dimensionen der Gesundheit
08
Abbildung 2
Wechselwirkungen zwischen Vermittlung von
Life Skills, Partizipation und Organisationsentwicklung
19
Abbildung 3
Bevölkerung Deutschlands 1950
21
Abbildung 4
Bevölkerung Deutschlands 2050
22
Abbildung 5
Arbeitsunfähigkeitsfälle nach Altersgruppen im Jahr 2000 31
Abbildung 6
Falldauer nach Altersgruppen im Jahr 2000
31

1
1.
Einleitung
Der demographische Wandel ist in vollem Gange. Unsere Bevöl-
kerung wird immer älter. Die Gründe: sinkende Geburtenraten bei
zeitgleich steigender Lebenserwartung. Diese Entwicklung stellt
Gesellschaft und Wirtschaft vor große Herausforderungen. Zu
ihnen zählen nicht nur der wachsende Bedarf an sozialen Dienst-
leistungen, sondern auch die Anpassung des Arbeitsmarktes an
die neuen Anforderungen. Das Phänomen alternder Belegschaf-
ten ist bereits jetzt in den Unternehmen sichtbar. Durch den sich
beschleunigenden Alterungsprozess wird es Arbeitgebern in circa
20 Jahren an qualifizierten Kräften mangeln. Aufgabe der Unter-
nehmer ist es, sich dieser Entwicklung zu stellen. Sie müssen ler-
nen, mit älteren Belegschaften zu arbeiten und sie zu binden.
Voraussetzung dafür ist es, die Kompetenzen und Potentiale Älte-
rer zu erkennen und zu fördern und sie nicht, wie in der Vergan-
genheit gängige Praxis, durch Frühverrentung zu verschwenden.
Um die Erfahrungen und Kenntnisse dieser Altersgruppe sinnvoll
in der Wirtschaft einzusetzen, müssen Rahmenbedingungen ge-
schaffen werden.
Gründe für die Vorbehalte vieler Arbeitgeber bezüglich der Be-
schäftigung Älterer bestehen unter anderem in den Annahmen, in
dieser Gruppe einen erhöhten Krankenstand und eine geringere
Leistungsfähigkeit vorzufinden. Diesen Annahmen gilt das Interes-
se der vorliegenden Arbeit. Der Schwerpunkt richtet sich dabei auf
das Instrument der betrieblichen Gesundheitsförderung, welches
der Gesunderhaltung von Belegschaften dienen soll, sowie auf die
Untersuchung des Phänomens ,,Alternde Belegschaften", dessen
Hintergründe und Handlungsfelder.
Auf der Grundlage verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten wird
im Kapitel zwei der Begriff Gesundheitsförderung unter Einbezie-
hung vorangehender Konzepte und der geschichtlichen Entwick-
lung erörtert. Anschließend soll ein Überblick über die für die

2
demographische Entwicklung relevanten Faktoren gegeben wer-
den, um auf deren Grundlage die Auswirkungen der veränderten
Altersstruktur darzustellen. Es sollen sowohl Ursachen und Dauer
der Krankenstände unter Hinzuziehung empirischer Studien, als
auch die Kompetenzen verschiedener Altersgruppen gegenüber-
gestellt werden. Im Anschluss werden die eingangs aufgezeigten
Grundlagen der Gesundheitsförderung auf das Setting Betrieb
fokussiert und Aktivitäten zweier Großunternehmen im Bereich der
betrieblichen Gesundheitsförderung dargestellt. Möglichkeiten be-
trieblicher Einflussnahme auf die neuen Anforderungen von Be-
legschaften sollen anhand dieser Praxisbeispiele untersucht
werden. In diesem Rahmen werden auch Funktion und Stellenwert
von Sozialberatung als Bestandteil betrieblicher Gesundheitsför-
derung erörtert.
2.
Gesundheit und Gesundheitsförderung: Geschichte,
Definitionen, Modelle
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Begriffe Gesundheit
und Krankheit, über die zugrunde liegenden Konzepte und über
die Entstehung und die Ziele der Gesundheitsförderung.
Die Begriffe Gesundheit und Krankheit werden im Alltag sehr häu-
fig verwendet. Gesundheit steht in jedem Jahr immer wieder an
erster Stelle auf der Wunschliste der Bundesbürger. Dennoch
werden diesen Begriffen sehr unterschiedliche Bedeutungen zu-
gewiesen. Verantwortlich dafür sind nach Schwarzer (2002) fol-
gende Faktoren, die in die Bewertung von Gesundheits- und
Krankheitszuständen einfließen: Art und Dauer bereits erlittener
Erkrankungen, Lebensgeschichte, Persönlichkeit, vorherrschende
Wissenschaftstheorie, magisches Denken, Kausalbedürfnis, Ge-
schlecht und Alter (vgl. Schwarzer 2002, S.17).

