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Das Spiel zum Film

Die Integration von Computerspielen in die Wertschöpfungskette von Spielfilmen am Beispiel der Spielfilmindustrie in den USA

©2004 Magisterarbeit 197 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Es war ein Superheld, der der Spielfilmindustrie im Jahr 2002 endgültig die Augen öffnete: Mit dem Computerspiel „Spiderman“, beruhend auf dem Kinofilm „Spiderman: The Movie“, wurde zum ersten Mal ein filmbasiertes Computerspiel parallel zum Kinostart veröffentlicht. Innerhalb der ersten zwei Wochen verkaufte das Spiel allein in den USA über 500.000 Einheiten. Das Interesse Hollywoods an der Computerspielindustrie ist spätestens durch diese Erfolgsgeschichte neu erwacht. Kaum ein Action- oder Abenteuerfilm kommt heute in die Kinos, der nicht von einem entsprechenden Game flankiert wird.
Die schmerzhafte Erinnerung an gescheiterte Annäherungsversuche von Spielfilm und Computerspiel Ende des 20. Jahrhunderts scheint keine der beiden beteiligten Branchen davon abzuhalten, es ein weiteres Mal zu versuchen. Doch während Computerspiele innerhalb weniger Jahre fest in die Verwertungsstrategien der Spielfilmindustrie integriert worden zu sein scheinen, finden sich bislang keine Publikationen, die die medienökonomischen Aspekte dieses Phänomens eingehend untersuchen.
Digitalisierung und Vernetzung haben in der gesamten Medien- und Unterhaltungsbranche zu umfassenden Wandlungsprozessen geführt, die bis heute anhalten. Ehemals getrennte Sektoren nähern sich einander an, neue Technologien und Verfahren bei der Herstellung und Verwertung von Inhalten eröffnen neue Chancen und bergen neue Risiken, die häufig eine strategische Umorientierung der involvierten Unternehmen erfordern. Das Spannungsfeld zwischen Spielfilm- und Computerspielindustrie ist ein Bereich, in dem dieses Phänomen besonders gut zu beobachten ist. Beide sind sich in ihren Prozessen, Strukturen und teils auch Zielgruppen recht ähnlich.
Doch erst in den letzten Jahren ist hier eine zunehmende, systematische Verzahnung zu beobachten. Immer häufiger werden Kinofilme nicht nur sequenziell in den etablierten „Profit-Windows“, sondern zusätzlich in Form von Computerspielen vermarktet. Diese sind in vielen Fällen mehr als reine Drittverwertungsprodukte und wirken in den Entstehungs- und Verwertungsprozess des Spielfilms hinein. Die positive wirtschaftliche Entwicklung der Computerspielindustrie und ihre steigende Marktrelevanz im Bereich der Unterhaltungshard- und -software lässt vermuten, dass die Entwicklung der letzten Jahre erst der Auftakt ist zu einer umfassenden strukturellen Koppelung der Wertschöpfungsketten von Kino- und Computerspielindustrie.
Dies wirft eine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9552
Knipping, Christopher: Das Spiel zum Film - Die Integration von Computerspielen in die
Wertschöpfungskette von Spielfilmen am Beispiel der Spielfilmindustrie in den USA
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Freie Universität Berlin, Magisterarbeit, 2004
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

,,When the family crowd starts showing up at Doom events,
you'd better believe Hollywood is paying attention."
Peter Lewis, Fortune
1
1
Lewis 2003.

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis...I
Abbildungsverzeichnis...III
1. EINLEITUNG... 1
1.1 P
ROBLEMSTELLUNG UND
Z
IELSETZUNG
... 1
1.2 E
INGRENZUNG DES
U
NTERSUCHUNGSGEGENSTANDES
... 4
1.3 A
UFBAU DER
A
RBEIT
... 5
2. GRUNDLAGEN ... 8
2.1 B
EGRIFFSKLÄRUNG UND
A
BGRENZUNGEN
... 8
2.2 A
NALYSEWERKZEUGE
... 14
2.2.1 Das Konzept der Wertkette nach Porter ... 14
2.2.2 Die Wertkette als Instrument der Analyse von Branchen... 16
2.2.3 Neuere Wertschöpfungsketten-Konzepte... 17
2.2.4 Abschließende Bewertung ... 19
3. GRUNDLEGENDE ENTWICKLUNGEN IN DER MEDIENINDUSTRIE... 22
3.1 D
IGITALISIERUNG
... 22
3.2 V
ERNETZUNG
... 25
3.3 A
USWIRKUNGEN AUF DIE
M
EDIEN
-
UND
U
NTERHALTUNGSINDUSTRIE
... 27
3.3.1 Auswirkungen auf die Struktur des Medien- und Unterhaltungssektors ... 27
3.3.2 Auswirkungen auf die Produktion von Inhalten ... 30
3.3.3 Auswirkungen auf die Distribution von Inhalten... 31
3.3.4 Auswirkungen auf die Verwertung von Urheber- und Lizenzrechten ... 32
4. DIE SPIELFILMINDUSTRIE IN DEN USA... 35
4.1 D
IE
Ö
KONOMIE DER
S
PIELFILMINDUSTRIE IN DEN
USA... 35
4.2 B
RANCHENSTRUKTUR
, U
NTERNEHMEN UND
W
ETTBEWERB
... 39
4.3 M
ARKT UND
K
ONSUMENTEN
... 43
4.4 A
KTUELLE
E
NTWICKLUNGEN
... 47
4.5 W
ERTSCHÖPFUNGSPROZESSE IN DER
S
PIELFILMINDUSTRIE
... 48
4.5.1 Preproduction und Finanzierung... 48
4.5.2 Produktion ... 53
4.5.3 Postproduction... 54
4.5.4 Die Verwertung von Lizenzrechten... 55
4.5.5 Marketing und Distribution... 58
5.5.6 Aufführung und Abspiel ... 63
4.5.7 Exkurs: Versioning als Zukunftsperspektive? ... 64
4.6 D
IE
W
ERTSCHÖPFUNGSKETTE DER
S
PIELFILMINDUSTRIE
... 66
5. DIE COMPUTERSPIELINDUSTRIE IN DEN USA ... 71
5.1 Z
UR
Ö
KONOMIE DER
C
OMPUTERSPIELINDUSTRIE
... 71
5.2 B
RANCHENSTRUKTUR
, U
NTERNEHMEN UND
W
ETTBEWERB
... 77
5.3 M
ARKT UND
K
ONSUMENTEN
... 80
5.4 Z
UR
T
YPOLOGISIERUNG VON
C
OMPUTERSPIELEN
... 83
5.5 D
IE TECHNISCHEN
P
LATTFORMEN FÜR
C
OMPUTERSPIELE
... 86
5.6 A
KTUELLE
E
NTWICKLUNGEN
... 88
5.7 W
ERTSCHÖPFUNGSPROZESSE IN DER
C
OMPUTERSPIELINDUSTRIE
... 91
5.7.1 Preproduction und Finanzierung... 91
5.7.2 Produktion ... 94
5.7.3 Postproduction: Testing, Anpassung und Vervielfältigung... 96
5.7.4 Die Verwertung von Lizenzrechten... 99
5.7.5 Marketing und Distribution... 99
5.7.6 Verkauf ... 104
5.7.7 Service ... 106
5.8 D
IE
W
ERTSCHÖPFUNGSKETTE DER
C
OMPUTERSPIELINDUSTRIE
... 107

Inhaltsverzeichnis
II
6. SPIELFILME UND COMPUTERSPIELE ... 113
6.1 Z
UM REZIPROKEN
E
INFLUSS VON
S
PIELFILMEN UND
C
OMPUTERSPIELEN
... 113
6.2 I
NTERESSEN DER
B
ETEILIGTEN IM
K
ONTEXT FILMBASIERTER
C
OMPUTERSPIELE
... 116
6.2.1 Interessen der Spielfilmindustrie ... 116
6.2.2 Interessen der Computerspielindustrie ... 120
6.3 S
TRUKTURELLE
K
OPPELUNGEN ENTLANG DER
W
ERTSCHÖPFUNGSKETTEN
... 122
6.3.1 Preproduction und Finanzierung... 122
6.3.2 Produktion ... 125
6.3.3 Postproduction... 127
6.3.4 Verwertung von Lizenzrechten... 130
6.3.5 Marketing und Distribution... 132
6.3.6 Abspiel und Verkauf ... 134
6.4 V
ERSUCH EINER
K
LASSIFIKATION
... 137
6.4.1 Licensing ... 137
6.4.2 Kooperationen: Temporäre Allianzen und Projektnetzwerke ... 139
6.4.3 Vertikale Integration und Quasi-Vertikale Integration... 145
6.5 P
OTENZIALE
... 150
6.6 A
KTUELLE
E
NTWICKLUNGEN UND DIE ZUKÜNFTIGE
R
ELEVANZ VON
C
OMPUTERSPIELEN
FÜR DIE
S
PIELFILMINDUSTRIE
... 152
7. SCHLUSSBETRACHTUNG... 156
7.1 Z
USAMMENFASSUNG
... 156
7.2 A
USBLICK
... 164
Literaturverzeichnis...VI

Abbildungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abb. 1:
Kategorien interaktiver Unterhaltungssoftware
10
Abb. 2:
Das Modell der generischen Wertkette von Porter
15
Abb. 3:
Branchenwertschöpfungskette für den Medien- und Kommunikati-
onsbereich
16
Abb. 4:
Beurteilung der Marktattraktivität für den Onlinevertrieb
31
Abb. 5:
Marktanteile in der Spielfilmindustrie in den USA nach Besitzver-
hältnissen (Zeitraum: Januar bis Juli 2003)
40
Abb. 6:
Marktanteile der Studios 2003 (3. Januar 2003 ­ 1. Januar 2004) am
gesamten Box-Office-Umsatz in den USA ($9.186 Mrd.)
44
Abb. 7:
Marktanteile der Top 5 Studios in den Jahren 2000-2003
44
Abb. 8:
Altersstruktur der Kinobesucher in den USA
46
Abb. 9:
Anteil an Ticketverkäufen nach Häufigkeit des Kinobesuchs
47
Abb. 10:
Produktionskosten, Einspielergebnis und Licensingumsatz im Ver-
gleich (Angaben in Mio. US-Dollar)
58
Abb. 11:
Die Verwertungskette von Filmrechten (Kino und Zweitverwer-
tung)
62
Abb. 12:
Zeitliche Abfolge der Profit Windows in den USA
62
Abb. 13:
Die Branchenwertschöpfungskette der Filmindustrie nach Houcken
67
Abb. 14:
Die Wertschöpfungskette der Spielfilmproduktion nach Zerdick
68
Abb. 15:
Modifizierte Branchenwertschöpfungskette der Spielfilmindustrie
69

Abbildungsverzeichnis
IV
Abb. 16:
Angebotskategorien von Computerspielen
72
Abb. 17:
Die 10 größten Spieleverleger 2003: Anteil von lizenzbasierten
Spielen und Sequels an veröffentlichten Titeln
74
Abb. 18:
Umsatzaufteilung eines Konsolenspiels für 50 US-Dollar
74
Abb. 19:
Stückzahlen verkaufter Spielekonsolen nach Modell 1980-2006
75
Abb. 20:
Die zehn größten Spieleverleger 2003: Umsätze, Veröffentlichu-
ngen und Anteil externer Developer an der Spieleproduktion
78
Abb. 21:
Altersverteilung bei Computerspielnutzern in den USA
82
Abb. 22:
Genres und Subgenres von Computerspielen
83
Abb. 23:
Prozentuale Anteile von Genres an verkauften Konsolenspielen in
den USA 2003
85
Abb. 24:
Prozentuale Anteile von Genres an verkauften PC-Spielen in den
USA 2003
85
Abb. 25:
Vergleich zwischen Konsolen- und PC-Plattform
87
Abb. 26:
Das traditionelle Distributionsmodell der Computerspielindustrie
102
Abb. 27:
Prozessschritte der Computerspielproduktion nach Mencher
108
Abb. 28:
Game River nach Adams
109
Abb. 29:
Positionen der Beteiligten im Produktpfad eines Konsolenspiels
nach Schoback
110
Abb. 30:
Die Branchenwertschöpfungskette der Computerspielindustrie
111
Abb. 31:
Chancen und Risiken für Lizenzgeber
117

