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Der Markt für Gesundheitssport - Eine markttheoretische Analyse

©2006 Diplomarbeit 139 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Gesundheit ist einer der wichtigsten Aspekte, wenn nicht sogar das wichtigste Gut für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Im Vergleich zu anderen relevanten Lebensbereichen wie Familie, Einkommen, Wohnen oder Freizeit nimmt Gesundheit in unserer Gesellschaft die bedeutendste Stellung ein. Im Laufe der Zeit hat sich aber die Bedrohung dieses wichtigen Primärgutes deutlich verändert. Waren es in früheren Zeiten überwiegend Infektionskrankheiten, sind es heutzutage die chronisch degenerativen Erkrankungen, die das Krankheitspanorama bestimmen. So waren in 46 Prozent der im Jahr 2003 vorkommenden Todesfälle in der Bundesrepublik Deutschland eine Erkrankung des Kreislaufsystems die Todesursache.
Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass die Mortalität und die Morbidität in hoch entwickelten Gesellschaften kaum noch durch Fortschritte der kurativen Medizin signifikant beeinflusst werden können. Vielmehr ist man der Überzeugung, dass sich der durchschnittliche Gesundheitszustand und die Sterblichkeit einer modernen Gesellschaft nur durch zielgerichtete präventive Maßnahmen positiv verändern lassen. Speziell in Deutschland erhofft man sich mit dem Ausbau geeigneter präventiver Maßnahmen nachhaltige Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, bedingt durch Kosteneinsparungen einer erwartenden Morbiditätskompression in der Bevölkerung . Langfristig soll die gesundheitliche Prävention in Deutschland als vierte eigenständige Säule neben der Akutbehandlung, der Rehabilitation und der Pflege implementiert werden . Als einen wichtigen Schritt auf diesem Weg verabschiedete der Deutsche Bundestag am 22.04.2005 das Präventionsgesetz .
Im Kontext verschiedenster Public Health Strategien fand immer wieder der Sport als mögliche präventive Interventionsmöglichkeit Erwähnung. Dabei wurden häufig Zweifel an dessen generellen, gesundheitspräventiven Potential geäußert. Häufigste Argumente waren zum einem die entstehenden Kosten durch sportbedingte Gesundheitsschäden wie Verletzungen, belastungsinduzierter Distress oder Gesundheitsschäden durch pathogene ökologische Bedingungen und zum anderem fehlende wissenschaftliche Belege einer generellen gesundheitsprotektiven Wirksamkeit. Als Konsequenz dieser Diskussion entstanden Konzepte sportlichen Handelns, die Belastungsnormative und Befindlichkeitsstörungen in den Mittelpunkt stellten: der Gesundheitssport.
Dieser Gesundheitssport bzw. gesundheitsorientierter Sport […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9534
Lorenzsonn, Per: Der Markt für Gesundheitssport - Eine markttheoretische Analyse
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Diplomarbeit, 2006
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS...VIII
TABELLENVERZEICHNIS ...X
1
PROBLEMSTELLUNG ... 1
2
EINFÜHRUNG... 5
2.1
Theoretische Vorüberlegungen ...5
2.1.1
METHODISCHER ANSATZ ...5
2.1.2
PROBLEM DER MARKTABGRENZUNG ...7
2.2
Gesundheitssport - Was ist das? ...9
2.2.1
BEGRIFFLICHE ENTSTEHUNG UND VERORTUNG ...9
2.2.2
INHALTLICHE LOGIK - IST SPORT GESUND?
ANSPRUCH UND KONSEQUENZ FÜR DIE PRAXIS...10
2.3
Abgrenzung der relevanten Wettbewerber im Gesundheitssportmarkt...13
2.4
Zwischenergebnis ...15
3
RAHMENBEDINGUNGEN... 17
3.1
Gesellschaftliches Standing - Gesundheitssport
im Verständnis wissenschaftlicher Laien ...17
3.2
Politische Rahmenbedingungen und Gesundheitssport...19
3.2.1
GESUNDHEITSPOLITISCHE INTENTION EINER
PROGRESSIVEN PRÄVENTIONSFÖRDERUNG ...19
3.2.2
VORRANGIGE ZIELGRUPPE
EINER PRÄVENTIONSFÖRDERUNG ...21
3.2.3
PRÄVENTIONSSTRATEGIEN UND GESUNDHEITSSPORT ...22
3.3
Gesetzliche Regelungen und Gesundheitssport ...23

0
Inhaltsverzeichnis
III
3.3.1
§20 SGB V...24
3.3.2
§65A SGB V...28
3.4
Zwischenergebnis ...30
4
Der Markt für Gesundheitssport ... 31
4.1
Die Wettbewerber in der ,,Gesundheitssportbranche"...31
4.1.1
DIE GRUPPE DER ERWACHSENENBILDNER...31
4.1.1.1
Institutioneller Hintergrund...33
4.1.1.2
Leistungsumfang ...34
4.1.1.3
Rechtsform und Organisationsgrad ...36
4.1.1.4
Finanzierung...37
4.1.1.5
Aktionsparameter ...37
4.1.1.6
Ausblick - Gesundheitssport in der Erwachsenenbildung...40
4.1.1.7
Dimensionen der Wettbewerbsstrategie
der Erwachsenenbildner ...41
4.1.2
DIE GRUPPE DER KOMMERZIELLEN FITNESSSTUDIOS ...44
4.1.2.1
Institutioneller Hintergrund...45
4.1.2.2
Leistungsumfang ...47
4.1.2.3
Rechtsform und Organisationsgrad ...48
4.1.2.4
Finanzierung...49
4.1.2.5
Aktionsparameter ...49
4.1.2.6
Ausblick - Gesundheitssport in kommerziellen Fitnessstudios ...51
4.1.2.7
Dimensionen der Wettbewerbsstrategie
der kommerziellen Fitnessstudios ...52
4.1.3
DIE GRUPPE DER SPORTVEREINE...54
4.1.3.1
Institutioneller Hintergrund...55
4.1.3.2
Leistungsumfang ...57
4.1.3.3
Rechtsform und Organisationsgrad ...58
4.1.3.4
Finanzierung...58
4.1.3.5
Aktionsparameter ...59
4.1.3.6
Ausblick - Gesundheitssport in Sportvereinen ...62
4.1.3.7
Dimensionen der Wettbewerbsstrategie der Sportvereine...64
4.1.4
DIE GRUPPE DER ANBIETER DES GESUNDHEITSWESENS...66
4.1.4.1
Institutioneller Hintergrund...67
4.1.4.2
Leistungsumfang ...69
4.1.4.3
Rechtsform und Organisationsgrad ...70
4.1.4.4
Finanzierung...70
4.1.4.5
Aktionsparameter ...71

0
Inhaltsverzeichnis
IV
4.1.4.6
Ausblick Gesundheitssport bei Anbietern des Gesundheitswesens...72
4.1.4.7
Dimensionen der Wettbewerbsstrategie
der Anbieter aus dem Gesundheitswesen...73
4.1.5
INTERAKTION DER STRATEGISCHEN GRUPPEN...75
4.2
Die Abnehmer in der ,,Gesundheitssportbranche" ...78
4.2.1
DER ,,TYPISCHE" GESUNDHEITSSPORTLER ...78
4.2.2
DIE KRANKENKASSEN...80
4.2.3
DIE UNTERNEHMEN ...83
4.3
Lieferanten der ,,Gesundheitssportbranche" ...85
4.4
Potentielle neue Konkurrenten in der ,,Gesundheitssportbranche" ...87
4.5
Ersatzprodukte einer ,,Gesundheitssportbranche"...88
4.6
Marktergebnis und Folgerungen ...91
4.6.1
MARKTERGEBNIS ...91
4.6.2
FOLGERUNGEN...92
4.6.2.1
Momentane und zukünftige Attraktivität des Gesundheitssportmarktes ...92
4.6.2.2
Perspektiven der Gesundheitssportanbieter...93
4.6.2.3
Gesundheitspolitische Zielkonformität ...95
5
ZUSAMMENFASSUNG UND OFFENE FRAGESTELLUNGEN ... 97
5.1
Zusammenfassung...97
5.2
Offene Fragestellungen ...100
LITERATURVERZEICHNIS ... XI