3
2.1
Laienkonzepte Krankheit und Gesundheit
Beispielgebend hierfür sind die vorherrschenden Laienkonzepte,
denen Bedeutung bei der Konstruktion sozialer Wirklichkeit zu-
kommt: Krankheit kann als Destruktion erlebt werden. Hier steht
ein negatives, schädigendes Erleben im Vordergrund, geprägt von
Rollenverlust und Abhängigkeit. Wird Krankheit als Befreiung
empfunden, bietet sie die Chance, zur Erholung und zum Ausstieg
und schützt vor den hohen Anforderungen der Gesellschaft. Letzt-
lich kann Krankheit eine Aufgabe darstellen. Der Zustand wird
durch die aktive Mitwirkung des Patienten bekämpft (vgl. Schwar-
zer 2002, S.17).
Nach Schwarzer (2002) sind die Vorstellungen über den Begriff
Gesundheit ebenso vielfältig: Gesundheit kann als Vakuum erlebt
werden. Sie wird erst bei ihrer Abwesenheit spürbar. Die Wahr-
nehmung von Gesundheit als Reservoir bedeutet, dass ein gewis-
ses Widerstandspotential gegen Krankheit vorhanden ist und sich
dieses mit zunehmendem Alter und der Lebensweise verringert.
Wird Gesundheit als Gleichgewicht gesehen, gilt es, sich einem
Idealzustand zu nähern. In Anlehnung an die Definition der Welt-
gesundheitsorganisation (WHO) (vgl. Kapitel 2.3.) bedeutet dieser
Zustand physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden. Zu-
letzt kann Gesundheit als Lebensweise betrachtet werden. Es gilt,
sie aktiv zu erhalten (vgl. Schwarzer 2002, S.17 f.).
2.2
Expertenkonzepte Krankheit
Ebenso vielfältig sind die Konzepte auf Expertenseite. Sie müssen
sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen sich meist.
Schwarzer (2002) beschreibt die Konzepte nach folgendem
Schema (vgl. Schwarzer 2002, S.18-24):

4
Die gesetzliche Krankenversicherung definiert Krankheit als re-
gelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der eine Behandlung
erfordert und / oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Der Zu-
stand muss ärztlich festgestellt werden. Die Definition der Renten-
versicherung lautet ähnlich. Der Unterschied besteht darin, dass
die Folge in einer Erwerbsminderung besteht, unabhängig von der
Behandlungsbedürftigkeit. Die Folgen von Krankheit auf die Ar-
beitsfähigkeit werden wie folgt unterschieden:
Arbeitsunfähigkeit (AU): Der Betroffene ist krankheitsbedingt nicht
in der Lage, seiner Arbeit nachzugehen. Es besteht die Gefahr,
dass sich durch eine weitere Ausübung sein Zustand verschlech-
tern würde.
Berufsunfähigkeit: Besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit durch
Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte eines ge-
sunden, ähnlich qualifizierten Arbeitnehmers gesunken ist.
Erwerbsunfähigkeit: Tritt ein, wenn die Erwerbstätigkeit durch
Krankheit oder Behinderung nicht mehr regelmäßig ausgeübt wer-
den kann, beziehungsweise nur noch geringe Einkünfte erzielt
werden (vgl. Schwarzer 2002, S. 18 f.).
Laut Definition des Bundesgerichtshofes wird jede Störung der
normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers,
die geheilt, das heißt beseitigt oder gelindert werden kann, als
Krankheit bezeichnet. In dieser Formulierung werden zwei Defizite
deutlich. Zum einen ist der Begriff ,,normal" ein unbestimmter
Rechtsbegriff. Ihm wird erst eine Bedeutung durch eine Fachkraft
zugewiesen. Zum anderen werden chronische Erkrankungen aus-
geschlossen.
Die Expertenkonzepte gliedern sich wie folgt:
a) Medizinisch-biologisches Modell: Dieses Konzept, beruhend auf
der Zellularpathologie des 19. Jahrhunderts, dominiert bis heute
die Theorie und Therapie unseres Gesundheitssystems. Das Mo-