Abbildungsverzeichnis
V
Abb. 32:
Umsätze der ersten beiden ,,Matrix"-Folgen und ihrer Drittverwer-
tungsprodukte
118
Abb. 33:
Chancen und Risiken für Lizenznehmer
120
Abb. 34:
Strukturelle Koppelungen auf der Wertschöpfungsstufe Preproduc-
tion und Finanzierung
125
Abb. 35:
Strukturelle Koppelungen auf der Wertschöpfungsstufe Produktion
127
Abb. 36:
Strukturelle Koppelungen auf der Wertschöpfungsstufe der Post-
production
130
Abb. 37:
Strukturelle Koppelungen auf der Wertschöpfungsstufe der Rechte-
verwertung
131
Abb. 38:
Strukturelle Koppelungen und Effekte auf der Wertschöpfungsstufe
Marketing und Distribution.
134
Abb. 39:
Strukturelle Koppelungen auf den Wertschöpfungsstufen Delivery
und Verkauf
136
Abb. 40:
Strukturelle Koppelungen im Rahmen der Licensing-Strategie
138
Abb. 41:
Strukturelle Koppelungen bei Temporären Allianzen und Projekt-
netzwerken
144
Abb. 42:
Strukturelle Koppelungen bei Vertikaler und Quasi-Vertikaler In-
tegration
149

Einleitung
1
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Es war ein Superheld, der der Spielfilmindustrie im Jahr 2002 endgültig die Augen öff-
nete: Mit dem Computerspiel ,,Spiderman", beruhend auf dem Kinofilm ,,Spiderman:
The Movie"
2
, wurde zum ersten Mal ein filmbasiertes Computerspiel
3
parallel zum Ki-
nostart veröffentlicht. Innerhalb der ersten zwei Wochen verkaufte das Spiel allein in
den USA über 500.000 Einheiten
4
. Das Interesse Hollywoods an der Computerspielin-
dustrie ist spätestens durch diese Erfolgsgeschichte neu erwacht. Kaum ein Action- oder
Abenteuerfilm kommt heute in die Kinos, der nicht von einem entsprechenden Game
flankiert wird. Die schmerzhafte Erinnerung an gescheiterte Annäherungsversuche von
Spielfilm und Computerspiel Ende des 20. Jahrhunderts scheint keine der beiden betei-
ligten Branchen davon abzuhalten, es ein weiteres Mal zu versuchen. Doch während
Computerspiele innerhalb weniger Jahre fest in die Verwertungsstrategien der Spiel-
filmindustrie integriert worden zu sein scheinen, finden sich bislang keine Publikatio-
nen, die die medienökonomischen Aspekte dieses Phänomens eingehend untersuchen.
Digitalisierung und Vernetzung haben in der gesamten Medien- und Unterhaltungsbran-
che zu umfassenden Wandlungsprozessen geführt, die bis heute anhalten. Ehemals ge-
trennte Sektoren nähern sich einander an, neue Technologien und Verfahren bei der
Herstellung und Verwertung von Inhalten eröffnen neue Chancen und bergen neue Ri-
siken, die häufig eine strategische Umorientierung der involvierten Unternehmen erfor-
dern. Das Spannungsfeld zwischen Spielfilm- und Computerspielindustrie ist ein Be-
reich, in dem dieses Phänomen besonders gut zu beobachten ist. Beide sind sich in ihren
Prozessen, Strukturen und teils auch Zielgruppen recht ähnlich. Doch erst in den letzten
Jahren ist hier eine zunehmende, systematische Verzahnung zu beobachten. Immer häu-
figer werden Kinofilme nicht nur sequenziell in den etablierten ,,Profit-Windows", son-
dern zusätzlich in Form von Computerspielen vermarktet. Diese sind in vielen Fällen
mehr als reine Drittverwertungsprodukte und wirken in den Entstehungs- und Verwer-
tungsprozess des Spielfilms hinein. Die positive wirtschaftliche Entwicklung der Com-
2
,,Spiderman: The Movie" (2002, Regie: Sam Raimi) wiederum basierte auf den schon Jahrzehnten po-
pulären ,,Spiderman"-Heften der Marvel-Comics-Gruppe.
3
Synonym zu ,,Computerspiel" werden in dieser Arbeit die Begriffe ,,Computergame", ,,Game" und
,,Spiel" benutzt.
4
Vgl. Clark 2003a.

Einleitung
2
puterspielindustrie und ihre steigende Marktrelevanz im Bereich der Unterhaltungshard-
und -software lässt vermuten, dass die Entwicklung der letzten Jahre erst der Auftakt ist
zu einer umfassenden strukturellen Koppelung der Wertschöpfungsketten von Kino-
und Computerspielindustrie.
Dies wirft eine Reihe von Fragen auf, die sich auf das Zusammenspiel beider Branchen
allgemein und insbesondere auf den Umgang der Spielfilmindustrie mit der Entwick-
lung des Computerspielsektors befassen: Warum und wie nutzt die Spielfilmindustrie
Computerspiele bei der Drittverwertung ihrer Produkte? Kommt es zu strukturellen
Koppelungen der Wertschöpfungsketten von Kino- und Gameindustrie und wie intensiv
sind diese? Gibt es in Bezug auf die Verwertung von Kinofilmen im Spielemarkt unter-
schiedliche Strategiemuster innerhalb der Spielfilmindustrie? Und schließlich: Wie
hoch ist die aktuelle und zukünftige Relevanz von Computerspielen für die Spielfilmin-
dustrie einzuschätzen?
Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung sollen in der vorliegenden Arbeit folgende
Thesen überprüft werden:
1.
Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten von Spielfilm- und Computerspielindu-
strie weisen große Ähnlichkeiten auf.
2.
Computerspiele als Form der Drittverwertung von Spielfilmen erfordern ein
größeres Maß an Zusammenarbeit zwischen Lizenzgeber und -nehmer und sind
von höherer strategischer Relevanz als andere Licensingprodukte.
3.
Es lassen sich strukturelle Koppelungen der Wertschöpfungsketten beider In-
dustrien beobachten.
4.
In Bezug auf das Niveau dieser Koppelungen lassen sich Abstufungen ausma-
chen, die Resultat unterschiedlicher Strategien der Spielfilmunternehmen sind.
5.
Die beiden Branchen nähern sich in der Tendenz strukturell und operativ einan-
der an.

Einleitung
3
6.
Computerspiele sind als Refinanzierungsweg für die Spielfilmindustrie von
wachsender Bedeutung.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine erste, systematische Aufarbeitung der konvergenten Ent-
wicklungen im Spannungsfeld zwischen Film- und Computerspielindustrie zu leisten
5
.
Der ordnende Aspekt steht deshalb im Vordergrund und damit die Intention, im be-
grenzten Rahmen einer Magisterarbeit Orientierungspunkte für eventuelle weitere Un-
tersuchungen auf diesem Gebiet zu schaffen. Da für den Gamebereich bislang kaum
medienökonomische Analysen vorliegen
6
, bedeutet dies zunächst eine Konzentration
auf die aus externer Perspektive beobachtbaren Aktivitäten und Prozesse, wie sie
jüngsten Publikationen und Artikeln, vorwiegend aus den USA, zu entnehmen sind.
Dies bedingt eine Herangehensweise, die zunächst recht technokratisch anmuten mag,
die jedoch für ein Verständnis gerade der bislang kaum untersuchten Gamebranche un-
abdinglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die in diesem Bereich tätigen Unter-
nehmen aufgrund der hohen Wettbewerbsdynamik einer tiefergehenden Offenlegung
ihrer Strategien jenseits branchenüblicher Schlagworte grundsätzlich abgeneigt sind.
Dennoch lassen sich anhand der vorhandenen Quellen erste Rückschlüsse ziehen. Die
vorliegende Arbeit wird deskriptiv die Spielfilm- und Computerspielindustrie skizzieren
sowie deren Branchenwertschöpfungsketten analysieren, um die konvergente Entwick-
lung beider Sektoren an strukturellen Koppelungen zwischen diesen Wertschöpfungs-
ketten festzumachen. Darauf aufbauend sollen strategische Muster der Spielfilmindust-
rie bei der Verwertung ihrer Inhalte in Form von Computerspielen abgeleitet, sowie
deren aktuelle und zukünftige Relevanz als Refinanzierungsquelle für den Filmbereich
eingeschätzt werden.
5
Hierbei wird vorwiegend die strategische Perspektive der in der Spielfilmbranche tätigen Unternehmen
eingenommen.
6
Vor allem in der deutschsprachigen, aber auch in der englischsprachigen Literatur dominieren pädagogi-
sche, film- oder kulturwissenschaftliche sowie genderorientierte Forschungsansätze (vgl. King 2002c: 2
sowie Keitel 2003: 21ff.). Darüber hinaus ist anzumerken, dass gerade für den sechsten Teil dieser Arbeit,
der sich mit der Konvergenz von Film- und Gamebranche beschäftigt, häufig Artikel aus Zeitschriften,
Zeitungen und Onlinepublikationen verwendet wurden, da aufgrund der Aktualität des Phänomens bis-
lang kaum andere Quellen existieren.

Einleitung
4
1.2 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Wenn auch globale Märkte für die Unterhaltungsbranche generell steigende Relevanz
besitzen, so ist zentraler Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit die Spielfilmindustrie
in den USA, und hier die sogenannten ,,Blockbuster"-Filme. Da diese sowohl ökono-
misch als auch konzeptionell auf einen Hiterfolg und eine multiple Verwertung der Nut-
zungsrechte angelegt sind, treten in diesem Bereich die konvergenten Tendenzen zwi-
schen Spielfilm- und Computerspielindustrie am deutlichsten hervor und sind am wei-
testen fortgeschritten. Zudem kann der Entertainmentmarkt der USA ­ neben dem japa-
nischen ­ gerade in Bezug auf die Verbreitung und Nutzung von Computerspielen als
der am weitesten entwickelte gelten, was eine Fokussierung des Untersuchungsraumes
auf die Vereinigten Staaten sinnvoll erscheinen lässt.
Darüber hinaus nimmt diese Analyse im Wesentlichen die Perspektive der Spielfilmin-
dustrie ein. Denn es ist zu vermuten, dass diese, ständig auf der Suche nach neuen Refi-
nanzierungswegen für ihre zunehmend kostenintensiveren Projekte, als treibende und
dominante Kraft hinter den beobachteten Entwicklungen gelten kann.
Da die Umwandlung von Spielfilmen in Computerspiele die wesentlich häufiger prakti-
zierte Variante von Austauschbeziehungen zwischen beiden Industrien ist, konzentriert
sich die Untersuchung bis auf wenige Ausnahmen auf diesen Bereich
7
.
Eine letzte Eingrenzung bezieht sich auf den zeitlichen Aspekt. Im Rahmen dieser Ma-
gisterarbeit wird auf eine ausführliche Darstellung historischer Zusammenhänge ver-
zichtet, obwohl diese gerade hinsichtlich der gescheiterten Annäherungsversuche von
Film- und Gameindustrie in den 1980er und 1990er Jahren überaus interessant sind. Sie
werden nur am Rande behandelt, soweit dies für ein Verständnis des Inhalts erforderlich
ist. Folglich leistet die vorliegende Magisterarbeit, auch begründet in der zügigen Ent-
wicklung der Geschehnisse, lediglich eine Momentaufnahme der konvergenten Ent-
wicklungen zwischen beiden Industrien sowie der ihnen zugrunde liegenden Interessen
und Strategien.
7
Vgl. hierzu: Nathan 2003: Appendix C.