Abkürzungsverzeichnis
AdB
Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten
AEV
Arbeiter-Ersatzkassen-Verband
AGW
Anbieter des Gesundheitswesens
AJ
Arbeitsjahr
AL
Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Leben
AO
Abgabenordnung
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
AOTR
Ambulante Orthopädisch Traumatologische Rehabilitation
BAR
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation
BIB
Bildungsinstitut DSSV
BiTh
Besonders indizierte Therapie
BKK
Betriebskrankenkasse
BLB
Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften
BMBF
Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BUK
Bundesverband der Unfallkassen
bvv
Bayerischer Volkshochschulverband
DAK
Deutsche Angestellten Krankenkasse
DEAE
Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für
Erwachsenenbildung
DEHOGA
Deutscher Hotel- und Gaststättenverband
DFAV
Deutscher Fitness und Aerobic Verband
DFLV
Deutsche Fitnesslehrer Vereinigung
DIE
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
DIFW
Deutscher Industrieverband für Fitness und Wellness
DIN
Deutsches Institut für Normung
DSB
Deutscher Sportbund
DSSV
Deutscher Sportstudio Verband
DTB
Deutscher Turner Bund

0
Abkürzungsverzeichnis
VI
DVS
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft
DVV
Deutscher Volkshochschulverband
DWV
Deutscher Wellness Verband
EAP
Erweiterte Ambulante Physiotherapie
EB
Erwachsenenbildner
EFQM
European Foundation for Quality Management
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GMG
GKV-Modernisierungsgesetz
GRG
Gesundheits Reform Gesetz
HVBG
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften
hvv
Hessischer Volkshochschulverband
HWBG
Hessisches Weiterbildungsgesetz
IFK
Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten
IHA
Hotelverband Deutschland
IKK
Innungskrankenkasse
ISO
International Organization for Standardization
KBE
Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung
KFS
Kommerzielle Fitnessstudios
LSB
Landessportbund
MPhG
Masseur- und Physiotherapeutengesetz
RAL
Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung
SGB V
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch
SV
Sportvereine
TÜV
Technischer Überwachungs Verein
VdAK
Verband der Angestellten-Krankenkassen
VDB
Berufs- und Wirtschaftsverband der Selbstständigen in der
Physiotherapie
VDF
Verband Deutscher Fitness- und Freizeitunternehmen
VHS
Volkshochschule
VPT
Verband Physikalische Therapie
WHO
World Health Organization
WIAD
Wissenschaftliches Institut der Ärzte Deutschlands

0
Abkürzungsverzeichnis
VII
WIdO
Wissenschaftliches Institut der AOK
WZ
Wirtschaftszweig
SGB V
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch
ZAT
Zentralverband ambulanter Therapieeinrichtungen Deutschland
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen
ZVK
Zentralverband der Physiotherapeuten/ Krankengymnasten

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2.1:
Branchenstrukturmodell nach Porter: ,,Die Triebkräfte des
Wettbewerbs" ... 5
Abbildung 3.1:
Angebot an präventiven Maßnahmen gemäß §65a SGB V
der gesetzlicher Krankenkassen ... 28
Abbildung 4.1:
Veranstaltungsprofil in der allgemeinen Erwachsenenbildung
nach Trägerbereichen ... 32
Abbildung 4.2:
Programmatische Ausrichtung der Gesundheitsbildung an
Volkshochschulen nach durchgeführten Veranstaltungen.. ... 34
Abbildung 4.3:
jährliche Zuwachsraten an durchgeführten Veranstaltungen des
Fachgebietes Gymnastik/Bewegung/Körpererfahrung, des
Programmbereiches Gesundheit und der gesamten
Veranstaltungen der Volkshochschulen. ... 40
Abbildung 4.4:
Demographische Verteilung der Teilnehmer des
Programmbereichs Gesundheit an den Volkshochschulen... 42
Abbildung 4.5:
Ausrichtung der Monoblock Fitnessanlagen in Deutschland... 44
Abbildung 4.6:
Veränderung der absoluten Anzahl kommerzieller
Fitnessanlagen und Gesamtmitgliedschaften in kommerziellen
Fitnessanlagen im Zeitverlauf. ... 46
Abbildung 4.7:
Prozentualer Anteil der Sportvereine in Deutschland mit
wettkampfbezogenen und explizit nicht wettkampfbezogenen
Angeboten nach Kategorien. ... 54

0 Abbildungsverzeichnis
IX
Abbildung 4.8:
Jährliche prozentuale Wachstumsraten der im DSB
organisierten Sportvereine und Mitglieder seit 1990. ... 56
Abbildung 4.9:
Entwicklung Sport Pro Gesundheit des LSB Sachsen... 63
Abbildung 4.10: Karte der strategischen Gruppen im Gesundheitssportmarkt... 77
Abbildung 4.11: Inanspruchnahme der Anbieter durch Versicherte der
gesetzlichen Krankenkassen im Handlungsfeld Bewegung
gemäß §20 SGB V Absatz 1... 81
Abbildung 4.12: Verteilung der Teilnehmer in den Handlungsfeldern
subventionierter GKV Angebote nach dem individuellen
Ansatz gemäß §20 SGB V Absatz 1... 82
Abbildung 4.13:
Teilnehmerentwicklung in Handlungsfeld Bewegung
absolut und relativ zur GKV Gesamtversichertenzahl ... 82
Abbildung 4.14: Prozentuale Verteilung der getroffenen Maßnahmen
verhältnisbezogener betrieblicher Gesundheitsförderung
gemäß §20 SGB V Absatz 2... 84
Abbildung 4.15: Wahrgenommene gesundheitsdienliche Verhaltensoptionen... 89
Abbildung 4.16: Inanspruchnahme von Wellnessangeboten... 90
Abbildung 4.17: Strukturmodell des Gesundheitssportmarktes. ... 91

Tabellenverzeichnis
Tabelle 2.1:
aktuelle Vorstellungen der qualitativen Ausgestaltung
gesundheitssportlicher Ziele und resultierende Anforderungen
an das Gesundheitssportangebot und den -anbieter... 12
Tabelle 3.1:
Beispiele der gegensätzlichen Hypothesen zur Wirkung
primärer Prävention auf die Morbiditätsdauer... 20
Tabelle 3.2:
Synopse der Kassenarten und Aufwendungen für
primäre Prävention nach § 20 SGB V ... 27
Tabelle 4.1:
Synopse der interaktionsbestimmenden Faktoren der
strategischen Gruppen im Gesundheitssportmarkt... 76
Tabelle 4.2:
Nutzwertanalyse der Attraktivität des Gesundheitssportmarktes... 93

1
Problemstellung
Gesundheit ist einer der wichtigsten Aspekte, wenn nicht sogar das wichtigste Gut für
die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Im Vergleich zu anderen relevanten
Lebensbereichen wie Familie, Einkommen, Wohnen oder Freizeit nimmt Gesundheit in
unserer Gesellschaft die bedeutendste Stellung ein (Statistisches Bundesamt, 1999, S.
542). Im Laufe der Zeit hat sich aber die Bedrohung dieses wichtigen Primärgutes
deutlich verändert. Waren es in früheren Zeiten überwiegend Infektionskrankheiten,
sind es heutzutage die chronisch degenerativen Erkrankungen, die das Krankheitspano-
rama bestimmen. So waren in 46 Prozent der im Jahr 2003 vorkommenden Todesfälle
in der Bundesrepublik Deutschland eine Erkrankung des Kreislaufsystems die Todesur-
sache (Statistisches Bundesamt, 2005).
Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass die Mortalität und die Morbidität in hoch
entwickelten Gesellschaften kaum noch durch Fortschritte der kurativen Medizin signi-
fikant beeinflusst werden können. Vielmehr ist man der Überzeugung, dass sich der
durchschnittliche Gesundheitszustand und die Sterblichkeit einer modernen Gesellschaft
nur durch zielgerichtete präventive Maßnahmen positiv verändern lassen (Badura, 1995;
Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, 1996, S.105 ff.,
McKeown, 1982). Speziell in Deutschland erhofft man sich mit dem Ausbau geeigneter
präventiver Maßnahmen nachhaltige Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit des Ge-
sundheitswesens, bedingt durch Kosteneinsparungen einer erwartenden Morbiditäts-
kompression in der Bevölkerung (Lauterbach/Stock/Evers, 2001).
Langfristig soll die gesundheitliche Prävention in Deutschland als vierte eigenständige
Säule neben der Akutbehandlung, der Rehabilitation und der Pflege implementiert
werden (Deutscher Bundestag, 2005a, S.1). Als einen wichtigen Schritt auf diesem Weg
verabschiedete der Deutsche Bundestag am 22.04.2005 das Präventionsgesetz (Deut-
scher Bundestag, 2005b, S.64).
Im Kontext verschiedenster Public Health Strategien fand immer wieder der Sport als
mögliche präventive Interventionsmöglichkeit Erwähnung (Breuer, 1999; Schöppe et
al., 2003; Walter/Schwartz, 2003, S.193 ff.). Dabei wurden häufig Zweifel an dessen
generellen, gesundheitspräventiven Potential geäußert. Häufigste Argumente waren zum