5
dell entstand in der Zeit, in der die Pathophysiologie vieler Infekti-
onskrankheiten aufgedeckt wurde. Für diese Erkrankungen, die
heute nur noch 10 Prozent aller Fälle ausmachen, kann das Mo-
dell angewendet werden - für die inzwischen wesentlich relevante-
ren Leiden (chronische Erkrankungen) jedoch weniger. Dies zeigt
sich im Grundverständnis des Konzeptes. Erkrankungen beruhen
hier auf spezifischen Ursachen und bewirken äußere Zeichen, die
von geschulten Fachleuten erkannt werden können. Krankheiten
verlaufen nach vorhersehbaren Mustern, sind klassifizierbar und
verschlimmern sich ohne Intervention. Folgen sind Schäden auf
verschiedenen Ebenen (vgl. Schwarzer 2002, S. 19).
b) Medizinsoziologische Definition: Grundlage ist ein dreistufiges
Konzept, das auf gesellschaftliche Bewertungsprozesse aufmerk-
sam machen will:
· Disease: Die biomedizinische Beobachtung bildet den
Schwerpunkt. Nach ihr werden Abweichungen beschrieben.
Diese können mit Hilfe des ICD 10
1
klassifiziert werden.
· Illness: Das subjektive Erleben der abnormen Zustände
steht im Mittelpunkt. Die Wahrnehmung eines Symptoms
kann individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
· Sickness: Zentraler Bestandteil ist die gesellschaftliche Zu-
schreibung von Krankheit. Die Abhängigkeit von gesell-
schaftlich tolerierten Drogen wird zum Beispiel nicht als
Krankheit gewertet (vgl. Schwarzer 2002, S. 20).
c) Soziologische Modelle: Das bedeutendste Modell ist der Label-
ling ­ Approach. Mit der Diagnose werden dem Patienten in der
Regel eine Fülle von Verhaltenserwartungen zugeschrieben. Die-
se Etikettierung bewirkt Verhaltensänderungen, die nicht auf die
eigentliche Krankheit zurückzuführen sind. Der so genannte Stig-
matisierungsansatz bewirkte beispielsweise die Forderung nach
1
International classification of diseases: erstmals 1991 von der WHO heraus-
gegeben, 10. Aktualisierung