Einleitung
5
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Magisterarbeit besteht aus fünf Teilen, die aufeinander aufbauen. Der erste Teil
(Kapitel 2) legt das analytische Fundament. Hier werden zunächst die verwendeten,
essenziellen Begriffe diskutiert und geklärt, was gerade im bislang wenig wissenschaft-
lich untersuchten Feld der Computerspiele dringend erforderlich ist. Darüber hinaus
bietet der erste Teil eine Erläuterung und kurze Kritik des Wertkettenkonzeptes nach
Porter und neuerer Weiterentwicklungen, um die Verwendung dieses Modells als zent-
rales Analyseinstrument dieser Arbeit vorzubereiten. Damit ist die Basis für eine Unter-
suchung der Branchenwertschöpfungsketten von Spielfilm- und Computerspielindustrie
geschaffen, die Voraussetzung ist für die Darstellung struktureller Koppelungen zwi-
schen diesen.
Der zweite Teil (Kapitel 3) beschäftigt sich mit grundlegenden Entwicklungen der Di-
gitalisierung und Vernetzung, die als Bedingung oder zumindest beschleunigendes
Moment für konvergente Tendenzen in der Medien- und Unterhaltungsindustrie gelten
können. Ihre Konsequenzen für die in diesen Branchen tätigen Unternehmen werden mit
Blick auf die Themenbereiche Struktur des Medien- und Unterhaltungssektors, Produk-
tion von Inhalten, Distribution von Inhalten sowie Verwertung von Urheber- und Li-
zenzrechten erläutert. Dieses Hintergrundwissen ist für ein tiefer gehendes Verständnis
der Annäherung von Spielfilm- und Computerspielbranche unerlässlich.
Der dritte Teil (Kapitel 4) befasst sich mit der Spielfilmindustrie in den USA. Zunächst
wird ein Überblick gegeben: Ihre ökonomischen Prozesse und Gesetzmäßigkeiten,
Branchenstruktur und Unternehmen werden ebenso skizziert wie Markt, Wettbewerb
und Konsumenten sowie aktuelle Trends. Vor diesem Hintergrund wird dann die Bran-
chenwertschöpfungskette der Spielfilmindustrie detailliert analysiert und schließlich,
nach einer Diskussion vorhandener Modelle, zusammenfassend dargestellt.
Der vierte Teil (Kapitel 5) beinhaltet eine Untersuchung der Computerspielindustrie.
Auch in diesem Kapitel werden Ökonomie, Struktur des Sektors, Unternehmen, Markt,
Wettbewerb und Zielgruppen beschrieben. Neben den aktuellen Entwicklungen treten
eine Kategorisierung von Computerspielgenres sowie eine kurze Darstellung der techni-
schen Plattformen für Games hinzu. Anschließend wird die Wertschöpfungskette der
Gameindustrie umfassend untersucht. Am Ende steht der Versuch, aufbauend auf den in

Einleitung
6
der Literatur vorhandenen Prozessdarstellungen, ein Modell für eine Branchenwert-
schöpfungskette zu entwerfen.
Der fünfte Teil (Kapitel 6) schließlich führt beide Bereiche zusammen. Zunächst wird
der kreative und unternehmerische Einfluss beleuchtet, den Spielfilm- und Computer-
spielindustrie aufeinander ausüben. Daraufhin werden die Interessen beider Seiten auf-
gezeigt, welche eine Konvergenz der Branchen fördern. Es folgt eine Untersuchung und
Skizzierung der entlang der Wertschöpfungsketten von Spielfilm- und Gameindustrie
ausgemachten strukturellen Koppelungen. Auf dieser Basis wird dann der Versuch einer
ersten Klassifikation von Kooperationsstrategien der Spielfilmindustrie vorgenommen,
aus denen unterschiedliche Koppelungsintensitäten resultieren. Da sich Beschaffenheit
und Umfang der Koppelungen von Fall zu Fall unterscheiden und im Spannungsfeld
von Filmen und Games eine große Vielfalt von Kooperationsformen zu beobachten ist,
scheint ein solches Vorgehen nicht unproblematisch. Es hat jedoch seine Berechtigung
in dem Ziel, durch eine Kategorisierung die Komplexität dieses unübersichtlichen Be-
reiches zu reduzieren. Im Anschluss erfolgt eine Reflektion über unausgeschöpfte Po-
tenziale in der Zusammenarbeit der beiden untersuchten Branchen. Abschließend steht
eine Beschreibung aktueller Entwicklungen sowie eine Abschätzung der zukünftigen
Relevanz von Computerspielen als Drittverwertungsoption für die in der Spielfilmin-
dustrie erzeugten Inhalte.

Grundlagen
7
,,While the internet will replace certain elements of industry
value chains, the complete cannibalization of the value chain
will be exceedingly rare."
Michael E. Porter, Wirtschaftswissenschaftler
8
8
Porter 2001: 73.

Grundlagen
8
2. Grundlagen
2.1 Begriffsklärung und Abgrenzungen
Aufgrund ihrer tragenden Funktion sollen einige zentrale Begriffe gleich zu Beginn
definiert werden: ,,Spielfilm", ,,Computerspiel", ,,Licensing", ,,Merchandising" sowie
,,strukturelle Kopplung" werden im Folgenden kurz erklärt, um eine konstistente Aus-
gangsbasis zu schaffen und Missverständnisse zu vermeiden.
Eine Definition des Gegenstandes ,,Spielfilm"
9
kann aus unterschiedlichen Perspektiven
erfolgen, so etwa aus der technischen, der künstlerischen, der handwerklichen der funk-
tionalen oder der ökonomischen
10
. Letztere ist für diese Arbeit ausschlaggebend. Eine
kurze, sehr präzise Umschreibung des Begriffes im wirtschaftswissenschaftlichen Kon-
text findet sich bei dem Wirtschaftswissenschaftler Robin Houcken:
,,The commercial feature film is a complex prototype project, which generates a package of
rights whose multiple exploitation value is subject to a largely random demand due to qua-
lity uncertainties."
11
Diese Erklärung umfasst die wesentlichen Charakteristika der Ware Spielfilm: Seine
kommerzielle Ausrichtung im Rahmen eines unikaten Projektes, die zentrale Bedeutung
der Rechteverwertung auf unterschiedlichen Märkten, deren Wert vom Kinoerfolg ab-
hängig ist, sowie das hohe Absatzrisiko, bedingt durch den schwer prognostizierbaren
Erfolg beim Publikum. Die Verwertungsrechte stellen dabei den kommerziellen Kern
des Produktes dar
12
. Andere Autoren differenzieren zwischen ,,films", die einen hohen
künstlerischen oder aufklärerischen Anspruch besitzen, und ,,movies", bei denen die
unternehmerische Perspektive dominiert, und die die Unterhaltung eines möglichst gro-
ßen Publikums zum Ziel haben
13
. In diesem Sinne sind ,,movies" der Gegenstand dieser
Arbeit.
Die Spielfilmindustrie umfasst alle Personen, Unternehmen und Institutionen, deren
9
Im Folgenden auch Film oder Kinofilm.
10
Vgl. dazu: Eggers 1995: 7ff. sowie Thiermeyer 1994: 25f.
11
Houcken 1999: 67.
12
So beschränkt sich Eggers' wirtschaftliche Definition des Gegenstandes ,,Spielfilm" allein auf die Ur-
heber-, Verwertungs- und Leistungsschutzrechte, die aus diesem erwachsen (Eggers 1995: 8). Vgl. auch:
Thiermeyer 1994: 23.
13
Thiermeyer 1994: 26.

Grundlagen
9
Aktivitäten ,,Produktion, Vertrieb und Aufführung von Filmen"
14
zum Ziel haben. Eine
etwas ausführlichere Umschreibung bietet Michael Thiermeyer:
,,Film (...) konstituiert einen spezifischen Wirtschaftssektor ­ die Filmwirtschaft. Sie glie-
dert sich in drei Hauptbereiche, Sparten: Produktion (Filmherstellung), Distribution (Film-
verleih, -vertrieb, -vermarktung) und Konsumtion (Filmauswertung, -verwertung)."
15
Dabei ist anzumerken, dass diese Arbeit allein den Spielfilmsektor zum Thema hat, also
jenen Teil der Filmindustrie, der sich mit der Herstellung und Verwertung von kommer-
ziell ausgerichteten, vorwiegend zum Zwecke der Unterhaltung produzierten Filmen
beschäftigt. Andere Arten des Films wie beispielsweise Dokumentationen oder Kurz-
filme werden ausgespart.
Im Gegensatz zum Themenkomplex Spielfilm ist die Begriffsverwendung in der Lite-
ratur zum Bereich interaktiver Unterhaltungssoftware überaus uneinheitlich. Dies ist
zum Einen der Vielfalt der Erscheinungsformen geschuldet und zum Anderen der Tat-
sache, dass verschiedenste Disziplinen sich ­ meist erst in den letzten Jahren ­ des
Themas angenommen haben. Jürgen Fritz versucht eine Annäherung an das Thema über
die Betrachtung des zur Nutzung von interaktiver Unterhaltungssoftware notwendigen
,,Environments"
16
, d.h. der Kombination aus Software, Hardware und Peripheriegeräten.
Der von Fritz vorgeschlagene Oberbegriff der ,,Bildschirmspiele"
17
ergibt sich aus die-
ser Betrachtungsweise, scheint allerdings langfristig nicht tragfähig, da er alle Arten
interaktiver Unterhaltungssoftware und -hardware festlegt auf das visuelle Interface des
Bildschirms
18
. Konrad Lischka unterscheidet einerseits Unterhaltungssoftware, die man
am Personalcomputer verwendet (PC-Spiele) und andererseits solche, die über Konsole
und Fernseher bedient wird (Konsolenspiele). Er legt sich jedoch definitorisch nicht
weiter fest
19
.
Auch in der englischsprachigen Literatur herrscht jenseits des vorwiegend als Oberbeg-
riff verwendeten ,,videogames" wenig Einigkeit. ,,The term ,,video game" will be used
to mean a game for either a personal computer or a game console (...), but not a coin-op
14
Eggers 1995: 5.
15
Thiermeyer 1994: 22.
16
Fritz 1997b: 81.
17
Ebd.
18
Zu erwarten steht jedoch, dass die technologische Entwicklung neue Umgebungen hervorbringt, die
den Bildschirm verdrängen werden (vgl. [Gee] 2003: 46ff.).
19
Vgl. Lischka 2002a: 69f.

Grundlagen
10
game"
20
: Ernest Adams behandelt demnach Spielhallenautomaten separat. Poole dage-
gen schließt alle Arten interaktiver Unterhaltungstechnologien mit ein: ,,I'm using the
term ,,videogames" to encompass arcade games, home-console games, and computer
games"
21
.
In dieser Arbeit wird ,,Computerspiel" als Oberbegriff verwendet. Denn er beinhaltet
eine zentrale, gemeinsame Eigenschaft aller Erscheinungsformen von interaktiver Un-
terhaltungssoft- und -hardware, die unabhängig von zukünftigen Entwicklungen beste-
hen bleiben dürfte: Die digitale Verarbeitung und Darstellung von Bild-, Ton-, Text-,
interaktiven und anderen
22
Informationen durch Mikroprozessoren zum Zwecke eines
Spiels. Die verschiedenen Arten von Computerspielen, wie sie sich als Kombination
von Hardware (Plattformen) und Software (Genres) ergeben, werden in dieser Arbeit
nach dem jeweiligen Hardwaretyp benannt, weil dieser die technologischen Rahmenbe-
dingungen setzt. Somit ergibt sich folgende Begriffsstruktur:
Abb. 1:
Kategorien interaktiver Unterhaltungssoftware
Oberbegriff
Kategorie
Beschreibung
Computerspiele
Konsolenspiele
Konsolenspiele werden mithilfe von Spielekonsolen be-
trieben, die an einen Fernseher oder Videobeamer ange-
schlossen sind.
PC-Spiele
PC-Spiele werden ausschließlich auf Personalcomputern
genutzt und mithilfe unterschiedlicher Steuerungs- und
Ausgabehardware bedient.
Onlinespiele
Onlinespiele können nur bei bestehender Verbindung zum
Internet genutzt werden und beinhalten häufig Multiplay-
er-Elemente.
Mobile Spiele
Diese Kategorie umfasst sowohl tragbare Spielekonsolen
(z.B. Nintendo Gameboy) als auch Spiele, die über Mo-
biltelefone (online oder offline) genutzt werden.
Arcadespiele
Arcadespiele sind Automatenspiele in Spielhallen. Sie
unterscheiden sich von Glücksspielautomaten dadurch,
dass es allein um Unterhaltung geht.
Quelle: Eigene Darstellung
So sehr die Literatur zum Thema der interaktiven Unterhaltungssoftware in den letzten
Jahren angewachsen ist, so schwierig ist es, Definitionen des Gegenstandes zu finden.
Das Brockhaus-Lexikon setzt ,,Videospiel" als Oberbegriff und definiert wie folgt:
20
Adams 2003: xvii.
21
Vgl. Poole 2000a: 21.
22
Moderne Peripheriegeräte ermöglichen beispielsweise bereits haptische Erfahrungen wie ein Vibrieren
des Controllers, wenn die eigene Spielfigur (virtuellen) Schaden nimmt.