1 Problemstellung
2
einem die entstehenden Kosten durch sportbedingte Gesundheitsschäden wie Verlet-
zungen (Jung/Ulmer, 1983; Kindermann, 1986), belastungsinduzierter Distress (Mra-
zek, 1986a; Rittner, 1985a,.) oder Gesundheitsschäden durch pathogene ökologische
Bedingungen (Cinque, 1989; Digel, 1989) und zum anderem fehlende wissenschaftliche
Belege einer generellen gesundheitsprotektiven Wirksamkeit (Berghold, 1991; Lüschen
et al., 1993). Als Konsequenz dieser Diskussion entstanden Konzepte sportlichen Han-
delns, die Belastungsnormative und Befindlichkeitsstörungen in den Mittelpunkt stell-
ten: der Gesundheitssport.
Dieser Gesundheitssport bzw. gesundheitsorientierter Sport wird zunehmend ins öffent-
liche Interesse gestellt, wie dies verschiedene bevölkerungsbezogene, präventionspoliti-
sche Kampagnen zeigen und zeigten. So war bei den durchgeführten ,,Trimm-Aktionen"
des DSB (1970-1994) ein inhaltlicher Wandel von anfänglich allgemeinen sportbezoge-
nen Kampagneninhalten wie ,,Trimm Dich durch Sport" (1970-1974) oder ,,Ein Schlau-
er trimmt die Ausdauer" (1975-1978) hin zu sportlichen gesundheitsbezogen Inhalten
,,Trimming 130 ­ Bewegung ist die beste Medizin" (1983-1986) zu beobachten (Mö-
rath, 2005). Eine aktuelle Kampagne ist bei vielen Sportübertragungen durch einen
bekannten öffentlich rechtlichem Fernsehsender wahrzunehmen. Hier heißt es
,,Deutschland bewegt sich
für ein Gesünderes, Besseres und Längeres Leben" mit ver-
schiedensten Kurzbeschreibungen diverser geeigneter sportlichen Aktivitäten. Aus-
drückliches Ziel der Initiatoren, der BARMER Ersatzkasse, Bild am Sonntag und ZDF,
ist es, die Adressaten zu animieren, ,,die persönliche Gesundheit aktiv sowie verantwor-
tungsvoll mitzugestalten" (BARMER, 2003).
Vor dem Hintergrund dieses positiven Umfeldes mit politischer gesellschaftlicher Un-
terstützung und der positiven wirtschaftlichen Prognose eines wachsenden Gesund-
heitsmarktes, insbesondere mit einer zunehmenden Zentrierung der Eigenvorsorge des
Individuums, ist ein anhaltender Erfolgskurs für den Gesundheitssport und dessen An-
bieter vermeintlich vorgeschrieben.
1
Wissenschaftliche Forschungsarbeiten haben sich bisher weniger mit der Gesamtheit
aller Marktteilnehmer als vielmehr mit einzelnen Anbietergruppen und Aspekten einer
,,Gesundheitssportbranche" beschäftigt (Knoll, 2000; 2002; 2004). Zu nennen sind hier
1
Verschiedenste Zukunftsszenarien bestätigen den Trend eines wachsenden Gesundheitsmarktes wo
zunehmend die Eigenvorsorge des Individuums in den Mittelpunkt rückt (Heigl, 2003; Hubert Burda
Media, 2004; ratiopharm GmbH, 2004; Scharioth et al., 2004; Stanowsky/Schmax/Sandvoß, 2004).

1 Problemstellung
3
insbesondere die wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich des selbstverwalteten Sports.
So erstellten Bös et al. (1998, 1999) eine Expertise im Auftrag des Deutschen Sport-
bundes zu gesundheitsorientierten Sportprogrammen im Verein. Wesentlicher Inhalt
war eine Bestandsaufnahme und Bewertung gesundheitsorientierter Programme in
Verbänden und Vereinen.
Mit einer ähnlichen Zielstellung beschäftigte sich die Untersuchung von Laging, Beyer
und Loose (2004). Die sehr umfassende Studie beschreibt detailliert die aktuelle Situa-
tion des Gesundheitssports in den Sportvereinen des Bundeslandes Sachsen-Anhalt.
Des Weiteren entstanden zahlreiche Studien, die im Kontext einer Projektevaluation be-
gleitend zu Gesundheitssportprogrammen im selbstverwalteten Sport publiziert wurden
und neben programmatisch inhaltlichen Schwerpunkten motivationale Aspekte themati-
sierten (z.B. Brehm/Pahmeier/Tiemann, 1997; Siebert, 2003; WIAD, 1996).
Somit ist festzuhalten, dass sich wissenschaftliche Publikationen primär mit dem selbst-
verwalteten Gesundheitssport auseinandersetzen und Anbieter aus dem fremdverwalte-
ten Sport, wenn überhaupt, eher randständig thematisiert werden.
2
Vor diesem Problemhintergrund soll im Rahmen dieser Arbeit eine markttheoretisch
verortete Wettbewerbsanalyse der Gesundheitssportanbieter in Deutschland vorgenom-
men werden. Ziel ist es, neben der Abbildung der Struktur einer ,,Gesundheitssportbran-
che" und deren Marktbesonderheiten, Merkmale und Perspektiven einzelner Anbieter
bzw. Anbietergruppen in diesem Markt aufzuzeigen. Ferner soll eine Bewertung der
Anbieter auf der Grundlage einer Zielkonformität zu prioritären gesellschaftspolitischen
Intentionen präventiver Strategien erfolgen. Somit entsteht auf der Folie einer Bran-
chenanalyse ein umfassendes Bild relevanter Gesundheitssportanbieter bzw. -anbieter-
gruppen.
Der Aufbau dieser Arbeit ist daher wie folgt: Im zweiten Abschnitt wird zunächst ein-
führend ein methodisches Grundgerüst erstellt, dessen Basis nicht nur theoretisch me-
thodologische Überlegungen bilden, sondern insbesondere die terminologische Spezifi-
zierung des themenzentralen Begriffs Gesundheitssport. Die abschnittsschließende
Marktabgrenzung der relevanten Wettbewerber bildet den zentralen Orientierungspunkt
sowohl für die in Abschnitt drei dargelegten gesellschaftspolitischen Rahmenbedingun-
2
In dieser Betrachtung wird der obligatorische Sport (z.B. Schulsport und Dienstsport) nicht berücksich-
tigt, da für dessen institutionellen Anbieter keine Notwendigkeit besteht marktwirtschaftlich zu handeln.

1 Problemstellung
4
gen eines Gesundheitssportmarktes als auch für die im folgenden und umfangreichsten
Abschnitt vier vorgehaltene Abbildung und Analyse des relevanten Marktes. Die in
Abschnitt fünf aufgezeigte Zusammenfassung stellt neben den resultierenden offenen
Fragestellungen den Schluss dieser Arbeit dar.