6
Auflösung großer Anstalten im Bereich der Psychiatrie (vgl.
Schwarzer 2002, S.20).
d) Psychosomatisches Modell: Hier wird ein psychischer Konflikt
als Ursache für körperliche Beschwerden verantwortlich gemacht.
Weil der Konflikt nicht gelöst werden kann, wird er verdrängt und
erhöht unter Umständen die innere Spannung. Folgen können
Angst, Depression und letztlich physische Beschwerden sein, wel-
che wiederum in chronischen Erkrankungen enden können. Somit
findet eine Überschneidung zu den Stressmodellen statt (vgl.
Schwarzer 2002, S. 21).
e) Stressmodelle: Kaplun & Wenzel (1989) stellen die Bedeutsam-
keit von Stress für die Weiterentwicklung in der menschlichen Evo-
lution und für die persönliche Entwicklung heraus. ,,Ohne
bestimmte Spannungszustände, Krisensituationen und Anforde-
rungen ist Weiterentwicklung geistiger, kultureller und materieller
Art kaum denkbar" (Kaplun & Wenzel 1989, S. 44). Bei Über-
schreitung von Toleranzgrenzen wirken diese Spannungszustände
allerdings destruktiv. Ist die Toleranzgrenze unterschritten, wird
Stress zu einem konstruktiven Begleiter. Er wirkt motivierend und
leistungssteigernd. In diesem Fall wird von Eu- Stress gespro-
chen. Der entgegengesetzte, negierende Pol wird als Dis- Stress
bezeichnet.
Nach Schwarzer (2002) stehen die Bewältigungsmöglichkeiten,
also die Coping - Strategien des Individuums im Mittelpunkt. Ste-
hen soziale Bindungen unterstützend zur Verfügung, oder sind
Problemlösungsstrategien, beispielsweise durch Vorerfahrungen
vorhanden, werden stressauslösende Situationen als weniger be-
lastend empfunden, als bei Individuen ohne entsprechende Res-
sourcen.
Das Stress ­ Coping - Modell verbindet die physische mit der psy-
chischen und der sozialen Ebene. Die Stressreaktion verläuft im-
mer nach einem Schema. Ein auslösendes Ereignis, zum Beispiel

7
eine Prüfungssituation wird erlebt. Adrenalin und Kortikoid werden
freigesetzt. Die Stadien Alarm, Widerstand und Wiederherstellung
werden durchlaufen. Bei zu hohen Stressreizen folgen dem Alarm-
stadium die Abwehrreaktion und ein Erschöpfungsstadium. Dies
wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus und kann die Entste-
hung von Krankheiten begünstigen (vgl. Schwarzer 2002, S. 21 f.).
f) Risikofaktorenmodell: ,,Risikofaktoren sind definierbare Ursa-
chen, durch deren Wirkung eine überhöhte Wahrscheinlichkeit
entsteht, zu erkranken und / oder zu versterben" (Brennecke &
Schelp 1993, S. 40). Risikofaktoren führen hier nicht zwangsläufig
zu Erkrankungen, gleichartige Erkrankungen können aber auch
ohne Risikofaktoren entstehen. Es wird eine geschlossene Theo-
rie der Krankheit ermöglicht, da auch soziale und gesellschaftliche
Gegebenheiten einbezogen werden. Brennecke & Schelp (1993)
führen kritisch an, dass die Umsetzung des Modells vorrangig auf
Verhaltensprävention (vgl. Kap. 2.4.) ausgerichtet ist und nicht an
der Optimierung der Umgebung gearbeitet wird (vgl. Brennecke &
Schelp 1993, S. 41).
g) Verhaltensmodell: Der Fokus richtet sich auf die gesundheitsge-
fährdenden Verhaltensweisen und die daraus entstehenden Zivili-
sationskrankheiten. Die wichtigsten Risikofaktoren sind hier
Alkoholkonsum, Rauchen und falsche Ernährung bis hin zur man-
gelnden Psychohygiene. In diesem Modell werden drei Persön-
lichkeits- und Verhaltenstypen unterschieden: Typ A mit niedrigem
und Typ B mit hohem Infarktrisiko. Später wurde das Modell um
Typ C mit erhöhtem Krebsrisiko erweitert (vgl. Schwarzer 2002, S.
23 f.).

8
2.3
Expertenkonzepte Gesundheit
Auch für den Begriff Gesundheit existieren mehrere Definitionen.
Nach Schwarzer (2002) kann Gesundheit als Abgrenzung definiert
werden. Gesund ist, wer keine Symptome aufweist, also nicht oder
noch nicht krank ist. Gesundheit steht für Leistungsfähigkeit im
körperlichen und psychischen Bereich, sowie für Rollenerfüllung
im sozialen Bereich.
Die WHO versteht Gesundheit als Wertaussage. Ihre Definition
aus dem Jahr 1948 lautet: ,,Gesundheit ist der Zustand vollständi-
gen, körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht
nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen." Dieser Zu-
stand ist jedoch im realen Leben nicht erreichbar. Somit stellt die-
se Definition eher eine Zielvorgabe dar. Mit ihr wurde die
Grundlage für die Theorie und die Praxis der Gesundheitsförde-
rung geschaffen (vgl. Schwarzer 2002, S. 24 f.).
Naidoo & Wills (2003) führen an, dass Gesundheit ganzheitlich zu
verstehen ist und unterschiedliche Dimensionen zu beachten sind.
,,Ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit bedeutet, dass
die unterschiedlichen Einflüsse aller Dimensionen und ihrer
Wechselwirkungen untereinander berücksichtigt werden müssen"
(Naidoo & Wills 2003, S. 6).
Umwelt
Gesellschaft
physisch psychisch
sozial
emotional
spirituell
sexuell
Abbildung 1
Dimensionen der Gesundheit (Aggleton & Homans 1987 und Ew-
les & Simnet 1999 In: Naidoo & Wills 2003, S. 6).