Grundlagen
11
,,Videospiel (...), für einen oder mehrere Teilnehmer ausgelegtes Unterhaltungs-, Ge-
schicklichkeits- oder Lernspiel, dessen Ablauf elektronisch von dem bzw. den Teilnehmern
gesteuert und auf einem als Spiel- und/oder Anzeigefeld dienenden Bildschirm eines Fern-
sehempfängers, Monitors, (Heim-)Computers oder auf einem speziellen Display dargestellt
wird."
23
Ein sehr ausführlicher Definitionsversuch findet sich auch bei Evelyn Keitel
24
. Er läuft
im Kern auf Computerspiele als interaktive, multimediale, digital vermittelte Erlebnis-
welten hinaus, die durch Kombination älterer Formen der Populärkultur mit neuartigen
Elementen eine neue Form der Unterhaltungssoftware schaffen. Die Beschreibung Kei-
tels scheint allerdings aufgrund ihrer Länge wenig praktikabel.
Für die vorliegende Arbeit soll folgende Defintion gelten:
Computerspiele sind Spiele, bei denen einer oder mehrere Teilnehmer mit-
tels elektronischer Steuerungs- und Ausgabegeräte mit virtuellen Welten
interagieren. Diese bestehen aus digitalen Bild-, Ton-, Text- sowie anderen
Informationen, welche durch Mikroprozessoren in Kombination mit spe-
zieller Hard- und Software erzeugt, verarbeitet und dargestellt werden.
Diese Definition schließt alle Arten digital vermittelter, interaktiver Unterhaltungstech-
nologien mit ein.
Entsprechend umfasst der Begriff ,,Computerspielindustrie" alle Personen, Unterneh-
men und Institutionen, deren Aktivitäten der Herstellung und dem Vertrieb von Com-
puterspielen sowie dem Service dienen. Wegen der eher marginalen wirtschaftlichen
Bedeutung von Online-, mobilen und Arcade-Spielen beschränkt sich diese Arbeit im
Allgemeinen auf Konsolen- und PC-Spiele. Ausnahmen sind explizit gekennzeichnet.
Für eine Analyse der Drittverwertung
25
von Lizenzrechten empfiehlt sich die Klärung
der Begriffe ,,Licensing" und ,,Merchandising". Für ,,Merchandising" besteht keine ein-
heitliche Definition
26
. Einige Autoren setzen es im Wesentlichen mit dem Marketing-
begriff der ,,Verkaufsförderung" gleich, also mit absatzsteigernden Maßnahmen im
23
Brockhaus 1999: 290.
24
Zum Folgenden vgl. Keitel 2003: 12.
25
Unter Drittverwertung werden hier alle derivaten Verwertungsformen verstanden, die nicht das Abspiel
des Spielfilms in seiner ursprünglichen Form zum Gegenstand haben.
26
Zum Folgenden vgl. Böll 1999: 4f.

Grundlagen
12
Handel. Im allgemeinen Verständnis ist jedoch eine andere Bedeutung geläufiger: Hier
meint Merchandising die Verwertung populärer Erscheinungen außerhalb ihres eigentli-
chen Wirkungsfeldes zum Zwecke des Absatzes von Waren und Dienstleistungen. Da-
bei kann die Verwertung durch den Berechtigten selbst oder durch Einräumung von
Rechten an Dritte legitimiert sein.
Des Weiteren wird häufig der Begriff des ,,Licensing" benutzt. Karin Böll zieht eine
klare Grenze zwischen Merchandising und Licensing. Letzteres tritt danach ein, sobald
ein Rechteinhaber Nutzungsrechte an Dritte vergibt, um Profite zu erwirtschaften:
,,Licensing ist die kommerzielle und damit gewinnorientierte Nutzung einer Popularität auf
Basis einer Lizenzvergabe, mit dem Ziel, Produkte, Firmen und/oder Marken emotional zu
positionieren und dadurch den Absatz zu erhöhen."
27
Ein Computerspiel, dass beispielsweise auf einem von Sony Pictures produzierten
Spielfilm beruht und durch den Sony-Konzern selbst hergestellt und vermarktet wird,
wäre somit kein Licensingprodukt, da es sich nicht um eine Lizenzvergabe an Dritte
handelt. Bölls Definition des Spielfilmlicensing trennt allerdings nicht eindeutig zwi-
schen einer Verwertung durch den Rechteinhaber und durch Dritte:
,,Movie Licensing beinhaltet die Vermarktung von populären Filmfiguren, Filmtiteln, Film-
sequenzen, Filmsymbolen u.a.m. außerhalb der direkten, sprich primären Filmauswertung
und Filmwerbung."
28
Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit ,,Licensing" für den Fall der Lizenz-
vergabe an Dritte verwendet, während ,,Merchandising" die Verwertung von Nutzungs-
rechten auf Ergänzungsmärkten durch den Rechteinhaber selbst meint. Wird zwischen
beiden Fällen nicht unterschieden, soll von ,,Drittverwertung" die Rede sein.
Der Ausdruck ,,strukturelle Koppelung" entstammt der Systemtheorie, ist dort aller-
dings recht umstritten und wenig festgelegt. Niklas Luhmann bezeichnet damit Instituti-
onen, die eine Verbindung zwischen autonomen, voneinander unabhängigen gesell-
schaftlichen Systemen ermöglichen. Sie werden ,,von jedem System in Anspruch ge-
nommen, aber von jedem in unterschiedlichem Sinne"
29
. Ein anschauliches Beispiel ist
27
Böll 1999: 5.
28
Ebd.: 53.
29
Luhmann 1997: 787.

Grundlagen
13
hier das staatliche Steuersystem, dass zwei unabhängige Systeme mit unterschiedlichen
Codes strukturell verbindet: Auf der einen Seite die Wirtschaft mit dem Code ,,Geld /
kein Geld", auf der anderen Seite die Politik mit dem Code ,,Macht / keine Macht".
In dieser Arbeit wird der Begriff der ,,strukturellen Koppelung" abweichend von seiner
systemtheoretischen Bedeutung verwendet: Im Zentrum der Betrachtung steht nicht das
koppelnde System in Gestalt einer Institution, deren Funktion es ist, andere autonome
Systeme zu verbinden. Vielmehr wird das Phänomen von direkten Verbindungen zwi-
schen ursprünglich voneinander unabhängigen Systemen betrachtet, das die Strukturen
dieser Systeme an bestimmten Stellen miteinander koppelt und sie beeinflussen oder
sich sogar in dauerhaften Änderungen dieser Strukturen manifestieren kann. Entspre-
chend wird der Begriff hier definiert:
Strukturelle Koppelungen sind Verbindungen zwischen den Wertschöp-
fungsketten ursprünglich unabhängig voneinander operierender Branchen.
Sie könen sich auf strategischer, finanzieller, operativer oder kommunikati-
ver Ebene manifestieren.
Diese Form von strukturellen Koppelungen ist abzugrenzen von den ,,Vertical Linka-
ges"
30
im Sinne Michael E. Porters, die Verbindungen zwischen den Unternehmen in-
nerhalb eines selbständigen ,,Value Systems" bezeichnen. Hierbei handelt es sich um
Berührungspunkte der einzelnen Wertketten
31
von Unternehmen der gleichen Branche
und ihre möglichen Auswirkungen auf die jeweilige Gesamtwertschöpfung. Die struktu-
rellen Koppelungen im Rahmen dieser Arbeit hingegen meinen Verbindungen, die im
Zuge konvergenter
32
Entwicklungen zwischen ursprünglich voneinander unabhängigen
Branchenwertschöpfungsketten entstehen.
30
Vgl. Porter 1985: 50.
31
Ausführliches zur ,,Value Chain" Porters und neueren Modifikationen des Wertschöpfungsketten-Kon-
zeptes findet sich in Kap. 2.2.1.
32
Das Thema Konvergenz wird detailliert in Kap. 3.3.1 behandelt.

Grundlagen
14
2.2 Analysewerkzeuge
2.2.1 Das Konzept der Wertkette nach Porter
Der Wirtschaftswissenschaftler Michael E. Porter definiert die Wertschöpfung und de-
ren Transformation in monetären Gewinn als Ziel jeder Unternehmensstrategie
33
. Porter
unterscheidet drei generische Wettbewerbsstrategien, mit deren Hilfe ein Unternehmen
dieses Ziel erreichen kann: Kostenführerschaft, Differenzierung und Fokus
34
.
Vor diesem Hintergrund entwickelte Porter das Konzept der Wertkette
35
um herauszu-
arbeiten, welche der generischen Wettbewerbsstrategien für ein Unternehmen in Hin-
blick auf seine spezifischen Eigenschaften empfehlenswert ist
36
. Wettbewerbsvorteile
entstehen, wenn ein Unternehmen strategisch wichtige Aktivitäten billiger oder besser
ausführt als seine Konkurrenten. Denn dadurch ist es befähigt, eine der drei generischen
Strategien besonders erfolgreich umzusetzen
37
. Die Wertkette fungiert nun als Instru-
ment, um die Quellen für die Erlangung solcher Wettbewerbsvorteile in einem Unter-
nehmen auszumachen. Dazu werden die einzelnen Aktivitäten betrachtet, die im Betrieb
durchgeführt werden:
,,The value chain disaggregates a firm into its strategically relevant activities in order to un-
derstand the behaviour of costs and the existing and potential sources of differentiation."
38
Die bei der Wertkettenanalyse gewonnenen Informationen fließen in den Prozess der
strategischen Planung ein. Somit ist die Wertkette ein wettbewerbsorientiertes Analy-
seinstrument, das für die strategische Entscheidungsfindung eingesetzt wird
39
.
Porter unterscheidet primäre und unterstützende Wertaktivitäten, wobei Erstere direkt in
den Prozess der Leistungserstellung und -vermarktung involviert sind und Letztere den
reibungslosen Ablauf und die Aufrechterhaltung der primären Aktivitäten gewährleis-
33
Vgl. Porter 1985: 35.
34
Vgl. ebd: 35ff. und Welge 1999: 238.
35
Die Wertkette ist eine Weiterentwicklung des Geschäftssystem-Konzeptes der Unternehmensberatung
McKinsey&Company. Es ermöglicht durch den Vergleich der Aktivitäten eines Unternehmens im Leis-
tungserstellungsprozess mit denen der Wettbewerber eine Wettbewerbsanalyse. Vgl. hierzu Welge 1999:
235 und Porter 1985: 36, Anm. 1.
36
Porter 1985: 33.
37
Vgl. ebd.: 33f.
38
Ebd.: 33.
39
Vgl. ebd.: 34.