2
Einführung
2.1
Theoretische Vorüberlegungen
2.1.1 Methodischer Ansatz
Es gibt eine Vielzahl von Methoden zur Analyse der Branchenstruktur und -entwick-
lung, auf deren Basis eine Branche als Ganzes gezielt analysiert werden kann (Hungen-
berg, 2004, S. 98 ff.). Gemein ist allen Methoden, dass sie versuchen, auf Grundlage
theoretischer Überlegungen oder praktischen Beobachtungen die relevantesten Ein-
flussgrößen des Wettbewerbs zu systematisieren.
Eine für diese Arbeit geeignete Methode stellt das Five-Forces-Modell nach Porter
(1980; 1985) dar. Dieses dient primär der strukturellen Beschreibung der ,,Gesundheits-
sportbranche", in dem die Stärke der fünf einzelnen Wettbewerbskräfte Grad der Riva-
lität unter den bestehenden Wettbewerbern, Gefahr des Markteintritts, Druck durch
Substitutionsprodukte, Verhandlungsstärke von Lieferanten sowie die Verhandlungs-
stärke der Abnehmer identifiziert und folglich die Rentabilität der Branche bestimmt
wird (Porter, 1990, S.8 ff.). Dabei empfiehlt sich der portersche Ansatz als diagnosti-
sches Vehikel zur Wettbewerbsanalyse insbesondere durch seine systematische Abbil-
dung der zahlreichen Akteure, die in einer porterschen Sichtweise der ,,erweiterten
Rivalität" interdependent die Wettbewerbssituation konstituieren (Abb. 2.1).
Wettbewerber in der
Gesundheitssportbranche
Rivalität unter den besteh-
enden Unternehmen
Ersatzprodukte
Potentielle neue
Konkurrenten
Abnehmer
Lieferanten
Verhandlungs-
stärke
Verhandlungs-
macht
Bedrohung
Bedrohung
Abbildung 2.1: Branchenstrukturmodell nach Porter: ,,Die Triebkräfte des Wettbewerbs". Quelle:
Porter, 1990, S. 26; modifizierte Darstellung.

2 Einführung
6
Gemäß der markttheoretischen Verortung des auf industrieökonomischen Erkenntnissen
basierenden porterschen Ansatzes, ergibt sich der methodisch übergeordnete Leitfaden
für das weitere Vorgehen (Tirole, 1988).
3
So steht im Zentrum markttheoretisch ange-
legter Studien zumeist das Gliederungsinstrumentarium ,,Marktstruktur-Marktverhalten-
Marktergebnis" (Oberender 1984, 1989). Das von den Vertretern der ,,Harvard-School"
entlehnte Konzept wird dabei nur im Sinne eines didaktisch nützlichen Rah-
meninstrumentariums honorierend kopiert, ohne allerdings die ursprünglich mit diesem
Konzept verbundene Kausalkette und Statik zu übernehmen. Eine in diesem Sinne
beschränkte Adaptation wird vordergründig mit der methodisch immanenten Schwäche
der theoretischen Prognostizierbarkeit aufgrund von bloßen Fortschreibungen beobach-
teter Tatbestände - wie Unternehmenserfolge - begründet (Oberender, 1994, S. 67).
Letztlich geht es bei der markttheoretischen Betrachtung darum, die im Kern statische
traditionelle Preis- und Wettbewerbstheorie unter Einschluss der Unterneh-
merpersönlichkeiten nach Schumpeter (1993, S.115 ff.) für eine dynamische Prozess-
analyse zu nutzen (Oberender, 1994, S.70). Die vorgehaltenen makroökonomischen
Erweiterungen der markttheoretischen Betrachtungen berücksichtigen des Weiteren,
neben der interdependenten Markt-Unternehmer- oder Markt-Industrieperspektive, den
Aspekt einer bestehenden Interdependenz zwischen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbe-
dingungen und Marktstruktur (Oberender, 1994, S.71 f.).
So orientiert sich der übergeordnete methodische Rahmen dieser Arbeit an der Praxis
markttheoretischer Betrachtungen, die häufig dem Schema Rahmenbedingungen,
Marktstruktur, Marktverhalten, Marktergebnis und wirtschafts- bzw. wettbewerbspoliti-
schen Folgerungen nachkommen (Oberender, 1984; 1989). Es sollen aber weniger die
strukturellen Anpassungsprozesse im Vordergrund stehen als vielmehr der mit Hilfe des
porterschen Ansatzes darzustellende Wettbewerbscharakter, also die ,,Ist-Struktur" eines
Gesundheitssportmarktes.
3
Im deutschsprachigen Raum wird der Bergriff ,,Markttheorie" im Sinne des im angelsächsischen
Sprachgebrauch üblichen Terminus ,,Industrial Economics" verwendet (Fehl, 1989; Heuss, 1965; Obe-
render, 1994; Oberender/Väth, 1989 u.a.m.). Kennzeichnend für markttheoretische Betrachtungen ist
die interdependente Perspektive zwischen Markt und Unternehmer, worin auch der fundamentale Un-
terschied zu preistheoretischen Ansätzen besteht, die den Markt als gegebene exogene Größe darstellen
(Oberender, 1975, S.576).

2 Einführung
7
2.1.2 Problem der Marktabgrenzung
Im Rahmen der Industrieökonomik kommt der Idee eines bestimmten Marktes eine
zentrale Rolle zu, soll für diesen doch, wie oben dargestellt, ein ,,vernetztes" System
von Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnissen im Hinblick auf Wettbe-
werbswirkungen beschrieben werden. Die nachfolgend skizzierten Überlegungen sollen
hier die Schwierigkeiten einer Marktabgrenzung im Gesundheitssport verdeutlichen.
Die Richtigkeit einer Marktabgrenzung hängt generell vom Zweck ab, welchem diese
dienen soll (Oberender, 1975, S. 578). Im Allgemeinen ist der Zweck einer Marktab-
grenzung der Versuch, komplexe Beziehungen zwischen Anbietern, Gütern und Nach-
fragern zu analysieren und zu verstehen, um so Anbieter- und Nachfragerverhalten
besser vorhersagen und letztlich Maßnahmen zur besseren Erreichung gesamt- und
einzelwirtschaftlicher Ziele ergreifen zu können (Bauer, 1989, S.30). Demzufolge muss
die vorzunehmende Marktabgrenzung für Gesundheitssport dem Zweck einer marktthe-
oretischen Erklärung, der stattfindenden Entwicklungen auf einem Gesundheitssport-
markt, genügen.
Grundsätzlich lässt sich aber kein methodischer Ansatz zur Marktabgrenzung allein aus
der Güterart herleiten. Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, dass dies für Dienstleistun-
gen mit dem gleichen Verfahren wie für Sachleistungen möglich ist und somit lediglich
die produktorientierten Wettbewerbsparameter hier aufgrund fehlender physikalisch-
chemisch-technischer Eigenschaften abstrakter und stark subjektiver Natur sind (Bauer,
1989, S.32 f.).
Jedoch ist die gängige markttheoretische Vorgehensweise einer Marktabgrenzung an-
hand von Zensus-Klassifikationen für die Dienstleistung Gesundheitssport kein hinrei-
chendes Instrumentarium. So ist auf der relevanten nationalen Ebene die Systematik der
Wirtschaftszweige nicht ausreichend, da hier ausschließlich Einproduktunternehmen
kategorisiert werden, aber der sich abzeichnende konglomerate Charakter gesundheits-
sportlicher Anbieter eine andere Beurteilung verlangt (Fröhlich, 1975, S.64).
So hilft nicht zuletzt die Verwendung des porterschen Ansatzes mit seiner spezifischen
Branchendefinition, die generelle methodische Schwäche mikroökonomischer Ansätze
zur Marktabgrenzung zu absorbieren, da diese tendenziell auf die Frage der Zugehörig-
keit zweier bestimmter Marktobjekte zu einem Markt ausgerichtet sind und erst hieraus