9
Die Abbildung führt die Gesundheitsdimensionen im Einzelnen
auf:
1. Physische Gesundheit: im Mittelpunkt steht ein gesunder
Körper.
2. Psychische Gesundheit: bezieht sich auf ein positives Le-
bens- und Selbstwertgefühl.
3. Soziale Gesundheit: bezieht sich auf das Gefühl der sozia-
len Unterstützung durch Familie und Freunde.
4. Emotionale Gesundheit: ist die Fähigkeit, Gefühle auszu-
drücken und Beziehungen zu entwickeln und aufrechterhal-
ten zu können.
5. Spirituelle Gesundheit: ist die Fähigkeit, moralische oder re-
ligiöse Grundsätze und Überzeugungen in die Praxis um-
setzen zu können.
6. Sexuelle Gesundheit: betrifft die Bereitschaft und Fähigkeit,
seine eigene Sexualität befriedigend ausdrücken zu kön-
nen.
7. Die Dimension Gesellschaft beinhaltet Infrastrukturen für
die Gesundheit, wie zum Beispiel Unterkunft, Nahrung, Ein-
kommen und Sicherheit und steht somit in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Integration oder der Ausgrenzung
des Individuums.
8. Die Dimension Umwelt fasst Bereiche wie Wohnen, Ver-
kehr, Hygiene und Luftverschmutzung zusammen. Alle Be-
reiche beeinflussen sich gegenseitig und müssen als
Gesamtheit betrachtet werden.
Die Wechselwirkungen der Dimensionen beschreibt das Kapitel
6.4.

10
2.4
Gesundheitsförderung
Verantwortlich für die Entstehung der Gesundheitsförderung ist
nach Wolf et al. (2002) der Fakt, dass das Krankheitsspektrum der
modernen Industriewelt nicht mehr von akuten Infektionskrankhei-
ten (vgl. Kapitel 2.2. medizinisch-biologisches Modell), sondern
von chronisch degenerativen Erkrankungen, wie Muskel- und Ske-
letterkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bösartigen Neu-
bildungen, psychosomatischen Krankheiten und Allergien
bestimmt wird. Diese Erkrankungen werden durch multifaktorielle
Faktoren verursacht und erfordern dementsprechend komplexere,
als nur die bewährten kurativen Maßnahmen (vgl. Wolf et al. 2002,
S. 409 f.).
Nach Trojan & Legewie (2001) liegt der Ursprung der Gesund-
heitsförderung in der Gesundheitserziehung, welche wiederum
ihre Wurzeln im Risikofaktorenmodell findet (vgl. Trojan & Legewie
2001, S. 26 f.). Dieses Modell diente der Analyse von Ursachen
für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie zum Beispiel hohe Choleste-
rin-Werte. Man gelangte zu der Erkenntnis, dass eine Verhaltens-
änderung eine Minimierung der Ursachen zur Folge hat. Kuhn &
Sommer (2004) ist zu entnehmen, dass derartige Maßnahmen als
Verhaltensprävention
2
den Schwerpunkt der Gesundheitserzie-
hung bildeten. ,,Die wesentliche Botschaft war die Beeinflussung
des individuellen und kollektiven Verhaltens zur Förderung, Erhal-
tung und Wiederherstellung der Gesundheit" (Kuhn & Sommer
2004, S. 22). Der Fokus lag hier auf der Prävention von Gefähr-
dungen und Krankheiten (Pathogenese). Schwarzer (2002) defi-
niert Primär-, Sekundär-, und Tertiärprävention wie folgt:
a) Primärprävention: hat zum Ziel, krankheitsauslösende Faktoren
festzustellen und noch vor einer Gesundheitsstörung unwirksam
zu machen.
2
Verhaltensprävention setzt beim Individuum an und versucht über Verhaltens-
änderungen, Krankheiten zu verhüten. Bsp.: Raucherentwöhnung. Es wird auch
von ,,Befähigung" gesprochen.