Grundlagen
15
ten
40
. Die beiden Typen von Wertaktivitäten stellt Porter in der generischen Wertkette
dar, die als Modell für die Wertkettenanalyse dient:
Abb. 2:
Das Modell der generischen Wertkette von Porter
Quelle: Porter 1985: 37.
Porters Wertkettenkonzept ist nicht unumstritten. Eine Zusammenfassung der Kritik
findet sich bei Krieb
41
. Wichtigster Punkt ist hierbei die Unterstellung eines linearen,
sequenziellen Zusammenhangs zwischen den Aktivitäten. Dies wird beispielsweise den
variablen und vernetzten Leistungszusammenhängen, wie sie bei der Erstellung infor-
mationsintensiver Güter häufig vorkommen, nicht gerecht. Bei flexiblen Unternehmens-
strukturen kann darüber hinaus die Schwierigkeit auftreten, überhaupt in primäre und
sekundäre Aktivitäten zu unterscheiden und eine Reihenfolge dieser Aktivitäten festzu-
legen. Auch mit Blick auf die Umgebung von Unternehmen ergeben sich Kritikpunkte.
Die Kompaktheit des Wertkettenkonzeptes kann zu einer isolierten Betrachtung des
Unternehmens unter Vernachlässigung des umgebenden ,,value systems" verführen.
Gerade in Zeiten zunehmend konvergenter Märkte und Unternehmensstrukturen droht
so eine Ausblendung wichtiger Faktoren der strategischen Planung. Eine mangelnde
Berücksichtigung der volatilen Rahmenbedingungen sowie des Problems der Mehr-
wertabschätzung von Informationsgütern im Vorhinein sind vor allem im Bereich der
Mediengüter weitere kritische Punkte.
40
Vgl. Porter 1985: 37f. Eine detaillierte Erläuterung der primären und unterstützenden Aktivitäten findet
sich auch bei Welge/Al-Laham 1999: 240ff.
41
Zum Folgenden vgl. Krieb 2001: 89f.
Inbound
Logistics
Opera-
tions
Outbound
Logistics
Marketing
&Sales
Service
Primary
Activities
Support
Activities
Firm Infrastructure
Human Resource Management
Procurement
Margin
Technology Development

Grundlagen
16
2.2.2 Die Wertkette als Instrument der Analyse von Branchen
Für die Identifizierung strategischer Wettbewerbsvorteile ist eine isolierte Betrachtung
der Wertkette eines Unternehmens nicht ausreichend, da dieses in ein Wertsystem aus
Lieferanten und Abnehmern eingebettet ist: ,,Gaining and sustaining competitive ad-
vantage depends on understanding not only a firm's value chain but how the firm fits in
the overall value system."
42
Neben der Wettbewerbsanalyse eines einzelnen Unternehmens bewertet Kürble die Er-
stellung eines solchen Wertsystems
43
als geeigneten Ansatz, um sich ,,der grundlegen-
den Aktivitäten auf dem Gesamtmarkt klar zu werden"
44
. Auch Krieb bewertet die
Branchenwertschöpfungskette als probates Mittel, um einen Überblick über das Zu-
sammenwirken von verschiedenen Betrieben bei der Leistungserstellung innerhalb einer
Branche und eines Marktes zu gewinnen. Der Fokus der Wertkette wird somit vergrö-
bert und über die Analyse von innerbetrieblichen Zusammenhängen hinaus ausgedehnt:
,,Ein Wertsystem stellt also eine Makro-Betrachtung der aggregierten Einzelwertketten
der Unternehmen dar."
45
Die Branchenwertschöpfungskette ist auch bei der Beobachtung branchenübergreifen-
der Konvergenzprozesse von Nutzen, da sie die Systematisierung der grundlegenden
unternehmerischen Aktivitäten vereinfacht und somit einen Vergleich der Prozess-
struktur verschiedener Branchen ermöglicht
46
. Zerdick entwirft zu diesem Zweck, basie-
rend auf Wertschöpfungsmodellen aus dem Sachgüterbereich, das Grundmodell einer
Branchenwertschöpfungskette für den Medien- und Kommunikationsbereich:
Abb. 3:
Branchenwertschöpfungskette für den Medien- und Kommunikationsbereich
Quelle: Zerdick 2001: 32
Dieses zunächst sehr einfache Modell wird den Gegebenheiten der verschiedenen Sek-
42
Porter 1985: 34.
43
Da die Begriffe ,,Wertschöpfungskette" anstelle von ,,Wertkette" und ,,Branchenwertschöpfungskette"
anstelle von ,,Wertsystem" sich in der wissenschaftlichen Literatur durchgesetzt haben, sollen sie im
Folgenden auch in dieser Arbeit verwendet werden, wenn nicht explizit von den Arbeiten Porters die
Rede ist.
44
Kürble 1999: 17.
45
Krieb 2001: 87.
46
Vgl. ebd.: 89 sowie Greenstein 1997: 209ff.
Investition
Produktion
Vertrieb
Kunde
Rechnung-
stellung
/Inkasso

Grundlagen
17
toren jeweils angepasst. Dadurch wird eine grundsätzliche, einheitliche Systematisie-
rung ihrer Wertschöpfungsaktivitäten ermöglicht und so die Vergleichbarkeit erhöht:
,,Damit ist gewährleistet, dass trotz einer erheblichen Variation der jeweiligen Medien- und
Kommunikations-Wertschöpfungsketten eine gemeinsame Grundstruktur gegeben ist."
47
2.2.3 Neuere Wertschöpfungsketten-Konzepte
Porter selbst hat das Konzept der Wertkette weiterentwickelt. Nach wie vor stehen die
Aktivitäten innerhalb eines Unternehmens als Quelle von Wettbewerbsvorteilen im
Zentrum. Porters ,,Activity Systems" brechen jedoch mit der linearen Betrachtungswei-
se der Wertkette und stellen Unternehmensprozesse ganzheitlich in systemischer Form
dar. Activity Systems stellen insbesondere die strategiekonsistente Gestaltung aller Ak-
tivitäten heraus, um die Implementierung der gewählten Strategie im gesamten Unter-
nehmen langfristig sicherzustellen und betriebsinterne Dysfunktionen zu vermeiden
48
.
Ziel ist, dass die strategische Grundsatzentscheidung in eine einzigartige ,,Aktivitäten-
konstellation" überführt wird. Da diese als Ganzes wirksam ist, kann sie nicht oder nur
schlecht von Wettbewerbern imitiert werden, was dem Unternehmen nachhaltige Wett-
bewerbsvorteile verschafft
49
.
Porters Wertkette ist von anderen Autoren vielfach aufgegriffen und modifiziert wor-
den. Eine der wichtigsten Modifikationen ist das sogenannte ,,Wertschöpfungsnetz". Als
wesentliche Motivation sind hier die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen zu se-
hen, die aufgrund des zunehmenden Einsatzes von modernen Informations- und Kom-
munikationstechnologien
50
in allen Wirtschaftsbereichen entstehen
51
. Krieb spricht in
diesem Zusammenhang von einer steigenden ,,Variabilität und Flexibilität in der Ver-
knüpfung von Unternehmen auf Basis der Informationstechnologie"
52
. Dies gilt insbe-
sondere für den Mediensektor:
,,Mediengüter sind von einer solchen Entwicklung in besonderem Maße betroffen, da die
Ausschaltung der physischen Distribution eine zentrale starre Verbindung aus der Wert-
47
Zerdick 2001: 32.
48
Porter 1996: 71.
49
Ebd.: 74.
50
Im Folgenden: IuK-Technologien.
51
Eine detaillierte Beschreibung der Auswirkungen von IuK-Technologien auf den Medien- und Unter-
haltungssektor findet sich in Teil 3 dieser Arbeit.
52
Krieb 2001: 91.

Grundlagen
18
schöpfungsstruktur eliminiert."
53
Die immer komplexeren Wertschöpfungsstrukturen werden statt in einer Kette in Form
eines Netzes dargestellt, um der Vielfalt der Verknüpfungen und Wirkungszusammen-
hänge gerecht zu werden. Knecht definiert solche ,,Wertschöpfungsnetze" wie folgt:
,,Unter einem Wertschöpfungsnetz wird (...) ein System unternehmensübergreifender Wert-
schöpfungsaktivitäten verstanden, die über Output-Input-Relationen verknüpft sind."
54
Wichtig hierbei ist vor allem die unternehmensübergreifende Perspektive: Der Erfolg
des einzelnen Unternehmens ist zunehmend abhängig von dem Erfolg des Wertschöp-
fungsnetzes als Ganzem. Diesen Gedanken nimmt das Konzept der Business-Webs von
Hagel III auf, die strategische Netzwerke von Unternehmen betrachten, innerhalb derer
aus den komplementären Teilleistungen der Einzelunternehmen ein ,,Systemprodukt"
entsteht:
,,Unter Business Webs werden Gruppen von Unternehmen verstanden, die unabhängig
voneinander wertschöpfende Teilleistungen erstellen und sich gegenseitig ergänzen. Der
Markterfolg dieser Unternehmen ist aneinander gekoppelt, da der Nachfrager erst durch das
im gesamten Wertschöpfungsnetz entstandene Systemprodukt ganzheitliche Problemlösun-
gen erhält, die sich gegenüber Konkurrenzprodukten durchsetzen müssen."
55
In Business-Webs nehmen bestimmte Unternehmen als sogenannte ,,Shaper" eine füh-
rende Rolle ein
56
. Sie steuern die zentralen Elemente und setzen die Standards, die die
Kohärenz der einzelnen Komponenten und Teilleistungen sicherstellen, und an denen
sich die ,,Adapter" zu orientieren haben
57
. In solchen hochgradig vernetzten, interde-
pendenten Wertschöpfungskonstellationen wird die Suche nach geeigneten Kooperati-
onspartnern
58
und nach der richtigen Positionierung der Unternehmensleistung inner-
halb des Wertschöpfungsnetzes
59
zu einem wichtigen strategischen Wettbewerbsfaktor.
Normann und Ramirez sehen die permanente Rekonfiguration und Innovation von Rol-
len, Beziehungen und Geschäftsmodellen im volatilen Wettbewerbsumfeld von Wert-
schöpfungsnetzen sogar als zentrale Aufgabe des Unternehmens an: ,,[S]uccessful com-
53
Krieb 2001: 91. Zu den Auswirkungen von IuK-Technologien auf die Distributionsstruktur des Me-
diensektors siehe auch Zerdick 2001: 230.
54
Knecht 2003: 17.
55
Zerdick 2001: 182.
56
Ein häufig genanntes Beispiel für ein Business-Web ist das ,,Wintel"-Gespann der Unternehmen
Microsoft (Software) und Intel (Mikroprozessoren).
57
Vgl. Normann/Ramirez 1993: 70 sowie Zerdick 2001: 182.
58
Vgl. Krieb 2001: 92 sowie Zerdick 2001: 187.
59
Vgl. Zerdick 2001: 180ff.