2 Einführung
8
eine Marktabgrenzung hergeleitet wird (Bauer, 1989, S.46-79).
4
Auch honorieren dies
markttheoretische Analysen, in dem hier eine vollständige ex ante Abgrenzung als
irrelevant angesehen wird, da sich vielmehr während des Analyseprozesses ein präzise-
res Bild des relevanten Marktes zeichnen lässt (Oberender, 1975).
Folglich verlangt das methodische Vorgehen in dieser Arbeit ex ante keine stringente
Marktabgrenzung, da sich jene in ihrer Vollständigkeit im Prozess der porterschen
Strukturanalyse herauskristallisieren wird. Gleichwohl eine vorangestellte Identifizie-
rung der relevanten Wettbewerber, die im Zentrum des Five-Forces-Modells stehen,
helfen soll eine, auf Grund der begrifflichen Problematik des Terminus Gesundheits-
sport, notwendige Orientierung zu liefern. Dabei finden weniger spezifische mikroöko-
nomische Ansätze zu Marktabgrenzung Verwendung als vielmehr normative Überle-
gungen zu allgemeinen sachlichen, räumlichen und zeitlichen Abgrenzungsparametern.
4
Porter wählt für die Definition einer Branche einen Substitutionsansatz. So ist eine Branche ,,...eine
Gruppe von Unternehmen, die Produkte herstellen, die sich gegenseitig nahezu ersetzen können" (Por-
ter, 1990, S.27, 60f.). Demgegenüber wird in markttheoretischen Arbeiten häufig der Branchenbegriff
und somit die Abgrenzung synonym zu einem Industriezweig verwendet (z.B. Berg, 1984, S.171;
Fehl/Oberender, 1984, S.219; Oberender/Rüter, 1989, S.31; Oberender/Hebborn/Zerth, 2002, S.161).

2 Einführung
9
2.2
Gesundheitssport - Was ist das?
2.2.1 Begriffliche Entstehung und Verortung
Der Gebrauch des Begriffes Gesundheitssport geht im Wesentlichen auf die Überlegun-
gen von Rittner (1985b) zurück. Er beschreibt einen neben dem Freizeitsport existieren-
den Gesundheitssport, resultierend aus einer Ausdifferenzierung des Gesundheitsmotivs
im Sport und setzt diese im Kontext zu allgemeinen gesellschaftlichen Umorientie-
rungsprozessen.
5
Angesichts der in den Folgejahren wachsenden Verbreitung des Aus-
drucks Gesundheitssport in der Öffentlichkeit und Wissenschaft sah sich der Bundes-
ausschuss für Bildung, Gesundheit und Wissenschaft des Deutschen Sportbundes ver-
pflichtet, einen Vorschlag zur Definition des Begriffes Gesundheitssport mit folgenden
Wortlaut vorzulegen:
,,Gesundheitssport ist eine aktive, regelmäßige und systematische körperliche Be-
lastung mit der Absicht, Gesundheit in all ihren Aspekten, d. h. somatisch wie psy-
chosozial, zu fördern, zu erhalten oder wiederherzustellen. Gesundheitssport um-
fasst den Präventivsport, die Bewegungs- und Sporttherapie sowie den Rehabilita-
tionssport. Da Sport auch mit gesundheitsbezogenen Risiken verbunden sein kann,
müssen die Inhalte dosiert und in Anlehnung an die individuellen Vorraussetzun-
gen ausgewählt werden." (Bundesausschuss für Bildung, Gesundheit und Wissen-
schaft des Deutschen Sportbundes, 1993, S.198)
Die in der Folge diskutierten Kritikpunkte dieser inhaltlichen Konzeption des Begriffes
Gesundheitssport waren der Vorwurf eines ausschließlich sportmedizinisch naturwis-
senschaftlichen Zuganges und damit einer rein funktionalen Auslegung (Balz, 1993,
S.309; Beckers & Brux, 1993, S.313; Landessportbund Nordrhein Westfalen, 1994,
S.91), die aus sportpädagogischer Perspektive zum einem einer Instrumentalisierung des
Sports gleichkommen würde und zum anderem bei entsprechender Resonanz eine ein-
dimensionale langweilige Sportpraxis zur Folge hätte (Balz, 1993, S.310). Beckers &
Brux (1993, S.314) kritisierten im Weiteren das große Aufgabengebiet, welches dem
Gesundheitssport zugeschrieben wird und damit dieser als Leitbegriff für fast alle sport-
5
Ausführlich zum tradierten Gesundheitsmotiv im Sport bei Krüger (1998).

2 Einführung
10
lichen Aktivitäten dient, mit der Konsequenz eines Kompetenzverlustes der Sportorga-
nisationen an den Berufsstand der Mediziner. Weiter befürchten die Autoren eine hie-
rarchische Klassifizierung in einen gesellschaftlich wertvollen, weil gesundheitsförder-
lichen Sport und einem förderunwürdigen Sport, dem dieses Merkmal nicht zugeschrie-
ben wird. Tischbier (1993, S.316) ergänzt die Kritik um den Aspekt der Vernachlässi-
gung der eigentlichen Massennutzungsbereiche Breiten- und Freizeitsport, denen ein
größeres gesundheitsförderndes Potential innewohne.
Die vorläufige abschließende Stellungnahme der Kommission Gesundheit des Deut-
schen Sportbundes (1995a) stellte keine zufrieden stellende Lösung dar. Vielmehr
wurde eingeräumt, dass der Begriff sportpolitisch schwer durchsetzbar sei, wenngleich
dieser im allgemeinen Sprachgebrauch bereits fest etabliert ist (DSB, 1995a, S.103).
Die Arbeitsgruppen um Bös und Brehm richteten den Fokus auf eine inhaltliche Aus-
gestaltung spezifischer Parameter die summarisch das terminologische Versprechen -
Gesundheit durch Sport - garantieren sollten. In zahlreichen Publikationen wurde als
Ergebnis ein Modell der Qualitäten und Kernziele von Gesundheitssport und deren
Operationalisierung präsentiert (z.B. Brehm, 1998; Bös/Brehm, 1999; Brehm et al.,
2001). Dieses Konzept wurde unter anderem beim DSB Qualitätssiegel Sport pro Ge-
sundheit, sowie teilweise in den Guidelines der Spitzenverbände der Krankenkassen zur
Umsetzung von §
0
20
0
Abs.
0
1
0
und
0
2
0
SGB
0
V aufgegriffen (Arbeitsgemeinschaft der
Spitzenverbände der Krankenkassen, 2003; DSB, 2002a).
Mit der Aufnahme des Terminus Gesundheitssport in das sportwissenschaftliche Lexi-
kon (2003) scheint der Begriff Gesundheitssport wissenschaftlich etabliert, gleichwohl
der Verfasser Brehm konstatiert, dass ein inhaltlich theoretischer Konsens in der Wis-
senschaft nicht besteht, was allein quantitativ in einer dreiseitigen Erörterung manifes-
tiert wird (Brehm, 2003, S.224 ff.).
Balz (2003, S.4) stellt resignierend fest, dass der primär zweckfreie Sport instrumentali-
siert wird und die Grenzen einer Gesundheitsförderung mittels Sport erreicht wären.