11
b) Sekundärprävention: will Krankheiten frühestmöglich erkennen
und sie mit entsprechenden Interventionen verlangsamen oder
stoppen.
c) Tertiärprävention: setzt bei der Versorgung Kranker und Behin-
derter an und zielt auf die Vermeidung von Folgeerkrankungen
und chronischer Prozesse (vgl. Schwarzer 2002, S. 57 f.).
Verhältnispräventive
3
Maßnahmen waren im Ergebnis der Ge-
sundheitserziehung, welche in der 1970er Jahren im Wesentlichen
aus Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen der WHO bestanden,
die Ausnahme. Aus diesem Modell heraus entwickelte sich die
Erkenntnis, ,,dass das individuelle Verhalten nicht völlig frei ge-
wählt, sondern vielfach durch die Lebensbedingungen beeinflusst
ist" (Trojan & Legewie 2001, S. 27). Daraufhin entstanden Ansät-
ze, welche auch die Verhältnisse betrachten sollten.
Die Kapitel 2.4.1. und 2.4.2. stellen den Zusammenhang zwischen
dem Modell der Salutogenese und der Ottawa-Charta dar. Die
Inhalte der Ottawa-Charta werden aufgeführt und damit verbunden
wird der Begriff der Gesundheitsförderung definiert.
2.4.1 Salutogenese
Die salutogenetische Perspektive Antonovskys bildete die Grund-
lage der Ottawa-Charta. Antonovsky (1997) fragte mit seinem An-
satz danach, warum Menschen gesund bleiben und wendete sich
damit von der Konzentrierung auf Erkrankungsursachen ab. Er
beschrieb Bewältigungsmöglichkeiten, die der Gesunderhaltung
von Menschen trotz widriger Umstände dienen. Schwarzer (2002)
ist zu entnehmen, dass mit diesem Konzept der Frage nachge-
gangen wurde, warum identische Stressoren bei einer Personen-
gruppe chronische Erkrankungen hervorrufen können, während
sie bei einer anderen Gruppen nur zu einer kurzen Destabilisie-
3
Verhältnisprävention versucht äußere pathogene Faktoren in der Umgebung
von Menschen zu verändern. Bsp.: ergonomischer Arbeitsplatz. Es wird auch
von Ermöglichung gesprochen.

12
rung und anschließend sogar zu einer Verbesserung der Aus-
gangslage führen (vgl. Schwarzer 2002, S. 70). Nach dem Kon-
zept Antonovskys werden hierfür die Ressourcen verantwortlich
gemacht, die dem Individuum zur Bewältigung zur Verfügung ste-
hen. Zu ihnen gehören die Fähigkeiten der Menschen, die durch
das soziale Umfeld gefördert oder behindert werden können: die
Aspekte der Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit
von Veränderungen. Diese drei Aspekte bilden den Kohärenzsinn,
einen wichtigen Gesundheitsfaktor im Modell der Salutogenese.
2.4.2 Inhalte der Ottawa-Charta und Begriffsklärung
Die erste internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung fand
im Jahr 1986 in Ottawa statt. 35 Nationen verabschiedeten die
Charta als Konsenspapier für das Rahmenprogramm ,,Gesundheit
für Alle". Bestandteil der Charta ist eine Zieldefinition der Gesund-
heitsförderung: ,,Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess,
allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre
Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Ge-
sundheit zu befähigen" (Trojan & Legewie 2001, S. 28). Die Begrif-
fe ,,ermöglichen" und ,,befähigen" weisen auf die Relevanz sowohl
von Verhalten und Verhältnissen hin. Die Charta beinhaltet drei
Handlungsstrategien und fünf Handlungsfelder:
Handlungsstrategien
· Anwaltschaft und Gesundheit: aktives Eintreten für Ge-
sundheit durch Beeinflussung von Umwelt- und Verhaltens-
faktoren.
· Befähigen und ermöglichen: Verringerung bestehender Ge-
sundheitsunterschiede durch Kompetenzförderung und
Empowerment.
· Vermitteln und vernetzen: aktive und dauerhafte Kooperati-
on aller Akteure innerhalb und außerhalb des Gesund-
heitswesens.