Grundlagen
19
panies conceive strategy as systematic social innovation: the continuous design and re-
design of complex business systems."
60
2.2.4 Abschließende Bewertung
Porters Activity Systems sind ein Werkzeug zur Analyse von einzelnen Unternehmen in
Bezug auf den ,,Strategic Fit" zwischen Wertaktivitäten und Unternehmensstrategie.
Ihre systemische Betrachtungsweise betont und fördert die Einzigartigkeit eines Unter-
nehmens und seiner Aktivitäten als Resultat der jeweils gewählten Strategie. Activity
Systems liefern somit ein individuelles Bild des analysierten Unternehmens und seiner
Prozesse und sind direkt an diese gekoppelt. Damit bieten sie anders als die Wertkette
keinen Ansatzpunkt für die Aggregation einzelner Wertschöpfungsschritte, was sie für
die Analyse von unternehmens- oder gar branchenübergreifenden Prozessen ungeeignet
erscheinen lässt.
Wertschöpfungsnetze bilden die komplexen Wertschöpfungsstrukturen von Unterneh-
mensnetzwerken ab. Ihre Anwendung zur Analyse von Konvergenzprozessen zwischen
Spielfilm- und Computerspielindustrie scheint durchaus sinnvoll: Die Spielfilmverleiher
wachen als Shaper über ein Heer von Lizenznehmern, die aus dem zentralen Element
des Spielfilms eine große Zahl ergänzender Leistungen ableiten, wobei deren Erfolg
maßgeblich von dem des Primärproduktes abhängig ist. Aus zwei Gründen wird jedoch
in dieser Arbeit von der Verwendung des Wertschöpfungsnetz-Konzeptes als Analyse-
werkzeug abgesehen. Erstens lässt sich der Entstehungs- und Verwertungsprozess von
Spielfilmen und Computerspielen aufgrund der klar abgrenzbaren, aufeinander folgen-
den Aktivitäten durchaus als Kette darstellen. Zweitens ­ dies wird sich im weiteren
Verlauf dieser Arbeit zeigen ­ dominieren sowohl in der Spielfilm- als auch in der
Computerspielbranche projektorientierte Prozesse. Längerfristige strategische Koopera-
tionen sind eher selten, vielmehr prägen individuelle ,,Deals" und eine starke Hitorien-
tierung das Geschäft. Die Wertschöpfungsstrukturen tragen stärker den Charakter tem-
porärer Konfigurationen denn eines auf Dauer angelegten Netzes.
Für eine erste Annäherung und Übersicht über die grundlegenden Aktivitäten in den
Branchen Spielfilm und Computerspiel und für die Darstellung struktureller Koppelun-
gen ist die Branchenwertschöpfungskette aufgrund ihrer Einfachheit und ihres über-
60
Normann 1993: 66.

Grundlagen
20
sichtlichen Aufbaus am besten geeignet. In dieser Arbeit wird dafür das von Zerdick
entworfene Grundmodell der Branchenwertschöpfungskette für den Medien- und
Kommunikationsbereich verwendet.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
21
,,In effect, the forces of digitization act like the gravity of a
,,wormhole" in Star Trek, pulling recognizable industries
through it and and transforming them into something
unrecognizable on the other side."
David J. Collis, Wirtschaftswissenschaftler
61
61
Collis 1997: 161.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
22
3. Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
3.1 Digitalisierung
In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zahlreiche Definitionen und Umschrei-
bungen des Begriffes ,,Digitalisierung". Im weiteren Sinne bezeichnet man hiermit die
Verbreitung von elektronischen Informationstechnologien, die auf binär kodierten Sys-
temen beruhen, und die viele Lebensbereiche des Menschen in zunehmendem Maße
durchdringen.
Engere Definitionen beziehen sich vorwiegend auf den konkreten, technologischen Pro-
zess der Digitalisierung, verstanden als Konvertierung von analogen Informationen in
digitale. So erklärt Clement Digitalisierung kurz, aber nicht erschöpfend als ,,Um-
wandlung von Informationen in digitale Einheiten (Bits)"
62
. Negroponte legt großen
Wert auf die Unterscheidung zwischen der analogen Speicherung und Übertragung von
Informationen in Form von Atomen einerseits und dem körperlosen und binären Cha-
rakter der digitalen Bits andererseits, die jeweils einen von zwei möglichen Zuständen
beschreiben:
,,Ein Bit hat keine Farbe, Größe oder Gewicht, und es reist mit Lichtgeschwindigkeit. Es ist
der kleinste Bestandteil der Informations-DNS. Ein Bit beschreibt den Zustand: an oder
aus, richtig oder falsch, unten oder oben, innen oder außen, schwarz oder weiß."
63
Digitalisierung ist demnach als ein Umwandlungsprozess aufzufassen, der vorhandene,
analog gespeicherte Information in einen neuen, elektronischen Zustand überführt, wäh-
rend der Inhalt unverändert bleibt. Zentral ist des Weiteren, dass zuvor in heterogener
Form vorhandene Informationen unabhängig von Speichermedium und Inhalt in binär
kodierte Daten und damit in ein homogenes Repräsentationsprinzip umgewandelt wer-
den
64
. Shapiro und Varian nehmen das Kriterium der Digitalisierbarkeit zum Anlass, die
Information von der Form ihrer physischen Manifestation (zum Beispiel als gedrucktes
Buch, Filmrolle oder Tonträger) loszulösen und als Gut an sich zu betrachten: als In-
formationsgut
65
. Dieser Ansatz, die Produkte der Medien-, Unterhaltungs- und Soft-
62
Clement 2001: 13.
63
Negroponte 1995: 22.
64
Vgl. Krieb 2001: 40 sowie Kürble 1999: 12 und Greenstein 1997: 210.
65
Shapiro 1999: 13.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
23
wareindustrie insgesamt als ,,Informationsgüter" zu bezeichnen, hat sich in der wissen-
schaftlichen Literatur weitgehend durchgesetzt.
Zusammenfassend lässt sich Digitalisierung im engeren Sinne erfassen als Überführung
von in analoger Form vorhandenen Informationsgütern in das einheitliche Repräsentati-
onsprinzip binär kodierter Daten.
Die Digitalisierung im weiteren Sinne als eine Entwicklung, die alle Bereiche der Wirt-
schaft beeinflusst, ist bereits weit fortgeschritten und nicht mehr rückgängig zu ma-
chen
66
. Ihre Konsequenzen skizziert Collis wie folgt:
,,In effect, the forces of digitization act like the gravity of a ,,wormhole" in Star Trek, pul-
ling recognizable industries through it and and transforming them into something unre-
cognizable on the other side.".
67
Diese Beschreibung trifft sicher nicht auf alle Wirtschaftszweige in gleichem Maße zu.
Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf die Folgen der Digitalisierung für Unter-
nehmen der Medien- und Unterhaltungsindustrie als wichtigste Produzenten von Infor-
mationsgütern. Für diese entstehen in Kombination mit der weltweiten Vernetzung (sie-
he Kap. 3.2) zunächst vier wesentliche Konsequenzen: Ein Bedeutungsverlust von Zeit
und Raum, eine höhere Flexibilität bei Produktion und Distribution, eine Veränderung
der Kostenstrukturen sowie eine tendenzielle Annäherung von vormals getrennten Be-
reichen.
Der Bedeutungsverlust von Zeit und Raum ergibt sich insofern, als Informationsgüter in
digitaler Form mithilfe weltweiter Kommunikationsnetzwerke überall und jederzeit auf
dem globalen Marktplatz verfügbar sind
68
. Höhere Markttransparenz, sinkende Trans-
aktionskosten und damit steigende Macht auf Seiten der Nachfrager
69
führen zu tenden-
ziell sinkenden Profiten
70
. Gerade im Medienbereich hat die radikale Anwendung der
Penetrations-Preisstrategie in Zeiten des Internetbooms, bekannt geworden als Strategie
des ,,Follow-the-Free"
71
, dazu geführt, dass die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten
66
Vgl. Negroponte 1995: 11.
67
Collis 1997: 161.
68
Vgl. Clement 2001: 13 sowie Collis 1997: 161.
69
Porter begründet dies vor allem mit dem leichteren Zugang zu Produkt- und Preisinformationen (vgl.
Porter 2001: 70).
70
Ebd.: 64.
71
Vgl. Zerdick 2001: 91ff.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
24
für digital distribuierte Informationsgüter wie Online-Nachrichten, Zeitungsarchive oder
Musikdateien gegen Null tendiert.
Eine höhere Flexibilität resultiert aus der Vereinheitlichung des Repräsentationsprinzips
von Information, die die Nutzung verschiedenster Transportmedien
72
, eine beliebige
Konvertierung
73
und Kombination von Inhaltstypen unterschiedlicher Herkunft sowie
eine stufenlose Skalierbarkeit
74
der Transport-, Verarbeitungs- und Speicherungssyste-
me erlaubt.
Die Kostenstruktur von Informationsprodukten ist im Allgemeinen gekennzeichnet
durch hohe fixe Kosten für die Erstkopie und relativ niedrige variable Kosten für weite-
re Kopien
75
. Hierbei sind die dominierenden fixen Kosten ,,sunk costs", da sie bei ge-
ringem Markterfolg des Produktes nicht wieder eingespielt werden können
76
. Digitale
Technologien erlauben eine schnelle, automatisierte Vervielfältigung und Distribution
ohne Qualitätsverlust, bei äußerst geringen Grenzkosten. Als Folge wird die Kosten-
struktur von Informationsprodukten tendenziell unausgewogener, weil die variablen
Kosten noch weiter reduziert werden
77
. In der Konsequenz betrachten manche Autoren
das Angebot von digitalen Inhalten im Internet sogar als reines Fixkostengeschäft
78
.
Die Digitalisierung als Homogenisierungsprozess unterschiedlichster Informationsfor-
mate schafft zugleich die Basis für Konvergenzprozesse im Medien- und Unterhal-
tungssektor
79
:
,,Das Vordringen digitaler Speicherungs-, Verarbeitungs- und Übertragungsprinzipien kann
als technologische Grundvoraussetzung für das Zusammenwachsen verschiedener Medien-
und Kommunikationsdienste angesehen werden."
80
72
Krieb 2001: 41.
73
Ebd.
74
Negroponte 1995: 43.
75
Vgl. Shapiro 1999: 14.
76
Vgl. ebd: 37f.
77
Vgl. Zerdick 2001: 166.
78
Vgl. Hess 1999: 14.
79
Eine ausführliche Darstellung des Konvergenzphänomens findet sich in Kap. 3.3.1.
80
Krieb 2001: 40. Vgl. auch: Zerdick 2001: 141 sowie Hacker 1999: 158.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
25
3.2 Vernetzung
Eine zweite für die Medienindustrie bedeutende Entwicklung ist die Vernetzung. Sie
eröffnet die Möglichkeit zum weltweiten Datenaustausch mittels elektronischer Kom-
munikationsnetze. Wesentlich ist hierbei die Bidirektionalität: Die Existenz eines Rück-
kanals ermöglicht es den Kommunikationspartnern, anders als bei elektronischen Mas-
senmedien wie Radio oder Fernsehen, miteinander in Interaktion zu treten. Jeder, der an
ein solches Netz angeschlossen ist, kann potenziell mit jedem anderen Netzteilnehmer
interagieren. Reichwald definiert dies als zentrales Charakteristikum der Vernetzung:
,,Durch die elektronische Verbindung, welche zwischen den Marktpartnern im Internet be-
steht, sind diese in der Lage, in Form von Kommunikationsprozessen miteinander zu inter-
agieren. Da eine n:n Konnektivität zwischen allen Interaktionspartnern existiert, das heißt
jeder ist mit jedem in Verbindung, spricht man von einer Vernetzung."
81
Die Vernetzung hat weitreichende Konsequenzen: Die Veränderung von Kommunikati-
onsbeziehungen sowie das Entstehen neuer ökonomischer Mechanismen und Wert-
schöpfungsstrukturen sollen hier als die wichtigsten kurz beschrieben.
Netzwerktechnologien vereinfachen, vervielfachen, internationalisieren und beschleuni-
gen Kommunikationsbeziehungen, indem sie den Datenaustausch ohne persönliche Prä-
senz über weite Distanzen ermöglichen
82
. Sowohl in der internen und externen Unter-
nehmenskommunikation als auch in der mit Konsumenten nehmen sie eine wichtige
Rolle ein und gestatten eine differenziertere Verständigung. Als Stichworte seien hier
Eins-zu-Eins-Kommunikation
83
und neue Arbeitsorganisation dank Informations-
Netzwerken
84
genannt. Auch der Datenaustausch von Konsumenten untereinander wird
erleichtert, was neue Formen der (viralen) Marktkommunikation fördert
85
, aber auch
81
Reichwald 2002: 9.
82
Vgl. Zerdick 2001: 194.
83
Eine ausführliche Beschreibung der Eins-zu-Eins-Kommunikation und der ihr zugrunde liegenden
Technologien und Strategien findet sich bei Zerdick (vgl. Zerdick 2001: 194ff.).
84
Vgl. ebd.: 212.
85
Virale Kommunikation im Internet wird auch sehr bildlich bezeichnet als ,,Word of Mouse" und
stellt sowohl für Spielfilme als auch besonders für Games ein wichtiges Marketinginstrument dar. Ein
Meisterstück des viralen Marketings ist die Internetkampagne für den Independentfilm ,,The Blair Witch
Project" (1999, Regie: Daniel Myrick/Eduardo Sánchez), die über die gezielte Streuung scheinbarer Tat-
sachen im Internet einen ,,Hype", also eine extrem hohe, zeitlich konzentrierte Aufmerksamkeit beim
Publikum erzeugte. ,,The Blair Witch Project" spielte bei einem Produktionsbudget von 50.000 US-Dollar
an den Kinokassen 141 Mio. US-Dollar ein und ist damit der rentabelste Spielfilm der Filmgeschichte
(vgl. King 2002: 83).