2 Einführung
11
2.2.2 Inhaltliche Logik - Ist Sport Gesund? Anspruch und Konsequenz
für die Praxis
Die Sportwissenschaft postuliert die Gesundheitsförderung als eine ihrer zentralen
Aufgaben. Im Jahre 1995 wurde bspw. die Kommission Gesundheit innerhalb der Deut-
schen Vereinigung für Sportwissenschaft gegründet und damit eine institutionelle Ver-
ankerung der gesundheitsorientierten sportwissenschaftlichen Forschung vorgenommen.
Aus diesem Aufgabenverständnis folgt zwangsläufig der zu erbringende Beweis, dass
Sport als Gesundheitsförderungsinstrument geeignet ist und damit die Legitimation
dieses Anspruchs besteht. Hier gibt es bis heute eine große Fülle an Publikationen, die
versuchen, diesen Sachverhalt zu belegen. Insbesondere die Sportmedizin versteht sich
auf diesem Gebiet als Profession innerhalb der Sportwissenschaft (Rost, 1998; Dick-
huth, 2005).
Jedoch kann allgemein gültig von keinem direkten Zusammenhang zwischen Sporttrei-
ben und Ausprägung der Gesundheit ausgegangen werden. So konnten Schlicht (1995)
und Knoll (1997) in ihren Metaanalysen zeigen, dass sich generelle Zusammenhänge
zwischen sportlicher Aktivität und physischer und psychischer Gesundheit empirisch
nicht nachweisen lassen. In zahlreichen Studien sind aber trotzdem Kausalitäten zwi-
schen spezifischen Bedingungen sportlicher Aktivität und einzelnen Parametern der
Gesundheit gut belegt. Erwiesenermaßen primärpräventiv risikosenkend bei Krankhei-
ten wie Rückenleiden (Luomajoki, 2002; Nachemson, 1990; US Department of Health
and Human Services, 1996, S.142), koronaren Herzkrankheiten (Blair, 1996; Mensink
et al., 1996; Schuler, 2002) , Diabetes mellitus Typ II (Bauman, 2004; Schulze/Hu,
2005; US Department of Health and Human Services, 1996, S.125 ff.), Adipositas
(Walberg, 1989; Wareham/van Sluijs/Ekelund, 2005), Osteoporose (US Department of
Health and Human Services, 1996, S.130 ff.; Parsons, 2005; Wardlaw, 1993), Blut-
hochdruck (Böning/Schmidt, 1992; Dickey/Janick, 2001;
Slama/Susic/Frohlich, 2002)
und Kolonkrebs (Bauman, 2004; Lee, 2003; Quadrilatero/ Hoffman-Goetz, 2003).
6
6
Die Terminologische Verwendung von Risikofaktoren wurde erstmals im Rahmen einer epidemiologi-
schen Langzeituntersuchung in der Kleinstadt Framingham (USA) von Kannel et al. (1986) verwendet.
In der als Framingham Studie bekannt gewordenen Untersuchung wurden Risikofaktoren (Verhaltens-
weisen, Umwelteinflüsse, Körpermerkmale) beschrieben, die eine Eintrittswahrscheinlichkeit einer
Erkrankung erhöhen. Somit ist mit risikosenkend eine günstige Veränderung dieser Risikofaktoren und
damit die Verringerung der statistischen Eintrittswahrscheinlichkeit einer Erkrankung gemeint.

2 Einführung
12
Somit sind Menschen, die Sport treiben, nicht per se gesünder als Sportabstinente.
Wenngleich in einzelnen gesundheitsrelevanten Parametern durch spezifische sportliche
Aktivität gesundheitsprotektive Effekte erzielt werden können.
In diesem Kontext erscheint das von Brehm entwickelte Modell der Qualitäten und
Kernziele von Gesundheitssport als logische Konsequenz des aktuellen Forschungs-
standes. Denn will man das begriffsimmanente Gesundheitsversprechen als übergeord-
netes Ziel zumindest teilweise einlösen, müssen nach derzeitigem wissenschaftlichem
Erkenntnisstand bestimmte spezifische Bedingungen gegeben sein, um die Zielerei-
chung in einzelnen Parametern der Gesundheit zu garantieren, womit konkrete Anforde-
rungen an ein Gesundheitssportangebot formuliert sind (vgl. Tab. 2.1).
Tabelle 2.1: aktuelle Vorstellungen der qualitativen Ausgestaltung gesundheitssportlicher Ziele und
resultierende Anforderungen an das Gesundheitssportangebot und den ­anbieter. Quelle:
Brehm/Sygusch, 2003, S.482 ff.; eigene Darstellung.
Zielform
Zielformulierung
Anforderungen an das Gesundheitssportange-
bot / den ­anbieter
übergeordnetes
Ziel
Stabilisierung des allgem.
gesundheitlichen Wohlbefin-
dens
Kernziel 1
Stärkung von physischen
Gesundheitsressourcen
zielgerichtete, regelmäßige und homöostasestörende Belas-
tungsgestaltung; systematische muskuläre Aktivierung zur
Verbesserung der Ausdauer-, Kraft-, Dehn-, Koordinations- und
Entspannungsfähigkeit
Kernziel 2
Verminderung von Risiko-
faktoren
Minimalbeanspruchung von 800kcal/ Woche optimal 1000-1500
kcal/ Woche
Kernziel 3
Bewältigung von Beschwer-
den und Missbefinden
Problembezogene Bewältigungen; emotionsbezogene Bewälti-
gungen
Kernziel 4
Stärkung von psychosozia-
len Gesundheitsressourcen
Stimmungsmanagement; Vermittlung von Handlungs- und
Effektwissen; Stärkung, Konkretisierung und Differenzierung von
Kompetenzerwartungen; Entwicklung eines positiven Selbst- und
Körperkonzepts; Förderung und Erfahrung von sozialen Res-
sourcen
Kernziel 5
Bindung an gesundheits-
sportliche Aktivität
Berücksichtigung von derzeit bekannten Dropout hindernden
Umständen im Rahmen der Durchführung wie adäquate Aktivi-
tätsgestaltung; soziale Unterstützung etc.
Kernziel 6
Verbesserung der Bewe-
gungsverhältnisse
Profilierte Gesundheitssportprogramme; qualifizierte Übungslei-
ter; adäquate Räumlichkeiten und Geräte; kommunale und
regionale Vernetzung sowie Kooperation; Qualitätssicherung und
wissenschaftliche Evaluation
Gesundheitssport ist aus dieser Perspektive primär durch die spezifische Zielsetzung
und deren potentielle Erfüllung bestimmt und grenzt sich somit von anderen Formen
sportlicher Aktivität klar ab. Demnach sind alle sportlichen Aktivitäten, die am Markt
angeboten werden und nicht den Anforderungen dieser definierten Kernziele gerecht
werden bzw. gerecht werden wollen, de facto kein Gesundheitssport.

2 Einführung
13
Mit diesem absolutistischen Anspruch muss aber der Beweis erst noch erbracht werden,
dass dieser ,,richtige" Gesundheitssport dem ,,falschen" in seiner gesundheitlichen
Wirkung überlegen ist. So räumten
Brehm und Rütten (2003) auf der Jahrestagung der
DVS Kommission Gesundheit ein, dass Wirksamkeitsanalysen bislang eher auf
querschnittlichen und experimentellen Studien, als auf kontrollierten längsschnittlichen
Studien beruhen.
2.3
Abgrenzung der relevanten Wettbewerber im Gesund-
heitssportmarkt
Die für den Wettbewerbsprozess relevanten Wettbewerber können allgemein nach dem
law of indifference (Jevons, 1888) in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht
abgegrenzt werden (Böhler, 1998, S.209; Oberender, 1979, S. 230 f.). Die zeitliche
Dimension besitzt für die im Folgenden betrachtete Dienstleistung ­ gesundheitsorien-
tierter Sport ­ , keine Relevanz, da weder gesetzliche Reglementierungen wie Laden-
schlussgesetze, saisonale Abhängigkeiten noch technisch-wirtschaftliche Aspekte in
Form von innovativen Angeboten zeitliche Marktgrenzen konstituieren.
Aus sachlicher Perspektive ist die zu bestimmende und für den Wettbewerbsprozess
relevante Kategorie der Substituierbarkeit nur begrenzt aus den in der Literatur be-
schriebenen methodisch verschiedenen Ansätzen zur sachbezogenen Abgrenzung von
Tauschgruppen fassbar (Bauer, 1986; Schmidt, 2005, S. 49 ff.; Hungenberg, 2004, S. 95
ff.). So verhindern die divergierenden Ausgestaltungen der Gesundheitssportangebote
die Generierung notwendiger vergleichbarer objektiver Daten zur Anwendung quantita-
tiv ökonometrischer und statistischer Methoden. Für die Alternative, eine normativ
qualitative Betrachtung, ist es notwendig, die gesundheitssportliche Dienstleistung von
anderen Sportangeboten wie Freizeit- oder Breitensport inhaltlich hinreichend abzu-
grenzen.
Wählt man hierfür einen nachfragerbezogenen Ansatz, würde dies zu einer Aufblähung
der sachbezogenen anbieterseitigen Marktabgrenzung führen, da allein aus den Präfe-
renzen der Nachfrager, fassbar als gesundheitlich subjektiver Nutzen, potentiell vielfäl-
tigste Sportarten in Betracht kämen.
7
So würden beispielsweise auch Veranstalter von
Volksläufen im weitesten Sinne als Anbieter von Gesundheitssport Berücksichtigung
7
Vgl dazu den Abschnitt ,,3.1 Gesundheitssport im Verständnis wissenschaftlicher Laien".