13
Handlungsfelder
· Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik:
berücksichtigt werden alle fördernden und hindernden Fak-
toren für die Gesundheit in Politik und Verwaltung.
· Gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen: gemeint
sind sowohl Arbeits- und Lebensumwelt, als auch soziale
Gebilde.
· Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen: es geht um
die Stärkung lokaler Aktivitäten zur Stärkung der Selbsthilfe
bezüglich eigener Gesundheitsbelange.
· Persönliche Kompetenzen entwickeln: die alte Strategie der
Gesundheitserziehung ist im Ansatz enthalten. Hier wird
der Fokus auf die Entwicklung persönlicher und sozialer
gesundheitsfördernder Fähigkeiten gerichtet.
· Neuorientierung der Gesundheitsdienste: Die Elemente der
Gesundheitsförderung sollen in ein neues Selbstverständ-
nis integriert werden (vgl. Trojan & Legewie 2001, S. 28 f.).
Naidoo & Wills (2003) ist eine weitere, ausführliche Definition von
Gesundheitsförderung zu entnehmen: ,,Gesundheitsförderung um-
fasst alle Maßnahmen, die bewusst auf die Förderung der Ge-
sundheit und die Bewältigung von Krankheiten angelegt sind. Ein
Hauptmerkmal der Gesundheitsförderung ist zweifelsohne die
,,Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik" mit ihren Möglichkeiten
durch gesetzgeberische, steuerrechtliche, ökonomische und ande-
re Formen der Veränderung der physischen und sozialen Umwelt
einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen" (Tones 1990 In:
Naidoo & Wills 2003, S. 81).
Aus diesen Definitionen geht hervor, dass Gesundheit in der Ver-
antwortung der Gesellschaft liegt. Dementsprechend definieren
nicht nur die Fachkräfte, sondern alle Menschen die relevanten
Gesundheitsprobleme. Lehrer, Mitarbeiter der primären Gesund-
heitsversorgung, der Sozial- und Wohlfahrtsdienste oder Füh-
rungskräfte von Wirtschaftsunternehmen werden so zu Akteuren.

14
2.5
Der Setting-Ansatz
Als praktische Umsetzung der Ottawa-Charta wurde in den späten
1980er Jahren der Setting-Ansatz entwickelt. In ihm sollten verhal-
tens- und verhältnisorientierte Maßnahmen der Gesundheitsförde-
rung gleichermaßen vereint werden und das Übergewicht der am
Individuum ansetzenden gegenüber kontextbezogenen Interventi-
onen reduziert werden.
Die gesetzliche Grundlage und Legitimation der Krankenkassen
zur Umsetzung von Programmen der Gesundheitsförderung ist im
§ 20 (1) SGB V festgeschrieben. Diese Grundlage wurde den
Kassen im Jahr 1996 vom Gesetzgeber genommen. Der Grund
dafür lag in der öffentlichen Kritik, die ,,die krankenkassen-
finanzierte Gesundheitsförderung als wenig spezifisch, qualitativ
ungesichert und stark mittelschichtorientiert" (Kilian et al. 2004, S.
155) darstellte. In dieser Zeit bildete die Gesundheitsförderung
eine Komm-Struktur und sprach mit ihren Kursangeboten (diskre-
ditierend wurde oft das Schlagwort ,,Bauchtanzkurse" verwendet)
nicht die Gruppe der unteren sozialen Schicht an. Nachdem den
Kassen die Handlungsgrundlage entzogen wurde, schien die
Chance vertan, Gesundheitsförderung als vierte Säule des Ge-
sundheitswesens neben Kuration, Rehabilitation und Pflege zu
etablieren.
Die Relevanz dieses Handlungsfeldes wurde im Jahr 2000 mit der
Wiedereinführung des § 20 SGB V aufgegriffen. In ihm wurden
,,klare Anforderungen an eine von den Krankenkassen finanzierte
Gesundheitsförderung, die sich insbesondere an sozial benachtei-
ligte Zielgruppen richten soll" (Kilian et al. 2004, S. 153) formuliert.
In Anbetracht der Entwicklung stellte sich die Frage nach effizien-
ten und effektiven Interventionsstrategien. Aufgrund des nachge-
wiesenen Zusammenhangs zwischen sozialer Benachteiligung
und Gesundheit ist der Handlungsbedarf bei dieser Schicht be-
sonders hoch. Eine Komm-Struktur, die durch klassische Kursan-