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
26
neue Wege zur Verletzung von Urheberrechten eröffnet
86
.
Für die besonderen Charakteristika und Mechanismen einer digitalen, vernetzten Wirt-
schaft hat sich in den vergangenen Jahren der Begriff der ,,Netzwerkökonomie"
87
etab-
liert. Diese ist durch drei Eigenschaften charakterisiert: Internationalität, Vernetzung
und den Handel mit immateriellen Gütern
88
. Im Kern basiert sie auf ,,Netzwerk-
Externalitäten", d.h. der Tatsache, dass das Handeln eines Netzwerkteilnehmers Aus-
wirkungen auf die anderen Netzwerkteilnehmer hat. Dadurch können sich sogenannte
,,positive Netzeffekte"
89
ergeben, die zu Nutzensteigerungen für alle Teilnehmer führen:
,,[Positive Netzeffekte] sind dadurch gekennzeichnet, dass durch ökonomische Handlungen
bei Dritten ohne marktwirtschaftliche Übereinkunft positive Nutzenwirkungen entstehen,
für die der Urheber der Handlung auch auf Wunsch keine entsprechende Kompensation er-
hält."
90
Positive Netzeffekte können bei Netzwerkgütern, d.h. Angeboten, deren Nutzen sich aus
der Verwendung in Netzwerken ergibt, zu selbstverstärkenden Entwicklungen führen:
Wachstumsentwicklungen verlaufen exponentiell und Wettbewerbsentwicklungen be-
schleunigen sich extrem. In diesem Falle spricht man von ,,positiven Rückkopplungen"
oder ,,Schneeballeffekten". Jene Anbieter, die die Konsumenten möglichst schnell und
möglichst zahlreich an ihr Angebot binden, so dass es dank positiver Rückkopplungen
zum Selbstläufer wird
91
, haben in der Netzwerkökonomie die größten Chancen auf Er-
folg
92
. Spielfilme sind kaum zu den Netzwerkgütern zu rechnen, denn eine größere An-
zahl von Zuschauern ergibt hier nicht zwingend einen positiven Nutzen für den Einzel-
nen
93
. Computerspiele hingegen können durchaus den Charakter von Netzwerkgütern
annehmen, vorausgesetzt, sie bieten die Möglichkeit zum vernetzten Spielen
94
, was im-
86
Ausführlicheres hierzu unter 3.3.4.
87
Die Mechanismen der Netzwerkökonomie werden ausführlich behandelt bei Shapiro 1999: 229f.
sowie Clement 2001: 57ff.
88
Vgl.Zerdick 2001: 206.
89
Netzeffekte können direkt (der Wert eines Netzwerkes steigt mit der Anzahl der Teilnehmer)
oder indirekt sein (die Nutzungsmöglichkeit des Gutes hängt von der Verfügbarkeit und Qualität
komplementärer Güter ab).
90
Clement 2001: 58.
91
Viele Autoren sprechen in diesem Zusammenhang vom notwendigen Aufbau einer ,,kritischen
Masse", ohne die kein Netzwerkgut erfolgreich sein kann.
92
Zentral sind hierbei sogenannte ,,Lock-In"-Effekte, die einmal gewonnene Kunden durch den Aufbau
hoher Wechselkosten an ein Angebot binden. Vgl. hierzu Shapiro 1999: 139ff.
93
Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die durch das Internet beschleunigte Kommunikation der Kon-
sumenten untereinander zu der Beschleunigung der Output-Zyklen der Spielfilmindustrie beigetragen hat
und diese somit indirekt von Netzeffekten betroffen ist (siehe auch 4.1.5).
94
Dies gilt für eine große Anzahl von Multiplayer-Spielen im Internet ebenso wie für die neueste Gene-
ration der Gamekonsolen, die über einen Internetanschluss verfügen und deren Software auf vernetztes
Spielen ausgerichtet ist.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
27
mer häufiger der Fall ist.
Vernetzung wird, ebenso wie die Digitalisierung, als ,,Basistechnologie" für die Verän-
derung von Wertschöpfungsstrukturen in der Medien- und Unterhaltungsindustrie be-
zeichnet
95
. Die Möglichkeit des direkten, globalen Austausches mittels digitaler Netze
fördert und erleichtert zum Einen die Kooperation von Unternehmen: Die Wertschöp-
fungskette der Medienbranche verändert sich durch die steigende Anzahl vertikaler,
horizontaler und diagonaler Kooperationen zu einem Mediennetzwerk
96
, beziehungs-
weise zu einer Anzahl konkurrierender Mediennetzwerke. Zum Anderen wird der di-
rekte Leistungsaustausch zwischen Unternehmen und Konsumenten als Konkurrenz zu
traditionellen Distributionsstufen ermöglicht. Auch wenn sowohl die Distribution von
Spielfilmen als auch die von Computerspielen heute vorwiegend noch über solche tra-
ditionellen Distributionsstufen erfolgt, lassen die Entwicklungen in der Musikindustrie
zukünftig auch für Spielfilme und Computerspiele neue Distributionswege über digitale
Netze erahnen
97
.
3.3 Auswirkungen auf die Medien- und Unterhaltungsindustrie
3.3.1 Auswirkungen auf die Struktur des Medien- und Unterhaltungssektors
Digitalisierung und Vernetzung stellen Medienunternehmen vor große Herausforderun-
gen. Konsumentenbedürfnisse, Märkte, Wertschöpfungsstrukturen und Wettbewerbsbe-
dingungen ändern sich. Unternehmen, die vormals Kooperationspartner waren, können
zu direkten Wettbewerbern werden und umgekehrt
98
. Die durch Digitalisierung und
Vernetzung angestoßene Entwicklung, die als der essenzielle Grund für diese Verände-
rungen gilt, wird als ,,Konvergenz" bezeichnet
99
.
95
Hacker 1999: 158.
96
Ebd.: 163f.
97
Nach großen Anfangsschwierigkeiten haben sich 2003 die ersten erfolgreichen Internet-
Distributionsmodelle für Musik etabliert, wie zum Beispiel das von Apple betriebene Portal ,,i-
tunes.com". Die zügige Steigerung der Bandbreiten bei Internetzugängen lässt ähnliche Modelle für
Spielfilme und Computerspiele möglich erscheinen.
98
Vgl.Zerdick 2001: 140 sowie Hess 1999: 1.
99
Vgl.Zerdick 2001: 140.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
28
Konvergenz im Allgemeinen meint den Prozess der zunehmenden Annäherung oder
Überlappung vormals getrennter Sektoren. Krieb definiert sie als ,,Veränderungspro-
zess, der zur möglichen Annäherung und Angleichung verschiedener Bereiche führt."
100
Im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext wird der Begriff für eine Veränderung von
Industriestrukturen im Sinne eines fortschreitenden Zusammenwachsens ursprünglich
getrennter Branchen und Märkte verwendet, ermöglicht durch technologische Innovati-
on und motiviert durch zunehmend verschmelzende Konsumentenbedürfnisse
101
. Der
Begriff der ,,Medienkonvergenz" schließlich steht für das Verwischen von Grenzen
zwischen der Telekommunikations-, Informationstechnologie-, Medien- und Elektro-
nikindustrie und den ihnen zugehörigen Branchen: ,,Offensichtlich ist, dass Medienkon-
vergenz grundsätzlich einen Prozess der Annäherung verschiedener Sektoren bei der
Erstellung und Nutzung von ,,Mediengütern" beschreibt."
102
Zerdick hebt den Prozess-
charakter der Konvergenz hervor und differenziert ihn auf den drei Ebenen der Tech-
nologien, Wertschöpfungsketten und Märkte:
,,Konvergenz beschreibt also kein Ergebnis, sondern den evolutionären Prozeß des Zusam-
menwachsens der ursprünglich weitgehend unabhängig operierenden Industrien Medien,
Telekommunikation und Informationstechnologie. Der Begriff kennzeichnet sowohl die
Annäherung der Technologien als auch die Verbindung der Wertschöpfungsketten sowie
das Zusammenwachsen der Märkte insgesamt."
103
Clement spricht in diesem Zusammenhang vom ,,TIME-Sektor", der das gesamte Spekt-
rum der menschlichen Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsbedürfnisse
abdeckt
104
.
Greenstein und Khanna bestimmen zwei Arten der Konvergenz. Wenn getrennte Indust-
riebereiche Produkte entwickeln, die sich in ihren Eigenschaften zunehmend ähneln und
damit von Konsumenten als austauschbare, konkurrierende Angebote wahrgenommen
werden
105
, handelt es sich um substitutive Konvergenz
106
. Wenn jedoch aus der Annä-
100
Krieb 2001: 29.
101
Dowling 1998: 34.
102
Krieb 2001: 30.
103
Zerdick 2001: 140.
104
TIME steht für Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien und Elektronik (vgl. Clement
2001: 16).
105
Als aktuelles Beispiel für substitutive Konvergenz kann die Integration von Digitalkameras in Mobil-
telefone dienen: Die Kamera im Handy ermöglicht digitale Schnappschüsse und deckt so bereits einen
Bedarf ab, der eigentlich von preiswerten Digitalkameras bedient wird.
106
Greenstein 1997: 203.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
29
herung und Kombination von Bereichen und ihren Produkten ein neuer oder erhöhter
Nutzen entsteht, liegt komplementäre Konvergenz vor
107
.
Krieb unterscheidet vier Konvergenzdimensionen: Technikkonvergenz, Funktionale
Konvergenz, Konvergenz der Marktakteure und Konvergenz der Rahmenbedingun-
gen
108
. Auf der Ebene der Marktakteure beobachtet Clement
109
ebenso wie Zerdick
110
als Folge von Konvergenzprozessen strukturelle Koppelungen von Wertschöpfungsket-
ten verschiedener Bereiche des TIME-Sektors. Dabei sind strukturelle Koppelungen
prinzipiell auf allen Stufen der Wertschöpfungskette möglich
111
. Die Folge: Das
Schwinden der Grenzen zwischen den Sektoren führt zu ,,neuen Konkurrenz- aber auch
Kooperationsverhältnissen"
112
. Hacker spricht in diesem Zusammenhang mit Sicht auf
die Medien- und Unterhaltungsindustrie von vertikalen, horizontalen und diagonalen
Vernetzungen auf den drei Ebenen von Content Creation (Produktion), Content Packa-
ging (Publikation) und Content Distribution (Vertrieb)
113
.
Auch in der Spielfilmindustrie als traditioneller Unterhaltungsbranche lassen sich Kon-
vergenzprozesse beobachten. Ein Beispiel für Konvergenz auf funktionaler Ebene gibt
Collis mit Disney, das seinen Zeichentrickfilm ,,Aladdin" als Grundprodukt auf mehre-
ren Märkten intensiv verwertet hat:
,,Content producers can today, and will even more in the future, sell to multiple markets.
Disney merchandises Aladdin as a movie, video game, soft toy, and home video on its cable
channel, for example. In the future, such broad distribution will be facilitated by the con-
vergence of previously discrete distribution channels, and content providers will continue to
control markets in which their products are sold."
114
Die Konvergenz auf der Ebene der Marktakteure illustrieren Greenstein und Khanna am
Beispiel von Spielfilm- und Computerspielindustrie
115
. Auch hier ist die technologische
Entwicklung ausschlaggebend für die Annäherung beider Industrien. Zum Einen ge-
schieht dies durch komplementäre Konvergenzprozesse wie etwa die Nutzung der glei-
107
Ebd.: 204.
108
Krieb 2001: 36ff.
109
Vgl. Clement 2001: 17.
110
Vgl. Zerdick 2001: 142.
111
Vgl. Greenstein 1997: 209.
112
Clement 2001: 17.
113
Vgl. Hacker 1999: 163.
114
Collis 1997:168.
115
Zum Folgenden vgl. Greenstein 1997: 207f.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
30
chen Software für Spezialeffekte oder die Verwendung originaler Filmszenen in Com-
puterspielen. Zum Anderen beobachten Greenstein und Khanna jedoch auch zunehmend
Anzeichen einer substitutiven Konvergenz: Spielfilme und Computerspiele werden sich
in ihren Eigenschaften immer ähnlicher (Narration, Ästhetik, Kameraführung, Schau-
spieler) und drohen somit in ein Konkurrenzverhältnis zu treten.
3.3.2 Auswirkungen auf die Produktion von Inhalten
Medienprodukte waren im Gegensatz zu Konsumgütern bislang im Wesentlichen nur
innerhalb einer Produktdimension differenzierbar: Dem Zeitpunkt ihres Konsums
116
.
Die vielleicht wichtigste Auswirkung der Digitalisierung auf die Herstellung von Me-
diengütern ist, dass diese auch inhaltlich differenzierbar werden: Von einem digitalen
Medienprodukt können mit geringem Aufwand unterschiedliche Versionen hergestellt
werden, die unterschiedliche Konsumentengruppen ansprechen
117
. Shapiro und Varian
bezeichnen dies als ,,Versioning", eine Differenzierungsstrategie, die in der Software-
und der Computerspielindustrie bereits sehr erfolgreich angewandt wird
118
.
Digitale Technologien haben neue Möglichkeiten für Spezialeffekte bei der Spielfilm-
produktion eröffnet: Zu deutlich niedrigeren Kosten lassen sich immer wirklichkeitsnä-
here, spektakulärere Inszenierungen realisieren
119
. Kaum ein größeres Spielfilmprojekt
kann heute noch auf digitale Technologien und zumindest teilweise virtuelle Szenen
verzichten
120
. Dabei können diese ortsunabhängig und zeitlich parallel zum eigentlichen
Dreh hergestellt und in der Postproduction mit dem am Drehort gefilmten Material zu-
sammengefügt werden, was eine enorme Ersparnis und Flexibilisierung bedeutet. Zu-
dem ist einmal hergestelltes, digitales Filmmaterial mit minimalem Anpassungsaufwand
vielfach einsetzbar: Als Trailer zum Beispiel ebenso wie als Cut-Scene in Computer-
spielen
121
oder als Bildschirmschoner auf PC und Mobiltelefon.
116
Vgl. Zerdick 2001: 188.
117
Vgl. Shapiro 1999: 77f.
118
In der Spielfilmindustrie ist dies noch nicht der Fall. Filme wie Tom Tykwers ,,Lola rennt" und vor
allem die vermehrte Produktion von Sequels als Fortsetzung oder Variation eines erfolgreichen Spielfilms
können allerdings als erste Anzeichen für eine Tendenz zum Versioning von fiktionalen Inhalten gewertet
werden. Bei einem Versioning im Sinne von Shapiro allerdings würden verschiedene Versionen dessel-
ben Spielfilms zeitgleich angeboten.
119
Geoff King stellt fest, dass bei einigen Spielfilmen wie zum Beispiel ,,Independence Day" (1996, Re-
gie: Roland Emmerich) oder der ,,Matrix"-Trilogie (1999 und 2003, Regie: Andy und Larry Wachowski)
die Spezialeffekte selbst zu Stars wurden und als Publikumsmagneten fungierten (vgl. King 2000: 41ff.).
120
Vgl. Beutelschmidt 1999: 92.
121
Cut-Scenes sind nicht-interaktive, erklärende Zwischenszenen in Computerspielen, die den Spieler ins
Geschehen ziehen und häufig besonders aufwändig und realitätsnah gestaltet sind.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
31
Die bei der Produktion von Spielfilmen und Computerspielen eingesetzten digitalen
Technologien profitieren voneinander und nähern sich immer weiter einander an. In
jüngster Zeit ist sogar mithilfe der ursprünglich zur Konstruktion von Computerspiel-
umwelten und -figuren entwickelten 3D-Rendering-Technologien (sogenannter ,,Game-
Engines") ein eigenes Kurzfilmgenre entstanden: Machinima
122
. Der Annäherungspro-
zess von Spielfilm- und Computerspielproduktion, den die Digitalisierung in Gang ge-
setzt hat, steht offensichtlich noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung.
3.3.3 Auswirkungen auf die Distribution von Inhalten
Digitalisierung und Vernetzung haben mit dem Internet einen neuen Distributionskanal
geschaffen. Bei eingehender Analyse der Eignung von Produkten der Medien- und Un-
terhaltungsindustrie für die Onlinedistribution zeigt sich, dass Spielfilme und Compu-
terspiele für PC
123
gleichermaßen für einen Onlinevertrieb geeignet sind. Dies kann
Abb. 4 verdeutlichen:
Abb. 4:
Beurteilung der Marktattraktivität für den Onlinevertrieb
Kriterium
Erläuterung
Spielfilme
Computerspiele
Digitalisierbarkeit
Das Produkt ist vollständig digita-
lisierbar, sämtliche Kaufphasen
lassen sich ohne Medienbruch
online abwickeln.
gegeben
gegeben
Informationscharakter
Der Kundennutzen basiert im
weitesten Sinne auf Information.
gegeben
gegeben
Selbstbedienungscharakter
Orts- und Zeitflexibilität, Automa-
tisierung durch Datenbanken und
-netze sind möglich.
gegeben
gegeben
Erklärungsbedürftigkeit, die
online gut auflösbar ist.
Informationen, Trailer und Demo-
versionen sind online gut dar-
stellbar.
gegeben
gegeben
Quelle: In Ahnlehnung an Albers 1999: 268ff.
Spielfilme und Computerspiele erlauben eindeutig die Implementierung eines ,,Direct
E-Commerce", bei dem alle vier Transaktionsebenen (Lieferwesen, Transaktionsme-
122
Vgl. Salen 2002: 98ff sowie Kahney 2003.
123
Für Konsolenspiele gilt prinzipiell das Gleiche. Allerdings verfügen einige Konsolen der neuen Gene-
ration zwar über ein Internetmodul, der Download und die Installation von neuer Spielesoftware sind
jedoch noch nicht möglich.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
32
chanismus, Marktplatz und Kommunikationsinfrastruktur) elektronisch unterstützt
sind
124
.
Computerspiele werden bereits heute erfolgreich online vertrieben, wenn auch der
Großteil noch über traditionelle Distributionwege abgesetzt wird
125
. Wenn die Probleme
des Video-on-Demand via Internet gelöst sind
126
, könnten sich digitale Breitbandnetze
zu einem der wichtigsten Distributionskanäle für Spielfilme entwickeln. Der Online-
vertrieb ist für die Spielfilmindustrie aufgrund geringerer Produktions- und Distributi-
onskosten und des Wegfalls von Intermediärstufen ebenso wie für die Konsumenten ­
hier wegen geringerer Transaktionskosten ­ überaus attraktiv. Allerdings sind als Folge
Kannibalisierungseffekte bei Videotheken-Verleih und DVD-Verkauf wahrschein-
lich
127
. Langfristig scheint sogar eine weitgehende ,,Disintermediation" möglich, also
der Wegfall von Distributionsstufen, die ursprünglich vom Handel übernommen wur-
den
128
. Die Kinobetreiber dürften, abgesehen von nahe liegenden technologischen Neu-
erungen wie dem digitalen Vertrieb von Spielfilmen
129
, nicht direkt betroffen sein, da
die Relevanz des Kinos als Gemeinschaftserlebnis, die besondere Erlebnisqualität durch
großformatige Leinwände und exzellente Soundsysteme sowie die strategisch wichtige
Position des Kinos an der Spitze der sequenziellen Vermarktungskette unverändert blei-
ben
130
.
3.3.4 Auswirkungen auf die Verwertung von Urheber- und Lizenzrechten
Spielfilme und Computerspiele sind immaterielle, nicht integrative Informationsgüter.
Genau diese Eigenschaften, die sie für Direct E-Commerce geeignet erscheinen lassen,
machen sie auch besonders angreifbar für Verletzungen des Urheberrechtes durch pro-
fessionelle Raubkopierer und Privatpersonen. Bis vor einigen Jahren hat die schiere
Datenmenge von Spielfilmen einen Missbrauch (allerdings auch eine profitbale Online-
Distribution) weitgehend verhindert. Doch inzwischen sind die zum Erstellen privater
124
Zerdick 2001: 223f.
125
Vgl. Laramée 2003: 33, 41.
126
siehe hierzu 3.3.4.
127
Vgl. Zerdick 2001: 72.
128
Vgl. Ebd.: 230.
129
Da dieser die Distributionskosten der Verleiher um bis zu 90% senkt, ist auch in Zukunft mit einem
starken Anstieg des Anteils der mit digitalen Vorführtechnologien ausgestatteten Kinos zu erwarten (vgl.
Alderton 2002).
130
Siehe 4.2.3 sowie Goldstein 2002: 1.