2 Einführung
14
finden müssen. Dass diese Zuordnung aus sportwissenschaftlicher Perspektive ange-
zweifelt werden muss, wird jedem Laien deutlich, der einmal als Zuschauer im Zielbe-
reich einer entsprechenden Veranstaltung den physischen Zustand der Finisher beobach-
tet hat.
Ein anbieterbezogener Ansatz könnte mit normativer kategorialer Einteilung relevante
Gesundheitssportanbieter identifizieren. Hierfür scheint aber die derzeitige sportwissen-
schaftlich enge binäre Vorgabe des Begriffs Gesundheitssport mit der vollständigen
Kernzielerfüllung bzw. -anspruch auf der einen und der Nichterfüllung bzw. Nichtan-
spruch auf der anderen Seite nicht adäquat zu sein, da bei einem solch stringenten Vor-
gehen keine repräsentative Marktabbildung zu erwarten wäre.
8
Vielmehr könnte die
sportwissenschaftliche Konzeption als qualitatives Barometer bestehender gesundheits-
sportlicher Angebote dienen.
So wird schlussendlich als normatives qualitatives Abgrenzungskriterium der relevanten
Wettbewerber für Gesundheitssport
ein anbieterbezogenes, abstraktes Modell angewen-
det, wonach entlang eines inhaltlich bestimmten Kontinuums ein idealer Anbieter der
sportwissenschaftlichen Konzeption absolut gerecht wird und ein minimaler Anbieter
als Mindestbedingung die Gesundheitsförderung als zentrales angebotsimmanentes Ziel
herausstellt. Damit ist in sachlicher Hinsicht die aktuelle Situation einer heterogenen
Qualität der gesundheitsorientierten Sportangebote berücksichtigt und die Bedingung
einer hinreichenden Abgrenzung zu anderen Sportangeboten wie Fitness-, Fun-, oder
Breitensport erfüllt.
Unter Berücksichtigung der räumlichen Perspektive sind weiterhin solche gesundheits-
orientierte Sportangebote auszugrenzen, die vorwiegend in geografisch ,,isolierten"
Gebieten liegen und dadurch generell von einer geringen Substituierbarkeit gegenüber
Wohnortnahen Angeboten ausgegangen werden muss (Besanko/Dranove/Shanley,
2004, S. 227 ff.). Hierzu zählen vor allem Angebote von Destinationen und Reiseveran-
staltern die in einer gesundheitsbezogenen prosperierenden Tourismusbranche verortet
sind (Hedorfer, 2005; Lohmann/Winkler, 2005). Branchentypisch sind gesundheitsori-
entierte Sportangebote, wie Nordic Walking, Rückenschule oder Aquafitness, eingebet-
8
Als Indiz hierfür können die empirischen Untersuchungen von Brehm und Bös (2001) zu gesundheits-
orientierten Sportprogrammen im Verein gelten. Demnach zeigte sich eine Diskrepanz zwischen offe-
rierten Gesundheitssport und wissenschaftlichen Qualitätskriterien. Beispielsweise gaben 25 Prozent
der Vereine an, nicht alle Kernziele des Gesundheitssports anzustreben.

2 Einführung
15
tet in Angebotskomplexen und subsumiert unter der Marke Wellness oder Spa (IHA/
DEHOGA, 2005, S.8).
9
Eine attraktive, naturnahe Lage ist dabei Grundvoraussetzung,
um den Kundenvorstellungen gerecht zu werden (IHA/DEHOGA, 2005, S.3). So befin-
den sich die durch den Deutschen Wellness Verband zertifizierten Wellness-Hotels
ausnahmslos in touristischen Erholungsgebieten (DWV, 2005). Auch die staatlich aner-
kannten Heilbäder und Kurorte in Deutschland, die in geografisch gleichsam gelegenen
Gebieten vorkommen, haben neben den traditionellen Therapiekonzepten zunehmend
Wellness- und präventive Gesundheitsangebote implementiert und somit Attraktivie-
rungsmaßnahmen geschaffen, die nicht nur geholfen haben, die eigene Branchenkrise
erfolgreich zu bewältigen, als vielmehr die Perspektive eröffnet wurde, auch zukünftig
progressiv von privat zahlenden Gästen profitieren zu können (Deutscher Heilbäderver-
band, 2004; FOCUS-Marktanalysen, 2002, S.14ff.; Stoyke, 2003).
Recherchen zur Identifizierung potentieller Anbieter, die einerseits der normativ sachbe-
zogenen Abgrenzung in Form des Kontinuums genügen und andererseits der normativ
geografischen Abgrenzung entsprechen, präsentieren Anbieter, die in vier divergieren-
den Wirtschaftszweigen verortet sind.
10
Einem dem Gesundheitswesen zuordenbaren
Wirtschaftszweig entstammen sowohl Gesundheitssportanbieter aus dem Bereich der
Heilmittelerbringer, insbesondere physiotherapeutische Praxen als auch rehabilitative
Einrichtungen, speziell ambulante therapeutische Zentren. Aus dem Zweig Erwachse-
nenbildung entstammen gesundheitssportliche Angebote von Volkshochschulen und
kirchlichen Institutionen der Erwachsenenbildung. Kommerzielle Fitnessstudios und
Sportvereine können in einem jeweils eigenständigen Wirtschaftszweig eingereiht
werden. Damit kann grundsätzlich von einer ähnlichen strategischen Ausgangsposition
derjenigen Anbieter ausgegangen werden, die dem gleichen Wirtschaftszweig entstam-
men, da hier Anbieter mit Ähnlichkeiten, unter anderem nach den von ihnen produzier-
ten oder verkauften Gütern, in Kategorien subsumiert werden (Wagenführ, 1970, S. 184
f.). Eine Aggregation zu vier strategischen Anbietergruppen in Anlehnung an die kate-
9
Spa wird aus dem lateinischen "sanus per aquam" abgeleitet und bedeutet "Gesund durch Wasser". Als
Spa werden vor allem im asiatisch-pazifischen Raum Einrichtungen bezeichnet, die Dienstleistungen
im Wellnessbereich anbieten, hingegen im angelsächsischen der Begriff für ein Heilbad steht. Die Ter-
mini Wellness und Spa werden in Deutschland eher synonymial verwendet.
10
Als orientierende Systematik dient hier die Klassifikation der Wirtschaftszweige vom Statistischen
Bundesamt (2002).

2 Einführung
16
goriale Einteilung der Wirtschaftszweige ist nicht zuletzt aufgrund der großen Anzahl
der potentiellen Anbieter aus Praktikabilitätsgründen erforderlich.
2.4
Zwischenergebnis
Gesundheitssport ist in der sportwissenschaftlichen Konzeption inhaltlich nicht klar
gekennzeichnet und wurde in seiner begrifflichen Entstehung unzureichend präzisiert.
Die inhaltliche wissenschaftliche Richtung wird von wenigen Experten vorgegeben. Mit
Hilfe eines an gesundheitssportlichen Inhalten orientierten Kontinuums kann den me-
thodischen Problemen einer Abgrenzung der relevanten Wettbewerber adäquat entgeg-
net werden. Die ex ante analysebezogene Abgrenzung der zentralen Wettbewerber nach
dem porterschen Modell präsentiert vier kategorisierbare strategische Anbietergruppen.
Kennzeichnend für diese strategischen Gruppen sind unter anderem institutionelle Be-
sonderheiten der zugeordneten Gesundheitssportanbieter und die jeweilige Verortung in
einem divergierenden Wirtschaftszweig.