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gebote geschaffen wird, ist nicht geeignet. Nach Kilian et al.
(2004) ist der Setting-Ansatz unter diesem Aspekt besonders viel
versprechend, da mit ihm die Zielgruppe durch aufsuchende Arbeit
in den Lebensbereichen erreicht wird. So besteht die Möglichkeit,
gesundheitsbezogene Interessen zu erkennen, sie aktiv zu
formulieren und in konkreten Maßnahmen umzusetzen (vgl. Kilian
et al. 2004, S. 155 f.).
Ein Setting wird verstanden als ein dauerhafter, zumindest an-
satzweise verbindlicher Sozialzusammenhang, der durch formale
Organisationen, regionale Situationen, gleiche Erfahrungen, Le-
benslagen, Werte oder Präferenzen definiert wird. Von diesem
Zusammenhang können wichtige Impulse auf die Wahrnehmung
von Gesundheit, auf Gesundheitsbelastungen, Gesundheitsres-
sourcen, sowie auf die Bewältigung von Gesundheitsrisiken aus-
gehen (vgl. Kilian et al. 2004, S. 156 f.). Zusammengefasst:
,,Settings sind Organisationen, die eine durch ihre Struktur und
Aufgaben anerkannte soziale Einheit darstellen." (Baric & Conrad
2000 In: Kilian et al. 2004, S. 157). Die Stärke des Setting-
Ansatzes besteht darin, dass er im Sinne der Ottawa-Charta (vgl.
Kapitel 2.4.2.) verhaltens- und verhältnisorientierte Ansätze integ-
riert.
Die Interventionen setzen niedrigschwellig in den Lebenswelten
der Zielgruppe an. Eine auf Mittelschichts-Angehörige beschränkte
Vorselektion, wie sie bei den Kursangeboten stattfand, wird ver-
mieden. Das bloße ,,Konsumieren" spielt beim Setting-Ansatz kei-
ne Rolle, denn die Zielgruppe wird zu aktiv Handelnden in eigener
Sache. Die Teilnehmer werden an Planung und Durchführung der
Maßnahmen beteiligt (Partizipation) und somit zur Wahrnehmung
der eigenen gesundheitsbezogenen Interessen (Life Skills) befä-
higt. Durch die Komponenten Partizipation und Vermittlung von
Life Skills (vgl. Kapitel 2.5.1. und Kapitel 2.5.2.) wird Nachhaltig-
keit gefördert. Settings (Lebenswelten) sind insbesondere:
Stadt/Stadtteil, Schule, Betrieb, Kita, Familie, aber auch Kranken-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832498849
ISBN (Paperback)
9783838698847
DOI
10.3239/9783832498849
Dateigröße
673 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Evangelische Fachhochschule Berlin – Studiengang Sozialarbeit / Sozialpädagogik
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
betriebliche sozialberatung setting-ansatz gesundheitsförderung personalarbeit wandel
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Titel: Betriebliche Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung der Anforderungen alternder Belegschaften
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