Grundlegende Entwicklungen in der Medienindustrie
33
Kopien notwendigen Technologien
131
sowie das entsprechende Know-How weit ver-
beitet, und die Anzahl kostengünstiger, breitbandiger Internetanschlüsse steigt mit hoher
Geschwindigkeit.
Ubiñas fasst die Situation der Spielfilmindustrie in Bezug auf die Chancen und Risiken
der Onlinedistribution und den Schutz von Urheberrechten in knapper Form zusammen:
,,Video in 2004 stands where music did in 1998."
132
Nachdem die Barriere der Band-
breite zunehmend schwindet, sieht sich die Spielfilmindustrie vor ähnliche Probleme
gestellt wie die Musikindustrie: Wie kann eine profitable Online-Distribution aufgebaut
und gleichzeitig massenhafte Piraterie vermieden werden? Wie im Falle der Musikin-
dustrie könnten auch bei Spielfilmen die Verbraucher den positiven Nutzen einer Um-
gehung des Marktmechanismus durch Filesharing
133
höher bewerten als den negativen
durch potenzielle Strafverfolgung
134
. Aus diesen Gründen agiert die Spielfilmindustrie
in Bezug auf Onlinedistribution bislang eher zögerlich:
,,The studios, production companies, and TV networks that create the content want some
protection against theft before they offer their programs and films in an open digital envi-
ronment."
135
Aus dieser Problemlage ist bislang noch kein befriedigender Ausweg gefunden worden.
Dies nicht zuletzt, weil die PC-Hersteller fürchten, dass ihre Produkte durch den Einbau
von Sicherheitsmechanismen an Attraktivität verlieren
136
. Kopierschutztechnologien aus
der Musikindustrie wie das Digital Rights Management sind jedoch grundsätzlich auch
auf Spielfilme anwendbar und dürften in absehbarer Zeit zumindest für den Massen-
markt zu einer akzeptablen Lösung des Problems führen.
131
Dies sind vor allem multimediafähige PCs der neueren Generation, Internetanschlüsse, Filmkompres-
sionstechnologien wie ,,DivX" und der Zugang zu Filesharing-Netzwerken.
132
Ubiñas 2004: 128.
133
Filesharing bezeichnet den direkten Dateienaustausch zwischen Clientrechnern, organisiert über zent-
rale oder dezentrale Internetverzeichnisse.
134
Vgl. Schoder 2002: 71.
135
Ubiñas 2004: 129.
136
Vgl. Ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832495527
ISBN (Paperback)
9783838695525
DOI
10.3239/9783832495527
Dateigröße
2.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin – Politik- und Sozialwissenschaften, Publizistik- und Kommunikationswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
kinofilme lizenzvergabe kooperation allianz hollywood verwertungsprozess
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