3
Rahmenbedingungen
3.1
Gesellschaftliches ,,Standing" - Gesundheitssport im
Verständnis wissenschaftlicher Laien
Um einen Überblick über das gesellschaftliche ,,Standing" von Gesundheitssport und im
engeren Sinne die begriffliche Konnotation aus der Laiensicht zu erfahren, ist eine
mehrperspektivische Betrachtung nützlich. So erschließt sich eine mögliche Interpreta-
tion durch verschiedenste Untersuchungsergebnisse, die im Kontext aktueller gesell-
schaftlicher Vorstellungen zur individuellen Gesundheitsvorsorge (1), individueller
gesundheitlicher Nutzenzuschreibungen sportlichen Handelns (2) und schließlich der
soziodemografischen Perspektive gesundheitsmotivierten Sporttreibens (3) publiziert
wurden.
(1) Die Einsicht zur Notwendigkeit individueller Gesundheitsvorsorge ist in der Bevöl-
kerung zunehmend vorhanden (Identity Foundation, 2001, S.4 ff.; FOCUS Marktanaly-
sen, 2003, S.1). Folglich erscheint die Gesundheit im Sinne einer positiven Lebensges-
taltung nicht mehr als selbstverständlich und muss erarbeitet werden. Gesundheit hat
sich so von einem passiven hin zu einem aktiven Status verändert und wird bei einer
entsprechend gesundheitsrelevanten Lebensweise verdient (Sobiech, 2000, S.88).
(2) Sport und Bewegung stellen in der Bevölkerung ein allgemein akzeptiertes Medium
zur individuellen gesundheitlichen Förderung dar. So wird der sportlichen Aktivität aus
Laiensicht grundsätzlich positive Gesundheitswirkung zugesprochen. Bös und Woll
(1989) bestätigten diesen Umstand in ihrer durchgeführten kommunalen Repräsentativ-
befragung, wonach 74% der Bevölkerung der Auffassung waren, dass Menschen, die
gesund und fit bleiben wollen, Sport treiben müssen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt
das Institut für Demoskopie Allensbach (2003, S.2). Demzufolge waren 30% der reprä-
sentativ Befragten der Überzeugung, auch ohne Sport ebenso gesund leben zu können.
Andere Untersuchungen konstatieren ferner keinen Unterschied zwischen Sportaktiven
und Inaktiven hinsichtlich der subjektiven Gesundheitszuschreibung des Sports (Mai-
bach/Parrott, 1995; Weiß/Russo, 1987; Mrazek 1986b). Darüber hinaus besitzen Sport
und Bewegung im Rahmen der möglichen individuellen Gesundheitsvorsorgemaß-
nahmen einen bedeutenden Stellenwert. Verschiedene empirische Befunde verweisen

3 Rahmenbedingungen
18
auf eine deutlich zentralere Rolle von Sport und Bewegung gegenüber anderen gesund-
heitsdienlichen Verhaltensoptionen wie bewusste Ernährung oder reduzierten Suchtmit-
telkonsum hin (Breuer/Rumpeltin, 1999; Rittner/Breuer, 1998, S.267). Das erhoffte
gesundheitliche Effekte als Sportmotiv immer bedeutender werden, wurde ebenfalls in
zahlreichen Untersuchungen belegt (z.B. Abele/Brehm, 1990; Woll, 1996).
(3) Andere Studien deuten auf ein heterogenes, gesundheitsmotiviertes Sportverhalten
in der Bevölkerung hin. Die soziodemographischen Faktoren Geschlecht und Alter sind
dabei von besonderer Relevanz. So ist zum einem eine wachsende Bedeutung des Ge-
sundheitsmotivs mit zunehmenden Alter charakteristisch, wobei ab den 50-jährigen
dieses dominiert (Allmer, 1988, S.12 ff.; Denk/Pache, 1999, S.327; Rittner et al., 1994,
A38) und zum anderem ist gesundheitsmotiviertes Sporttreiben bei Frauen häufiger
vorhanden (Institut für Demoskopie Allensbach, 2001, S.4).
Damit scheint die begriffliche Konnotation aus der Laiensicht primär an die offen-
sichtlich latent vorhandene Überzeugung der gesundheitsförderlichen Wirkung des
Sports gebunden und bestätigt terminologisch nur eine allgemein bekannte, scheinbare
Kausalität. Offerierter Gesundheitssport könnte somit letzte Zweifel einer potentiellen
Wirksamkeit eines unter diesem Namen gekennzeichneten Angebotes beseitigen und
bei Bestätigung intraindividueller Erfahrungshorizonte große Popularität erreichen.
11
Insbesondere bei Älteren und im Speziellen bei weiblichen Älteren ist hier ein großes
Potential zu vermuten.
11
So stellte Rittner (1985) fest, dass gesundheitspositive Erfahrungen im Sport mehrheitlich vorhanden
sein müssen. Er begründete dies plausibel mit der Formulierung: ,,wenn dem symbolischen Verspre-
chen keine realen Leistungen ­ keine variablen Gesundheitsleistungen- entsprächen, so bliebe die im-
mens gesteigerte Nachfrage nach Sport letztlich rätselhaft." (Rittner, 1985, S. 143).

3 Rahmenbedingungen
19
3.2
Politische Rahmenbedingungen und Gesundheitssport
3.2.1 Gesundheitspolitische Intention einer progressiven Präventions-
förderung
Bereits in der Einleitung wurde auf das veränderte Krankheitspanorama und der damit
verbundenen Interventionsgrenze des kurativen Medizinsystems hingewiesen. Ange-
sichts steigender Kosten in der gesetzlichen Krankenversicherung will man parteiüber-
greifend mit einem Ausbau präventiver und insbesondere primärpräventiver Maßnah-
men diesen Kostendruck reduzieren (Gesundheitsministerkonferenz 2003, Deutscher
Bundestag, 2003a, S.1; 2005d, S.1; 2005a, S.1). In der politischen Debatte werden die
erwarteten Erträge einer präventiven Gesundheitsförderung vielfach unter Berufung auf
den Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen formuliert.
So heißt es beispielsweise bei einem Antrag ,,Prävention umfassend stärken" der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass sich die Experten einig wären, "... dass durch
verstärkte Investitionen in lang- und mittelfristige Prävention sich 25 bis 30 Prozent der
heutigen Gesundheitsausgaben in Deutschland theoretisch einsparen ließen." (Deutscher
Bundestag, 2002, S.1).
Die Erwatungen und Hoffnungen müssen aber unter zwei Aspekten eingegrenzt werden.
Erstens wird in der politischen Debatte der Sachverständigenrat nur unvollständig zi-
tiert. So hat dieser im besagten Gutachten von 2001 die Prognose unter der Aussage
,,bei nicht saldierter und nicht diskontierter Betrachtung" gegeben, welches die metho-
dischen Probleme einer monetären Nutzenbewertung von Prävention verdeutlicht.
Zweitens wurde eine solche Prognose bis dato durch keinen empirischen Beleg einer
Kostensenkung im Gesundheitswesen durch Prävention gerechtfertigt (Beske, 2002,
S.A1029; Gandjour/Lauterbach, 2002, S.2). Gegensätzliche Meinungen aus der Wissen-
schaft gehen sogar von einem weiteren Kostenanstieg für das Gesundheitswesen durch
Prävention aus und beschreiben diese Strategie ,auch unter allokativen Gesichtspunkten,
als einen Irrweg der Politik (Krämer, 1997, S.13 ff.).
Die unterschiedlichen Annahmen beider Standpunkte in der Diskussion um die Folgen
präventiver Gesundheitspolitik auf die individuellen Gesundheitsausgaben werden in
der Fachliteratur durch zwei opportune Thesen gestützt. Auf der einen Seite steht die
Morbiditätskompressionsthese (Fries, 1980, 1983). Sie besagt, dass sich die Phase der

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832495343
ISBN (Paperback)
9783838695341
DOI
10.3239/9783832495343
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena – Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, Sportwissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (April)
Note
1,3
Schlagworte
marktanalyse sportbranche marktpositionierung wettbewerbsanalyse präventionsförderung
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